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Sätze: | 81 | |
Wörter: | 987 | |
Zeichen: | 5.603 |
Weiß. Das Kleid, die Haut. Schwarz. Die Haare. Rot. Die Augen.
Aiden wusste genau, wen er hier vor sich sah, und doch überraschte es ihn, dass sie sich ihm so offen zeigte. Normalerweise waren Banshees scheue Wesen, die man eher hörte denn sah. Er betrachtete die Gestalt im Türrahmen noch etwas länger. Sie war hager und großgewachsen. Das Kleid schmutzig und an manchen Stellen zerrissen. Wären die Augen nicht so rot vom vielen Weinen und die Haut nicht so blass, dann hätte Aiden sie sogar schön gefunden.
Ihm war jedoch genauestens bewusst, was es bedeutete eine Banshee zu sehen. Sie waren die Verkünder des Todes. In den nächsten Tagen würde jemand aus der Familie versterben. Wer, das wusste er nicht. Darauf gaben Banshees keinerlei Hinweise.
Vermutlich war es Tante Maev. Sie hatte schon acht Jahrzehnte überdauert und kämpfte zurzeit gegen den Krebs, der von ihr Besitz ergriffen hatte. Den Ärzten zu Folge standen die Chancen nicht sehr gut, dass sie überlebte. Aiden seufzte. Er mochte seine Tante sehr gerne. Sie hatte sich immer um ihn gekümmert, wenn seine Eltern auf Geschäftsreise waren.
Er hoffte für sie, dass es schnell gehen würde.
Aiden erhob sich. Das Gras hatte Muster auf seiner Haut hinterlassen. Er sollte Colin nicht weiter alleine lassen. Er machte sich bestimmt schon Sorgen um ihn. Klar, sie hatten sich ziemlich gestritten und Aiden war wutentbrannt aus dem Haus gestürmt, aber Colin hatte das nicht verdient. Er wusste wie sensibel sein Partner reagieren konnte.
Die Banshee stand noch immer im Türrahmen, als Aiden die Veranda erreichte. Sie machte auch keinerlei Anstalten zu verschwinden.
Sonderbar.
Aiden zuckte mit den Schultern. Irgendwann würde sie schon wieder verschwinden.
Als er das Haus betrat, umgab ihn eine angenehme Kühle. Tief sog er die Luft ein. Er und Colin hatten gut daran getan, sich etwas abseits der großen Städte ein Haus zu suchen. Hier war die Luft so klar und sie waren umgeben von schönster Natur. Aiden würde nicht mehr woanders wohnen wollen. Irland war jetzt seine Heimat. Natürlich vermisste er auch Kanada, aber hier fühlte er sich einfach wohl.
Ein Schluchzen riss Aiden aus seinen Gedanken.
Es kam aus einem der hinteren Zimmer. Ihrem Zimmer. Colin weinte.
Augenblicklich kamen Schuldgefühle in ihm auf. Er hätte ihn nicht so dafür anfahren dürfen, dass er sich um ihn sorgte. Colin meinte es nur gut.
Zu gut. Aiden brauchte nicht ständig Hilfe, er schaffte auch alles alleine. Natürlich war manches schwerer für ihn zu erledigen, aber er konnte es und er wollte keine Hilfe. Seit seiner Geburt kam er mit nur einem Arm klar.
Gedanklich gab sich Aiden eine Ohrfeige. Es war jetzt nicht von Belang, was er dachte oder wie er fühlte. Er musste sich jetzt um Colin kümmern.
Rasch folgte er dem kleinen Flur. Unter der Tür sah er das Licht hindurch scheinen. Kurz hielt er inne, überlegte ob es klopfen sollte, oder ob er einfach die Tür aufstieß.
Was machte er sich eigentlich darüber Gedanken? Er wohnte seit drei Jahren mit Colin zusammen. Es war ebenso Colins wie seine Wohnung.
Aiden drückte die Klinke hinunter. Oder vielmehr versuchte er es. Seine Hand glitt einfach durch den kupfernen Griff.
Verwirrt blinzelte der gebürtige Kanadier. Dann zuckte er mit den Schultern. Er stand wohl gerade etwas neben sich und hatte einfach den Griff verfehlt.
Diesmal war sich Aiden sicher, dass er den Griff nicht verfehlt hatte, aber wie beim ersten Mal glitt seine Hand wieder einfach hindurch.
