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Als Paris brodelte

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07.08.18 13:18
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Als Paris brodelte

von fridosuti

 

Wenn einer, dessen Lebenspartnerin sich eindrücklich mit Porträtmalerei beschäftigt, zuweilen über Künstlerschicksale reden soll, bin ich das. Meine Frau schwärmt von Artemisia Gentileschi, einer Italienerin, die Judith malte, eine Maid die in biblischer Zeit dem Warlord Holofernes nach einer Liebesnacht den Kopf abgeschlagen haben soll und damit ihr Volk rettete.

 

Meine Frau redet auch gerne von Vigée-Lebrun die in Versailles am französischen Hof als Porträtmalerin von Marie Antoinette eine wichtige Rolle spielte. Wegen ihres Umganges mit französischen Aristokraten geriet sie später aber auf die schwarze Liste der Revolutionäre und flüchtete aus Frankreich. Im Ausland wurde sie dann weltberühmt. Sofern ich über solche Themen auch nur mitreden will, muss ich in Geschichtsbüchern herumblättern, dort ist jederzeit ein Blick möglich auf die Lebensläufe berühmter Frauen.

 

In Paris war Marie Antoinette der strahlende Stern ihrer Zeit, eine Berühmtheit. Als Tochter eines österreichischen Monarchen wurde sie beinahe noch als Kind, von Wien nach Paris geholt, um den Thronprinzen zu ehelichen. Nach der Krönung dieses Mannes, Louis XVI, wurde sie die absolute Nummer eins am Hofe von Versailles. Dort geriet sie in ein Gespinst von Intrigen, das zu durchschauen war sie aber nicht in der Lage, sie war zu jung.

 

Darum wird sie von Historikern gern als dümmlich beschrieben, und zu unerfahren um lebensklug zu sein, und schon gar nicht die überwältigende Schönheit. Sie musste an der Seite des Königs dauernd gesellschaftlichen Anlässen vorsitzen, an Galaempfängen teilnehmen für Diplomaten aus aller Herren Länder, da musste sie sich in schönen Gewändern zeigen. Keines dieser Kleider, nach der neuesten Pariser Mode geschnitten, durfte zweimal getragen werden, das verlangte die Etikette des königlichen Hofes. Täglich erschienen in Versailles Modehändlerinnen und führten ihre Waren vor. Dieser Modeklüngel setzte sich zusammen aus Friseusen, Schneiderinnen, Goldschmieden und Kunstmalern.

 

Marie Antoinette liebte diesen Mode-Zirkus. Sie entwickelte zum Verdruss der Höflinge sogar freundschaftliche Beziehungen zu einigen dieser Frauen, ganz besonders zu einer Hutmacherin die Rose Bertin hieß, sie betrieb in Paris einen Modesalon in dem Näherinnen und andere weibliche Hilfskräfte damit beschäftigt waren, Kleider und Hüte zu entwerfen, insgesamt eine Belegschaft von dreißig Personen. Rose Bertin forderte die höchsten Preise in Paris für ihre modischen Kreationen. Zweimal wöchentlich pilgerte sie zu der Königin nach Versailles hinaus und zeigte ihre neuesten Produkte: Kostüme und Hüte, alles Modezubehör nach dem neuesten Schrei: Handschuhe, Taschen, Perücken, Schuhe und Schals.

 

Rose Bertin war eine gerissene Geschäftsfrau, sie wusste immer gut Bescheid über den neuesten Modeklatsch und verlangte für ein Kostüm bis zu neunhundert Livres. Zu einer Zeit, als ein Handwerker in Paris etwa zwei Livres im Tag verdiente. Marie Antoinette verjubelte auf diese Weise ungefähr 15 000 Livres im Monat, das wurde ihr als frevelhaft vorgeworfen und beim Volk machte sie sich verhasst, denn die Staatskasse war leer.

 

Unter den Bauern, welche den größten Teil der gewaltigen Steuerlast im Land zu tragen hatten, entwickelte sich eine aufrührerische Stimmung. In Paris schossen die Preise für Brot in die Höhe, dies bedeutete für wenig begüterte Menschen: Hunger leiden! Und da verjubelte eine Österreicherin fünfzehntausend Livres im Monat! Maria Antoinette liebte nicht nur schöne Kleider, sie ließ sich auch gerne als vornehme Dame in diesen Kleidern malen.

 

Damals wuchs in Paris eine junge hübsche Kunstmalerin heran. Ihr Name war Elisabeth Vigée, Tochter eines Kunstmalers bei dem sie den ersten Kunstunterricht erhielt. Sie war ein Wunderkind. Mit fünfzehn Jahren verdiente sie bereits Geld mit Porträt Malerei, aber dieses Geschäft wurde ihr verboten, da sie nicht Mitglied einer Kunstakademie war. Darum bewarb sie sich in der Akademie Saint-Luc, dort war schon ihr inzwischen verstorbener Vater, Louis Vigée, Mitglied gewesen. Im Oktober 1774 wurde Elisabeth Vigée in diese Akademie aufgenommen, sie durfte wieder malen.

 

Ihre Mutter heiratete erneut und die Familie mietete eine Wohnung in einem Mietshaus das dem Maler und Kunsthändler Lebrun gehörte. Sie nahm weiterhin Malunterricht, einmal bei Gabriel Briard, einem Porträtmaler und dann bei Claude Joseph Vernet, einem Landschaftsmaler.

 

Mit zwanzig Jahren heiratete Elisabeth Vigée den Kunsthändler Lebrun und bald darauf durfte sie am Hof von Versailles zahlreiche Gesichter aus der französischen Aristokratie porträtieren. Louis XVI und Marie Antoinette liebten ihre Bilder, denn Vigée-Lebrun malte die im Volk wenig beliebte Königin in einem schmeichelhaften Ton.

