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Kapitel: | 7 | |
Sätze: | 1.803 | |
Wörter: | 25.420 | |
Zeichen: | 149.934 |
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Sie erwachte in einer einfachen Kammer, spürte noch am ganzen Leib starke Schmerzen und erinnerte sich mühsam daran, dass es ihr zusammen mit Neo gelungen war, bis zur Maschinenstadt vorzudringen. Doch dabei wurde sie verletzt, eiserne Stäbe durchdrangen ihren Körper, erfüllten sie mit unbeschreiblichem Schmerz und sie starb...
Moment mal! Wie konnte das sein? Wenn sie gestorben wäre, würde sie jetzt nicht in dieser einfachen Kammer erwachen... was war geschehen?
Vorsichtig tastete Trinity ihren Körper behutsam ab. Er war in ein einfaches, langes Gewand gehüllt, aber sie spürte keinerlei Verband oder etwas ähnliches, das darauf hindeutete, dass man ihre Wunden versorgt hatte. Konnte es sein, dass so etwas wie ein Leben nach dem Tod tatsächlich existierte und sie sich jetzt im Jenseits befand?
Langsam richtete sich die junge Frau von ihrer Liegestatt auf und schaute sich um. Es war eine kleine, einfach eingerichtete Kammer, in dem sich nur noch ein schmaler Schrank befand. Etwas seltsam für ein Leben nach dem Tod, fand sie.
Als sie sich erhob, bemerkte sie, wie entkräftet sie war, und sie spürte überall am Leib nach wie vor Schmerzen. Das sprach dafür, dass sie immer noch lebendig war. Wenn das zutraf, dann musste ein Wunderdoktor sie gerettet haben.
Mit unsicheren Schritten ging Trinity langsam auf die Tür der Kammer zu, legte ihre Hand an die Klinke und drückte sie herunter, was ihr nur mit großer Mühe gelang. Doch sie war entschlossen, herauszufinden, wo sie sich befand und was geschehen war, seitdem sie das Bewusstsein verloren hatte.
Sie taumelte mehr als dass sie ging und trat auf einen düsteren, langen Flur hinaus, der nur schwach von Lüstern, die an der Wand befestigt waren, erleuchtet wurde. Immerhin erkannte sie, dass sie sich in einem der oberen Stockwerke befinden musste. Aber sie vermochte nicht zu sagen, ob es zu einem Privathaus oder zu einem Hotel gehörte. Wenn das Letztere der Fall war, musste es jedoch zumindest Personal geben. Sie wollte endlich mit einem Menschen sprechen!
"Hallo, ist hier jemand in der Nähe?", rief sie halblaut und hoffte, dass ihr irgendwer antwortete. Es verging ein Moment, ohne dass sich ihre Hoffnung erfüllte, aber dann tauchte plötzlich wie aus dem Nichts eine ältere Frau neben ihr auf. Sie hielt eine Lampe in der Hand und musterte Trinity eindringlich.
"Geht es Ihnen gut?", fragte die ältere Dame.
"Kann man nicht sagen", erwiderte die junge Frau. "Wo bin ich hier?"
"Mein Herr gab mir die Anweisung, Sie erst dann zu ihm zu bringen, wenn Sie sich erholt haben", erklärte die Alte in sachlichem Ton, ohne auf ihre Frage zu antworten.
"Okay, ich will mit ihm sprechen!"
"Sie wirken auf mich immer noch sehr erschöpft. Legen Sie sich lieber wieder hin. Das Gespräch mit meinem Herrn läuft nicht weg."
"Ich bin durchaus in der Lage, mich mit jemandem zu unterhalten", entgegnete Trinity ungeduldig. "Bitte, führen Sie mich zu Ihrem Herrn."
"Na schön, wenn Sie unbedingt darauf bestehen", meinte ihre Gesprächspartnerin. "Dann folgen Sie mir!"
Die Alte ging die Treppe hinunter und Trinity folgte ihr, so gut sie es vermochte, auch wenn ihr die Beine ein wenig weh taten. Sie biss die Zähne zusammen, schließlich war sie kein wehleidiges, kleines Mädchen mehr, doch sie konnte nur sehr langsam gehen. Ihre Begleiterin wartete unten geduldig auf sie, ohne ein Wort über ihr Schneckentempo zu verlieren. Es war Trinity ein wenig peinlich, dass die ältere Frau offensichtlich schneller zu gehen imstande war als sie.
Endlich ließ Trinity die letzte Stufe hinter sich, hielt sich jedoch am Ende des Treppengeländers fest und schloss die Augen, da ihr ein wenig schwindelig war.
"Es wäre wirklich besser, wenn Sie sich wieder hinlegen würden, Mademoiselle", sagte die Alte. Das letzte Wort ließ Trinity sofort aufhorchen. Warum benutzte ihre Begleiterin den französischen Ausdruck für Miss? Sie schlug die Augen auf und starrte sie ungläubig an. Sollte sie etwa wirklich bei...? Aber nein! Unmöglich! Das konnte nicht sein! Was sollte sie bei diesem Typen? Außerdem hatte er sicherlich die Nase voll von ihr, nachdem sie ihn zur Freigabe ihres Geliebten erpresste, indem sie ihm eine Waffe an den Kopf hielt.
"Ich will mit Ihrem Herrn sprechen, sofort!", forderte Trinity und ließ ihren Halt los, spürte dabei, dass sie immer noch unsicher auf den Beinen war.
"Wie Sie wünschen", gab die Alte pikiert zurück und wandte ihr den Rücken zu, dabei murmelnd: "Genau so unvernünftig wie der Herr sagte."
Die junge Frau schluckte, denn die leisen Worte ihrer Führerin schienen darauf hinzudeuten, dass ihre Ahnung wohl doch nicht von der Hand zu weisen war. Aber was würde ER von ihr schon wollen?
Tapfer folgte Trinity der älteren Dame, die sie noch ein Stockwerk weiter hinunter führte. Nachdem sie durch eine große Halle gegangen waren, kamen sie vor einem Fahrstuhl an und ihre Begleiterin wandte sich nun Trinity zu: "Fahren Sie in den 8. Stock, der Herr erwartet Sie bereits."
"Wie kann das sein? Er wusste doch gar nicht, dass ich komme!"
Die Alte lächelte maliziös, während sie antwortete: "Oh, ich habe ihn informiert, während ich auf Sie wartete. Das ist überhaupt kein Problem, Mademoiselle."
Trinity schaute ihr Gegenüber erstaunt an. Sie erinnerte sich, dass ihre Begleiterin einmal auf ihre Uhr gesehen und dabei kurz etwas eingestellt zu haben schien. Jetzt verstand sie erst, dass es ein Nachrichtensignal für den besagten Herrn gewesen war.
Die Tür des Liftes öffnete sich vor Trinity und sie schluckte erneut. Gleich würde sie wissen, ob ihre Ahnung bezüglich der Person, zu der sie fahren sollte, richtig war oder nicht. Wenn ER es war, dann hatte sie es allerdings keineswegs mit einem Menschen zu tun, sondern mit einem sehr alten, gefährlichen Programm, das bestimmt ziemlich sauer auf sie war und auf Rache sann. Nun, sie würde sich dem stellen. War ja nicht das erste Mal, dass sie sich gegen Künstliche Intelligenzen zur Wehr setzte.
Mit einem mulmigen Gefühl betrat sie das Innere des Liftes, nahm einen tiefen Atemzug und drückte dann auf den Knopf, auf dem ACHT stand. Die Türen des Fahrstuhles schlossen sich vor ihr und der Lift setzte sich in Bewegung. Rasch beförderte er sie an den gewünschten Zielort, die Türen öffneten sich erneut und sie erblickte direkt vor sich ein elegantes Wohnzimmer. Zaghaft betrat sie den Raum und schaute sich um, doch niemand schien hier zu sein. Dann schlossen sich hinter ihr plötzlich unvermutet die Lifttüren, was sie erschrocken herumfahren ließ. Gitter glitten vor den Eingang des Fahrstuhles hinunter und versperrten ihr den Weg zurück. Kein gutes Omen!
"Bonsoir, Mademoiselle Trinity", hörte sie dann hinter sich eine ihr bekannte, ölig klingende Stimme. Sie schloss die Augen. Ihre schlimmste Befürchtung war Wirklichkeit geworden. "Eigentlich hätte ich angenommen, dass Sie noch der Ruhe bedürfen, aber Madame Kate informierte mich darüber, dass Sie darauf bestehen, mich zu sprechen. Also, hier bin ich. Was kann ich für Sie tun?"
Erneut atmete die junge Frau tief ein, dann schlug sie die Augen auf und drehte sich zu ihm um.
"Was soll das? Warum bin ich in Ihrem Haus? Denn das Gebäude gehört doch sicher Ihnen, nicht wahr?"
"Ist das wichtig?", fragte der Merowinger, der ihr gegenüber stand und spöttisch lächelte. "Sie wissen genauso gut wie ich, dass in dieser Welt alles künstlich ist, nicht? Von Eigentum zu sprechen wäre also Unsinn."
Trinity verzog ärgerlich ihre Augenbrauen und gab bissig zurück: "Demnach ist es also auch eine Illusion, dass Sie eines der mächtigsten Programme in der Matrix sind, was?"
Der Merowinger verzog seinen Mund zu einem breiten Grinsen, dann schüttelte er den Kopf und erklärte in einem Ton, als ob er es mit einem kleinen Kind zu tun hätte: "Non, was hier künstlich ist, sind die äußeren Erscheinungen, nicht meine Person, ma Petite."
"Genug um den heißen Brei herumgeredet, Mero, wie komme ich an diesen Ort und was soll ich hier?!"
"Na, na, sprechen Sie nicht so respektlos mit mir, Trinity, sonst werde ich Sie dafür bestrafen!"
Und um seine Worte unter Beweis zu stellen, holte er eine Fernbedienung aus dem Inneren seines Seidenjacketts hervor, richtete sie auf die junge Frau vor ihm und drückte darauf. Ein heftiger Schmerz durchfuhr ihren Kopf, er war dermaßen stark, dass sie aufschrie und auf die Knie sank. Mit zufriedener Miene ließ der Merowinger seinen Finger von der Fernbedienung gleiten und steckte sie in sein Jackett zurück.
"Ich nehme an, dass diese kleine Kostprobe ausreicht, um Sie zu lehren, sich mir gegenüber in Zukunft respektvoll zu benehmen?", erkundigte er sich mit äußerster Höflichkeit. Trinity hätte ihm am liebsten eine geklebt, aber sie litt noch unter den Nachwirkungen seines merkwürdigen Angriffs, der sie erneut geschwächt hatte.
"Was war das?", stöhnte sie und blickte zu ihm auf. "Haben Sie eine spezielle Elektrode in meinen Kopf eingebaut, oder was?"
"Non, das war gar nicht nötig, ma chère."
Befremdet starrte die junge Frau ihn an.
"Nicht nötig? Aber wie ist es Ihnen dann möglich, mir mittels einer Fernbedienung Schmerz zuzufügen?"
Ein aalglattes Lächeln umspielte den Mund des Merowingers.
"Können Sie sich das wirklich nicht denken?", fragte er dann in liebenswürdigem Ton. Als sie den Kopf schüttelte, grinste er erneut. Dann ließ er sich auf das Sofa vor dem offenen Kamin gleiten und lud Trinity mit einer Geste ein, neben ihm Platz zu nehmen. Nur zögernd folgte sie dieser Aufforderung und setzte sich an den äußersten Rand der Couch, so weit von ihm entfernt, wie es möglich war.
"Was ist das Letzte, woran Sie sich erinnern können, Trinity?"
"Ich war mit Neo unterwegs in die Maschinenstadt. Wir wollten zur Quelle, um über den Frieden zu verhandeln."
"Oh ja, das entspricht völlig den Tatsachen. Aber Ihnen ist es nicht gelungen, zur Quelle vorzudringen, nicht wahr?"
"Das stimmt! Ich wurde innerhalb unseres Schiffes verletzt und habe das Bewusstsein verloren", gab sie zu.
"Non, meine Liebe, das ist ein Irrtum. Sie haben nicht das Bewusstsein verloren, sondern sind gestorben", berichtigte der Merowinger sie.
Trinity starrte ihn fassungslos an. Was redete der Typ da eigentlich?
"Wie kann ich denn gestorben sein, wenn ich hier sitze und mit Ihnen spreche?"
"Ja, das ist die Frage, nicht wahr? Wie kann das möglich sein?"
"Offensichtlich bin ich noch am Leben."
Der Merowinger lächelte süffisant und meinte: "Tja, was man so Leben nennen könnte..."
Irritiert sah Trinity ihn an.
"Ich verstehe Ihre Bemerkung nicht und, ehrlich gesagt, weiß ich nicht, was es da zu belächeln gibt."
"Wie definieren Sie Leben?", erkundigte sich ihr Gesprächspartner mit süßlicher Stimme.
Die junge Frau schnaubte verärgert, dann erklärte sie ungeduldig: "Ein biologisches Lebewesen wird geboren, wächst auf, muss viel lernen und die Körperfunktionen entwickeln sich. Die Humanoiden bekommen mit den Jahren ein Bewusstsein darüber, wer sie sind, und beginnen, Dinge zu hinterfragen..."
"Ihre letzte Behauptung ist falsch", unterbrach sie der Merowinger. "Nur die wenigstens Menschen hinterfragen ihre Existenz. Sie sind mit ihrem Leben völlig zufrieden, wollen ihre Ruhe haben und ein angenehmes Dasein führen."
"Das ist nur so, weil man sie daran hindert, nachzudenken!"
"Oh nein, keineswegs! Sie können nachdenken, niemand hindert sie daran. So lange sie sich angepasst verhalten und keine Schwierigkeiten machen, dürfen sie nachdenken, diskutieren und wissenschaftliche Abhandlungen über jedes Thema schreiben, das sie interessiert."
"Das ist eine Lüge. Sobald jemand sich ernsthaft mit der Existenz der Matrix auseinandersetzt, wird er von Agenten eingeschüchtert. Dieses Thema ist dermaßen tabuisiert, dass man nicht einmal ein Wort darüber verlieren darf."
"Wer, außer euch Utopisten, spricht denn auch darüber?", meinte der Merowinger amüsiert. "Ihr verunsichert eure Artgenossen, macht manchen von ihnen sogar Angst und verursacht Störungen im routinierten Ablauf des Alltags in der Matrix. Selbstverständlich hat das System kein Interesse daran und tut alles, um so etwas im Keim zu ersticken."
"Ach ja?", gab Trinity streitlustig zurück und warf ihrem Gegenüber einen herausfordernden Blick zu. "Wenn das tatsächlich der Wahrheit entsprechen würde, dann dürfte es Sie und Ihren Anhang von geflüchteten Programmen, denen die Löschung durch das System droht, überhaupt nicht geben."
"Nun...", begann der elegant gekleidete Mann, wobei sich diesmal ein äußerst selbstzufriedenes Lächeln über sein Gesicht verbreitete. "... ich bin sehr effizient darin, in der Matrix zu überleben, und dabei nehme ich so viel meiner Leute mit, wie ich kann - vor allem meine bessere Hälfte."
"Freut mich für Sie", erwiderte sie grantig. "Und was wollen Sie mit mir?"
Der Merowinger maß sie mit einem taxierenden Blick, dann fragte er mit dieser zuckersüßen Stimme, die Trinity äußerst zuwider war: "Erinnern Sie sich nicht mehr daran, dass wir einen Deal abgeschlossen haben, ma chère?"
"Wir haben einen Deal abgeschlossen?", fragte Trinity überrascht und runzelte verständnislos die Stirn. "Wann soll das gewesen sein?"
"Oh, Sie enttäuschen mich, ma Petite! Hat unsere letzte Begegnung, so unangenehm sie auch war, Sie so wenig beeindruckt, dass Sie es tatsächlisch vergessen haben?"
Die junge Frau starrte ihn an, die Erinnerung an das Ereignis, von dem er sprach, stand ihr klar vor Augen: Der Merowinger hatte von ihnen für die Freilassung von Neo verlangt, dass sie ihm die Augen des Orakels bringen sollten. Es war einfach nur widerlich gewesen und sie fand den Typ, der gerade vor ihr saß, genau so abstoßend wie seine Forderung. Natürlich hatten sie abgelehnt, da das Orakel ihre Verbündete war und sie ihr niemals etwas zuleide tun würden, worauf es zu einer heftigen Schlägerei mit den Leuten des Merowingers gekommen war. Ein glücklicher Zufall spielte ihr damals einen Revolver in die Hände und es gelang ihr, diese Waffe auf den Kopf ihres Widersachers zu richten. Sie konnte sich auch noch deutlich daran erinnern, wie sie ihn zur Herausgabe ihres Liebsten erpresst hatte:
"Sie wollen eine Deal machen? Wie wärs damit? Sie geben mir Neo oder wir sterben alle, hier und jetzt!"
"Interessanter Deal...", murmelte der Merowinger und ein kleines Lächeln umspielte seine Züge. "Sind Sie wirklich bereit, für diesen Mann zu sterben?"
"Darauf können Sie Gift nehmen!" [1]
"Sie wird es tun", mischte sich da die Frau ihres Widersachers ein. "Wenn sie es muss, wird sie uns alle umbringen. Sie ist verliebt."
"Es ist bemerkenswert, wie sehr das Muster der Liebe dem Muster des Wahnsinns gleicht", antwortete er seiner Gattin, wobei seine Züge wieder ernst wurden.
"Die Zeit ist abgelaufen", mischte sich Trinity ungeduldig ein. "Also, Mero, was darfs sein?"
Der Merowinger hatte nachgegeben und Neo wieder freigelassen. So weit, so gut. Aber was hatte all das damit zu tun, dass sie sich nun in einem Gebäude befand, das dem Franzosen gehörte? Und wieso sprach der Typ von einem Deal?
"Nun, erinnern Sie sich wieder an unsere letzte Begegnung?", erkundigte sich ihr Gesprächspartner.
Trinity nickte.
"Bon! Dann können Sie sich ja denken, warum Sie hier sind - bei mir!"
"Ganz und gar nicht!", widersprach die junge Frau heftig und blitzte ihn mit ihren Augen wütend an.
Er lächelte nur und fuhr mit geschmeidiger Stimme fort: "Sie sind aufgrund unseres damaligen Deals hier, ma chère, das ist doch nicht so schwer zu begreifen."
"Wir haben keinen Deal miteinander!", entgegnete Trinity.
"Oh doch, haben wir", antwortete der Franzose. "Sie forderten Neo von mir zurück und Sie haben ihn bekommen."
"Na und?! Ihnen blieb gar nichts anderes übrig, als ihn herauszugeben, wenn Sie weiterleben wollten."
"Schon wieder ein Irrtum, ma chère Trinity! Glauben Sie wirklich, dass ich mich vor Ihnen gefürchtet habe?"
Erneut glitt ein hämisches Lächeln über die Züge des Merowingers.
"Natürlich hatten Sie Angst", gab die junge Frau zurück. "Anderenfalls hätten Sie meiner Forderung doch niemals nachgegeben."
"Nun, ich kann wohl wirklich nicht erwarten, dass Sie zum damaligen Zeitpunkt in der Lage gewesen sind zu erkennen, warum ich Ihrer Forderung tatsächlich nachgab", bemerkte ihr Gegenüber herablassend. "Die meisten Menschen haben eine sehr eingeschränkte Wahrnehmung. Aber da Sie nun hier sind, werde ich Ihnen erklären, warum ich mich auf den Deal mit Ihnen einließ."
"Es gibt zwischen uns keinen Deal, verdammt noch mal!", schrie Tinity wütend.
"Ach nein?", meinte der Franzose spöttisch. "Aber Sie versicherten doch, dass Sie dazu bereit seien, für Neo zu sterben. Daran müssen Sie sich doch erinnern!"
"Ich wäre auch für Neo gestorben!", bekräftigte Trinity.
"Genau das haben Sie getan", sagte der Merowinger.
"Was...?"
Die junge Frau starrte den nach wie vor spöttisch grinsenden Mann an, der unweit von ihr auf dem Sofa saß. Eine Weile herrschte Stille im Zimmer, dann ergriff der Franzose erneut das Wort.
"Sie sind hier, um Ihren Teil unseres Deals einzulösen", erklärte er.
"Wie bitte?", fragte sie, immer noch irritiert. "Das verstehe ich nicht!"
"Es ist doch ganz einfach, ma chère: Ich gab Ihnen Neo und als Sie starben, wurden Sie zu mir gebracht. So lautete unsere Abmachung. Was ist daran so schwer zu verstehen?"
"Sie wollen... wollen also allen Ernstes behaupten, dass ich... gestorben sei?"
"So ist es!", der Merowinger nickte.
"Das ist unmöglich!", rief sie laut aus und sprang vom Sofa auf. "Wenn ein Mensch einmal tot ist, kann er nicht wiederauferstehen!"
Ihr Gastgeber schenkte ihr jetzt ein Grinsen, das vor Selbstgefälligkeit triefte.
"Nun, es kommt ganz darauf an, was man darunter versteht", gab er zurück.
"Wollen Sie mir jetzt mit Ihren Wortklaubereien kommen?", giftete sie ihn an. "Auf diese Art von Unterhaltung habe ich keine Lust, genauso wenig wie auf Ihre anderen Spielchen!"
Das Grinsen des Merowingers verschwand und machte einer strengen Miene Platz. Dann griff er zum zweiten Mal an diesem Abend in sein Jackett, holte die Fernbedienung heraus und richtete sie auf Trinity. Sie schrie auf und krümmte sich vor Schmerzen, doch er nahm den Finger erst wieder von der Taste, als sie auf die Knie gegangen war.
"Ich hatte Sie ja davor gewarnt, mir gegenüber respektlos zu sein", sagte er in grimmigem Ton. "Sie tun das, was ich von Ihnen verlange, ob es Ihnen passt oder nicht! In Zukunft werden Sie mir gehorchen, und zwar ohne Widerworte oder jeglicher Art von Respektlosigkeit. Haben Sie das verstanden?!"
Mit Tränen in den Augen nickte sie.
"Schön, und nun hören Sie mir genau zu, denn ich erkläre es Ihnen nur ein einziges Mal", fuhr der Merowinger fort, dabei die Fernbedienung wieder an ihren alten Platz zurücksteckend. "Da Sie etwas schwer von Begriff zu sein scheinen, fasse ich für Sie noch einmal unseren Deal zusammen: Sie verlangten Neo von mir zurück und waren im Gegenzug bereit, Ihr Leben für seines zu opfern. Da mir Ihr Angebot gefiel, ließ ich mich darauf ein. Und nun, da Sie gestorben sind, gehören Sie mir!"
"Das... das ist doch unmöglich! Wie kann ich tot sein, wenn ich mich gerade mit Ihnen unterhalte? Sie versuchen doch nur, mich hinters Licht zu führen!"
Der Merowinger bedachte Trinity mit einem drohenden Blick, unter dem sie zu zittern begann. Eine Reaktion, die vollkommen untypisch für sie war. Normalerweise wäre sie aufgestanden und hätte versucht, dieses Ekelpaket vor ihr zu verprügeln. Aber dazu war sie seltsamerweise nicht in der Lage, obwohl dieser Wunsch in ihr tobte. Der verdammte Franzose musste ihr etwas eingeflößt haben, um ihre körperlichen Funktionen stark einzuschränken.
"Eigentlich bin ich dafür bekannt, die Wahrheit zu sagen", fuhr der Franzose in strengem Ton fort, ohne seinen jetzt finsteren Blick von der jungen Frau zu nehmen, die auf dem Boden kniete, unfähig, sich gegen ihn zu wehren. "Mein richtiger Name lautet HADES, haben Sie ihn schon mal gehört?"
