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Kapitel: | 7 | |
Sätze: | 1.004 | |
Wörter: | 13.964 | |
Zeichen: | 82.462 |
31 Oktober 1999
„Ich denke nicht, dass du mit Mächten spielen solltest, von denen du keine Ahnung hast, Luzifer. Das bringt nur wieder Probleme und Streit mit deinen Brüdern.“ Elliel ging nervös auf und ab und hatte dabei die Arme vor der Brust verschränkt. „Und du weißt doch, wie sauer Gabriel werden kann, wenn man seinen Befehlen nicht Folge leistet.“ Am anderen Ende des Raumes ertönte ein genervtes Seufzen. „Mach dir nicht ins Hemd, El. Ich mach das hier nicht zum ersten Mal.“ „Deswegen sagte ich das doch“, murrte der blonde Engel und stellte sich vor den Tisch, an dem Luzifer arbeitete. „Und nur zur kleinen Information, Elliel; es interessiert mich nicht, was Gabriel davon halten wird. Das solltest du nach all den Jahren eigentlich schon wissen“, kam es vom Erzengel mit einem hämischen Grinsen. „Beschwer‘ dich dann aber bloß nicht bei mir, wenn dein ach-so-toller Plan in die Hose geht. Ich hab’s dir nämlich gesagt.“
„Mann, Elliel! Das ist doch nur Kinderkram. Ich will ja schließlich niemanden umbringen.“ „Das hast du das letzte Mal auch gesagt“, kam es vom Angesprochenen, der sein Kinn auf die Hand gestützt hatte. „Und dann wurde aus einem anfangs harmlosen Streich eine Massenkarambolage, bei der unzählige unschuldige Menschen starben.“ „Dass du immer noch darauf herumreiten musst. Es war ein Unfall.“ „Deine Brüder haben das anders gesehen. Darf ich dich daran erinnern, was Uriel damals sagte, als er davon erfuhr?“ Luzifer seufzte und schüttelte den Kopf. „Nein, danke. Das ist mir noch sehr gut selbst im Gedächtnis geblieben.“
Der schwarzhaarige Erzengel legte das Messer, mit dem er die letzten paar Stunden klitzekleine und haarfeine Runen in einen Ast geritzt hat, weg und stand auf. Er streckte sich ausgiebig, gähnte und rieb sich die Augen. „Wenn das hier vorbei ist, geh ich pennen. Hab seit gefühlten hundert Jahren nicht mehr geschlafen.“ „Ach, weswegen bloß“, nuschelte Elliel und wich Luzifers Blick aus. „Wie ich schon sagte, dieses Mal wird es funktionieren. Ich hab mich genau an das Buch gehalten und die Runen perfekt übertragen.“ Er klatschte einmal in die Hände, woraufhin der gesamte Kerkerraum vibrierte. „Mann, dieser Raum hat’s echt drauf.“ „Können wir jetzt wieder gehen“, drängte Elliel, der nervös herum tänzelte. „Im Gegensatz zu dir mag ich diesen Kerker nämlich ganz und gar nicht. Ich wusste nicht einmal, dass der Himmel Kerker und Verließe beherbergt.“ Luzifer sah auf und kniff die Augen zusammen, meinte jedoch gelangweilt: „Die sind eigentlich nur Reserve, falls in der Hölle mal der Platz eng wird.“ Der Erzengel griff nach dem Ast und schlug mit diesem das Buch zu, welches sich gleich darauf in Luft auflöste. „Der Spaß kann beginnen!“
***
„Weißt du, was diese ganze Sache jetzt noch besser machen könnte“, fragte Luzifer an Elliel gewandt, der neben ihm auf der nassen Straße stand und dem Gemetzel zusah, „Ein Sturm?“ „Genau, ein Sturm. Ein Sturm, der dem Ganzen hier noch das gewisse Etwas verleiht.“ „Reicht es dir denn nicht schon, dass bereits sieben Menschen tot sind? Du hast vorhin gesagt, dass du niemanden umbringen willst.“ Der Erzengel zuckte nur resigniert mit den Schultern. „Es hätte dir von vornherein klar sein sollen, dass Menschen sterben werden, mein lieber sensibler Freund. So ist nun mal der Kreislauf des Lebens. Fressen oder gefressen werden, so lautet die Devise.“ „Das ist eine fürchterliche Devise, das ist dir hoffentlich klar, oder?“ „Deine Haare sind auch furchtbar, El. Na, los. Komm mit!“
Sie liefen die Straße entlang bis sie zu einem Haus kamen, in dem noch Lichter brannten, doch als Luzifer die Tür öffnete, strömte ihnen der Geruch von Blut und Schwefel entgegen. „Toll, wieder Tote“, flüsterte Elliel hinter ihm und biss sich auf die Lippe. „Du ruinierst einem auch jeden Spaß.“ Der Erzengel lugte in den Raum, der links von ihm war, hinein. Nichts zu finden. Er schlich den Flur entlang, der in die Küche führte. Auch hier war nichts zu finden, weswegen er kehrt machte und Elliel deutete, dass er die Treppe hochgehen sollte. Dieser bewegte sich nur mit großem Widerwillen, während Luzifer hinter ihm herschlich.
Im oberen Stockwerk wurde alles von der Dunkelheit eingenommen, weswegen der schwarzhaarige Junge mit seinem Ast kurz auf den Boden klopfte. Gleich darauf erschien auf der Spitze ein hellblaues Licht, das ihnen den Weg wies. „Diese Hysterie dort unten bringt mich noch um den Verstand“, raunte Elliel und stieg über einen alten Mann hinweg, der leblos und mit weit aufgerissenen Augen am Boden lag. „Das ist die Filmmusik, El.“ „Weißt du, manchmal frag ich mich, ob du psychisch überhaupt korrekt bist.“ Luzifer blieb stehen und wandte sich zu seinem Freund um. „Wieso sollte ich es denn nicht sein“, fragte er überrascht, woraufhin Elliel seufzte und mit seinen Armen einen Kreis beschrieb. „Wegen dem allen hier! Das ist nicht normal für einen Engel, Luzifer. Erst recht nicht für einen Engel im Dienste des Herrn. Für einen Erzengel.“ „Dass du immer so melodramatisch sein musst“, murrte der Schwarzhaarige und betrat den Raum rechts von ihnen. „Einer von uns muss schließlich Gefühle zeigen.“
„Hey! Ich bin nicht hergekommen, um mir meine Millionen von Fehlern vorhalten zu lassen.“ Luzifer sah den blonden Jungen wütend an. „Nein, du bist nur hergekommen, um wieder unschuldige Menschen abzuschlachten.“ „Ach, so ist das, ja? Na dann. Wer frei von aller Schuld, werfe den ersten Stein.“ Er trat zur Seite und gab Elliel den Blick auf einen Laufstall frei, in dem ein kleines Kind saß und die beiden Jungs interessiert beobachtete. Der Engel sah zwischen Luzifer und dem Kind hin und her, bis er sich schließlich wieder kopfschüttelnd seinem Freund zuwandte. „Ich werde bestimmt kein unschuldiges Kind töten.“ „Weil du nicht frei von Fehlern oder weil du zu gutherzig dafür bist?“ „Langsam frage ich mich wirklich, wieso ich dich meinen besten Freund nenne, Luzifer.“
„Weil du keinen anderen Idioten finden kannst, der dich vor allem und jedem beschützt. Oder darf ich dich daran erinnern, wer dir den Arsch gerettet hat, als du, ganz aus Versehen natürlich, den Hund eines kleinen Mädchens ertrinken lassen hast und Franziskus außer sich war und dich für zwanzig Jahre in den Kerker sperren wollte?“ „Das war ein Versehen und er hat es dann auch akzeptiert“, knurrte Elliel, doch der Erzengel zuckte nur mit den Schultern. „Du bist einfach zu weich, sowohl von innen als auch von außen.“ „Das ist nun mal einer der wichtigsten Charakterzüge eines Engels, Luzifer. Du als Erzengel müsstest das wissen. Zumindest … solltest du es wissen.“ „Das ist unwichtiges Zeug, das interessiert mich nicht.“ „Nein, wieso denn auch? Ist ja nur ein sehr großer Teil deines Daseins“, murmelte der Engel und ging zum Laufstall.
„Na du. Wo sind denn deine Eltern?“ „Draußen auf den Straßen. Tot.“ Elliels Kopf schnellte in die Höhe. „Wie bitte?“ „Ihre Eltern sind tot. Die liegen da draußen auf dem Bürgersteig. Erkenne sie von einem Bild wieder, das im Wohnzimmer steht.“ „Das ist ein Junge.“ Luzifer seufzte. „Ja, gut. Dann sind halt seine Eltern tot. Was macht das für einen Unterschied?“ „Das macht einen gewaltigen Unterschied“, knurrte der blonde Engel und hob den Jungen hoch. „Es tut mir wirklich leid, dass du und deine Eltern das miterleben musstet. Ich hoffe, du vergisst das über die Jahre hinweg und vermisst deine Eltern nicht zu sehr.“ Der Erzengel wandte sich zu Elliel um und sah ihn merkwürdig an. „Wieso sollte er seine Eltern denn vermissen? Er ist nicht mal alt genug um seinen Pipidrang zu kontrollieren. Geschweige denn, sich daran zu erinnern, was er vor fünf Minuten noch getan hat.“
Elliel wollte gerade etwas erwidern, als von den Straßen ein lauter Knall zu hören war. Beide Jungs standen gleich darauf vor dem Fenster und sahen hinab in die Dunkelheit. „Was war das“, flüsterte der blonde Engel seinem Freund zu, der angestrengt versuchte, etwas zu erkennen. „Ich weiß es nicht, aber es ist nichts Gutes. Lass uns von hier abhauen.“ Luzifer wandte sich um und war schon am anderen Ende des Raumes, als Elliel sagte: „Und was ist mit dem Kleinen hier? Wir können ihn nicht alleine lassen. Er verhungert sonst.“ „Seine Großeltern leben noch. Zumindest seine Großmutter. Sie ist nur bewusstlos.“ „Bist du dir da sicher?“ „Ja, El. Und jetzt komm. Ich will hier weg, bevor Gabriel kommt und mich hier sieht.“ Der blonde Junge setzte das Kind wieder in den Laufstall und flüsterte leise: „Du wirst meinen Schutz auf ewig tragen.“
Luzifer verdrehte die Augen und sprintete die Stufen hinunter, nachdem Elliel sich von dem Kleinen verabschiedet hatte. Er stoppte zwischen Tür und Angel und sah hinaus auf die Straßen, wo unzählige Menschen blutüberströmt lagen oder herumliefen. Eines der Opfer, ein älterer Mann mit bereits graumeliertem Haar, blieb stehen, als er die beiden Jungs aus dem Gebäude kamen sah und begann hysterisch zu schreien. „Der Teufel! Der Teufel persönlich ist gekommen um uns alle zu holen!“ Elliel sah sich panisch um, doch der Erzengel seufzte. „Er meint mich, du Genie.“ Der schwarzhaarige Junge zeigte auf seine Augen, woraufhin sein Freund verstand. Sie ließen den immer noch hysterisch schreienden Mann hinter sich, als sie die Straße entlang liefen und geradewegs in Gabriel hinein polterten.