 

Dann begann es in Paris zu brodeln. Am 14. Juli 1789 wurde die Bastille erstürmt und einige Wochen später, am 6. Oktober, wurde der König von den Revolutionären gezwungen, von Versailles nach Paris zu ziehen mit seiner Familie, dabei erfuhr Vigée-Lebrun, dass zahlreiche Adelige außer Landes flohen. Kurzentschlossen buchte Elisabeth Vigée einen Platz in einer Postkutsche nach Turin. Zusammen mit ihrer Tochter und einer Gouvernante suchte sie das Weite, aber während der Reise bestand dauernd die Gefahr, von Revolutionären erkannt zu werden. Doch sie erreichte Italien, ohne belästigt zu werden.

 

Diese Flucht hatte vorerst noch keine schwerwiegenden Folgen für sie, denn, obschon die Jakobiner solche Emigranten auf eine schwarze Liste setzten und ihr Vermögen beschlagnahmten, wurden die Listen mangelhaft geführt. Erst als Vigée-Lebrun im April 1792 es wagte, wieder nach Paris zurückkehren, erfuhr sie, dass ihr Name auf der schwarzen Liste stand. Lebrun, immer noch ihr Ehemann, hatte erfolglos versucht, ihren Namen von dieser Liste zu streichen.

 

Vigée-Lebrun war sich der Gefahr bewusst, in der sie schwebte und fuhr augenblicklich wieder nach Italien zurück. Dort gab ihr ein Diplomat den Ratschlag, nach Wien zu reisen und sich dort als Porträtistin zu betätigen, was sie dann tat. Wäre sie in Paris geblieben, hätte man ihren abgeschlagenen Kopf wohl dem grölenden Volk gezeigt. Vigée-Lebrun blieb nicht in Wien, sie reiste nach Sankt Petersburg und malte dort Bilder von der Zarenfamilie.

 

Als Napoleon an die Macht kam, die Jakobiner hatten ihn als starken Mann geholt, und er eine allgemeine Amnestie verkündete, um die Emigranten wieder ins Land zu holen, kam auch Elisabeth Vigée-Lebrun nach Paris zurück. Das war im Jahr 1802 und sie zog wieder zu ihrem Mann, der sich unter der Fuchtel der Revolution von ihr hatte scheiden lassen um Kopf und Besitz zu retten.

 

Elisabeth Vigée-Lebrun erreichte ein hohes Alter, sie wurde 86 Jahre alt und schrieb ihre Lebenserinnerungen, von denen im Jahr 1835 ein erster Band erschien, die „Souvenirs“, die später immer wieder neu und in überarbeiteten Fassungen erschienen.

 

Das waren die drei Frauen, Marie Antoinette, Rose Bertin und Elisabeth Vigée-Lebrun. Die vierte Frau, von der ich jetzt erzählen will, war eine Frauenrechtlerin, Olympe de Gouges, die mit siebzehn Jahren an einen Metzger und Gastwirt verheiratet wurde und nach dessen Tod reiste sie zu ihrer Schwester, die in Paris lebte.

 

De Gouges konnte weder lesen noch schreiben, auch beherrschte sie nicht die Feinheiten der französischen Sprache, was sie aber alles nachholte bei Freunden und Bekannten ihrer Schwester. Sobald sie schreiben konnte, verfasste sie Theaterstücke in denen soziale Probleme zur Sprache kamen. Sie machte sich stark für die Rechte der Frau, forderte die Abschaffung der Sklaverei in den Kolonien, aber nicht nur das, sie warnte lauthals vor Robespierre und Marat. Robespierre erscheint mir als Ehrgeizling. Er ist ein Mann ohne Genie und ohne Seele“, mit solch einprägsamen Worten verteidigte sie sich vor dem Revolutions Tribunal als sie beim Aufhängen von Plakaten erwischt worden war und vor Gericht gestellt wurde.

Gesinnung zu zeigen war in dieser Epoche üblich, viele Menschen zeigten ihre politische Weltanschauung öffentlich. Männer trug die lange Hose, „pantalonsgenannt, nicht die „culots, die Kniehosen der Oberklasse. Frauen und Männer setzten sich die rote Jakobinermütze auf, hefteten sich die Kokarde an das Kleid oder trugen die Revolutionsfarben über der Schulter, eine blau, weiß, rote Schleife.

Die Menschen outeten sich, auch wenn das gefährlich war. Olympe de Gouges besiegelte ihr Schicksal, weil sie nachts Plakate an Wände klebte und dabei erwischt wurde.

Am 3. November 1793 fiel ihr Kopf unter dem Fallbeil auf dem Schafott. Wenige Wochen zuvor war Marie Antoinette zum Tode verurteilt und am selben Tag hingerichtet worden. Jedoch zwei dieser vier Frauen konnten ins Ausland fliehen, Rose Bertin und Vigée-Lebrun. Beide kehrten nach Napoleons Aufstieg wieder in ihre Heimat zurück.

Letzter Blick zurück. Wer immer wieder in Geschichtsbüchern herumwühlt, stößt auf Namen von Sterblichen die keines natürlichen Todes gestorben sind. Oder auf andere, deren Lebensläufe sich lesen lassen wie Romane. Wenn wir uns Gedanken machen über diese Schicksale, entreißen wir sie dem Ozean der Vergessenheit. Auch Napoleon strauchelte bei Waterloo, darum werden wir ihn wohl nie vergessen. Auf Artemisia Gentileschi werde ich später noch einmal zurückkommen und wer sehen möchte, was meine Frau für Portraits malt, kann das anklicken unter vrenicamenzind.ch.

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