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Red Leights Trinita

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19.04.24 09:53
18 Ab 18 Jahren
Heterosexualität
In Arbeit

Autorennotiz

Vorweg ein paar kleine Dinge: Die Geschichte habe ich begonnen, als ich 16 Jahre alt war, beendet irgendwann mit 20 oder 21 vielleicht. Einige Jahre später habe ich ein paar Dinge überarbeitet - manches aus Gründen des Zeitgeschehens, manches damit es zu den Fortsetzungen passt. Darüberhinaus ist die Geschichte geblieben, wie sie ursprünglich war... machmal etwas langatmig, aber eine großartige Hommage an mein 16-jähriges Ich - eine Person, die unbedingt einen Roman schreiben wollte.

Ergänzen möchte ich auch, dass es für Reds Abenteuer eine umfassende Storyline gibt, an deren Umsetzung ich sporadisch arbeite, gearbeitet habe und arbeiten werde. Ob es jemals fertig wird (das Ende gibt es nämlich schon), weiß ich nicht - aber so lange es Spaß macht, wird es fortgesetzt.
Und jetzt - viel Freude damit!

'Komische Regeln haben wir genug - also wer weiß...trotzdem...erst einen dämlichen Job bekommen und dann auch noch ohne Begleitung reisen! Alles Scheiße heute!'
Nach dem Abschluss an der Koalitionsakademie hatte Leutnant Red Leight ihre Zuweisung erhalten und die Enttäuschung darüber hatte sich bis zum heutigen Tag nicht gelegt. Die Einteilung für eine winzige Planetenstation im Außerhalb konnte sie sich nicht erklären. Die Fliegerstaffel eines Forschungs- oder Kriegsschiffes war Reds Traum gewesen. Auch in einer Spezialeinheit hätte sie sich wohl gefühlt. Doch ein einsamer Wüstenplanet? Das wollte einfach nicht in ihren Kopf gehen.
'Blöder Mist, ich will nicht in die Wüste! Warum? Dort verkomme ich. Ja, ich werde vor Langeweile sterben! Hoffentlich darf ich wenigstens ein bisschen fliegen! Wenn nicht, dann...weiß nicht... Ach, ich versteh's nicht. Meine Noten waren doch ganz ordentlich. Wozu eigentlich? Lead meinte, daß es genau das Richtige wäre! Ha, ich dachte, er wüsste, was ich wollte!'
Der frischgebackene Leutnant ahnte nicht, was für sie und neun weitere Wesen geplant worden war. Nur wenige Personen kannten alle Details - darunter Comander Arogada Lead. Dieser hatte Red Leight, die damals gerade das letztes Jahr an der Akademie begonnen hatte, den Eingeweihten vorgeschlagen. Erst nach der Präsentation zahlreicher Leistungsnachweise und umfangreicher Persönlichkeitsanalysen wurde sein Vorschlag akzeptiert. Zur großen Überraschung aller Beteiligten und zu Leads persönlicher Erleichterung gelangte Red Leight am Ende der komplizierten Auswahlprozesse tatsächlich ins Team.
Jetzt saß Red seit einem halben Standardtag in einem ausgemusterten Truppen-Transporter des Militärs auf dem Weg zu ihrem Einführungsseminar. Das angesteuerte Ziel hieß Trinita, ein unbewohnter Koalitionsplanet mit einer kleinen, selten genutzten Station. Das Zimmer an der Akademie hatte Red bereits räumen müssen und so hockte sie nun, umgeben von ihrer gesamten Habe, auf einer Bank im trostlosen Frachtbereich des Schiffes. Apathisch hingen die Augen an der grauen Schiffswand, während ihr Gefühlszustand von Enttäuschung zu Langeweile, Wehmut, Selbstmitleid, Unruhe, Neugier und wieder zurück wechselte.
'Kein anderer Absolvent hatte in den Ferien so ein seltsames Seminar. Nur mein Urlaub ist futsch! Echt unfair! - Aber Lead hat's befohlen und der wird wissen, was er macht. Ach ja, das Gewarte ist Scheiße! So langweilig - und überhaupt... Seminar klingt nach lernen.. Schon wieder lernen! Nach sieben Jahren Ausbildung! Wer braucht soviel Wissen? Ich nicht! - Aber gut, ich kann's nicht ändern. Hoffentlich stell ich mich nicht zu blöd an und alles klappt. - Ach, Scheiße, es ist sooo langweilig! Mit 'nem Jäger wär ich schon lange angekommen! Schon ewig quasi. - Fragt sich nur, ob das ein Vorteil wär?'
Red Leight versuchte sich damit abzufinden, dass sie bis zur Ankunft nichts erfahren würde. Trotzdem blieb ein ungutes Gefühl und die ständigen Grübeleien verbesserten ihre miese Stimmung nicht unbedingt.
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Die zehn Schiffe waren nacheinander gelandet. Zwar hatte der elitäre Comander Arogada Lead jeden Ankömmling persönlich begrüßt und ins Quartier begleitet, war jedoch allen Fragen ausgewichen. Nun durchschritt Lead ruhelos den Konferenzraum, in dem sich gleich zehn äußerst unterschiedliche Wesen versammeln würden. Innerhalb der nächsten dreißig Tage sollte aus ihnen ein Team werden und obwohl Lead ausgesprochen erleichtert war, dass es endlich los ging, lastet die Verantwortung schwer auf seinen Schultern. Nach einem Jahr Vorbereitung hing der Erfolg der Mission derzeit einzig und allein von seinem Geschick ab.
Zum wiederholten Male setzte Lead sich und begann die Akten durchzublättern, die er bereits auswendig kannte.
In Xama Xor, der Hauptstadt des Xamarreiches und Standort der angesehenen Lehrunion, hatten Hochleistungsrechner zahlreiche Vorschläge der Eingeweihten analysiert und letztlich zehn Personen ausgewählt. Theoretisch sollten diese Wesen gemeinsam dazu im Stande sein, schwierige Herausforderungen unabhängig und eigenständig zu bewältigen. Am Ende war der Comander mit der Zusammensetzung nicht völlig zufrieden gewesen, doch da seine einzige Kandidatin es wider Erwarten ins Team geschafft hatte, überwog seine Freude.
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'Warum hat Comander Lead nichts gesagt? Außer - ich soll mich gedulden - so ein dämlicher Spruch! Er weiß genau, dass Geduld nicht meine Stärke ist - und dass ich Überraschungen hasse! Echt! - Das Quartier ist altmodisch. Die Reinigungsroutinen scheinen nicht richtig zu funktionieren. Am Ende muss ich noch alleine putzen - wie damals als Frischling! Oh nein, bloß nicht! Immerhin ist der Nahrungserzeuger modern, aber - trotzdem alles doof! Ich hasse dieses Gewarte! Wirklich!'

Nicht nur Red Leight fand diese Situation seltsam. Die meisten Wesen hatte die Anwesenheit eines elitären Comanders erstaunt, einige beunruhigt und einzelne fühlten sich sogar bedroht.
Über das Stationscom erklang die Stimme von Comander Arogada Lead. Zehn Türen öffneten sich und danach überstürzten sich die Ereignisse regelrecht. Red entdeckte Comander Lead vor einem Raum am Ende des Ganges, wurde jedoch von zwei Xamaer abgelenkt, welche sich überrascht, aber äußerst erfreut in ihrer Sprache begrüßten. Währenddessen stürmte ein Menschenmann mit zerzaustem, braunen Haar auf Lead zu und fragte dabei erzürnt: "Was soll der verdammte Mist? Wo ist Vehis?"
Ohne darüber nachzudenken, stellte sich Red in seinen Weg, denn trotz der merkwürdigen Umstände war sie ein elitärer Offizier und daher dem Comander gegenüber verpflichtet. Schweigend starrte sie den Menschenmann an, der kurz auf sie herabschaute und sich dann unbeeindruckt vorbei drängen wollte. "Hey, beruhigen Sie sich erst mal!", meinte Red kühl, ohne sich zu rühren. Ihre Augen fixierten ihn. Der Schiffstechniker Greg Toms, denn um ihn handelte es sich, musterte die Frau einen Moment lang. Plötzlich erschien - für den elitären Leutnant völlig unerwartet - ein abfälliges Grinsen. Erneut und nun mit deutlich mehr Kraft versuchte Greg vorwärtszukommen, worauf Red äußerst verärgert reagierte.
'So ein unverschämter Idiot! Erkennt der keine Uniformen? - Na warte, du Mistkerl!'
Plötzlich drehte sich Gregs Welt und er fand sich benommen auf dem Boden des Ganges wieder. Während der Quosoe Naro Wrug Furl und der Leganer Sirius Pela dem Schiffstechniker beim Aufstehen halfen, dabei beruhigend auf ihn einredeten, wandte sich Red bereits Comander Lead zu. Bevor sie jedoch eine Frage formulieren konnte, trat eine schmale, blonde Frau in einem wehenden, hellgelben Gewand vor, die zuerst Red und danach Lead eingehend betrachtete.
'Verdammte Gedankenleser! Scheiße! Und auch noch eine gelbe Priesterin! Doppel-Scheiße!'
Misstrauisch beäugte Red die blonde Tekkarui Galia, wusste aber gleichzeitig, dass sie das Eindringen in ihren Geist nicht verhindern konnte.
Der elitäre Leutnant schätzte die Lage richtig ein. Die Tekkarui Galia nutzte ihre Fähigkeiten, um die Situation für sich zu klären. Zu ihrer Enttäuschung erhielt sie auch bei diesem Mal nur unnütze Informationen. Galia wandte sich um und musterte eine hübsche, brünette Frau in einem leuchtend roten, kurzen Kleid, welches mehr preisgab als das es versteckte. Diese erwiderte Galias Blick ohne Scheu und neigte dabei respektvoll den Kopf. Mit einem würdevollen Lächeln sah die Tekkarui erneut zu Comander Lead. "Sie sind ein Streslarmischling, Comander."
"Aufgrund der Abschirmung nehmen Sie das an?", fragte der Angesprochene gelassen zurück, während er den Raum betrat. Am Kopfende eines Tisches, welcher das zentrale Element der Einrichtung darstellte, nahm er Platz. Stolz folgte Galia ihm. "Eine Abschirmung, die mir auf allen Ebenen stand hält, kann nur ein Wesen mit Streslarverwandtschaft aufbauen."
Red wunderte sich, warum Comander Lead nicht offen antwortete. Sein Vater stammte aus dem Streslargebiet des Dragu-Systems. Zwar überwog in seinem Aussehen der mütterliche Fjuroeinfluss, trotzdem war seine Herkunft kein Geheimnis - genau wie die Tatsache, dass die mentale Sicherheit der Streslar, die aller bekannten Spezies übertraf.
Inzwischen hatten die zehn Wesen den Raum betreten. "Setzen Sie sich bitte.", sagte Comander Lead mit einem Lächeln. Gegen Tekkarui zu bestehen, ließ ihn immer triumphieren. Die Rivalität zwischen den Bewohnern des Dragu-Systems existierte seit unzähligen Generationen. Comander Lead kannte jede einzelne Geschichte von der Unterdrückung der Streslar durch die Psiwesen des Tekkaru-Bundes. Auch wenn er dies nie eingestehen würde, hatte er die Ansichten seines Vaters in einer gemäßigten Form übernommen. Diese persönliche Abneigung fiel jedoch selten auf, da die Koalitionstruppen den meisten Psiwesen sowieso argwöhnisch gegenüber traten.
Schweigend suchten sich die Wesen Plätze an dem ovalen Tisch. Die Anspannung war fühlbar. Red setzte sich an die rechte Seite Comander Leads und ließ ihren Blick durch den Raum wandern.
'Fünf Männer, fünf Frauen. Drei Menschen, zwei Xamaer, Leganer, Tekkarui, Quosoe und zwei Mischungen. Nur eine Koalitionsuniform - ein Arzt. Zwei Lehrmeister. Einmal höchstes Dschjumilitär. - Der Quosoe wirkt am Entspanntesten. - Die Xamaer sehen sich ähnlich, sind bestimmt verwandt.'
Bevor irgendwer eine Frage stellen konnte, begann Lead mit seiner lang vorbereiteten Ansprache. Wie unzählige Male vorher dachte Red, dass der Comander einfach zu gerne Reden hielt. Nach dem ersten Dutzend Sätzen hörte sie bereits nur noch halb hin. Der menschliche Mann, den sie vorhin zu Boden geschickt hatte und der jetzt neben ihr saß, fesselte ihre Aufmerksamkeit. Red beobachtete ihn verstohlen, während er wiederum Comander Lead voller Argwohn anstarrte.
'Sieht ein bisschen elend aus - und sehr angespannt. Vielleicht war ich zu hart. Er scheint nicht vom Militär zu sein. Möglicherweise sollte ich mich entschuldigen, aber ich weiß nicht. Eigentlich zu spät, oder? - Nein, eher nicht. Ist schon vorbei - und blöd gegrinst hat er vorhin auch. Außerdem entschuldigen sich Elitäre nicht. Niemals! Wir machen keine Fehler. Niemals! Nie!'
Red unterdrückte ein Lächeln. "Verstehen Sie, Leutnant Leight?" Leads kühler Tonfall schob sich in ihre Gedanken. Reumütig blickte Red auf und nickte pflichtbewusst, während bekannte Worte durch ihren Kopf hallten.
'Habe ich Sie schon wieder erwischt, Anwärter Leight! Mehr Konzentration!'
Weil Comander Lead nicht direkt weitersprach, schaute Red sich unauffällig um. Die Anderen blätterten in Mappen. Sie öffnete die, die vor ihr lag.
'Auf echtem Papier? Wie altmodisch! Dazu ein ziemlich dicker Stapel Papier....sehen wie Personal-Akten aus. Nichts, was ich auf die Schnelle erfassen kann. - Ob ich die auswendig lernen muss? Wäre dämlich, aber bei Lead weiß man nie! Der kann ziemlich pingelig sein.'
"Sie haben Zeit die Informationen gründlich zu studieren. Das nächste Treffen findet in 500 ZEs statt." Mit Beendigung des Satzes verließ Comander Lead eilig den Raum und überhörte dabei jede Frage. Acht Wesen zogen sich in die Unterkünfte zurück. Leutnant Red Leight und Doktor Fries Bishop blieben am Tisch sitzen. Beide blätterten schweigend in den Papieren.
'Er sieht ganz verträglich aus, dieser Doktor.'
Neben Leutnant Red Leight und Comander Arogada Lead trug er als Einziger eine Koalitionsuniform. Red versuchte, sich auf die Akten zu konzentrieren, welche berufliche und persönliche Angaben zu den Anwesenden enthielten. Sie fand das Foto des Mannes.
'Woa, ist nur vier Jahre älter als ich, aber - wow - der ist Lehrmeister der Xamaerunion! Als Mensch! Beeindruckend! - Was, bitte, ist Lebensformen-Medizin? - Ist auf jeden Fall ziemlich viel herumgekommen - Dschjusystem, Umar, oft im Außerhalb...'
Red blätterte weiter, fand ihre Akte und verglich sie mit den anderen. In Gedanken fasste sie die Informationen zusammen und versuchte, Schlussfolgerungen zu ziehen.
'Spezialisten aus unterschiedlichsten Fachgebieten - Wissenschaft, Militär, Technik, Psiwesen, Diplomatie... Alle recht jung und ziemlich erfolgreich - aber wofür? Ich kann mir nicht vorstellen, was das für eine Mission werden soll? Und wo ist der Zusammenhang zu Merag 5 oder gibt's da gar keinen?'
Merag 5 war der Planet, welcher - ihrer Zuweisung zufolge - Reds erster Einsatzort werden sollte. Sie hatte alle Informationen zum Sonnensystem, dem Planeten und der dortigen Station gelesen. Es handelte sich um einen unbewohnten Planeten mit zwei Monden, der nicht im Koalitionsgebiet und damit im Außerhalb lag. Der Raumsektor war kein Grenzgebiet und obwohl durchaus bewohnbar, fiel Merag 5 weder durch wissenschaftliche Phänomene auf, noch besaß er eine besondere wirtschaftliche Bedeutung und wurde seit der Kartierung nicht beachtet. Erst vor gut einem Jahr hatte ein kleines, unabhängiges Unternehmen, welches im Außerhalb angesiedelt war, dort eine Raumstation mit modernster Ausstattung errichtet. Ein Grund dafür war nirgends angegeben.
Red konzentrierte sich auf die Unterlagen. Darin gab es kein Wort zu Merag 5. Darin stand gar nichts über irgendeine Mission. Leise las sie den letzten Satz. 'Wegen der außerordentlichen Wichtigkeit dieser Mission erhalten Sie ein 30-tägiges Training auf Trinita unter der Leitung des elitären Comanders Arogada Lead.
'Ein bisschen spannend ist das schon. Ich wüsste zu gerne, worum es gehen soll! Wissenschaftler, Techniker, kein Koalitionsmilitär, aber dafür eine dschjuanische Clankriegerin - bekanntlich die besten Kämpfer weit und breit. - Die Psiwesen und der Diplomat deuten auf Fremd- oder sogar Erstkontakte hin, aber - hm - wie passe ich...'
"Es sieht aus wie die Besatzung eines Forschungsschiffes - in verkleinerter Form."
Red zuckte zusammen. An den Doktor hatte sie gar nicht mehr gedacht. Sie blickte den Mann kurz an und nickte dabei automatisch.
'Darauf hätte ich selbst kommen können. Merag 5 war sicher ein Ablenkungsmanöver. Mein erster Einsatz könnte ein Forschungsschiff sein....'
Richtig überzeugend fand Red die Idee allerdings nicht. "Sie reden wohl nicht mit Fremden, Leutnant?"
Der Doktor riss Red erneut aus ihren Überlegungen, doch dieses Mal reagierte sie gelassen. Red musterte den Menschenmann mit dem kahlen Haupt und den schwarzbraunen Augen neugierig. "Lehrmeister und Doktor Fries Bishop. Habe ich recht?" Ein Lächeln breitete sich aus. "Elitärer Leutnant Red Leight, nicht wahr?" Sie musste grinsen. Der Dialog fühlte sich reichlich merkwürdig an. "Ist Ihnen an der Personenauswahl was aufgefallen?", fragte Red weiter und wollte damit auf einen bestimmten Punkt hinaus. Der Doktor hatte ihre Absicht bemerkt. Eine kurze Pause folgte. "Alles Leute mit - besonderen Fähigkeiten", formulierte er vorsichtig. Red nickte aufgeregt. "Genau. Alles Spezialisten! Nur ich passe da nicht rein! Kein bisschen!"
Jetzt war es raus. Das war der Punkt, welcher Red die ganze Zeit gestört hatte. "Ich passe da überhaupt nicht rein.", wiederholte sie und versuchte sich zu zügeln, "Ich komme frisch von der Akademie, habe keine Praxiserfahrung und mit Sicherheit nichts Wichtiges entdeckt, erfunden, verhandelt. Keine Bücher, Vortragsreihen oder sonst was! Also was, um Himmels Willen, soll ich hier?" Fragend schaute Red den Doktor an. Der blätterte in den Akten. "Sie gehören zu den elitären Truppen. Vielleicht werden Sie Verbindungsoffizier."
"Dafür gibt's hochrangige Leute mit Erfahrung. Einen Neuling zu nehmen, ergibt keinen Sinn. So arbeiten die Truppen nicht.", bezweifelte Red die Worte des Mannes. "Vielleicht liegt es nicht an ihrer Ausbildung. - Sie kennen Comander Lead?"
"Das ist nichts besonderes.", erklärte Red bereitwillig, "Lead ist seit Jahrzehnten Ausbilder an der Akademie. Jeder Anwärter und Generationen von Elitären kennen ihn."
Allerdings war Red ein ähnlicher Gedanke auch gekommen, denn ihr Verhältnis zu Comander Lead war immer sehr gut gewesen. Er hatte ihr im Laufe der letzten sieben Jahre einige Schwierigkeiten erspart und deutlich mehr Rücksicht auf ihre Eigenheiten als jeder andere Ausbilder genommen. Nichtsdestotrotz gefiel Red die Vorstellung, deswegen in einer Gruppe ehrgeiziger Überflieger zu landen, überhaupt nicht. Plötzlich fühlte sie sich schlecht - unsicher und gleichzeitig verärgert.
'So ein Mist! Gerade von der Akademie runter und dann so was! Bin ich Leads persönlicher Zögling? Nein! Das kann nicht sein. - Vielleicht will er mich bestrafen? Habe ich in letzter Zeit irgendwas angestellt? Nein, oder? Nein, auf keinen Fall! - Anscheinend weiß keiner hier, was los ist! Ich weiß nicht, was los ist! Verdammt, ich will aber wissen, was los ist! Lead schuldet mir ein paar Antworten!'
Während der Akademiezeit hatte Red Leight gelernt, ihre Spontanität zu zügeln. Inzwischen erkannte sie manchmal sogar die Momente, in denen es geschickter war, zu schweigen - oder zumindest vor dem Handeln ein wenig nachzudenken. Die augenblickliche Situation hielt Red allerdings nicht für einen solchen Moment. Viel eher spürte die Elitäre Ärger wachsen, den sie mit Vergnügen nutzen wollte. Diese Unwissenheit war einfach unfair. Schließlich war sie kein Anwärter mehr, sondern fertig ausgebildeter, elitärer Leutnant und elitäre Leutnants ließen sich grundsätzlich nicht herumschubsen.
Eilig verließ Red den Raum. Auf dem Gang wurde ihr klar, dass sie nicht wusste, wo Lead sich aufhielt. Leise fluchte die Elitäre. In den meisten Quartieren befanden sich die Mitglieder dieses merkwürdigen Teams. Daran erinnerte sie sich. Also lief die Elitäre zur nächsten Konsole. Sie aktivierte das Stationscom, schloss die bekannten Unterkünfte aus und rief in den gesamten Rest der Station: "Wo sind Sie, Comander Lead? Ich muss mit Ihnen sprechen. Dringend!"
Beinahe sofort öffnete sich am anderen Ende des Ganges direkt vor dem Lift eine Tür. "Kommen Sie bitte, Leutnant Leight!" Nach einem tiefen Atemzug salutierte sie pflichtbewusst und marschierte mit festem Schritt vorwärts.
Comander Lead wusste, dass er Red Leight keine Antworten geben durfte. Es war seine Aufgabe, ein Team zu schaffen. Dabei wäre es kein Vorteil, den Leutnant bevorzugt mit Informationen zu versorgen. Trotzdem ahnte er wie Red sich im Moment fühlte und wollte sie wenigstens ein bisschen beruhigen - zumindest soweit dies möglich sein würde.
Die Geschehnisse auf dem Gang waren nicht unbemerkt geblieben. Mehrere Personen hatten alles, direkt oder indirekt, verfolgt. Da waren zum einen die Psiwesen. Bez und Galia überwachten alle Anwesenden und registrierten somit auch diesen Vorfall. Zum anderen war Fries Bishop in der Tür des Konferenzraums aufgetaucht, als die elitären Offiziere gemeinsam verschwanden. Eigentlich hatte der Arzt nach Red sehen wollen, doch nun blieb er nachdenklich zurück.
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Als sich die Gruppe zum zweiten Mal im Konferenzraum traf, schwenkten die Augen von Doktor Fries Bishop immer wieder zu Red. Sie erwiderte seinen Blick nicht, hing ihren Gedanken nach.
'Lead hat keine einzige Frage beantwortet. Nur das übliche Geschwafel! Große Herausforderungen liegen vor uns, aber Angst brauche ich nicht zu haben - bla bla bla...'
Grübelnd starrte Red auf ihre verhakten Finger.
'Sonst gab's nichts! Wie ich in diese Gruppe von Spezialisten passe? Nichts! Was mit Merag 5 ist? Nichts! Keine einzige vernünftige Antwort, obwohl er eine halbe Ewigkeit gequatscht hat! Auch eine Leistung! Jetzt weiß ich, dass ich mutig, klug und gut ausgebildet bin, ha! Im Endeffekt weiß ich soviel wie vorher!'
Jedoch respektierte Red Leight den Comander und die elitären Regeln zu sehr, um ihn unter Druck zu setzen. Sicherlich hatte er gute Gründe, nichts zu verraten. Ihr Ausbilder war vertrauenswürdig und bald würde alles einen Sinn ergeben.
Im Moment sprach Comander Lead über die Wichtigkeit bevorstehender Aufgaben. Red hatte das Gefühl ein Déjà-vu zu erleben und schaute gelangweilt in die Runde. Zwar schienen alle Anwesenden mit sich selbst oder mit Lead beschäftigt zu sein, trotzdem verstärkte sich ihr Eindruck, dass die Atmosphäre ganz und gar nicht entspannt war.
'Mit der heißen Luft beglückt er diesen Überfliegerhaufen bestimmt nicht. Die wollen gute Erklärungen für ihren Aufenthalt im - Nirgendwo. Naja, ich bin das Rumgeschubse gewohnt, aber die haben bestimmt alle unglaublich viele, wichtige Dinge zu erledigen - haben Termine, Verantwortlichkeiten und Verabredungen und so 'nen Zeug - müssen Bücher schreiben, Leben retten, Verhandlungen führen, Schlachten schlagen, Antriebe revolutionieren. - ach ja, Kram eben!'
Wieder schweiften die grün-grauen Augen durch den Raum.
'Fast unheimlich. Mit den meisten habe ich kein Wort gewechselt und trotzdem kenne ich ihre Lebensläufe. Seltsam. - Ob irgendeiner zu gewalttätigen Ausbrüchen neigt? Die Dschjua oder vielleicht der Techniker wieder?'
Zu Reds Überraschung geschah nichts dergleichen. Niemand bedrängte Comander Lead. Es gab keine offenen Aggressionen, obwohl die Situation, für ihren Geschmack, bald einen kaum erträglichen Grad an Eintönigkeit erreicht hatte.
'Warum sagt keiner was? Sind die solche Umstände gewohnt? Ewige nichtssagende Besprechungen? - Naja, was weiß ich schon. Vielleicht ist das echte Leben so. - Nein! Das hier kann nicht das Standardvorgehen sein?! Außerdem erscheinen sie genauso unwissend wie ich - zumindest, wenn ich die Sache richtig deute. - Ach, manchmal wären ein paar Psifähigkeiten durchaus praktisch.'
Während Red vor sich hin grübelte, gab Lead einen Überblick zu Zielsetzung und Strategien dieses Seminars. Bei dem Training würde es nicht um die Verbesserung spezifischer Kenntnisse gehen, sondern vielmehr um ein Austesten und Angleichen grundlegender Fähigkeiten.
'Lead redet einfach zu gerne - wie immer. Allerdings hab ich ihn selten so inhaltslos erlebt. Keine Fakten. Nichts Konkretes. Kein Wort zur Mission oder sonst was Wesentliches. Keine Details. Nur dummes Gelaber.'
Als dem Leutnant diese Gedanken kamen, blickte sie ohne besonderen Grund die hübsche, brünette Mischlingsfrau von Streslar, Bez Ceimostrop, an. Zu ihrer Überraschung erwiderte die Streslar den Augenkontakt und nickte zustimmend.
Diese unerwartete Reaktion auf Gedanken stürzte Red in tiefes Unbehagen. Schlagartig wurde ihr bewusst, dass die Psifrauen alles wahrnahmen, was sie dachte. Dies war ein ausgesprochen unangenehmes Gefühl und eine Verletzung ihrer Privatsphäre. Die eigene Hilflosigkeit ärgerte sie maßlos.
'Ich kann daran nichts ändern. Ich kann daran nichts ändern. Ich kann daran nichts ändern. - So eine verdammte Scheiße aber auch! Wo bin ich hier nur gelandet?'