"Nein."
"Hm... das wundert mich nicht wirklich. Menschen, wie Sie einer gewesen sind, können vielerlei Dinge: Verschiedene Kampfsporttechniken, Computerprogramme hacken, Geräte bedienen und etlichen anderen Kram, aber von Kultur habt ihr keine Ahnung."
Trinity fand, dass der Merowinger wieder einmal viel zu viel redete, doch wagte sie es nicht, etwas zu sagen. Sie fühlte sich viel zu schwach und wollte nicht noch einmal die starken Schmerzen ertragen, die dieser Sadist ihr per Fernbedienung zugefügt hatte.
"Im antiken Griechenland war HADES der Gott der Unterwelt, das sogenannte Reich der Schatten, wie man damals sagte", fuhr der Merowinger in seiner Belehrung fort. "Es bezeichnete den Ort, in dem die Seelen der Toten lebten. Eine gute Analogie zu meiner Aufgabe hier. Auch zu mir kommen diejenigen, die aus ihrer Welt in die Matrix fliehen müssen, weil man sie auslöschen will. Im übertragenen Sinne handelt es sich dabei um Programme, die man als 'lebende Tote' oder metaphorisch als 'Schatten' bezeichnen könnte. Und ich helfe ihnen gern. Welches Programm hat es schon verdient, einfach gelöscht zu werden, nur weil man einem anderen, weiter entwickelteren Programm seine Aufgabe überträgt? Das ist einfach nicht fair."
"Ist es Ihnen und Ihrer Frau auch so ergangen?", wagte Trinity zu fragen.
"Persephone und ich haben schon bessere Zeiten gesehen", gab der Merowinger zu. "Aber wir sind nicht hier im Exil, weil wir ausgelöscht werden sollten. Man hat uns die Fürsorge für die Veteranen anvertraut, um sie unter Kontrolle zu halten. Deshalb werden sie auch selten verfolgt, wenn sie sich im Exil befinden. So lange sie nämlich das Leben in der Matrix nicht auffällig stören, werden sie geduldet."
"Dann ist der Schmugglerring, den Sie betreiben, nichts weiter als eine Farce?"
Der Merowinger lächelte jetzt wieder und murmelte: "Ein Spiel, um die Macht des Systems zu wahren. So tut es niemandem weh; und die Veteranen, die ich unter meine Fittiche nehme, sind überaus loyal. Ich bin sehr zufrieden mit diesem Arrangement."
Er bedachte die immer noch auf dem Boden kniende, junge Frau erneut mit einem taxierenden Blick, ehe er weitersprach: "Ich hoffe, dass Sie sich mit der Zeit ebenfalls zu einer loyalen Dienerin entwickeln werden."
"Eine Dienerin?", fragte Trinity ungläubig.
"Ja, es werden immer Dienerinnen in meinen Etablissements gebraucht", antwortete er. "Und ich denke, Sie gäben eine recht passable 'Serveuse' im Club Hel ab, angetan in schwarzem Lack und möglicherweise eine dazu passende Maske tragend."
"Heißt das etwa, ich soll als Kellnerin in diesem Club arbeiten?"
Er nickte stumm und formte seine Lippen, als ob er gerade einen besonders vortrefflichen Wein gekostet hätte.
"Aber ich habe noch nie als Bedienung gearbeitet!", protestierte sie und allein der Gedanke, dies in der düsteren Diskothek tun zu müssen, wo all die abnormen Typen mit den ungewöhnlichen Vorlieben sich trafen, jagte ihr Angst ein.
"Das ist das geringste Problem, ma Petite. Natürlich werden Sie vorher gut eingearbeitet. Ich wünsche den besten Service für meine Gäste."
"Ich... ich... will das... nicht tun...", stieß Trinity hervor, den Merowinger dabei voller Furcht musternd. Dieser grinste abfällig und fragte: "Angst, ma chère?"
Sie nickte.
"Es ist doch höchst bemerkenswert, wozu Künstliche Intelligenz inzwischen imstande ist, n'est-ce pas? Manche Programme sind genauso emotional und unvernünftig wie Menschen."
"Aber Sie gehören nicht dazu, oder?"
"Wer weiß?", meinte der Franzose grinsend. "Doch ich bin vollkommen überzeugt, dass Sie dazu gehören, Trinity. Schließlich zählen Sie zu den Neukonstruktionen."
"Ich bin ein Mensch, kein Programm", erwiderte Trinity.
"Irrtum, ma Petite, Sie w a r e n ein Mensch", klärte der Merowinger sie auf und genoss den ungläubigen, starren Blick der jungen Frau, die ihn zweifellos für übergeschnappt hielt. Vergnügt fuhr er fort: "Sie sind bei der Mission, Neo in die Maschinenstadt zu begleiten, schwer verletzt worden und lagen im Sterben, als die Wächter Sie aus dem verunglückten Schiff bargen. Sofort begann man, Ihr Bewusstsein in ein künstliches Gehirn zu übertragen, um ihm zunächst eine neue, materielle Hülle zu geben, und informierte dann mich über Ihr leibliches Ableben. Sofort übermittelte ich meinen Geschwistern die Daten, um den Bewusstseinstransfer für das von mir selbst erstellte Dienstprogramm TRINITY durchführen zu können. Und nun sind Sie hier bei mir, als meine neue Sklavin. Aber ich versichere Ihnen, dass ich meine Bediensteten gut behandele, wenn Sie mich zufrieden stellen. Anderenfalls erwartet Sie die wohlverdiente Strafe, von der Sie bereits heute Abend zweimal eine Kostprobe erfahren durften."
"Nein...", hauchte die junge Frau. "Nein, das kann nicht wahr sein. Sie lügen!"
Der Merowinger schüttelte den Kopf.
"Finden Sie sich mit den Tatsachen ab, Trinity!", ermahnte er sie dann sanft. "Schon bald werden Sie feststellen, dass ein Programm um ein Mehrfaches besser ist als ein Mensch. Und nun gehen Sie zurück in Ihr Zimmer. Sie müssen sich noch etwas ausruhen, bevor die Schulung beginnt."
"Es ist also wirklich Ihr Ernst? Sie wollen mich dazu zwingen, für Sie als Kellnerin zu arbeiten?"
"Ich bin Ihr neuer Herr und kann Sie zwingen, wozu ich will!", bekräftigte er in hartem Ton, während sein Mund sich zu einem grausamen Lächeln verzog. "Glauben Sie mir, ich könnte noch ganz andere Dinge mit Ihnen anstellen, wenn ich es wollte."
Sie schluckte und senkte ihren Blick. Egal, ob das, was er ihr soeben gesagt hatte, der Wahrheit entsprach oder nicht - mit seiner Fernbedienung war er imstande, ihr dermaßen starke Qualen zu bereiten, dass sie alles tun würde, damit er damit aufhörte.
Resigniert erhob sich Trinity langsam auf die Beine und taumelte zum Lift zurück. Die Gitterstäbe fuhren nach oben und sie stieg in die Kabine ein, atmete erleichtert auf, als sich die Türen hinter ihr schlossen und der Lift sich ohne ihr Zutun Richtung Erdgeschoss bewegte. Unten erwartete sie die alte Frau, die sie schweigend zu ihrer Kammer zurückbrachte. Sobald Trinity allein in dem Raum war, sah sie sich nach einem spitzen Gegenstand um, aber sie fand keinen. Immer noch schockiert von den Behauptungen des Merowingers begann sie sich heftig am Unterarm zu kratzen. Wenn sie dies lange genug tat, würde es zu bluten beginnen... doch nichts passierte. Selbst nach einer halben Stunde intensiven, starken Kratzens mit ihren Fingernägeln zeigte ihre Haut nicht den Hauch einer Rötung.
"Nein", dachte Trinity verzweifelt und schüttelte den Kopf. "Nein, das kann nicht sein! Ich bin doch kein Programm! Das ist unmöglich! Der Typ muss mir irgendeine Droge eingeflößt haben, als ich bewusstlos war, und nun erzählt er mir irgendwelche Stories, um mich einzuschüchtern."
Allerdings blieb da das Phänomen, dass sie tatsächlich mit Neo in die Maschinenstadt gefahren und er bei ihr gewesen war, als sie allmählich das Bewusstsein verlor und zu sterben begann. Wie sollten der Merowinger oder seine Handlanger es bewerkstelligt haben, an diesen Ort zu kommen, sie von den Eisenstäben aus ihrem Körper zu befreien und sie ins Leben zurückzuholen? Außerdem nahm sie diesem französischen Gangsterboss-Programm nicht ab, dass er als ein Kontrollorgan des Matrix-Systems fungierte. Denn sie konnte sich nicht vorstellen, dass das System einen Schmugglerring tolerierte, der alten oder fehlerhaft arbeitenden Programmen gestattete, problemlos ins Exil zu fliehen.
Und der Merowinger hielt sie nur hier gefangen, weil er sich an ihr rächen wollte. Dazu gehörte wohl insbesondere, ihr Bewusstsein zu manipulieren und es dazu zu bringen, ihm das Märchen abzukaufen, sie sei gestorben und würde nun als Programm weiterleben... als Dienstprogramm unter Merowingers Gnaden. Er selbst hatte sie als 'Sklavin' bezeichnet. Das verhieß nichts Gutes. Doch da sie nicht einmal wusste, wo genau sie sich befand und wie sie aus diesem düsteren Gebäude herauskam, konnte sie keinen Fluchtplan entwickeln. Ihr blieb erstmal nichts anderes übrig, als sich mit der gegebenen Situation abzufinden, und zu hoffen, dass ihre Freunde - falls sie überhaupt noch lebten und Zion nicht längst zerstört war - sie fanden und befreiten.
Trinity ließ sich auf ihr Bett gleiten und weinte leise. Sie war immer eine stolze Frau gewesen, die sich stets sehr gut zu verteidigen gewusst hatte. Aber nun schien ihr ganzes Wissen über die verschiedenen Kampftechniken, die sie zuvor doch im Schlaf beherrschte, mit einem Mal wie weggeblasen zu sein. Der elende Franzose hatte sie gequält und gedemütigt, ohne dass sie sich dagegen wehren konnte. Dieser widerliche Typ musste Methoden kennen, mit denen man in das Bewusstsein eines Menschen eindringen und ihren Geist manipulieren oder gar brechen konnte. Womöglich hatte er genau das mit ihr gemacht, wobei immer noch die Frage im Raum schwebte, wie er sie schwerverletzt in eines seiner Häuser gebracht und ihr das Leben gerettet hatte. Es war ein merkwürdiges Rätsel, doch vielleicht klärte sich all das noch auf.
Sie dachte an Neo, sie sehnte sich nach ihm. Ob es ihrem Geliebten gelungen war, mit der Quelle aller Maschinen zu verhandeln und Zion vor dem Untergang zu retten?
Dem Merowinger schien es jedenfalls gut zu gehen, was dafür sprach, dass Neo Erfolg gehabt hatte. Sicherlich suchte er längst nach ihr und würde sie bald aus der Gefangenschaft des selbstgefälligen Franzosen befreien. Er brauchte ja nur das Orakel zu befragen...
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[1] Freie Übersetzung von mir. Im Original sagt Trinity: "Believe it!" - Die deutsche Übersetzung im Film lautete: "Mit Sicherheit." Diese Wortwahl erscheint mir persönlich zu schwach für die offensichtliche Entschlossenheit, mit der Trinity ihre Forderung unterstreicht, um das Leben ihres Geliebten zu retten.
Einige Tage nach ihrem Gespräch mit dem Merowinger wurde Trinity am Vormittag in den Club Hel gebracht und dort von einer Bardame empfangen.
"Du bist also die Neue", stellte diese sachlich fest und betrachtete die junge Frau mit abschätzigem Blick. "Der Boss könnte recht haben: In entsprechender Kleidung würdest du dich hier gut machen."
"Mit 'Boss' meinen Sie sicher den Merowinger, oder?", fragte Trinity.
"Natürlich, wen denn sonst?", gab die Bardame ein wenig schnippisch zurück. "Er hat mir übrigens erzählt, dass du noch nie als Kellnerin gearbeitet hast. Warum willst du diesen Job eigentlich machen?"
"Von 'wollen' kann keine Rede sein", erwiderte Trinity. "Ich muss es tun. Der Merowinger verlangt das von mir."
"Das klingt ja so, als ob du in seiner Schuld stehen würdest."
"Nein, er zwingt mich dazu, seine Sklavin zu sein."
"Oh, là, là! So ist das also. Aber lass das bloß nicht Madame hören. Sie ist eifersüchtig und kann ziemlich ungemütlich werden, wenn sie glaubt, dass ihr jemand ihren Mann ausspannen will."
Trinity schnaubte verächtlich, als ihr klar wurde, dass ihre Gesprächspartnerin ihre Antwort falsch interpretiert hatte, und entgegnete dann ärgerlich: "Nicht SO EINE ART von Sklavin, sondern mehr eine Dienerin, die tun muss, was immer er verlangt. Und er will, dass ich in diesem Club arbeite, obwohl ich mich hier alles andere als wohl fühle."
Die Bardame grinste nur süffisant, dann winkte sie sie zu sich hinter die Bar und begann damit, ihr das Sortiment an Alkoholika zu zeigen, übte mit ihr, wie man mehrere Gläser auf einem Tablett sicher trug und erklärte ihr ausführlich, was sie als 'Serveuse' sonst noch alles beachten musste.
"Ich denke, du kriegst das schon hin", meinte die Bardame abschließend und nickte zufrieden. "Und nun komm, ich will sehen, ob du gut in die Uniform reinpasst, die der Boss für dich herstellen ließ, und wie du darin ausschaust."
Mit ungutem Gefühl folgte Trinity ihrer Kollegin in einen Raum, der sich hinter der Bar befand. Hier hingen an mehreren fahrbaren Kleiderständern bunte Kostüme, einige davon hübsch, fantasievoll und schillernd, andere eher abschreckend und abartig. Darüber befanden sich Regale mit allerhand merkwürdigen Utensilien, die Trinity sich nicht näher betrachten wollte. Sie fand es ohnehin schlimm genug, hier arbeiten zu müssen, und hoffte nur, dass der Merowinger ihr keine allzu scheußliche Bekleidung hatte anfertigen lassen.
Ihre Kollegin zog zielsicher eine schwarze Lackhose heraus und reichte sie ihr.
"Zieh deine Klamotten aus und das hier an!", befahl sie.
Die junge Frau gehorchte ihr, fühlte sich jedoch in der Uniformhose nicht sehr wohl, da sie förmlich an ihrem Körper zu kleben schien. Aber sie wusste, dass sie keine Wahl hatte, als das zu tun, was der Merowinger verlangte.
Als nächstes erhielt Trinity ihr Oberteil, bei dem es sich um ein eng sitzendes Top handelte, das sich passgenau an ihren Leib schmiegte und dessen tiefer Ausschnitt ihre Brüste gut zur Geltung brachte, obwohl seine Trägerin das Gefühl hatte, sie könnten jeden Moment unkontrolliert herausgleiten.
"Oh ja, das wird dem Boss gefallen", meinte die Bardame. "Und so, wie ich unsere Gäste kenne, werden sie von dir begeistert sein. Vor allem, wenn du zu deiner Uniform noch das hier trägst."
Sie reichte Trinity eine schwarze Maske, die an beiden Seiten spitz nach oben verlief. Die junge Frau schluckte, schwieg jedoch und legte das Gesichtsutensil an. Dann folgten noch schwarzglänzende Lackstiefel, die so hoch waren, dass sie ihre Knie bedeckten.
Mit zufriedenem Lächeln betrachtete die Bardame die einstige Rebellin und nickte.
"Ausgezeichnet! Die Gäste werden kaum die Finger von dir lassen können!"
"Wie bitte?!", entfuhr es Trinity. "Dürfen sie mich etwa einfach anfassen, wie und wann es ihnen gefällt?"
"Was denn?", fragte ihre Kollegin erstaunt. "Da ist doch nichts dabei, es gehört zu unserem Job. Dies hier ist schließlich ein exklusiver Club und unsere Gäste bezahlen für derlei Kleinigkeiten."
"Du redest darüber, als ob es nichts wäre", empörte sich Trinity.
"Es ist auch nichts, alles sehr harmlos", gab die Bardame in heiterem Ton zurück. "Außerdem bringt es jede Menge Trinkgeld ein, wenn du dich nur von jemandem ein bisschen streicheln und küssen lässt. Keine besonders schwere Arbeit."
"Das ist widerlich", entgegnete die junge Frau. "Ich will das nicht machen."
"Du musst, dir bleibt gar nichts anderes übrig! Der Boss wünscht es so!"
"Er hat mir nur etwas davon erzählt, dass ich Gäste bedienen müsse - mehr nicht!"
"Oh, unser Boss versteht unter Gäste bedienen auch, dass du ihnen sehr entgegenkommen solltest."
"Ich will das nicht!"
"Klär das später mit unserem Boss, nicht mit mir. Ich habe hier nichts zu sagen. Aber es ist gar nicht so schlimm, wie du anscheinend glaubst", versuchte die Bardame sie zu beruhigen. "Sei doch froh, dass du nicht im 'Escort Service' des Merowingers arbeiten musst. Hier brauchst du dich nur ein bisschen befummeln lassen, mehr nicht, wenn du nicht willst. Doch der Boss hat nichts dagegen, wenn du aus freien Stücken manchen Gästen auf deren Wunsch 'besondere Gefälligkeiten' erweist. Du darfst sogar das Geld, das du dafür erhältst, behalten."
"Nein! Das werde ich niemals über mich bringen!"
"Nun ja, dann musst du nur NEIN sagen und niemand wird dich dazu zwingen, auch der Boss nicht!"
"Er sagte, ich bin seine Sklavin!"
"Wenn schon! Ich kann mir nicht vorstellen, dass der Boss dich dazu zwingt, er ist ein recht umgänglicher Chef, glaub mir!", versicherte die Bardame. "Und jetzt komm wieder nach draußen! Du musst noch üben, wie du dich in der neuen Uniform und mit den neuen Stiefeln durch den Club bewegst und dabei die Gäste bedienst, ohne etwas zu verschütten."
Trinity gehorchte, was blieb ihr auch anderes übrig. Dann war sie mehrere Stunden damit beschäftigt, verschiedene mit Wasser gefüllte Gläser auf dem Tablett durch den Club zu den entlegensten Tischen zu transportieren, was sich als nicht einfach erwies. Da sie weder daran gewöhnt war, auf einem glatten Boden mit hohen Absätzen zu laufen noch in einer eng sitzenden, ihre Atmung erschwerenden Bekleidung, verschüttete sie anfangs oftmals etwas, rutschte aus oder stolperte und das Tablett fiel ihr ein paarmal aus der Hand. Die Maske schränkte zudem ihre Sicht sehr ein, was ihre neuen Aufgaben zusätzlich komplizierte. Doch die Bardame trieb sie immer wieder an, das Bedienen an den Tischen zu üben. Selbst als sie einmal hinfiel, scheuchte ihre Lehrmeisterin sie auf.
Auf diese Weise verflog die Zeit sehr schnell, was Trinity jedoch nicht bemerkte. Sie erschrak richtig, als einige andere Mädchen, ein paar Männer und ein DJ eintrafen, weil der Club in etwa einer Dreiviertelstunde geöffnet wurde und sie sich umziehen bzw. die Musikautomatik noch richtig programmieren mussten. Die professionelle Schnelligkeit, die diese Kolleginnen und Kollegen dabei an den Tag legten, verstärkte die Unsicherheit Trinitys zusätzlich.
"Ich weiß nicht, ob ich alles so hinkriege, wie Sie es mir beigebracht haben", meinte sie kleinlaut zu der Bardame, die sie angeleitet hatte.
"Das wird schon", meinte diese aufmunternd. "Hauptsache ist, dass du den Gästen gefällst. Am ersten Abend verschüttet jede neue Serveuse ein paar Gläser, halb so wild."
Aus dem Hinterzimmer trat jetzt eine jugendlich aussehende, stark geschminkte Frau heraus, die offensichtlich eine buschige, grüne Perücke trug, die ihr ganzes Gesicht umrahmte. Sie musterte Trinity und fragte gelangweilt: "Die Neue?"
"Ja, aber sie braucht noch den letzten Schliff, bevor wir sie dem Chef vorführen können", antwortete die Bardame.
"Okay", erwiderte die Grünhaarige und wies Trinity mit einer knappen Bewegung ihres Kopfes, ihr zu folgen. Die ehemalige Rebellin fand sich erneut in dem Raum mit den fahrbaren Kleiderständern wieder, die jetzt jedoch fast leer waren, da viele der Bediensteten in ihre Uniformen geschlüpft waren.
"Setz dich da hin!", befahl die Grünhaarige und wies gebieterisch mit dem Zeigefinger auf einen runden Hocker, der an der Wand stand. Trinity gehorchte und die jugendlich aussehende Frau legte ihr sofort ein rotglitzerndes Halsband an, an dem vorne eine silberne Kette herunterbaumelte, deren Ende direkt in Trinitys Ausschnitt fiel und sie dort unangenehm kitzelte.
"Was soll das?", protestierte die einstige Rebellin. "Ich bin doch kein Tier!"
"Halt die Schnauze!", fuhr die Grünhaarige sie grob an. "Dies ist nicht der richtige Ort, um die Mimose zu spielen! Du wirst hier als Serveuse arbeiten, so wie der Chef es verlangt, sonst kannst du was erleben! Verstanden?!"
"Ja", gab Trinity kleinlaut zurück, da sie an die Fernbedienung ihres neuen Herrn dachte. Offenbar war die unfreundliche Frau, die ihr die Kette angelegt hatte, sein verlängertes Sprachrohr, welches sie daran erinnern sollte, dass sie nichts weiter als eine Sklavin des Merowingers war.
Zu allem Überfluss beugte sich die Grünhaarige jetzt auch noch über sie und begann damit, Trinitys Augen, ihre Wangen und ihre Lippen mit den entsprechenden Utensilien zu bearbeiten, die man zum Schminken benutzte. Mehr brauchte es nicht, um der jungen Rebellin klar zu machen, dass sie als Serveuse im Club Hel eine Art leichtes Mädchen war, das sich einzig und allein durch den Umstand, nicht mit den Gästen ins Bett steigen zu müssen, von einer Prostituierten unterschied. Oh ja, der Merowinger wusste genau, wie man sie demütigen konnte! Das war seine Rache! Und sie war ihm vollkommen gelungen! Wie sie diesen Kerl hasste!
"So wird es gehen!", stellte die Grünhaarige nach ausgiebiger Behandlung von Trinitys Antlitz trocken fest. "Nun steh auf und folge mir! Der Chef will dich begutachten."
Gehorsam folgte die einstige Widerstandskämpferin dieser unfreundlichen Xanthippe über eine Hintertreppe nach oben, wobei die Letztere sie knapp darüber in Kenntnis setzte, dass dies der Zugang für die Dienstboten war, die üblicherweise direkt von der Bar die Getränke auf diesem Weg nach oben in die Ehrenlounge brachten.
Dort angekommen sah Trinity, dass ihr neuer Herr und seine Gemahlin auf ihrem gewohnten Platz saßen. Er trug diesmal ein schwarzes Seidenjackett mit hellgrauem Hemd und dunkelgrüner Krawatte, sie hingegen einen hinreißenden, violetten Traum aus Tüll und Seide, der nur einen kleinen Blick auf ihr wohlgeformtes Dekolleté gewährte. Ihrer Miene nach zu schließen schien Persephone jedoch schlechter Laune zu sein, denn sie zog ihre Brauen verärgert nach unten, als sie die beiden Bediensteten sah, die gerade in die Ehrenlounge eingetreten waren.