Noch bevor einer der beiden etwas sagen konnte, hatte Gabriel seinen jüngeren Bruder schon am Kragen erwischt und schüttelte ihn. „Hast du nun vollkommen den Verstand verloren, Luzifer?“ „Das war so nicht geplant.“ „Und wie war es dann geplant“, kam es von Uriel, der um die Ecke kam, gefolgt von Michael und Raphael. Elliel, dem man die blanke Panik ansehen konnte, stammelte unzählige Entschuldigungen und drohte umzukippen. „Es sollte einfach nur ein kleiner Spaß werden, mehr nicht.“ „Sagst du denn nicht immer, dass es nur ein ‚kleiner Spaß‘ werden sollte?“ „Für deine kleinen Späße bezahlen unschuldige Menschen mit ihrem Leben, Luzifer, ist dir das nicht bewusst?“ Der Angesprochene zuckte nur mit den Schultern. „Das interessiert mich doch nicht.“ „Es sollte dich aber interessieren. Du bist unser Bruder und einer der Erzengel.“ Der Schwarzhaarige riss sich von Gabriel los und zupfte sein Hemd gerade. „Ich hab mich nie für diesen Posten beworben. Ich hab es mir nie ausgesucht ein Engel zu sein und es ist mir auch scheiß egal, ob es meiner Pflicht, den Menschen zu helfen und zu dienen, widerspricht oder nicht.“ „Dieses Vergehen wird euch, vor allem dir, mein lieber Bruder, schwer zu Strafe kommen.“
01 November 1999
„Ich wollte sie nicht umbringen. Es ist einfach … passiert.“ Luzifer saß auf der Couch und beobachtete seinen Bruder genervt, wie dieser vor ihm hin und her schritt. „Natürlich! Es ist einfach so passiert. Diese Menschen haben von ganz alleine angefangen sich abzuschlachten.“ Der schwarzhaarige Erzengel zuckte kurz mit den Schultern und meinte dann kleinlaut: „Ja, naja … vielleicht haben sie es doch nicht so ganz von alleine getan.“
Gabriel, der bereits über alle Maßen erzürnt war, raste auf seinen jüngeren Bruder zu und baute sich über ihn auf. Seine Flügel spreizten sich und begannen in einem himmlischen Blau zu glühen, genauso wie seine Augen. „Ich denke genauso, dass sie es doch nicht so ganz von alleine getan haben. Irgendjemand muss sie dazu gebracht haben und jetzt überlegen wir mal schön, wer das gewesen sein könnte“, fauchte der ältere Erzengel den Jungen vor ihn an, woraufhin Luzifer schluckte. Er ließ sich dennoch nicht anmerken, dass sein Bruder ihm, in seiner wahren Gestalt, erheblich Angst einflößte. „Es war ein Unfall“, fauchte Luzifer zurück, doch diese Lüge versetzte Gabriel nur noch mehr in Rage. „Ich hab es dir bereits beim letzten Mal gesagt, mein lieber kleiner Bruder; beim nächsten Vergehen wirst du dafür büßen! Ganz davon abgesehen, dass du Elliel mit hinein gezogen hast und ich es erkenne, wenn du lügst.“
Der blonde Erzengel wandte sich wieder von Luzifer ab und setzte sein durch-den-Raum-Schreiten fort. „Ich habe mit unserem Herrn gesprochen.“ Der Schwarzhaarige verdrehte die Augen und seufzte. „Und was meinte der alte Herr?“ Für einen kurzen Moment begannen Gabriels Flügel erneut zu glühen, doch in der nächsten Sekunde war es schon wieder abgeklungen. Der Ältere verabscheute es, wenn man schlecht über seinen Gebieter sprach und das wusste Luzifer nur zu gut. Selbst wenn er nicht dabei war, wusste Gabriel immer, wann jemand schlecht über den Herrn der Engel sprach oder Witze über eben diesen machte. Und meistens spürte man danach den Zorn des Erzengels.
„Ich habe ihm von deinem erneuten Vergehen erzählt und ihm auch einen Vorschlag für deine Bestrafung gemacht.“ „Was für eine Bestrafung“, kam es empört vom schwarzhaarigen Jungen, der aufgesprungen war. Mit einem hämischen Blick sah Gabriel seinen Bruder an. „Dachtest du ernsthaft, dass ich dich dieses Mal davon kommen lasse, nachdem ich dir letztes Mal schon damit drohte? Dachtest du ernsthaft, ich würde Scherze machen, mein lieber kleiner und naiver Bruder?“ Luzifer setzte sich wieder hin und sagte kein Wort dazu. Er wollte Gabriel nicht noch wütender erleben, als er ohnehin schon war. „Das letzte Mal bist du nur davon gekommen, weil unsere Brüder und auch Araton gegen eine Bestrafung waren. Araton war zudem der Meinung, du wärst noch zu jung um für deine Taten geradezustehen. Du wärst noch zu … grün hinter den Ohren dafür.“ „Soll das heißen, Araton denkt, ich wäre dumm“, kam es nun lauter vom schwarzhaarigen Erzengel, woraufhin sein älterer Bruder genüsslich lächelte. „Er meinte, dir würde noch die nötige Reife fehlen.“
Luzifer begann nach diesen Worten Gabriels lautstark zu knurren, wobei seine Flügel und Augen rot aufleuchteten. Den blonden Engel hingegen störte das nicht. Er lehnte sich an den eichenen Schreibtisch, der mitten im Raum stand und verschränkte die Arme vor der Brust. Seine Augen waren geschlossen. „Deine Bestrafung sieht folgendermaßen aus“, begann Gabriel zu sprechen, doch der Jüngere unterbrach ihn. „Kann ich das irgendwie wieder gutmachen und die Strafe umgehen?“ Der blonde Erzengel öffnete ein Auge gerade so weit, dass er seinen Bruder sehen konnte, schloss es aber gleich darauf wieder. „Neunzehn Menschen sind gestorben, dreiunddreißig weitere wurden schwerverletzt. Da gibt es nichts wieder gutzumachen, Luzifer. Ein Menschenleben kann man nicht ersetzen.“ „Theoretisch schon“, ertönte es kaum hörbar, dennoch knurrte Gabriel. Sofort verstummte Luzifer und senkte den Kopf. „Wie sieht meine Bestrafung aus?“
Nach diesen Worten von Luzifer war Gabriel plötzlich hocherfreut. „Wie schön, dass du fragst, mein lieber Bruder.“ Er klatschte in die Hände und ging um den massiven Tisch herum. Aus einer Schublade, die durch einen Zauber erweitert wurde, kramte Gabriel nach einem Ordner, den er vor sich offen hinlegte. Der blonde Engel setzte sich und faltete die Hände unter seinem Kinn. „Deine Bestrafung besteht aus einem unbefristeten Aufenthalt zwei Stockwerke tiefer.“ Luzifer klappte der Mund auf, woraufhin Gabriels Grinsen breiter wurde. „Ich komme … in die Hölle“, kam es einerseits empört und erstaunt, andererseits belustigt von dem jüngeren Erzengel. „Das tust du. Und wie gesagt; unbefristet.“ Gabriel kam hinter dem Schreibtisch hervor. „Du wirst so lange dort unten bleiben und in deiner Zelle schmorren, bis du endlich Einsicht zeigst. Nicht früher, nicht später wirst du dort wieder herauskommen.“
„Das ist wahnsinnig!“ Luzifer sprang auf und war vollkommen Feuer und Flamme für diese Bestrafung. So konnte er endlich mal mit dem Teufel, Satan höchstpersönlich, Tee trinken und sich unterhalten. Sie konnten sich darüber auslassen, was für ein schrecklich langweiliger Ort der Himmel doch war und was für Spießer Gott erschaffen hatte. Und dass auf der Erde unbedingt mal jemand für Schwung sorgen musste. „Freu‘ dich mal lieber nicht zu früh, Luzifer.“ Der Kopf des Angesprochenen schnellte zu Gabriel, der wieder die Arme vor der Brust verschränkt hatte. „Du wirst dort unten nämlich nichts zu lachen haben.“ „Wieso denn nicht? Ich bin ein Erzengel. Selbst in der Hölle werden die Erzengel respektiert und sie haben ein Mitspracherecht.“ „Ja, ja. Das mag schon so sein“, meinte der blonde Engel hämisch grinsend. „Doch dir wird der Erzengelstatus aberkannt.“
Luzifer fiel aus allen Wolken, als er diese Worte hörte. „Was? Aber … aber das könnt ihr nicht machen. Gabriel, ich bin dein Bruder!“ Gabriel grinste und hob abwehrend die Hände. „Du hast es selbst dazu gebracht, Luzifer, also schau zu, wie du damit umgehst.“ „Ich wurde schon als Erzengel geboren, dieser Titel gehört mir. Den könnt ihr mir nicht nehmen.“ „Wir nehmen dir diesen Rang auch nicht, sondern Gott. Wenn du also ein Problem mit dieser Entscheidung hast, dann berufe doch eine Audienz bei dem Herrn ein und lass‘ dir von ihm dasselbe vortragen, wie gerade von mir.“
Wie von einer Hummel gestochen rannte Luzifer Richtung Tür, doch als er diese geöffnet hatte, ertönte hinter ihm erneut die Stimme seines älteren Bruders. „Er ist momentan nicht hier. Er klärt deine Angelegenheiten gerade höchstpersönlich mit dem Herrn des Feuers.“ Der schwarzhaarige Junge sackte auf die Knie und er spürte, wie sich eine Panikattacke anbahnte. Ein Brennen in seinen Augen verriet ihm, dass er zu weinen begonnen hatte und er sah erschrocken auf, als er eine Hand auf seiner Schulter spürte. Sein Bruder beugte sich zu ihm hinab und statt einem hämischen Grinsen zeichnete nun ein bemitleidender Blick sein Gesicht. „Zeige Einsicht, mein Bruder. Mehr kann ich leider nicht für dich tun, doch ich hoffe und bete für deines Willen, dass du es irgendwann verstehen wirst.“
26 Juli 2016
„Sonne, Mond und Sterne. Ihr könnt‘ mich alle mal gerne.“ Luzifer stand in seiner Zelle und klammerte sich an die Gitterstäbe, während er leise vor sich hin summte und dabei seine Umgebung kontrollierte. Er wollte gerade wieder zum Singen ansetzen, als neben seiner Zelle eine leise und tiefe Stimme erklang. „Kannst du auch mal ein anderes Lied anstimmen?“ Der Engel wandte sich irritiert um und blickte von seinem Standpunkt aus durch das kleine Loch, welches zwischen den Ziegelsteinen entstanden war, als er aus Langeweile drauf eingedroschen hatte. „Ich weiß inzwischen, wie sehr du diese ganze Bagage hasst. Du musst es mir nicht noch einmal vorsingen.“
Luzifer ging langsam auf die Wand zu und lugte hindurch, doch konnte nichts erkennen. Als er wieder einen Schritt zurückging und sich dann wieder an das Loch stellte, konnte er einen roten Schatten erkennen. „Sag mal“, begann er seinen Satz, doch die Gestalt in der Nachbarzelle unterbrach in jäh. „Ich wurde hierher gebracht, als du geschlafen hast und nein, ich werde nicht dein Freund sein und mit dir Fingerfarben malen.“ „Das wollte ich gar nicht fragen“, kam es empört von Luzifer, der immer noch an der Ziegelwand stand und versuchte durch das kleine Loch etwas zu erkennen. „Fass‘ dich kurz“, erklang es von der anderen Seite, woraufhin der Engel seufzte. „Was bist du für eine Gestalt?“
Der Engel vernahm ein diabolisches Lachen und wich von der Wand zurück. Dies schien das Wesen auf der anderen Seite bemerkt zu haben, denn das kleine Loch in der Wand verfinsterte sich. „Sagt dir der Name Arzuda etwas?“ Die Stimme war kaum mehr als ein Flüstern und dem ehemaligen Erzengel lief es kalt den Rücken runter. „Arzuda? Das ist doch der Bruder des Herrn des Feuers.“ In der Nachbarzelle fletschte jemand mit den Zähnen. „Du hast gut aufgepasst, Kleiner. Und willst du etwas wissen“, kam es immer noch flüsternd zurück. „Ja“, antwortete der Engel ebenfalls flüsternd und ahnte bereits, welchen Satz sein Zellennachbar nun sagen würde. „Ich bin Arzuda.“
Obwohl der schwarzhaarige Junge darauf gefasst war, fiel ihm die Kinnlade runter und er musste sich zusammenreißen, damit er nicht hyperventilierte. Das war immer einer seiner größten Träume gewesen. Arzuda, der Bruder des Teufels persönlich, war sein Zellennachbar. „D-du … Krasse Scheiße!“ „Mach dir nicht ins Hemd vor lauter Aufregung, Kleiner.“ Luzifer ging langsam wieder ans Loch ran und positionierte ein Auge so, dass er hindurchsehen konnte, doch alles was er erkennen konnte, war ein anderes kohlrabenschwarzes Auge.