Am nächsten Tag änderte sich an der Gesamtsituation nichts. Erklärungen gab es keine, dafür Trainingspläne. Die Gruppe bekam einen Tag, um sich mit den bevorstehenden Aufgaben auseinanderzusetzen.
Unkonzentriert überflog Red die Holotabellen und entschloss sich kurz darauf laufen zu gehen. Der Sport würde helfen, ihren konfusen Grübeleien zu beenden.
Red zog die Laufschuhe, eine knappe Hose und ein schwarzes Bustier an. Mit Trinkpack ausgerüstet steuerte sie auf das Landungsdeck mit den Dockanlagen zu. Bei der Ankunft hatte sie in einiger Entfernung Felsen und Wald gesehen. Dorthin wollte sie jetzt.
'Nach dem Sport kommt der langweilige Kram. Was ich bisher gelesen hab, reicht mir schon - Schießübung, Waffenkunde, Gesprächsführung, Projektplanung, Wirtschaftliche Beziehungen zwischen Koalition und Außerhalb... Ojeee! Wie Akademie! Schlimmer als Akademie! Darauf hab ich gar keine Lust! Dämlicher Blödsinn!'
Red erkundete Schluchten, erkletterte Felswände, döste in der Sonne und lief weit und viel. Nach sechs Stunden kehrte sie erschöpft, aber glücklich zur Station zurück. Schweiß perlte von ihrem Körper. Sie freute sich auf eine Dusche, auf was zu trinken und zu essen.
Gedankenversunken marschierte Red über das Landungsdeck, als Gesprächsfetzen und Lachen ihre Aufmerksamkeit weckten.
An einem Dock saßen vier Männer zusammen, hielten Visiondisks in den Händen. Der Quosoe Naro Wrug Furl, der Leganer Sirius Pela, der Xamaer Mexur Lerudaromxiros und Greg Toms, der menschliche Techniker mit dem strubbeligen Haar, begutachteten Red ungeniert. Schlagartig fühlte sie sich ziemlich nackt und beeilte sich in die Station zu gelangen. An der Tür kam ihr die Xamaerfrau entgegen, die grüßend nickte. "Leutnant." Red erwiderte die Geste mit einem kurzen Lächeln und verschwand im Treppenhaus. Kurz vor dem Quartier lief sie Comander Lead in die Arme.
'Ojeee, nicht auch noch der!'
"Sie waren laufen, Leutnant Leight?" Obwohl Red wusste, dass der Mann die Antwort genau kannte, meldete sie pflichtbewusst: "Ja, Comander."
"Sie sollten sich besser mit den bevorstehenden Aufgaben beschäftigen. Mit Abschluss der Ausbildung sind alle Disziplinarstrafen verfallen. Das wissen Sie, Leutnant?" Red nickte leicht. "Das ist mir bewusst, aber Laufen beruhigt mich und...", sie ergänzte überlegt, "... irgendwie bin ich daran gewöhnt, Sir."
Comander Lead konnte ein leichtes Lächeln nicht unterdrücken. "In ihrem speziellen Fall glaube ich das tatsächlich.", Red schwieg und der Comander fuhr fort, "Lesen Sie den Trainingsplan. Verstanden, Leutnant Leight?" Sie salutierte. "Ja, habe verstanden, Sir!" Zufrieden wandte sich Lead ab. Red schlich erleichtert zu ihrem Quartier. Während sich die Tür öffnete, entdeckte sie die Psifrauen vor dem Konferenzraum. Beide musterten die Menschliche interessiert. Red zwang sich zu einem Lächeln und atmete tief durch, nachdem sich die Tür endlich hinter ihrem Rücken geschlossen hatte.
Die Situation kam Red sehr unwirklich vor. Seit Jahren war sie die meiste Zeit von Elitären umgeben gewesen. Hier gab es auf einmal nur Zivilisten - geniale, erfolgsverwöhnte Zivilisten. Natürlich war auch Comander Lead da. Allerdings irritierte den frischgebackenen Leutnant diese Tatsache ebenfalls. Ein Ausbilder gehörte an die Akademie und nicht nach Trinita. Gleichzeitig wunderte sich Red, dass die anderen Beteiligten derart entspannt wirkten. Scheinbar hatte sich bereits jeder, außer ihr selbst, mit den Gegebenheiten abgefunden.
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In den frühen Morgenstunden des dritten Tages begann das Training. Am Vortag hatte Red nach einem langen, heißen Bad und einer reichhaltigen Mahlzeit auf dem Bett liegend Musik gehört. Die düsteren, lauten Klänge vertrieben die Grübeleien und bald war sie eingeschlafen - ohne einen weiteren Gedanken an die Vorbereitung des nächsten Tages zu verschwenden. Morgens reichte die Zeit gerade für eine flotte Dusche. Mit Kaffee, Toast und Tagesplan in den Händen stürmte sie zur Einweisung in die Tiefebene. Auf der Treppe las Red 'Schießtraining auf Anlage 7023' und überflog die Erklärung.
Bevor der Leutnant die riesige Tür zur Tiefebene öffnete, ließ sie den Holoschirm der Vdisk verschwinden, stellte die leere Tasse in den Lift und stopfte die letzte Ecke Toast in den Mund. Kauend schlich sie durch die Tür und wurde dabei aufmerksam von zehn Augenpaaren begutachtet.
'Na so was. Die sind alle schon da. Genies schlafen wohl nicht gerne aus.'
"Gut geschlafen, Leutnant Leight?"
Red schluckte. "Ja, ausgezeichnet, Sir!", da Leads Miene kein Spur von Entspannung zeigte, salutierte sie pflichtbewusst, "Entschuldigen Sie bitte meine Verspätung, Sir. Ich hatte...", Red überlegte eilig, "..unterschätzt wie weit unten diese Ebene ist. War deutlich tiefer als erwartet, Sir. Entschuldigung. Das kommt nicht wieder vor, Sir." Lead musterte sie. "Tiefer als erwartet, Leutnant Leight?" Red konnte die Stimmung ihres Ausbilder nicht genau einschätzen und blieb deshalb vorsichtig. "Ja, ziemlich tief, Sir." Als der Comander sich schließlich kopfschüttelnd abwandte, wusste Red, dass die kritische Phase überstanden war.
'Gut, gut! Lieber Comander Lead! Er ist nie gemein vor Außenstehenden! Wie immer!'
"Vielleicht hätten Sie gestern lieber die Station erkunden sollen, statt den halben Planeten abzulaufen.", meinte Lead nebenher, wirkte dabei jedoch nicht sonderlich verärgert. Demütig senkte Red den Blick.
'Ja, prima. Die abschließende, kleine Gemeinheit und dann sind wir wieder Freunde. Richtig, Comander?'
Streng fügte Lead hinzu: "Stellen Sie sich zu den Anderen. Keine unpassenden Bemerkungen! Keine Unaufmerksamkeiten! Sie sind nicht mehr an der Akademie! Verstanden, Leutnant Leight!" Red salutierte. "Ja, Sir!"
'Oh, das klang aber ernst, - so ungewöhnlich streng - hm - ich verschwinde besser aus seinem Blickfeld!'
Red begab sich in die letzte Reihe und fühlte sich hinter den hochgewachsenen Xamaergeschwistern gut versteckt. Trotzdem blieb die Furcht, dass Lead ihr mehr Beachtung schenken würde als den anderen Personen.
Da das Training gestaffelt ablaufen sollte, teilte der Comander vier Gruppen ein - Doktor Bishop und die Xamaergeschwister, die Frauen mit den Psifähigkeiten, danach der Leganer Sirius Pela zusammen mit dem Quosoen Naro Wrug Furl und schließlich ... unauffällig und ein wenig unglücklich betrachtete Red die Mitglieder der vierten und damit ihrer eigenen Gruppe - Swon Dschrib und Greg Toms.
'Oh, neee! Ausgerechnet der Typ, den ich niedergeschlagen hab - und die seltsame Mischlingsfrau! Na, ich weiß nicht. Die sieht nicht sehr verträglich aus. Die vom Dschjumilitär sind sowieso immer schwierig - arrogant und selbstverliebt. Dabei war der Bürgerkrieg dort echt unnötig – so lang und extrem blutig. Bestimmt auch, weil diese Clankrieger sowieso alle einen an der Waffel haben, wie Oma gesagt hätte. - Aber sie ist eine sehr schöne Frau – na trotzdem...bestimmt eingebildet. Ach jaaa...doof... '
Innerlich stöhnte und seufzte Red vor sich hin, denn anders konnte sie sich mit dieser unmöglichen Situation nicht abfinden.
'Diese Zusammenstellung gefällt mir gar nicht. Mit dem Doktor wäre ich lieber in einer Gruppe oder mit... Ach Scheiße, eigentlich keinem! Zivilisten sind generell Mist! Und... Ach naja, jammer nicht soviel, Mädel! Ich meine, was soll schon passieren? Schießen kann ich schließlich ganz gut!'
"Haben Sie mich verstanden, Leutnant Leight?", versunken nahm Red die Frage nicht wahr und als deshalb eine Reaktion ausblieb, donnerte die strenge Stimme des Comanders, "Red Leight, wo sind Ihre Gedanken nun schon wieder?"
Diese Worte holten den Leutnant in die Realität zurück. Erneut waren alle Augen auf sie gerichtet, während Comander Lead auf eine Antwort wartete.
'Wo meine Gedanken sind? Hmmm? Wo...also...'
Unsicher schaute sich die Elitäre im Raum um und platzte heraus: "Meine Gedanken sind im Keller, Sir." Der Xamaermann vor ihr grinste breit. Red geriet ins Stocken. Sie schnappte nach Luft und verbesserte sich eilig: "Ich meine, natürlich sind meine Gedanken bei Ihnen, Ihren Ausführungen, hier... " , erneut wanderte der Blick durch den chaotischen Raum und abschweifend ergänzte sie, "...in der dreckigen Tiefebene einer winzigen Station auf einem zu Recht völlig unbekannten Plane.."
"Ich habe Sie verstanden, Leutnant Leight.", unterbrach Lead den Satz. "Gut. Das freut mich, Sir.", antwortete Red erleichtert. Als diese Worte im Kopf nachhallten und sie gleichzeitig das entgeisterte Gesicht ihres Ausbilders sah, senkte sie erschrocken den Blick.
'Oh, Scheiße, was rede ich denn! Lead ist heute gar nicht gut drauf und ich bin eine dumme Nuß!'
"Sie wollen Beschwerde über Unterbringung oder Zuweisung einreichen? Verstehe ich das richtig, Leutnant Leight?", erkundigte sich Comander Lead ernst. Abwägend musterte Red den Mann.
'Nun ja, eigentlich ja - vielleicht - angemessen ist das hier nicht gerade, aber ich weiß - rhetorische Frage - also...'
"Nein, keine Beschwerde, Sir." Comander Lead betrachtete den Leutnant für einige Sekunden bis er schließlich kopfschüttelnd seufzte: "Wie haben Sie bloß ihren Abschluss geschafft? Wie, Leutnant Leight?"
Die Frage irritierte Red. Mit großen Augen starrte sie Lead an. "Ich hab die Prüfungen bestanden - ganz gut sogar. Sie haben mir gratuliert, erinn..." zum wiederholten Male verfinsterte sich Comander Leads Miene, weshalb Red schnell stoppte und mit gesenktem Blick murmelte, "Ähm, ja, Sir, ich weiß schon. Das war eine rhetorische Frage, die ich nicht beantworten sollte.", sehr leise hängte sie an, „Aber trotzdem...Sir."
Beide Xamaer grinsten nun, während Lead genervt die Augen verdrehte. Für einige Zeiteinheiten fixierte er Red. die sich deswegen am liebsten in Luft aufgelöst hätte.
Nach einigen Sekunden erhellte ein Lächeln das dunkelbraune, leicht geschuppte Gesicht. Beinahe liebevoll bemerkte er: "Disziplin, Ordnung, Pünktlichkeit und vorausschauendes Handeln waren sicher nicht ausschlaggebend.", in gewohnter Strenge fragte er erneut, "Haben Sie meine Erläuterungen verstanden, Leutnant Leight?"
Red versuchte sich zu erinnern, aber es war zwecklos. Sie hatte einfach nicht zugehört. Trotzdem antwortete sie: "Ja, Comander. Habe alles verstanden, Sir!" Ein prüfender Blick lag auf ihr. "Sind Sie sicher, Leutnant?" Red musterte ihren Ausbilder abschätzend. "Bin sicher, Sir!"
'Was sollte das denn? Ist nicht meine Schuld, dass er heut schlechte Laune hat! - Mich vor fremden Leuten so vorzuführen! Dabei weiß er genau, dass ich keine Ahnung hab! - Wiederholen Sie's einfach, Comander! Ohne die Show. So wie immer eben!'
Kopfschüttelnd murmelte Lead vor sich hin: "Sieben Jahre Ausbildung mit tausenden Strafrunden, doch diese verträumte Menschenfrau schafft es immer noch nicht zu denken, bevor sie den Mund öffnet!" Danach fuhr er sachlich mit der Einführung fort, während Red mürrisch ihre Stiefel betrachtete. Erneut versank sie in Grübelei.
'Warum macht Lead das? Nur um mich zu blamieren? So gemein ist er sonst nie vor Fremden. - Aber was er wohl erzählt hatte! Er hat nichts wiederholt. An der Akademie hätte er - bei wichtigen Sachen zumindest - meistens. - Ach, war bestimmt nichts wichtiges. - Verdammter Mist! Manchmal bin ich echt zu blöd!'
An der Akademie schien Red auf einmal vieles einfacher gewesen zu sein. Nach dem ersten Jahr kannte sie die Abläufe und hatte Freunde gefunden. Bald gehörte sie zu den Besten des Jahrgangs. Dafür wurde gelernt und trainiert, was ihr nie ernsthafte Probleme bereitet hatte. Die strenge Disziplin und die zahlreichen Vorschriften brachten Red zwar häufig in Schwierigkeiten, aber nach einiger Zeit hatte sie sich mit den dauernden Strafen abgefunden.
Schwere Zeiten gab es regelmäßig, sehr schwere sogar, doch sie fühlte sich nie allein. Freunde und Familie halfen und im Alltag entwickelte sich Routine. Das Ziel, die Ausbildung erfolgreich zu beenden, war eindeutig und der Weg dorthin klar.
Auf Trinita fehlte diese geliebte Ordnung. Vertraute Personen waren nicht zu erreichen und über Ziele oder Wege musste Red gar nicht erst nachdenken. In dieser Sekunde wünschte sie sich sehnlichst einen normalen, ersten Job - ohne Fragen und mit elitären Offizieren. Allein unter erfolgreichen Nichtelitären fühlte Red sich unsicher. Das ihre guten Leistungen hier Eindruck hinterließen, bezweifelte der frischgebackene Leutnant zunehmend.
In dieser Hinsicht unterschätzte der Leutnant ihre Qualifikation allerdings. Die elitäre Laufbahn stellte das Kronjuwel der Koalitionsakademie dar. Hoher Leistungsdruck herrschte von Anfang an, denn am Ende der sieben Jahre sollten flexibel einsetzbare, leistungsstarke Führungskräfte die Akademie verlassen. Die Abbrecherquote blieb konstant hoch, die Zahl der weibliche Absolventen niedrig.
Auf Trinita besaß Leutnant Red Leight, im Gegensatz zu den anderen Beteiligten, keine hochspezialisierten Kenntnisse. Die elitären Truppen standen zwar dem Militär der Koalition am nächsten, die Einsatzbereiche waren jedoch weitaus vielfältiger und hochrangiger. Einzig dem Koalitionsrat unterstellt, wurden elitäre Offiziere, neben dem militärischen Sektor, auch in Wissenschaft, Politik, Handel, Wirtschaft und Diplomatie eingesetzt.
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Red lief hinter Swon und Greg, die ihr Ziel scheinbar genau kannten. Keiner sagte ein Wort und die Elitäre wollte nicht fragen. Die kleine Gruppe folgte einem Gang. Red schätzte, dass sie sich tiefer in den Berg, der an die Station grenzte, hineinbewegten. Unruhe kam auf und der Ärger über ihre Unaufmerksamkeit wuchs.
'Wohin laufen wir denn? Findet das Schießtraining in einer Höhle statt? Komisch... Ach, wenn ich nicht andauernd abschalten würde, müsste ich jetzt nicht grübeln! Ich bin kein Anwärter mehr, sondern ein echter Leutnant und sollte endlich anfangen, mich wie einer zu benehmen - und nicht immer hoffen, dass Laxira meinen Arsch rettet.'
Der Gang wurde schmaler und dunkler. Greg Toms lief jetzt vorn, die Dschjua folgte und mit einigem Abstand trabte Red hinterher. Sie versuchte sich zu orientieren. Alle Gedanken, die sie vorher beschäftigt hatten, waren verschwunden. Der Beginn dieser Trainingseinheit entsprach nicht im Geringsten ihren Erwartungen. In den Unterlagen stand mit Sicherheit nichts von langen Spaziergängen durch die dunklen Teile des Tiefendecks. Reds Schritt wurde langsamer. Ihre Fingerspitzen befühlten die Wand. Die glatte Oberfläche der Stationswände gab es nicht mehr, stattdessen ertastete sie rauen, feuchten Fels.
'Was ist das hier? Eine Höhle oder ein Minenschacht? Auf jeden Fall gehen wir tiefer in die Berge. Sehr seltsam. Sollen wir in den Höhlen schießen? Soll das eine Vorsichtsmaßnahme sein? Sehr, sehr seltsam.'
Ihre Begleiter hatten nicht bemerkt, dass der Leutnant zurückgefallen war. Zielstrebig setzten sie den Weg fort, während sich Red über die plötzliche Finsternis wunderte. Eilig versuchte sie aufzuschließen, doch musste sie sich mühevoll vorwärts tasten.
'Scheiße! Wieso ist hier nichts beleuchtet? Eben war's noch hell! Wo sind die Beiden denn? Soll ich rufen? - Nein, die können nicht weit sein. Oh, verfluchter Mist! Hoffentlich gibt's keine Abzweigungen!'
Red spürte, dass der Gang niedriger wurde. Nach einigen Metern kam sie nur gebückt weiter und die Dunkelheit blieb undurchdringlich. Die Unruhe wuchs. Red lauschte angestrengt.
'Nichts. Mist. Wo sind die? So weit weg können die nicht sein! Oder hab ich mich verlaufen? Scheiße, ich hätte meine Chips einsetzen sollen! Nie rausnehmen, haben die immer gepredigt...ach verdammter Mist! Was nun? Wenn ich nur sehen könnte! Ich fühl mich wie lebendig begraben!'
Red Leight rührte sich nicht mehr. Furcht stieg auf.
'Gut. Ok. Oje! Das ist kein guter Moment, um in Panik auszubrechen. Ich rufe jetzt!'
Ihre Lippen formten bereits das erste Wort, als eine nüchterne, männliche Stimme ihr zuvor kam. "Leutnant Leight, wo sind Sie?"
'Hu? Aha! Die sind vor mir. Ich muss nur weitergehen. War der richtige Weg! Ach gut! Wußt ich's doch. Elitäre verlaufen sich nicht. - Puh, bin ich froh! Nochmal Glück gehabt, Mädel!'
Die Angst verflog so schnell, wie sie gekommen war. "Leutnant Leight?" Red lächelte als die Stimme des Technikers erneut erklang.
"Ich komme.", die Antwort erschien Red zu unsicher, deshalb fügte sie spöttisch hinzu, "Nur keine Panik."
Hinter einer Kurve traf sie auf ihre Begleiter. Greg Toms trug eine Lampe. Das war Red vorhin gar nicht aufgefallen. Regier Swon Dschrib starrte in die Dunkelheit und meinte, ohne den Leutnant anzuschauen: "Da ist die Kleine endlich." Reds Erleichterung löste sich schlagartig auf, denn die respektlose Begrüßung traf sie unvorbereitet.
'Die Kleine...hä? Was?'
Mehr fiel Red dazu nicht ein. Sie sah zu Greg, der zwischen den Frauen stand, und Swon einen verdutzten Blick zuwarf. Der Techniker erinnerte sich an den Boden des Stationsganges. Sein persönlicher Stolz verband diese Empfindung allerdings ungern mit der schlanken, menschlichen Frau. Red fasste sich, sah Swon an und zuckte gelassen mit den Schultern. "Ich hab nie verlangt, dass ihr auf mich wartet."
Das demonstrative Desinteresse entspannte die Situation. Greg nickte zufrieden und führte die Frauen wortlos den Gang entlang.
'So ein überhebliches Miststück! Lag ich mit meiner Einschätzung richtig. Clankrieger sind arrogant, selbstverliebt und voreingenommen - genau wie mein hübscher Goreg Di manchmal. - Zumindest scheint der Techniker mir nicht mehr böse zu sein.'
Nach einiger Zeit stoppte Greg Toms und schaute fragend zurück. "Wo lang jetzt?"
Swon ging in die Dunkelheit und drehte sich abrupt um. Red hatte Abstand gehalten. Daher wurde ihr der Grund für Ratlosigkeit und Ärger erst klar, nachdem sie sich vorwärts bewegt hatte. Der Weg teilte sich auf. Drei Gänge führten in verschiedene Richtungen. Der Leutnant schaute sich unsicher um.
'Anscheinend wissen die jetzt auch nicht weiter. Gut!'
Red blickte zu Swon Dschrib und erschreckenderweise genau in deren böse funkelnde Augen. Swon starrte Red bereits seit einigen Sekunden an und ihr ging eine Menge durch den Kopf. Nichts davon war sonderlich freundlich.
Red fühlte sich durchleuchtet. Obgleich dieses Gefühl äußerst unangenehm war, versuchte sie es zu ignorieren und wandte sich Greg zu. Auch seine Augen hatten sie fixiert, strahlten dabei jedoch weniger offensichtliche Gewaltbereitschaft aus.
'Was wollen die von mir? Muss ich das verstehen? Erwarten die irgendwas? Irgendwas was Lead gesagt hat? Hat er deshalb so oft nachgefagt? Aber...wichtige Sachen hat er immer wiederholt. Immer. - Naja, vielleicht dachte er, dass es nicht nötig ist, weil ich kein Anwärter mehr bin, sondern ein echter Leutnant - Ohjeee, echter Leutnant und dumme Nuss!'
Red verschränkte die Arme und fragte kühl: "Wollen wir nicht weitergehen?" Nichts änderte sich. Allerdings flammte eine Ahnung auf.
'Was denn? Als ob ich mehr wüsste! Als ob gerade ich mehr weiß! - Aber ich bin elitär. Lead ist elitär. Ich kenne Lead. Ist nicht von der Hand zu weisen. - Ja, die denken vielleicht wirklich, dass ich mehr weiß! Würde ich an ihrer Stelle zumindest annehmen - so wie die gucken, passt das auch...aber - hm, naja - sie sagen nichts...'
Swon Dschrib näherte nun langsam. Im Geist ging Red einen Kampf durch und kam zu keinem siegreichen Ende.
'Scheiße, gleich nimmt mich dieser Regier auseinander! So ein verdammter Mist! Blöde Situation! Muss ich wohl aufklären, versuchen zumindest. - Nee, ach, man! Wieso ich!'
Red sammelte sich und schaute Swon direkt in die grünen Augen. "Ich weiß nicht mehr als ihr."
'Eher weniger. Hab vorhin nämlich gar nicht zugehört!'

