Lord Megatron, Anführer der Decepticons, stand auf der Brücke der Nemesis und betrachtete verächtlich den Planeten, der vor ihm lag. Mal abgesehen von seinem mittelmäßigen Energonvorkommen war der Planet völlig wertlos, ebenso seine Bewohner, die Menschen. Was fanden die Autobots bloß an ihnen? Wieso beschützten sie die Fleischlinge? Megatron verstand nicht, wie seine Feinde so leichtsinnig sein konnten. Am schlimmsten war ihr Anführer, Optimus Prime. Er würde jederzeit sein Leben für das eines Menschen opfern, obwohl dieser sowieso ein paar Jahre später entweder auf natürliche oder unnatürliche Weise gestorben wäre. Nein, er verstand die Autobots wirklich nicht. Megatron wurde abrupt aus seinen Gedanken gerissen, als Knockout die Brücke betrat. Der Medic hatte eine Vorliebe für die Straßenrennen der Menschen entwickelt, und war daher einer der wenigen Decepticons mit einem individuellen Alt Mode, auch wenn seines in Megatrons Augen übertrieben wirkte. Doch er ließ Knockout gewähren, da dieser bei seinen Rennen des Öfteren einen seiner Gegner von der Straße drängte und ihn einen Unfall bauen ließ.
„Lord Megatron?“, fragte Knockout, und Megatron hörte die Furcht und den Respekt heraus. Keiner seiner Untergebenen würde es wagen sich ihm zu widersetzen; selbst Starscream, der es auf seine Position abgesehen hatte und oft versuchte ihn zu stürzen, wenn nicht sogar zu töten, gab sich Mühe, ihn nicht all zu sehr aufzuregen. Der Decepticonlord drehte sich leicht zu seinem Medic um, um zu signalisieren, dass er zuhörte. „Wie ihr vielleicht wisst, feiern die Menschen zu dieser Zeit ein Fest namens Weihnachten“, begann dieser, „und es wird viel gefeiert und so. Es ähnelt unserem Fest Sparknachten. Und ich wollte euch fragen, ob… ähm… ob ihr mir und Breakdown vielleicht Urlaub gewährt?“
Der rote Decepticon musste die Antwort bereits erahnt haben, trotzdem zuckte er zusammen, als sein Anführer ihn plötzlich anbrüllte: „Urlaub? Wovon braucht ihr Urlaub? Von dem faulen Rumsitzen und Nichtstun? Nein, ihr bleibt hier und seid gefälligst nützlich, es sei den ihr wollt eins mit dem All Spark werden!“ Zitternd verneigte sich der Medic, ehe er schleunigst die Brücke verließ. Megatron wandte sich wieder der Erde zu. Was sich seine Soldaten schon alles erlaubten! Er hatte niemals Urlaub gegeben, und er würde sich hüten, das jemals zu tun! Das war schließlich auch einer der Unterschiede zwischen den Cons und den Bots. Die Cons waren effizient und ausdauernd, sie brauchten keinen Urlaub, während die Autobots Urlaub hatten und dann unkoordiniert waren. Nein, Megatron ließ nicht zu, dass seine Untergebenen verweichlicht waren! Einige Vehicons betraten die Brücke, gefolgt von Soundwave. Es war Zeit für einen Schichtenwechsel. Der Decepticonlord nickte seinem Kommunikationsexperten kurz zu, ehe er in sein Quartier ging um Stasis zu halten.
Megatron wälzte sich unruhig in seinem Bett herum. Er hatte das Gefühl, beobachtete zu werden. Schließlich hielt er es nicht mehr aus und stand auf. „Wer ist da?“, fragte er ungehalten. Zu seiner eigenen Überraschung erschien plötzlich eine Gestalt. „Was zum… Starscream?“, entfuhr es ihm überrascht, doch er fing sich gleich wieder und fauchte die Gestalt an. „Wie bist du hier reingekommen? Das wird noch ein böses Nachspiel für dich geben!“
Doch den Angesprochen schien das herzlich wenig zu interessieren. Stattdessen sprach er mit ruhiger Stimme: „Ich bin nicht Starscream. Ich bin der Geist der vergangenen Sparknacht. Ich werde dich zurück in deine Vergangenheit führen, als du mit deiner Familie Sparknachten gefeiert hast.“ Mit diesen Worten und ohne auf die Proteste des Decepticonlord einzugehen, hob der Geist eine Hand und um Megatron und dem Geist wurde es finster.
