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Statistik
Kapitel: | 2 | |
Sätze: | 138 | |
Wörter: | 1.338 | |
Zeichen: | 7.684 |
Es war fast 2 Uhr morgens, als sie mit ihren Freundinnen in den grünen Ford Fiesta einstieg, den ihre Eltern ihr letzte Woche zum 18. Geburtstag geschenkt hatten. Es war zwar ein älteres Modell, aber das war Joy egal. So musste sie nicht ständig ihre Eltern bitten, sie irgendwohin zu fahren. Endlich erwachsen und unabhängig. Ein tolles Gefühl. Die Freiheit hatte ihren eigenen Duft, den sie vorher nicht kannte.
Als sie ins Auto einstiegen und Joy sich hinter das Steuer setzte, sagte Sammy zu ihr, dass der Typ hinter der Theke schon echt süß war und sie sich nächstes Wochenende mit ihm treffen wollte. Joy meinte daraufhin, dass Sammy ja aufpassen sollte, weil er ziemlich gierige Augen hatte. "Ach Joy. Was du wieder hast... ich....hicks...ich lasse mich schon nicht beim ersten Date von ihm flach legen...hicks..", lallte ihre angetrunkene Freundin. Cassy war auf dem Rücksitz ganz still geworden und sah im Rückspiegel etwas blass aus. Joy drehte sich zu ihr um und fragte sie, ob alles okay wäre. "Ich weiß nicht. Irgendwie dreht sich alles... und seit wann gibt es dich eigentlich zweimal?..." antwortete Cassy und fing an zu kichern. "Okay. Haltet euch fest. Es geht los", sagte Joy zu den beiden und startete den Motor. Cassy war auf dem Rücksitz schon weggetreten und schlummerte mit gesenktem Kopf vor sich hin, als sie losfuhren.
Während Joy den Wagen auf die Hauptstraße lenkte, redete Sammy ununterbrochen von dem Typen, der ihr offensichtlich den Kopf verdreht hatte. Sie hatte Mühe, sich auf die Fahrt zu konzentrieren, weil ihre völlig überdrehte Freundin sie ständig mit irgendwelchen Fragen bombardierte, die sich natürlich nur noch um diesen Kerl drehten. Der Nebel war neben der Dunkelheit eine zusätzliche Herausforderung für Joy, sie alle drei sicher nach Hause zu bringen. Sie drosselte die Geschwindigkeit etwas, denn 'die Suppe' wurde auf der Landstraße immer dicker. Wie schnell fuhr sie eigentlich? Ein kurzer Blick auf die Tachoanzeige verriet ihr, dass sie immer noch 85 Sachen drauf hatte. Das war eindeutig zu schnell für diese schlechte Sicht, dachte Joy und wollte sachte auf die Bremse treten, als plötzlich zwei Scheinwerfer im Rückspiegel aufleuchteten.
Der blöde Arsch hatte sein Fernlicht an und blendete sie fürchterlich damit. Scheinbar war das auch seine Absicht. "Brems den blöden Wixer aus Joy! Hicks..." lallte Sammy, die trotz Trunkenheit anscheinend doch noch etwas vom Geschehen mitbekam. Joy schaltete einen Gang zurück und schaute nochmals in den Spiegel, als ihr Wagen einen Hüpfer machte. Scheinbar waren sie durch ein Schlagloch gefahren. Oder war es doch ein Tier, das verendet auf der Straße lag?...
Geblendet durch die Scheinwerfer vom Wagen hinter ihr, verlor Joy plötzlich die Kontrolle und der Wagen kam ins Schlingern und von der Straße ab. Sie sah den Baum erst auf sich zukommen, als es schon zu spät war... Dann wurde es schwarz vor ihren Augen...
Nachdem Joy ihr Bewusstsein wieder erlangte, fühlte sie sich wie nach einem ewigen Schlaf. Es war plötzlich eine Energie in ihr, die sich anfühlte, als wenn sie 10 Liter Kaffee getrunken hätte. Und diese Leichtigkeit - ja fast eine Schwerelosigkeit - war ein völlig neues Erlebnis, das sie noch nie zuvor verspürt hatte.
Ihre Augen öffneten sich und sahen in ein grelles Licht. Schon wieder diese Scheinwerfer? Klebte der blöde Arsch immer noch an ihrem Heck?... Sie drehte ihren Kopf zur Seite und nahm erst dann wahr, dass sie sich in einem Zimmer befand. Es musste ein Krankenzimmer sein, denn sie bemerkte erst jetzt den weißen Nachtschrank mit einer Ausziehplatte neben ihrem Bett, in dem sie lag. Das grelle Neonlicht an der Zimmerdecke flackerte ein wenig. 'Ich bin im Krankenhaus', dämmerte es ihr. Dann sah sie sich suchend um. Wo waren Sammy und Cassy? Hoffentlich war ihren Freundinnen nichts ernsthaftes passiert bei dem Autounfall.