Ihr Blick wechselte von Swon zu Greg und wieder zurück. Mit fester Stimme fuhr sie fort: "Ich weiß nicht, was ich hier mache und weiß auch nicht, warum ihr hier seid. Comander Lead war mein Ausbilder. Mehr nicht. Ich habe ihn gefragt, aber keine hilfreiche Antwort erhalten. Verstanden?"
Swon Dschrib war überrascht, auch wenn das für niemanden erkennbar war. An dem Misstrauen änderte das allerdings nichts. Die Dschjua kam Red bedrohlich nah. "Warum sollte ich Dir glauben?"
Obwohl der Drang zurückzuweichen wuchs, rührte sich Red nicht und erwiderte kühl: "Diese Frage musst du dir selbst beantworten. Ich wollte nur Gerüchten vorbeugen, aber glauben darfst du, was du magst!"
In dem Moment hatte Greg genug davon und drängte sich zwischen die Frauen. "Schluss damit! Wir müssen entscheiden, wohin wir gehen!", warf er energisch ein. Erleichtert trat Red einen Schritt zurück und lehnte sich gegen die feuchte Wand.
'Gut, dass er eingeschritten ist. Sich mit einer Clankriegerin zu prügeln, ist bestimmt nicht empfehlenswert. Unsere Dschjukrieger konnte ich nie schlagen - nicht mal Goreg Di und den hatte ich öfter auf der Matte. Die sind einfach zu schnell - und die Technik ist so - anders.'
Dankbar betrachtete sie Greg, der mit dem Rücken zu ihr stand. Er trug einen bequemen, blauen Overall. Ein Lächeln erhellte Reds Miene.
'Oohh, netter Hintern! Trotz der Technikerklamotten eine hübsche Ansicht. Ob er ein bisschen trainiert oder kommt das von der Arbeit?'
"Wir gehen zurück und stellen diesem Comander ein paar Fragen!", bestimmte Swon in dem Augenblick. Red war sich nicht sicher, wie sie auf die Worte reagieren sollte. Loyalität und Gehorsam regten sich. "Gute Idee.", stimmte Greg sofort zu, während er sich umdrehte. Abschätzend betrachtete er Red.
'Ah, jetzt soll ich antworten. - Naja, Fragen können nicht schaden. Von mir aus...'
Die Elitäre nickte stumm und lief in die Richtung, aus der sie gekommen waren. Nach einigen Metern wurde ihr Tatendrang durch die absolute Dunkelheit gestoppt. Nur Greg besaß eine Lampe und Red hatte sich zu weit entfernt. Also wartete sie.
Zuerst tauchte der Mann auf. Er grinste, aber sagte nichts und Red war froh darüber. Dann folgte Swon - und schritt vorüber, ohne den Leutnant eines Blickes zu würdigen. Auf einen Schlag fühlte Red sich wie ein Schulmädchen und hasste ihren ersten Job aus vollem Herzen.
Während sie schweigend zurückliefen, beobachtete Red Swon Dschrib genauer. Die dunkelbraune, zweiteilige Uniform der dschjuanischen Befehlshaber war körperbetont, aber sonst eher schlicht. Im Waffengurt steckten eine riesige DEG, die Standardpistole des Dschjumilitärs, ein geschwungener Dolch und das Cajuc, der traditionelle Kampfstock der weiblichen Clankrieger.
Swon war ein Stück größer als Red und sehr athletisch, aber besaß gleichzeitig ausgeprägte weibliche Rundungen und lange, rotbraune Locken.
'Rein optisch ist diese Swon eine gelungene Mischung, Sie hat mehr Kurven als ich und jede Dschjufrau. Und mehr Muskeln als ich und jede Menschfrau. Ein heißes Weibchen würde Ben sagen. - In der Uniform möchte ich aber nicht rumlaufen. Auch wenn's der höchste Rang im Dschjumilitär ist. Andauernd bauchfrei. Und die Brüste passen kaum rein. - Passt auch nicht zur Koalition. Wir sind zu kopflastig, zu nüchtern. Nicht wie die schöne Swon - leidenschaftlich und kühl. Seltsam und schwierig - auf jeden Fall schwierig - und arrogant.'
Gedankenversunken reagierte Red nicht schnell genug, als der kleine Trupp erneut stoppte. Sie stieß gegen Swon, die sich wütend umdrehte und dabei zischte: "Kannst du nicht aufpassen, Kleine?" Red war allerdings viel zu verwirrt, um den Kommentar bewusst wahrzunehmen.
'Verdammt, was ist denn jetzt? Braucht der Typ etwa 'ne Pause? Soweit sind wir doch gar nicht gelaufen!'
Verwundert sah Red zuerst zu Swon, die sie zornig anblitzte, und dann zum irritierten Greg. Letztlich wanderte der Blick in die Finsternis vor dem Techniker und ungläubig erkannte sie das Problem. Red konnte es nicht fassen. Langsam bewegte sie sich vorwärts. "Wie geht das denn? Wo kommt die her?"
Der Gang endete vor einer Felswand, die den Eindruck erweckte, seit ewigen Zeiten in dieser Höhle zu stehen. Greg untersuchte das Hindernis, stellte aber nichts ungewöhnliches fest. Vor ihnen stand solider Fels. Schließlich gab er auf. "Haben wir den falschen Weg gewählt?", versuchte er die Unmöglichkeit aufzuklären. Swon schüttelte energisch den Kopf. "Nein, das würde mir niemals passieren."
Red erschien die Äußerung reichlich überheblich, allerdings wusste sie im selben Augenblick, dass Swon recht hatte. "Das ist der richtige Tunnel. Hier habt ihr auf mich gewartet. Der Gang müsste jetzt niedriger und schmaler werden, stattdessen endet er - einfach so." Sie schaute zu Greg, der fassungslos die Wand anstarrte. "Natürlich gewachsen ist die in der Zeit jedenfalls nicht.", meinte er und fügte sachlich an, "Ich tippe auf Materieprojektion. Solche Schild- und Holospielereien verlangen allerdings Vorbereitung."
"Dann hat offenbar jemand geplant, dass wir nicht auf diesem Weg zurückgelangen.", schlussfolgerte Swon verärgert und Greg ergänzte missmutig: "Und wir müssen uns wohl oder übel auf das Spiel einlassen, denn da kommen wir nicht durch." Red schwieg mit verschränkten Armen. Sie wusste genau, was ihre Gefährten vermuteten.
'War das Comander Lead? Warum? Das ergibt keinen Sinn. Aber wer sonst? Ich versteh das nicht.'
Grübelnd bemerkte Red nicht gleich, dass die Anderen bereits losgelaufen waren. Swons Stimme weckte sie. "Hey Kleine, komm schon!" Red warf ihr einen bösen Blick hinterher.
'Wieder dieses Wort! Ich bin kein Kind, Miststück! Pass bloß auf! Meine Geduld hat Grenzen.'
Ein wenig Frustabbau wäre Red durchaus gelegen gekommen, doch wenn seltsame Probleme auftauchten, war es nicht gescheit, sich verprügeln zu lassen. Daher beließ Red es bei lautlosen Flüchen und Verwünschungen.

Zurück an der Gabelung versuchten sich die Drei für einen Weg zu entscheiden. Red erwartete eine schnelle Wahl, hatte allerdings nicht mit der Sturheit ihrer Gefährten gerechnet. Greg und Swon verfingen sich in eine endlose Diskussion, bei der keiner auch nur einen Grad von der eigenen Meinung abweichen wollte.
Durch das Streitgespräch erfuhr Red einige Fakten und erkannte, dass sie sich wegen ihrer Unaufmerksamkeit völlig umsonst den Kopf zerbrochen hatte. Im Grunde wussten die Zwei nur unwesentlich mehr. Die Station ging in das natürliche Tunnelsystem des angrenzenden Berges über. Nach Leads Beschreibung und Plänen sollte es in einiger Entfernung einen modernen, unterirdischen Trainingskomplex geben. Der Weg dorthin wurde derzeit nicht mit Energie versorgt, weshalb jede Gruppe eine Leuchte erhielt.
Nach hundert Zeiteinheiten Streitgespräch beharrte Greg weiterhin auf dem mittleren und Swon auf dem linken Weg. Jeder Versuch, den Red unternahm, eine Entscheidung herbeizuführen, versackte in einer Flut von Argumenten. Langsam befürchtete Red, den Rest ihres Lebens an dieser Stelle zu verbringen.
'Ojeee, wo bin ich hier gelandet? Am besten taste ich mich allein durch irgendeinen Tunnel oder – ja - klaue Greg das Licht!'
Den letzten Gedanken verwarf sie und begann stattdessen, die ersten Meter des linken Tunnels zu untersuchen. Dieser von Swon bevorzugte Weg war breit und hoch, der Fels feucht und rau. Im Gegensatz zu dem Gang, aus dem sie gekommen waren, bot dieser genügend Platz für drei, nebeneinander laufende Erwachsene. Der mittlere Pfad, den Greg favorisierte, war wesentlich schmaler und führte in eine andere Richtung. Außerdem bekam Red den eigenartigen Eindruck, dass der Gang dunkler war.
'Es ist seltsam, aber igendwie ist's hier düsterer - so ein undurchdringliches Schwarz. Gibt's das? Dunklere Dunkelheit? Quatsch! Bilde ich mir ein - wahrscheinlich wegen der Enge.'
Red begab sich Schritt für Schritt tiefer in den Tunnel, tastete sich die Wand entlang. Greg und Swon bemerkten nichts. Zu vertieft diskutierten sie.
'Feucht, kalt. Wie vorhin.'
Ein Blick zurück zeigte, dass sie sich bereits gut hundert Meter von dem Licht und ihrer Gruppe entfernt hatte.
'Irgendwas ist anders - viel feuchter, matschig...'
Ihre Hände erkundeten vorsichtig den Fels neben ihr, dann den Boden.
'Oh, das ist viel Wasser.'
Während sich die Elitäre vorwärtsbewegte, spürte sie weitere Veränderungen.
'Geht ziemlich steil nach unten und es wird richtig, richtig nass.'
Bei jedem Schritt hörte Red patschende Geräusche. Eine Idee schoss durch ihren Kopf.
'Ein See! Das muss ein unterirdischer See sein. Schlechter Weg, Greg - aber, juhu, ein Ende der blöden Diskussion! Jiipiejeee!'
Wieder tastet sie den Boden ab und spürte eine Handbreit kühles Nass, welches sich allerdings nicht wie Wasser anfühlte. Es roch eigenartig und war dickflüssiger.
'Wahrscheinlich ist es schlammig und deshalb so - anders. Ich brauche dringend Licht.'
Red drehte sich um und geriet ins Schwanken. Für einen Moment war ihr schwindlig und zaghaft kündigten sich Kopfschmerzen an. Sie ignorierte die Schwäche. Mit der Hand am Fels rannte sie zurück und verlangte von Weitem das Licht. Von der Neugier abgelenkt, bemerkte Red die erstarrten Gesichter nicht sofort.
"Wo warst du?", fragte Swon ernst. Red erwiderte verwundert: "Hast du doch gesehen." Sie hob die Hand, um nach der Lampe zu greifen und erschrak.
'Blut?! Wo kommt das ganze Blut her? Oh Mist! Habe ich mich verletzt? Nein, zu viel.'
Red schaute an sich herunter. Die schwarzen Stiefel waren dunkelrot, die blauen Hosenbeine mit Spritzern und Flecken übersät genau wie ihre Arme.
'Ich kann es nicht glauben - Das ist ein Blutsee.'
Der Gedanke kam schlagartig, sie sprach ihn aber nicht aus. Alarmiert lief Greg in den mittleren Tunnel hinein und die Frauen folgten. Jetzt sah Red, was sie vorher nur erahnen konnte. Diese Flüssigkeit färbte den Boden und stellenweise die Wände rotbraun ein. Es sah aus und roch wie menschliches Blut. Die Nässe nahm zu, je weiter sie in die Höhle hinabstiegen. Kleine Pfützen und Rinnsale flossen zusammen und ihre Schritte hallten durch die Stille. Als sich der Gang zu einer Höhle erweiterte, lag eine dunkle, nahezu bewegungslose Oberfläche vor ihnen.
'Der See - ein Blutsee. Ich hatte recht.'
Im Strahl der Lampe schimmerte die Flüssigkeit rötlich und bedeckte eine riesige Fläche. "Ist das Blut? Wie viel ist das? Der ganze See ist verfärbt.", flüsterte Greg und versuchte mit dem Licht das Ende des Gewässers zu finden. Der Anblick änderte sich nicht. Überall bot sich ihnen das gleiche, dunkelrote Bild.
Red fühlte sich betäubt und verwirrt. Kopfschmerzen und Schwindel war inzwischen nicht mehr zu ignorieren. Die Muskeln wurden schwach. Sie schwankte und wie im Nebel überfielen seltsame Visionen ihren Geist.
'Die Höhle blutet. Was ist passiert? Wer ist hier gestorben?'
Swon murmelte leise: "Vielleicht wurden Tiere geopfert oder - die Reste eines Krieges." In Reds Geist tauchten Knäule schreiender, blutender Körper auf. Sie begann zu zittern. Plötzlich trat Greg zurück, schüttelte seinen Kopf und schaute die Frauen erschreckt an.
Red registrierte nichts, fiel auf die Knie und starrte die bewegungslose Oberfläche an. Ihr Kopf war mit grauenhaften Bildern gefüllt. Schmerzen breiteten sich aus. Ein heftiger Ruck am Oberarm brachte einen Hauch Realität zurück. Jemand zog sie durch die Dunkelheit. Ihre Beine schmerzten. Sie wollte nicht gehen, stolperte und fiel hin. Red wurde hochgehoben, weiter geschleppt. Obwohl nichts einen Sinn ergab, wollte sie helfen, doch fehlte ihrem Körper die Kraft. Das Zittern hörte nicht auf und die Bilder waren übermächtig. Als Red die Schmerzen nicht mehr ertragen konnte, gab sie auf und ließ sich in die Dunkelheit gleiten.
Auch Greg fühlte sich schwach. Sein Körper schmerzte. Trotzdem setzte sich eine blasse Erinnerung fest, erzeugte Unruhe. Die kleine Idee kämpfte unerbittlich gegen die verstörenden Bilder, die sein Bewusstsein übernehmen wollten.
Gregs Überlebenswille war ausgesprochen stark und als Red zusammenbrach, handelte er schließlich. Instinktiv packte er Swon, die sich langsam dem See näherte. Mit der anderen Hand zog er Red hoch. Keine der Frauen war in der Lage, sich zu wehren, während Greg sie durch den Tunnel zerrte. Swon schwankte, hielt sich aber auf den Füßen und ließ sich führen. Red war jedoch schwach. Sie konnte kaum stehen, sich keinen Schritt ohne seine Hilfe bewegen. Greg legte Reds Arm um seine Schulter, umfasste ihre Hüfte und schleppte sie weiter. Mit jedem Schritt nahm seine Schwäche zu. Er kämpfte gegen die Schmerzen, die wirren Visionen und wusste gleichzeitig, dass es er nicht schaffen konnte.
Dass Greg die Stelle passierte, an der er mit Swon diskutiert hatte, nahm er nicht mehr wahr. Kurz darauf fielen die Frauen zu Boden und nach wenigen Schritten brach er bewusstlos zusammen.
Abgesehen von dem in den leblosen Körper gab es in dieser Höhle kein Blut und schon gar keinen Blutsee. Dort lebte nichts und würde es für viele Jahrzehnte nicht.
Greg Toms glaubte zu wissen, worum es sich handelte und sollte mit seiner Vermutung recht behalten. Während seiner Tätigkeit für kleinere Handelsunternehmen im Außerhalb gehörte die Sicherung der Ladung ebenfalls zu seinen Aufgaben. Das war nicht ungewöhnlich und Greg fand es sehr beruhigend, selbst verantwortlich zu sein.
Das Außerhalb war kein Ort, um nachlässig und blauäugig zu agieren. Dort gab es keine Gesetze, keine Kontrollen, aber dafür jede Menge zwielichtiger, skrupelloser Geschäftemacher. Wenn die Geheimhaltung Gregs persönliche Grenze überschritt, informierte er sich genauer. Dadurch konnte er sowohl die Sicherung optimieren als auch seinen Lohn der Gefahr anpassen. Mit Abschluss eines Auftrages entfernten sich die meisten Erlebnisse jedoch rasch aus seinem Gedächtnis.
Die Geschehnisse in der Höhle brachte einen dieser erledigten Aufträge zurück. Sofort meldete sich die extreme Vorsicht, die bei diesem Transport mitgereist war. Instinktiv drängte er danach, sich vor der Gefahr zu schützen. An Bord eines Frachters folgten diesem Gefühl vielfach überprüfte Sicherungsmaßnahmen. In der Höhle gab es dagegen nur eine Möglichkeit. Der Abstand zur Gefahrenquelle musste so schnell wie möglich vergrößert werden.
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Red erwachte. Jede Faser ihres Körpers schmerzte. Erinnerungen, die diesen Zustand erklären konnten, kamen nicht zurück. Langsam öffnete sie die Augen. Die Schmerzen waren kaum zu ertragen. Ein Schrei brachte Red wenige klare Momente. Mit Tränen in den Augen wendete sie sich dem Ursprung des Geräusches zu.
'Swon hat versucht, sich aufzurichten. Ihr Gesicht - so schmerzverzerrt. Was geschieht mit uns? Oh bitte! Hilfe! Bitte, irgendwer.'
Nachdem Swon Dschrib den Kopf angehoben hatte, wurde ihr Körper von furchtbaren Krämpfen erschüttert. Instinktiv wollte sie diese Schwäche mit einer für Clankrieger typischen Herangehensweise überwinden. Swon schrie und damit gelang es ihr sich aufzusetzen. Die Schmerzen ließen allerdings nicht nach, wie sie es insgeheim gehofft hatte. Die Qual verstärkte sich. Swon krampfte und lag bald wieder auf dem Boden. Derweil versuchte Red sich umzuschauen, ohne dass sie ihre Lage veränderte.
'Der Boden ist nicht rot. Wir sind nicht mehr am See. Aber wie? Irgendwas zog an mir. - Greg? Wo ist er? Holt er Hilfe?'
Red versuchte, sich an die Geschehnisse zu erinnern - erfolglos. Am Rande ihres Sichtfeldes entdeckte sie ein Leuchten und für eine Sekunde keimte Hoffnung bis die Schmerzen zurückkamen. Schreckliche Bilder nahmen sie gefangen. Gequält wimmerte Red und verlor nach einiger Zeit erneut das Bewusstsein. Das Leuchten, dass Red gesehen hatte, kam von Gregs Lampe, die auf dem Boden neben ihm lag. Sonst befand sich niemand in diesem Teil der Höhle.