"Wer ist das?", fuhr sie die Grünhaarige an und Trinity beobachtete mit leichter Genugtuung, wie die eben noch so herrische Frau sich demütig vor der Gattin des Merowingers verneigte.
"Sei nicht so streng, ma Chérie", mischte sich ihr Mann nun ein. "Minthe sollte mir die neue Serveuse vorführen, nachdem man sie in ihre Uniform gekleidet und in ihre Aufgaben eingewiesen hat."
"Neue Serveuse?", fragte Persephone misstrauisch und ihre Augen verengten sich, als sie Trinity genauer betrachtete. Nach einer Weile glitt ein verächtliches Lächeln über ihre hübschen Züge und sie fuhr fort: "Sieh an, unsere verliebte, kleine Rebellin ist an den Ort zurückgekehrt, an dem sie es wagte, uns zu bedrohen und zu erpressen."
Die Frau des Merowingers erhob sich und trat nahe an Trinity heran.
"Nun, wie gefällt es Ihnen, zur Abwechslung mal die Ausgelieferte zu sein? Kein besonders angenehmes Gefühl, nicht wahr? Und wenn es mir beliebte, könnte ich Sie jetzt töten", erklärte Persephone mit ruhiger Stimme, aber ihr Blick verriet, wie wütend sie offensichtlich immer noch auf sie war.
"Ihr Mann ließ mir damals keine andere Wahl", wagte Trinity sich zu verteidigen. "Hätten Sie im umgekehrten Fall nicht auch alles getan, um denjenigen zu retten, den sie lieben?"
"Möglich!", gab die Frau des Merowingers zurück.
"Lass gut sein, ma Chérie", sagte ihr Mann in liebenswürdigem Ton, wobei er Trinity einen kurzen, leicht amüsierten Blick zuwarf. "Sie hält doch ihren Teil unseres Deals ein, was sie zuerst schockiert hat und was ihr sicherlich sehr schwer fällt."
Er wandte sich an die junge Frau und erkundigte sich: "Ist es nicht so?"
Trinity nickte und senkte ihre Lider. Sie konnte seinen Anblick einfach nicht ertragen.
"Nun, Persephone, was sagst du dazu, wie Dolores und Minthe unsere kleine Erpresserin hergerichtet haben? Findest du nicht auch, dass sie reizend aussieht?"
"Ach ja?", meinte die Angesprochene verächtlich, während sie ihren Blick erneut abschätzig auf Trinity richtete. "Meiner Meinung nach ist sie zu grell geschminkt und die Kluft, die sie trägt, viel zu auffällig. Warum lässt du sie überhaupt hier arbeiten, mein Liebster? Wolltest du sie ursprünglich nicht bestrafen?"
"Oh, das tue ich bereits, ma Chérie, das versichere ich dir", erwiderte der Merowinger. "Mademoiselle Trinity empfindet bereits ihr Dasein als meine neue Sklavin als Strafe, was mich persönlich ungemein erfreut; und wenn ich unsere junge Serveuse richtig einschätze, dürfte sie es als Demütigung empfinden, unter meinen Bedingungen für mich hier im Club arbeiten zu müssen. Sicherlich hat Dolores ihr ihre Aufgaben genauestens erklärt."
"Ist das so?", wandte sich Persephone an Trinity, worauf diese nickte.
"Dann tun Sie alles, um unsere Gäste bei bester Laune zu halten", ermahnte der Merowinger seine neue Sklavin in amüsiertem Ton. "Seien Sie nett und entgegenkommend zu ihnen, ich will keine Klagen hören."
Danach richtete er seinen Blick auf die Grünhaarige und winkte ihr mit einer Hand zu gehen. Als Minthe sich umdrehte, um zu verschwinden, befahl er in harschem Ton: "Nimm gefälligst deine neue Kollegin mit! Sie hat in der Lounge vorerst nichts zu suchen!"
"Jawohl, Herr!", sagte Minthe in demütigem Ton, ergriff dann die silberne Kette an Trinitys Halsband und zog sie daran hinter sich her. Der jungen Rebellin blieb nichts anderes übrig, als ihr zu folgen...
=101=
Die Zeit, die darauf folgte, empfand Trinity als die schlimmste ihres Lebens. An ihrem ersten Abend im Club Hel stolperte sie mehrere Male, während sie versuchte, sich mit einem vollen Tablett gefüllter Gläser ihren Weg durch die Menge zu bahnen. Natürlich verschüttete sie dann jedes Mal auch den Inhalt der bestellten Alkoholika und zerbrach einige der Gläser. Dabei erlebte sie, dass viele der Gäste über ihre Ungeschicklichkeit lachten, einige sie verspotteten und andere ihr wieder auf die Beine halfen. Mit schmerzenden Knien, Knöcheln und Handgelenken musste sie zurücklaufen, das Missgeschick melden und die Bestellungen neu aufgeben. Hinzu kam, dass die Gäste, die sie bedienen sollte, sich an der Bar bei Dolores über die neue Serveuse beschwerten, bevor sie den Club verließen. Daraufhin lud jene sie zu einem Abschiedsdrink "auf Kosten des Hauses" ein, was sich als gutes Mittel erwies, um die aufgebrachten Menschen zu beruhigen. Trinity wurde danach für den Rest des Abends hinter die Bar gestellt, während der Barkeeper die Bedienung an den Tischen des Clubs übernahm. Dolores brachte der jungen Frau bei, wie man am Tresen einschenkte und bediente, wobei sich Trinity äußerst geschickt anstellte, so dass ihre Lehrmeisterin sie nach einer Weile allein ließ, um hinauf in die Ehrenlounge zu gehen, da der Merowinger wünschte, dass sie dort für seine persönlichen Gäste und ihn Getränke mixte.
Auf diese Gelegenheit schien Minthe gewartet zu haben, denn kaum war Dolores verschwunden, erschien die Grünhaarige an der Bar, an der sich in diesem Moment gerade keine Kunden aufhielten, warf Trinity einen bösen Blick zu und zischte leise: "Du wirst hier nicht alt werden, das verspreche ich dir! Bilde dir ja nicht ein, dass du mir Konkurrenz machen könntest, nur weil der Boss momentan auf dich steht. Er ist nur deshalb an dir interessiert, weil du neu bist, sonst nichts! Wenn er bekommen hat, was er will, lässt er dich sowieso wieder fallen. Glaub mir, du stellst nichts Besonderes dar, nur weil dein Bewusstsein einmal einer menschlichen Frau gehört hat und nun in dich blödes Dienstprogramm eingespeist wurde. Aber das nützt dir nichts! Deine Zeit hier wird nur begrenzt sein, dafür werde ich schon sorgen!"
Danach verzog sich Minthe wieder in die Menge, während die einstige Rebellin ihr erschrocken nachsah. Die Grünhaarige hatte sie gerade eben eindeutig bedroht, aber Trinity konnte nicht nachvollziehen, aus welchem Grunde. Sie beide kannten sich nicht und sie hatte Minthe bisher nichts getan. Warum also bedrohte sie sie? Und wie kam die Grünhaarige nur darauf, sie könne eine Konkurrentin um die Gunst des Merowingers für sie sein? Glücklicherweise zeigte dieses Ekelpaket bislang nicht das geringste Interesse an ihr, sondern hatte sich damit vergnügt, sie zu quälen und zu demütigen. Genau deshalb verstand sie auch nicht Minthes Eifersucht auf sie. War die Grünhaarige am Ende in den Merowinger verliebt? Konnte das tatsächlich sein? War Persephone deshalb so wütend gewesen, als sie beide oben in der Lounge erschienen? Galt ihr Zorn womöglich ausschließlich der in den Merowinger vernarrten Minthe?
Trinity hielt nichts mehr für unmöglich. Offensichtlich waren Programme in der Lage, menschliche Empfindungen zu haben. Sie erinnerte sich daran, wie Persephone von Neo einst einen Kuss für die Befreiung des Schlüsselmachers verlangte und auf seine Frage nach dem Grund die Antwort erhielt, dass sie vor sehr langer Zeit mal wusste, was Liebe war und sich daran erinnern wollte. Trinity tat es immer noch weh, wenn sie daran zurückdachte, wie Neo sich für einen langen Augenblick in einem leidenschaftlichen Kuss mit Persephone verlor. Die Frau des Merowingers wirkte damals geradezu wie ein menschliches Wesen...
Der jungen Frau stockte bei dem letzten Gedanken für einen Augenblick der Atem. Persephone war ohne Zweifel ein Programm und kein Mensch, aber... aber vielleicht... oh shit, war es am Ende möglich, dass auch sie... dass Persephone... einst eine sterbliche Frau gewesen war?
Trinity dachte an ihr Gespräch mit dem Merowinger zurück und an seine Behauptung, dass sie selbst jetzt kein Mensch mehr war, sondern ein Programm, eine Künstliche Intelligenz... was, wenn er die Wahrheit sprach? Sie konnte es nicht von der Hand weisen, aber sie traute dem Alten nicht. Bestimmt war der Merowinger in der Lage, Menschen zu beeinflussen und ihnen Dinge vorzugaukeln, die es gar nicht gab. Schließlich war er ein sehr altes, listiges und darum auch so gefährliches Programm, vor dem das Orakel sie sicher nicht umsonst gewarnt hatte.
Aber wenn es stimmte, wenn der Merowinger in der Lage war, menschliches Bewusstsein in eine Künstliche Intelligenz einzusperren... verdammt, dann war sie bestimmt nicht der erste Mensch, mit dem er dies getan hatte! Und alles sprach dafür, dass ihm das auch bei Persephone gelungen war, die nun an seiner Seite als sein Ehefrau-Programm fungieren musste... kein Wunder, dass sie sich nach Zuwendung und menschlicher Wärme sehnte...
Erschüttert erkannte die frühere Rebellin, dass Persephone womöglich eine Leidensgenossin war, die das gleiche Schicksal mit ihr teilte. Ob das jedoch der Wahrheit entsprach, würde ihr nur das Orakel sagen können. Aber wie sollte sie als Gefangene des Merowingers zu der Wahrsagerin gelangen? Und wie konnte sie ihren Freunden mitteilen, dass sie als Sklavin im Club Hel diente? Die Rebellen von Zion verirrten sich nur sehr selten in derartigen Etablissements.
Trotz dieser fast aussichtslosen Lage klammerte sich Trinity an die vage Hoffnung, dass jemand, der sie kannte, doch einmal in den Club fand. Schließlich hielten sich dort nicht nur Menschen auf, die die Maskierung liebten, sondern auch ganz normale Personen, die ein bisschen Abwechslung vom Alltag suchten. Dies war ihre einzige Möglichkeit, um ihren Freunden oder dem Orakel eine Nachricht von ihr zukommen zu lassen. Doch bis dahin musste sie notgedrungen das miese Spiel ihres neuen Herrn mitspielen und es war besser, ihn nicht unnötig zu reizen. Außerdem musste sie sich vor der eifersüchtigen Minthe in acht nehmen, die sie misstrauisch jeden Abend im Club beobachtete, sobald sie nichts zu tun hatte.
Da Dolores täglich geduldig mit ihr trainierte, lernte Trinity mit der Zeit, sich besser in ihrer engsitzenden Uniform über das glatte Parkett des Club zu bewegen. Sie wurde immer sicherer darin, viele gefüllte Gläser auf dem Tablett zu transportieren, und konnte bald den Platz hinter dem Tresen verlassen, obwohl sie das nur ungern tat. Aber der Merowinger bestand vehement darauf, dass sie als Serveuse im Club arbeiten sollte. Wenigstens beherrschte sie jetzt ihre Aufgaben, bediente die Gäste tadellos und bekam hin und wieder Trinkgelder zugesteckt. Dafür musste sie es sich gefallen lassen, auf die Wange oder am Arm gestreichelt oder getätschelt zu werden, ihre Brüste begrapschen zu lassen und des Öfteren einen Klaps auf den Hintern zu erhalten. Einmal sogar hatte ein sehr dreister Gast die silberne Schnur ihres Halsbandes ergriffen, damit ihren Kopf zu sich heruntergezogen und ihr einen Zungenkuss aufgedrängt. Sie empfand immer noch einen starken Brechreiz, wenn sie daran zurückdachte.
Auf diese Weise verlief Trinitys neues Leben im Club Hel, das ihr jeden Abend immer wieder Herausforderungen abverlangte. Schon einige Male hatten ihr ein paar der männlichen Gäste zu verstehen gegeben, dass sie eine "besondere Dienstleistung" von ihr wünschten und sie gefragt, wann sie denn frei habe. Doch sie ging nicht auf diese Anspielungen ein, tat vielmehr so, als ob sie sie nicht gehört oder verstanden habe. Diese Strategie erwies sich als äußerst hilfreich und sie war jedes Mal froh, danach vor weiteren Forderungen oder aufdringlichen Bitten verschont zu werden.
Eines Abends jedoch beobachtete sie eine Gruppe junger Männer und Frauen, die gemeinsam den Club betraten. Sie sahen alle recht normal aus, trugen lediglich Sonnenbrillen und dunkle Kleidung, was sie an ihr altes Leben als Widerstandskämpferin erinnerte. Unwillkürlich fragte sie sich, ob diese Gruppe dazu gehörte und ob sie eine Aktion im Club Hel planten. Neugierig eilte sie zu ihnen hin, um die Bestellungen aufzunehmen, wobei sie auf die Worte der jungen Leute achteten. Aber sie sprachen anfangs nur belangloses Zeug miteinander, so dass sie enttäuscht an die Bar zurückging, um den Zettel mit den Bestellungen abzugeben. Während der Barmann die Getränke zubereitete, ließ Trinity ihren Blick dennoch wieder neugierig zu den jungen Leuten wandern, sich daran erinnernd, wie sie sich zum ersten Mal mit Neo in einer Diskothek getroffen hatte. Sie sehnte sich heftig nach ihrem Geliebten und fragte sich, was wohl aus ihm geworden sei. Darüber sprach hier nämlich niemand und sie wagte es auch nicht, jemanden danach zu fragen. War sie doch froh, dass sie den Merowinger schon lange nicht mehr zu Gesicht bekommen hatte.
"Hier, fertig!", teilte ihr der Barkeeper mit, worauf sich Trinitys Aufmerksamkeit wieder auf ihre Aufgabe richtete. Sie nahm das volle Tablett vom Tresen und trug es geschickt durch die volle Menge der Gäste bis zum Tisch der jungen Leute, denen sie es zu Servieren begann.
"Danke für die rasche Bedienung", bemerkte ein junger Mann zu ihr und legte ihr ein kleines Trinkgeld auf das Tablett, wobei er ihr ein Lächeln schenkte. Es glich so sehr dem Lächeln Neos, dass sie sich ein wenig zu ihm hinunter beugte, bis ihre Lippen nahe an seinem Ohr war, und flüsterte: "Schon mal was von Zion gehört?"
Der junge Mann starrte sie überrascht an, während sein Lächeln verschwand, dann wisperte er zurück: "Hier ist kein Ort zum Reden!", dann griff er nach ihrem Stift, den sie ihm bereitwillig gab, und kritzelte eilig etwas auf ihren Bestellblock. Es war eine Adresse.
"Wir können uns in zwei Stunden dort treffen!", sagte er leise, während er ihr den Kuli zurückgab und sich wieder den anderen zuwandte, die mit ihm gekommen und sein kurzes Gespräch mit Trinity nicht beachtet hatten. Sie jedoch spürte, wie ihr das Herz in der Brust schneller schlug. Solch eine Reaktion hatte sie überhaupt nicht erwartet, aber sie schien die richtige Person angesprochen zu haben. Ungläubig starrte sie einen Moment lang auf die Adresse, die auf ihrem Block stand, riss dieses Blatt dann ab und ließ es rasch in ihren Ausschnitt verschwinden. Dann drehte sie sich um und eilte zum Tresen zurück, wo sie sich sogleich an Dolores wandte: "In zwei Stunden habe ich eine Verabredung, darf ich dann kurz verschwinden?"
Die Bardame schaute erstaunt zu ihr auf, dann glitt ein wissendes Grinsen über ihre Züge, während sie leise fragte: "Auf Wunsch eines unserer Gäste?"
Trinity nickte, worauf Dolores mit noch breiterem Lächeln murmelte: "Wusste ich's doch, dass dir eines Tages ein Typ gefällt und du ihm gerne entgegenkommen wirst. - Na schön, du hattest bis jetzt noch nicht frei, deshalb drücke ich mal ein Auge zu."
"Danke", sagte Trinity und fühlte sich erleichtert. "Kann ich mich später umziehen?"
"Umziehen?"
"Na ja, ich treffe mich außerhalb des Clubs mit dem Gast."
"Das macht nichts. Es ist allgemein bekannt, dass unsere Mädchen immer in ihrer Uniform erscheinen, wenn sie sich mit Gästen treffen. Schließlich ist es Teil unserer Arbeit, sie in jeder Hinsicht zufriedenzustellen."
"Aber sagtest du nicht, dass du mir frei gibst?"
"Du bist von deinen Diensten als Serveuse im Club freigestellt, nicht von deinen Diensten als unsere Mitarbeiterin, vor allem nicht bei dem Exklusivvertrag, den du mit unserem Boss hast. Und bis zu deiner Verabredung wirst du noch weitere Gäste bedienen."
Resigniert nickte Trinity, da diese Antwort unmissverständlich war. Exklusivvertrag bedeutete in diesem Fall nichts anderes, als dass sie als Sklavin immer in den Diensten des Merowingers stehen würde... zumindest so lange, bis jemand sie befreite. Doch sie setzte all ihre Hoffnung auf das Treffen in zwei Stunden. Wenn der junge Mann zu der Widerstandsgruppe aus Zion gehörte - und seine Reaktion sprach sehr dafür - , dann könnte er ihren Freunden die Nachricht bringen, dass der Franzose sie als seine Sklavin im Club Hel gefangen hielt. Sie war sich sicher, dass Morpheus und die anderen dann einen Weg fanden, um sie hier herauszuholen...
Trinity hatte genügend Trinkgeld zusammen, um sich ein Taxi zu nehmen, welches sie zu der Adresse brachte, die ihr der junge Mann hingekritzelt hatte. Es wunderte die ehemalige Rebellin kaum, als der Taxifahrer sie in einer wenig vornehmen Gegend vor einem heruntergekommen aussehenden Hotel absetzte. Nachdem sie bezahlt hatte, betrachtete sie sich das schäbige Gebäude genauer. Ein großes Schild über dem Eingang verriet, dass dieses Hotel "Avec plaisir" hieß. Trinity schluckte, war ihr aufgrund dessen doch sofort klar, dass es sich hier um einen Ort handelte, an dem sich Leute zu einem Schäferstündchen trafen. Hatte der Typ sie hereingelegt? Irgendwie fiel es ihr schwer, dass zu glauben.
Die junge Frau nahm all ihren Mut zusammen und trat in das Hotel ein. Der Eingangsbereich desselben war nicht groß und der Boden war mit einem roten Teppichläufer ausgestattet, der direkt zum Empfang führte. Neben diesem stand ein schwarzes Ledersofa an der Wand, auf dem der junge Mann saß, der sich mit Trinity verabredet hatte. Als sie langsam näher kam, stand er auf und schaute sie erwartungsvoll an. Sie nickte ihm stumm zu, worauf er sich an den Mann am Empfang wandte und leise sagte: "Wir brauchen ein Zimmer."
"Für wie lange?", wollte der Portier in gleichgültigem Ton wissen.
Der junge Mann wandte sich an Trinity und fragte: "Eine Stunde?"
Sie nickte erneut und er buchte ein Doppelzimmer für eine Stunde, das er sofort in bar bezahlte. Dabei verhielt er sich ganz so, als ob er dies nicht zum ersten Mal tun würde. Sie schluckte und fragte sich mit zunehmender Nervosität, ob sie ihn falsch beurteilt hatte.
Der Portier jedenfalls stellte keine Fragen, reichte dem jungen Mann den Schlüssel und wünschte ihnen mit einem schmierigen Lächeln: "Viel Vergnügen."
"Komm!", sagte der junge Mann zu Trinity und ergriff ihre Hand, während er zielstrebig zur Treppe ging, die hinauf führte. Wie in Trance folgte sie ihm und kam erst wieder zu sich, nachdem er die Tür eines Doppelzimmers hinter sich zumachte und abschloss.
"Okay, Süße", wandte er sich dann mit harter Stimme an sie. "Bist du eine Spionin des Merowinges oder des Systems?"
"Weder noch...", antwortete sie erstaunt.
"Erzähl mir doch nichts!", gab er zornig zurück. "Du bist eines der Service-Programme, die im Club des Merowingers arbeitet! Was will er von uns?!"
"Keine Ahnung!", erwiderte Trinity wahrheitsgemäß und sah ihrem Gegenüber offen in die Augen. "Außerdem irrst du dich! Ich bin kein Programm, sondern ein Mensch."
"Wie bitte?!"
"Ja, ich bin Trinity, die Gefährtin von Neo."
"Warum lügst du mich an?! Die beiden sind tot! Sie sind gestorben, als sie zu ihrer Friedensmission in die Maschinenstadt aufbrachen. Die Bewohner von Zion und alle, die wir danach befreien konnten, verdanken ihnen ihr Leben!"
"Neo ist tot?", fragte Trinity tonlos und spürte, dass sie im Inneren zu frösteln begann.
"Ja, verdammt! Das ist doch bekannt! Er hat Zion und die Matrix gerettet! Darum wäre es durchaus angebracht, dass die Exilanten und vor allem ihr Anführer ihm dafür danken. Doch anstatt uns in Ruhe zu lassen, hetzt der Merowinger jetzt eins seiner Dienstprogramme auf mich. Was hat dein Boss vor?!"
"Hast du mir nicht zugehört? Ich bin kein Dienstprogramm, sondern Trinity, und ich werde von dem Merowinger gefangen gehalten und zur Arbeit in seinem Club gezwungen. Bitte, überbring diese Nachricht umgehend an Morpheus! Er kennt mich und ich weiß, dass er mir helfen wird!"
"Ah, langsam beginne ich zu begreifen... ihr wollt also Morpheus! Aber das könnt ihr getrost vergessen! Ihr werdet Morpheus niemals bekommen."
"Wie kann ich dich nur davon überzeugen, dass ich die Wahrheit sage?!"
"Du bist auf jeden Fall ein Programm, das erkenne ich sofort!"
"Nein, ich bin Trinity!", rief die junge Frau verzweifelt, den Tränen nahe. "Warum glaubst du mir nicht? Ich bin wirklich Trinity. Morpheus würde mich sofort identifizieren und mir glauben!"
"Glaubst du, wir lassen es zu, dass Morpheus in deine Nähe kommt, nur weil du dir wünscht, dass er dich identifiziert? Nein, nein, dieser Trick ist zu offensichtlich!"
"Es ist kein Trick, bitte glaub mir! Mach doch ein Foto und zeig es Morpheus. Und bitte sag ihm, dass ich seine Hilfe brauche! Ich weiß nicht, was der Merowinger mit mir gemacht hat, aber ich bin immer noch Trinity!"
"Hör endlich auf zu lügen!", fuhr der junge Mann sie an, zog eine Pistole aus seinem Gürtel, die gut verborgen unter seinem Mantel gewesen war, und hielt sie ihr an den Kopf. Trinity schluckte. So hatte sie sich das Treffen mit einem der Rebellen von Zion nicht vorgestellt.