„Du bist wirklich Arzuda?“ Kaum hatte er diese Worte ausgesprochen, begann die Erde unter ihm zu beben. „Denkst du etwa, ich würde lügen, Freundchen?“ „N-nein“, stammelte der schwarzhaarige Engel und grinste. „Wie kommt es, dass du hier in der Hölle schmorst?“ Luzifer vernahm einen tiefen Seufzer. „Ich habe etwas angestellt.“ Der Junge versuchte das Loch in der Wand zu vergrößern, indem er mit dem Finger darin herumstocherte. „Da wären wir schon zu zweit. Ich hab einen kleinen Krieg auf der Erde angezettelt“, gab der ehemalige Erzengel ehrlich zu und stieß einen etwas größeren Ziegelbrocken in Arzudas Zelle. „Ach, das warst du damals?“ Luzifer grinste. „Oh ja. Elliel hat sich am Ende hin schon in die Hosen gemacht.“ „Dieser Junge ist auch ein Feigling. Aber ich fand deine Aktion echt klasse. Nur leider hat man dir den Erzengelstatus aberkannt, nicht wahr?“ Als Antwort bekam Arzuda nur ein kehliges Grunzen. „Nimm’s nicht persönlich, Knirps. Diese Gottesanbeterinnen würden ihrem Herrn am liebsten in den Hintern kriechen.“ „Ich weiß. Bin irgendwie froh, dass ich von da weg bin. Das war nie so mein Fall“, erwiderte Luzifer, der das Loch nun schon auf das Doppelte vergrößert hatte.
„Hallo.“ Luzifer sah wieder durch das Loch und sah an der Wand gegenüber jemanden am Boden hocken. „Na, alles klar?“ „Hör‘ mal zu, Junge, ich bin nicht dein Freund und werde es auch nie sein.“ „Hast du immer so schlechte Laune?“ Bevor Luzifer seine Mundwinkel zu einem Grinsen verziehen konnte, flammte vor seinen Augen die gesamte Nachbarzelle rot auf. „Ich an deiner Stelle würde die vorlaute Klappe halten, Bürschchen. Ich bin nämlich nicht hierher gebracht worden, weil ich einen harmlosen Streich gespielt habe, so wie du.“ „Uh, jetzt hab ich aber Angst“, kam es spöttisch von Luzifer, der sich wenige Sekunden nach dieser Aussage in der gegenüberliegenden Ecke wiederfand. Mit einem tiefen Brummen nahm das Feuer Arzudas ab und das Loch verdunkelte sich wieder. „Du willst mich nicht zum Feind haben, hast du das verstanden?“ Luzifer nickte.
***
„Sonne, Mond und Sterne, diese Hölle mag ich gerne.“ Ein gelangweilter Seufzer drang an Luzifers Ohren, der die Mundwinkel nach oben verzog. „Du könntest doch mitsingen“, rief er Arzuda zu, der sich in der nebengelegenen Zelle in eine Flammenblase gehüllt hatte und versuchte, zu schlafen. „Wenn du nicht gleich die Klappe hältst, werden die Wachen in drei Jahren statt dir einen Aschehaufen hier auffinden.“ „Oh, du Schmeichler“, erwiderte der Engel grinsend und wandte sich den Gitterstäben zu, als sich das Eisentor öffnete, welches die Zellen von der restlichen Hölle abschnitt.
Luzifer traute seinen eigenen Augen nicht, als sein Bruder Uriel, gefolgt von zwei Wachen, die Treppe herunterkam und zielstrebig auf seine Zelle zukam. „Luzifer, wir müssen reden“, war alles, was er zur Begrüßung beitrug, bevor die Gitterstäbe verschwanden und einer der Wachen den schwarzhaarigen Engel unsanft am Arm packte. Luzifer wusste nicht, was sein Bruder mit ihm zu bereden hatte, weswegen er sich wortlos in eine Art Büro mitschleifen ließ. Dort setzte sich Uriel hinter den Schreibtisch und Luzifer wurde auf einen der Stühle davor gedrückt.
„Worüber müssen wir reden? Doch nicht schon wieder über…“ „Nein, nicht über das, was geschehen ist. Es geht um etwas anderes. Es geht um Castiel.“ Luzifers Gesichtsausdruck änderte sich in einen Verwirrten. „Unser Castiel“, fragte er nach, woraufhin sein älterer Bruder nickte. „Ja, unser Vetter Castiel. So wie’s aussieht will er auf der Erde einen Krieg anzetteln.“ Da der Junge nicht wusste, was er darauf antworten sollte, blieb er nur regungslos sitzen und beobachtete den Erzengel vor ihm.
Er sah schlecht aus, zudem hatte er tiefe Augenringe, was für einen Erzengel äußerst wunderlich war, wenn man bedachte, dass sie immer topfit waren. Doch offenbar machte ihnen ihr Vetter ganz schön zu schaffen. „Wie geht es Gabriel, Michael und Raphael“, wollte Luzifer wissen, woraufhin Uriel überrascht aufsah. „Den … Umständen entsprechend“, antwortete er wahrheitsgemäß und lächelte.
Uriel war ihm, von all seinen Brüdern, der Liebste und Luzifer konnte sich selbst nicht erklären, wieso dem so war. Im Gegensatz zu Gabriel schrie und drohte Uriel dem schwarzhaarigen Engel nie. Er versuchte es ihm immer sachlich und ruhig zu erklären, was der jüngere Engel falsch gemacht hatte und was er nicht durfte. Wieso aber viele Engel, und auch Dämonen, immer dachten, dass Gabriel Luzifers Vorbild und Lieblingsbruder war, konnte er sich beim besten Willen nicht erklären. Es war nicht so, dass Luzifer Gabriel nicht mochte. Er war sein Bruder, - natürlich hatte er ihn auf die eine oder andere Art und Weise lieb, aber wenn der Junge sich zwischen einen seiner vier Brüder entscheiden müsste, dann würde er Uriel wählen. Schon alleine aus dem Grund, weil Uriel immer für ihn da war und ihm geholfen hatte.
„Also, worüber ich mit dir eigentlich sprechen wollte…“, begann der Erzengel, doch Luzifer unterbrach ihn. „Wissen die anderen, dass du hier bist?“ Uriel sah auf und blickte in die fragenden Augen seines kleinen Bruders. „Ja, wir hatten darüber eine Diskussion und einige von uns, der gesamte Rat saß beisammen, meinten, dass es nicht gut wäre, dich hinzu zu ziehen.“ „Lass mich raten, Gabriel …“ „…war dafür, dich mit hinein zu beziehen. Es war seine Idee“, erwiderte der Ältere und musterte sein Gegenüber. „Es war Gabriels Idee?“ „Ja“, antwortete der Andere trocken und räusperte sich.
„Als wir von den Erdwächtern mitgeteilt bekamen, dass Castiel auf der Erde sein Unwesen treiben würde, hat Gabriel mit dem Wort des Herrn eine Ratsversammlung einberufen, die … in gewisser Weise … anders ausgefallen ist, als wir es uns erhofft hatten.“ Uriels Blick wurde trüb und er kratzte sich über die Stirn. „Was ist passiert“, hakte der Jüngere nach und betrachtete seinen Bruder nachdenklich. „Naja“, begann Uriel wieder zu sprechen und sah seinem Gegenüber dabei in die Augen.
„Einige Engel im Rat waren der Meinung, dass es besser wäre, Castiel einfach einzufangen und dann in die Höllenzellen zu sperren, aber Gabriel erörterte, dass dies nicht so einfach wäre, da Castiel schon immer äußerst intelligent und raffiniert war. Er würde bemerken, dass etwas nicht stimmt und sofort die Flucht ergreifen. Daraufhin wollte Alistair wissen, was unser einer vorschlagen würde. Gabriels Idee, und sowohl ich, als auch Michael und Raphael stimmen diesem Vorschlag zu, war, dich auf die Erde zu schicken, damit du dich in Castiels Armee einbringst und herausfindest, was genau er geplant hat und vor allem, wieso er es geplant hat.“
Nachdem der Erzengel geendet hatte, saß Luzifer vollkommen still auf seinem Stuhl und ließ das alles in sich sickern. Bis er die Worte seines älteren Bruders realisierte und er aufsprang. „Das kann doch nicht euer scheiß Ernst sein, Uriel“, schrie er sein Gegenüber beinahe an, woraufhin dieser betrübt die Hände unter dem Kinn faltete. „Das ist die beste Idee, die wir haben, Luzifer. Außerdem wird Castiel dich nicht erkennen, da du dir eine Menschengestalt zulegen musst.“ „Oh Mann“, entkam es dem jüngeren Engel genervt, der sich mit der Hand die Augen zuhielt. „Das also auch noch, ja?“ „Sieh’s mal positiv, Luzifer“, erwiderte Uriel und kam um den Tisch herum. „Was soll ich daran denn bitte positiv sehen“, fragte der Angesprochene an seinen Bruder gewandt, der ihn anlächelte. „Wenn du das für uns alle machst, bekommst du einen Wunsch erfüllt. Egal, welcher Wunsch.“ Als Uriel sah, wie sich Luzifers Gesicht erhellte, fügte er noch schnell hinzu: „Solange der Allmächtige damit einverstanden ist.“
„Nehmen wir mal an, ich mach das für euch; ich lege mir eine Menschengestalt zu und mische mich unter Castiels Armee… Was passiert, wenn ich es nicht schaffe?“ „Darüber können wir uns Gedanken machen, wenn es so weit ist.“ „Sind nur die Menschen davon betroffen“, hakte Luzifer nach, doch es verstrichen ein paar Sekunden, in denen Uriel überlegte, ob er seinem jüngeren Bruder die Wahrheit sagen sollte, bis er letztendlich ein ‚nein‘ als Antwort bekam. „Nicht nur die Menschen, sondern auch die Engel und die Dämonen werden davon betroffen sein. Sollte Castiel es tatsächlich schaffen, einen Krieg herbeizuführen, könnte das für uns alle … tödlich enden.“
Der schwarzhaarige Engel blinzelte ein paar Mal und meinte an seinen Bruder gewandt: „Und ihr, also Gabriel, Michael, Raphael und du, … ihr habt wirklich genug Glauben in mich und traut mir zu, dass ich das schaffen kann? Ich meine, Castiel ist schließlich nicht irgendwer. Er war, zusammen mit Lilxhar und Eakiron, für die Weltkriege verantwortlich.“ Uriel lächelte leicht. „Lass dir gesagt sein, Luzifer.“ Er kam auf den Jüngeren zu und legte ihm beide Hände auf die Schultern. „Wir glauben so sehr an dich, dass Gabriel mit Gott vereinbart hat, dass du, wenn du es schaffst, deinen Erzengelstatus zurückerlangst.“
29 August 2016
Seraiah McAnthony.
Dieser Name schlich sich ständig in die Gedanken des Engels, der vor dem Spiegel in seinem Zimmer stand und sich argwöhnisch darin musterte. Es war ein merkwürdiges Gefühl für ihn, seine Flügel nicht zu sehen, wie sie hinter seinem Rücken leicht vor und zurück flatterten, aber er musste sich an die Deckung halten, sonst würde alles auffliegen. Seine Brüder hatten ihm das in den letzten Tagen mehr als nur deutlich eingetrichtert. Ein Fehltritt und Castiel würde Verdacht schöpfen und abhauen und das mussten sie um jeden Preis verhindern, wenn sie sowohl die Erde, als auch Himmel und Hölle retten wollten.
Luzifer fuhr sich mit einer Hand durch die Haare und seufzte. Einerseits wünschte sich der Engel wieder zurück in die Kerkerzellen, aber andererseits war er auch froh darüber, endlich wieder raus zu können. Doch auf diese ‚Mission‘, wie seine Brüder und auch Elliel sie nannten, hatte er definitiv keine Lust. Er wusste doch kaum, wie man sich als normaler High School Schüler verhielt. Gab es da Dinge, die er sehr beachten musste oder konnte er sich so verhalten, wie sonst auch immer? Wohl eher nicht, dachte er sich und schob die Schiebetür des Kleiderschrankes auf.
Was trugen normale Schüler eigentlich heutzutage so? Bestimmt keine Schlaghosen oder Schulterpolster, aber diesen Trend konnte Luzifer sowieso nie verstehen. Er fand diese Kleidungsarten schon immer furchtbar und hatte sich immer halbtot gelacht, wenn einer seiner Brüder ein Kleidungsstück dieser damaligen Trends trug. Der schwarzhaarige Engel selbst hatte sich immer geweigert, so etwas auch nur anzuprobieren. Es war ihm einfach zuwider.