Verantwortlich für den Zustand der Drei war der blutrote Stoff, der in der Höhle lagerte. An dessen Entdeckung wiederum war eine der zehn Erwählten beteiligt gewesen.
Im Jahr 2941, vor acht Jahren, erhielt Lehrmeister Mexila Lerudaromxiros, damals 21 Standardjahre alt, die Genehmigung und Gelder für ihr erstes, großes Forschungsprojekt. Dessen Ziel war es, ein dringend benötigtes Heilmittel für die Dser-Seuche zu finden. Diese Krankheit, die jede bekannte Spezies und deren Mischungen befallen konnte, wütete zu dieser Zeit in der Hälfte aller bewohnten Raumsektoren und hatte bis dahin bereits hunderttausende Opfer gefordert.
Mexila führte ein Team aus Wissenschaftlern der Koalition und der xamaerischen Lehrunion an, welches innerhalb eines halben Standardjahres einen Stoff fand, der die virale Infektion erfolgreich und ohne schwerwiegende Nebenwirkungen bekämpfte. Sofort liefen Impfprogramme an, um die Seuche unter Kontrolle zu bringen. Für Mexila war das Projekt damit beendet und sie wandte sich neuen Aufgaben zu. Mitfinanziert von der Koalition erkundete die erfolgreiche Wissenschaftlerin im darauffolgenden Jahr Zivilisationen und Planeten im Außerhalb.
Zeitgleich wurden, im Auftrag der Internen Sicherheit und ohne Mexilas Wissen, weitere Untersuchungen an dem Heilmittel durch elitäre Forschungseinrichtungen auf Bresus durchgeführt. Dabei zeigte sich schnell, dass ein zur Lebensrettung vorgesehenes Mittel in größeren Mengen auch hervorragend töten konnte. Danach führte die Interne Sicherheit den Stoff in ihren Datenbanken als halluzinogenes, rassenunspezifisches Nervengift und zugelassenes Kampfmittel.
Ein Anlass, die neue chemische Waffe erstmals einzusetzen, ergab sich bereits im Jahr 2942.
Auf dem Planeten Xu führte eine Koalitionsdelegation Gespräche mit den Gudus, der regierenden Spezies. Nach Unstimmigkeiten hielten die Gudus ihre Gäste fest und begannen Forderungen zu stellen. Da der Koalitionsrat in solchen Situationen Verhandlungen grundsätzlich verwehrte, war ein militärisches Eingreifen die einzige Option. Auf Anraten der Internen Sicherheit und ohne die Genehmigung des Rates entschied sich die elitäre Führungsriege für den Giftgaseinsatz. Dadurch sollten Opfer unter den Koalitionstruppen minimert werden.
Der Stoff, den Mexila mit ihrem Team zur Bekämpfung der Dser-Seuche entwickelt hatte, wurde mit Jägern über einem Kontinent des Planeten Xu versprüht. Die Folgen waren schwerwiegend. Die Bevölkerung der betroffenen Gebiete wurde ausgelöscht. Die Rasse der Aosh, die traditionsgemäß ihre angestammten Gebiete sehr selten verließ, wurde mit einem Schlag an den Rand der Ausrottung gebracht. Insgesamt verloren vier Million Wesen das Leben. Unter Schock und nach der Androhung weiterer Angriffe ließen die Gudus letztendlich ihre Geiseln frei.
Die weitreichenden Folgen erkannten die Beteiligten jedoch erst im Laufe der Zeit. Noch nach einem Jahr wirkte das Gift so stark, dass Piloten nach längeren Tiefflügen an Halluzinationen und Krämpfen litten. Alle Versuche der Entgiftung und Wiederbesiedlung schlugen fehl und schließlich erklärten die Gudus den Kontinent zur verbotenen Zone. Der Kontakt zur Koalition wurde abgebrochen. Bereits sieben Jahre später war Xu, obwohl mitten im bewohnten Raumgebiet gelegen, eine vergessene Welt. Bis heute hat Xu kaum kosmische Kontakte und koalierten Raumschiffen wird grundsätzlich die Landegenehmigung verweigert.
Der Koalitionsrat reagierte erbost auf die Eigenmächtigkeit der elitären Truppen und entließ Verantwortliche der Führungsriege unehrenhaft aus ihren Positionen. Offiziell wurde dies allerdings nie bekannt gegeben, genau wie niemals ausführlich über die verheerenden Auswirkungen für den Planeten Xu und dessen Bevölkerung berichtet wurde. Die Befreiung der Geiseln sowie die diplomatischen Bemühungen seitens der Koalitionpartner, den Kontakt zu den Gudus und Xu aufrechtzuerhalten, füllten die Schlagzeilen. Auf diese Weise bekam die Aktion in der Öffentlichkeit einen positiven Anstrich.
Vor allem im Außerhalb rankten sich von jeher Gerüchte um die neue Waffe der Koalition, welche inzwischen Prekrus oder Todesblut genannt wurde.
Seit dem Jahr 2943 sind Herstellung und Handel dieses Stoffes im Koalitionsraum - mit Ausnahme der medizinischen Verwendung - verboten. Trotzdem wird Prekrus auf Planeten im Außerhalb weiterhin produziert, wobei die beteiligten Firmen über den Verwendungszweck keine Auskünfte erteilen.
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"Leutnant Leight, wachen Sie auf!", sagte ein weiche Stimme.
'Was? Wo? Mama?'
"Mama, bist du das?", flüsterte Red verwirrt. Eine zarte Hand streichelte ihre Wange. Die Elitäre fühlte sich wie nach einer gerade überstandenen, schweren Grippe.
Ihre Mutter saß dann am Bett und drückte ihr die Hand auf die Stirn, aber irgendetwas stimmte an diesem Bild nicht. Das gemütliche Bett fehlte genau wie die neugierigen Geschwister. Warum duftete es nicht nach Essen, wenn Mama doch immer eine Kleinigkeit mitbrachte?
Langsam kam die Erinnerung zurück. Red öffnete die Augen und blickte in ein aufmerksames, feingliedriges Gesicht mit grünlichem Teint. Obwohl Red bisher nicht mit ihr gesprochen hatte, erkannte sie die Frau mit dem schulterlangen, schimmernden schwarzen Haar und der grauen Lehrmeistertracht sofort. "Sie sind Mexila Lerudaromxiros, ein Lehrmeister. Ich erinnere mich.", murmelte Red rau, setzte sich dabei auf. Die Wand stützte den Rücken. Fragend blickte sie Mexila an. "Da war ein seltsamer See - eine Flüssigkeit wie Blut und..." Ein heftiger Schmerz überrollte ihre Gedanken. Red schloss die Augen und bemühte sich, ruhig zu atmen. Als es vorbei war, sprach sie heiser weiter: "Diese grauenhaften Bilder und danach die Schmerzen...so .." Nickend unterbrach Mexila die Elitäre. "Das wird bald überstanden sein. Wir kamen gerade rechtzeitig."
"Das war kein Blut. Richtig?"
"Auf den meisten Planeten nennen sie es Prekrus, ein Nervengift - in dieser Menge jedenfalls.", erklärte Mexila ruhig. Red nickte stumm, während sie versuchte mit den Händen am Fels aufzustehen. Die Xamaer half ihr. Ein leises Stöhnen konnte Red nicht unterdrücken. "Ooh, mein Kopf."
'Prekrus, Todesblut. Das habe ich gelesen. - Auf Xu. Die Befreiung der Delegation. Aber das wurde .. ist das nicht... - Ähm, doch ja! Das Zeug ist...'
Bereits nach einigen Sekunden stand Red recht sicher. Mexila wirkte weiterhin besorgt, als Red auf einmal verärgert herausplatzte: "Prekrus ist verboten - seit dem ersten Einsatz auf Xu! Warum liegt das hier rum?"
Die Xamaer zuckte hilflos mit den Schultern. "In solchen Mengen ist es verboten, aber das Koalitionsgebiet ist riesig. Die Sicherheit und die Truppen können ihre Augen nicht überall haben." Red verstand den Einwand. Zweifel blieben trotzdem.
'Ich weiß nicht. Soviel davon? Unter einer Koalitionsbasis? Ob Lead davon weiß? Nein! Kann nicht sein! - Oder? Er war die ganze Zeit so seltsam, aber - nun ja - hier ist sowieso alles seltsam. Und warum sollte Lead uns mit Prekrus töten? Das ergibt keinen Sinn.'

Plötzlich kamen Red ihre Begleiter in den Sinn - Greg und Swon. Sie blickte sich um. Greg sah blass aus, stand, ein paar Schritte weiter, gegen die Wand gelehnt und sprach mit Lehrmeister Mexur Lerudaromxiros, dem Bruder von Mexila.
Während Red die Männer betrachtete, meldete sich eine verschwommene Erinnerung. Eine neuerliche Schmerzattacke verscheuchte allerdings jeden klaren Gedanken. Mexila drückte die Menschliche sanft gegen den Fels. Als die Schmerzen abebbten, lächelte Red dankbar, bevor ihr Blick zur bewusstlosen Swon wanderte. Die Dschjua stand unter der Beobachtung von Doktor Fries Bishop, der kurz aufschaute und freundlich lächelte.
Red erwiderte die Geste und wandte sich der Xamaer zu. "Mexila, ähm, Lehrmeister... hmm?" Sie geriet ins Stocken und senkte verlegen den Blick. Die Angesprochene lächelte entspannt. "Mexila. Einfach Mexila. Alles andere ist zu umständlich, Leutnant."
Red atmete erleichtert auf, denn sie hatte während der Ausbildung sehr unangenehme, hochdekorierte Personen kennengelernt. "Mexila. Gut. Mexila. Ich bin Red. Nur Red. Ohne Rang - bitte, weil... Sie sind ja Zivilist - ähm - also nicht das ich... - hm, egal, naja, jedenfalls..."
'Oh man, was rede ich denn? Ich hoffe, sie versteht das. An den Leutnant bin ich nicht gewöhnt - und mit diesen seltsamen Leuten wird das wohl auch nicht so schnell passieren.'
Mexila lächelte plötzlich. Red holte tief Luft und wiederholte: "Nur Red, bitte. Reicht mir.", nervös schaute sie sich um, sah Swon und fragte besorgt, "Warum ist der Regier nicht wach?"
Mexila wurde ernst. "Dschjus reagieren auf äußere Einflüsse sehr empfindlich. Durch die Haut dringen Stoffe schnell in ihre Körper, aber glücklicherweise ist Swon zur Hälfte menschlich. Das hat geholfen.", Red nickte stumm, "Wenn ihr - und das gilt für jeden von euch gleichermaßen - näher an der Quelle gelegen hättet, dann...", Mexila suchte nach den passenden Worten, "...wären wir zu spät gekommen."
In dem Moment tauchte die vage Erinnerung erneut auf. Red sah Mexila gedankenverloren an und erzählte bedächtig: "Ich glaube, er hat uns gerettet. Ich meine Greg. Greg hat Swon und mich weggeschafft - vom See - weg von dem Gift, glaube ich."
Red sah zum Techniker, der ihren Blick erwiderte und verlegen mit den Schultern zuckte. In dem Moment begann Swon sich lautstark zu beschweren.
"Schluss! Bei allen Vulkanen! Hör sofort auf!" Ihre Stimme hatte die gewohnten Schärfe bereits wiedergefunden.
'Sie ist sogar in diesem Zustand respekteinflößend. Beeindruckend und interessant! Wie der Doktor wohl reagiert?'
Fries Bishop lächelte schweigend und verabreichte ihr eine weitere Dosis per Zellstab. Swon versuchte aufzustehen. Der Doktor hatte keine Mühe, sie am Boden zu halten. "Fass mich nicht an! Was soll das überhaupt?", rief Swon erzürnt. Fries erklärte gelassen: "Das sind Gegenmittel und Aufbaupräparate." Er behandelte bei weitem nicht den ersten Clankrieger. Als er mit seiner Arbeit fortfahren wollte, warf Swon erbost ein: "Verfluchter Menschenarzt! Schluss damit! Ich bin gesund!"
"Aha, vor einer halben Stunde beinahe tot und jetzt bereits gesund? Ist besser, wenn ich die Diagnosen stelle.", spottete Fries und fügte amüsiert hinzu, "Dschjus sind immer eine starrköpfige Rasse, wenn es um medizinische Behandlungen geht und deine menschliche Seite scheint keinen positiven Einfluss darauf zu haben."
'Hey, dieser Doktor, der lässt sich nicht einschüchtern! Allerdings wär er mir eine Nummer zu frech. - Hat er nicht eine Weile im Dschjusystem gearbeitet?'
Auf Swons Gesicht zeichneten sich deutliche Emotionen ab. Zuerst zeigte sich Überraschung, dann Ärger und schließlich blanker Zorn. Red fand das lustig, bis Swon sich plötzlich von Schmerzen überwältigt krümmte. Fries Bishop strich der geschwächten Frau beruhigend über den Rücken und sprach leise mit ihr. Danach wirkte Swon deutlich folgsamer, was Red erstaunte.
'Hmm, was er wohl gesagt hat? Swon schaut zwar nicht glücklicher aus, aber beschwert sich nicht! Guter Doktor, glaub ich.'
Langsam schweifte ihr Blick weiter und blieb an Greg hängen, der sich mit Mexur unterhielt. Sie dachte an ihr erstes Zusammentreffen und musste grinsen.
'Er war wütend. War nicht besonders nett, ihn mit Gewalt aufzuhalten. Nach heute sogar sehr unpassend. Comander Lead ist es scheinbar nicht wert gewesen.'
Mexur wandte sich von Greg ab und kam zu seiner Schwester. Zur Red sagte er dabei: "Sie sehen besser aus, Leutnant." Für einigen Momente musterte Red den Lehrmeister schweigend.
'Durchaus gut aussehend - wenn man auf Xamaer steht. Diese Lehrmeistertracht ist allerdings furchtbar. Viel zu grau und streng - genau wie bei seiner Schwester. Steht keinem der beiden!'
Dann begann sie sachlich: "Nur Red, bitte. Bei Zivilisten besteh ich nicht auf den Rang." Der große, schwarzhaarige Mann betrachtete sie abwägend: "Haben Sie Vorbehalte gegen Zivilisten, Leutnant?" Red erwiderte seinen Blick. "Vorbehalte gegen Zivilisten im Allgemeinen? Nein, keine.", sie setzte spöttisch fort, "Pazifisten finde ich allerdings furchtbar - besonders meine Mutter und meine Schwester - solche Leute in der Familie zu haben, ist kaum zu ertragen.", weil Mexur abwartend schwieg, erkundigte sich Red amüsiert, "Noch mehr Fragen, Sir?"
Nach einigen Sekunden lächelte der Xamaer. "Red? Seltsamer Name für eine Menschenfrau."
"Man gewöhnt sich daran."
Sein Lächeln wurde deutlicher. "Scheinbar bekommen wir dazu gerade ausreichend Gelegenheit, - Red. Falls du meinen Namen überlesen haben solltest, ich heiße Mexur.", dann streckte er ihr auffordernd die Hand entgegen und meinte spöttisch, "Ihr Erdlinge besiegelt ein Kennenlernen doch mit Händedruck."
"Tun wir das?", fragte Red verwundert, aber schüttelte seine Hand trotzdem. "Sehr gut. Haben wir das auch erledigt.", meinte Mexur abschließend und wandte sich an seine Schwester, "Lass uns mit Fries sprechen." Unsicher begutachtete Mexila ihre Patientin.
"Geh schon. Ich bin ok und - also - danke für das Retten." Mexila lächelte stumm, während Mexur zufrieden nickte und seine Schwester abführte. Red blickte ihnen nachdenklich hinterher.
'Komischer Typ - und der ist ernsthafter Wissenschaftler? Ein echter Lehrmeister? Kann ich mir gar nicht vorstellen - aber Mexila scheint nett zu sein.'
Red beobachtete wie der Doktor, der Swons Behandlung inzwischen beendet hatte, sich den Geschwistern zuwandte.
Red näherte sich Swon und Greg folgte ihr. Die Dschjua probierte gerade aufzustehen. Als die Menschen helfen wollten, ernteten sie einen eisigen Blick und beschränkten sich danach auf's Beobachten
'Die ist aber wirklich zu starrköpfig - als ob ein wenig Hilfe ihre Ehre verletzen würde.'
"Geht es euch besser?", fragte Greg und schaute die Frauen abwechselnd an. Swon nickte stumm, während Red eine Gegenfrage stellte: "Woher wusstest du, dass es Prekrus ist?" Greg zuckte mit den Schultern. "Ich hab das Zeug mal transportiert - und in der Höhle - wusste ich's plötzlich - irgendwie. Der Rest war mehr Reflex oder Instinkt oder so." Swon musterte ihn misstrauisch: "Prekrus ist verboten."
"War im Außerhalb. Ich arbeite selten im Koalitionsraum.", erklärte Greg ungerührt. Der Gesichtsausdruck der Dschjua veränderte sich nicht, doch strahlten ihre Augen eine Sekunde lang Verständnis aus. Dann fuhr sie kühl fort: "Egal wieso, aber die Kleine hat recht. Du hast uns das Leben gerettet." Red brauchte einen Moment, ehe Swons Bemerkung durchgedrungen war. Schlagartig verflog die gute Laune und elitärer Stolz regte sich.
'Jetzt reicht's, Regier! Auf deine dummen Sprüche habe ich keine Lust mehr!'
Red war verärgert, aber ihr Verhalten wirkte besonnen. Die Kühle und Arroganz ihrer Stimme erinnerte alle Anwesenden daran, dass sie zweifellos zu den Führungstruppen der Koalition gehörte. "Benutze in Zukunft meinem Namen, Rang oder vermeide es, am besten, komplett, dich zu meiner Person zu äußern. Verstanden, Regier Dschrib?"
"Willst du mir drohen?", fragte Swon kalt. Red fixierte die Dschjua. "Wieso willst du mich reizen?" Sie trat nah heran. Ihr Flüstern klang bedrohlich. "Wieso, Regier Dschrib? Weil ich elitär bin oder ein Mensch oder hast du ein grundsätzliches Problem mit den Koalitionstruppen? Was ist es?" Swon neigte den Kopf und erwiderte kühl: "Eine geniale Zusammenfassung einiger Gründe. Du bist eine kleine, schwache Menschenfrau, die vor ein paar Tagen noch Anwärter war und Mitglied einer Kampftruppe ohne Geschichte und Nationalstolz ist.", als Swon langsam weitersprach, spürte Red den Atem auf ihrer Wange, "Du hast keine Ahnung, keine Prinzipien und keine Stärken."
'Typisch Dschjumilitär! Die haben alle einen mächtigen Schaden!'
Die Worte berührten Red nicht, denn eine ähnliche Antwort hatte sie erwartet. Ihre Reaktion fiel entsprechend aus. "Der schwache, kleine Mensch ist dir genauso anzusehen wie mir. Außerdem glaube ich nicht, dass bei dir viel mehr als dumme Sprüche und eine dicke Akte rauszuholen sind, oh Tochter des mächtigen Dschrib Jen.", Red funkelte die Dschjua herausfordernd an, "Ach, erzähl mir, schöne Swon, wie viel Karriere verdankst du deinem Vater? Alles oder hast du dir ein paar Kleinigkeiten auch selbst erarbeiten dürfen?"
Das Anzweifeln persönlicher Tapferkeit und Ehre galt bei Kriegern der Dschjuwelten als schwerwiegende Beleidigung. Das war Red bewusst. Sie wollte provozieren, denn wie viele elitäre Offiziere war sie kein Anhänger langwieriger, gewaltfreier Lösungswege. Greg hatte sich bereits entfernt. Bei diesem Mal kam er nicht auf die Idee, den Streit aufzuhalten. Auch kein Anderer hatte das Bedürfnis sich einzumischen.
Die Frauen starrten sich regungslos an - die Gesichter einen Handbreit voneinander entfernt. Zwar wirkten beide angriffslustig, schienen jedoch auch abzuwägen. Böse drohte Swon: "Bist du lebensmüde, Leutnant?"
"Nicht mehr als du, Regier.", entgegnete Red mit kühlem Lächeln. Da schnellte die Faust der Dschjua vor. Die Elitäre wehrte den Schlag ab und wich einem Zweiten aus. Red verteidigte sich, ohne selbst anzugreifen. Danach fror Swon ein. Wieder taxierten sie sich.
Red hatte solche Situationen zu oft geübt, als dass der unnachgiebige Blickkontakt ihr Angst einjagen konnte. Da Swon die Vergiftung schlechter überstanden hatte, waren sich die Zwei im Moment ebenbürtig. Davon ging Red zumindest aus.
"Mich zu beleidigen, wird dein Leben nicht vereinfachen!", begann Swon erneut. Red gab nicht nach. "Mit Vergnügen verspreche ich dir das selbe." Swons grüne Augen funkelten zornig. "Gibt mir 50 ZEs und deine Beleidigungen werden dich umbringen. Willst du den Tod?"
'Was für eine blöde Frage!'
Red blieb unbeeindruckt. "Das wird nicht so einfach, wie du glaubst." Zu Reds Erstaunen huschte ein Lächeln über Swons Gesicht. Plötzlich wirkte sie beinahe freundlich. Swon gab ihr Raum und obwohl Red dem Frieden misstraute, lockerte sich ihre Haltung.
'Zu einfach! Sie tricks...uhhahh...'
Blitzschnell packte Swon den Hals der Elitären und zog sie zu sich. Sofort griff Red ihr Messer und drückte die Spitze gegen den Bauch der anderen Frau. Der Druck auf die Kehle war nicht stark, aber Reds Herz raste trotzdem. Swon dagegen atmete ruhig und gleichmäßig.
Der Körper des Leutnants war empfindlich. Sie spürte jeden kühlen Finger an ihrem Hals, den festen Widerstand von Swons Bauch an ihrem Messer. Die grünen Augen betrachteten sie unablässig. Dann kam Swon noch näher. Red fühlte weiche Lippen an ihrer Wange, hörte ein warnendes Flüstern: "Sei vorsichtig - sehr vorsichtig, Leutnant Leight." Red verstärkte den Druck der Klinge und antwortete stoisch: "Bin ich immer, Regier Dschrib."
Nach einem weiteren Augenblick lösten sich die Frauen. Sofort steckte Red das Messer weg und wandte sich ab. Sie wusste, dass es überstanden war.
'Ob das gut war? Swon ist ziemlich verrückt. Beeindruckend schnell. Vielleicht war's nicht meine genialste Idee, den Ärger zu provozieren. Andererseits - mich zu ignorieren, ist eine Sache, aber mich die ganze Zeit öffentlich zu beleidigen, eine völlig andere! - Und überhaupt...wer stirbt schon aus intelligenten Gründen!'

