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Tage in Galizien, oder: Wie ich zu einem Wunderrabbi kam

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16.03.24 23:03
12 Ab 12 Jahren
In Arbeit

Autorennotiz

Diese Geschichte findet erst nach und nach zu sich selbst. Am Anfang stehen tagebuchartige Einträge, in denen ich mir Gedanken darüber mache, wie ich hinter den Schleier des Holocaust blicken kann, um letztlich in die Welt des beginnenden 20. Jhs. einzutauchen.

Ich muss wohl um Verzeihung bitten, dass diese Geschichte keine lustige Geschichte sein wird, gleichwohl in ihrem Titel ein Wunderrabbi hockt und es der Humor immer wieder schafft, sich bemerkbar zu machen. Er ist ebenso schwer abschirmbar wie die Lebensfreude, die gerade dann wie toll umherspringt, wenn man zwar ein Dach über dem Kopf hat, jedoch nicht weiß, ob es morgen noch immer da ist. Sei es, weil der Wind zu sehr an ihm zerrt, sei es, weil es irgendjemandem gefällt, Holz und Menschen brennen zu sehen. Umso mehr sei das Heute zum Feiertag erhoben, da das Schtetl nicht brennt.

Ich bin gewiss nicht omentreuisch, aber als ich dein Bild in Joseph Roths Buch Juden auf Wanderschaft sah, wusste ich sofort, ich müsse zu dir – komme, was da wolle. Dass du schon lange nicht mehr lebst, interessierte mich überhaupt nicht. Ich las nur 1917, Brody, Rabbiner-Deputation zum Empfang von Kaiser Karl I. und du als junger Rabbiner, wohl in deinem 30. Lebensjahr. Ich sah dir in die Augen, sah dein Lächeln und spürte, dass du mir aus deinem Leben erzählen möchtest: Also auf nach Brody in Ostgalizien – heute eine heruntergekommene Kleinstadt in der Westukraine, einst Zentrum jüdischer Gelehrsamkeit.

Ich lese gerade von Scholem Alejchem Tewja der Milchmann – eine Sammlung von Geschichten, die ins Herz des Ostjudentums blicken, in die Schtetlach, winzige Städtchen des ausgehenden 19. Jhs. in Russland, der Ukraine. Ihre Bewohner sind Schneider, Schuster und Milchhändler. Sie leben in bitterer Armut, hoffen jedoch darauf, dass es einst besser werde. So Gott will. Aber meist will der nicht. Derweil nehmen sie den Leser auf ihrem Pferdekarren mit, fahren von Ort zu Ort und liefern ihre Waren an reiche Kiewer Juden aus, die zu ihnen in die Sommerfrische kommen und sie von der großen, weiten Welt träumen lassen.

Wo ist das moderne Judentum entstanden? Gibt es überhaupt das Judentum ? Also besser: Wie haben sich dessen Strömungen herausgebildet?

In Europa ist seit dem Mittelalter zwischen dem Ost- und dem Westjudentum zu unterscheiden, wobei ersteres zunächst nach Westen wanderte, um von dort, durch Pogrome bedroht, nach Polen zurückzukehren. Einige verblieben jedoch im Westen – oder flohen nach der Katastrophe von 1648 wieder dorthin. Sie sahen sich recht bald als Träger der Haskala, der jüdischen Aufklärung, die sie vor Ausgrenzungen schützen sollte. Sie rümpften die Nase über die von Pogromen bedrohten Luftmenschen im Osten, die sich einzig Gott verpflichtet wussten.

Mich zieht es zu Scholem Alejchems aisnbangeschichtess. Und schon finde ich mich in einem überfüllten Waggon wieder – zusammen mit Wunderabbinern und Vätern, die um das Leben ihrer Kinder bangen und alles dafür gäben, der Wunder teilhaftig zu werden. Ich treffe auf Bettler und Zionisten sowie auf Menschen, die von Amerika träumen, als wäre es das Gelobte Land. Derweil linst mich aus dem obersten Gepäcknetz das Jiddische an. Es wartet nur darauf, mir in die Arme springen zu können. Denn, und das merkt euch!, leise gelesen werden möchte es nicht. Es möchte im Ohr klingen, damit es sich entfalten kann.

Feedback

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Elisabeths Profilbild
Elisabeth Am 26.09.2023 um 9:37 Uhr
Hallo Klatschkopie,

danke, daß Du Deinen Leser mitnimmst auf die Spurensuche. Ich finde diese Vorgehensweise sehr interessant, von Dir sehr einfühlsam geschrieben und freue mich auf Deine nächste Spur.

Schöne Grüße von Elisabeth
Elisabeths Profilbild
Elisabeth Am 26.09.2023 um 20:36 Uhr
@Klatschkopie Ja, das sind eindeutig Fußspuren einer Recherchearbeit ;-) Und das interessiert mich sehr, daher freue ich mich darüber, daß die Story auf 'in Arbeit' steht. Ich wünsche gutes Gelingen bei der Recherche und - ganz eigennützig - reiche Früchte dieser Arbeit, die Du hier dann präsentieren kannst.

Schöne Grüße von Elisabeth
Klatschkopies Profilbild
Klatschkopie (Autor)Am 26.09.2023 um 12:02 Uhr
Hi Elisabeth,

auch hierfür vielen Dank.
Ich freue mich riesig, dass du Gefallen daran findest.
Diese Notizen sind Vorarbeiten zu einer größeren Geschichte.
Ich taste mich hier sozusagen an das Thema heran.

Herzlich
KK
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Klugscheissers Profilbild
Klugscheisser Am 28.09.2024 um 22:44 Uhr
Hallo Klatschkopie,

ich habe StoryHub erst gestern entdeckt und schlenderte erstmal hindurch.

Ich komme mal gleich zur Sache: Hast Du dich auch frustriert zurückgezogen weil diese Community einfach zu bequem ist Feedback zu geben. Diesen Eindruck habe ich nämlich. Jeder will Beachtung, aber keiner beachtet die anderen.

Würde mich freuen von Dir zu hören

Grüße vom Klugscheisser

Autor

Klatschkopies Profilbild Klatschkopie

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Statistik

Kapitel: 5
Sätze: 27
Wörter: 519
Zeichen: 3.091

Kurzbeschreibung

Diese Geschichte ist eine Gedankenreise in die historische Landschaft Galizien, die sich von Südpolen bis in die Westukraine erstreckte. In diesem überaus fruchtbaren Land siedelten seit dem Mittelalter Juden in Schtetlach, winzigen Städtchen oder Marktflecken, sowie auch in größeren Städten wie Brody oder Lemberg. Ihre Sprache war Jiddisch, ihr Rabbi zumeist, nicht immer, ein Wunderrabbi und sie selbst bettelarm - zumeist, nicht immer.

Kategorisierung

Diese Story wird neben Krieg auch in den Genres Liebe, Religion, Historik und Spirituelles gelistet.