Er griff wahllos zwischen seine Hosen und zog seine Lieblingsjeans vom Haken. Eine schwarze, zerrissene Skinny Jeans. Ob das wohl dem heutigen Kleidungsideal entsprach? Luzifer zuckte mit den Schultern und schlüpfte rein, bevor er sich daran machte ein passendes Oberteil zu suchen. Der Engel zog ein Tanktop heraus und begutachtete den Aufdruck. In großen roten Buchstaben war, auf weißem Hintergrund, der Name ‚Iron Maiden‘ zu lesen und Eddie, das Maskottchen der Band, grinste ihm entgegen. Wieder stellte sich Luzifer die Frage, ob man solche Bands heute noch hörte oder ob sie wohl schon Geschichte waren. Da er sich selbst keine Antwort geben konnte, entschied er sich dennoch für das Shirt und suchte dann auch noch ein schwarzes Hemd heraus, das er darüber anzog.
Während sich der schwarzhaarigen Engel, dieses Mal angezogen, wieder im Spiegel betrachtete, ging die Zimmertür auf und Gabriel erschien. „Nettes Outfit, aber Iron Maiden? Wirklich?“ Mit Schwung drehte sich Luzifer um und sah seinen Bruder entgeistert an. „Was? Hört man diese Band etwa nicht mehr?“ Der ältere Erzengel verschränkte die Arme vor der Brust und zuckte mit den Schultern. „Ich habe keinen blassen Schimmer, tut mir leid. Ich war schon viel zu lange nicht mehr im Außendienst tätig.“ Unsicher wandte sich Luzifer wieder dem Spiegel zu. „Na, wenigstens weiß ich, dass Schlaghosen und Schulterpolster nicht mehr aktuell sind.“ Sein Bruder grinste hinter ihm und wippte auf den Füßen nach vor und zurück.
„Was willst du eigentlich, Gabe“, fragte der Jüngere, während er seine Haare zurechtzupfte. „Wir müssen noch ein paar Dinge besprechen, bezüglich der Mission und was dich erwarten wird auf der Erde.“ Der Angesprochene ging gemächlich zum Schreibtischstuhl und ließ sich darauf nieder. „Ich hab dir nämlich auch noch nicht gesagt, wohin du gehen wirst, geschweige denn, wie deine neue Schule heißt.“ „Ich dachte, ich bleibe hier in London?“ Verwirrt wandte sich der Engel zu Gabriel, der den Kopf schüttelte. „Nein, leider nicht. Castiel befindet sich zurzeit in Alaska, ein Bundesstaat der Vereinigten Staaten.“ „Ich war noch nie in den USA“, strahlte Luzifer und rieb sich aufgeregt die Hände.
„Ja, ja. Freu‘ dich nur nicht zu früh, mein lieber Bruder.“ „Du kannst einem aber auch immer den Spaß ruinieren, weißt du das eigentlich, Gabriel“, murrte der Schwarzhaarige und ließ sich auf’s Bett fallen. Blind tastete er nach der Fernbedienung für den Beamer und betätigte den Einschaltknopf. „Die Schule, auf die gehen wirst, ist die Lathrop High in Fairbanks. Momentan zählt die Schule rund eintausenddreiundneunzig Schüler und du wirst Nummer eintausendvierundneunzig sein.“ „Na, toll“, erklang Luzifers Stimme, als er auf der Leinwand nach seiner neuen Schule Ausschau hielt. „Ich muss mir aber nicht jeden einzelnen Namen merken, oder?“ Gabriel lächelte. „Nein, das musst du nicht, aber es wäre nicht schlecht, wenn du dir ein paar Freunde suchen würdest, damit du nicht ganz als Außenseiter dastehst.“
Der Engel nuschelte etwas wie ‚na, klar‘ und sah sich ein paar Bilder an. „Gibt’s da irgendwelche Sportaktivitäten?“ Der Ältere überlegte kurz und antwortete: „Soweit ich weiß, kann man da in ein paar Schulvereine einsteigen, ja. Baseball, Basketball, es gibt auch ein Schwimmteam. Und auch Fußball und Volleyball. Und auch Wrestling steht zur Auswahl. Du könntest auch einen Tanzkurs belegen.“ Luzifer entkam bei dem letzten Teil des Satzes ein Grunzen. „Als ob ich einen Tanzkurs belegen werde.“ „Würde dir nicht schaden, Bruderherz“, erklang es aus der anderen Ecke des Raumes, woraufhin sich der Schwarzhaarige aufsetzte.
„Haha“, gab der Engel genervt von sich, als Raphael, Michael und Uriel das Zimmer betraten und sich an Gabriel wandten. „Der Herr möchte mit dir sprechen. Außerdem ist es langsam an der Zeit, dass Luzifer sich zum Aufbruch bereit macht.“ Dem eben Genannten entkam ein genervtes Seufzen und er ließ sich wieder in die Kissen zurückfallen. „Wo werde ich eigentlich wohnen? Unter der Brücke?“ „Ja, da passt du nämlich auch perfekt hin“, kam es amüsiert von Uriel, woraufhin Luzifer ihm einen bösen Blick zu warf. „Nein, Luzifer. Du wirst nicht unter einer Brücke wohnen“, meinte Gabriel und warf dem drittältesten Bruder einen zornigen Blick zu. Uriel, hingegen, zuckte nur belustigt mit den Schultern und grinste.
Michael, der sich an Luzifers Bett gelehnt hatte, zog einen Schlüssel aus seiner Hosentasche und warf diesen seinem jüngsten Bruder zu. „Das ist dein Wohnungsschlüssel“, erklärte er. „Wir haben uns die Freiheit genommen ein Loftappartement für dich zu reservieren. Du kannst es einrichten, wie du möchtest.“ „Hier ist auch noch eine Kreditkarte“, erwiderte nun Raphael und streckte dem schwarzhaarigen Engel eine Karte entgegen. „Natürlich ohne Limit, aber verausgabe dich nicht. Das zahlt schließlich alles unser Gebieter.“ „Krass“, entkam es dem Jüngeren und untersuchte sein neues Zahlungsmittel. „Und die ist echt ohne Limit“, fragte er an Gabriel gewandt, der nickte. „Echt krass.“
Uriel sah auf die Uhr und meinte: „Es wird Zeit.“ Gabriel erhob sich und nahm Luzifers Tasche, während die anderen drei bereits das Zimmer verließen und sich auf den Weg ins Büro ihres Herrn machten. „Na, schön. Dann komm‘.“ Luzifer folgte nur widerwillig, doch er wusste, dass er keine andere Wahl hatte. Entweder diese Mission oder er konnte sich auf ewig von seinem Erzengelstatus verabschieden. Und die Ewigkeit war für einen Engel wahrlich eine lange Zeit.
Er folgte seinem ältesten Bruder zum Herrn der Engel, wobei ihm, auf ihrem Weg dorthin, schräge Blicke zugeworfen wurden. Auch vernahm er fiese Sprüche von jeder Seite und es wurde ihm langsam, aber sicher unangenehm im Mittelpunkt zu stehen. Für gewöhnlich hatte Luzifer keine Probleme damit angestarrt zu werden, doch nach dieser langen Zeit in der Hölle fiel es ihm zunehmend schwerer, die anderen Engel zu ignorieren. Selbst ein paar seiner alten Klassenkameraden munkelten untereinander, als er an ihnen vorbei ging. Nur Elliel warf ihm einen aufmunternden Blick zu, worüber der Engel mehr als nur froh war. Wenigstens sein bester Freund hielt noch zu ihm, obwohl er ihn so oft in Schwierigkeiten gebracht hat.
Der blonde Erzengel öffnete die Tür, die ins Innere des Büros führte und ließ Luzifer den Vortritt. Drinnen angekommen winkte Michael ihn zum Schreibtisch, um den sich alle versammelt hatten. Selbst Franziskus und Araton waren anwesend, genauso wie Yahoel und Jaoel. Er stellte sich zwischen die Zwillinge, die ihn argwöhnisch musterten und wartete auf die Ansprache ihres Herrn, der über ein Blatt Pergament gebeugt war. Gabriel trat hinter seinen kleinen Bruder und legte ihm beruhigend eine Hand auf die Schultern, woraufhin Luzifer erleichtert seufzte.
„Nun, denn“, begann ihr Gebieter zu sprechen und blickte in die Runde. „Sind alle anwesend?“ „Ja, Herr“, entgegnete Gabriel und Luzifer verkrampfte merklich. „Junger Engel, ich hoffe, du bereust deine Gräueltaten, die du auf der Erde verrichtet hast“, wandte sich der bärtige Mann an den schwarzhaarigen Jungen, der sich innerlich von hier weg wünschte. „J-ja, Herr. Ich bereue es zutiefst und es tut mir auch schrecklich leid.“ Komischerweise entsprach dies sogar der Wahrheit, weswegen sich Luzifer auf die Lippe biss. „ Nun gut. Ich nehme an, deine Brüder haben dir erklärt, was auf dich zukommen wird?“ „Ja, das haben sie.“ „Gut. Schlüssel und Karte hast du“, fragte sein Gegenüber nach, woraufhin der Engel nickte. „Dann kann’s ja losgehen.“
Die Anwesenden traten ein paar Schritte vom Schreibtisch zurück, sodass Luzifer alleine dastand und sich panisch und hilfesuchend zu seinen Brüdern umsah. Uriel deutete mit dem Daumen nach oben und Gabriel nickte nur leicht. Na toll, dachte sich der Engel und wandte sich wieder dem Herrn der Engel zu. Das konnte ja noch was werden.
Es verstrichen ein paar Minuten in völliger Stille, bis vor Luzifer ein Portal auf flimmerte und er instinktiv einen Schritt zurückging. „Sollte das so aussehen, Yahoel“, wandte sich Gott an den langhaarigen Engel, der den Kopf schief legte. „Nein, das Portal darf nicht flimmern, sonst könnten wir den Jungen irgendwo verlieren, wenn er hindurch geht.“ „Na, wunderbar“, entkam es diesem leise und machte Platz, damit Yahoel ihrem Herrn helfen konnte. Der Botenengel untersuchte die Portalkugel auf irgendwelche Schäden und klopfte kurz dagegen, bis das Portal endgültig verschwand.
Der Bärtige seufzte und sah seinen Engel tadelnd an. „Haben wir ein Reserveportal“, fragte Gabriel an Yahoel gewandt, der den Kopf schüttelte. „Leider nicht. Die letzte Portalkugel ist immer noch in Reparatur, weil ein gewisser Mister Luzifer sie fallen gelassen hat.“ Der Langhaarige warf dem jüngeren Engel einen abschätzigen Blick zu, was dieser mit einem Knurren quittierte. „Jungs, beruhigt euch“, warf nun Jaoel in den Raum, die näher an den Schreibtisch trat. „Soweit ich weiß, verfügt Araran noch über eine funktionierende Portalkugel. Ich mach mich schnell auf den Weg zu ihm.“
Yahoel sah seiner Zwillingsschwester überrascht nach und wandte sich an Uriel. „Seit wann besitzt Araran noch eine Portalkugel? Ich dachte, wir würde nur noch über zwei verfügen.“ Der Angesprochene zuckte entschuldigend mit den Schultern. „Araran hat mich gebeten, kein Wort darüber zu verlieren, da sonst alle wieder bei ihm Schlange stehen würden.“ Der langhaarige Engel seufzte, warf seine Haare zurück und knotete sie auf dem Kopf zusammen.
„Mister Universe“, kam es kichernd von Raphael, der sich einen bösen Blick seitens Gabriel und Yahoel einfing, doch Luzifer stimmte in sein Kichern mit ein. „Und nun, meine sehr verehrten Damen und Herren, verkünden wir das Ergebnis des diesjährigen Schönheitswettbewerbs der Engel. Der erste Platz geht an …“ Luzifer wandte sich zu Raphael um. „Trommelwirbel bitte.“ Der Angesprochene klopfte lachend auf seine Oberschenkel, während sich sein Bruder wieder zu dem anderen Engel umdrehte. „Yahoel, Botenengel und Beauftragter der Freaks. Herzlichen Glückwunsch!“
Raphael musste sich auf seinen Knien abstützen, damit er vor lauter Lachen nicht umfiel. Als Jaoel das Büro wieder betrat wanderte ihr Blick zwischen ihrem Zwillingsbruder, Raphael, der immer noch lauthals lachte, und Luzifer, der grinste, hin und her. „Ich hab hier die Portalkugel von Araran“, kam es verwirrt von ihr, als sie langsam zum Schreibtisch ging und die Kugel dort in den Behälter stellte. „Araran möchte noch darauf vermerken, dass er die Kugel gerne wieder heil und ohne Kratzer zurück haben will.“ „Na, ob wir das schaffen“, warf Michael belustigt in den Raum, woraufhin er einen Seitenblick von Yahoel erhielt.