Doktor Fries Bishop, die Xamaer und Greg Toms hatten die Geschehnisse zwischen Swon und Red beobachtet. Jetzt - da die Situation entspannter schien - trat Mexur, die Hände in die Hüften gestemmt, vor und fragte bissig: "Habt ihr alles geklärt? Können wir uns jetzt echten Problemen zuwenden?" Swon zeigte keine Reaktion, während Red schweigend nickte. Mexur drehte sich um. "Die friedliebenden Damen sind anscheinend soweit."
Von Swon erntete der große, schmale Mann einen eiskalten Blick, während Red schuldbewusst ihre Stiefel betrachtete. "Hört auf damit!", murrte Fries,"Das ist nicht die Zeit für Streitereien. Lasst uns klären, wie wir vorgehen."
Damit fanden sich sechs Personen zusammen, begannen Informationen auszutauschen und das weitere Vorgehen zu diskutieren.
Die Neuigkeiten, die Red von den Wissenschaftlern und dem Mediziner erfuhr, waren eigentlich keine. Deren Erlebnisse glichen den ihren verblüffend.
Die Drei folgten einem Gang, der in die Höhlen führte. Als sie zurückkehren wollten, fanden sie den Weg durch Felsen versperrt. Gekommen waren sie aus dem breiten Gang, den Swon ursprünglich erkunden wollte, und daher blieb von den vier Wegen der Kreuzung nur ein unbekannter übrig. Diese Tatsache erleichterte die Entscheidungsfindung enorm, was Red mit einem Gedanken an Greg und Swons Streitgespräch für einige Momente richtig fröhlich stimmt.
Die Sechs liefen los - zuerst Greg, Fries und Swon mit der ersten Lampe, dann die Geschwister und Red mit dem zweiten Licht. Zum ersten Mal fühlte sich Red in ihrer Gruppe wohl, denn sie mochte Xamaer. Diese intelligenten Wesen mit der grünlichen Hautfarbe, dem schimmernden, schwarzen Haar und den violetten Augen mochte Red sogar sehr, denn die einzige Xamaer, die jemals die elitäre Ausbildung abgeschlossen hatte, war ihre beste Freundin.
Bei dem Gedanken an Laxira Peraxos wurde Red wehmütig. Sieben Jahre lang hatten die Zwei fast täglich Zeit miteinander verbracht und jetzt befand sich jede an einem anderen Ort. Während der Akademiezeit waren sie stets ein gutes Team gewesen. Bei wissenschaftlichen Arbeiten, mit denen sich Xamaer von frühster Kindheit an beschäftigen, half Laxira der Menschlichen. Dafür unterstützte Red ihre Freundin bei der Kampfausbildung.
Da im Xamarreich seit langer Zeit keine militärischen Organisationen mehr existierten, fehlte Laxira ein grundlegendes Verständnis für diese Felder. Im letzten Jahr hatten sich die Freundinnen auf Veränderungen gefreut, doch nun vermisste Red die gewohnte Umgebung und Laxiras Anwesenheit. Auch wenn Mexur und Mexila, außer der Herkunft, nicht viel mit Laxira gemein zu haben schienen, war Red deren Gesellschaft deutlich lieber als die anderer Beteiligter.
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'Wir sind sicher schon seit 200 ZEs unterwegs, aber nichts passiert, nichts ändert sich. - Naja, ich sollte mich nicht beschweren. Die Schmerzen sind weg und der Tunnel ist ok. Nicht so ein enges, kleines Ding wie vorhin. Trocken ist es auch und keine tödlichen Überraschungen mehr. Ist durchaus was wert - auch wenn's langweilig ist.'
Die gesamte Zeit folgten die Sechs einander schweigend, bis ein abruptes "Stopp!" die Gruppe anhalten ließ. Red erkannte Swons gedämpfte Stimme. Dann flüsterte Mexur: "Hört ihr es? Vor uns ist jemand!" Red lauschte. Leise Geräusche drangen aus der Finsternis.
'Stimmen und Schritte - recht weit weg - trotzdem - wir bekommen Besuch...'
Red hörte ein leises Klicken. Jemand entsicherte seinen Strahler - Greg, Fries oder Swon. Ein weiteres Klicken folgte. Auch Red griff instinktiv nach der Dienstwaffe. Das Gefühl des kalten Metalls in der Hand gab ihr Sicherheit.
Die Lichter waren längst aus und sie pressten die Rücken gegen die Wand. Die Chancen, mögliche Gegner auszuschalten, standen gut, denn der Gang lief an der Stelle nicht gerade. Die Sechs mussten nur abwarten, wer um die Ecke schauen würde.
Die Geräusche wurden lauter. Verzerrte Stimmen, Lachen und Schritte hallten durch die Höhle. Dann wanderten zwei Lichtkegel um die Biegung, gefolgt von sorglosen Personen. Swon trat vor und zielte auf die Näherkommenden.
"Wer seid ihr?", fragte sie kühl. Zeitgleich schalteten Greg und Mexur ihre Lampen an, wobei nun sechs Waffen auf vier unbekümmerte Wesen zielten. "Keine Angst! Wir sind's nur.", rief eine heitere, weibliche Stimme.
Einige Sekunden später waren alle Waffen gesichert. Galia, Naro Wrug Furl, Sirius Pela und Bez Ceimostrop standen vor ihnen. Die Zehn waren komplett.
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Für Comander Lead begann in diesem Moment die zweite Phase seines Planes. Die Erwählten sollten sich kennenlernen und zusammenarbeiten. Laut der Theorie war jedes Mitglied dieses Teams wichtig, um die Aufgabe bewältigen zu können. Jedem war ein Platz zugedacht worden. Obwohl im tiefsten Innersten Zweifel keimten, hoffte Lead, dass diese Ergebnisse sich bestätigen würden. Manchmal konnte der Comander nicht glauben, dass das Verhalten komplexer, fühlender Charaktere derart einfach, auf mathematische Formeln zu reduzieren war.
Bei den zehn Betroffenen breitete sich derweil Ratlosigkeit aus. Galia, Bez, Naro und Sirius hatten sich nie getrennt und bereits recht schnell festgestellt, dass der Rückweg versperrt war. Seitdem wanderte sie durch den endlosen Tunnel, ohne auf eine Abzweigung zu stoßen. Red lehnte ein Stück abseits an der Wand und dachte angestrengt nach.
'Warum sollte uns jemand in diesen Höhlen einsperren? Ob Lead dahinter steckt? - Ja, bestimmt. Nur weshalb? Und das Prekrus? Will er uns töten? Wieso?'
Ihr gefielen die Gedanken nicht, aber Red konnte sie nicht bei Seite schieben. Abwesend starrte sie in die Dunkelheit.
'Der Comander will uns nicht umbringen. Das glaub ich nicht und es gibt sicher einen Ausweg. Man muss ihn nur finden.'
"Da hast du vollkommen recht.", antwortete eine weibliche Stimme überzeugt. Red zuckte zusammen und schaute alarmiert auf.
'Oh nein, die Tekkarui!'
Die gelbe Tempelpriesterin Galia stand neben ihr. Red musterte die blonde Frau und sagte dann ehrlich: "Ich mag es nicht, wenn Sie meine Gedanken lesen." Galia erwiderte würdevoll: "Das gefällt keinem Wesen. Die meisten fühlen sich ausgeliefert.", Red nickte schweigend, "Es ist der persönliche Einblick, den du gibst, ohne Einfluss nehmen zu können.", fuhr Galia fort.
Red reagierte nicht, betrachtete ihr Gegenüber misstrauisch. Die kleinen Ohrmuscheln und schräg stehenden, hellblauen Augen waren typisch für Tekkarui. Das lange, hellblonde Haar wickelte sich um den Kopf, ohne dass Anfang oder Ende erkennbar waren. Ihre Haut glich weißem Porzellan. Die Nase war klein und spitz. Der grazile Körperbau und die eleganten Bewegungen bei einer Größe, die beinahe der von Mexila entsprach, ließen Galia zerbrechlich wirken. Ihr zartgelbes Gewand war bodenlang, leicht und wehend. Es zeigte die Ordenszugehörigkeit an. Da Red jedoch bisher keine gelbe Tempelpriesterin aus der Nähe gesehen hatte, weckte deren Erscheinung völlig andere Erinnerungen.
'Sieht aus wie eine Fee. Ja, wie eine Zauberfee aus Omas Märchenland! - Unglaublich, aber bei diesem Umhang-Kleidchen kein Wunder! Kämpfen kann sie darin auf jeden Fall nicht. - Ob sie eher zu den guten oder den bösen Zauberfeen gehört? Oder ein verkleideter Wolf? - Ist unwahrscheinlich, denk ich.'
Galias Gesicht war versteinert, als die zweite Psifrau Bez Ceimostrop auftauchte und sich eilig vor die Tekkarui schob. Red wandte Bez dabei den Rücken zu. Sie faltete die Hände und neigte den Kopf demütig. Dann tauschten die Psiwesen stumme Blicke aus und Red fühlte sich schlagartig sehr unwohl.
'Ok, was machen die da? Das ist unheimlich. Bestimmt eine Gedankenunterhaltung. - ähm, vielleicht geh ich besser rüber und prügle mich mit Swon!'
Als die brünette Streslar Bez sich Red zuwandte, wirkte Galia ungehalten. Bez begann ungezwungen: "Ich darf dich Red nennen. Mexila meinte, dass wäre dir lieber als dein Rang."
Irritiert erwiderte Red den freundlichen Blick und nickte schließlich stumm. Im Plauderton fuhr Bez fort: "Weißt du eigentlich, dass auch Nicht-Psiwesen telepathische Einflüsse blocken können? Nicht so perfekt wie Streslar, aber grundsätzlich geht das schon. Es braucht nur die richtigen Techniken und ein bisschen Übung.", Red blieb stumm, hörte jedoch interessiert zu, als Bez weitersprach, "Leider bezieht die Koalitionsakademie keine dieser Techniken in die Ausbildung ein."
"Wieso nicht?", fragte Red zweifelnd. Mit finsterer Miene setzte Galia an, doch Bez kam ihr zuvor: "Ehrlich gesagt, weiß ich das nicht. Die Koalition will wohl Psikräften nicht...nutzen." Red entgegnete stur: "Das stimmt nicht. Immerhin beschäftigt die Interne Sicherheit eine Menge Telepathen."
"Um jedes andere Psiwesen bespitzeln zu können!", entgegnete Galia verärgert. Bez legte der Tekkarui die Hand auf den Arm und erklärte: "Die Telepathen der Sicherheit überwachen in erster Linie die Einhaltung des Psiabkommens. Sie vermitteln ihre Kenntnisse jedoch kaum. Das ist auch ein Grund, weshalb Psitechniken im Alltag der Truppen keine große Rolle spielen - obwohl es durchaus sinnvolle Einsatzgebiete gäbe."
Prüfend musterte Red die Frauen. Auf einmal meinte sie überzeugt: "Ich habe nichts gegen Psiwesen, aber ich stamme von der Erde und gehöre zu den Truppen. Deshalb hatte ich bis jetzt nicht viel mit diesem Zeu... - also diesen Fähigkeiten zu schaffen. Deswegen...", Red suchte nach den richtigen Worten, "...finde ich das unheim... - ähm, besser - gewöhnungsbedürftig. Ja, und...", Red geriet erneut ins Stocken, ergänzte schließlich eilig, "...ich mag es nicht, wenn in meinem Kopf herumgestöbert wird."
"Natürlich ist uns dies bekannt.", antwortete Galia stolz. Bez lächelte sanftmütig. "Naja, Priesterin, ich glaube, das meinte Red mit Herumstöbern."
Augenblicklich bestätigte sie: "Ja, genau. Das meinte ich. Es ist seltsam, wenn ich was denke und jemand darauf reagiert. Sehr seltsam und nicht immer - günstig." Galia nickte sofort. "Nicht günstig. Das ist wohl wahr.", belehrend, aber nicht unfreundlich fuhr die Priesterin fort, "Psiwesen befolgen Gesetze und Regeln. Im Moment erkunden wir vielleicht mehr als im Allgemeinen üblich, aber bei weitem nicht den gesamten Inhalt deines Kopfes."
Merkwürdigerweise konnte Red nicht anders, als Galia zu glauben.
Über die koalitionseigenen Vorurteile hatte Red bis dahin nie länger nachgedacht. Es war eben so und berührte sie kaum. Doch nun, da Red vor zwei Telepathen stand, erschien es ihr schlagartig falsch, eine ganze Rasse wegen ihrer Fähigkeiten zu verteufeln.
'Wenn diese Priesterin sagt, sie gehen nicht zu tief, muss ich das wohl glauben. Naja, warum auch nicht! Schließlich dürfen Xamaermänner auch unkontrolliert Sex haben.'
Jetzt wirkte Galia irritiert und Bez fragte grinsend: "Was haben Xamaermänner damit zu tun?" Red senkte den Blick.
'Das ist auch Stöbern!'
Bez sagte lächelnd: "Ja, entschuldige, aber so deutliche Gedanken sind kaum auszublenden. Erkläre mir das mit den Xamaermännern bitte! Ich bin neugierig." Red fixierte ihre Schuhe und begann langsam: "Xira, eine Freundin von mir, hat das ein paar Mal gesagt. Wenn es die Psiabkommen gibt, müsste es auch Fortpflanzungabkommen für Xamaermänner geben.", Red dachte kurz nach, "Naja, weil die so fruchtbar sind. Die können Frauen jeder Spezies schwängern - die meisten sogar, wenn sie verhüten und niemand kontrolliert das. Hat man mit einem Sex, muss man darauf vertrauen, dass er auch verhütet.", Red schaute die kleinere Bez direkt an, "Das bedeutet eine beträchliche Gefahr für das ausgeglichene Verhältnis der Spezies im Universum, meint Xira. Daher müsste der sexuelle Kontakt von Xamaermännern durch ein koalitionsweites Abkommen geregelt und durch ein speziell ausgebildete Behörde kontrolliert werden. So ungefähr war das, glaub ich."
"Ein Abkommen, um Xamaermänner am Fortpflanzen zu hindern?", fragte Galia ungläubig. Bez lachte begeistert. "Das gefällt mir. Zu welcher Rasse gehört deine Freundin? Hat sie schlechte Erfahrungen gemacht?"
Red antwortete belustigt: "Xira ist eine Xamaer und hat keine schlechten Erfahrungen. Genau genommen hat sie gar keine Erfahrungen mit Xamaermännern. Auf dem Gebiet zumindest."
Bez grinste und auch Galia lächelte ein wenig, als ein Zuruf den Fortgang des Gespräches unterbrach.
"Galia, Bez, wir wollen eure Eindrücke durchgehen. Vielleicht entdecken wir gemeinsam einen Ansatz.", rief der Quosoe Naro Wrug Furl. Bez stöhnte leise: "Es gibt keine hilfreichen Eindrücke. Was verstehen diese klugen Leuten daran nicht?"
"Sie versuchen, eine Lösung zu finden. Wir sollten helfen! Du auch, Red!", antwortete Galia belehrend. Bez nickte brav. Dann griff die Tekkarui die Hand der Brünetten und zog sie mit sich. Red blieb zurück.
'Was sollen wir diskutieren? Wir waren in jedem begehbaren Tunnel. Es gibt keinen Ausgang. Wir sitzen fest - bis uns jemand wieder rauslässt!'
Grübelnd starrte sie die Wand an und schließlich in die Dunkelheit des Ganges.
'Ha, was ist das?! Moment. - Da ist ein... Nein! Woher? Aber doch...'
Red ging einige Schritte vor und rief erstaunt: "Hey, hier ist ein neuer Gang!" Die anderen Neun folgten ihrem Blick. Red wusste, dass vorher an dieser Stelle nichts gewesen war.
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"Jemand lenkt uns.", fasste Naro zusammen. Greg zuckte mit den Schultern und betrat entschlossen den Tunnel. "Wir haben keine Wahl.", sagte er überzeugt, "Und ich will endlich hier raus."
"Sehe ich genauso.", stimmte Sirius Pela zu, folgte dem Menschlichen und verkündete dabei, "Tscheruera bra crucru." Fries Bishop, der hinter ihm lief, wunderte sich: "Tscheru was bitte?" Der bronzefarbene, haarlose Kopf drehte sich um und erklärte: "Ist Zilus und bedeutet 'Nur der Tod wird uns aufhalten.'"
"Der Tod?! Finden Sie das passend?"
"Brestura bra murou.", rief Mexur, der neben Fries aufgetaucht war, dazwischen. Der Doktor blickte verwirrt zu Sirius, der grinsend übersetzte: "Und selbst dem begegnen wir mit offenen Armen."
Sofort schüttelte Fries energisch den Kopf. "Oh nein, Freunde, ohne mich. Mit absoluter Gewissheit werde ich hier Niemandem mit offenen Armen begegnen. Ganz sicher nicht." Sirius und Mexur grinsten sich an.
Red bildete, entgegen ihrer Gewohnheit, nicht das Schlusslicht. Swon lief hinter ihr. Die Elitäre fühlte sich deshalb mehr als unwohl und wurde das Gefühl nicht los, unter ständiger Beobachtung zu stehen. Manchmal war Swon so nah, dass Red unweigerlich an ihre Auseinandersetzung dachte. Um sich abzulenken, begann Red, die vorauslaufende Person zu inspizieren.
Es handelte sich um den Quosoen Naro Wrug Furl, dem sie bisher kaum Beachtung geschenkt hatte. Der Mann war stattlich - gut zwei Köpfe größer als Red. Er hatte breite Schultern und gebräunte Haut. Sein dichtes, kurzes Haar war dunkelblond und leicht gewellt.
'Der Kerl sieht richtig gut aus! Auf die edle Weise! Warum fällt mir das jetzt erst auf?'
Wieder drangen Swons nahe Schritte in ihren Geist. Red glaubte, ihren Blick körperlich wahrzunehmen. Um die Unruhe zu verscheuchen, atmete sie mehrmals tief durch. Ihre Gedanken zwang sie zu Naro zurück und versuchte, sich an Fakten aus seiner Akte zu erinnern.
'Diplomat, Projektleiter und Ausbilder - häufig für den zivilen Friedensdienst unterwegs, oft im Außerhalb, selten im Dienst der Koalition - Verhandlungsführer in Krisen- und Konfliktsituationen.... Moment mal! Der Mann sollte besser zwischen Swon und mir gehen!'
Viel bekannter schien Red jedoch die Schwester des Quosoen zu sein. Bila Seli Clor war ein elitärer Offizier und wurde als Kapitän des Flottenführschiffes, des FFS, von Anwärtern bewundert. Das FFS zu befehligen, stellte in der Koalition einen der ranghöchsten, aktiven Posten dar.
Zu Beginn ihrer Akademiezeit hatten sich Laxira Peraxos und Red Leight über den derzeitigen Kommandostab und die Mannschaft des FFS informiert. Danach begann Laxira jeden Personalwechsel, im Bezug auf die eigenen Karrierechancen, ausgiebig zu analysieren. Zuerst nervte Red dieses Verhalten, doch mit der Zeit - und nach einigen lautstarken Streitereien - sprang Xiras Begeisterung auf die Menschliche über. Die Vorstellung auf diesem Schiff zu dienen, war reizvoll, wenn auch nicht die einzige Möglichkeit, die Red sich für ihre berufliche Zukunft vorstellen konnte.

'Wir laufen schon wieder ewig - schnurstracks geradeaus, aber naja, zumindest ein sehr zielstrebiger Tunnel und solange am Ende nichts Giftiges rumliegt... einmal fast tot sein, reicht mir! Allerdings, dass es erst gibt Prekrus und dann gar keine Probleme mehr auftauchen, ist unwahrscheinlich. Und Comander Lead? Ist er verantwortlich? Möglich. Nur warum? Diese Sache ist merkwürdig.'
Seit mehr als einer Stunde herrschte Schweigen. Jeder hing eigenen Gedanken nach bis eine Stimme die Stille unterbrach. Red verstand die Worte nicht, denn das Echo verzerrte zu sehr, doch sie erkannte die Person.
'Greg hat was entdeckt. Vielleicht die Station?'
"Worum geht's?", erkundigte sich Swon erstaunlich gelassen. Red zuckte mit den Schultern und gab die Frage an den Quosoen weiter. Die Antwort kam prompt. "Greg hat einen Ausgang gefunden."
Sofort erhöhte sich das Tempo deutlich und kurz darauf standen die Zehn im Freien. Die Gesamtsituation verbesserte sich dadurch allerdings nicht wesentlich.
Der Planet Trinita befand sich recht nah an seiner Sonne. Die Luftfeuchte war gering und Wolken entstanden selten. Vor dem Höhleneingang breitete sich karges Hügelland aus und die Berge, aus denen sie gekommen waren, stiegen steil und zerklüftet in die Höhe.
Die Gruppe erkundete die nähere Umgebung. Swon und Red erkletterten einen Felsen und stellten fest, dass Hügel und Berge von einem riesigen Waldgebiet umgeben waren. Die Frauen sahen eingestreute Lichtungen, Felsgruppen und Berge, doch Hinweise auf die Station gab es nicht.
Gemeinsam begannen sie das weitere Vorgehen zu besprechen. "Wer sagt uns, dass diese Umgebung nicht projiziert ist und wir die Station deswegen nicht sehen?", überlegte Bez, woraufhin drei Männer energisch die Köpfe schüttelten. "Die Landschaft? Komplett? Nein, das ist unwahrscheinlich.", antwortete der Comtechniker Sirius Pela und Greg Toms ergänzte: "Kostet zu viel Energie."
"Völlig richtig. Das würde höchstens mit Kristalltechnologie funktionieren, aber die fehlt auf Trinita.", erklärte Mexur und Sirius hängte an: "Die Stationstechnik ist mindestens fünfzig Jahre alt und nicht kristallkompatibel." Swon blieb misstrauisch: "Aber wer weiß schon, was die alles vor uns versteckt haben."
"Genau, oder die Projektion kommt aus der Umlaufbahn. Von einen Schiff!", warf Mexila ein. Greg verneinte sofort: "Durch die Atmosphäre eine so riesige, sich selbst anpassende Projektion? Nein! Auf keinen Fall! Gibt kein Schiff, dass so was zu Stande bringt." Mexur unterstützte Greg: "Er hat recht, Mex. Selbst wenn das Schiff auf Trinita stände, wäre das unmöglich. Eine solche Projektion würde mehr Energie verbrauchen als rückführbar wäre. Damit würde die Balance kippen und der Kristall würde zerbrechen."
"Das mag sein, aber die Befürchtung des Regiers lässt sich nicht von der Hand weisen.", überlegte Naro weiter, "Unter Umständen gibt es die nötige Technik auf der Station, ohne dass wir davon wissen. Immerhin wurde uns der Zutritt zur ZSE verwehrt."
Nun grinsten Sirius und Greg schief, während Mexur - nach einem kurzen, abwägenden Blick zu Red - stolz begann: "Körperlich vielleicht, aber das Netz und ich kennen keine Grenzen." Sirius lachte auf. "Das Netz und du? Übertreib's nicht, Xamaer!" Mexur zuckte mit den Schultern. "Warum? Ehre wem Ehre gebührt. Das soll euren Anteil nicht schmälern. Einige Bemerkungen waren durchaus hilfreich." Bevor es weiter ging, fuhr Swon ungehalten dazwischen: "Kommt endlich auf den Punkt!"
'Swon hat recht. Die quatschen zu viel - und außerdem müsste ich die Kerle jetzt wegen Spionage festsetzen - aber gut, ich bin ja nicht so - noch nicht...'
Bevor Mexur verärgert reagieren konnte, erklärte Sirius schnell: "Wir haben im Stationsnetz rumgestöbert. Die Systeme sind so alt wie erwartet. Energie liefert eine mittlere D-Ladung, die bei aktuellem Verbrauch noch ein paar Wochen halten wird. Alles passte zu den Aussagen dieses Comanders."
"Natürlich haben wir auch ein paar verschlüsselte Daten und versteckte Ressourcen gefunden, doch das ist auf einer Koalitionsstation nicht überraschend. Darüber hinaus konnten wir nichts verdächtiges entdecken. Keine Kristalle, keine Geheimdienst-Signaturen und deshalb gab es keinen Grund, echten Ärger zu riskieren.", sagte Mexur sachlich. Naro nickte verstehend und setzte mit ruhiger, durchdringender Stimme fort: "Gut. Gehen wir davon aus, dass wir uns mit dem wirklichen Trinita auseinandersetzen müssen. Ist es möglich, die Station mit einer Vdisk zu orten?"
"Wäre dem so, würden wir jetzt nicht diskutieren, sondern laufen.", stöhnte Mexur unfreundlich, "Aber ich erkläre euch unsere Möglichkeiten gerne ausführlicher. Zum einen können wir ausgiebig S'oqx zocken und zum Anderen...", er wedelte mit der Visiondisk, die an seinem Unterarm angeheftet war, vor Naros Gesicht, "...können wir uns gegenseitig zu winken, denn zu einer anspruchsvolleren Kommunikation ist eine Vdisk auf diesem Urzeitplaneten nicht imstande."
'Winken?! Urzeitplanet?! - Uh, ein ziemlich schlecht gelaunter Xamaer!'
Red verkniff sich ein Grinsen und verfolgte gespannt Naros Reaktion. Er zeigte nicht das geringste Anzeichen von Ärger und sprach wohlüberlegt weiter: "Ich schlage vor, dass wir uns einen Lagerplatz suchen und auf eine Nacht im Freien vorbereiten."
Als Red die Worte hörte, wusste sie, dass er recht hatte. Seit Stunden hatten die Gruppe keine längere Pause eingelegt und bald würde die Sonne untergehen. Nachts die Station zu finden, erschien aussichtslos. Zwar zeigten sich in der Runde nun einige unglückliche Gesichter, doch widersprach keiner. Erst als Swon aus Sicherheitsaspekten auf einem Lager im Wald bestand, regte sich Widerstand. Die meisten wollten nicht mehr laufen und ein lautstarkes Streitgespräch brach aus. Red stöhnte innerlich.
'Was soll das jetzt? Swon hat recht. Die Gegend ist wie ein Präsentierteller. In die Höhle zurück wäre verrückt, wenn irgendwer beliebig Felswände erschaffen kann. - Über die Berge geht auch nicht. Viel zu mühevoll mit untrainierten Leuten. Bleibt nur der Wald. Bäume schützen, können unsichtbar machen ...'
Finster folgte Red dem chaotischen Gespräch für eine Weile, bis sie von einer Eingebung überfallen wurde.
'Warum zieh ich nicht alleine los? Ja, ich geh einfach. Ich brauch keinen von denen! Genau!'
Nach einem kontrollierenden Blick auf ihre Vdisk gestand Red den Gefährten noch 50 Zeiteinheiten zu, bevor sie losmarschieren wollte. Kurz vor Ablauf dieser Frist - hauptsächlich aufgrund Naros sachlicher Argumentation und Bez' besänftigender Art - stimmte die Gruppe letztendlich Swons Forderung zu. Müde setzten sie sich in Bewegung.
'Die Zeit vergeht schnell. - Prekrus, eine aggressive Clankriegerin, Psiwesen, Wildnis und das alles mit neun - Fremden? - Nein, besser mit neun weiteren Betroffenen! Leider welchen, die ständig reden oder streiten. Ein irrer Tag! So einen ersten Job wollte ich nicht, will ich nicht. Mit Durst und Hunger. Fast wie das dämliche Überlebenstraining auf Quosos. Naja, wenigstens stürmt, hagelt und regnet's nicht!'
Die Stimmen von Naro und Greg drangen in ihr Bewusstsein Die Männer liefen hinter ihr und unterhielten sich. Red lauschte neugierig. "Ist es sicher, dass ein transportabler Projektor und diese D-Ladung dafür ausreichen?", fragte Naro zweifelnd, worauf Greg antwortete: "Ja, sehr sicher. Die paar Felswände sind keine große Sache, nur eine einfache Kombination von Schild- und Hologrammtechnologien. In Transportern täuscht man so Lebensräume vor. Das beruhigt Tiere und Piloten."
"Und hat uns zweifelsohne durch diese Höhlen gelenkt. - Nur erschließt sich mir der Sinn dahinter nicht." Eine dritte männliche Stimme bemerkte: "Im Freien kann man uns wenigstens nicht mühelos auf Kurs halten." Das Gespräch lief weiter, während Red ins Leere starrte. Die Worte des Arztes ließen sie in Grübelei versinken.
'Er hat recht. Wie soll uns Lead oder sonst wer hier draußen steuern? Ich meine, wir hätten auch den Weg über die Berge wählen oder uns trennen können. Also mir wäre beides liebe...'
"Passen Sie auf, Leutnant!", hörte Red die unpassenden Worte, fühlte sich allerdings nicht angesprochen.
Dann passierten mehrere Dinge gleichzeitig. Red fiel ein, dass sie inzwischen Leutnant war. Sie entdeckte vor sich einen schmalen, aber ziemlich tiefen Spalt und strauchelte. Jemand packte ihren Arm, zog sie zurück und sagte: "Vorsicht, Leutnant Leight."
Erschrocken starrte Red den Spalt an und schimpfte empört: "Verdammte Scheiße! Wieso ist der blöde Weg kaputt?" Red schaute zu Greg, der seinen Griff nur leicht lockerte und grinsend bemerkte: "Mit Projektion hat das auf jeden Fall nichts zu tun."
Auch Fries und Naro betrachteten die verwirrte Red amüsiert. "Sie sind nicht daran gewöhnt, mit ihrem Rang angesprochen zu werden?", erkundigte sich Naro liebenswürdig.
"Scheint so.", murmelte Red, ohne den Quosoen anzuschauen. Dann wandte sie sich an Greg, darum bemüht, gefasst zu klingen. "Danke, aber du darfst mich jetzt loslassen."
"Bist du sicher?", fragte er mit einem breiten Grinsen. Das irritierte Red.
'Was will der Typ? Mich ärgern?'
Während Naro und Fries bereits den Weg fortsetzten, lehnte Greg den Kopf vor und kam Red dabei sehr nah. "Ganz sicher, Leutnant? Kommst du ohne mich klar?", flüsterte er sanft.
'Hä? Was?! Wie ohne dich?'
Aufgewühlt erwiderte Red seinen Blick. "Ja, ganz sicher." Mehr fiel ihr nicht ein. Zu dem befürchtete Red, dass jedes weitere Worte ihre Nervosität verraten würde. Dieser Mann sollte nicht auf die Idee kommen, dass seine Anwesenheit irgendeine Wirkung hatte. Als Greg schließlich ihren Arm losließ und grinsend weiter lief, vermutete Red, dass ihr Vorhaben nicht ganz erfolgreich gewesen war.
'25 Jahre Lebenserfahrung, sieben Jahre Ausbildung zum Eliteoffizier und ich kann bei so 'nem doofen Kerl nicht ruhig bleiben! Ich meine Naro, ja, der ist echt heiß. Aber dieser Greg? Ein nichtsnutziger Schiffstechniker? Nein! Wirklich! Da steh ich drüber. - naja, hm - vielleicht halte ich trotzdem ein wenig Abstand. Nur für den Fall...'
"Dir gefällt dieser Greg Toms?", fragte plötzlich jemand und Red schaute sich um. Galia und Bez standen hinter ihr. "Das wisst ihr aus meinen Gedanken?", platzte sie erschrocken heraus Sofort schüttelte Galia den Kopf. "Nein, eigentlich nicht."
'Mist!'
Bez erklärte lächelnd: "Das war auch ohne Psifähigkeiten offensichtlich. Du hast rote Wangen bekommen und ihm ewig nachgeschaut." Red reagierte trotzig: "Das hab ich nicht!"
"Doch, hast du.", antworteten die Frauen gleichzeitig. "Nicht gut. Das ist nicht gut.", flüsterte Red mehr zu sich selbst. Bez legte ihr den Arm um die Schulter, schob sie über den Spalt und begann belehrend: "Wieso nicht gut? Sexuelle Anziehung bildet für viele Rassen und Spezies die Basis ihres Fortbestehens. Außerdem ist es ein unterhaltsamer, unter Umständen äußerst befriedigender Teil des Lebens." Red verdrehte die Augen und stöhnte: "Ja und bei Gelegenheit auch ein sehr komplizierter."
'Sexuelle Anziehung? So ein Quatsch! Greg ist gar nicht mein Typ! Zwar hat er mir das Leben gerettet und ist irgendwie süß, aber trotzdem nur ein dämlicher Techniker auf Frachtern im Außerhalb - wie mein verantwortungsloser Vater. So einer interessiert mich nicht! Fertig!'
Das klang einleuchtend, richtig und beruhigend. Red entspannte sich, während Galia und Bez sich unterhielten.
Nach einer Stunde Fußmarsch hatte die Gruppe das Hügelland durchquert. Während die Sonne langsam hinter den Wipfeln der Bäume verschwand, saßen sie beisammen und teilten die wenigen Vorräte. Da keiner auf eine längere Reise eingestellt gewesen war, reichte es kaum für eine Mahlzeit. Ab morgen würden sie hungern und dursten. Danach besprachen sie, zum wiederholten Male, die derzeitige Situation, aber neue Erkenntnisse ergaben sich nicht. Sie wollten weiterlaufen, möglichst in Richtung der Station.
Naro brachte den Gedanken der Steuerung durch eine unbekannte Macht wieder ins Spiel. Swon vermutete sofort eine Geheimoperation der Koalition, was durch die Anwesenheit Comander Leads durchaus gestützt wurde. Red folgte dem Gespräch schweigend. Als elitärer Leutnant bekleidete sie als Einzige in dieser Runde einen hohen Rang in der Koalitionshierarchie. Als Absolvent der Akademie gehörte Fries Bishop zwar ebenfalls zur Koalition, bewegte sich allerdings auf einer wesentlich niedrigeren Ebene.
Aus diesem Grund nahm Red das allgemeine Misstrauen, bis zu einem gewissen Grad, persönlich. Da ihr für die vorliegenden Fakten jedoch keine bessere Erklärung einfallen wollte, entfernte sie sich schließlich. Jemand rief ihr nach, aber Red achtete nicht darauf.
'Lasst mich bloß in Ruhe! Ich bin müde und weiß überhaupt nicht, was ich von all dem halten soll.'
In einiger Entfernung stoppte Red und legte sich unter einen Baum, dessen hängende Äste bis auf den Boden reichten. Diese grüne Höhle bot Deckung. Sie holte einen kleinen, schwarzen Stab aus dem Gürtel, steckte ihn in den Boden und drückte die Spitze für einige Momente. Nichts passierte, aber Red wusste, dass sich ihr niemand nähern konnte, ohne stillen Alarm auszulösen. Das Gewirr der Stimmen in der Ferne und die Waffe in der Hand wirkten beruhigend. Bald schlummerte sie ein.