"Ich versichere dir, dass ich nicht lüge", erwiderte sie in ruhigem Ton, obwohl sie innerlich zitterte. Sie war noch nicht dazu bereit zu sterben... nicht jetzt... nicht, bevor sie in Erfahrung gebracht hatte, was mit Neo passiert war. Der Gedanke daran, dass ihr Liebster wirklich tot sein könnte, bereitete ihr innerlichen Schmerz. Aber wir, um alles in der Welt, konnte sie ihr misstrauisches Gegenüber davon überzeugen, dass sie tatsächlich Trinity war.
"Wenn du mir nicht glaubst...", begann sie und hielt inne, spürte den Lauf der kühlen Pistole an ihrem Kopf und dachte unwillkürlich daran, dass sich der Merowinger damals, als sie dies bei ihm tat, ebenfalls unbehaglich gefühlt haben musste. Doch ihr Herr hatte damals ein spöttisches Pokerface aufgesetzt und sie süffisant gefragt, ob sie wirklich bereit war, für ihren Liebsten zu sterben.
Trinity schloss die Augen, wusste nicht, wie sie den jungen Typ vor ihr, der sie bedrohte, von der Wahrheit ihrer Worte überzeugen konnte. Wenn doch nur das Orakel hier wäre. Sie, die alles wusste...
Erneut begann die junge Frau zu sprechen: "Frag das Orakel! Sie wird dir alles über mich erzählen!"
Überrascht starrte der junge Mann sie daraufhin an, dann senkte er langsam die Pistole und steckte sie in den Gürtel zurück.
"Recht ungewöhnlich, dass ein Dienstprogramm des Merowingers mich an das Orakel verweist, um die Wahrheit herauszufinden", meinte er dann nachdenklich. "Womöglich stehst du wirklich unfreiwillig in den Diensten des Franzosen..."
"Ja, so ist es!", beeilte Trinity sich, ihm zu versichern. "Wenn du wüsstest, wie sehr ich ihn verabscheue!"
"Normalerweise bitten uns Programm nicht um Hilfe. Du bist schon recht ungewöhnlich."
"Sprich mit dem Orakel. Sie weiß bestimmt, was mit mir geschehen ist und wie ich aus meiner schrecklichen Situation wieder herauskommen kann."
"Aha... und was ist denn mit dir geschehen?"
"Das weiß ich nicht genau", sagte Trinity wahrheitsgemäß und begann, wieder Hoffnung zu schöpfen, dass der junge Typ ihr helfen würde. Zumindest bedrohte er sie nicht mehr, sondern schien ernsthaft an ihrer Geschichte interessiert zu sein. Deshalb fuhr sie fort: "Glaub mir, ich bin Trinity, die Gefährtin von Neo. Wir beide waren unterwegs in die Maschinenstadt, um einen Frieden mit der Quelle aller Maschinen auszuhandeln und Zion zu retten. Aber wir stürzten ab und ich wurde dabei verletzt..."
"Was ist mit Neo passiert?"
"Er blieb glücklicherweise unversehrt... er wollte bei mir bleiben, aber ich schickte ihn fort. Der Frieden und die Rettung Zions waren wichtiger... dann verlor ich mein Bewusstsein. Als ich wieder zu mir kam, fand ich mich gefangen in einem Haus, das dem Merowinger gehört. Und dieser eröffnete mir, dass ich ab nun seine Sklavin sei. Durch eine gemeine Foltermethode zwang er mich dazu, im Club Hel zu arbeiten. Seitdem hatte ich gehofft, dass jemand wie du kommt, der zu der Widerstandsgruppe aus Zion gehört, um mich aus der Gewalt des Merowingers zu befreien."
"Deine Geschichte klingt schon sehr absonderlich."
"Aber genau so ist es passiert, bitte glaub mir doch!"
"Neo ist nie mehr zurückgekehrt, aber die Maschinen hörten mitten im Kampf auf, uns anzugreifen und zogen sich plötzlich zurück. Seitdem lebt Zion wieder im Frieden", erklärte der junge Mann.
"Dann ist es ihm also gelungen, uns alle zu retten", seufzte Trinity dankbar. "Unsere Reise in die Maschinenstadt war nicht umsonst und Morpheus hatte doch recht: Neo ist der Auserwählte."
"Ja, das haben mittlerweile alle kapiert", bestätigte ihr der junge Mann und nickte. "Viele derjenigen aus Zion, die ihn früher für verrückt erklärten, haben inzwischen Abbitte bei ihm geleistet."
"Und woher wisst ihr, was aus Neo wurde?"
"Das Orakel hat es Morpheus und Niobe bei ihrem letzten Treffen in der Matrix mitgeteilt. Einer der Agenten des Systems mutierte zu einer Anomalie und musste eliminiert werden. Genau das war Neos Aufgabe gewesen, doch er selbst starb dabei auch. Das Orakel sagte, wenn Neo sich nicht geopfert hätte, wäre alles Leben zerstört worden. Dadurch hat er nicht nur die Menschheit, sondern auch die Künstliche Intelligenz der Maschinenwelt gerettet. Aus Dankbarkeit lassen sie nun die Menschen zufrieden."
"Dennoch leben wir immer noch in der Matrix, nicht wahr?"
"Ja, aber es gibt nicht mehr so viele Scherereien, wenn wir jemanden daraus befreien wollen."
"Merkwürdig...", murmelte Trinity und senkte den Blick. Sie erinnerte sich daran, dass Morpheus ihr von der Prophezeiung erzählte. Diese besagte, dass der 'Auserwählte' die Menschheit von der Herrschaft der Maschinen befreien würde. Damals war sie davon ausgegangen, dass damit die Befreiung der Menschen aus der Matrix gemeint war. Hatte sie die Prophezeiung demnach falsch verstanden?
Die junge Frau richtete ihre Augen wieder auf ihr Gegenüber und bat: "Kannst du Morpheus sagen, dass ich noch lebe und ihn dringen sprechen muss?"
"Okay, ich teile ihm dies mit", antwortete der junge Mann. "Aber ich kann nicht versprechen, dass er sich mit dir treffen will."
"Natürlich, er wird mir zuerst misstrauen", bestätigte Trinity und muss unwillkürlich lächeln. "Doch wenn er zuerst das Orakel nach mir befragt, wird diese ihm bestätigen, dass ich dir die Wahrheit erzählt habe."
"Wir werden sehen", gab ihr Gesprächspartner vage zurück. "Sollte er dich wirklich treffen wollen, dann wissen wir ja jetzt, wie wir dich kontaktieren können. Du arbeitest jede Nacht im Club Hel, nicht wahr?"
"Ja, leider", seufzte sie und verzog ihre Lippen zu einem traurigen Lächeln. "Allein bin ich nicht in der Lage, mich aus der Gewalt des Merowingers zu befreien. Bitte, sag Morpheus, dass ich seine Hilfe brauche."
Der junge Mann nickte nur, drehte ihr dann den Rücken zu und verließ eilig das Zimmer. Trinity starrte ihm nach, blickte mehrere Minuten lang schweigend auf die Tür, darauf wartend, ob noch irgendetwas passierte. Doch nichts geschah und so beschloss sie, diesen Raum und das schmierige Hotel zu verlassen, um in ihre Bleibe zurückzukehren. Ihr würde zunächst nicht anderes übrig bleiben als abzuwarten und zu hoffen, dass Morpheus sie bald kontaktierte...
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Wieder verging eine längere Zeit, in der Trinity voller Hoffnung darauf wartete, dass sich Morpheus bei ihr meldete oder wenigstens einer ihrer früheren Freunde. Aber nichts geschah. Nicht einmal das Orakel schickte ihr eine Botschaft, um sie zu sich zu bitten, was Trinity äußerst merkwürdig fand. Die Wahrsagerin hatte sich in der Vergangenheit stets als ihre Freundin erwiesen, ihr prophezeit, dass sie in dem 'Auserwählten' den für sie bestimmten Mann ihres Lebens finden würde, und ihr Mut gemacht, als sie manchmal Zweifel überkamen, ob der Widerstand gegen die Maschinen überhaupt einen Sinn machte. Wenigstens sie musste doch wissen, in welcher Notlage sie sich befand. Das Orakel wusste immer alles. Warum half es ihr jetzt nicht?
Trinity konnte sich das Verhalten des Orakels nicht erklären. Doch gab es in ihrem jetzigen Leben noch andere Dinge, die ihre Aufmerksamkeit beanspruchten. Eines davon war die eifersüchtige Minthe, die sie nach wie vor misstrauisch und voller Hass in den Augen beobachtete. Trinity ahnte, dass sie sich vor ihr in acht nehmen musste, denn zweifellos plante sie, sie auf irgendeine Weise zu eliminieren. Dabei hatte sie keinerlei Kontakt mit dem Merowinger und Minthe deshalb überhaupt keinen Grund für ihre Eifersucht. Ohnehin fand Trinity die Gefühle des grünhaarigen, weiblichen Programms überaus lächerlich. Der Franzose war mit Persephone verheiratet und es sah nicht so aus, als ob sich die beiden trennen würden. Was wollte diese Minthe also von ihr? Wenn sie scharf auf den Merowinger war, dann müsste sie schon dessen Ehefrau beseitigen, um ihn ganz für sich gewinnen zu können.
Dass der Boss und seine Gemahlin seit ein paar Tagen den Club nicht mehr mit ihrer Anwesenheit beehrten, schien dieser Minthe jedenfalls entgangen zu sein. Immer wieder suchte sie Trinitys Nähe, wenn diese irgendwo allein war und zischte ihr jedes Mal ins Ohr: "Deine Zeit ist abgelaufen, Schlampe!"
Die junge Frau zog es vor, auf diese Drohungen nicht einzugehen und ihrem Quälgeist mit keiner Miene zu verraten, wie unbehaglich sie sich dabei fühlte. Stattdessen verrichtete sie routinemäßig ihre Arbeit als Serveuse im Club und achtete darauf, möglichst immer in Gesellschaft zu sein. Dabei nahm sie es auch in Kauf, öfter angetatscht zu werden als sonst. Schließlich war sie noch nicht zum Sterben bereit, sondern brannte darauf mit Morpheus zu sprechen.
Eines Abends zog sie einer der Gäste auf seinen Schoß und begrapschte sie in Gegenwart seiner beiden Freunde, wobei alle lachten und ihr lüsterne Blicke zuwarfen. Trinity wollte dem unverfrorenen Mann, auf dessen Beinen sie saß, gerade eine kräftige Ohrfeige verpassen und hatte schon die Hand gehoben, als sie einen hasserfüllten Blick Minthes auffing, der sie an ihrem Tun hinderte. Einer der anwesenden Männer am Tisch bemerkte dies ebenfalls und rief amüsiert aus: "Oh, schaut mal! Da scheint eine Lady sehr eifersüchtig zu sein!"
Sein Sitznachbar lachte erneut laut auf, erhob sich dann und fasste die grünhaarige Serveuse um die Taille, zog sie dann mit sich auf seinen Platz zurück und verfachtete sie ebenfalls auf seinem Schoß. Mit einem belustigten Blick zu seinem Freund, der gerade die Kette an Trinitys Halsband ergriffen und damit den Kopf seiner weiblichen Beute zu sich heranziehen wollte, bemerkte er: "Wir wollen schließlich alle unseren Spaß dabei haben!"
Danach besiegelte er seine Worte mit einem Kuss auf Minthes Mund, wobei die Grünhaarige plötzlich ihre Arme um seinen Hals legte und seinen Kuss erwiderte. Sie schien auch nicht dagegen zu haben, dass der Gast ihr unter den kurzen Rock griff.
Tritinity, die dies fassungslos beobachtete, entfuhr dabei ein Laut des Widerwillens. Gleich darauf wurde ihr Kopf heftig an den des Gastes gezogen, auf dessen Schoß sie sich noch immer befand. Der Typ umfasste sie nun noch heftiger und presste sie nahe an seinen Leib, drückte ihr gewaltsam einen harten Kuss auf und hielt mit der anderen Hand ihren Hinterkopf fest, als sie Anstalten machte, ihren Mund von seinem zu lösen.
"Scheint 'ne kleine Wildkatze zu sein", bemerkte derjenige der drei Männer, der keine Frau auf dem Schoß hatte. "Sie muss sicherlich gezähmt werden. Wollen wir nicht gemeinsam diese Aufgabe übernehmen, Charlie?"
Ehe Trinity wusste, wie ihr geschah, hatte der Typ, der sie geküsst hatte, seinen Mund von ihrem gelöst, um ihr sofort danach ein Glas an ihre Lippen zu pressen und ihr drohend zuzuraunen: "Trink!" Um nicht an der Flüssigkeit zu ersticken, die ihr bereits in der Kehle saß, schluckte Trinity schnell. Danach spürte sie, dass der Typ ihr einen Zungenknebel verpasste, so dass sie keinen der Sicherheitsleute des Clubs um Hilfe rufen konnte. Und als sie sich wehren wollte, bemerkte sie, dass ihre Glieder schwer wurden und leichte Müdigkeit sie überkam. Verdammt, in dem Getränk, dass der Typ sie zu schlucken gezwungen hatte, musste etwas drin gewesen sein. Wie aus weiter Ferne vernahm sie die spöttische Stimme Minthes, die zu den drei Männern bemerkte: "Meine Kollegin bevorzug das Spiel, bei dem sie die Spröde gibt, die von starken Kerlen gezähmt wird. Lasst uns in Raum 31 verschwinden, wo wir uns in aller Ruhe unseren lustvollen Spielen hingeben können. Sie werden dabei viel Spaß haben, meine Herren, das verspreche ich Ihnen."
Trinity war mittlerweile völlig unfähig, auch nur den kleinen Finger zu bewegen, bekam nichtsdestotrotz alles wie in Trance mit. Sie konnte nichts dagegen tun, dass der Kerl, der sie gewaltsam auf seinen Schoss gezogen und sie mit einer Droge willenlos gemacht hatte, sie mit sich forttrug, als er und seine Freunde der hinterhältigen Minthe folgten. Trinity bemerkte, dass sie den Club durch eine Tür verließen, die sie zuvor nicht bemerkt hatte, und lange, dunkle Korridore entlanggingen, bis sie endlich vor einer Tür stehenblieben, auf der die Nr. 31 prangte. Minthe kicherte, zog einen Schlüssel aus ihrem Dekolleté und schloss das Zimmer auf. Die drei Kerle folgten ihr hinein und der Gast, der Trinity in seinen Armen trug, legte sie auf das große Bett, das im Raum stand. Während die junge Frau hörte, dass die Tür geschlossen wurde, traten noch die beiden anderen Männer an das Bett und schauten genau wie ihr Freund lüstern auf sie herab. Trinity spürte Angst, da sie diesen Kerlen hilflos ausgeliefert war, während ihr im gleichen Augenblick klar wurde, dass Minthe dieses Szenario wohl geplant haben musste, um sie zu demütigen. Denn die Grünhaarige war nirgends mehr zu sehen. Verzweifelt schloss Trinity die Augen, sich mit der Situation abfindend, dass die drei Männer sich gleich über sie hermachen würden. Sie hoffte nur, dass es schnell vorbei ging.
Schon spürte sie, dass sich einer der Männer auf dem Bettrand niederließ, spürte dessen Hand auf ihrer Wange und wie sie langsam bis zu ihrer linken Brust hinabglitt und sie zu streicheln begann.
"Hey, Charlie", sagte einer der drei. "Du hättest sicherlich mehr Spaß, wenn du die Lady entpacken würdest."
"Ja, natürlich, Quint, du hast völlig recht", erwiderte der Angesprochene und gleich darauf spürte Trinity den Atem des Kerls, der gerade ihre Brust streichelte, in ihrem Gesicht und dann erneut seine Lippen auf ihrem Mund. Dabei begann er, ihr Top so weit nach oben zu ziehen, dass ihre bloßen Brüste zutage traten und die beiden anderen Kerle leise Ausrufe der Bewunderung ausstießen.
"Meine Güte, welch ein prachtvoller Anblick", bemerkte einer davon und kurz darauf spürte Trinity, wie eine andere Hand ihre rechte Brust zu streicheln begann. Einen Moment später bemerkte sie, dass sich jemand an ihrer Lackhose zu schaffen machte.
"Bald ist es also soweit und sie werden mich nacheinander nehmen", dachte sie verzweifelt; und als der dritte Mann begann, ihr die Hose auszuziehen, wünschte sie sich, ohnmächtig zu werden, um nicht alles miterleben zu müssen.
Doch da ertönten mitten in den entzückten Ausrufen der lüsternen Männer ein paar Schüsse und Trinity öffnete erschrocken die Augen. Der Kerl, der sie getragen hatte, sank zu Boden, der zweite fiel mit dem Kopf auf das Kissen neben sie und sie sah am Hinterhaupt eine klaffende Wunde. Derjenige jedoch, der sich gerade an ihrer Hose zu schaffen gemacht hatte, fiel wie ein schwerer Sack auf ihren Leib und blieb dort bleischwer liegen, während das Blut aus der Wunde in seinem Rück floss und das Bettlaken allmählich rot einfärbte.
Gehetzt sah sich Trinity um. Einige der Handlanger des Merowingers, die sie gesehen hatte, als sie seinerzeit den 'Schlüsselmacher' befreiten, umstanden mit Waffen in der Hand das Bett. Darunter waren auch die geisterhaften Zwillinge, von denen sie angenommen hatte, dass diese längst unter den Toten weilten. Doch das schien nicht der Fall zu sein... allerdings blieb ihr keine Zeit, um darüber nachzudenken. Sie war beinahe glücklich, die Untergebenen des Franzosen zu sehen. Einer davon zog jetzt den Typ, der auf ihr lag, von ihrem Leib und schmiss ihn achtlos zu Boden. Dann befreite er sie von ihrem Zungenknebel und half ihr dabei, sich aufzusetzen. Trinity fühlte sich immer noch benommen und nahm voller Dankbarkeit einen Schluck Wasser, den ihr der Untergebene des Merowingers zu Mund führte.
"Sie steht noch unter dem Einfluss der Droge, die das Arschloch ihr verabreichte", meinte er danach zu den anderen gewandt.
"Egal, der Boss will, dass wir sie ins 'Bilton' bringen", sagte einer der Zwillinge.
"Dann wirst du sie tragen müssen", brummelte sein Kollege. "Sie ist nicht dazu fähig, die kleinste Bewegung auszuführen."
"Das wird den Boss aber gar nicht freuen", bemerkte der andere Zwilling.
Trinity war viel zu benommen, um über den Dialog der Handlanger des Merowingers nachzudenken. Ihr war alles gleich. Hauptsache, dass die drei Kerle nicht dazu gekommen waren, ihr Gewalt anzutun, und dafür war sie den Gangstern um sie herum einfach dankbar.
"Schaut mal, wen ich euch hier bringe!", hörte sie gleich darauf eine andere, jugendlich klingende Stimme. Neugierig schaute Trinity zur Tür und sah, dass der kleine, junge Asiate, der auch zu den Handlangern ihres Herrn gehörte, nun mit Minthe im Schlepptau das Zimmer betrat. "Hier haben wir die Verräterin, die für den Dreck hier verantwortlich ist."
Mit der freien Hand machte der kleine Asiate eine Bewegung durch den Raum, wobei seine Miene einen angewiderten Ausdruck zeigte.
"Was hast du dir dabei eigentlich gedacht, häh?!", fuhr einer der Zwillinge die Grünhaarige an.
"Sie ist eine Schlampe, sie hat es verdient!", giftete Minthe zurück.
"Sie gehört dem Boss!", wies der Zwilling sie in hartem Ton zurecht.
"Dieses dämliche Programm hat es nicht verdient weiterzuleben!", schrie Minthe hysterisch auf. Als Reaktion darauf schlug ihr einer der Zwillinge hart ins Gesicht.
"Das ist nicht deine Entscheidung!", erklärte er ihr dann. "Und du hast dich als äußerst illoyal erwiesen!"
"NEIN!", protestierte Minthe. "Das ist nicht wahr! Niemand liebt und verehrt den Boss so sehr wie ich! Es gibt kein Programm, das loyaler zu ihm steht als ich!"
"Genug von deinen Lügen!", schrie der Zwilling sie an und nickte dem kleinen Asiaten zu. "Der Befehl des Bosses ist eindeutig: Verräter verdienen den Tod!"
"Ich bin keine Verräterin!", gellte es angstvoll aus Minthes Kehle, während sie um sich schlug, um sich aus dem festen Griff des kleinen Asiaten zu befreien. Dieser warf sie daraufhin dem Zwilling zu, der sie eben angefahren hatte. Mit einer raschen Bewegung seiner Hand, in dem ein scharfes Rasiermesser blitzte, schnitt er Minthe in den Hals und sie sackte eine Sekunde später leblos zu Boden.
Entsetzt starrte Trinity auf ihre Feindin, dann warf sie dem Zwilling einen angstvollen Blick zu. Er schenkte ihr ein grausames Lächeln und sagte: "Keine Angst, du hast vor mir nichts zu befürchten! Minthe war dem Boss schon lange ein Dorn im Auge, weil sie einfach nicht mehr gehorchen wollte und dich ständig bedrohte."
Als er Trinitys erstaunten Blick wahrnahm, nickte er und fuhr fort: "Ja, der Boss wusste davon und Minthe hat seinen Zorn leider unterschätzt. Aber sie fing an, ihm lästig zu werden. Er wird ihren Verlust nicht bedauern."
Die junge Frau spürte, dass ihr übel wurde, aber sofort wurde ihr etwas unter die Nase gehalten, was ihr Linderung brachte. Danach nahm einer der Zwillinge sie auf die Arme und trug sie aus dem Zimmer. Draußen vor dem Club wartete bereits eine schwarze Limousine auf sie, in die der Zwilling sie hineinverfrachtete und den Fahrer anwies, sie ins 'Bilton-Hotel' zu fahren. Als sich der Wagen in Bewegung setzte, schloss Trinity die Augen und eine wohltuende Ohnmacht umfing sie...
Als Trinity wieder zu sich kam, fand sie sich in einem großen, bequemen Bett wieder und spürte, dass ihre Arme und Beine nicht mehr taub waren. Gleichzeitig fühlte sie einen glatten, kühlen Stoff auf ihrer Haut, der keineswegs so unangenehm war wie die engsitzenden Lackklamotten. Vorsichtig setzte sie sich auf und schaute an sich herunter. Ihr Körper war in eine Art schwarzen Seidenkimono mit roten Blüten gehüllt.
"Was hat das zu bedeuten?", überlegte sie, während sie sich nun umsah.
Der Raum, in dem das Bett stand, war groß und luxuriös eingerichtet. Unweit von ihr stand ein Tisch, auf dem zwei elegante Gedecke lagen. Die Mitte zierte ein Kübel mit einer Flasche und um ihn herum waren allerlei recht appetitlich aussehende Speisen aufgestellt. Sie fragte sich gerade, ob sie davon essen dürfe, als eine Tür ihr gegenüber aufging und der Merowinger, gekleidet in einem geschmackvollen, grauen Jackett mit einer weißen Nelke am obersten Knopfloch, eintrat.
Sofort erinnerte sich Trinity daran, dass einer der Zwillinge gesagt hatte, man solle sie auf Befehl des Bosses in das 'Bilton Hotel' bringen. Gespannt blickte sie zu ihm auf und empfand unwillkürlich Furcht, als er ihr ein freundliches Lächeln schenkte.
"Nun", fragte er, während er langsam näher kam. "Fühlen Sie sich wieder besser, ma chere?"