„Nun, denn. Noch einmal alles von vorne“, rief die Stimme des Herrn der Engel alle wieder zur Stille. Während Yahoel sich mit Hilfe seiner Schwester an die richtige Positionierung und Einstellung der Kugel machte, wurde Luzifer mit jeder Minute, die verstrich, zunehmend nervöser. Gegen Ende hin hüpfte er schon regelrecht von einem Bein aufs andere. Es war nicht so, dass er zum ersten Mal alleine irgendwo hin musste, aber es war doch das erste Mal, dass er, quasi alleine, eine Mission erfüllen musste. Zudem war es auch das erste Mal, dass er ohne Elliels Unterstützung auskommen musste.
„Es ist alles startbereit, Boss“, verkündete der langhaarige Engel, woraufhin der Angesprochene freudig in die Hände klatschte. „Nun, Luzifer. Ich hoffe, du legst nicht dein übliches Verhalten an den Tag. Ansonsten wird euer Vetter ganz schnell bemerken, dass etwas nicht stimmt.“ Der schwarzhaarige Engel nickte kurz und stellte sich danach genau vor das langsam erscheinende Portal. „Hier, vergiss‘ deine Tasche nicht“, ertönte hinter ihm Gabriels Stimme, der auf ihn zukam. Er zog seinen kleinen Bruder in eine letzte Umarmung und flüsterte ihm ins Ohr, dass er auf sich aufpassen solle.
Luzifer winkte seinen anderen drei Brüdern ein letztes Mal zu und atmete noch einmal tief durch, bevor er einen Schritt durch das Portal tat und sein altes Leben somit für eine Weile hinter sich ließ.
29 August 2016
Es war ein merkwürdiges Gefühl für Luzifer in einer ihm komplett fremden Wohnung zu sein. Alles war so … menschlich, so irdisch, eingerichtet. Jedoch musste er zugeben, dass seine Brüder seinen Geschmack sehr deutlich getroffen hatten, auch wenn der junge Engel ebenfalls noch ein paar Dinge im Loft ändern würde. Mit der Kreditkarte, die er bekommen hatte, dürfte dies ja nicht allzu schwer werden. Er musste nur darauf achten, sich auch wie ein Mensch zu benehmen und auch seine Flügel musste er ständig kontrollieren können. Es würde ihn nämlich in eine sehr große Erklärungsnot bringen, wenn er mitten im Schulunterricht mit seinen Flügeln Wind erzeugte.
Luzifer suchte sein neues Schlafzimmer auf und war erstaunt darüber, wie gemütlich es dort aussah. Mitten im Raum stand ein King Size Bett, wie die Größe ihm mitteilte, und als er sich auf die Matratze fallen ließ, bemerkte er, dass diese mit Wasser gefüllt war. Es würde einige Tage dauern, bis er sich daran gewöhnt hatte, schließlich bestand sein Bett immer nur aus Wolken, die sich jedes Mal so anfühlten, wie der Engel sie haben wollte. Hart wie ein Brett, dann wieder weich und leicht wie eine Feder, sodass er kaum spürte, dass er auf etwas lag. Er würde das mit Sicherheit vermissen, solange er auf der Erde war.
Er erhob sich und streckte sich ausgiebig. Auch wenn er sich jetzt auf der Erde befand, so war nur er in dem Loft, weswegen er von seinen magischen Kräften Gebrauch machen konnte. Anstatt seine Tasche per Hand auszupacken und einzuräumen, zeigte Luzifer mit dem Finger auf eben diese und danach auf den Schiebeschrank, der die gesamte Wand vor dem Bett einnahm. Die Klamotten flogen geordnet und gestapelt dorthin, wo der Engel sie haben wollte und er entschied, dass er in den nächsten Tag wohl noch ein paar Läden aufsuchen würde.
Langsam verließ er wieder das Schlafzimmer und machte sich auf in Richtung Wohnzimmer, wo er sich auf die Couch schmiss und die Fernbedienung für den Bildschirm suchte. Der Engel hatte sich schon gedacht, dass seine Brüder ihm nur einen normalen Fernseher zur Verfügung stellen würden, damit er nichts vom Geschehen in seiner eigentlichen Welt mitbekam, weswegen er vor seiner Abreise einen Stick aus seinem Zimmer mitgenommen hatte, der den irdischen USB-Sticks recht ähnlich sah. Während er überlegte, ihn in Einsatz zu bringen, zappte er durch das Kanalangebot und blieb bei einem Sender hängen, der eine Dokumentation über den ersten und zweiten Weltkrieg zeigte. Der Himmel konnte warten, entschied er und legte den Stick auf den Tisch, der neben der Couch stand. Der Engel machte es sich gemütlich und sah sich, eher gelangweilt, den Dokumentarfilm an, bis er einschlief.
***
Ein schrilles und nerviges Piepen ließ Luzifer aus seinem Traum hochschrecken. Irritiert sah er sich um, bis er realisierte, dass die Sonne bereits aufgegangen war und ihn nun mit ihrem Licht blendete. Der Engel schüttelte den Kopf und gähnte herzhaft, doch das nervtötende Geräusch wollte nicht verstummen, weswegen er sich auf die Suche danach machte.
Es dauerte nicht lange, bis er den Übeltäter ausfindig machte. Auf der Arbeitsfläche der Kücheninsel lag ein Mobiltelefon, das nun noch lauter als vorher durch das gesamte Loft schrillte. Genervt nahm es Luzifer in die Hand und tippte auf den Stopp-Button, der auf dem Display aufleuchtete. Irgendjemand, er verdächtigte Gabriel, hatte ihm den Wecker gestellt, damit er an seinem ersten Schultag bloß nicht verschlief. Luzifer lächelte leicht und steckte das Gerät in die rechte Hosentasche. Danach verschwand er ins Badezimmer, welches an sein Schlafzimmer angrenzte.
Ein Blick in den Spiegel genügte und Luzifer wusste, dass er so nach draußen gehen konnte. Seine schwarzen Haare standen zwar wirr von seinem Kopf ab, aber dagegen konnte und wollte er jetzt auch nichts mehr unternehmen. Seine neuen Mitschüler würden so oder so über ihn herziehen, da er ‚der Neue‘ sein würde mit einem albernen Namen. Wenn es nach Luzifer gegangen wäre, hätte er seinen richtigen Namen ebenfalls in der Menschenwelt behalten, doch die anderen Engel waren der Meinung, dass es unauffälliger wäre, wenn er sich einen anderen zulegen würde. Und da Gabriel auch noch den Wunsch, es solle doch ein biblischer Name sein, geäußert hatte, blieb dem Engel nichts anderes übrig, als eine komplett andere Identität anzunehmen.
Seufzend strich er sich ein letztes Mal durch die Haare und verließ danach, samt Umhängetasche, die in Windeseile gepackt wurde, die Wohnung. Draußen angekommen jedoch bemerkte er, dass er eigentlich viel zu früh dran war, weswegen er beschloss, sich schnell einen Imbiss zu gönnen. Schließlich hatte er in der ganzen Aufregung auch nichts gefrühstückt. Nicht, dass er etwas essen oder schlafen musste, nein; er tat es aus purer Gewohnheit. Obwohl Engel übermenschliche Wesen waren, hatten einige unter ihnen doch die nervige Angewohnheit, sich wie Menschen zu verhalten. Deswegen atmeten sie auch.
Als Luzifer am Ende der Straße angekommen war, - er wohnte in der Sprucewood Road, wie er auf einem Straßenschild las -, fiel ihm ein, dass er sich hier auch nicht auskannte und daher nicht wusste, in welcher Richtung die Schule lag. Er konnte sich nun entscheiden, ob er nach rechts, links oder doch geradeaus gehen sollte. Der Engel entschied sich schulterzuckend für den linken Weg und folgte der Jennie Lane. Dieser Weg stellte sich als eine Bereicherung heraus, denn genau vor der Hauptstraße entdeckte er einen Coffee Shop und auch noch ein japanisches Restaurant. Und um die Ecke erhob sich ein McDonald’s.
„Mein Glückstag“, nuschelte Luzifer leise vor sich hin, als er beinahe laufend zu dem Coffee Shop aufschloss und eintrat. Der Laden hatte, laut Aushang, bereits seit halb sieben Uhr morgens geöffnet, worüber der Engel mehr als nur froh war, denn es war bereits kurz nach sieben und er wusste noch immer keinen Weg zur Schule. Hauptsache, das Wichtigste vergaßen seine Brüder ihm zu erklären, aber offenbar waren sie alle der Meinung, er würde den Weg schon selbst finden.
Belustigt schnaubend stellte Luzifer sich an den Tresen und besah sich die Angebotsliste über ihn. Von den aufgelisteten Getränke kannte er nur eines; Cola. Alles andere, von Cappuccino bis hin zu Mokka, war dem Engel fremd. „Großartig“, murmelte er und schrak hoch, als ein Mädchen sich vor ihn stellte.
„Was ist großartig“, kam es fragend von ihr, woraufhin er seinen Blick zu ihr wandte. Sie war hübsch, zweifelsohne. Haselnussbraune Augen, sowie auch hellbraune Haare, die perfekt zu ihrem Teint passten. Er räusperte sich und antwortete: „Die äh … die Angebote.“ Das Mädchen lächelte. „Oh, ach so. Wir haben erweitert, deswegen bieten wir jetzt mehr an, als zuvor.“ „Schön“, erwiderte er so leise, dass sie es nicht hören konnte und sah wieder auf die Tafel. „Ich bekomme einen äh …“ Was sollte er bloß nehmen? Was war ein Cappuccino? Oder ein Latte Macchiato? Sollte er doch einen Mokka nehmen? „Ich höre“, sagte das Mädchen immer noch lächelnd, woraufhin auch Luzifer anfing zu lächeln. „Machst du mir bitte einen äh … einen Cappuccino?“
Luzifer setzte sich an einen freien Tisch in der Nähe der Fenster und sah sich im Laden um. Auf ihn wirkte die Einrichtung ziemlich gewöhnlich, doch was war gewöhnlich für einen Engel, der nur auf die Erde kam, um dort Unsinn anzustellen? Das Mobiliar bestand aus Buchenholz, die Wände waren in einem hellen Orangeton gehalten, der beinahe schon ins Beige ging und an der gegenüberliegenden Wand war ein Bildschirm montiert. Sah es in jedem Coffee Shop so aus oder nur in diesem? Luzifer wusste es nicht, doch er hatte sowieso keine Zeit, um weiter darüber nachzudenken, da das Mädchen mit seiner Bestellung kam und die Ladentür aufging.
„Vielen Dank“, nuschelte er, als die Bedienung wieder verschwand. Zögernd hob er den Becher an die Lippen und nippte an dem heißen Getränk. Ein bitterer, aber auch süßer Geschmack entfaltete sich auf seiner Zunge. Schmeckt gar nicht mal so schlecht, dachte er sich und nahm einen weiteren, größeren Schluck, als sein Blick nach vorne zum Tresen ging.
Dort stand eine Gruppe von sechs Jugendlichen, fünf Jungs und ein Mädchen. Die Jungen trugen allesamt dieselbe Collegejacke der Lathrop High School, auf deren Rücken ein Wolfskopf zu sehen war. Doch der größte Junge hatte auch noch die Worte ‚Team Captain‘ rund um das Wolfsmotiv stehen. Luzifer wusste von Gabriel, dass die Schule Sportaktivitäten anbot, doch jetzt stellte sich ihm nur die Frage, von welchem Team diese Jugendlichen waren. Aber wenigstens musste er sich jetzt keine Sorgen mehr über den unbekannten Schulweg machen. Er brauchte ihnen nur zu folgen und schon wüsste er, wo er hingehen musste.