Die Theorie, dass die Koalition für die Geschehnisse verantwortlich ist, kann an dieser Stelle widerlegt werden. Zu den Eingeweihten zählten bei weitem nicht nur Mitglieder der Koalition. Einer der wichtigsten Beteiligten war der Sicherheitsbeauftragte des dschjuanischen Rates der Clans und Clanführer der Jens, Dschrib Jen, Swons Vater. Weitere Entscheidungsträger kamen aus dem Dragu-System, den Sria-Kolonien, dem Xamarreich, von Legato und Quosos - jeweils die einflussreichsten Mitglieder des Koalitionsrates. Deren Regierungen waren allerdings nicht eingeweiht. Darüber hinaus beteiligten sich auch unabhängige Kräfte an dieser Mission.

"Leutnant Leight, wo steckst du?", weckte Red eine kühle, weibliche Stimme.
'Hä? Ja, was? Wo bin ich?'
Reflexartig hielt Red die Waffe fester. Es dauerte einige Momente, ehe die Erinnerung aufklarte. Gerade als sie das Sicherheitsfeld verschwinden ließ, drangen erneut ungeduldige Worte zu ihr. "Wir wollen aufbrechen, Leutnant!" Die Person war inzwischen deutlich näher.
'Swon Dschrib. Warum hat die's so eilig? Es dämmert erst.'
"Hier, Regier. Moment.", meldete sich Red müde. Sie fror und ihr Körper schmerzte beim Aufrichten. Swon, die unter den Baum trat, begrüßte sie barsch: "Setz dich in Bewegung, Leutnant! Alle warten auf dich!"
Red streckte sich. "Darf ich vorher pinkeln, oh großer Regier?", murmelte sie mürrisch.
Als die Frauen am Lager ankamen, wartete der Rest tatsächlich abmarschbereit.
'Oje, das ist schlimmer als an der Akademie. Was haben die gegen's Ausschlafen?'
"Wir sollten uns nicht voneinander entfernen.", bemerkte Naro. Sein Blick ruhte auf Red, die ungläubig zurückstarrte.
'Der meint mich, richtig? Was glaubt der, was ich bin? Ein dämliches Kleinkind? - Ach, bloß nicht aufregen. Soll er reden. Ist mir völlig egal!'
Verständnislos schüttelte Red den Kopf und wartete einige Augenblicke. Als sich keiner rührte, fragte sie unfreundlich: "Wolltet ihr nicht ganz dringend los?" Naro betrachtete sie für einige Sekunden nachdenklich, nickte und meinte ruhig: "Machen wir uns auf den Weg. Vielleicht finden wir unterwegs Wasser oder etwas Essbares." Damit setzte sich die Gruppe in Bewegung.
Reds Laune war miserabel. Ihr Mund war trocken, der Magen knurrte und sie sehnte sich nach einem heißen, duftenden Bad. "Et cirro, bli girro.", holte sie eine gutmütige Stimme in die Realität zurück. "Was?", fragte Red grummelig und blickte sich um. Neben ihr lief der Comtechniker Sirius Pela, den sie für einen Moment abwägend musterte. Er war kaum größer als sie, der Kopf war haarlos und seine Haut bronzefarben. Die typischen, hohen Wangenknochen und tiefdunklen, schmalen Augen besaß jeder Leganer. Sein Anblick weckte Erinnerungen, die Reds Stimmung unabsichtlich und augenblicklich aufhellten.
'Er sieht ein bisschen wie Tie aus - naja, eigentlich überhaupt nicht, doch diese schimmernde Haut... ist einfach hübsch.'
Sirius erwiderte Reds Blick mit einem Schmunzeln. Sie musste lächeln. "Ich träume nicht, also kann ich auch nicht fallen. Et quirro, bli girro." Sirius entgegnete gespielt empört. "Ich soll geschwätzig sein?" Sie sagte lachend: "Nein. Nein, ich meine das Sprichwort. - Lautet es nicht 'Et quirro' statt 'Et cirro'? Sirius wunderte sich: "Beschäftigen Sie sich mit alten Sprachen, Leutnant?"
"Red, bitte. Ich heiße Red.", schob sie schnell dazwischen und fuhr fort, "Nicht direkt, aber meine Mutter hat Geschichte studiert. Sie war auf Zilus und Algura. Da hab ich ein paar Sachen aufgeschnappt.", dann blickte Red den Leganer interessiert an, "Zilus, die Sprache, gefällt mir. Ist sehr melodisch, fast wie ein Lied. Wird aber nicht mehr gesprochen, oder?" Sirius schüttelte den Kopf. "Nein, Zilus ist eine tote Sprache, aber in Projekten habe ich mich damit beschäftigt - Aufzeichnungen übersetzt, Übersetzungen bearbeitet und Translatorprogramme optimiert.", lächelnd hängte er an, "Übrigens gibt es beide Varianten des Spruches - und viele weitere Gründe, die einen zu Fall bringen können."
Nun betrachtete Red den Leganer eine Weile, bis sie plötzlich lachend herausplatzte: "Ha, schon verrückt. Ich bin hier nur von Genies umgeben. Lauter kleine Genies!" Sirius entgegnete belustigt: "Genies? Na, ich weiß nicht. So genial fühl ich mich gar nicht."
Danach begann Sirius Pela von seinen Zilus-Projekten zu berichten, erzählte Details zum Planeten, von den Eigenarten mancher Wissenschaftler und von seiner Arbeit. Vor allem beim letzten Punkt konnte Red ihm nicht immer folgen. Trotzdem steckte seine Begeisterung an und erinnerte Red an ihre Mutter, weshalb sie fasziniert einschob: "Ich bin zwar kein Experte, aber Sie sind tatsächlich richtig gut. Mama würde Sie vermutlich einsperren und erst rauslassen, wenn sie über jedes Detail Bescheid wüsste."
Sirius betrachtete Red erstaunt. "Ihre Mutter würde Leute einsperren?" Red dachte darüber nach und begann vorsichtig: "Bis jetzt nicht, aber wenn es um ihre Arbeit geht, ist sie manchmal sehr - sehr engagiert. Naja, und wenn Mama jemanden treffen würde, der zu einem Thema, das sie interessiert, soviel weiß wie Sie... ", Red hatte deutliche Bilder vor Augen, "...und meine Mutter liebt Zilus, schwärmt von ihrer Arbeit dort bis heute...", schließlich meinte sie überzeugt, "Ja, ich bin mir sicher, Mama würde Sie festsetzen... aber keine Angst, Sie wären gut versorgt und nach einer Woche bestimmt wieder frei." Als Sirius auflachte, senkte Red verlegen den Blick.

Auf einmal stoppte die Gruppe. Sie befanden sich auf einer kleinen Lichtung mit drei riesigen Felsblöcken und einigen Gebüschen. Der Grund für den Halt waren fremde Gedanken und Empfindungen, die Galia und Bez spürten. Vor allem die Tekkarui wirkte deshalb angespannt. Sie konnte die Richtung, in der sich die Wesen befanden, sicher bestimmen, weshalb Naro vorschlug Kundschafter auszuschicken. Swon meldete sich freiwillig und Greg schloss sich ihr an. Obwohl Red das Gefühl hatte, sich beteiligen zu müssen, sagte sie nichts. Naro sah sich um und fragte geduldig: "Drei wären gut. Wer will noch?" Sein Blick lag auf der Elitären, doch die rührte sich nicht. "Red sollte mitgehen.", meinte Mexila zaghaft.

Auf einmal stoppte die Gruppe. Sie befanden sich auf einer kleinen Lichtung mit drei riesigen Felsblöcken und einigen Gebüschen. Der Grund für den Halt waren fremde Gedanken und Empfindungen, die Galia und Bez spürten. Vor allem die Tekkarui wirkte deshalb angespannt. Sie konnte die Richtung, in der sich die Wesen befanden, sicher bestimmen, weshalb Naro vorschlug Kundschafter auszuschicken. Swon meldete sich freiwillig und Greg schloss sich ihr an. Obwohl Red das Gefühl hatte, sich beteiligen zu müssen, sagte sie nichts. Naro sah sich um und fragte geduldig: "Drei wären gut. Wer will noch?" Sein Blick lag auf der Elitären, doch die rührte sich nicht. "Red sollte mitgehen.", meinte Mexila zaghaft.
Alle Aufmerksamkeit lag nun bei Red. Sie zuckte mit den Schulter. "Weshalb?" Obwohl der Vorschlag durchaus sinnvoll war, erinnerte sie sich auch an den gestrigen Abend.
'In so einem Fall ist euch eine Elitäre natürlich recht. Aber warum sollte ich für diesen Haufen kundschaften gehen? Vielleicht mein Leben riskieren...'
Fries Bishop fixierte Red und stimmte Mexila dabei zu: "Deine Ausbildung qualifiziert dich." Sie neigte den Kopf. "Aha, meine Ausbildung."
'Erst meckern, aber wenn's gefährlich wird, passt's auf einmal. - Ach naja, was soll's! Ich bin ja gar nicht so. Geh ich eben!'
"Na, meinetwegen.", murmelte Red. Naro wirkte erleichtert. "Sehr gut." Bez' besorgter Blick wanderte derweil von Red zu Greg und Swon. "Seid vorsichtig! Diese Wesen sind gefährlich." Galia bekräftigte die Aussage: "Die blocken dicht und ich bekomme keine Gedanken, doch was sonst durchschimmert, lässt nichts gutes vermuten. Der Hang zu Gewalt ist deutlich - bösartig, hinterhältig."
Swon schien die Warnung ernst zu nehmen. "Wir werden sehen, wo sie sich befinden und wie wir sie umgehen können.", dann fixierte sie Naro, "Ihr geht in Deckung, entfernt euch aber nicht zu weit von der Lichtung. Wir sind in spätestens 500 ZEs zurück. Verstanden?" Naros Züge umspielte ein Lächeln, als er stumm nickte. Die kleine Gruppe setzte sich in Bewegung.
'Ich hoffe, die Sieben wissen sich zu verteidigen - falls was schief geht.'
Nach einer Weile fragte Swon die überraschte Elitäre forschend: "Hast du Angst?" Wahrheitsgemäß antwortete Red: "Nein."
'Anspannung vielleicht, aber Angst nicht.'
"Warum hast du dich nicht freiwillig gemeldet?", folgte die nächste Frage und Greg ergänzte: "Du hast solche Sachen gelernt."
"Ihr habt viel mehr Erfahrung.", antwortete Red gelassen, "Vielleicht kämpfe ich besser als manch einer, aber wer weiß, wie ich in echten Gefahrensituationen reagiere." Swon wirkte amüsiert. "Ein elitärer Leutnant gerät bei einem Späherauftrag in Panik? Klingt nicht besonders glaubwürdig."
'Oh Swon, da hast du vollkommen recht, aber ich sag euch trotzdem nicht mehr dazu.'
Red zuckte mit den Schultern. "Ja, ja, wer weiß."
In dem Moment blieb Swon stehen und lauschte. "Hörst du was?", flüsterte Greg alarmiert. Stumm nickte Swon. Danach wurde nicht mehr gesprochen. Die Drei hielten ihre Waffen und schlichen vorsichtig durch das Unterholz.