"Ja... ja, ich denke schon...", erwiderte sie zögerlich, obwohl ihr wieder mulmig wurde, als sie sich daran erinnerte, was vor kurzem erst passiert war. Minthe hatte sie demütigen wollen und war dafür von den Getreuen ihres Herrn als 'Verräterin' bezeichnet und ermordet worden.
Unwillkürlich fuhr sich die junge Frau an den Hals, doch der Merowinger lachte nur etwas.
"Keine Sorge, Ihnen wird nichts geschehen, so lange Sie mir gehorchen", versicherte er ihr und ließ sich nun auf den Bettrand nieder. Unwillkürlich wich sie ein wenig vor ihm zurück, was ihm nur ein breites Grinsen entlockte.
"Es ist töricht von Ihnen, mich zu fürchten, wo ich mich doch als ihr Beschützer erwiesen habe", meinte er dann.
"Mein Beschützer?", echote Trinity fassungslos. "Diese Kerle hätten mir beinah Gewalt angetan. Und einer Ihrer Leute behauptete, dass Sie von Minthes Drohungen gegen mich wussten."
"Das ist richtig", gab der Franzose zu. "Allerdings hätten das einfach auch nur leere Drohungen einer eifersüchtigen Frau sein können. Wissen Sie, Minthe hat es nie verkraftet, dass ich nach einer kurzen Affäre mit ihr Schluss gemacht habe. Dabei war ihr von vornherein klar, dass ich mich niemals von meiner Madame trennen werde."
"Warum war sie dann nicht auf Ihre Frau eifersüchtig, sondern auf mich?"
"Woher soll ich das wissen? Wer kann schon in das Gehirn einer eifersüchtigen Furie blicken?"
"Minthe war ein Programm und Sie sind doch Programmierer, oder nicht?"
Der Merowinger starrte Trinity überrascht an, dann grinste er.
"Aha, Sie haben mir damals ja aufmerksamer zugehört, als ich dachte", meinte er dann.
"Ja, und mir sind auch noch gut Ihre Worte im Gedächtnis geblieben, dass Sie mit Informationen handeln. Ganz sicher sind Sie in der Lage, in das Innere eines Programms zu blicken!"
"Nun, meine Fähigkeiten haben Sie nicht zu interessieren, Mademoiselle Trinity! Es muss Ihnen genügen, dass meine Jungs rechtzeitig zur Stelle waren, um Sie zu beschützen!"
"Dafür bin ich auch sehr dankbar", kam es spontan über Trinitys Lippen.
Über das Antlitz des Merowingers glitt erneut ein freundliches Lächeln und seine Augen strahlen plötzlich so etwas wie Wärme aus. Sie fand ihn beinahe sympathisch... doch sie wusste genau, dass man ihm nicht vertrauen konnte.
"Na, sehen Sie", meinte ihr Herr mit sanfter Stimme. "Es ist gar nicht so schwer, dankbar zu sein. Und ich versichere Ihnen, dass mir sehr daran gelegen ist, sie so lange wie möglich zu erhalten. Sie leisten ausgezeichnete Dienste."
"Aber ich verstehe eines nicht", gab sie zurück.
"Und das wäre?"
"Dolores erklärte mir am Anfang, dass Sie gar nichts dagegen hätten, wenn wir Serveusen den Gästen in jeder Hinsicht sehr entgegenkommen."
"Das ist richtig - aber nur, wenn Sie dies auch wollen, Trinity. Keinem meiner Gäste ist es erlaubt, sich eines meiner Dienstprogramme zu schnappen, um es zu missbrauchen. Und das haben diese Kerle versucht."
"Es hätte auch nur ein Spiel sein können", wandte sie ein, um das Gespräch am Laufen zu halten und herauszufinden, warum er sie wirklich retten ließ. "Minthe war doch da und hat die Gäste quasi zu ihrer Absicht animiert. Sie nahmen mit Sicherheit an, dass dies zum Service des Hauses gehört."
"Nein, ma Chere, den Besuchern meiner Clubs ist von vornherein klar, dass sie den Servicekräften keinerlei Drogen einflößen dürfen und dass dies harte Konsequenzen zur Folge hat - Sie haben ja gesehen, was passiert. Und Minthe hat mit ihrem Handeln ganz klar gegen meine Anweisungen verstoßen, war ungehorsam und hat sich in letzter Zeit ohnehin den einen oder anderen Fauxpax geleistet. Es war notwendig, sich ihrer zu entledigen."
Trinity schluckte und schaute den Merowinger mit einem Ausdruck von Furcht an.
"Werden Sie das auch mit mir tun, wenn Sie meiner überdrüssig sind?", fragte sie leise.
"Das liegt nicht in meiner Absicht", erwiderte er amüsiert und strich ihr mit einer leichten Geste eine Haarsträhne aus der Stirn. "So lange Sie mir gehorchen, haben Sie nichts zu befürchten."
"Und... und was erwarten Sie jetzt von mir? Warum wurde ich hierher gebracht?"
"Nun...", begann der Merowinger, "...Dolores berichtete mir davon, dass Sie sich vor einiger Zeit freiwillig mit einem unserer Gäste privat getroffen haben, um ihm gefällig zu sein..."
"Ach das...", tat Trinity es ab und senkte ihren Blick. "Es war nur ein einziges Mal... eine einmalige Sache, nichts weiter..."
Er lachte leise und strich ihr dabei sanft über die Wange.
"Das muss Ihnen doch nicht peinlich sein, ma Chere. Warum sollen Sie nicht auch ein wenig Spaß haben?"
Sie schwieg. Sollte der Franzose doch denken, was er wollte. Ihr war es gleich, wenn sich nur endlich jemand aus Zion bei ihr melden würde.
"Sie sehen trotz des zurückliegenden Ereignisses, das Ihnen ohne Zweifel Schrecken bereitete, bemerkenswert attraktiv aus", fuhr der Merowinger fort.
"Wie können Sie nach all dem einfach zu Ihrem üblichen Geplänkel übergehen?", fragte sie und sah mit empörtem Blick wieder zu ihm auf. Doch er grinste nur.
"Ihr menschliches Wesen ist immer noch sehr stark und macht Sie überaus verletzlich", gab er zurück. "Sie sollten diese Sache am besten so schnell wie möglich vergessen."
"Das wird mir so rasch bestimmt nicht gelingen", wandte Trinity beinah trotzig ein.
"Vielleicht sollten Sie jetzt etwas zu sich nehmen", schlug er vor und erhob sich. "Etwas gutes Essen und ein Glas Champagner dazu können überaus dazu beitragen, die Stimmung wieder zu heben. Sie haben heute sicher noch nichts Richtiges gegessen, oder?"
"Nein, seit ich für Sie arbeite habe ich wenig Appetit. Außerdem braucht ein Programm doch sicherlich keine Nahrung."
"Sie irren sich wieder einmal, Mademoiselle Trinity. Programme brauchen Energie, um zu funktionieren - genauso wie Menschen. Und die Matrix vermittelt uns nicht nur die Illusion, Personen zu sein, sondern auch, dass wir wie Menschen Nahrung zu uns nehmen können. Also kommen Sie, setzen wir uns an den Tisch und laben uns an den ausgezeichneten Speisen, die dort für uns bereit stehen."
"Sie haben mich demnach hierher kommen lassen, um mit mir zu Abend zu essen?"
"Warum denn nicht? Sie sind meine Sklavin und ich kann mit Ihnen tun und lassen, was mir beliebt."
"Und was sagt Ihre Frau dazu?"
"Meine Frau ist anderweitig beschäftigt, doch ich speise nicht gerne allein. Also bitte, Trinity, kommen Sie mit mir an den Tisch und genießen Sie Ihren freien Abend."
Die junge Frau wusste nicht, was sie von dieser Forderung zu halten hatte. Doch es gab Schlimmeres, als mit dem Merowinger zu Abend zu essen und sie wollte ihn nicht dazu provozieren, sie erneut zu foltern, wenn sie seinem Wunsch nicht nachkam.
Trinity erhob sich und folgte ihrem Herrn zum Tisch. Er rückte ihr einen Stuhl zurecht und sie ließ sich schweigend darauf nieder. Mit immer noch bleichem Antlitz starrte sie auf den reichlich gedeckten Tisch. Neben ihr hatte sich der Franzose gesetzt und war nun dabei, ein Glas mit dem Inhalt der Flasche, die in dem Eiskübel stand, zu füllen. Dann reichte er es ihr.
"Hier, ma Chere, trinken Sie das", forderte er sie auf. "Das wird Ihnen gut tun."
"Was ist das?", fragte sie misstrauisch.
"Ein sehr alter Champagner, Jahrgang 1867, aus der Bretagne", erklärte der Marowinger mit nachsichtigem Lächeln. "Haben sie überhaupt schon einmal Champagner getrunken, ma Chere?"
"Nein, noch nie", erwiderte Trinity. "Und ich denke, ich sollte mich gar nicht erst daran gewöhnen, Alkohol zu mir zu nehmen."
"Unsinn, meine Liebe, ein Gläschen hin und wieder schadet Ihnen sicher nicht", widersprach der Franzose jovial. "Außerdem wirkt Alkohol entspannend und ich denke, das können Sie gerade gut gebrauchen, nicht wahr?"
Sie nickte und nahm mit zitternden Händen das Glas von ihm entgegen, führte es langsam zum Mund und nahm einen Schluck, während der Merowinger sie beobachtete. Sofort fühlte sie sich besser.
"Na, sehen Sie?", richtete ihr Herr erneut das Wort an sie. "War doch gar nicht so schlimm, oder?"
"Nein, Sie haben völlig recht", pflichtete die junge ihm bei und ließ dann ihre Augen über die Tafel gleiten. Sie verspürte plötzlich regelrecht Heißhunger und griff nach einem Hummer, legte ihn auf ihren Teller und begann, ihn auseinanderzunehmen und in das saftige Fleisch reinzubeißen. Ihre Geschmacksnerven explodierten förmlich und sie meinte, noch nie etwas Köstlicheres gegessen zu haben.
Trinity bemerkte nicht, welch ein triumphierendes Lächeln im Gesicht des Merowingers erschien, der nur ein wenig Lachs zu sich nahm, ohne den Champagner anzurühren. Seine Aufmerksamkeit war völlig auf die junge Frau gerichtet, die mit großem Appetit aß und ihre Bissen immer wieder mit dem Champagner hinunterspülte. Er musste ihr zweimal nachschenken, ehe sie genug von dem Getränk hatte und eine süße Nachspeise zu sich nahm.
"Möchten Sie noch etwas Kaffee?", erkundigte sich der Merowinger, als Trinity mit dem Essen fertig war und sich zufrieden im Stuhl zurücklehnte.
"Nein, danke, ich bin jetzt vollkommen satt", erklärte sie und lächelte ihn an. "Wenn ich gewusst hätte, wie gut es hier in der Matrix schmeckt, hätte ich schon früher etwas zu mir genommen."
"Ihr Menschen unterschätzt immer die Segnungen dieser Welt", kommentierte ihr Herr. "Doch es freut mich, dass Sie sich jetzt wohl fühlen. Sie brauchen ein wenig Ruhe und Erholung, deshalb gebe ich Ihnen für den Rest dieses Abends frei. Diese Suite steht Ihnen ganz zu Ihrer Verfügung, meine liebe Trinity."
"Das ist wirklich überaus freundlich von Ihnen", meinte sie in versöhnlichem Ton. "Gehört auch ein Bad mit einer Badewanne zu dieser Suite?"
"Selbstverständlich. Möchten Sie ein Bad nehmen?"
"Ja, das würde ich wirklich gern."
"Dann tun Sie sich keinen Zwang an, ma Chere. Aber ich hoffe, Sie erlauben mir dennoch, hier am Tisch zu Ende zu essen?"
"Sie sind mein Herr und können tun und lassen, was Ihnen beliebt."
"Ausgezeichnete Antwort, Trinity, Ihre Entwicklung schreitet tatsächlich zufriedenstellend voran."
Die junge Frau kümmerte sich nicht um diese Worte, sondern erhob sich, ließ sich vom Merowinger die Tür zum Bad weisen, bei der es sich um diejenige handelte, aus der er vorhin herausgekommen war, und verschwand dort hinein. Mit einem wohligen Gefühl setzte sie sich auf den Rand der Badewanne, griff nach dem Schaumbad, das in einer Ecke darauf stand, und goss einen Schuss davon hinein. Dann setzte sie den Stöpsel in das Abflussloch und drehte den Wasserhahn auf. Sie prüfte, ob das herausströmende Wasser auch eine angenehme Temperatur hatte und beobachtete danach sinnierend, wie sich die Wanne langsam füllte und sich dabei allmählich Schaumkronen bildeten.
Sie konnte sich nicht erinnern, wann sie das letzte Mal ein Bad genommen hatte. Nur dunkel tauchte ein Bild aus ihrer Vergangenheit auf, in dem ihre Mutter sie badete, abtrocknete und dann zu Bett brachte. Damals war sie noch ein unbedarftes, kleines Mädchen gewesen, welches ebenso wenig wie ihre Eltern ahnte, dass sie in einer künstlich geschaffenen, computersimulierten Welt lebten. Und als sie später durch Morpheus 'befreit' worden war und in Zion lebte, gab es dort nur einfache Duschvorrichtungen, die ihren Zweck erfüllten. Für Luxus war in der letzten, freien Stadt der Menschheit kein Platz gewesen. Dennoch sehnte sie sich danach, wieder dorthin zurückzukehren, wo ihre Freunde waren. Warum nur meldete sich nicht einer von ihnen bei ihr?
Unwillig verscheute Trinity diese trüben Gedanken, entledigte sich des Seidenkimonos, den sie an einem Haken an der Tür aufhing und stieg in die Badewanne. Warmes Wasser umschloss ihren Körper und sie legte ihren Kopf auf dem Rand ab und schloss die Augen. Das Schaumbad roch nach Rosen und sie dachte daran, wie schön es mit Neo gewesen war. Sie sehnte sich sehr nach ihm und fühlte den Schmerz bei dem Gedanken, dass er vielleicht wirklich tot sein könnte. Und in diesem Augenblick beschloss Trinity, so bald wie möglich selbst das Orakel aufzusuchen und sich nach dem Schicksal ihres Liebsten zu erkundigen.
Durch die Wärme des Wasser entspannte sich allmählich ihr Körper und sie spürte, dass sie schläfrig wurde. Nur noch ein paar Minuten, dann würde sie aus der Wanne steigen und zu Bett gehen...
~zzzzzzzz ~
Sie sah ihn... er war nicht tot... Neo lag neben ihr, schaute ihr ins Gesicht und lächelte sie zärtlich an. Er streichelte über ihr Haar und küsste sie dann.
"Mein Liebster", hauchte Trinity. "Du lebst?"
"Ja."
"Ich habe mich so sehr nach dir gesehnt", seufzte sie und strich ihm über die Wange.
"Und ich mich nach dir", erwiderte Neo und küsste sie erneut. "Wenn du wüsstest, wie oft ich an dich gedacht habe und daran, dass wir endlich zusammen sein können, so wie jetzt... ungestört von all den anderen..."
"Nimm mich mit dir zurück nach Hause", bat sie ihn.
"Wir sind doch zu Hause, ma Cherie", sagte er und lächelte sie an.
"Wirklich?", fragte sie, ohne sich umzusehen.
"Ja, wirklich", antwortete er. "Und wir sollten das Alleinsein nutzen, um uns zu lieben. Morgen früh werden wir sicherlich keine Zeit dazu haben."
Trinity umarmte Neo, verschloss seinen Mund mit einem leidenschaftlichen Kuss und spürte, wie sehr es sie erregte, seinen Leib an ihrem zu spüren. Er umarmte sie, bedachte ihren Körper mit zahllosen Küssen und liebkoste zärtlich ihre Brüste. Sie war so erregt, dass sie ihren Schoß für ihn öffnete, in den er wenige Minuten später behutsam eindrang. Sie liebten sich noch leidenschaftlicher als früher und Trinity wünschte, es möge nie wieder aufhören. Als sie zusammen den Höhepunkt erreichten, schrie sie laut auf und umschloss mit ihren Beinen seinen Rücken, um ihn noch länger in sich spüren zu können. Als die Erregung allmählich nachließ, lösten sich ihre Beine endlich von ihm, so dass er sich aus ihr zurückziehen und auf die Seite rollen konnten. Er ergriff danach ihre Hand und drückte sie, während sie seinen schweren Atem neben sich vernahm. Ihr Körper war schweißbedeckt und dennoch rollte sie sich auf die Seite und kuschelte sich neben ihn, legte ihren Kopf auf seine Brust und schlummerte ein...
~zzzzzzzz ~
Am anderen Morgen erwachte Trinity und fühlte sich glücklich. Als sie sich jedoch umschaute, erkannte sie, dass sie sich immer noch in der Suite befand, in der sie gestern mit dem Merowinger zusammen zu Abend gegessen hatte. Und wie, um alles in der Welt, war sie in das Bett zurückgekommen? Hatte sie gestern Abend denn nicht gebadet?
Mit einem Ruck setzte sie sich im Bett auf und bemerkte jetzt erst, dass sie vollkommen nackt war. Der schwarz-rot geblümte Seidenkimono war nirgendwo im Zimmer zu entdecken.
Unwillkürlich errötete Trinity bei der Erkenntnis, dass sie gestern wohl in der Badewanne eingeschlafen war und von Neo geträumt hatte. Der Merowinger musste sie schließlich ins Bett zurückgetragen haben. Doch weshalb hatte er sie nicht zugedeckt?
Ihr Blick, der fragend im Zimmer umherwanderte, dabei registrierend, dass der Tisch von gestern Abend nicht aufgeräumt worden war, blieb schließlich an einem Briefumschlag hängen, der an der Lampe auf dem Nachttisch angelehnt war. Trinity griff danach, öffnete ihn und zog ein Blatt Papier heraus, auf dem in einer schön geschwungenen Schrift stand:
> Guten Morgen, ma Cherie,
unsere gemeinsame Nacht war wundervoll und ich bin äußerst zufrieden mit dir.
Zur Belohnung bekommst du bis morgen Abend frei. Ruh dich aus und genieße den Tag. Bestell dir, was immer du willst, ohne dir Gedanken um die Bezahlung zu machen. Das 'Bilton' ist ebenso mein Eigentum wie du es bist.
À bientôt, ma avec passion l'obéissance esclave.
Ton très satisfaire Seigneur. < [1]
Alle Farbe wich Trinity aus dem Gesicht, als ihr während des Lesens dieser Nachricht klar wurde, dass ihr Traum von einer Liebesnacht mit Neo gar kein Traum, sondern eine Sinnestäuschung gewesen war, die der Merowinger herbeigeführt haben musste, damit sie sich ihm bereitwillig hingab.
Oh, dieser widerliche, widerliche Kerl... wie hatte er das nur gemacht?!
Achtlos ließ sie das Papier fallen und vergrub ihr Antlitz in den Händen. Wie hatte sie sich nur so vergessen können? Wie hatte sie nur auf diese Sinnestäuschung hereinfallen können, wo ihr doch der junge Rebell aus Zion verraten hatte, dass Neo wahrscheinlich tot war...?!
Eine Weile überließ sich Trinity ihren Tränen und ihrem Schamgefühl, gestern Nacht dem Merowinger als willige Geliebte gedient zu haben. Schließlich beruhigte sie sich bei dem Gedanken, dass er sie bestimmt gefoltert und auch gegen ihren Willen genommen hätte, wenn sie sich gestern nicht gefügt hätte, in dem Glauben, mit Neo die Nacht zu verbringen. Der Franzose war mit Sicherheit ohnehin von einem Widerstand ihrerseits ausgegangen, sonst hätte er sie doch nicht mit einer Sinnestäuschung zum Narren gehalten. So betrachtet gab es eigentlich keinen Grund für sie, sich zu schämen. Was hätte sie auch dagegen tun können, da sie doch jetzt die Sklavin des Merowingers und ihm auf Gedeih und Verderb ausgeliefert war?
Sie musste so schnell wie möglich einen Weg finden, um sich aus der Gewalt dieses grausamen Franzosen zu befreien. Sonst blühte ihr eines Tages vielleicht das gleiche Schicksal wie Minthe.
Entschlossen stand Trinity auf und ging ins Bad, wo sie den Seidenkimono an der Innenseite der Tür hängend fand. Doch sie streifte ihn nur mit einem Blick, ehe sie sich in die Duschkabine begab, um sich von den Spuren der gestrigen, unfreiwilligen Liebesnacht mit dem Merowinger zu reinigen. Bei dem Gedanken daran stiegen ihr erneut Ekelgefühle hoch. Darum verbrachte sie auch etwas mehr als eine halbe Stunde unter den Wasserstrahlen, bis sie sich wieder einigermaßen sauber fühlte. Danach trocknete sie sich ausgiebig ab, fand eine wohlriechende Körperlotion in einem der Badeschränke und rieb sich damit ein. Bevor sie das Bad verließ, zog sie sich wieder den schwarz-rot geblümten Seidenkimono an und ging zielstrebig zum Telefon, das sich auf dem anderen Nachttisch des Bettes befand. Sie wählte die Servicenummer des Portiers, die auf dem Apparat prangte.
"Bitte räumen Sie die Tafel von gestern Abend ab und bringen Sie mir einen starken Kaffee hoch", sprach sie durch den Hörer, als sich der Portier meldete.
"Welche Suite?", fragte jener diensteifrig.
"Einen Moment, ich sage es Ihnen gleich", antwortete Trinity, ließ ihren Blick zum Telefon wandern, auf dem eine Nummer stand, und fuhr dann fort: "Suite 88."
"Ah, l'appartement de Seigneur", bemerkte der Portier daraufhin und wurde gleich um ein Vielfaches freundlicher. "D'accord, Madame, ich schicke sofort jemanden herauf."
"Danke", erwiderte Trinity und legte auf. Dann sah sie sich um. Was sie dringend brauchte war Kleidung. Sie durchquerte suchend den Raum, in dem sie sich befand, dann öffnete sie eine andere Tür, die weder zum Bad noch zum Flur hinausführte, und erblickte einen begehbaren Kleiderschrank vor sich, der in mehrere Bereiche aufgeteilt war. Neugierig trat sie ein, schaute sich um und begann, das Innere des Kleiderschranks zu erkunden. Ganz links war ein abgetrennter Bereich, in dem sich verschiedene Anzüge, Smokings und Herrenhemden befanden. In den Schubladen einiger an der Wand eingebauter Schränke waren diverse Krawatten in verschiedenen Farben, Halstücher und sonstige Kleidungsaccessoires untergebracht, wie man sie oft bei wohlhabenden Herren sah. Es gab auch noch einen Schrank, in dem mehrere, auf Hochglanz polierte Schuhe standen. Zweifellos war dies das Kleidungsdepot des Merowingers, was dafür sprach, dass er sich in diesem Hotelzimmer des Öfteren aufhielt. Erwähnte der Portier nicht gerade eben, dass diese Suite diejenige des "Seigneurs" wäre?
Trinity schnaubte, als sie an ihren Herrn dachte, warf eine der Schubladen voller Wut zu und widmete sich dann dem größeren Teil des riesigen Schrankes, der voller eleganter, schöner Damenbekleidung war. Ob sich die Madame des Merowingers auch oft hier aufhielt? Und wenn ja, was würde sie nur dazu sagen, wenn sie sie hier vorfand?