Die Jugendlichen kamen mit ihren Bestellungen in seine Richtung und setzten sich an den Tisch genau vor ihm. Zwei der kleineren Jungs saßen mit dem Rücken zu ihm, weswegen er die Gruppe unbemerkt anstarren konnte, ohne dass sie es mitbekommen würden. Er hörte auch jedes Wort, das sie sagten und diese gaben dem Engel auch einen Einblick in das, was ihn in der Schule erwarten würde.
„Ich hab‘ gehört, dass Meo wieder im Krankenhaus ist. Offenbar ist es schlimmer geworden“, vernahm Luzifer die Stimme des Mädchens, woraufhin einer der Jungs seufzte. „Ja, das hab‘ ich auch gehört. Aber angeblich soll es nicht krankheitsbedingt sein.“ „Wie meinst du das“, fragte ein anderer verwirrt und wandte sich zu seinem Freund. „Samuel hat mir erzählt, dass zwei Jungs aus dem Football-Team auf Meo losgegangen sind und ihn verprügelt haben. Ich weiß allerdings nicht, ob das tatsächlich stimmt, da Sam es selbst nur von anderen Seniors gehört hat.“ „Das waren dann bestimmt Jordan und Soto“, entgegnete der Größte, der Captain, und nahm einen Schluck von seinem Getränk. „Sind das nicht zwei aus der Football Defense?“ „Tackle und End, soweit ich weiß“, meldete sich das Mädchen wieder zu Wort. „Aber dass die beiden zu so etwas fähig sind, hätte ich mir nie gedacht.“
Der Captain lehnte sich zurück und verschränkte die Arme vor der Brust. „Jordan ist unberechenbar. Das hat man schon während seiner Zeit als Quarterback gesehen. Er hat seine eigenen Teamkameraden getackled und die Gegenspieler hat er auch immer gefouled.“ „Wurde er deswegen zur Defense gesteckt“, fragte einer der anderen Jungs. „Ja. Soto dagegen war immer schon Defense End, aber ich kann trotzdem auch nicht verstehen, wieso sie es auf Meo abgesehen haben.“ „Meo ist vermutlich einfach nur ein sehr leichtes Opfer für sie. Du siehst doch, dass sie sich immer nur auf die Schwächeren stürzen. Das hat man schon bei Nathan Gordon gesehen. Bei dem Jungen haben sie es so weit getrieben, dass er mit seinen Eltern in einen anderen Bundesstaat umgezogen ist“, entgegnete das Mädchen nachdenklich und nippte an ihrem Strohhalm. „Wir müssen mit Meo reden, sobald er wieder in der Schule ist.“ „Apropos Schule“, kam es vom Team-Captain, der auf seine Armbanduhr sah. „Es ist gleich viertel nach sieben. Der Bus kommt gleich.“
Die Jugendlichen erhoben sich und legten das Geld für ihre Getränke auf den Tisch. Als sie an Luzifer vorbei kamen, glitt der Blick des Captains zu ihm und blieb ein paar Sekunden an ihm hängen. Luzifer versuchte, seinem Blick zu entgehen und es gelang ihm offenbar auch, denn kurz darauf hatten sie alle den Laden verlassen. Da der Engel nun wusste, dass in wenigen Minuten ein Bus zur Schule fahren würde, ließ er, dank seiner Kräfte, ein paar Dollarscheine erscheinen und legte sie, wie zuvor die Jugendlichen, auf den Tisch. Danach verschwand er ebenfalls.
Er sah die Schüler gerade noch um die Ecke biegen und folgte ihnen im Laufschritt. Luzifer entdeckte vor dem Gebäude des McDonald’s eine Einfahrtsstelle, die offenbar für Busse gebaut wurde und begab sich, gezwungen langsam, dorthin, um nicht die Aufmerksamkeit der anderen auf sich zu ziehen. Einen Sicherheitsabstand einhaltend stellte er sich neben einen der Jungs hin und tat so, als würde er die Umgebung beobachten. Eigentlich tat er es sogar wirklich, denn er suchte die Straßen nach Schildern ab, die ihm sagten, wo er sich befand.
Offenbar befanden sie sich an der Hauptstraße, die Geist Road hieß. Luzifer versuchte sich alles einzuprägen, damit er nicht Gefahr lief, etwas zu vergessen oder sich gar zu verlaufen in den nächsten Tagen. Der Engel versuchte gerade zu erkennen, was gegenüber der Bushaltestelle lag, als die restlichen Jugendlichen von der Wartebank aufstanden und sich nach vorne stellten. Luzifer tat es ihnen gleich und entdeckte gleich darauf einen gelben Bus mit der Aufschrift ‚School‘, der auf sie zukam. Mittlerweile war es fünf vor halb acht, wie er von der Armbanduhr des Captains erhaschen konnte. Nur noch eine Busfahrt und wenige Minuten, dann würde sein erstes und wohl auch letztes High School Leben beginnen. Er folgte den Schülern in den Bus und erspähte in einer der hintersten Reihen einen freien Platz. Dort ließ er sich in den Sitz fallen und atmete erfreut aus. Der Weg zur Schule hatte sich damit erledigt, dachte er sich. Jetzt würde er nur noch den restlichen Tag überleben müssen.
29 August 2016
Der Bus hielt in der University Avenue, weswegen Luzifer verträumt aufschreckte. Er war so in seine Gedanken versunken, dass er kaum mitbekommen hatte, in welche Richtung der Bus eigentlich fuhr. Der Engel war aber erleichtert darüber, als er merkte, dass der Fahrer nur angehalten hatte, damit wieder Schüler einsteigen konnten. Einer dieser Schüler gesellte sich zu der Gruppe, auf die Luzifer vorhin im Coffee Shop gestoßen war.
„Cameron“, wurde der Neuankömmling vom Team-Captain begrüßt, der ihm auf die Schulter schlug. „Alles klar bei dir? Schöne Sommerferien gehabt?“ Von dem Angesprochenen kam nur ein genervtes Murren. „Hört sich nicht so an“, kam es lächelnd von dem Mädchen. Cameron seufzte. „Wenn meine Ferien nur halb so gut gewesen wären, wie eure.“ „Wart ihr denn nicht auf Urlaub irgendwo in Europa“, hakte einer der kleineren Jungs nach, woraufhin er ein Nicken erntete. „Spanien und Portugal. Zuerst Barcelona, Ibiza, Madrid und dann Lissabon und Porto. Es war einfach nur ätzend.“ „Dabei heißt es doch, dass es dort so schöne Mädchen gäbe.“ „Die haben sich wohl vor ihm versteckt“, kam es belustigend von einem weiteren Jungen, der daraufhin den Ellbogen des Captains in den Rippen spürte.
Cameron, der nur genervt mit den Augen rollte, sah sich im Bus um. „Haben die Grundschüler und Juniors jetzt jeweils ihren eigenen Bus?“ „Scheint so. Mein kleiner Bruder musste nämlich mit einem anderen fahren“, kam es von dem Mädchen, während sie sich streckte. „Wir hätten gestern nicht so lange trainieren sollen. Mir tut alles weh.“ Plötzlich strahlte der Team-Captain übers ganze Gesicht. „Jade, dass wir das einmal aus deinem Mund hören, wundert mich ja richtig.“ Die Angesprochene drehte sich zu ihm und lächelte ebenfalls. „Irgendjemand muss in diesem Jahr ja damit anfangen.“
Luzifer, der das Gespräch zwar mitangehört, aber seine Augen abgewandt hatte, spürte plötzlich einen Blick auf sich, der sich förmlich durch seine Kleidung fraß. Zumindest kam es dem Engel so vor. Er wagte es dennoch nicht, seinen Kopf in die Richtung desjenigen zu drehen, der ihn so stur musterte. Luzifer wusste aber, dass es der Junge namens Cameron war, da dieser an seine Freunde gewandt fragte: „Ist das nicht der Neue?“
Der Bus fuhr über die Brücke, die den Chena River überquerte und Luzifer seufzte. Toll, schoss es ihm durch den Kopf. Er musste sich jetzt mit dem Namen ‚der Neue‘ rumquälen. Er zog leicht einen Mundwinkel spöttisch nach oben, als er wieder Blicke auf sich spürte. Offenbar starrte ihn nun die gesamte Gruppe an.
„Ich hab ihn mir irgendwie anders vorgestellt“, hörte er einen der Jungs flüstern, woraufhin ein anderer belustigt gluckste. „Ich hab ihn mir auch anders vorgestellt. Eher mehr … langweiliger.“ „Ob er langweilig ist oder nicht kannst du jetzt noch nicht sagen“, entgegnete das Mädchen mit einer scharfen Stimme. „Du kennst ihn nicht, also warte gefälligst ab, bevor du über ihn urteilst. Ich bin mir nämlich sicher, dass er ein netter Kerl ist.“ Wieder kicherte jemand. „Ach, Jade. Das kannst du doch genauso wenig wissen.“ Die Angesprochene seufzte. „Ich bin optimistisch.“ „Und wir sind realistisch“, kam es von zwei Jungs im Chor.
Der Team-Captain lächelte. „Na, vielleicht ist er ja ein neuer Teamanwärter. Wir müssen uns so oder so nach neuen Spielern umsehen.“ Jemand seufzte und entgegnete mürrisch: „Es bringt sich doch nichts. Die meisten Schüler sind schon in Sportvereinen und würden von dort auch nicht in ein anderes Team wechseln. Außerdem sind wir schlecht.“ Luzifer schielte zu der Gruppe und sah gerade noch, wie Jade dem Jungen, der das gesagt hatte, mit der Faust eine Kopfnuss verpasste. „Sag‘ das nie wieder! Wir werden in diesem Jahr nicht noch einmal verlieren.“ „Ich wäre auch gerne so optimistisch wie du“, kam es von Cameron, der die Arme hinter dem Kopf verschränkt hatte. „Dann könnte ich den Spielen vielleicht auch mehr Enthusiasmus entgegen bringen:“ „Jade hat recht. Wir werden dieses Jahr eines der besten Teams auf die Beine stellen und dann werden wir es unseren Gegnern zeigen und denjenigen, die immer über uns lachen“, meinte der Captain motiviert und grinste dabei.
Luzifer wusste noch immer nicht, um welches Team es sich bei dieser Gruppe handelte, doch er würde es schon noch herausfinden. Spätestens wenn er ein paar Tage in der Schule war. Aber er durfte nicht vergessen, warum er eigentlich hier war. Die Mission durfte nicht scheitern, sonst würde das riesige Konsequenzen nach sich ziehen und das durfte der Engel nicht riskieren. Schließlich hing jegliches Leben der Welt davon ab.
Da sich die Jugendlichen nur noch über Schulsachen unterhielten, wandte sich Luzifer ab und beobachtete die Umgebung, die an ihm vorbeizog. Sie waren nun an der Airport Frontage Road angelangt, wie ein Straßenschild dem Engel mitteilte. Der Bus fuhr wieder zu einer Haltestelle und wieder stiegen Schüler ein. Langsam wurde es ziemlich eng und Luzifer hoffte, dass sich niemand neben ihn setzen wollte. Darauf hatte er nämlich keine sonderlich große Lust. Er stellte vorsichtshalber seine Tasche auf den Platz neben ihn und starrte weiterhin aus dem Fenster, getreu dem Motto; seh‘ ich dich nicht, siehst du mich nicht. Und es funktionierte, denn ein paar Minuten später hielt der Bus erneut, dieses Mal vor einem Gebäude, das allen Anschein nach die Lathrop High School war, und die Jugendlichen stiegen aus.
Der schwarzhaarige Engel folgte einem Jungen, der einen ganzen Kopf kleiner war, als er über den Parkplatz. Er sah sich zu allen Seiten um und hoffte, die Jugendlichen aus dem Coffee Shop wieder zu finden, doch es gelang ihm nicht, weswegen er dem Jungen vor ihm zum Eingang folgte. Erst jetzt fiel Luzifer ein, dass er doch ins Sekretariat musste. Der Engel blieb am Fuße der Stufen stehen und kramte in seiner Tasche nach den Unterlagen, die sich, wie Gabriel ihm mitgeteilt hatte, in seiner Tasche befanden. Da er zu sehr auf seine Papiere fixiert war, bemerkte er erst nach einigen Sekunden, dass sich das Mädchen, Jade, und der Junge namens Cameron vor ihn getreten waren. Er erschrak regelrecht und trat einen Schritt zurück, woraufhin er den kalten Stein des Geländers in seinem Rücken spürte.