Was war hier nur los? Wieso …?
Aiden beschlich eine ganz schlechte Ahnung. Das konnte doch unmöglich sein.
Sie hatten sich gestritten, Aiden war in ihr Zimmer gestürmt, um sich etwas abzureagieren. Colin hatte er im Wohnzimmer zurück gelassen. Er hatte etwas schlafen wollen, doch so aufgewühlt wie er war, hätte er ohne nicht schlafen können.
Er schüttelte den Kopf. Von einer einfachen Schlaftablette starb doch niemand. Aiden würde nur herausfinden, was passiert war, wenn er das Zimmer betrat.
Er schluckte seine Angst vor dem Anblick, der ihn erwartete, hinunter und machte einen Schritt nach vorne. Tatsächlich glitt er einfach durch die Tür hindurch.
Colin saß auf dem Bett und wiegte Aidens Kopf in seinem Schoß. Seine Augen waren schon ganz gerötet.
Der Anblick brach Aiden das Herz. Wie gerne hätte er seinen Partner jetzt in den Arm genommen, ihm gesagt, dass alles gut werden würde. Aber er konnte es nicht.
Vorsichtig ging er näher auf das Bett zu. Auf dem Boden erblickte er eine leere Tabletten Packung. Er sah sie sich genauer an. Das waren nicht seine Schlaftabletten. Es waren welche von Colin. Aiden hatte die falschen Tabletten genommen. Und in Colins befand sich ein Wirkstoff, den er nicht vertrug.
Für Colin musste es so aussehen, als habe er sich absichtlich umgebracht.
Vehement schüttelte Aiden den Kopf. Nein, nein, nein. Irgendwie musste er Colin zeigen, dass es ein Unfall war. Er hätte ihn doch nie freiwillig verlassen.
„Du kannst nichts tun.“
Die Banshee hatte ihn angesprochen. Er starrte sie an. Dann schüttelte er wieder den Kopf. Etwas musste es doch geben!
„Sein Schicksal ist besiegelt, so wie deines es auch war.“
Nach diesen paar Worten war sie verschwunden. Einfach weg.
Aiden trat dicht an das Bett heran, wo Colin noch immer saß. Seine Tränen waren versiegt, doch sein Gesicht zierte jetzt ein entschlossener Ausdruck. Er stand auf, ging zu der kleinen Kommode unter dem Fenster, öffnete die unterste Schublade und holte einen, in Tücher eingewickelten, Gegenstand hervor.
Colin ging wieder zum Bett, packte den Gegenstand aus und Aiden erstarrte. Sein Freund legte sich neben seinen toten Körper und hielt ihn sich an die Stirn.
„Nein!“
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MisterY • Am 05.11.2019 um 21:27 Uhr | |
Ok ganz kurz. Checkliste zu wichtigen Aspekten einer Kurzgeschichte: Kurz genug um es in einer Sitzung zu lesen--Check; Endet in einem Höhepunkt-- Check; Jedes Wort muss zu seinem Zweck mitwirken-- Check; die Story muss in einer Stimmung geschrieben werden-- Check. Die Story an sich ist gelungen und wirkt schon interessant. Die Form-- also der Erzähler-- passte mit einigen Wörtern nicht so ganz überein-- das war das Einzige was mich etwas störte. Wenn es eine Erzählerform in der dritten Person ist und der Erzähler die Gefühle der Charaktere sehen kann; dann ist es ein allwissender Erzähler. Wie der Name sagt weiß er alles-- das heißt das Sätze wie "Was ist da nur los?" etc. nicht passen. Dazu würde dann ein beobachtender Erzähler passen; jemand der nur beobachten kann und nicht in die Gedanken eindringen kann. Das Ende-- düster-- i like it; weil ich Horrorschreiber bin und es häufig düster mag. Thanks für die angenehme kurze Zeit. Mehr anzeigen | ||
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HikariDTenshi • Am 07.06.2017 um 21:29 Uhr | |||
Hallo! Deine Geschichte gefällt mir. Sie ist spannend und bietet einige Plottwist ist zwar jetzt nicht das richtige Wort, aber mir fällt kein Richtiges dazu ein. Die Charaktere sind sympathisch, aber das Ende war sehr düster. Eine Fortsetzung wäre schon toll. LG HikariDTenshi |
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