Comander Leads Plan erreichte jetzt die dritte Phase. Die Erwählten mussten lernen sich zu vertrauen und dazu sollten sie sich unter kritischen Umständen erleben. Ab diesem Zeitpunkt verlor der Comander jeglichen Einfluss, denn alles hing von den Entscheidungen der zehn Wesen ab.
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"Raumpiraten.", vernahm Red das Flüstern des Technikers. Ihre Augen überflogen den Lagerplatz in der Schlucht.
'Mindestens vierzig Wesen - schwer bewaffnet. Und es sieht aus, als ob vor kurzem mehr Schiffe hier standen.'
Swons Handbewegung zeigte den Rückzug an. Als sich der Spähtrupp von der Schlucht entfernt und im Unterholz Deckung gesucht hatte, wechselten sie zum ersten Mal seit geraumer Zeit wieder mehrere Worte. "Es sollte kein Problem sein, das Lager zu umgehen. Ich habe fünf Wachen am Wald gesehen, allesamt recht unaufmerksam. Sie fühlen sich sicher.", begann Swon. Greg ergänzte: "Kein Wunder. Ist ein einsamer Raumsektor, die Station normalerweise unbesetzt. Unwahrscheinlich, dass ihnen hier jemand in die Quere kommt." Red rief sich das Bild des Lagers in Erinnerung und dachte angestrengt nach.
'Da stimmte was nicht. Nur was? - Merkwürdig. Irgendwas war fal...'
Jemand schubste sie leicht. "Hey Red, hier ist nicht der richtige Ort zum Träumen." Die Elitäre funkelte Greg böse an. "Ich träume nicht. - Wir sollten zurück." Swon nickte stumm, während der Techniker Red frech angrinste. Auf dem Rückweg bemerkte Swon nachdenklich: "Es ist eigenartig, dass uns gerade jetzt Piraten über den Weg laufen."
"Hier ist alles eigenartig.", erwiderte Greg trocken, "Umgehen wir den Haufen am besten weiträumig." Genau in diesem Moment fiel Red ein, was sie gestört hatte. Sie stoppte und platzte ungläubig heraus: "Verdammte Scheiße! Die hatten eCetecs!"
"Ja, und? Auf den Märkten kannst du heutzutage alles kaufen.", erwiderte Greg verständnislos und Swon fragte kühl: "Welche Bedeutung soll das haben? Cetecs sind inzwischen auf jedem besseren Frachter zu finden."
Das wusste Red selbst, doch war dies nicht der Punkt. "Ihr versteht nicht. Ich rede nicht von normalen Cetecs, sondern von eCetecs - elitären Cetecs. Die gibt es offiziell nirgendwo und inoffiziell existieren genau zweihundert Stück, die im Moment ausschließlich von elitären Spezialtruppen benutzt werden." Greg wirkte verunsichert. "Vielleicht wurden die Dinger kopiert und auf dem Schwarzmarkt angeboten." Red schüttelte den Kopf. "Glaub ich nicht. Sämtliche Konstruktionspläne sind mitsamt dem Entwicklerteam in die Luft geflogen - Naja, eben als die Forschungsstation auf Bresus explodiert ist.", ein schneller Atemzug folgte und sie erzählte weiter, "Das Projekt war so geheim, dass es keine Kopien der Unterlagen gab. Alles futsch! - Seitdem versuchen sie neue eCetecs zu bauen, aber soweit ich weiß vergeblich. Die Technik basiert auf den neuen Photonentheorien"
Red war überzeugt, denn sie erinnerte sich an die Vorführung der Waffe. Für die durchschnittliche Größe der Gewehre war deren Feuerkraft unglaublich, und dies ohne Verringerung der Treffsicherheit. "Waffen auf Basis der Photonentheorien? Da wird viel geforscht - ohne Erfolg, dachte ich.", bemerkte Greg und hängte nüchtern an, "Doch bei der Waffenentwicklung war die Koalition schon immer ganz vorne dabei."
Swon betrachtete Red ernst: "Sollten deine Beobachtungen richtig und deine Worte wahr sein - wie kommen Piraten an streng geheime Waffen?" Red überlegte unschlüssig: "Überfall einer elitären Spezialeinheit? Allerdings - hmm - dann wären mindestens die elitären Truppen, wenn nicht sogar das ganze Militär hinter ihnen her. Dafür wirken die ein bisschen zu entspannt." Swon sah das genauso. "Piraten überfallen keine Elitären, geschweige denn deren Spezialkommandos. Und wer von der Koalition gejagt wird, geht ins Außerhalb, nicht nach Trinita. Das ergibt keinen Sinn.", Swon fixierte Red, "Wahrscheinlich hat die Koalition die Waffen zur Verfügung gestellt." Reds Lider senkten sich.
'Vielleicht steckt die Koalition wirklich dahinter, aber ich will das nicht glauben. Das Ganze wird immer seltsamer.'
Red verunsicherten Swons Worte, weil es kein vernünftiges Gegenargument gab.
Im Moment wollte sie jedoch nicht länger darüber nachdenken und schlug stattdessen vor: "Gehen wir zurück und verschwinden danach schnell." Swon nickte stumm, ohne Red aus den Augen zulassen, während Greg seine Pistole betrachtete und dabei undeutlich murmelte: "Aber schön vorsichtig bleiben!" Auf dem Rückweg hielt Red die Waffe fest in der Hand.
'Im direkten Schusswechsel sind wir den eCetecs klar unterlegen. Die Beiden können sich nicht vorstellen, welche Kraft diese Dinger haben.'
"Da ist jemand vor uns.", zischte Swon, duckte sich gleichzeitig. Greg und Red gingen in die Hocke, suchten Deckung und warteten ab. Nach einem entfernten Rascheln folgten ein leises Knacken und Schritte. Obwohl Red sich bemühte, konnte sie in der Ferne nur einen undeutlichen Umriss zwischen den Sträuchern erkennen. Doch irgendwas an deren Haltung kam ihr verdächtig vor.
'Ist das eine Waffe? Scheiße! Der will schießen!'
Als im Halbschatten ein grelles Licht aufblitzte, ließ Red sich fallen. Flach an den Boden gepresst, traute sie sich kaum zu atmen. Das Unterholz war dicht. Holzsplitter rieselten herab. Ihr Herz raste. Auf einmal bedeckten rotbraune Locken ihr Gesicht. Red blinzelte verwirrt, versuchte aber nicht sich aufzurichten. Sie hörte Swons gehauchte Worte: "Er hat uns nicht gesehen. War ein Probeschuss."
'He? Wie Probeschuss? Was bitte ist ein Probeschuss?'
"Und wie schießen die, wenn sie treffen wollen?", flüsterte Red zurück. Sie erwartete einen neuen Angriff, oder dass sich der Schütze nähern würde, doch nichts passierte. Swon bewegte sich nicht, atmete ruhig und gleichmäßig, während Red sich umschaute und Greg entdeckte. Er spähte hinter einem umgestürzten Baum hervor. Das Rascheln und die Schritte entfernten sich langsam und eine brummende Stimme rief: "Is dämlich zu suchen. Das verdammte Grünzeug nervt!" Die Antwort war leise. "Egal. Die beiden Schätzchen bringen genug und das Zureiten wird geil. Die andern Gesgag schnappen wir, wenn der Boss zurück ist." Die Antwort war nicht zu verstehen und die Geräusche verklangen allmählich.
Nach einiger Zeit herrschte Stille. Als Swons Haare verschwunden waren, richtete sich Red schließlich auf und betrachtete schockiert den Baum, vor dem sie gekniet hatte. Ein handtellergroßes Loch befand sich genau auf Höhe ihres Kopfes.
'Ein ganzer beschissener Baumstamm durch. Verdammt! Mein Kopf wäre Matsch und ich wäre futsch. Schon wieder. Scheiße! Große Scheiße!'
Greg setzte sich auf den Baumstamm und sagte lobend: "Gute Reaktion, Leutnant Leight." Reds Blick wechselte von der Einschussstelle zu Greg. Lächelnd schaute sie ihn an und antwortete mit einem warmen Glücksgefühl im Bauch: "Ja, gut, nicht wahr? Genau genommen sogar perfekt." Greg erwiderte das Lächeln, als ein Winken den Blickkontakt unterbrach. "Verschiebt eure Liebelei!", warf Swon unfreundlich ein.
'Was?! Wieso Liebelei?!'
Red schaute die Dschjua erstaunt an, während Greg amüsiert den Blick senkte. Swon begutachtete die Beiden strafend und fasste danach ihre Überlegungen zusammen: "Zwei haben die geschnappt. Bleiben fünf übrig. Die müssen wir finden." Greg nickte zwar, klang allerdings nicht besonders zuversichtlich. "Hört sich einfach an, aber wie willst du das anstellen? Der Wald ist riesig und wenn sie sich getrennt haben, dann... wie?"
Bevor Swon antworten konnte, erhob sich Red und sagte bestimmend: "Gehen wir zu den drei Felsen. Vielleicht gibt es dort Hinweise." Ihre Begleiter tauschten einen Blick aus und stimmten schließlich zu.
'So! Diskussion vermieden! Gut gemacht, Leutnant Red!'
Während sie durch den Wald liefen, beschäftigte Red ein Gedanke. "Wen die wohl gefangen haben?" Greg lief neben ihr. "Frauen auf jeden Fall. Bez und Galia brächten das meiste." Swon setzte grimmig hinzu: "Den Arzt hätten sie sofort getötet." Red schaute verwundert drein. "Männer in Koalitionsuniform sind nicht beliebt.", erklärte Greg gelassen.
'Arg, das schon wieder! Hätte ich bloß nicht gefragt! Die Koalition ist nicht perfekt, aber so furchtbar auch nicht. - Wenn Piraten einen Mediziner sofort erschießen, was würde dann mit mir passieren? Bei einer elitären Uniform hilft das Frau sein bestimmt nicht! Warum erfahren Anwärter nichts von dieser allgemeinen Feindseligkeit? Das wäre hilfreich - für mich zumindest.'
Greg stupste sie an und fragte leise: "Hey, wo bist du gerade?" Red wich seinem Blick aus und bemühte sich gleichgültig zu klingen. "Nicht so weit weg, wie du denkst."
Als die Drei die Lichtung erreicht hatten, fanden sie Spuren eines Schusswechsels. Hinweise zum Verbleib der Anderen fehlten jedoch. "Das waren elitäre Cetecs.", meinte Red und deutete auf einen Durchschuss, der einen massiven Felsblöcke zierte. Greg betrachtete die Stelle beeindruckt. "Nur ein Schuss! Das schafft keine normale Cetec!" Red nickte. "Die Gewehre sehen sich sehr ähnlich, aber die Technologien sind grundverschieden."
Voller Misstrauen musterte Swon die Elitäre. "Woher weiß ein kleiner Leutnant, der angeblich gerade erst die Akademie abgeschlossen hat, soviel über geheime Waffenprojekte?"
'War klar, dass ihr das auffällt! Ich hätte gar nicht davon anfangen sollen, aber - naja - auch egal. Die Akademie ist weit weg und ernsthafte Koalierte gibt es hier sowieso nicht.'
Argwöhnisch stimmte Greg zu: "Swon hat recht. Woher weißt du das alles?"
Für einige Sekunden schloss Red die Augen und dachte nach. Sie fühlte sich unwohl. "Die Wahrheit?", fragte sie unentschlossen, obwohl ihr der Punkt durchaus klar war. Greg nickte, während Swon sie kommentarlos anstarrte. Red seufzte leise: "Ja, die Wahrheit. Hm, gut - Ich war bei der Vorführung - also der Präsentation für die Führungsriege." Swon ließ nicht locker. "Wie?" Red blickte kurz in den Himmel und fuhr zögerlich fort: "Die diensthabenden Wachen haben uns ihre Posten überlassen."
"Einfach so überlassen?", zweifelte Greg und Swon wiegte den Kopf. "Ich kenne solche Veranstaltungen. Die Führungsriege wird grundsätzlich von elitären Spezialtrupps bewacht.", sie fixierte Red, "Warum sollten Mitglieder einer Ese ihre Plätze mit Anwärtern tauschen? Womit überredet man elitäre Spezialtrupps zu einer derartigen Pflichtverletzung? Sicher nicht mit Kristall." Mit verschränkten Armen lehnte Greg sich gegen den Felsen. "Ja, sehr gute Frage! Erzähl mal, Leutnant!" Red betrachtete nervös den Boden.
'Ah, das hatte ich befürchtet.'
"Hm - nun ja - Ja, wir haben eine Spezialeinheit zum Tauschen überreden können. Das stimmt, doch... aber... hm...", Red geriet ins Stocken, ordnete ihre Gedanken und setzte erneut an, "Es war nicht das erste Mal. Wir kannten diese Einheit. Man könnte sogar sagen, dass wir freundschaftlichen Umgang pflegten."
'Oh Laxira, ich wünsche dir die gleiche Situation an den Hals! Und alles nur, weil du scharf auf Ben warst! Darum steh ich jetzt wie ein Idiot hier und muss mich verteidigen! Alles deine Schuld! Wo immer du bist, ich hoffe, du leidest!'
Red verfluchte Laxira Peraxos, die damals auf diese verrückte Idee gekommen war. Dass sich Swon mit den bisherigen Erklärungen nicht zufrieden geben würde, wusste Red genau.
'Oma hätte jetzt was von selbst eingebrockten Suppen erzählt, die man alleine auslöffeln muss. - Zum Glück ist Lead nicht hier.'
"Wer ist wir?", setzte Swon das Verhör fort. "Laxira, ich und noch ein paar..." Red stoppte erneut, weshalb die Dschjua sofort einwarf: "Frauen? Willst du erzählen, dass ihr sie verführt habt?"
Zuerst schaute Greg Swon erstaunt an, zeigte dann aber ein Grinsen. Mehrmals atmete Red tief durch. Sie wusste, dass es keinen Ausweg gab. Gleichzeitig war sie heilfroh, dass die Wahrheit hier ans Licht kam und nicht an der Akademie oder schlimmer - vor der Internen Sicherheit. Als Red wieder ansetzte, klang ihre Stimme nicht mehr zögerlich.
"Drei Frauen, drei Männer - ausgeglichen. Xira, M'go, Trewer, Basch'd, Konstantin und ich. Während der großen Ferien am Ende meines zweiten Jahres fing alles an. In der Akademie befinden sich zu dieser Zeit kaum Leute, weil die Prüfungen gestaffelt ablaufen und der Rest nach Hause geschickt wird.", Red überlegte einen Moment, "Wir trafen auf diese Einheit. Die hatten in dem Jahr ihren Abschluss gemacht und absolvierten seit einiger Zeit das Training für Spezialtruppen. Dabei ist die Ausgangssperre besonders streng. Nur in den Ferien werden die Einschränkung gelockert, weil auf dem Gelände nicht mehr viel los ist. Da trafen wir die Zwölf, die verständlicherweise recht ... hm... ", sie suchte nach den passenden Worten, "...anhänglich waren? Und, nun ja, vielleicht haben wir diesen Zustand ein bisschen ausgenutzt?", ein Seufzen war zu hören, "Laxira kam auf die Idee - hauptsächlich wegen Ben. Ich meine, Ben ist schon ... heiß? Irgendwie. Auf eine - simple, eher raue Art, aber egal. Alles entwickelte sich langsam, über Jahre - eben immer, wenn wir die Einheit trafen. Wenn sie Training hatten, erfüllten wir ihre Wünsche und dafür schmuggelten sie uns in verbotene Zonen. Ab dem fünften Jahr übernahmen einige manchmal ihre Posten. Aus Neugier...", ein Schulterzucken folgte, "..und naja, ich steh auf Waffen - Strahler, Werfer - alles eben. Ben wusste das. Deswegen durfte ich GroGan ersetzen. Deswegen war ich bei der Vorführung."
Red schaute Greg und Swon direkt an. Ihre Stimme bekam einen beschwörenden Ton. "Das Ganze war aufregend, aber natürlich ebenso verboten. Wir wären allesamt geflogen oder bei der Sicherheit gelandet. Niemand sonst weiß davon und ich hoffe, dass bleibt auch so!"
"Wie alt warst du damals?" Swon musterte Red, die kurz überlegen musste. "Am Ende meines zweiten Jahres? - Zwanzig."
Die Augen des Regiers wandten sich nicht ab. Red erwiderte den Blick ohne Scheu. "Diese Geschichte ist verrückt! - So verrückt, dass ich tatsächlich gewillt bin, dir zu glauben.", sagte Swon auf einmal, blickte gleich darauf zu Greg, "Echte Agenten liefern einfache Erklärungen - plausibel und unauffällig. Keine geheimen Verschwörungen an der Akademie. Das erscheint mir...zu verrückt." Greg nickte stumm und beäugte Red fasziniert.
"Ihr habt tatsächlich jeden Wunsch erfüllt?", fragte unvermittelt eine Stimme hinter dem Felsen. Swon richtete den Strahler auf den Ursprung, aber Red hatte die Person bereits erkannt und antwortete ruhig: "Ja, irgendwie schon."
Fries Bishop und Naro Wrug Furl traten aus der Deckung. "An der heiligen KA! Davon musst du mir später genauer berichten.", Naro betrachtete Swon, die ihre Waffe nicht gesenkt hatte und fuhr neckend fort, "Unser Spähtrupp ist unaufmerksam. Wir hätten euch problemlos überfallen können."
"Niemals", antwortete Swon frostig und senkte die Waffe. Die Xamaergeschwister erschienen ebenfalls. Mexur hatte den Arm um die Schulter seiner Schwester Mexila gelegt.

Mit ernstem Gesicht begann Naro die Geschehnisse zu schildern: "Bevor die Lichtung angegriffen wurde, trennten wir uns, um die nähere Umgebung zu erkunden. Bez, Sirius und Galia waren gemeinsam unterwegs. Wir blieben in Rufweite und hörten, wie die Drei angegriffen und überwältigt wurden. Alles passierte sehr schnell - Schüsse, Schreie. Sie schienen keine Chance zu haben, deshalb zogen wir uns zurück. Wenig später erreichten diese Wesen die Lichtung, teilten sich auf und begannen, die Gegend abzusuchen. In der Zeit hatten wir ein Versteck im Unterholz gefunden und blieben, mit viel Glück, unentdeckt." Swon wirkte nachdenklich. "Ein Suchtrupp hat uns fast erwischt. Die Kerle erwähnten zwei Schätzchen, die viel bringen. Ich schätze, damit waren die Psifrauen gemeint. Der Leganer ist demnach entweder entkommen oder - was wahrscheinlicher ist - bereits tot."
Mit verschränkten Armen überlegte Naro: "Ich verstehe nicht, weshalb die Psifrauen diese Gefahr nicht bemerkt haben. Warum spürten sie den Feind nicht?"
"Manche Raumpiraten ernten, also jagen, bevorzugt Psiwesen.", erläuterte Greg nüchtern, "Die können Sucher ziemlich dicht abschirmen – allerdings um eine gelbe Priesterin auszutricksen...", er verschränkte die Arme, „Das sind Profis mit jeder Menge Psi-Ernteerfahrung!"
Verwundert wurde Greg gemustert. Er zuckte gelassen mit den Schultern. "Frachterfahren im Piratengebiet ist ziemlich lehrreich."
'Leute werden geerntet? - Wie Gemüse?'
Danach berichtete Swon und auch die eCetec wurde erwähnt. Während der folgenden Besprechung, zog Red sich zurück.
'Ich habe gerade das größtes Geheimnis meiner Akademiezeit ausgeplaudert. Einfach so! Vor lauter Fremden! Tut mir leid, Xira. Sollte irgendein Elitärer davon erfahren, sind unsere Karrieren vorbei! Abgehakt! - Wohin haben Sie mich nur geschickt, Comander Lead? Ich wollte was spannendes, aber kein gefährliches Chaos mit komischen Leuten!'
Red fühlte sich schlecht. Ihr Magen schmerzte. Sie war sich nicht sicher, ob dies vom Hunger, der allgemeinen Frustration oder ihren Schuldgefühlen herrührte. Unerwartet tauchte Mexila auf. "Bist du in Ordnung?", fragte sie vorsichtig. Red wollte nicht antworten, zuckte stattdessen mit den Schultern. "Regier Dschrib setzt dir ganz schön zu.", folgten die nächsten Worte zaghaft.
Für einige Momente starrte Red ins Leere. Dann begann sie leise: "Ich hoffe, das wird keinem schaden - besonders Laxira nicht. Sie liebt diesen Job und für sie war die Ausbildung viel schwieriger - bei all dem Ärger mit der Familie, den ständigen Medienberichten." Unsicher verschränkte Red die Arme und Mexila fragte:. "Sprichst du von Laxira Peraxos?"
Ein stummes Nicken bestätigte und Mexila setzte fort: "Ja, bei uns zu Hause ist Laxira Peraxos eine Berühmtheit - die erste weibliche Xamaer mit einem elitären Abschluss, obwohl sie aus einer sehr traditionellen Familie kommt. Ihr Vater ist ein Diener unserer Heiligkeit.", nach einer kurzen Pause fragte Mexila sanft, "Kennst du sie gut?"
"Laxira? Ja, gut. Sehr gut.", gedankenverloren fuhr Red fort, "Es stört mich nicht, dass ich euch diese Geschichte erzählen musste. Ihr seid nicht von den Truppen und das Ganze war auch nicht wirklich schlimm, aber...", Red stoppte und schaute Mexila direkt an, "...trotzdem ist es ein schwerer Verstoß. Wenn meine Freunde - nicht nur Xira, auch Ben, GroGan, Tei'Cuu, Fii, alle eben – wenn sie wegen mir Ärger bekommen, wäre das furchtbar. Wir haben Verschwiegenheit geschworen. Sie vertrauen mir."
Die Frauen schauten sich stumm an, bis Mexila mit einem schnellen Lächeln erklärte: "Dann bietet dir diese Gruppe zum ersten Mal einen echten Vorteil, denn wie dir sicher aufgefallen ist, gibt es hier keine überzeugten Anhänger der Koalition. Schon aus Prinzip wird niemand von uns mit koalierten Uniformträgern sprechen."
"Uniformträgern wie mir?", fragte Red kühl. "Wenn ich jetzt sage, dass du vielleicht die Ausnahme der Regel bist, hilft das nicht, richtig?", vermutete Mexila. Red starrte zurück. "Von der Internen Sicherheit befragt zu werden, ist meistens eine Ausnahme." Zwar nickte Mexila, ließ sich aber nicht verunsichern. "Wir sind keine durchschnittlichen Leute, Red. Jeder von uns hat einen gewissen Ruf, Ansehen, Verbindungen. Bei uns hält sich die Sicherheit zurück. - Darüber hinaus...", Mexila betrachtete Red prüfend, gab sich einen Ruck und fuhr überzeugt fort, "...habt ihr die Regeln gebrochen. Ihr kanntet das Risiko und die möglichen Konsequenzen - jeder von euch."
'Risiko, Konsequenzen - im Nachhinein klingt das sooo einfach - aber wenn man jung ist und eine notgeile Xamaer an der Backe hat, dann sieht das ganz anders aus! - Naja,...trotzdem....hat Mexila durchaus recht. Es ist unsere Schuld! - Ach, denk einfach nicht darüber nach, Red! Ist eh nicht mehr zu ändern und es gibt andere Probleme!'
Ein leiser Seufzer war zu hören. Zögerlich legte Mexila ihre Hand auf Reds Schulter und meinte dabei tröstend: "Außerdem denke ich, dass deine Freunde dich verstehen würden. Deine - unsere Situation ist sehr bedrohlich. Ausgesetzt auf einem fremden Planeten mit Raumpiraten, die geheime Waffen haben und Sklaven ernten.", Mexilas Fingerspitzen drangen fester in Reds Schulter und die Stimme wurde zunehmend schriller, "Ich meine, die haben auf uns geschossen! Richtig geschossen! Mit echten Strahlern! Die hätten uns verletzen oder sogar töten können - und die wollen uns ernten - einfach mitnehmen! Die haben die Psifrauen gefangen und Sirius ist vielleicht tot! Erschossen! Tot! Das ist alles Wahnsinn! Wo sind wir bloß hineingeraten?" Mexila wirkte derart aufgewühlt, dass Reds Sorgen im Hintergrund verschwanden.
'Sie hat Panik, wie Xira am Anfang manchmal – naja, ein bisschen recht hat sie auch.'
Mexila hörte nicht auf zu reden. "Alles ging so schnell. Bez und Sirius haben geschrien! Überall Schüsse! - Dann waren die Drei einfach weg. Wir lagen im Gestrüpp. Einer war so nah. Ich hörte ihn atm..."
Die Stimme versagte und für einige Momente herrschte Schweigen. Hilflos drückte Red die schmale Hand mit den langen Fingern und suchte nach den passenden Worten. Die Gespräche mit Sirius, Bez und Galia drängten in ihre Gedanken. "Heute morgen versuchte der Leganer, dieser Sirius, mich aufzuheitern. Das war, naja, irgendwie lieb."
"Ja, ich mochte ihn auch. - Ich kann nicht glauben, dass er weg sein soll." In dieser Sekunde fasste Red einen Entschluss und sagte überzeugt: "Lass uns rübergehen!"
'Es muss endlich was geschehen.'
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Red trat zu der Gruppe und unterbrach mit fester Stimme die laufende Diskussion: "Wir müssen Bez und Galia rausholen!"
Für einige Sekunden füllte verblüfftes Schweigen die Lichtung, bis ein Schwall Gegenargumente über Red hereinbrach. Man müsse auf Comtechniker Sirius Pela warten. Es gäbe keine Chance auf Erfolg, da sie zahlenmäßig und waffentechnisch klar unterlegen waren, es zu wenig Kämpfer gab und das Risiko generell zu groß sei. Mexila kam dazu. Zu Reds Überraschung wirkte sie plötzlich überhaupt nicht mehr ängstlich. "Wir brauchen Nahrung und vor allem Wasser. Die Piraten besitzen beides."
"Ein Wald kann jeden ernähren! - Deine Worte, Schwesterherz!", widersprach Mexur. Energisch schüttelte Mexila den Kopf. "Nicht auf Trinita. Nicht ohne Ausrüstung. Sicher gibt es Wasser, aber das müssen wir ersteinmal finden! Der Boden ist ausgetrocknet, steinhart oder staubig. Bäume und Sträucher sind angepasst - wir nicht. Wir gehen kläglich zugrunde - verdursten. Uns läuft die Zeit davon."
Ihr Blick glitt durch die Runde. Eindringlich fuhr sie fort: "In zwei Tagen bekommen wir richtige Probleme." Mexilas Blick blieb am Arzt hängen, der nachdenklich ergänzte: "Sie hat recht. Zuerst werden Xamaer und Menschen sterben, dann Swon und schließlich Naro." Für einige Momente herrschte Ruhe. Schließlich setzte Red fort: "Außerdem ist hier Niemand, der den Frauen helfen wird. Irgendwie sind wir - für sie verantwortlich."
"Weshalb sollen wir verantwortlich sein?", fragte Swon kühl. Red murmelte undeutlich: "War klar, dass diese Frage von dir kommt!" Swon funkelte Red böse an. "Sprich so, dass ich dich verstehe - oder hast du Angst?"
"Du bist arrogant, verantwortungslos und feige.", begann Red laut und mit unverhohlener Angriffslust, "Bez und Galia wurden direkt vor unserer Nase wie Gemüse behandelt! Das ist total unverschämt!", Red näherte sich Swon, "Bei Sirius können wir nicht viel machen, aber dass die Frauen verkauft, versklavt oder - Scheiße, wie war das vorhin - zugeritten werden, will ich nicht! - Außerdem kotzt mich diese feige, selbstsüchtige Art an! Das ist ehrlos!"
Ohne Warnung stieß Swon vor, doch Red hatte damit gerechnet, war vorbereitet. Innerhalb des nächsten Augenblickes spürte Swon die Klinge eines Kampfmessers an ihrem Hals und erstarrte. Trotzdem offenbarten die grünen Augen keine Unsicherheit. Red lächelte ein wenig.
Als Naro dazwischen gehen wollte, hielt Greg ihn zurück. "Lass es. Zu gefährlich und bringt nichts. Das müssen die selbst klären."
"Du kannst diesen Kampf nicht gewinnen, Leutnant!"
"Oh, ich dachte, ich habe bereits gewonnen, Regier." Auf einmal schoss Swons Arm hoch. Das Messer flog weg und eine erneute Attacke folgte. Zwei Schlägen wich der Leutnant aus. Als Swon nachsetzen wollte, hielt Red ein neues Messer in der Hand. Swon fror ein und sagte abschätzig: "Das ist ehrlos! Kein guter Kampf!"
Red lachte kurz, ohne Swon aus den Augen zu lassen. "Elitäre sind nicht für Ehre und gute Kämpfe bekannt, aber wir gewinnen im Allgemeinen trotzdem."
"Du verweigerst einen ehrenvollen Kampf, aber nennst mich arrogant und feige? Du verkaufst deinen Körper, um Wache stehen zu dürfen und nennst mich ehrlos? Du bist keine Kriegerin, sondern eine dreckige Hure!"
'Hä?! Was bitte? Meinen Körper verkaufen, um Wache stehen zu dürfen? Dreckige Hure? - Wie kommt sie denn darauf? - Seltsam! Woher...'
Red blinzelte verwirrt. Sie versuchte angestrengt, ihre Kampflust zu erhalten. Es gelang nicht. Swons Bemerkung hatte sie völlig aus dem Konzept gebracht. "Wann bitte hab ich meinen Körper verkauft? Wer erzählt denn so was?"
Das ehrliche Erstaunen verwirrte Swon. "Wir haben jedes Mal ihre Wünsche erfüllt. Das waren deine Worte." Reds Augen wurden groß. Sie atmete tief und fragte langsam: "Du denkst, wir hätten ihre Wünsche sooo erfüllt? Wie Huren?", Red blickte sich um und stellte fest, "Glaubt ihr das alle?", Ärger regte sich, "Das ist völliger Quatsch! Niemand hat seinen Körper verkauft! Sagt Xira das ins Gesicht und die macht blutiges Krixarouax aus euch! In weniger als einem Gosch!"
Red erntete überraschte Blicke, während Swon die Haltung lockerte. Die Kühle war aus ihrer Stimme verschwunden. "Dann erkläre uns, wie man einen elitären Spezialtrupp sonst überzeugen kann?"
"Am Anfang, ja... gab's verschiedenes...", begann Red verlegen, "Professionelle aus der Stadt einschleusen, Holoprogramme besorgen, Spielkonsolen auftreiben, private Unterkünfte organisieren, Wachen ablenken – so was eben.", nach einer kurzen Pause erklärte sie weiter, "Später war es sowieso anders. Wir waren Freunde, haben zusammen Zeit verbracht, rumgehangen, gefeiert.", ein Schulterzucken folgte, "Natürlich zeigten einige ab und an auch mehr körperlichen Einsatz. Ich meine, das ist eine Spezialeinheit. Die sind gut in Form und Anwärter vögeln manchmal auch." , unfreundlich musterte Red die Anwesenden, "Doch nicht, um Wache stehen zu dürfen! Verstanden?"
"Wieso hast du das vorhin nicht erwähnt?", hakte Fries interessiert nach. Empört platzte Red heraus: "Das geht euch gar nichts an! War absolut nebensächlich - völlig bedeutungslos! Und überhaupt - was glaubt ihr denn? Die Akademie ist doch kein Bordell!"
'So ein unverschämtes Pack! Wirklich! - Aber gut, ach ja, beruhig dich, Red, beruhig dich. Denk an Galia und Bez, und den armen Sirius...'
Red atmete tief durch, schüttelte den Ärger ab und sprach ernst weiter: "Da sitzt eine Horde Piraten in einer Schlucht, der Leganer ist vielleicht tot und die Frauen wurden entführt. Wir haben im Moment wirklich andere Probleme." Für einen Moment blieb es ruhig bis Naro bedacht ansetzte: "Da wir gemeinsam in dieser misslichen Lage stecken und den Frauen sonst vermutlich keiner helfen wird, sind wir, in gewisser Weise, verpflich..." Swon fiel ihm ins Wort. "Ich bin niemandem hier verpflichtet und die Zwei rauszuholen, ist unmöglich. Dafür fehlen Waffen, Ausrüstung und Kämpfer! Bereits darüber nachzudenken, ist - ganz simpel gesagt – hirnrissig!"
Verärgert wollte Red antworten, als Fries einwarf: "Leben retten zu wollen, ist niemals hirnrissig!" Swon zeigte ein überhebliches Lächeln. "Natürlich, das ist ihr Job, Doktor Bishop, aber in meinen Aufgabenbereich fällt das nicht!"
Nun schnitt Naro dem Arzt das Wort ab. "Beide Standpunkte sind nachvollziehbar, beschreiben aber nicht alle Aspekte. Neben der Rettung der Frauen, erhalten wir durch unser Eingreifen, unter Umständen, wertvolle Informationen. Stimmen die Beobachtungen des Leutnants gehören die Piraten vermutlich zu dieser - nennen wir es - Verschwörung.", sein Blick wanderte herum und er fuhr besonnen fort, "Auch Mexilas Argument ist nicht von der Hand zu weisen. Wir brauchen Wasser und Nahrung, können nicht ewig durch die Gegend laufen. Keiner weiß sicher, wo oder wie weit die Station entfernt ist. Ein Schiff zu erbeuten, würde jedes dieser Probleme auf einen Schlag lösen."
"Ja, das sehe ich genauso.", stimmte Mexur zu, "Die Station ohne technische Hilfen zu finden, wird schwierig."
"Vor allem, wenn wir bald zu schwach sind, um uns zu verteidigen, zu fliehen oder einfach nur geradeaus zulaufen.", ergänzte Fries.
'Na, die malen aber den Teufel an die Wand, wie Oma sagen würde. Das mit dem Verdursten ist ein bisschen übertrieben. So schnell verdurstet niemand.'
Obwohl sich Swons Gesichtsausdruck nicht änderte, glaubte Red, dass die Worte Eindruck hinterlassen hatten. Zumindest waren die Argumente nicht spurlos an ihr vorübergezogen. Naro wandte sich nun direkt an Swon: "Denke bitte ernsthaft darüber nach, Regier. Sieht du nicht die geringste Aussicht auf Erfolg?"
Swon erwiderte Naros Blick für einige Sekunden. Dann verschränkten sie die Arme und versank in Gedanken.
'Dieser Naro ist nicht dumm. Er weiß genau, dass wir den Regier brauchen, aber dieser Person folgen zu müssen, gefällt mir nicht. - Sie hat mir Beleidigungen sicher nicht verziehen. Clankrieger sind bekanntlich sehr empfindlich und - naja - ich war ziemlich gemein - aber wenn Swon auch immer so störrisch und überheblich ist! Damit ist dieses Problem irgendwie ihre Schuld und nicht meine! - Nicht nur, zumindest...'
Als ob Swon die letzten Gedanken gehört hatte, wanderten ihre Augen zielstrebig zum elitären Leutnant und verweilten dort. Red gab sich alle Mühe, nicht nervös zu erscheinen. Sie wollte eine neue Auseinandersetzung vermeiden.
'Oh nee, sie guckt so grimmig! Überlegt sich bestimmt gerade was gemeines, hinterhältiges, gewalttätiges - Töten kann sie mich eigentlich nicht. Nein, bestimmt braucht sie mich. Immerhin bin ich so was wie der zweite militärische Experte. Oojeee.'
Swons Worte bestätigten Reds Befürchtungen. "Vielleicht finde ich einen Weg, uns ein Schiff zu organisieren. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass sich der Leutnant bei mir entschuldigt - auf dschjuanische Art." Red musterte die stolze Frau argwöhnisch. Zwar wusste sie nicht genau, was diese dschjuanische Art bedeuten sollte, doch schossen ihr augenblicklich unangenehme Bilder durch den Kopf. Fries wusste scheinbar mehr und meinte beschwichtigend: "Das kannst du nicht verlangen. Sie stammt nicht aus den Clanwelten. Eure Gesetze gelten nicht."
"Das ist meine Bedingung.", antwortete Swon ungerührt. Red schob alle Bedenken beiseite und nickte sicher. "Ja, warum nicht. Ich stehe zu meinen Worten.", sie fixierte Swon, "Aber bevor du nicht bewiesen hast, dass ich Unrecht habe, gibt es nicht das geringste bisschen Entschuldigung von mir! Verstanden, Regier?" Swon trat dicht heran. Ihre Hand umfasste Reds Hals, doch der Druck war nicht besonders stark.
Red ignorierte den Drang zurückzuweichen, erwiderte den stechenden Blick. "Du bist nicht mutig, sondern lebensmüde! Dieses Spielchen kann dich dein Leben kosten, Leutnant!", drohte Swon kaum hörbar. Red schob die Hand vom Hals weg und antwortete bestimmt: "Sterben gehört zu meinem Job, Regier! Immer. Davor hab ich keine Angst."
'Diese Frau versteht nichts. Interessiert sich nur für ihren dämlichen Stolz.'
Swon nickte und wandte sich der Gruppe zu. "Ich werde gegen die Piraten kämpfen und die Frauen befreien.", ihr Blick kehrte zu Red zurück, "Dann hast du deinen Beweis und wirst dich auf die Art entschuldigen, die ich verlange. - Verstanden, Leutnant?"
Mit Mühe unterdrückte Red das typische "Ja, Sir!", denn elitäre Offiziere nahmen ausschließlich Befehle von elitären Offizieren entgegen und Swon sollte nicht glauben, dass sie diese Schlacht gewonnen hatte. "Wie du es sagst, Regier."
'...und wie immer eine dschjuanische Entschuldigung aussieht. Komisch, Goreg hat das nie erwähnt, aber wir hätten uns vielleicht mehr unterhalten sollen - so zwischendurch zumindest. Ist auf jeden Fall wieder so eine beschissene Suppe zum Auslöffeln! Verdammter Mist!'