„Da ist wohl jemand sehr schreckhaft“, meinte Jade und lächelte. Cameron grinste und verschränkte die Arme wieder hinter dem Kopf. „Sorry, aber die Kleine hier neben mir kann erscheinen und verschwinden wie ein Geist.“ Schlagartig verschwand das Lächeln in Jades Gesicht. „Pass bloß auf, was du sagst, Carter, sonst bist du die nächsten vier Wochen für das Putzen der Duschräume zuständig.“ Abwehrend hob dieser schnell die Hände. „Schon gut. War ja nur ein Scherz.“
Das Mädchen wandte sich wieder Luzifer zu. „Du bist also der Neue hier an der Schule. Wie schön. Der letzte Neuankömmling, den wir hatten, hatte seinen Abschluss vor den Sommerferien. Aber ein frischer Wind tut immer gut. Nicht wahr, Cameron?“ Sie strahlte über das ganze Gesicht, als der Junge nickte. „Da hat sie recht, auch wenn der letzte Typ ziemlich schräg war.“ „Sag‘ sowas nicht. Du machst unserem neuen Neuankömmling Angst.“ Jade deutete mit ihrem Kopf in Luzifers Richtung, der nicht so recht wusste, was die beiden von ihm wollten. „Ach, der Junge hat was drauf, das weiß ich. Der bekommt so schnell nicht Angst, hab ich recht?“
Cameron grinste ihn an, woraufhin der Engel ebenfalls nur mit einem leichten und nervösen Lächeln antwortete. „Wie ist eigentlich dein Name“, kam es nun von Jade, die Luzifer musterte. „M-mein Name ist S-Seraiah.“ „Seraiah“, wiederholte Cameron belustigt. „M-McAnthony“, fügte Luzifer hinzu und hoffte, sie würden sein Gestammel nicht hinterfragen, sondern es aufgrund seiner Nervosität hinnehmen. „Du bist nicht aus Alaska, oder?“ Jade hatte das Kinn auf ihre Faust gelegt und betrachtete ihn neugierig von oben nach unten und wieder zurück. „Nein, ich k-komme aus London.“ „Oh, wie toll“, entkam es Jade und Cameron gleichzeitig, die plötzlich beide mit weit aufgerissenen Augen vor ihm standen. „Ein Brite. So wie Meo“, entgegnete der Junge und Luzifer stellte sich wieder die Frage, wer dieser Meo war.
„Weißt du schon, wo du hin musst?" Der Engel schreckte aus seinen Gedanken auf und blickte geradewegs in die grünen Augen Camerons. Verwirrt sah er sich nach dem Mädchen um, bis der Junge ihm sagte, dass sie gerufen wurde, als der Engel in seinen Gedanken versunken war. „Oh", kam es von Luzifer, woraufhin Cameron lächelte. „Ich muss ins Sekretariat, aber ich weiß nicht, wo das ist. Ich hab keinen Lageplan von der Schule bekommen." „Nichts Neues", murrte Cameron, der die Arme wieder hinter dem Kopf verschränkt hatte. „Das Wichtigste vergessen diese Schulbeauftragten immer, aber zum Glück wimmelt es auf dieser Schule nur so von aufmerksamen und hilfsbereiten Schülern wie mir."
Der Junge sprang mit zwei schnellen Schritten die Treppe hinauf und drehte sich dort wieder zu Luzifer um, der nach wie vor wie angewurzelt dort stand und nicht wusste, was er tun sollte. Cameron, der das offenbar auch dachte, kam wieder runter und schnappte den Engel am Handgelenk. „Nur nicht so schüchtern! Wir beißen schon nicht. Naja ..." Der Junge blieb abrupt stehen, weswegen Luzifer in ihn stolperte. „Außer donnerstags. Da haben wir für gewöhnlich immer Trainingsspiele." Er grinste und zog den Engel hinter sich mit in die Schule.
Da Luzifer noch nie eine irdische Schule von ihnen gesehen hatte, verschlug es ihm regelrecht die Sprache, als Cameron ihn durch die Gänge und Flure schleifte. Überall standen Schüler vor metallenen Kästen, unterhielten sich, lachten, ärgerten andere. Es war einerseits amüsant, andererseits aber stellte sich der Engel die Frage, wie er sich hier denn jemals zurecht finden sollte. Sie waren mittlerweile mehrmals abgebogen. Luzifer hatte versucht sich den Weg einzuprägen, sollte er ihn in Zukunft, und dessen war sich der Schwarzhaarige sicher, noch einmal brauchen, doch Cameron ging so schnell, dass der Engel mit dem Denken kaum hinterher kam. Erst als sie vor einer zweiflügligen Glastür ankamen, erlaubte Cameron eine Verschnaufpause.
„Treibst du eigentlich Sport“, fragte der Jugendliche an Luzifer gewandt, der sich keuchend auf die Knie gestützt hatte. Er schielte zu dem Jungen hinauf, während er überlegte. Eigentlich betrieb der Engel schon einige Sportarten, doch er war sich zu hundert Prozent sicher, dass es diese himmlischen Aktivitäten auf der Erde nicht gab. Demnach antwortete er: „Nein, eigentlich nicht.“ Cameron zog eine Augenbraue hoch und musterte Luzifer argwöhnisch. „Eigentlich?“ Der Angesprochene richtete sich wieder auf und stemmte die Arme in die Hüften. „Nun ja, ich … laufe. Gelegentlich.“ Und das war gar nicht mal so gelogen, dachte er sich und lächelte leicht. „Hast du schon einmal Volleyball gespielt“, wollte der andere wissen, woraufhin Luzifer verwirrt den Kopf schüttelte.
Gabriel hatte ihm erzählt, dass die Schule Sportaktivitäten anbot, doch außer Fußball, tanzen und schwimmen war ihm nichts davon bekannt. Aber dem Namen nach zu urteilen war Volleyball ein Sport, bei dem man einen Ball benötigte. „Nein.“ Cameron strich sich seufzend eine blonde Strähne aus dem Gesicht und zog eine Schnute, doch kaum eine Sekunde später lächelte er schon wieder. „Ach, das ist nichts, was man nicht lernen kann. Weißt du, Volleyball macht echt Riesenspaß und so schwer sind die Regeln auch nicht. Die verstehen sogar meine zwei kleinen Schwestern.“
Luzifer wusste nicht, was er darauf erwidern sollte. Offenbar versuchte der andere aber ihn für sein Team zu gewinnen, was der Engel echt nett fand, schließlich war er auf dieser Schule der Neue, der noch keine Freunde und somit auch keinen Anschluss hatte. Aber zumindest wusste der Schwarzhaarige nun zu welchem Team diese Jugendlichen gehörten.
„Aber du hast ja noch genügend Zeit dich zu entscheiden. Die Auswahlspiele finden für gewöhnlich immer Mitte September statt. Und es wäre jetzt wohl auch besser, wenn ich dich zu Mrs Leach bringe, bevor sie uns beiden den Kopf abreißt.“ Cameron lachte über seinen eigenen Witz. Zumindest dachte sich Luzifer, dass es ein Witz war, doch so ganz sicher war er sich trotzdem nicht. Er beschloss es einfach so hinzunehmen und nickte dem anderen dankbar zu, als dieser ihm die Tür aufhielt.
„Mrs Leach, das hier ist Seraiah McAnthony, unser neuer Schüler.“ Sie blieben vor einem großen Schreibtisch stehen, an dem eine etwas ältere Frau saß und hektisch, beinahe schon panisch, eine Tastatur malträtierte. Der Engel wusste nicht, was der Bildschirm vor ihr war, doch ein Fernsehgerät war es bestimmt nicht. Die Sekretärin sah kurz auf, brummte irgendwas unverständliches und händigte Luzifer ein paar Unterlagen aus. „ich brauch auch noch deine Anmeldung.“ Irritiert kramte er das Gewünschte aus seiner Tasche und schob es über den Tisch. „Du hast zwei Wochen Zeit die Bögen auszufüllen. Was du auszufüllen hast steht dabei, alles andere muss ein Erziehungsberechtigter machen.“
„E-ein Erziehungsb-berechtigter“, kam es stotternd von dem Engel, als er die Papiere in die Hand nahm. „Ja, natürlich. Du bist ja schließlich noch nicht volljährig. Außerdem müssen deine Eltern auch noch alles unterschreiben.“ „A-aber …“ Mrs Leach war anzumerken, dass es sie langsam nervte, denn ihre Stimme klang äußert gereizt. „Was denn? Willst du mir jetzt etwa erzählen, dass du alleine wohnst und keine Erziehungsberechtigten hast?“ Luzifer blieb stumm, nickte dennoch leicht. Das hier war ihm furchtbar unangenehm. Weder Gabriel, noch sonst einer seiner Brüder hatte etwas diesbezüglich gesagt. Vermutlich wussten sie es selbst auch nicht.
„Das ist ja geil“, kam es neidisch von Cameron, der ihn mit offenem Mund anstarrte. „Dann werde ich wohl mit Direktor Medina darüber sprechen müssen“, entgegnete die Sekretärin genervt und wandte sich wieder dem Bildschirm zu. „Mr Carter besucht dieselbe Klasse wie Sie. Halten Sie sich einfach an ihn in den nächsten Tagen.“ Der Engel nickte hastig, als der Genannte ihn bereits wieder am Arm aus dem Büro zog. Wieder auf dem Flur, grinste Cameron Luzifer an. „Na dann! Herzlich Willkommen auf der Lathrop High. Für möglichen Verlust jeglicher Intelligenz übernehmen wir keine Haftung. Bei Verdacht auf Dummheit und Verrücktheit wenden Sie sich bitte an die Psychiatrie Ihres Vertrauens.“
29 August 2016
Wie Luzifer die erste Hälfte des Tages überlebt hatte, wusste er selbst nicht, doch als er vor dem Klassenzimmer auf Cameron wartete, der von Mr Morrisson noch einmal zurückgerufen wurde, seufzte er erleichtert auf. Jeweils eine Stunde Englisch und Biologie und dann auch noch eine Stunde Geschichte lagen hinter ihm, dazu auch noch drei Vorstellungsrunden. Cameron hatte ihn davor gewarnt, doch so schlimm war es für Luzifer nicht. Einzig die Lügen fielen ihm ausnahmsweise mal schwer, da er aufpassen musste. Er hatte Cameron und Mrs Leach, der Schulsekretärin, schon einiges erzählt und hätte Luzifer vor der Klasse plötzlich etwas anderes gesagt, wäre er wohl in Erklärungsnot geraten.
„Puh, das war anstrengend.“ Cameron, der herzhaft gähnte und sich streckte, blieb neben dem Engel stehen. Er wuschelte kurz durch seine blonden Locken, grinste danach und verschränkte die Arme wieder hinter dem Kopf. Luzifer fiel auf, dass dies wohl seine Alltagshaltung war, denn selbst im Unterricht war Cameron so neben ihm gesessen. „Wenn Mrs Vaughn das nächste Mal wieder Englisch suppliert, bleibe ich zuhause. Meine Mum wird mir eine Grippe zwar nicht mehr abkaufen, aber da sie tagsüber arbeitet, wird das wohl kein Problem werden.“ „Was für Fächer unterrichtet sie für gewöhnlich“, wollte Luzifer wissen, als sie um die Ecke bogen und vor einer Reihe mit Spinden stehen blieben.