Dann wurde es wieder hell, doch sie befanden sich nicht mehr an Bord der Nemesis. Megatron erkannte den Ort sofort. Sie befanden sich in einem Haus auf Cybertron, in dem Haus, in dem er aufgewachsen war. Da waren auch seine Schöpferin und sein Bruder Optimus als Kind. Und… Megatron stockte der Atem. Neben Optimus saß er selbst als Sparkling. „Orion, Megatronus! Kommt jetzt erst mal essen, wenn ihr schön brav seid, bringt euch der Sparknachtsmann auch sicher ganz viele Geschenke!“, rief Megatrons Schöpferin. Klein Optimus lief ihr sofort hinterher in einen anderen Raum, während Klein Megatron nur lustlos am Boden saß. Da kam seine Schöpferin wieder. „Megatronus, komm schon, gleich kommt der Sparknachtsmann!“
„Mama, es gibt keinen Sparknachtsmann! Hör doch endlich mal auf, immer solch kindische Geschichten zu erzählen!“, murrte Klein Megatron und verdreht die Augen.
Klein Optimus hatte alles mitbekommen. „Was soll das heißen? Natürlich gibt es einen Sparknachtsmann, von dem kommen ja die Geschenke. Mami, warum erzählt Megatronus Lügen?“, fragte er mit weinerlicher Stimme.
Seine Schöpferin wollte etwas sagen, doch Klein Megatron war bereits aufgestanden. „Du glaubst noch immer an den Sparknachtsmann? So ein Schwachsinn! Denn hat man nur erfunden, damit so kleine Sparklinge wie du darauf reinfallen!“, fauchte er seinen Bruder an.
Dieser brach nun endgültig in Tränen aus. „Mama, mach, dass er aufhört!“, rief Klein Optimus unter Tränen.
„Megatronus, auf dein Zimmer!“, befahl die Femme schließlich. Klein Megatron stolzierte hoch erhobenen Hauptes aus dem Zimmer, und es wurde wieder Dunkel.
In der plötzlich hereingebrochenen Finsternis ertönte wieder die Stimmer des Geistes: „Nun hast du gesehen, wie du anderen Sparknachten verdorben hast, obwohl sie dir nichts getan hatten. Noch in dieser Nacht werden dich zwei weitere Geister besuchen.“ Mit diesem Worten wurde es wieder hell, und Megatron befand sich wieder in seinem Quartier. Der Geist der vergangenen Sparknacht war verschwunden.
Megatron lag in seinem Bett, doch es war ihm unmöglich Stasis zu halten. Wie sich jedoch bald herausstellte, war das nicht nötig, denn fünf Minuten nach dem Verschwinden des ersten Geistes erschien eine weitere Gestalt im Nebel. Nachdem Megatron halbwegs etwas erkennen konnte, zwang er sich keinen giftigen Kommentar los zu werden. Vor ihm stand niemand anderes als Knockout. „Und was willst du?“, fragte Megatron knurrend.
Sein Gegenüber ließ sich davon nicht beeindrucken und sprach: „Ich bin der Geist der diesjährigen Sparknacht. Ich werde dir zeigen, wie andere zu dieser Zeit feiern.“ Und wieder wurden sie von der Dunkelheit verschluckt, bis sie in der Basis der Autobots waren. Megatron war verblüfft. Was sollte er bei den Autobots? Doch bevor er den Geist danach fragen konnte, hörte er Gelächter. Er wandte sich um und sah die Autobots und ihre menschlichen Freunde, und jede Menge Geschenke.
Das Mädchen, Miko, hatte gerade eines ihrer Geschenke aufgemacht. Es war das Modell eines grünen Geländewagens. „Danke, Bulk!“, rief sie entzückt und umarmte das Bein ihres Beschützers. Der Wrecker freute sich darüber und lächelte selig.
„Aber Miko, das ist nicht von Bulkhead, das ist vom Weihnachtsmann!“, lächelte June Darby, Jacks Mutter.
„Mom! Wir sind keine Babys!“, verdrehte der junge Mann die Augen, lächelte aber.
„Was denn? Ich bin eine Erwachsene und schreibe immer noch Wunschzettel an den Weihnachtsmann!“, scherzte June, woraufhin erheitertes Gelächter ausbrach.
Die drei Kids packten ihre restlichen Geschenke aus und bedankten sich jedes Mal aufs Neue. Als sie damit fertig waren, stellten sie sich vor die anderen und Jack sagte: „Da wir nicht wussten, was wir euch schenken konnten, haben wir beschlossen, ein kleines Gedicht vorzutragen!“ Er räusperte sich, ehe er, Miko und Raf das Gedicht aufsagten:
„Zu Weihnachten wünschen wir alles Gute!
Mit euch ist uns immer froh zu mute!
Ohne euch Autobots wäre es langweilig,
Darum seid ihr uns heilig!“
Die Autobots applaudierten, sie waren von diesem Geschenk sehr begeistert. „Hey, Optimus! Was hast du dir zu Weihnachten gewünscht?“, fragte Raf.