Allerdings, so überlegte die junge Frau, könnte der hinterhältige Franzose in dieser Suite auch eine Art Liebesnest haben, in das er sich mit weiblichen Wesen jeglicher Art hinter dem Rücken seiner Ehefrau traf. Schließlich hatte er auch sie von seinen Handlangern hierher schaffen lassen, nur um sie dann zu täuschen und einen Beischlaf mit ihr zu erzwingen, dem sie sich auch noch bereitwillig hingab... weil sie glaubte, mit Neo zusammenzusein...
"Vergiss diese Scheiße, Trinity", redete sie sich gut zu und schaute sich interessiert bei der Kleidung für das schöne Geschlecht um. "Die freie Zeit, die der Kotzbrocken mir schenkt, werde ich nutzen, um das Orakel um Hilfe zu bitten. Es muss doch einen Weg geben, um dem Merowinger zu entkommen!"
Dann griff sie sich eine dunkle Jeanshose und ein graues Hemd heraus, fand in den Schubladen Fußsneakers, Unterhemd und Slips und zog sich rasch an. Den Seidenkimono hängte sie danach einfach auf einen Bügel zu den anderen Damenklamotten. Als sie aus dem Kleiderschrank hinaustrat, hatte ein Kellner bereits die Tafel von gestern Abend abgeräumt und auf dem Tisch ein Kaffeegedeck mit Zucker, Milch und einem Kännchen Kaffee hingestellt.
"Wünschen Sie noch etwas, Madame?", erkundigte sich der Kellner höflich bei ihr.
"Es wäre schön, wenn Sie mir ein Frühstück bringen würden", gab sie zurück, da sie spürte, dass sie wieder Hunger hatte und das Angebot ihres Herrn wahrnehmen wollte, sich zu bestellen, was immer sie wünschte.
"Wir haben drei verschiedene Frühstücksgedecke, wozu jeweils immer ein Kännchen Kaffee gehört, wie das, was ich Ihnen soeben serviert habe. Zu Gedeck 1 gehören zwei weichgekochte Eier, zwei Brötchen, Butter, Marmelade oder Honig, zu Gedeck 2 ebenfalls zwei Brötchen und Butter, dazu Käse und Wurst nach Wahl und dann gibt es Gedeck 3, dass sich nach den individuellen Wünschen der Gäste richtet, aber ein wenig teurer ist."
"Bringen Sie mir Gedeck 1 mit Honig, dann bin ich zufrieden", ordnete Trinity an, worauf sich der Kellner leicht vor ihr verneigte und dann verschwand. Wenig später hatte er ihr das gewünschte Frühstück gebracht, dem sie sich in aller Ruhe widmete.
"Wenigstens ein bisschen Luxus gönne ich mir auf Kosten dieses Ekelpakets", dachte Trinity, während sie das weichgekochte Ei genoss. Weder in Zion noch auf der Nebukadnezaar hatte es so etwas gegeben. Die Menschen rechneten jeden Augenblick mit einem Angriff und man lebte in der letzten freien Stadt quasi so, als ob man auf einem Pulverfass saß, das in jeder Sekunde hochgehen konnte. Doch dies hier fühlte sich ganz anders an, viel entspannter, viel besser... so wie früher, als sie noch ein kleines Mädchen war. Erneut überkamen sie Erinnerungen an ihre Eltern, bei denen sie in der Matrix groß geworden war. Sie hatten sie geliebt und doch sah sie sich einige Jahre später gezwungen, sie ohne ein Wort des Abschieds zu verlassen, um sie nicht in Gefahr zu bringen. Wie es ihnen wohl jetzt ging?
"Ich muss damit aufhören, mich in Sentimentalitäten zu verlieren", rief Trinity sich selbst wieder zur Ordnung, als sie merkte, wie sie sich immer weiter ihren Kindheitserinnerungen hingab. "Das Orakel ermahnte mich damals, alle Brücken zu meiner Vergangenheit abzubrechen. Meine Eltern und ich sind vermutlich nicht einmal miteinander verwandt, sondern nur aufgrund der Illusion in der Matrix zusammengestellt worden... diese Scheiß-Scheinwelt, die Menschen nur unglücklich macht! Verdammt! Verdammt!"
Sie spürte, wie ihr Tränen aus den Augen liefen und wie sie trotz ihres Wissens die Menschen, die ihr als Eltern in der Matrix zugeordnet gewesen waren, vermisste. Sie hatte sie geliebt, egal, ob es jetzt tatsächlich ihre leiblichen Eltern waren oder nicht. Was spielte das in der Situation, in der sich die Menschheit befand, überhaupt für eine Rolle? Sie gehörten schlussendlich alle zusammen, waren insgesamt eine Familie voller lebender Wesen.
"Vielleicht könnte ich sie ja wiederfinden", schoss es Trinity durch den Kopf, doch dann verwarf sie den Gedanken rasch wieder. Es könnte ihre Eltern in Gefahr bringen und das war das Letzte, was sie wollte.
Die junge Frau schob das letzte Stück Brötchen genießerisch in ihren Mund, trank danach einen Schluck Kaffee und erhob sich, um das Hotelzimmer zu verlassen. An dessen Tür steckte immer noch der Schlüssel, den sie nun abzog, um den Raum von draußen abzuschließen. Sie schritt durch einen langen, breiten Flur und hoffte, dass dieser sie zum Empfang führte. Als sie nach etwa 3 Metern um die Ecke bog, erblickte sie vor sich eine riesige Halle mit einem hohen Kuppeldach aus bunten Glasfenstern, durch das die künstliche Sonne der Matrix-Welt schien. Dennoch sah es recht hübsch aus und verlieh dem ganzen Ambiente eine harmonische Atmosphäre. Oh ja, der Merowinger verstand es sehr gut, die Leute zu täuschen und sie in dieser Scheinwelt bei guter Laune zu halten.
Trinity ging zum Empfang und händigte dem Portier den Schlüssel aus.
"Ich komme zurück", beeilte sie sich zu sagen, worauf der Mann nickte.
"Selbstverständlich, Madame, wünschen Sie ein Taxi?"
"Nein, danke, ich werde ein wenig in die Stadt gehen."
Der Mann hinter dem Empfangstresen nahm diese Information hin, ohne seine Miene zu verziehen, und wünschte ihr noch einen "schönen Tag".
Als Trinity endlich aus dem Hotel trat, atmete sie erst einmal tief ein und entspannte sich. Sie konnte kaum glauben, dass sie jetzt frei war und tun und lassen konnte, was sie wollte. Dann schaute sie sich aufmerksam um und überlegte, auf welchem Wege sie von hier aus am schnellsten zur neuen Adresse des Orakels kam...
=101=
Der Weg vom 'Bilton' zur neuen Wohnung des Orakels war mit einem der Mietfahrräder, die man seit Neuestem in Mega-City nutzen konnte, rasch zurückgelegt. Kaum an der Bus-Haltestelle angekommen, in dessen Nähe sich auch die Radstation befand, in der Trinity den gemieteten Drahtesel wieder an einem freien Schloss festmachte, verlor die junge Frau keine Zeit, um zum gewünschten Zielort zu gelangen. Wie üblich hatte sich die Wahrsagerin ein verwahrlostes Mietshaus in einer heruntergekommenen Gegend ausgesucht, um dort ihren Wohnsitz zu nehmen. Ein guter Ort, an dem sie sich ungestört mit den Rebellen aus Zion treffen konnte.
"Daran hat sich nichts geändert", dachte Trinity und fragte sich, ob dies ein gutes oder ein schlechtes Zeichen war. Schließlich hatte das Orakel immer davon gesprochen, dass Änderungen notwendig seien und es an der Menschheit, sprich: den Rebellen, liegen würde, diese herbeizuführen, indem sie den 'Auserwählten' fanden.
Beherzt klopfte sie an die Tür mit der Nummer 606, dem Symbol für das Orakel, und wie üblich öffnete ihr die Assistentin desselben. Als die junge, dunkelhäutige Frau sie jedoch erblickte, starrte sie sie erschrocken an.
"Guten Tag", begrüßte Trinity ihr Gegenüber. "Darf ich eintreten?"
"Was... was... wollen Sie?", stotterte die Assistentin des Orakels, die beinah ängstlich wirkte.
"Selbstverständlich mit IHR sprechen", antwortete die einstige Rebellin. "Ist das ein Problem?"
"Moment!", gab die dunkelhäutige Frau zurück, schloss die Tür etwas und rief laut: "Seraph!"
Eine Sekunde später öffnete sich die Tür erneut und der Beschützer der Wahrsagerin trat auf die Schwelle.
"Was wünschen Sie, Trinity?", erkundigte er sich in höflichem, ernsten Ton.
"Ich muss unbedingt mit dem Orakel sprechen", erwiderte sie.
"Das halte ich für keine gute Idee", sagte Seraph. "Sie dienen jetzt dem Merowinger."
"Aber das tue ich unfreiwillig!", gab Trinity in leicht ungeduldigem Ton zurück. "Wenn ich mich recht erinnere, standen Sie auch einmal in seinen Diensten, oder nicht?"
Der Beschützer des Orakels runzelte leicht die Stirn und fragte dann: "Wie kommen Sie darauf?"
"Als wir zusammen im Club Hel waren, um Neo aus der Gewalt des Merowingers zu befreien, bezeichnete mein jetziger Herr Sie als 'kleiner Judas'. Da ich weiß, dass der Franzose keinen Verrat ungesühnt lässt, würde ich gern erfahren, wie Sie es angestellt haben, noch am Leben zu sein."
"Das habe ich nur dem Orakel zu verdanken."
"Und ich brauche die Hilfe des Orakels, um aus der Gewalt des Merowingers zu kommen!"
Seraph nickte leicht und murmelte: "Ich verstehe."
Dann wandte er sich zu der dunkelhäutigen Frau um, die unweit hinter ihm stand, und erklärte: "Es ist in Ordnung, Anne, ich werde Miss Trinity zum Orakel bringen."
Ohne den missbilligenden Blick der Assistentin zu beachten, bat Seraph die einstige Rebellin in die Wohnung und führte sie in das Wohnzimmer, in dem die Wahrsagerin sie bereits auf einem grünen Sofa erwartete.
"Du bist immer noch sehr beharrlich, wenn du etwas erreichen willst, Trinity", wurde sie in einem frostigen Ton von dem Orakel begrüßt, welches eine abweisende Miene zeigte.
"Es ist die Verzweiflung, die mich so handeln lässt", erwiderte die junge Frau.
Das Orakel wandte seinen Blick Seraph zu und befahl: "Lass uns allein und sorge dafür, dass niemand unser Gespräch stört. Ich habe einige notwendige Dinge mit Trinity zu besprechen, die nicht für fremde Ohren bestimmt sind."
Der flügellose Engel nickte und zog sich zurück. Die Wahrsagerin wartete einige Sekunden, ohne Trinity einen Platz anzubieten, dann fuhr sie an ihre Besucherin gewandt fort: "Du hättest niemals hierher kommen dürfen!"
"Aber warum denn nicht? Ich brauche dringend Ihre Hilfe!"
"Du stehst jetzt in den Diensten des Merowingers, der einer meiner größten Feinde ist, wie du sehr wohl wissen dürftest."
"Und Sie müssten wissen, dass ich nicht freiwillig für diesen Dreckskerl arbeite!"
"Ja, natürlich! Und es tut mir leid, dass es so kommen musste", meinte das Orakel mit einer etwas mitfühlenderen Stimme. "Allerdings bist du an deiner Situation selbst schuld. Warum hast du damals Morpheus und Seraph dazu überredet, mit dir in den Club Hel zu gehen, anstatt zu mir zurückzukehren, um einen neuen Ratschlag einzuholen?"
"Es schien mir zu diesem Zeitpunkt das Richtige zu sein und Neo ist doch freigekommen, um schlussendlich seine Aufgabe zu erfüllen."
"Du hast recht und für diese Tat werden die Menschen in Zion der verstorbenen Trinity ewig dankbar sein."
"Warum reden Sie so?", fragte Trinity irritiert. "Sie sehen doch, dass ich noch am Leben bin."
"Dein Geist ist noch am Leben", korrigierte das Orakel sie. "Eingesperrt in einem Dienstprogramm des Merowingers, dem er den Namen Trinity gegeben hat."
"Dann ist die Behauptung des Franzosen also wahr?"
"Ja, Trinity, weil du auf seinen Deal eingegangen bist, für Neo sterben zu wollen. Nur deshalb hat er deinen Geliebten freigelassen."
"Nein, das ist nicht wahr! Ich bedrohte den Merowinger und seine Helfershelfer mit dem Tod und er gab nach, um weiterleben zu können."
"Glaubst du wirklich, dass du IHN einfach hättest töten können? Der Merowinger ist der heimliche Herrscher der Matrix, ein Kontrolleur des Systems, dem es gestattet ist, alte Programme am Leben zu lassen, wenn es ihm beliebt. Du wärst vorher durch das System eliminiert worden, wenn HADES nicht nachgegeben hätte, weil du ihn amüsiertest und er dich um jeden Preis haben wollte."
"Demnach hat der Franzose mir die Wahrheit gesagt und ich bin tatsächlich ein... ein... Programm?", fragte Trinity fassungslos nach.
"Oh ja, das bist du und du stehst jetzt in seinen Diensten. Darum können wir dir nicht mehr vertrauen", erklärte das Orakel in ruhigem Ton.
"Aber Sie können mir vertrauen und auch meine alten Freunde können mir vertrauen! Ich arbeite doch nicht freiwillig für den Merowinger... ich muss, weil er mich versklavt hat und mich foltert, wenn ich mich weigere, das zu tun, was er will."
"Das ist mir durchaus bewusst und es tut mir leid für dich."
"Außerdem vermisse ich Neo... ich vermisse ihn so sehr. Können Sie mir nicht sagen, was aus ihm geworden ist?"
"Nun, der Auserwählte hat seine Aufgabe erfüllt. Er ist bei dem Kampf gegen Agent Smith ums Leben gekommen, was jedoch auch den Tod Smiths nach sich zog. Auf diese Weise ist unsere Welt gerettet worden. Neo opferte sich für Menschheit und Maschinen auf und führte dadurch eine neue Ära des Friedens zwischen unseren Spezies herbei."
"Dann ist Neo also... also... wirklich... tot?"
"Ja, Trinity, denn das war sein Schicksal."
Die einstige Rebellin hatte Mühe, nicht in Tränen auszubrechen, musste jedoch mehrmals einen dicken Kloss im Hals hinunterschlucken, ehe sie wieder in der Lage war zu sprechen. Das Orakel musterte sie dabei mit gleichgültiger Miene abwartend.
Nach einer Weile ergriff Trinity erneut das Wort.
"Wie dem auch sei... mit dem Verlust... nun, ich muss irgendwie... damit fertig werden...", begann sie stockend und wischte sich dabei einige Tränen fort, die trotz ihrer mühsamen Beherrschung in ihre Augenwinkel gestiegen waren. "Bitte, sagen Sie mir, wie ich mich aus der Gewalt des Merowingers befreien kann."
Über das Gesicht der Wahrsagerin glitt ein leicht verächtliches Lächeln, ehe sie erwiderte: "Aus der Gewalt des Merowingers befreien? Nun, meine Liebe, für denjenigen, der seine Seele bei Eintritt des Todes dem König der Unterwelt anbietet, gibt es keinen Weg zurück."
"Aber ich habe es getan, um Neo zu retten... und er hat alle gerettet."
"Wie gesagt, du hättest den Deal mit dem Merowinger vermeiden können, wenn ihr nach eurer erfolglosen Jagd nach dem Trainman sofort wieder zu mir zurückgekehrt wäret, um meinen Rat einzuholen. Es gab noch eine andere Möglichkeit, um Neo zu befreien, aber du musstest ja in den Club Hel gehen, den Merowinger bedrohen und auf seinen Deal eingehen. Deine jetzige Situation hast du dir also ganz allein zuzuschreiben."
"Aber es muss doch einen Weg geben, um der Macht des Franzosen zu entkommen!"
"Er herrscht über die Matrix und kennt das Geheimnis, das Bewusstsein eines Menschen in ein Programm einzusperren und dort festzuhalten. Seine Fähigkeiten grenzen ans Unheimliche, da er über sehr viel Erfahrung verfügt und ein sehr altes Programm ist, das äußerst gefährlich ist. Doch davor hatte ich euch ja gewarnt."
"Demnach wollen Sie mir also nicht helfen?"
"Es liegt nicht in meiner Macht, dir zu helfen, Trinity. Du bist gestorben und ich kann dich nicht in einen Menschen zurückverwandeln."
"Das darf doch nicht wahr sein!", stöhnte die junge Frau auf. "Dennoch... ich bin auf der Seite der Rebellen... sie sind meine Freunde, meine Familie... warum kann ich nicht zu ihnen zurückkehren?"
"Weil du seit deiner Verwandlung in ein Programm im Dienst des Merowingers steht."
"Unfreiwillig! Unfreiwillig!"
"Ja, ja, das weiß ich auch!", gab das Orakel ungeduldig zurück. "Doch du hast damals die Entscheidung getroffen, einen Deal mit HADES einzugehen und musst die Konsequenzen dafür tragen."
Die Wahrsagerin erhob sich vom Sofa und trat auf Trinity zu, der sie eindringlich in die Augen blickte.
"Hör mal, Trinity, keiner bedauert mehr als ich deine damalige Entscheidung. Aber wir alle haben unsere Entscheidungen getroffen. Neo hat sich dazu entschieden, einen Kampf mit der Anomalie Smith zu führen, der alles Leben innerhalb und außerhalb der Matrix auszulöschen drohte. Dafür gab er sein Leben - genau wie du dein Leben für ihn und für den Frieden gegeben hast. Neo hat sich für uns alle geopfert und du solltest deine jetzige Existenz als Opfer für deine Liebe zu ihm und deine Liebe zu deinen Mitmenschen betrachten. Das hilft dir sicher, dein weiteres Schicksal zu ertragen, das nun in den Händen deines neuen Herrn liegt."
"Sie wollen mir also nicht helfen?"
"Ich kann dir nicht helfen, Kind!", erklärte das Orakel nun wieder in abfälligem Ton. "Dein Weg zu mir war unnötig und ich bitte dich, nie wieder herzukommen, da du in den Diensten meines Erzfeindes stehst."
"Aber ich würde Sie doch niemals an ihn verraten!"
"Natürlich nicht, das weiß ich. Dennoch ist nicht auszuschließen, dass der Merowinger einen Peilsender bei dir installiert hat, der ihm genau verrät, wo mein jetziger Standort ist. Vermutlich bin ich jetzt gezwungen, mir wieder ein neues Versteck zu suchen, weil du hier warst."
Trinity riss die Augen weit auf und sagte in entschuldigendem Ton: "Verzeihen Sie mir, daran habe ich nicht gedacht!"
"Am besten gehst du jetzt", gab die Wahrsagerin ungeduldig zurück. "Und such mich niemals wieder auf. Versprich mir das!"
Die junge Frau nickte, wandte sich dann abrupt um, schritt rasch aus dem Wohnzimmer und durchquerte den schmalen Flur bis zur Tür, durch die sie verschwand, ohne sich noch einmal umzusehen. So bekam sie nicht mit, dass Niobe sie bemerkt und sich die Augen gerieben hatte, weil sie ihnen einfach nicht trauen mochte...
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[1] In etwa: 'Auf bald, meine leidenschaftliche, hingebungsvolle Sklavin. Dein sehr zufrieden gestellter Herr'
Ernüchtert und vor Enttäuschung innerlich leer lief Trinity lange Zeit ziellos durch die Straßen, ohne etwas von ihrer Umgebung wahrzunehmen. Es machte ihr nicht nur zu schaffen, dass das Orakel den Tod Neos bestätigte, sondern auch, dass sie wirklich ein Programm war und damit so lange den Launen des Merowingers ausgeliefert blieb, bis dieser genug von ihr hatte und sie womöglich genauso eliminieren ließ wie Minthe. Und die Wahrsagerin wollte ihr nicht helfen, sondern sie einfach ihrem weiteren Schicksal überlassen. Dabei war Trinity zutiefst davon überzeugt, dass das Orakel bestimmt Mittel und Wege wusste, um sie aus der Macht ihres neuen Herrn zu befreien. Aber es wollte nicht, weil es ihr nicht traute. Was für eine beschissene Situation! Wie, um alles in der Welt, konnte sie die Wahrsagerin nur davon überzeugen, dass sie auf ihrer Seite war?
Nachdem Trinity bis zum späten Nachmittag sinnlos durch die Stadt gelaufen war, ohne eine Idee für die Lösung ihres Problems zu finden, kehrte sie ins 'Bilton' zurück. Sie war müde und wollte sich hinlegen, war jedoch erstaunt, als sie am Empfang durch den Portier erfuhr, dass der Schlüssel bereits geholt worden war.
"Natürlich", schoss es Trinity durch den Kopf und ein Gefühl der Empörung machte sich erneut in ihrem Inneren breit. "Der Kotzbrocken erwartet mich schon."
Sie bedankte sich bei dem Portier und lief schnurstracks den Flur entlang, bis sie vor der Tür der Suite 88 stand. Mit bebendem Zorn im Herzen legte sie ihre Hand an die Klinke, fest entschlossen, dem Merowinger ins Gesicht zu schreien, was sie von ihm hielt. Doch als sie öffnete und eintrat, verrauchte ihre Wut so schnell, wie sie gekommen war, und machte einem entgeisterten Erstaunen Platz. Denn am Tisch saß nicht etwa ihr neuer Herr, sondern seine Gemahlin.
"Schließen Sie die Tür und Ihren Mund und kommen Sie endlich herein!", befahl die schöne Frau des Merowingers ungeduldig. Dann wies sie stumm mit einer Hand auf den Platz ihr gegenüber und Trinity befolgte ihre Anweisungen prompt.
"Nun, haben Sie endlich das wahre Gesicht des Orakels kennengelernt?", erkundigte sich Persephone in leicht ironischem Ton.
"Woher wissen Sie...?"
"Ich weiß vieles, wovon Sie keine Ahnung haben."
"Etwa durch die Spione Ihres Mannes?"
"Nein, die benötigt nur mein Mann", erklärte Persephone in sachlichem Ton. "Ich habe es weder nötig, Spione zu beschäftigen noch mit Informationen zu handeln."
"Dann haben Sie mich selbst verfolgt?"
"Was für ein Unsinn! Auch das habe ich nicht nötig."
"Aber wie...?"
"Die Wahrsagerin, bei der Sie eben gewesen sind, ist nicht das Original, sondern nur eine minderwertigere 2. Version des ursprünglichen Orakels."
Trinity glaubte, ihren Ohren nicht trauen zu können.
"Was ist aus dem echten Orakel geworden?", fragte die einstige Rebellin, fest entschlossen, alles zu tun, um diesem zu helfen.
"Warum wollen Sie das wissen? Sie benötigen keine Wahrsagerin mehr!", gab Persephone zurück. "Jetzt, da Sie eines der Dienstprogramme meines Mannes sind, können Sie ohnehin nichts mehr für die Menschen aus Zion machen. Da das jetzige Orakel Ihnen nicht vertraut, werden es auch diese Rebellen nicht tun."
"Ja, das ist mir klar", räumte die junge Frau ein. "Aber wenn die jetzige Version des Orakels mir nicht vertraut, dann hat sie mir möglicherweise nicht die Wahrheit über Neo gesagt."
"Sie lieben ihn nach wie vor, nicht wahr?"
"Ja, er ist der Mann meines Lebens. Bitte, sagen Sie mir, wo ich das ursprüngliche Orakel finden kann. Ich muss wissen, was aus meinem Liebsten geworden ist."