„Vaughn ist eigentlich die Leiterin der Theater AG. Der richtige Name lautet Lathrop Theater Union, aber glaub mir, außer den Theaterheinis nennt niemand die AG so. Und sie unterrichtet auch noch Latein und Geschichte.“ „Und wer unterrichtet bei uns normalerweise Englisch?“ „Schwartz. Ein merkwürdiges kleines Persönchen. Kaum größer, als eins sechzig, aber ein Mundwerk, dass selbst dem Direx manchmal das Reden vergeht“, erklärte der Blondschopf, während er seine Bücher in den Schrank stopfte. „Mit dem legt man sich nur einmal an. Ein Sympathisant des Militärs. Er war mal Offizier, soweit ich weiß.“
Luzifer, der seine Bücher bereits verstaut hatte, stand regungslos neben Cameron und sah sich im Korridor um. Es waren einige Schüler anwesend, weswegen hier und da gedrängelt wurde. „Geht es hier immer so zu“, wandte sich der Engel fragend an seinen Mitschüler, der über diese Frage nur laut lachte. „Du kommst wohl nicht von einer öffentlichen High School, was? Wir sind hier über eintausend Schüler. Natürlich geht es hier immer so zu. Aber du solltest froh sein, dass du in einer Kleinstadt, unter anderem, wie Fairbanks gelandet bist und nicht in New York oder Los Angeles. Da tummeln sich schon mal bis zu viertausend Schüler und mehr an einer einzigen Schule.“
Der schwarzhaarige Junge riss die Augen auf und starrte Cameron ungläubig an. „Du sagtest doch, dass du aus London kommst“, kam es verwirrt von eben diesen, woraufhin Luzifer langsam nickte. „Das ist doch auch eine Metropole, weswegen da wohl genauso viele Schüler an einer Schule sind, oder ist es da etwa anders?“ „Nun ja …“ Der Engel überlegte. „Um ehrlich zu sein, ich war nie in einer Schule. Ich hatte eigentlich immer nur Privatunterricht.“
Und wieder stimmte diese Antwort teilweise. Im Elysium hatten die jungen Engel zwar Unterricht, aber sie wurden meist alleine oder zu zweit unterrichtet von den älteren, ausgewählten Engeln. Luzifer hatte das nie gestört, da er während des Unterrichts meistens immer geschlafen oder sein Notizbuch vollgekritzelt hatte.
„Du bist ein komisches Kerlchen, McAnthony“, kam es einerseits irritiert, andererseits belustigend von Cameron, woraufhin Luzifer seufzte. „Ich weiß.“ „Dann ist ja gut. Komm.“ Der Blondschopf schlug dem Engel leicht gegen den Arm, damit dieser ihm folgte. „Jetzt ist Mittagspause und ich will nicht zu lange anstehen.“
***
„Wenn wir es durch die Inter-High-Runden schaffen, könnten wir gegen Anchorage spielen.“ „Ja, aber vorher müssen wir es eben durch die Vorrunden schaffen und die North Pole High hat starke Spieler.“ Jade lehnte sich mit verschränkten Armen zurück und seufzte. „Bevor wir an die North Pole denken, müssen wir zuerst gegen die West Valley gewinnen und die haben zwei ausländische Stammspieler.“ „Ist das überhaupt erlaubt?“ „Ja, allerdings sind zwei Spieler aus einem anderem Land das Maximum“, erklärte sie und blickte zur Tür der Cafeteria, durch die Cameron und Luzifer in diesem Augenblick kamen.
Cameron steuerte zielstrebig auf ihren Stammtisch zu, während Luzifer ihm eher schleppend und nervös folgte. „Hi, Leute“, begrüßte der Blondschopf seine Freunde und deutete danach auf den Engel, der hinter ihm zu stehen kam. „Das ist Seraiah, aber das wisst ihr ja sicher schon.“ Der Genannte zog einen Mundwinkel leicht nach oben und beobachtete den Team-Captain dabei, wie er aufstand und auf ihn zukam. „Dann kann ich mich ja auch endlich mal vorstellen“, meinte dieser grinsend und reichte Luzifer die Hand. „Riley Irwin. Team-Captain des Lathrop Volleyball-Teams. Freut mich, dich endlich kennenzulernen.“ „Danke, gleichfalls“, kam es vom Engel, der lächelte.
„Jade und Cameron kennst du ja bereits“, erwiderte Riley, als er sich halb zum Tisch umdrehte. „Die anderen zwei Kerlchen sind Scott Murray und Jamie Lewis. Ebenfalls Mitglieder unseres Volleyball-Teams.“ Luzifer winkte den anderen beiden zu, die es ihm gleichtaten. Danach setzte er sich neben Cameron und sah sich in der Cafeteria um.
„Worüber habt ihr geredet, als wir reingekommen sind“, wollte der Blondschopf neben Luzifer wissen, woraufhin einer der zwei anderen Jungs, Luzifer tippte auf Scott, antwortete: „Über das Inter-High. Wenn wir die Vorrunden schaffen, könnten wir gegen Anchorage spielen.“ „Müssten wir dann aber nicht vorher gegen …“ „Ja, müssten wir“, unterbrach ihn Jade, die lustlos in ihrem Essen herumstocherte. „Wir könnten es schaffen, allerdings bräuchten wir viel mehr Spieler.“ Ein Seufzen ging durch die Runde, weswegen Luzifer alle nacheinander ansah. Er sagte aber nichts.
„Wir sind nur noch zu viert, da Denny und Oscar letztes Jahr ihren Abschluss hatten“, kam es beinahe murrend von Riley, der sich mit geschlossenen Augen und verschränkten Armen auf dem Stuhl zurückgelehnt hatte. „Und Reece ist nach Dakota umgezogen.“ „Dakota wo“, hakte Jamie irritiert nach. „Das hab ich noch immer nicht so ganz geschnallt. North Dakota?“ Der Captain schüttelte den Kopf. „Nein, seine Familie ist nach Minnesota gezogen, Dakota County.“ „Wo liegt Minnesota nochmal?“ Wieder ging ein Seufzen durch die Runde, woraufhin Jamie entschuldigend die Hände hob. „Ich hasse Geographie, das wisst ihr.“
„Minnesota grenzt an Kanada, genauer gesagt an Manitoba und Ontario“, nuschelte Luzifer und starrte auf seine Finger, die er auf dem Tisch ineinander verhakt hatte. „Nachbarstaaten auf der amerikanischen Seite sind North und South Dakota, sowie Iowa, Michigan und Wisconsin.“ Er spürte die Blicke der anderen Jugendlichen auf sich, weswegen er tief einatmete. Hätte er doch nur die Klappe gehalten. „Welches Buch hast du denn verschluckt?“ Riley blickte seinen neuen Mitschüler irritiert an, bis Cameron sich grinsend zu Wort meldete: „Er war auch schon vorhin bei Geschichte so. Morrisson war vollkommen entzückt von ihm.“ „Und das an deinem ersten Schultag an einer kompletten neuen Schule“, wollte Jade verwirrt wissen, weswegen Luzifer antwortete: „ich war noch nie auf einer öffentlichen Schule. Ich hatte immer nur Privatunterricht zuhause. Außerdem hab ich meinen Brüdern versprochen nicht aufzufallen.“
Nach diesen Worten fing jeder der Jugendlichen am Tisch lauthals an zu lachen, weswegen auch Schüler von anderen Tischen sich zu ihnen umdrehten. Riley war der Erste, der sich wieder einigermaßen beruhigt hatte, dennoch hatte er Mühe verständlich zu sprechen. „Mit so einem Verhalten fällst du an unserer Schule erst recht auf, Seraiah. Vor allem, wenn du komplett neu hier bist.“ „Aber ich dachte …“ „Du kannst es noch nicht wissen, Serry, aber die einzigen Schüler, die sich hier freiwillig melden im Unterricht, sind die Freaks“, erklärte ihm Cameron gähnend.
Aus den Augenwinkeln konnte Luzifer erkennen, wie Jade eine Hand zur Faust ballte und als diese Cameron am Kopf traf, gluckste er. „Dir ist hoffentlich klar, dass du Meo gerade als ‚Freak‘ abgestempelt hast, Carter, oder“, kam es verärgert von Jade, die die Augen zu Schlitzen verengt hatte. Der Angesprochene rieb sich, leise Entschuldigungen nuschelnd, den Kopf, sah das Mädchen dabei aber nicht an. „Meo ist definitiv kein Freak. Er ist einfach nur … besonders“, fügte Jade dann noch hinzu und nahm einen Schluck ihres Apfelsafts.
„Wer ist dieser Meo?“ Wieder waren alle Blicke auf den Engel gerichtet, doch bevor jemand einen blöden Kommentar darauf geben konnte, warf Riley in die Runde, dass er, Luzifer, neu war und somit nicht wissen konnte, wer hier wer war. „Ganz vergessen“, nuschelte Scott und auch Jamie und Cameron ließen die Köpfe hängen. „Es kommt mir so vor, als würde ich dich schon seit Ewigkeiten kennen“, flötete letzterer und grinste dabei. „Alles klar“, erwiderte Luzifer mehr oder weniger sarkastisch. „Also, wer ist jetzt dieser Kerl“, fragte er nochmal nach und dieses Mal bekam er auch eine Antwort darauf.
„Meo ist ein Freund von uns. Sofern man das zwischen uns ‚Freundschaft‘ nennen kann. Er ist ein merkwürdiger Junge“, erklärte Riley und seufzte dabei. „Er hat eine Augenkrankheit, die sich immer mal wieder verschlechtert, aber es scheint so, als würde er, dank dieser Krankheit, mehr sehen und erkennen können, als andere Menschen und das, obwohl er schon beinahe blind ist.“ „Letztes Jahr“, fiel Cameron seinem Captain ins Wort, woraufhin dieser ihn mit einem genervten Blick bedachte. „Letztes Jahr wusste Meo vor allen anderen, dass die zwei Barkers sich scheiden lassen werden. Er wusste es sogar noch vor den zwei Barkers selbst. Als er sie darauf angesprochen hat, haben sie ihn nur verwirrt angesehen, aber zwei Wochen später saßen sie schon beim Scheidungsrichter.“
Offenbar hatte Luzifer einen irritierten Gesichtsausdruck aufgesetzt, denn Riley lächelte ihn an und meinte: „Keine Sorge. Meo ist nicht so verrückt, wie es sich jetzt vielleicht gerade für dich anhört. Er ist echt nett und immer für einen da, wenn man jemanden zum Reden braucht. Allerdings ist Meo eher ein Einzelgänger.“ Der Team-Captain zog die Augenbrauen zusammen und betrachtete nun, scheinbar interessiert, sein restliches Sandwich, welches vor ihm auf dem Tablett lag. „Meo gibt sich nur mit uns ab, wegen Jade“, war es wieder Cameron, der redete und das Mädchen neben ihn dabei angrinste. „Du musst wissen, Jade ist Meos beste Freundin und ich kann einfach nicht verstehen, wieso.“ Jade grunzte. „Na, Meo kann auch nicht verstehen, wieso ich mich mit dir abgebe, Carter.“
Beinahe empört rümpfte Cameron die Nase und wandte sich, mit verschränkten Armen, von Jade ab. „Ich bin ein total toller Kerl, nur offenbar ist das das Einzige, das dieser Junge nicht sehen kann:“ Luzifer zog einen Mundwinkel leicht nach oben. „Scheint ja so, als ob hier alle ganz nett wären.“ Nun lächelten wieder alle am Tisch, bis auf Riley. „Mehr als die Hälfte der Schüler hier sind nett, ja, aber dann gibt es auch wieder diese Sorte von Schülern, denen man besser aus dem Weg geht. Vor allem, wenn man neu hier an der Schule oder jünger ist.“ „Oder wenn man weniger Geld hat“, fügte Jamie hinzu und packte seine Essensreste auf das Tablett.
Der Engel wollte gerade nachfragen, doch just in dem Moment erklang die Glocke, weswegen Cameron aufschreckte und sich panisch umsah. „Was? Schon aus? Verdammt, ich hab noch nichts gegessen.“ „Tja, Carter. Zu blöd“, kam es amüsiert von Jade, die sich erhob und mit ihrem Tablett in der Hand davon stolzierte. Riley sah ihr lächelnd hinterher. Von Cameron kam ein Geräusch, das sich für Luzifer verdächtig nach einem ‚unhöflich‘ anhörte, doch er ignorierte es. Er folgte den Jugendlichen zur Tür der Cafeteria, die Scott bereits aufhielt.
„Was haben wir jetzt für einen Kurs“, fragte dieser an Jamie gewandt, der nur mit den Schultern zuckte. „Ich hab keinen blassen Schimmer. Hatte noch keine Zeit um den Stundenplan auszukundschaften.“ Cameron grinste. „Wie gut, dass ich nichts Besseres zu tun hatte in den letzten Tagen. Seraiah und ich haben jetzt Latein.“ „Latein“, hakte dieser nach und zog dabei eine Schnute. „Da hat wohl jemand etwas gegen Latein.“ „Sagen wir es mal so, diese Sprache ist für mich gestorben“, murrte er als Antwort und folgte Cameron schlurfend durch den Gang.
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Wörter: | 13.964 | |
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