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Speicherplatz

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31.01.20 01:15
6 Ab 6 Jahren
Fertiggestellt

Ich schalte mein Laptop ein und lade Fotos vom Handy drauf. Bloß nicht morgen in den Urlaub fahren ohne genug Speicherplatz für schöne Fotos und Videos.

Hmmm, ich sehe auf dem Laptop eine Benachrichtigung in meiner Foto-Software. Aha, wohl eine neue Funktion. Ich klicke drauf und sehe eine Liste von Videos, die anscheinend nach Jahren benannt sind, Video-2018-1, 2018-2, und 2017-9  usw... Da es aktuell 2019 ist, bin ich neugierig auf 2017 und klicke auf eins der 2017-Videos.

Es ist ein ein-minütiges-Video mit entspannter Musik im Hintergrund. Ich sehe Fotos von Stränden und Bergen und vermute schnell, dass dies ein automatisch generiertes Video sein muss aus meinen eigenen Fotos von 2017. Je weiter das Video läuft, desto eher bezweifle ich dies, denn ich kann mich an diese Orte in den Fotos nicht erinnern. Es sind alles Landschaftsfotos. Klar mache ich gerne Landschaftsfotos, aber diese Fotos kann ich nicht zuordnen. Na ja, dann weiß ich wenigstens, dass ich eine Funktion in meiner Foto-Software habe, mit der ich aus meinen eigenen Fotos auch solche schönen Videos machen kann. Ich schaue mir das Video trotzdem weiter an. Es sind wirklich schöne Fotos, und ich fange an, die Person oder Personen, denen diese Fotos gehören, zu beneiden. Man sieht gemütliche kleine Dörfer und spürt richtig die Wärme der Sonne, die Frische der Natur und die Freude, die diese Leute wohl in ihrem Urlaub hatten an diesen schönen unterschiedlichen Orten. Ich überlege, ob die Fotos einem Pärchen gehören oder einer einzelnen Person. Ich kann es nicht genau sagen, ich kann nur sagen, dass diese Leute es verstehen, das Leben zu genießen, und das will ich auch so können!

Das Video läuft weiter und ein Foto von meinem Vater taucht auf. Ich bin verwirrt. Ich spule das Video kurz zurück. Es ist tatsächlich ein Foto von meinem Vater! Ich vermute mal, vom Athen-Urlaub. Ich mache sehr selten Urlaub mit meinem Vater. Ich schaue mir das Video noch einmal von vorn an und gehe den Ordner mit meinen Fotos aus 2017 durch. Es waren alles meine Fotos!

Ich muss trocken schlucken.

Ich atme tief ein, dann unterbreche ich diesen Atemzug, weil ich schnell weitermachen muss, denn ich muss ja noch packen. Ich habe nun alle Fotos auf dem Laptop geladen und fliege am nächsten Tag mit genug Speicherplatz in den Urlaub.

 

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GreenQuills Profilbild
GreenQuill Am 25.05.2019 um 3:47 Uhr
Hallo Munz,

Das ist eine sehr interessante Anekdote, die doch sehr nachdenklich stimmt. Wie oft kommt es vor, dass man solche kleinen Schätze wie Fotos sammelt und sie dann vergisst bis man wieder darüber stolpert und verwundert feststellt, dass mehr mit einem selbst zu tun hat als man glaubte? Ich bin als Teenager an unserem Dorfbach mal über eine Flaschenpost gestolpert, die ich selbst als Kind, fast sieben Jahre zuvor dort hineingeworfen habe. Auf den zweiten Blick zu erkennen, dass diese lieben Zeilen in Kinderschrift meine eigenen waren, war wahrscheinlich ein ganz ähnliches Gefühl. Solche Erlebnisse lassen einen innehalten und sind wie ein Weckruf, sich nicht von der Hektik der Zeit mitreißen zu lassen und verleiten lassen, dieVergangenheit zu vergessen, sondern hin und wieder auch zurückzuschauen und sich bewusst zu machen, was man bisher erlebte. Denn sie sind ja Teil der eigenen Geschichte. Zudem ist deine Anekdote auch eine schöne Mahnung, sich Ordner und Daten auf technischen Geräten zwei Mal anzuschauen, ehe man die Löschtaste drückt und so vielleicht für immer eine seltene Erinnerung vernichtet.

Grüße, Augurey
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Munzs Profilbild
Munz (Autor)Am 26.05.2019 um 13:34 Uhr
Lieben Dank Augurey für dein Feedback! Ich finde deine Erfahrung mit der Flaschenpost sehr interessant und teile deine Meinung absolut! :)

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4 Bewertungen

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Sätze: 24
Wörter: 402
Zeichen: 2.301

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Diese Story wird neben Nachdenkliches auch im Genre Alltag gelistet.