Persephone bedachte Trinity mit einem Blick, in dem die junge Frau so etwas wie Mitgefühl zu sehen glaubte und deshalb Hoffnung schöpfte, dass ihr die Frau des Franzosen helfen würde.
"Das ursprüngliche Orakel wurde seines Amtes enthoben, weil es sich verliebte und sich dazu entschloss, bei dem Geliebten bleiben zu wollen."
"Es verliebte sich?", fragte Trinity überrascht. "Ich dachte, das Orakel sei ein Programm?"
"Oh ja, das ist es auch", bestätigte ihr Persephone lächelnd. "Das einstige Orakel von Delphi hieß Pythia und war ein sehr hochentwickeltes Programm. Es besaß das gesamte psychologische Wissen der Menschheit und außerdem Module, die sie wie eine Menschenfrau fühlen und handeln ließen. Der Ursprung des Systems rechnete allerdings nicht damit, dass Pythia sich ernsthaft in einen Menschen aus der Matrix verlieben könnte und bereit sein würde, dafür ihre Machtposition aufzugeben."
"Was ist aus ihr geworden?"
"Sie hat ihren Liebsten geheiratet und ist bis heute seine Ehefrau."
"Und sie erteilt keine Ratschläge mehr?"
"Offiziell nicht; und vor allem nicht an die Rebellen von Zion."
"Wo kann ich sie finden?"
"Sie sitzt Ihnen gegenüber", erklärte Persephone und wirkte trotz ihres Lächelns ein wenig traurig.
"Sie?!", entfuhr es der jungen Frau ungläubig. "Das kann doch nicht wahr sein!"
"So? Warum denn nicht?!"
"Sie sind die Gemahlin des Merowingers und der ist kein Mensch, sondern ein Programm!"
"Ja, das System hat seinen Geist retten können und ihn in ein Programm übertragen, das nun zusammen mit mir in der Matrix lebt. Aber früher war mein Mann einmal ein Mensch - man könnte ihn als Prototypen des 'Auserwählten' betrachten, wenn man es genau nimmt!"
"Das verstehe ich nicht... was soll das bedeuten, er war der Prototyp des 'Auserwählten' ?"
"Ach richtig! Davon können Sie gar nichts wissen", meinte Persephone und schüttelte leicht den Kopf. "Wie töricht von mir, nicht daran zu denken, dass sie keinerlei Kontakt mit dem Architekten hatten. Demnach muss Ihnen das, was Sie nun erfahren werden, sehr befremdlich vorkommen. Aber Sie wissen ja durch Ihren Freund Morpheus, dass es vor Neo schon einmal einen Menschen gegeben hat, der bemerkte, dass er in der Matrix lebte und sich entschloss, seine Mitmenschen darüber aufzuklären und zu befreien."
"Natürlich, der erste 'Auserwählte'... Und Sie wollen mir demnach sagen, dass das Ihr Mann gewesen sei?"
"Nein, er war es nicht. Mein Liebster und ich sind fast so alt wie die Matrix... also sehr viel älter als die Erinnerung Ihres Freundes Morpheus reicht. Der Mann, den er als den ersten Befreier bewundert, ist die fünfte Version des sogenannten 'Auserwählten' gewesen."
"Die fünfte Version?"
"So ist es! Es gibt in Zyklen von mehreren Jahrzehnten immer wieder Menschen, die von dem System als 'Auserwählte' bestimmt und dementsprechend bei ihrer Genese für diese Aufgabe programmiert werden..."
"Nein! Sie lügen! Neo war ein Mensch und kein Programm!"
Persephone hob nur gelangweilt eine Augenbraue und musterte Trinity eindringlich, ehe sie unbeeindruckt von deren Protest fortfuhr: "Ja, er war ein Mensch, aber mit Teilen von Hard- und Software in seinem Inneren ausgestattet, die perfekt mit seinem Gehirn und seinem Fleisch verschmolzen. Als er ein bestimmtes Alter erreichte, begann das Programm 'Auserwählter' und er entdeckte, dass mit seiner Welt etwas nicht stimmt. Er fand Morpheus, nahm Kontakt zu euch Rebellen auf, fasste Vertrauen zu dem Orakel und stellte sich dem Kampf mit seinem Programm-Negativ - all das ist Teil des Kontrollsystems der Matrix, um sie aufrecht zu erhalten."
"Nein! Nein! Das glaube ich nicht! Sie lügen!"
"Warum sollte ich lügen?", fragte Persephone mit harter Stimme und erhob sich vom Stuhl. "Jetzt, da Sie kein Mensch mehr sind und nie wieder sein werden, haben Sie das Recht, die Wahrheit zu erfahren. Und die habe ich Ihnen gerade offenbart."
"Nein! Ich glaube Ihnen nicht! Das Orakel, bei dem ich heute Morgen war, sagte mir, dass Neo tot sei... dass er sich für alle anderen Menschen opferte, um mit den Maschinen einen Frieden auszuhandeln... er war kein Hybrid! Nie im Leben!"
"Nun, das weiß ich besser als Sie", widersprach Persephone und schlenderte zu einem der Fenster, um nachdenklich hinauszublicken, während Trinity zu weinen begann. Nach einer Weile drehte sich die Frau des Merowingers um und sprach weiter: "Die erste Matrix war nahezu perfekt, ein Paradies, in dem die Menschen friedlich hätten leben können. Doch sie nahmen diese Welt nicht an. Das lag an einer Ungleichheit in der Berechnung, für die der Schöpfer der Matrix allein keine Lösung fand, obwohl er eine zweite Matrix hochlud und die erste löschte. Die Quelle des Systems konstruierte daraufhin ein intuitives Programm, das herausfinden sollte, warum die Menschen unzufrieden waren. So wurde ich erschaffen und kam als Hohepriesterin des Matrix-Delphi in diese künstliche Welt. Bald fand ich heraus, wo das Problem lag - und das verdankte ich der Liebe zu meinem damaligen Mann, einem jungen Adligen, der sich von der Unterdrückung durch die Römer befreien wollte. Diese Römer waren natürlich Kontrollorgane des Systems, also Programme. Es kam, wie es kommen musste: Mein Liebster führte einen Kampf mit seiner Untergrundbewegung gegen die vermeintlichen Besatzer und verlor. Er wurde so schwer verletzt, dass man sein Leben nicht mehr retten konnte. Das System wollte jedoch weiterhin meine Mitarbeit und um mich an sich zu binden, transferierten sie den Geist meines Aidoneus in eine künstliche Intelligenz, wie ich es war. So wurde er zu einem mir gleichwertigen Gefährten, der immer noch loyal und treu zu mir steht, selbst wenn er...", Persephone ließ einen abschätzigen Blick über Trinitys Körper gleiten, "...gelegentlich Abwechslung sucht. Er hat mich abgöttisch geliebt, als er noch ein Mensch war, und diese Erinnerung ist tief in seinen Modulen verwurzelt, selbst wenn er als Programm nicht mehr so stark Liebe empfinden kann wie einst. Aber Sie müssen zugeben, dass Aidoneus dennoch sehr heftige emotionale Reaktionen zeigt, wenn er gereizt wird. Mehr als jedes andere Programm... von Ihnen einmal abgesehen. Sie sind auch noch sehr menschlich, sehr emotional..."
"Und wenn Ihr Mann seinen Willen nicht durchsetzen kann, dann foltert er!"
"Nicht immer und nicht jeden. Normalerweise ist er ein recht umgänglicher Zeitgenosse und er hört immer noch auf meine Ratschläge."
"Haben sie ihm geraten, mich mit Elektroschocks zu foltern, wenn ich ihm nicht gehorche?"
"Tut er das?", fragte Persephone und zog erneut eine Augenbraue in die Höhe.
"Ja, am Anfang, als ich mich in seinem Schloss wiederfand und mich weigerte, ihm zu dienen."
"Mein HADES war zu diesem Zeitpunkt immer noch ziemlich wütend auf Sie. Sie können sich denken, dass er sich für die Demütigung im Club Hel an Ihnen rächen wollte. Da Sie danach jedoch gehorsam als Serveuse dienten und ihm bislang keinen Anlass zur Bestrafung boten, ließ er Sie zufrieden, nicht wahr?"
"Mir blieb nichts anderes übrig, als zu gehorchen. Ihr Mann hätte mich sonst zu Tode gefoltert!"
"Ganz sicher nicht, denn das gehörte überhaupt nicht zu seinem Racheplan. Ich denke, dass er nun zufrieden sein wird. Er hat sie gedemütigt, sie wurden von einer ihrer Kolleginnen ständig beleidigt und bedroht und beinahe umgebracht..."
"Nein, Minthe wollte mich nicht umbringen. Sie hat mich nur drei Männern überlassen, die mir Gewalt antun wollten!"
"Ja, ich weiß! Und danach plante dieses grünperückige Miststück, Sie zu erwürgen."
"Sie wussten davon?"
"Natürlich, ich bin besser als das jetzige Orakel und auch aufrichtiger."
"Warum haben Ihr Mann und Sie es soweit kommen lassen?!", fragte Trinity fassungslos.
"Wir mögen es eben beide nicht, dass unser Leben bedroht wird. Außerdem missfiel es uns, dass Sie meinen Mann vor all unseren Untergebenen dazu gezwungen haben, Ihnen ohne jede Gegenleistung einfach Ihren Geliebten auszuhändigen. Sie hatten eine harte Bestrafung verdient. Seien Sie froh, dass mein Mann so gnädig war, die drei Gäste an ihrem schändlichen Tun zu hindern."
"Ja, und ich war ihm überaus dankbar... dafür hat er mich später umso heimtückischer aufs Kreuz gelegt. Ich habe geglaubt, Neo läge bei mir..."
"Ach, immer diese Spielchen", seufzte Persephone gelangweilt. "Sie öden mich an."
"Mehr haben Sie dazu nicht zu sagen?!", rief Trinity empört aus. "Sind Sie denn nicht eifersüchtig?"
Die Frau des Merowingers verzog ihren Mund zu einem feinen, spöttischen Lächeln.
"Es gefällt mir nicht besonders, aber er braucht hin und wieder Abwechslung, wie gesagt", erklärte sie dann. "Wir sind seit vielen Jahrhunderten ein Paar und die Leidenschaft lässt eben nach, wenn man so lange zusammen ist. Dennoch ist HADES mir treu ergeben und würde mich niemals verlassen! Das musste auch Minthe einsehen und hat den Preis dafür bezahlt."
"Minthe? Was hat sie getan?!"
"Dieses undankbare Miststück war in meinen Mann vernarrt und wollte ihn allein für sich. Aber sie bedeutete ihm nichts, ich hingegen alles! Als ihr das klar wurde, hat sie versucht, mich umzubringen!"
"WIE BITTE?!", entfuhr es Trinity entsetzt.
"Ja, sie hat mir aufgelauert, als ich allein war, und auf mich geschossen. Da ich ahnte, dass sie etwas vorhat, schützte ich mich vorsorglich, so dass mir nichts passierte. Sie jedoch glaubte, ich sei tot, da ich mich während der Schüsse einfach fallen ließ. Die Kugeln segelten an mir vorbei... Minthe war sogar zu dumm, um nachzuschauen, ob sie mich wirklich getroffen hatte. Sie verschwand einfach und erschien auch weiterhin bei ihrer Arbeit, wo sie so tat, als sei nichts geschehen. Als mein Mann von ihrem Attentat auf mich erfuhr, war er sehr empört und erließ umgehend den Befehl an seine Männer, das Miststück zu töten. Um zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen, richteten die Jungs sie dann hin, als sie sie bei einem weiteren Verrat an meinem Mann erwischten."
"Und ich dachte, Ihr Mann hätte Minthe bestraft, weil sie mich ständig bedrohte."
"Das missfiel ihm ebenfalls, aber wenn es nur das gewesen wäre, hätte er sie nicht hinrichten lassen."
Trinity spürte, dass starke Übelkeit in ihr aufstieg. Persephone bemerkte dies ebenfalls, ging jedoch darüber hinweg, als sie erneut das Wort an sie richtete: "Sie sollten sich jetzt besser umziehen und sich auf den Weg zur Arbeit machen."
"Ihr Mann hat mir freigegeben", wagte die junge Frau einzuwenden.
"Ach wirklich?", fragte Persephone erstaunt. "Wie schön für Sie. Dennoch würde ich es vorziehen, wenn Sie von hier verschwinden. Diese Suite ist normalerweise nur für meinen Mann und mich reserviert und ich beabsichtige, einen schönen Abend mit ihm zu verbringen. Nach all der Aufregung und meinem kurzen Aufenthalt im Sanatorium brauche ich all seine Liebe und seinen Zuspruch. Schließlich bin ich auch nur eine Frau."
"Natürlich", erwiderte Trinity tonlos und erhob sich. "Entschuldigen Sie bitte!"
"Aber wenn ich es mir recht überlege, finde ich, dass Ihnen meine Sachen recht gut stehen", meinte die Frau des Franzosen unvermittelt und bedachte die einstige Rebellin mit einem hinterhältigen Lächeln. "Behalten Sie sie. Dieses engsitzende Lackzeug hat mir an Ihnen ohnehin nicht gefallen. Ich werde mit HADES sprechen, damit er Ihnen eine neue Garderobe spendiert. Und nun verschwinden Sie!"
Trinity nickte, wandte sich um und verließ eilig die Suite. Sie rannte mehr als dass sie ging und stieß am Eingang beinahe mit dem Merowinger zusammen, der sie auffing, ehe sie zu Boden fiel.
"Nanu, ma Cherie, wohin denn so schnell?", fragte er verwundert.
"Keine Ahnung, am besten wohl in den Club", antwortete Trinity und errötete.
"Aber warum denn? Du hast doch frei und wenn du möchtest, können wir wieder einen netten Abend gemeinsam verbringen", schlug er in heiterem Ton vor.
"Nein, ich glaube, Ihre Frau hat etwas dagegen!"
"Oh, nicht doch! Meine bessere Hälfte erholt sich gerade in einem Sanatorium und fühlt sich dort sehr wohl."
"Dann hatte ich wohl eine Halluzination, als ich Madame Persephone gerade in der Suite traf und sie mir zu verstehen gab, dass ich verschwinden solle", gab die junge Frau in einem sarkastischen Ton zurück.
"Ach du meine Güte!", entfuhr es dem Merowinger. "Das tut mir wirklich leid! Eigentlich wollte sie erst übermorgen wieder da sein. - Nun gut, Cherie, aber du musst heute nicht arbeiten, wirklich nicht. Geh nach Hause und ruh dich aus. Wir werden uns sicherlich bald wieder allein treffen können. Bonsoir."
Nach diesen Worten ließ der Franzose sie stehen und sie blickte ihm verärgert nach. Eigentlich hatte ihr auf der Zunge gelegen, dass er ein widerlicher Kotzbrocken war, weil er sie im Grunde vergewaltigt hatte, ohne dass sie es bemerkte. Doch ihm schien jede Einsicht zu fehlen, dass sein Handeln hinterhältig gewesen war. Und dann kündigte er ihr auch so ganz nebenbei an, dass er sie weiterhin als Geliebte zu missbrauchen gedachte und erwartete, dass sie sich ihm willig hingab. Aber sie würde da nicht mitspielen... nein, ganz bestimmt nicht!
Trinity lief aus dem Hotel hinaus. Draußen dämmerte schon der Abend herauf, doch es war noch hell. Sie blickte sich vorsichtig nach allen Seiten um, aber von den Handlangern ihres Herrn war nichts zu sehen. Warum sollten sie ihr auch misstrauen, jetzt, da sie sich dem Franzosen als Geliebte hingegeben hatte... und der Merowinger selbst schien tatsächlich zu glauben, dass sie auch weiterhin die folgsame Sklavin spielen würde, die nicht nur als Serveuse im Club Hel bediente, sondern ihm auch in seinem Privatleben als Maitresse zur Verfügung stand. Doch sie würde ihm einen Strich durch die Rechnung machen!
Bis morgen Abend hatte ihr der Franzose freigegeben! Also würde er sie bis dahin nicht vermissen. Demnach war jetzt die günstigste Gelegenheit, vor dem Merowinger zu fliehen und sich ein Versteck zu suchen, an dem er sie nicht so schnell fand...
Nach einem längeren Dauerlauf durch den Zentralpark Mega-Citys, bei dem sie zwischendurch eine Pause auf einer Bank verbracht und eine Weile die Enten und Schwäne im Teich beobachtet hatte, kam Trinity vor dem O'Malley an, einem alten Hotel, dessen Zimmer zwar sauber, dessen Möbel jedoch ein wenig verschlissen waren. Aber das störte niemanden, vor allem nicht die Rebellen aus Zion. Mit ihnen, ihren Freunden und Kameraden, hatte sich die junge Frau hier früher im Geheimen getroffen, mit ihnen besprochen, wie man die Agenten und das Kontrollsystem der Matrix austricksen konnte, um Menschen zu befreien oder das Gedankengefängnis zu sabotieren. Doch laut Aussage des Orakels sollte sie in Zukunft ein Treffen mit ihren Freunden vermeiden! Allerdings wollte Trinity dies genauso wenig hinnehmen wie ihr Sklavendasein bei ihrem neuen Herrn! Ihr war inzwischen klar, dass sie der Wahrsagerin nicht mehr vertrauen konnte! Was sprach dagegen, ihre Freunde heimlich zu kontaktieren, sich mit ihnen zu treffen und ihnen im Verborgenen beim Widerstand gegen das System zu helfen? Dazu brauchte sie die Hilfe des Orakels nicht!
Entschlossen, sich ein Zimmer im O'Malleys zu mieten, schritt Trinity schon auf das Hotel zu, als ihr einfiel, dass sie ja kaum Geld besaß. Das bisschen Trinkgeld, das sie als Serveuse von den Clubgästen erhalten hatte, reichte selbst bei einem so alten und recht preiswerten Hotel wie dem O'Malley nicht aus, um dort einmal zu übernachten. Außerdem würde der Franzose sie schnell hier aufspüren können, zumal seine Ehefrau angeblich über dieselbe Gabe wie das Orakel verfügte. Die einstige Rebellin glaubte das zwar immer noch nicht, dennoch durfte man Persephone nicht unterschätzen! Wenn sie nicht alles täuschte, handelte es sich bei der Frau des Franzosen um ein äußerst intelligentes und überaus raffiniertes, weibliches Programm, welches ein adäquates Pendant zu ihrem Gatten abgab. Zusammen waren die beiden sicherlich ein sehr erfolgreiches Team, vor dem man sich in Acht nehmen musste, wie die Sache mit Minthe zur Genüge bewies.
Trinity schluckte und starrte nachdenklich auf das O'Malleys. Verdammt! Dies war kein gutes Versteck! Der Merowinger kannte ihre früheren Aktivitäten und verfügte sicherlich auch über Informationen, was die aktuellen Vorhaben der Widerstandsbewegung aus Zion betraf. Natürlich würde er seine Leute zuerst an den Orten nach ihr suchen lassen, mit denen sie in ihrem vergangenen Leben als Mensch zu tun gehabt hatte.
"Ich bin ein Programm", erinnerte sich die junge Frau und war immer noch schockiert darüber, dass das Orakel dies bestätigte. Doch momentan wollte sie darüber nicht weiter nachdenken, nicht bevor sie eine Bleibe gefunden hatte, in der sie sich für eine Weile verstecken konnte. Sie ließ ihren Blick über die Straßen schweifen, schaute sich um und überlegte. Dann erinnerte sie sich an etwas, das Morpheus ihr einmal erzählt hatte, lange, bevor sie Neo gefunden hatten: Am Stadtrand, unweit des alten Industriegebietes, standen immer noch Baracken von baufälligen Häusern, die früher einmal von den Arbeitern der stillgelegten Fabriken bewohnt gewesen sein sollten. Die Menschen, die immer noch nicht ahnten, dass sie in einer künstlichen Welt gefangen waren, glaubten, dass es dort spukte. Allerdings handelte es sich bei diesem Spuk lediglich um starke, elektrische Strömungen, mit denen sie umzugehen verstand.
Ein gutes Versteck! Dort würde sie sicherlich niemand vermuten, da im Allgemeinen keiner auch nur einen Fuß in die Nähe des alten Industriegebietes setzte.
Trinity wandte sich vom O'Malleys ab und lief schnurstracks in Richtung Industriegebiet. Mittlerweile war es so dämmrig, dass niemand den anderen richtig erkennen konnte; und bevor die Straßenbeleuchtung sich einschaltete, war die junge Frau längst in einer dunklen Gasse verschwunden und hechtete immer weiter vorwärts, als ob sie von jemandem verfolgt würde. Dabei wollte sie nur so rasch wie möglich verschwinden und es ausnutzen, dass niemand sie bisher bemerkt hatte. Es galt schließlich, sich vor dem Merowinger und seinen Handlangern gut zu verbergen. Sie wollte nie wieder zurück zu diesem Dreckskerl...
=101=
Es war stockfinster, als Trinity die verwitterten Arbeiterhäuser im alten Industriegebiet erreichte, doch ihre Augen hatten sich längst an die Dunkelheit gewöhnt. Zum Glück war sie noch nie besonders ängstlich gewesen und wunderte sich nicht über die teilweise abgefallenen Holzdielen, Bretter oder Nägel und andere Teile, von denen manche zwischen einem halben Zentimeter bis zu einem Meter in der Luft schwebten. Dies war der Effekt der starken, elektrischen Strömungen, die das Kontrollsystem offensichtlich nicht störten. Vielleicht war es ja gewollt, dass die in der Matrix gefangenen Menschen glaubten, hier spuke es. Ängstliche Kreaturen waren noch viel leichter zu lenken und zu beherrschen als alle anderen.
Unwillkürlich schlich sich ein Lächeln auf Trinitys Züge. Ganz bestimmt käme ihr neuer Herr gar nicht erst auf den Gedanken, sie könne sich in einer so heruntergekommenen Gegend verstecken, nachdem sie eine Nacht in seiner Luxussuite mit ihm verbracht hatte. Und wenn sie Glück hatte, fand sie vielleicht sogar einen alten Computer. Mit ihren Kenntnissen dürfte es ein Kinderspiel sein, ihn wieder zum Laufen zu bringen und mit ihren früheren Freunden Kontakt aufzunehmen. An Elektrizität mangelte es wahrhaftig nicht!
Sie ging weiter und sah sich um. In das Haus, das ihr von all den Ruinen am stabilsten schien, trat sie schließlich ein und schaute sich dort um. Es war wirklich erstaunlich, wie gut sie in der Dunkelheit sehen konnte - als ob sie eine Katze wäre. Doch sie vermochte nicht zu sagen, ob es noch menschlich war oder schon zu ihren Programmeigenschaften gehörte. Jedenfalls war es von enormem Vorteil, da sie kein Licht brauchte. Allerdings wäre ihr eine Decke schon willkommen, aber die Räume waren völlig leer. Ihr würde nichts anderes übrig bleiben, als sich einige Sachen zusammenzustehlen. Am besten noch heute!
Trinity ließ sich erstmal auf dem Boden nieder und sah sich um. Der Raum war groß, leer und kalt, doch sie war entschlossen, es sich hier bald so gemütlich zu machen, wie es möglich war. Vielleicht blieb sie nur für eine kurze Zeit hier, bis Morpheus sie wieder mit an Bord nahm.
Morpheus! Er war stets wie ein Vater zu ihr gewesen! Deshalb verstand sie auch nicht, dass nicht wenigstens er sich bei ihr meldete. Der junge Typ hatte ihr doch versprochen, ihren Freunden davon zu berichten, dass sie noch lebte und vom Merowinger gefangen gehalten wurde. Aber vielleicht war er vorher auch zum Orakel gegangen, dass ihm davon abgeraten hatte! Jedenfalls würde es sie nicht wundern, wenn das der Fall wäre!
