"Ah, Herr Müller. Jetzt, da Sie ein richtiger Facharzt sind, darf ich Ihnen diesen Fall übertragen."
Ich war so voller Tatendrang und will unbedingt meine Fähigkeiten unter Beweis stellen. Ich habe einen Patienten bekommen, der schon seit vielen Jahren in unserer Einrichtung ist.
"Warum haben wir diese Frau weggeschickt? Sie sehen doch wie verzweifelt sie ist. Das Jugendamt droht ihr die Kinder wegzunehmen."
"Na, umso besser. Dann ist sie doch die Blagen los, und kann sich richtig um sich selbst kümmern. Dann braucht sie uns nicht, und es steht noch ein Bett mehr zur Verfügung."
"Ist das Ihr Ernst? Ich kann nicht fassen, was Sie da sagen. Und warum nehmen wir nur Patienten, die absolut nichts ändern wollen."
"Herr Müller, jetzt sehen Sie das ganze von unserer wirtschaftlichen Seite: Genau diese Leute sorgen dafür, dass hier der Laden noch weiter läuft. Jetzt, überlegen Sie doch Mal. Wenn jede Behandlung sofort von Erfolg gekrönt ist, dann sind diese Irren schneller weg als unserer Kasse lieb ist. Oder glauben Sie, dass man uns unsere Medikamente aus reiner Herzengüte zur Verfügung stellt? Je uneinsichtiger jemand ist, desto mehr kann man an ihn ausprobieren; das heißt, wir bekommen eine breite Palette an guten Stoff, verschiedenen Werkzeugen, Spezialisten und anderen nützlichen Ausstattungen. Außerdem bekommen wir dadurch all unsere Studien und Forschungen finanziert. Ich verstehe ja, dass Sie helfen wollen, aber Sie sollten auch daran denken, dass Sie Rechnungen bezahlen müssen, denn schließlich müssen wir auch sicherstellen, dass Sie auch bleiben."
"Dann soll ich nur zuschauen wie jemand ins Elend geht"
"Ach, jetzt übertreiben Sie aber. Natürlich werden wir dieser Mutter helfen. Sobald das Jugendamt eine Behandlung bei uns als Auflage festgelegt hat, damit sie ihre Kinder wiederbekommt. Und jetzt entschuldigen Sie mich. Ich muss mich noch mit einer Kita darüber absprechen wie man am besten ein bestimmtes Kind als unbeschulbar einstufen kann. Dann kann ich ihn an den Kollegen überweisen, der gerade dringend neue Patienten braucht."