Der Prime lächelte in die Runde, ehe er antwortete: „Ein schönes und friedliches Fest mit euch!“ Alle waren von diesen Worten gerührt, selbst Megatron.
Plötzlich wurde es dunkel, und wenige Sekunden später befand sich Megatron wieder in seinem Zimmer. Der zweite Geist sprach: „Nun hast du gesehen, wie andere sich an diesem Fest erfreuen. Noch in dieser Nacht wird dich ein weiterer Geist besuchen!“ Und der Geist verschwand.
An Stasis war nicht zu denken. Megatron saß auf seinem Bett und wartete gespannt auf den dritten Geist. Es müsste der Geist der zukünftigen Sparknacht sein. Nach einer halben Erdenstunde wurde es nebelig in seinem Quartier, und eine weitere Gestalt erschien. Sobald sich der Nebel gelichtet hatte, konnte Megatron seinen Kommunikationsexperten Soundwave erkennen. Der Anblick überraschte ihn kaum, und als es wieder finster wurde, quittierte der Decepticonlord das ohne das geringste Meckern. Doch die Umgebung, in der er sich einen Augenblick später befand, verwunderte selbst ihn. Er befand sich auf einem Schlachtfeld. Einige Meter von ihm entfernt hockte er selbst am Boden, nur eben viel älter. Seine Panzerung war zerschrammt, teilweise war sie aufgebrochen. Energon lief aus verschiedenen Wunden. Um ihn herum standen die Autobots und einige Decepticons.
„Verräter!“, keuchte der ältere Megatron die Decepticons an.
Diese sahen ihn nur herablassend an. „Du hast dir dein ganzes Unglück selbst verschuldet!“, knurrte Starscream, und Knockout nickte zustimmend. Selbst Soundwave rührte sich nicht, um dem Decepticonlord zur Hilfe zu eilen.
Der ältere Megatron versuchte aufzustehen, doch ein Tritt seitens Breakdown beförderte ihn ganz schnell wieder auf den Boden. „Wie könnt ihr es wagen!“, fauchte Megatron.
„Nun ist es vorbei. Wir werden eine neue Ära einleiten, aber du wirst das nicht mehr erleben!“, sagte Optimus Prime und richtete seine Waffe auf Megatron.
Dieser brachte nur noch ein schwächliches „Nein!“ heraus, dann wurde er erschossen, und es wurde wieder dunkel.
Als Megatron erwachte, lag er in seinem Bett in seinem Quartier auf der Nemesis. Schnell stand er auf und eilte auf die Brücke. „Soundwave!“, rief Megatron seinem Kommunikationsexperten zu. „Wo befindet sich Knockout?“ Der Angesprochene deutete auf einen Plan der Nemesis. Ein leuchtender Punkt zeigte Knockouts Position an. Er war in der Krankenstation. „Danke!“, meinte Megatron zu Soundwave. Auch wenn man ihm nichts anmerkte, der Kommunikationsexperte war mehr als überrascht. Seit wann bedankte sich Megatron bei seinen Untergebenen?
Während Soundwave noch über das Verhalten des Decepticons grübelte, erreichte dieser die Krankenstation. „Knockout!“, rief er, woraufhin der Medic erschrocken zusammenzuckte. „Was verschafft mir die Ehre, mein Lord?“, fragte er sich vorsichtig.
„Solltest du nicht irgendwo auf der Erde sein und mit Breakdown Weihnachten feiern?“, grinste der größere Mech.
Knockout blickte leicht verwirrt. Hatte er sich gerade verhört? „Ähm, Lord Megatron? Seid ihr sicher, dass es euch gut geht?“, erkundigte er sich.
„Mir ging es nie besser, und jetzt nimm dir den restlichen Tag frei und geh feiern!“, lachte der Decepticonlord. Der rote Mech war nach wie vor verwirrt, doch er hielt es für besser keine weiteren Fragen zu stellen und eilte stattdessen zu seinem Partner, um ihm die erfreuliche Nachricht mitzuteilen.
Megatron machte sich derweil wieder auf den Weg zur Brücke. „Soundwave, ich möchte, dass du eine Nachricht an alle Decepticons schickst!“, befahl er seinem Kommunikationsexperten. „Jeder, der möchte, darf sich heute frei nehmen! Und wünsch ihnen Frohe Weihnachten von mir!“
Soundwave starrte ihn wie vom Donner gerührt an, dann tat er wie geheißen. Vielleicht hatte der graue Decepticon einfach nur verdorbenes Energon zu sich genommen. Leise vor sich hin summend ging Megatron in sein Quartier. Gleich morgen würde er Kontakt zu den Autobots aufnehmen. Der Krieg dauerte schon lange genug, und er hatte bestimmt nicht vor, wie sein mögliches zukünftiges Ich zu enden.
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