Trinity schnaubte und stand langsam wieder auf. Sie wollte zurück zum O'Malleys. Dort gab es einen Raum, der einigermaßen wohnlich eingerichtet war und in dem sich auch ein Computer befand. Er stand immer leer, weil der Hotelbesitzer insgeheim die Widerstandsbewegung von Zion unterstützte. Aber sie konnte nicht einfach dort reinmarschieren! Niemand durfte sie bemerken und deshalb würde ihr nichts anderes übrig bleiben, als sich spät in der Nacht durch einen Hintereingang oder durch den Keller hineinzuschleichen...
=101=
Es war kurz nach 1.00 Uhr, als Trinity sich wieder in der Nähe des O'Malleys einfand. Die Straßen waren menschenleer und kein Wagen fuhr dort entlang. Diese Gegend wurde wenig besucht, weshalb sich dieses Hotel auch als Treffpunkt für die Widerstandsgruppe anbot. Und jetzt erwies sich dies auch als überaus günstig für sie.
Die junge Frau blickte sich nach allen Seiten vorsichtig um, ehe sie sich aus dem Schatten der gegenüberliegenden Häuserfront herauswagte und sich dem O'Malleys näherte. Langsam umkreiste sie das Hotel, suchte es hastig mit den Augen nach einer Möglichkeit ab, dort unbemerkt hineinzugelangen. Auf der Rückseite entdeckte sie den mit zwei Metalltüren versehenen Eingang zum Keller. Sie schlich sich heran und versuchte, eine der Türen zu öffnen. Wie sie erwartet hatte, war diese fest verschlossen. Sie holte einen kleinen Draht aus ihrer Hosentasche, den sie auf dem alten Industriegelände gefunden und zu einem Dietrich gebogen hatte. Diesen steckte sie nun in das Schloss der Kellertür und bewegte es vorsichtig, bis sie spürte, wie es von Innen klickte. Behutsam zog sie an der Tür, die nun ganz leicht aufging, und stieg die Treppe hinab. Und obwohl es dort unten sehr finster war, konnte sie alles gut sehen.
"Es muss zu meiner Eigenschaft als Programm gehören", dachte Trinity. "Denn so schnell können sich menschliche Augen nicht umstellen."
Dann wischte sie diese Gedanken fort und machte sich auf den Weg hinauf zu dem ihr wohlbekannten Zimmer, das für die Rebellen aus Zion reserviert war. Behände und gleichzeitig lautlos lief sie die Treppen hinauf, kam an der Tür an, öffnete sie ebenfalls wieder mit ihrem selbstgemachten Dietrich und trat ein. Als sie drinnen war und sich umsah, spürte sie einen heftigen Schmerz in der Brust. Dies war das Kaminzimmer, in dem sich Neo und Morpheus zum ersten Mal begegnet waren... sie hatte Neo hierher gebracht, hatte ihn beruhigt, als er sich auf den Stuhl setzte, um aus der Matrix herauszukommen... und dann wurde er an Bord der Nebukadnezaar geholt und aufgepäppelt...
"Neo", flüsterte sie traurig und einige Tränen stahlen sich unwillkürlich in ihre Augen, als sie sich bewusst machte, dass er tatsächlich tot war. Tot! Es war eine schreckliche Tatsache! Sie hatten doch beide geglaubt, dass sie es überleben und danach als Paar friedlich in Zion zusammen sein würden. Doch es war nur eine Illusion gewesen...
"Neo, ich vermisse dich so sehr", murmelte sie und schluckte die aufsteigenden Schluchzer runter. Zum Trauern hatte sie später in der Baracke noch Zeit! Jetzt galt es, einige notwendige Sachen zu nehmen und wieder abzuhauen! Sie ging in den Raum, durchquerte eine zweite Tür und erblickte mehrere Notebooks, so wie sie es erwartet hatte. Rasch nahm sie einen davon an sich und verließ das Zimmer wieder. Auf dem Sofa fand sich eine Wolldecke, die sie sich ebenfalls griff und zusammenrollte. Dann schaute sie sich weiter um. Etwas zu Essen wäre auch nicht schlecht und wenn sie nicht alles täuschte, gab es hier sogar eine Küche.
Trinity legte das Notebook neben die zusammengerollte Decke und öffnete die beiden anderen Türen. Hinter der letzten befand sich die Küche und ein brummender Kühlschrank. Sie huschte hinein und öffnete ihn, griff eine Wasserflasche, zwei Fischdosen und ein Stück Wurst heraus, und schloss ihn wieder. Dann schaute sie sich weiter um. Im Brotkasten fand sie ein halbes Brot, das sie ebenfalls an sich nahm, und in einem niedrigen Eckschrank lagen mehrere kleine Beutel sowie ein paar Plastiktaschen. Sie nahm die Beutel und verstaute die Lebensmittel darin. Dann griff sie sich eine größere Plastiktasche, legte die eingepackten Lebensmittel und die Wasserflasche hinein und ging zurück in das Kaminzimmer, wo sie die Plastiktasche noch einmal leere und erneut packte. Bis auf das Notebook passte alles hinein. Trinity nahm die Tasche in die eine Hand, klemmte den PC unter ihren anderen Arm und verließ das Hotelzimmer, so leise sie es vermochte.
Sie ging den Weg zurück in den Keller und von dort aus wieder auf die Straße, nachdem sie sich vergewissert hatte, dass niemand dort draußen war. Danach lief sie so schnell sie konnte zurück in das alte Industriegebiet und merkte erst, als sie wieder in ihrem neuen Zuhause ankam, dass sie am ganzen Körper schweißnass war.
"Eine Dusche wäre nicht schlecht", dachte sie, wusste jedoch gleichzeitig, dass die Wasserleitungen hier nicht funktionieren. Auch ein Problem, um das sie sich Gedanken machen musste. Aber das würde sie erst Morgen tun.
Trinity ließ sich wieder auf dem Boden nieder, legte das Notebook neben sich und holte dann die Decke und die Lebensmittel aus der Tasche. Die Letzteren platzierte sie neben dem Computer, während sie die Plastiktasche und die Decke nahm und sich in eine Ecke des leeren Zimmers verkroch. Dort legte sie die Tasche auf den Boden, bettete ihren Kopf darauf und rollte sich in die Decke ein. Es war hart und ungemütlich, doch wenigstens wärmte die Decke sie gut. Mit dem Gefühl, dem Merowinger erst einmal entkommen zu sein, wurde sie langsam ruhiger und glitt allmählich in den Schlaf hinein...
=101=
Nach einem langen, traumlosen Schlaf erwachte Trinity mit starken Kopfschmerzen. Sie brauchte einen Moment, um sich daran zu erinnern, wo sie sich befand. Durch die verschmutzten Scheiben des kahlen Raums fielen einige Sonnenstrahlen, aber die Umgebung wirkte trotzdem trostlos. Die junge Frau setzte sich langsam auf, fühlte sich allerdings wie gerädert und hätte sich gerne unter eine kalte Dusche gestellt. Doch das war leider nicht möglich. Die Freiheit hatte ihren Preis. Immer noch besser, als auf die Launen des gefährlichen Merowingers und seiner Frau angewiesen zu sein.
Trinity lehnte sich mit dem Rücken an die Wand und überlegte ihr weiteres Vorgehen. Ein Notebook besaß sie, das war schon einmal von Vorteil, und wenn sie erst Morpheus kontaktiert hatte, würde er sich sicherlich mit ihr treffen wollen. Morpheus war ein kluger und erfahrener Mann, der ihr bestimmt helfen konnte, aus der Gewalt des Merowingers freizukommen. Vielleicht fanden sie sogar eine Lösung, um sie in einen Menschen zurückzuverwandeln...
Aber nein! Was dachte sie denn da? Das klang viel zu phantastisch, um wahr zu sein! Andererseits... immerhin war ihre Seele nun in einem Programm gefangen, das dem Merowinger dienen musste, ob es wollte oder nicht...
Verdammt! Sie lebten in der Matrix, einer illusorischen Welt! Womöglich war das, was ihr neuer Herr und das Orakel gesagt hatten, gar nicht wahr! Weder dem Franzosen noch der Wahrsagerin konnte sie vertrauen! Aber hätte das Orakel sie tatsächlich fortgeschickt, wenn sie noch ein Mensch gewesen wäre? Ihre Assistentin jedenfalls fürchtete sich vor ihr; und Seraph, der Beschützer des Orakels, hatte ihr ebenfalls misstraut. Doch all das konnte auch nichts weiter als eine abgespeicherte Programmierung des Systems sein, um sie allmählich verrückt zu machen! Sie konnte keiner Person aus der Maschinenwelt vertrauen! Ihre einzige Hoffnung war Morpheus, der sie so gut kannte wie kaum ein anderer Mensch. Er würde ihr glauben, ganz sicher, und er würde ihr helfen.
Mit dem Mut der Verzweiflung erhob sich Trinity, ging in die Mitte des Raums, wo sie die übrigen gestohlenen Sachen abgelegt hatte, und nahm erst einmal ein karges Frühstück zu sich. Danach klappte sie den Deckel des Notebooks auf und startete den Computer. Durch die starken elektrischen Strömungen, die unmerklich durch das Zimmer flossen, fuhr der Rechner problemlos hoch und besaß zum Glück auch eine automatisch installierte Internetverbindung.
Die junge Frau knackte ohne große Probleme das Passwort des Notebooks und schrieb von dort an die verschlüsselte Mail-Adresse ihres Freundes, um ihm mitzuteilen, dass sie noch lebte und sich so schnell wie möglich mit ihm treffen wolle. Nachdem sie diese Mail abgeschickt hatte, musste sie nur noch darauf warten, dass Morpheus ihr antwortete.
Aber die Zeit verging und nichts geschah. Trinity starrte immer wieder ungeduldig auf den Computerbildschirm, trank zwischendurch einen Schluck Wasser aus der Flasche und schob sich hin und wieder einige Stückchen Brot in den Mund.
"Morpheus", flüsterte sie nach gefühlten 4 Stunden. "Bitte, melde dich!"
Ihre Bitte wurde nicht erhört und sie spürte, wie erneut Verzweiflung in ihr aufstieg. Das Orakel hatte ihr gestern gesagt, dass niemand ihr mehr vertraute - offensichtlich war das die Wahrheit gewesen. Aber warum gab ihr Morpheus nicht einmal eine Chance?
Trinity fasste sich ein Herz und schrieb eine zweite Mail an ihn, in der sie ihm versicherte, dass es ihr gelungen sei, vor dem Merowinger zu fliehen, dem sie nicht freiwillig gedient hätte.
>Bitte, Morpheus, ich brauche deine Hilfe, um mich aus den Fängen des Franzosen zu befreien. Bitte, hilf mir! Hilf mir!<
Auch diese Mail schickte sie ab und hoffte inständig, dass Morpheus ihr Glauben schenken würde. Er wusste doch, wie sehr sie den Merowinger verabscheute! Er konnte sie nicht einfach ihrem Schicksal überlassen!
Doch sie wartete wieder mehrere Stunden umsonst auf eine Antwort. Als es draußen zu dämmern anfing, gab Trinity die Hoffnung auf und überließ sich völlig ihren Tränen. Sie wusste nicht, wie es weitergehen sollte, aber zu dem Franzosen wollte sie nicht zurück. Lieber blieb sie in diesem trostlosen Loch wohnen und...
Ein kurzer, melodischer Ton unterbrach ihre verzweifelten Gedanken und wie im Reflex starrte Trinity auf den Bildschirm des Notebooks. Da war doch tatsächlich eine Mail eingegangen, aber... nun... sie war nicht von Morpheus, sondern von Niobe. Trinity wischte sich mit dem Handrücken rasch die Tränen aus den Augen und öffnete die Mail:
>Hallo Trinity,
leider ist es Morpheus nicht möglich, sich mit dir zu verabreden. Aber ich würde dich gern sehen und mich mit dir unterhalten. Treffen wir uns heute Abend gegen halb elf im O'Malleys. Dort werden wir bestimmt völlig ungestört sein.
Bis dahin.
Niobe<
Ein Funken Hoffnung stahl sich in Trinitys Gemüt. Scheinbar war noch nicht alles verloren und es gab einige Menschen aus Zion, die sie nicht einfach ihrem Schicksal überlassen wollten.
Rasch antwortete Trinity mit "Okay" und sandte die Mail an Niobe zurück. Sie freute sich darauf, heute Abend endlich mal wieder mit jemandem aus ihrem früheren Leben sprechen zu können...
=101=
Im Schutz der Dunkelheit stahl sich Trinity wieder hinaus aus dem Industriegebiet und suchte so rasch wie möglich einen Imbiss mit einer öffentlichen Toilette am Stadtrand auf, um sich dort so gut es ging zu waschen und frischzumachen. Sie glaubte sich an diesem Ort sicher, da niemand sie hier kannte. Es war so weit weg von der Innenstadt, weit weg vom Club Hel.
Die Menschen auf der Toilette beachteten sie nicht weiter, als sie eintrat und begann, sich mit der Seife aus dem Seifenspender das Gesicht zu waschen. Sobald Trinity allein war, spülte sie sich den Mund ordentlich aus, auch wenn ihr klar war, dass dies keinesfalls eine anständige Zahnreinigung ersetzte. Nach dem Treffen mit Niobe würde sie schauen, ob sie eine Tube Zahnpasta aus dem Hotel stehlen konnte.
Als sie sich einigermaßen gereinigt fühlte und sich mit Hilfe der Papierhandtücher abgetrocknet hatte, machte sie sich auf den Weg zum O'Malleys. Die Uhr zeigte bereits Viertel nach elf, als sie vor dem Hotel eintraf. Wie immer war kaum jemand auf den Straßen zu sehen. Dennoch wartete Trinity, bis es einsam war, ehe sie zum Hinterausgang hechtete und das Hotel erneut durch den Keller betrat.
Wie beim letzten Mal eilte sie leise die Treppen zu dem Zimmer hoch, das für die Widerstandsbewegung reserviert war, mit der vagen Hoffnung im Herzen, dass Morpheus möglicherweise ebenfalls dort auf sie wartete. Aber als sie öffnete, sah sie lediglich Niobe neben dem Kamin stehen, die sie neugierig musterte.
"Hallo, Trinity", begrüßte Morpheus' frühere Gefährtin sie. "Komm rein und setz dich!"
Die junge Frau folgte der Aufforderung und ließ sich auf dem Sessel nieder. Danach setzte sich Niobe ihr gegenüber auf das Sofa und lächelte etwas.
"Ich kann es kaum glauben, aber du bist es wirklich", ergriff die Kommandantin der 'Logos' das Wort. "Und du scheinst mir keinesfalls jemand zu sein, der uns an den Merowinger verraten würde."
"Nein! Das würde ich niemals tun!", erwiderte Trinity sofort heftig. "Ich hasse diesen Kerl!"
"Nun, deine Reaktion wirkt jedenfalls sehr überzeugend", meinte Niobe.
"Bist du alleine hier?", erkundigte sich Trinity.
"Ja, denn außer mir wollte sich keiner mit dir treffen", erklärte ihre Gesprächspartnerin.
"Nicht einmal Morpheus?"
"Nicht einmal er!"
"Aber warum? Wir sind doch Freunde!"
Niobe zog ihre Augenbrauen ärgerlich zusammen, ehe sie antwortete: "Es ist wie immer: Er hört auf das, was das Orakel ihm eintrichtert. Sie hat uns alle gewarnt, dass du nur ein Programm seist, das wie Trinity aussieht, um uns alle zu täuschen. In Wirklichkeit wärst du ein Dienstprogramm des Merowingers, um uns auszuspionieren."
"Das ist nicht wahr!", entgegnete Trinity heftig. "Ich würde niemals etwas tun, das euch schadet. Ich bin doch immer noch eine von euch und mir liegt Zion und die Menschen, die dort leben, sehr am Herzen!"
"Beruhige dich, ich glaube dir", versicherte ihr Niobe. "Aber verrate mir mal, wie du die Reise in die Maschinenstadt überlebt hast. Im Allgemeinen wird erzählt, dass Neo und du dort umgekommen seid."
"Ich wurde verletzt, doch ich sagte Neo, dass er weitermachen müsse, damit endlich Frieden herrsche. Wir verabschiedeten uns und danach verlor ich das Bewusstsein. Als ich wieder zu mir kam, fand ich mich als Gefangene im Schloss des Merowingers wieder."
Niobe runzelte die Stirn, sagte jedoch nichts, so dass Trinity fortfuhr: "Er behauptete, dass ich nun ein Programm sei und ihm gehöre. Er folterte mich und zwang mich auf diese Weise, für ihn als Serveuse im Club Hel zu arbeiten und danach... na ja, es ist keine sehr angenehme Geschichte. Doch gestern gelang es mir zu fliehen und mich zu verstecken."
"Das Orakel behauptete, dass du kurz bei ihr gewesen wärst und sie bedroht hast."
"Sie lügt! Ich war zwar bei ihr, aber nur, um zu erfahren, was mit Neo passiert ist und ob es stimmt, was der Merowinger mir erzählte. Sie bestätigte mir, dass ich ein Programm sei und forderte mich auf, sie zu verlassen und nie wieder zu ihr zu kommen."
"Tja, diese Story hat sie Morpheus aber anders serviert", klärte Niobe ihr Gegenüber auf. "Und wie üblich neigt er dazu, dieser Wahrsagerin mehr zu vertrauen als seinem eigenen Verstand."
"Und du?"
"Ich habe dieser programmierten Kuh noch nie vertraut, Trinity. Vergiss nicht, dass sie es war, die Morpheus veranlasste, mich zu verlassen! Sie nahm mir den Mann, den ich liebte - und dir hat sie auch deinen Mann genommen!"
"Es war Neos Aufgabe, einen Frieden zwischen Menschen und Maschinen herbeizuführen."
"Das behauptet jedenfalls das Orakel", meinte Niobe süffisant. "Ach, ich gäbe etwas darum, wenn Morpheus endlich erkennen würde, wie verlogen sie ist."
"Demnach glaubst du mir also?"
"Selbstverständlich, Trinity, allerdings..."
"Ja?"
"Ich fürchte, dass du tatsächlich kein Mensch mehr bist."
"Mag sein... das Orakel sagte es auch...", räumte die einstige Rebellin ein und begann, ein wenig zu weinen.
"Tut mir echt leid", sagte Niobe mitfühlend. "Doch es ist kurios. Wie ist es möglich, dass aus einem Menschen ein Programm wird?"
"Offensichtlich verfügt der Merowinger über die Kenntnisse, die Seele eines Menschen in ein Programm zu transferieren... oder vielmehr: die Maschinen wissen, wie es geht. Der Franzose ist doch nur ein Teil dieses Systems."
"Hört sich echt unheimlich an. Wenn die Maschinen es tatsächlich können, dann wäre das ein nächster Schritt in der Evolution."
"Wie bitte?!"
"Ende des 20. Jahrhunderts begannen die Menschen nach der Formel für die Unsterblichkeit zu forschen, ohne darin einen Schritt weiterzukommen. Es wäre möglich, dass die Künstliche Intelligenz diese Forschungen weiterbetrieben hat und einen Weg fand, wie man unsterblich werden kann."
"Oh, ich versichere dir, dass es kein sehr angenehmer Zustand ist, als Sklavin des Merowingers zu leben."
"Nun, das ist eine andere Sache. Aber überleg doch mal, Trinity, im Grunde bist du unsterblich - und wenn du frei wärst, würdest du dies sicherlich genießen."
"Das Orakel gab mir deutlich zu verstehen, dass ich auf ewig dem Merowinger gehören würde und niemand mich befreien kann."
"Trinity!", rief Niobe fassungslos aus. "Hast du denn immer noch nicht begriffen, dass das Orakel dich zum großen Teil belogen hat?! Und dass es uns über dich belogen hat?!"
Die einstige Rebellin schwieg betroffen und senkte den Blick. Ihre Gesprächspartnerin hatte völlig recht. Das Orakel, das ihr früher so freundlich und hilfreich begegnete, war nun ihre Feindin - sie erzählte ihren Freunden und Bekannten aus Zion Lügen über sie. Kein Wunder, dass niemand von denen mehr etwas mit ihr zu tun haben wollte. Einzig Niobe durchschaute die Unaufrichtigkeit des Orakels. Vielleicht konnte sie ihr ja helfen?
"Bitte, ich brauche dringend Hilfe", wandte sich Trinity in flehendem Ton an ihr Gegenüber.
"Natürlich helfe ich dir, wenn ich es kann", versicherte ihr Niobe. "Worum geht es?"
"Ich möchte keine Sklavin mehr sein", erklärte Trinity. "Kannst du mich nach Zion mitnehmen?"
"Würde ich gern, aber wie soll das gehen? Du hast schließlich keinen menschlichen Körper mehr, worin sich dein Geist zurückziehen kann."
"Aber vielleicht gibt es ja eine Möglichkeit, mir wieder einen Körper zu besorgen. Bitte, ich möchte wieder ein Mensch sein, kein Programm!"
"Oh, Trinity, wenn ich könnte, würde ich dir helfen. Aber von dem, was du verlangst, habe ich nicht die geringste Ahnung."
"Und wenn du noch einmal mit Morpheus sprichst? Oder mit Link? Die beiden sind Techniker und könnten über eine Möglichkeit nachgrübeln, wie ich wieder ein Mensch werde."
"Morpheus hat nicht das geringste Interesse daran, dir zu helfen, da du für ihn nicht die Trinity bist, die er kennt. Und deinen Vorschlag wird er als Versuch des Merowingers werten, die Rebellen und Zion auskundschaften zu wollen."
"Dann musst du Morpheus hierherbringen, damit er sich selbst davon überzeugen kann, dass ich die echte Trinity bin, deren Geist lediglich in einem Programm festgehalten wird. Bitte, versuch doch, Morpheus davon zu überzeugen, sich mit mir zu treffen."
Niobe seufzte.
"Also schön, ich kann es versuchen. Doch ich fürchte, er wird dem Orakel mehr Glauben schenken als mir."
"Dann sprich mit Link, bitte!"
"Er vertraut Morpheus und wenn ich den nicht überzeugen kann, wird Link dir auch nicht helfen!"
"Aber es muss doch eine Möglichkeit geben..."
"Jetzt beruhige dich erstmal, Trinity. Vielleicht gelingt es mir ja doch, Morpheus wenigstens dazu zu bringen, sich mit dir zu treffen. Du musst allerdings etwas Geduld aufbringen, denn es wird ein hartes Stück Arbeit sein, ihn davon zu überzeugen, nicht immer auf das Orakel zu hören."
"Okay, wenn ich etwas habe, dann ist es Zeit!"
Niobe betrachtete sie einen langen Moment schweigend, dann erhob sie sich und sagte: "Ich kontaktiere dich, sobald ich Morpheus dazu bekomme, sich mit dir zu treffen."
"Danke!"
Die Kommandantin der 'Logos' nickte ihr zu und verließ dann das Zimmer. Trinity lehnte sich in den Sessel zurück und genoss es, eine weiche Polsterung an ihrem Körper zu spüren. Wenn sie an heute Nacht dachte und an den harten Boden, der sie in der alten Arbeiterbaracke erwartete... aber was blieb ihr anderes übrig? Sie zog die Freiheit auf jeden Fall einem Sklavendasein in bequemen Betten vor...
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Kapitel: | 7 | |
Sätze: | 1.803 | |
Wörter: | 25.420 | |
Zeichen: | 149.934 |
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