Plötzlich öffnete sich die Zimmertür und eine junge Frau mit grüner Schutzkleidung und Mundschutz kam wortlos herein. Es musste wohl eine Krankenschwester sein, denn sie hatte eine Infusionsflasche bei sich, die sie sogleich an den Tropfständer neben Joys Bett aufhing und einen dünnen Schlauch in die Öffnung steckte.
"Hallo? Können sie mir sagen, wie es meinen beiden Freundinnen geht?" wollte Joy von ihr wissen. Doch die Schwester reagierte nicht. Sie schaute Joy nicht einmal an. Merkwürdig... Als sie wieder vom Bett weggehen wollte, griff Joy nach ihrem Kittel, der gerade noch in Greifnähe war. Doch ihre Hand griff durch den Stoff hindurch... Verdammt, was war das hier? Sie hatte nicht daneben gegriffen - da war sie sich 100prozentig sicher. Für einen Moment drehte sich die Schwester doch noch einmal um und sagte leise:"Armes Ding..." Dann ging sie hinaus und schloss die Tür hinter sich. Joy sah ungläubig auf ihre Hände. Das konnte nicht sein. Vielleicht war es eine Sinnestäuschung... bestimmt von irgendwelchen Medikamenten, die sie bekommen hatte. Doch sie wollte es wissen. Also griff sie mit ihrer linken Hand nach der Bettdecke, um sie zur Seite zu schlagen. Aber auch hier griff sie ins Leere. Oh man, das war echt unheimlich... Sie kniff sich selber in den Arm so fest sie konnte - und spürte nichts. Gar nichts. Das musste ein Albtraum sein, dachte sie. Trotzdem nahm sie all ihren Mut zusammen, richtete sich auf und schlug ihre Beine aus dem Bett - durch die Decke hindurch.
"Oh Gott, ich bin ein Geist" kam es ihr leise über die Lippen. Nachdem sie diesen Satz ausgesprochen hatte, vernahm sie eine Stimme, die scheinbar von überall kam. Sogar in ihrem Inneren klang sie mit einem Widerhall nach. "Es ist fast so, wie du denkst Joy. Du bist in der Wartekammer des Lebens. Dreh dich um und schau genau hin." Sie hatte Angst, aber sie tat es und schaute sich nach hinten um - und sah sich selbst schlafend im Bett liegen. Ein Infusionsschlauch führte zu ihrer rechten Handoberfläche. Etwas Blut schimmerte durch das Pflaster, wo der Schlauch hineinführte. Dann entdeckte sie den Beatmungsschlauch in ihrer Nase und weitere Kabel, die irgendwo zu ihrem Körper hinführten. Ihre Augen wanderten hinauf zu den Monitoren, die über dem Bett angebracht waren und irgendwelche Kurven mit blinkenden und piepsenden Messergebnissen anzeigten. Langsam wanderte ihr Blick zurück zu ihrem schlafenden Ich. Joy erkannte sich kaum wieder, denn ihr Gesicht war nicht das, was sie zuletzt im Spiegel sah, als sie in der Disco ihr Makeup auffrischte.
"Du liegst im Koma Joy..." ließ diese unheimliche Stimme aus dem Nichts verlauten. "Aber warum? Wieso kann ich nicht einfach.." fragte sie verzweifelt die Stimme. "Es ist noch nicht soweit für dich zu gehen. Und zum Bleiben musst du erst deine Kraft wiederfinden, die dir einst gegeben wurde" erklang es. "Welche Kraft ist das? Was meinst du damit? Und wer bist du?" wollte Joy wissen. "So viele Fragen auf einmal. Sei gewiss Joy. Du wirst es herausfinden, wenn du wie bisher, deinem Herzen folgst. Denn dieses hat uns berührt..." flüsterte die Stimme.
Es war auf einmal so still in ihr geworden... als wenn etwas fehlte. Diese Stimme; sie war nicht mehr da. Joy konnte es fühlen. Was hatte das alles nur zu bedeuten? Warum war sie in dieser - wie hieß das noch? In der Wartekammer des Lebens? Was sollte sie nur tun? Was sagte ihr die Stimme noch? Ihrem Herzen sollte sie folgen...
In diesem Moment fielen ihr wieder Sammy und Cassy ein. Joy stand von ihrem Bett auf und ging zur Tür. Sie steckte ihren Kopf durch die geschlossene Tür hinaus auf den Flur und schaute sich nach beiden Seiten um. Es war niemand zu sehen. Also trat sie durch die Tür hindurch in den Flur und machte sich auf die Suche nach ihren Freundinnen - denn sie fühlte, dass Sammy und Cassy sie brauchten...
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