Liebeskummer, Hogwarts Flure, Finsternis
Die Bogenfenster nahe der Galerie hüllten sich in Düsternis. Wie schwarze Spiegel reflektierten sie die Korridore und verschleierten die Welt dahinter. Kein Stern zeigte sich am Himmel in dieser Nacht, kein Silberstreif am Horizont. Nur Finsternis so weit das Auge reichte, wie Ruß und Asche, schwarz und grau, die Farbe verbrannter Erde. Albus betrachtete die Scheiben und blickte in sein eigenes Gesicht. In seinen Augen glitzere etwas. Doch es war nicht das Blitzen der Abenteuerlust, nicht der Ehrgeiz der Jugend. Diese Zeiten waren Ewigkeiten her, so schien es ihm zumindest, auch wenn sie in Wahrheit nur Monate zurücklagen. Doch war das Funkeln in seinen Augen erloschen. Nichts blieb außer dem Schimmer der Tränen. Betrübt wandte Albus sich ab, senkte den Blick hinab zu den bleichen Fliesen, die im Halbdunkel der fast erloschenen Fackeln etwas Kaltes, Raues an sich hatten wie die Zellen eines Kerkers. Hatte er im letzten Sommer wirklich geglaubt, dass er sie niemals wiedersehen würde? Wie sehr hatte er sich geirrt! Ein Jahr. Ein Jahr war es auf den Tag nun her, dass sie einander das erste Mal begegnet waren. Am Zaun zwischen zwei Gärten. Die Julisonne schien so grell, leuchtete in grünem Laub, glitzerte in blondem Haar. Ein strahlendblauer Himmel und ein Lächeln, das kein Wölkchen trüben konnte. Ein Lächeln, das Schmetterlinge erweckte. Längst waren die Puppen dieser Raupen zu Staub zerfallen, doch die Geister dieses Sommers waren erwacht und jagten Albus in seinen Gedanken. Lange war er durch das Labyrinth der Flure von Hogwarts geirrt, ruhelos, ziellos, der jüngste Lehrer dieser Schule und fand einfach keinen Schlaf. Wann immer er die Lider schloss, sah er nur dieses Gesicht vor sich. Dieses Gesicht mit dem verschmitzten Lächeln, dem wallend blonden und dem sanften Flaum auf den Kinn, der kaum ein Bart war. Sie waren so jung gewesen und nun, kaum Zeit dazwischen, fühlte Albus sich so unendlich alt. All die geflüsterten Worte, all die zärtlichen Zeilen, all die Wolkenschlösser, sie waren wie Seifenblasen zerplatzt. „Gellert, warum hast du mich verlassen?“, wisperte er stumm in die Dunkelheit, doch niemand antwortete. Niemand erklärte Albus, wo der Junge abgeblieben war, den er zu kennen glaubte und warum ein Fremder seinen Platz eingenommen hatte. Sein Herz schlug noch immer viel zu schnell wie ein Hohn auf den grässlichen Preis ihrer Visionen. Ein Klopfen gleich eines Hammerschlags, der seine Seele zertrümmern wollte. Der süße Rausch wie ein Tropfen Amortentia war ein Becher Wein mit Schierling versetzt. Er war ein Narr, das wusste er. Gellert Grindelwald kehrte niemals mehr zurück, so wenig wie Ariana. Doch die Stimme seiner Vernunft verklang ungehört in den Tiefen seiner Seele. Launische Herzen glaubten nur ihre eigenen Wahrheiten. Sie wussten nichts von grässlicher Schuld und grauenhaften Irrtümern. Sie kannten nur das wilde Pochen bei der Erinnerung an Berührung ihrer Hände als ihr Blut sie einte. Eine Erinnerung, von der nur der Schmerz und die Narbe der Wunde noch blieben. Traurig schloss Albus die Augen, spürte schwer wie Blei seinem Liebeskummer nach. Die finsteren, einsamen Flure von Hogwarts, seinem eigenen Askaban, würden sein Geheimnis wahren. Unsichtbare Scherben pflasterten den Marmor, die Scherben eines Traumes.
Feedback
Logge Dich ein oder registriere Dich um Storys kommentieren zu können!