Die Gruppe entschloss sich nach einem geschützten Lagerplatz zu suchen. Um ein erneutes Zusammentreffen zu vermeiden, schlugen sie eine Richtung ein, die den Abstand zum Gegner vergrößerte. Swon stellte klar, dass sie - um überhaupt Aussicht auf Erfolg zu haben - in den nächsten Stunden handeln mussten. Abgesehen davon, dass der Wassermangel sie zunehmend belasten würde, könnten die Piraten den Planeten jederzeit verlassen. Dann gab es kaum Chancen, Bez und Galia zu erreichen, bevor sie bei Händlern abgeliefert und damit vom Markt geschluckt werden würden.
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Der interstellare Sklavenmarkt, der nach offiziellen Angaben nur im Außerhalb existiert, bietet eine effiziente Möglichkeit, Personen verschwinden zu lassen. Am häufigsten gehandelt werden weibliche Wesen aller Spezies, aber auch Kinder, Jugendliche und junge Männer sind beliebte Waren. Einmal Sklave, verliert ein Wesen seine frühere Identität. Dafür greifen Händler nicht selten zu medizinischen Methoden, die sowohl Aussehen als auch Erinnerung verändern. Zu dem liegen die Einsatzorte der Ware möglichst weit entfernt von den Herkunftsplaneten. Eher selten gelangen Sklaven in privaten Besitz, meistens landen sie in den illegalen Bordellen, welche es, neben den offiziell genehmigten Häusern, vor allem auf Grenzplaneten und im Außerhalb gibt. Dort werden Kunden mit unbegrenzter Freiheit und niedrigen Preisen gelockt. Generell sind Psiwesen in diesem Geschäft begehrt, denn sie gelten als außergewöhnlich gute Liebhaber. Das unbestätigte, aber hartnäckige Gerücht, dass regelmäßiger Sex mit Psiwesen vor Impotenz schützt und das Leben verlängert, trägt sicher ebenfalls zum regen Interesse bei.
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Seit die Gruppe beschlossen hatte, die Psifrauen zu befreien, übernahm Swon ohne Zweifel die Führung. Keiner schien diese Tatsache oder den kommandierenden Tonfall in Frage zu stellen.
'Sichere die Flanke! Lass dich zurückfallen! Geh voraus! Was bin ich denn? Meister im Dauerlauf? Dieses militärische Genie nutzt ihre Position schamlos aus! Miststück! Wenn Swon soviel Ahnung wie Ego hätte, könnte sie am helllichten Tag zu den Piraten marschieren und die Frauen im Alleingang befreien! Aber gut, wenn ihre Art sonst niemanden aufregt - bitte, meinetwegen! Ich werde mich nicht als Erste beschweren!'
Ein Lagerplatz wurde überraschenderweise schnell gefunden - eine geschützte Stelle, die an drei Seiten von steilen Felsen umgeben, kaum einsehbar und im Notfall über längere Zeit gut zu verteidigen war. An den Felsenwänden wuchsen Pflanzen, deren Wurzeln kleinste Spalten des Gesteins nutzen konnten. Die Ranken wirkten zäh und waren mit zahlreichen, winzigen Widerhaken bedeckt. Red saß direkt vor einer solchen Wand und bestaunte den dichten, wirren Bewuchs.
'Ein merkwürdiger Anblick. Grüne Wände. Allerdings ein merkwürdiges Grün - so angegraut, wie mit Spinnweben überzogen. Sie passen zu diesem Planeten. Nichts ist besonders einladend.'
Red hatte Durst. Ihre Lippen waren rissig und die Zunge klebte am Gaumen. Sie wusste, dass es den Anderen nicht besser ging, doch bisher hatte sich keiner darüber beklagt. Diese Tatsache half zwar nicht, erstaunte die Elitäre allerdings ein wenig. Untrainierten Zivilisten hätte sie soviel Durchhaltevermögen niemals zugetraut.
Fries und Greg hatte Swon nach einer längeren Unterredung zum Piratenlager geschickt. Red hatte sich über die Auswahl der Kundschafter gewundert, aber da Beschwerden ausblieben, schwieg sie ebenfalls.
Jetzt hielten Swon und Naro am Waldrand Wache, während die Geschwister im Schatten der Felsen dösten. Red drehte sich von den Ranken weg, lehnte ihren Rücken gegen die fleischigen Stränge. Mit geschlossenen Augen und den Durst übergehend, versuchte sie zu entspannen. Der Leganer kam ihr in den Sinn.
'Dieser Sirius war irgendwie niedlich, liebenswert - nicht so wild wie Tie und schon gar nicht so ungehobelt wie dieser Toms - obwohl beide Techniker sind! Traurig, wenn er tot ist oder schlimmer - verletzt in diesem riesigen Wald liegt. Ich weiß nicht, wie wir ihn finden sollen. Mit einem Schiff ginge es, wenn diese Befreiungsaktion erfolgreich ist. Ich weiß, dass es schwierig wird, aber es ist nicht unmöglich. - Mit Überraschung, ein bisschen Vorbereitung, meine Chips wären hilfreich. - Ich hoffe, Swon ist so brillant, wie alle zu glauben schein...'
"Hey, Leutnant Leight!", erklang unerwartet ein sehr erfreute Stimme in ihrem Rücken.
'Die Wand redet mit mir?!'
Der Gedanke fuhr Red durch den Kopf, während sie sich mit schussbereiter Waffe umdrehte.
'Sirius Pela!'
Einige Sekunden erstarrte Red sprachlos. Dann fragte sie fassungslos: "Wie kommst du in die Wand?" Schwarze Augen strahlten Red glücklich an. "Hier gibt's eine Höhle...", lautete die einfache Antwort, "...und eine Menge Wasser."
Red bewegte sich nicht, beäugte Sirius ungläubig, während der sich ins Freie zwängte. Danach tauschten sie schweigend Blicke aus, bis er sich schließlich belustigt erkundigte: "Bei dir alles in Ordnung?" Red steckte die Waffe weg, ohne den Comtechniker aus den Augen zu lassen.
"Bist du ok, Red?", fragte Sirius vorsichtig. Ihr Verhalten irritierte ihn. In dem Moment hüpfte Red grinsend vor, umarmte Sirius fest und küsste seine Wange. "Wir dachten, du bist tot, aber du lebst ja! Das ist gut. Da bin ich aber froh!", rief sie erleichtert und ließ ihn los. Verblüfft betrachtete Sirius Red, weshalb sie sich verlegen umdrehte und nach Swon rief.
Nach einiger Zeit hatte sich die erste Überraschung gelegt und Sirius Pela erzählte seine Geschichte.
"Die Kerle tauchten plötzlich auf - von drei Seiten gleichzeitig. Der Rückweg war abgeschnitten. Galia erwischten sie direkt. Sie wurde strahlerbetäubt. Mich drängten sie ab. Bez hat geschrien, aber sie hatte keine Chance. Mindestens fünf Wesen griffen sie an. Hinter mir waren vier her. Ich konnte ihr nicht helfen.", als ob Sirius die Erinnerung verscheuchen wollte, schüttelte er den Kopf und fuhr fort, "Die hatten irgendwelche neuen Waffen. Nicht, dass ich davon besonders viel Ahnung habe, aber Gewehre mit so enormer Feuerkraft sind mir noch nie begegnet. Ich rannte um mein Leben, stand auf einmal vor diesen Felsen und die Pflanzen boten auf die Schnelle das einzig erkennbare Versteck. Also zwängte ich mich dahinter und landete in einer Höhle.", jetzt lächelte Sirius Pela verschmitzt, "Dann kam der Pragmatismus meiner Verfolger zum Tragen. - Ich zog mich tiefer in die Höhle zurück, ging in Deckung. Dabei hörte ich, wie diese Typen versuchten, mit Hilfe der Waffen die Pflanzenwand zu durchdringen. Allerdings brachten weder Messer noch ihre Super-Strahler den erwünschten Erfolg. Was anderes probierten sie nicht. Sie waren überzeugt, dass ich einen anderen Weg genommen hatte und zogen ab.", er wiegte den Kopf und ergänzte nachdenklich, "Bei Bez und Galia hätten die wahrscheinlich länger durchgehalten, aber mein Verkaufswert ist zum Glück nicht besonders hoch."
"Die Strahler waren wirkungslos? Gegen Pflanzen?", fragte Swon argwöhnisch nach.
Die Darstellung erschien Red ebenfalls unrealistisch, weshalb sie ihre Waffe nahm und auf einen der Stränge schoss. Keine Verletzung, nicht die kleinste Brandstelle zeigte sich auf der graugrünen Oberfläche. Red schüttelte ungläubig den Kopf, erhöhte die Feuerkraft der Waffe und schoss erneut. Wieder blieb keine Spur an dem Gewächs zurück.
Nun inspizierte Red misstrauisch die Cet-10, zielte danach auf einen trockenen Ast und drückte ab. Die Wucht zerteilte das Holz und die Stücke flogen durch die Luft.
Die Holzsplitter abstreifend, fluchte Mexur lauthals, während Naro ihr strafende Blicke zuwarf. Red bemerkte davon nichts. Gedankenverloren streichelte sie die Cet-10 und murmelte erleichtert: "Bloß gut! Ich dachte schon, du bist kaputt. Das wäre ein ganz doofer Zeitpunkt gewesen."
Mexila betrachtete den Strang, den Red getroffen hatte, einen Moment lang. Dann hob sie den Kopf und wandte sich mit sanfter Stimme an Sirius: "Zeig uns bitte das Wasser." Lächelnd nickte er, schob die Stränge auseinander und ließ Mexila den Vortritt.
Nicht weit vom Eingang entfernt, tropfte Wasser aus dem Felsen und sammelte sich in einer Senke. Die Menge würde für alle ausreichen und war von Sirius bereits für gut befunden worden.
Nachdem sie getrunken und sich aufgefrischt hatten, äußerte Mexila ihre Vermutung zu den Ranken. Die Wissenschaftlerin war nicht überrascht gewesen. Die Pflanzen auf Trinita waren hochspezialisiert, vor allem an viel Sonnenlicht und große Hitze angepasst. Sachlich erklärte sie: "Auf anderen Planeten gibt es ähnliche Phänomene. Vermutlich sind in einer sehr komplexen, widerstandsfähigen Schicht absorbierende Substanzen eingelagert. Die Oberfläche ist von einer Art Wachs überzogen.", dann hängte Mexila wehmütig an, "Schade, dass mein Labor gerade allein und verlassen im Außerhalb steht. Das Gewächs wäre ein interessantes Studienobjekt. Ich werde auf jeden Fall eine Probe mitnehmen."
'Was ist so toll an einem Labor? Das hab ich nie verstanden, aber Laxira fand das auch spannend. - Frag mich immer noch, wie ich die Prüfung bestanden hab.'
Sirius ergänzte: "Auf Legato gibt es Yry Srlig - Uri-Bast. Der schützt sogar gegen hochdosierten Strahlerbeschuss." Mexila nickte wissend: "Stimmt, Uri-Bast nimmt die Energie sogar auf und kann sie nutzen."
'Hm, von Uri-Bast hab ich zumindest schon gehört, aber eCetec resistente Pflanzen - was es alles gibt! Unglaublich!'
Auch Swon schien Schwierigkeiten mit der Erklärung zu haben. "Eine Wachsschicht hält Waffen auf, die ganze Felsen durchlöchern? Das ist nicht dein Ernst?" Mexila meinte heiter: "Doch, gibt nichts, was die Natur nicht kann. Man muss die Dinge nur finden."
Swon schüttelte zweifelnd den Kopf und wandte sich an Red: "Nimm Wachposition ein, Leutnant! Jeden, der nicht drei Mal klopft, tötest du - ohne Schusswaffe und ohne Fragen! Verstanden?"
Swon fixierte Red, die neben der Senke saß und mit einer Hand im Wasser plantschte. Abwägend erwiderte Red den Blick und nickte schließlich. Vorher zog sie einen Fingerspitzen großes, schwarzes Viereck aus ihrem Armband und schüttelte es. Eine kleine, flexible Flasche entfaltete sich, die Red füllte. Dann verließ sie wortlos die Höhle. Sie hatte sich entschlossen, bis auf weiteres Swons Anordnungen zu folgen - zumindest solange es ihr sinnvoll erschien.
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'Was war das?'
Red lauschte angestrengt.
'Da wieder. Irgendwer besucht uns. Greg und der Doktor? Aber wo bleibt das Klopfen?'
Die Schritte, begleitet von einer geflüsterten Unterhaltung, näherten sich stetig. Das verabredete Zeichen blieb aus.
'Kein Klopfen. Sicher ein Suchtrupp der Piraten. Mist! Was nun? Alle töten, ohne zu fragen, hat Swon gesagt. Ok, dann soll es so sein! Kein Problem.'
Red schlich in den Wald, suchte Deckung. Als die Geräusche verstummten, erstarrte sie und lauschte angespannt.
'Ah, gut, sie bewegen sich wieder. Noch ein bisschen näher. Kommt schon.'
Eine breiter Baumstamm schützte Red vor Entdeckung, behinderte aber gleichzeitig die Sicht auf die Ankömmlinge. Um ein besseres Versteck zu suchen, fehlte die Zeit.
'Sind nur Zwei. Mit der Überraschung auf meiner Seite sollte das klappen.'
Red war gespannt und konzentriert, doch Angst kam nicht auf. Die Situation erinnerte sie an eine der unzähligen Übungen und durch die vielen Einsätze während der Ausbildung fühlte es sich nach Routine an.
'Besser Genick brechen. Kehle durchschneiden, macht zu viel Dreck.'
Aufmerksam hörte Red, wie die Wesen sich schweigend näherten. Als sie auf Reds Höhe waren, schlug sie zu. Ohne die Deckung zu verlassen, traf der Knauf ihres Kampfmessers auf einen Hinterkopf. Benommen fiel das Opfer ins dichte Unterholz. Im selben Zug trat Red dem zweiten Wesen in die Kniekehle. Der Mann sackte nach vorn. Ruckartig wollte sie seinen Hals verdrehen, stoppte jedoch mitten in der Bewegung.
"Greg!", erkannte Red ihr Opfer geschockt. Sie lockerte den Griff um seinen Kopf und sah, wie Fries Bishop sich taumelig aufsetzte. Besorgt wandte sie sich Greg zu, ließ ihre Hände prüfend über seinen Nacken gleiten. Danach kniete sie sich neben Fries und tastete vorsichtig seinen Hinterkopf ab. Fürsorglich sagte sie dabei: "Ist alles ok? Der Schlag war nicht zu hart. Sollte dich nur benebeln, bis ich den...", Der Satz brach ab und Red erhob sich. Jede Liebenswürdigkeit war aus ihrer Stimme verschwunden, als sie fortfuhr: "Wo war das verdammte Zeichen?"
Greg, der vor ihr saß, schlug die Hand gegen die Stirn. "Ach, verflucht! Stimmt, das Klopfen!"
"Dreimal klopfen! Mist!", fiel es auch Fries sofort ein. Ohne eine weitere Reaktion, drehte Red sich weg und marschierte zurück. Ihr Herz schlug zu schnell, seit sie die Gesichter erkannt hatte.
'Das gibt's doch nicht! Die haben's vergessen! Wo sind wir denn hier? Bei einem Schulausflug? Keine Profis! Einfach keine Profis! Wieso hat Swon die überhaupt losgeschickt? Scheiße!'
Fries und Greg folgten ihr zögerlich. "Tut uns leid.", meinte der Arzt schuldbewusst. Greg ergänzte: "War unser Fehler. Ist uns irgendwie entfallen."
Schweigend starrte Red auf die graugrünen Pflanzen. Fries setzte sich auf einen Felsblock und befühlte seinen Hinterkopf, während Greg versuchte das Thema zu wechseln. "Wo ist der Rest?"
Red antwortete nicht. Greg berührte ihre Schulter und fragte ein wenig spöttisch: "Träumst du?"
Da platzte Red der Kragen. Wütend wandte sie sich um und brüllte los: "Nein, ihr verdammten Idioten, ich träume nicht! Im Gegensatz zu euch - offensichtlich!", sie schnappte nach Luft, funkelte Greg zornig an, "Ich hätte dich fast getötet! - Und ich schwöre euch, schwachsinnigen Dummköpfen, für das nächste 'ist uns irgendwie entfallen' werdet ihr sterben! Schmerzvoll und ohne Bedauern!"
'So! Nur, um das klarzustellen! - Hmm, das hat geholfen. Gut, gut. So etwas leichtsinniges aber auch. Ich hoffe, der Schreck hält eine Weile vor.'
Red fühlte sich ruhiger, doch die Männer schienen, sich verteidigen zu wollen. "Hey, wir haben uns bereits entschuldigt! Es ist nicht mehr zu ändern.", wehrte Greg sich. Fries übernahm: "Ja, genau. Das hat uns mindestens genauso erschreckt wie dich."
Für eine Weile schwieg Red, bis ein versöhnliches Lächeln erschien. "Seid froh, dass Swon nicht hier ist. Jeden, der nicht klopft, ohne Fragen und ohne Schusswaffen zu töten, lautet ihr Befehl."
Ernst erwiderte Greg: "Also bleibt das unter uns? Denn, naja, wir leben und somit hast du ihr nicht gehorcht."
"Stimmt. Du bekommst sicher Ärger. Das wollen wir nicht.", ergänzte Fries. Red schüttelte leicht den Kopf. "Sehr selbstlos und zuvorkommend. Danke." Dann reichte sie Greg die Wasserflasche und verbreitete die Neuigkeiten.

"Habt ihr die Frauen gesehen?"
"Nein, sie sind sicher in einem der Schiffe.", beantwortete Fries die Frage, während er die grünen Stränge vor der Felswand betrachtete. Red nickte abwesend. Ihre Gedanken kreisten um ein Gespräch, das sie mit Bez und Galia geführt hatte.
'Hehe, diese ganzen Sexgeschichten von Bez! Die Zwei mit ihren lustigen Ansichten gehören nicht auf den Sklavenmarkt oder ins Bordell. Hoffentlich geht es ihnen gut.'
Lächelnd erinnerte sich Red, wie die Psychologin begeistert und sehr bildlich von ihrer letzten Veröffentlichung gesprochen hatte. Die Abhandlung beschäftigte sich mit der Bedeutung sexueller Anziehung in der interstellaren Gesellschaft und Bez hatte die Recherche mit hohem körperlichen Einsatz durchgeführt.
In dem Moment lehnte sich Greg über Reds Schulter und flüsterte: "Träum nicht."
Seine Nähe jagte einen wohligen Schauer über ihren Rücken, trotzdem stieß sie den Ellenbogen leicht in seinen Bauch. "Was soll das immer?", fragte Red herausfordernd, während sie sich umdrehte. "Was soll was?", fragte Greg unschuldig zurück. Sie ließ sich nicht irritieren. "Dein Gerede! Dieses Träumerzeug! Lass das!", sagte sie mit fester Stimme.
'Was schaut er so? Warum antwortet er nicht? Sicher grinst er gleich wieder.'
Greg bestätigte Reds Vermutung, woraufhin sie genervt den Kopf schüttelte. "Nein, Scheiße. Lass das! Also das auch!", sie deutete auf ihn, "Hör auf damit!"
Ein verständnisloses Schulterzucken folgte. "Womit soll ich aufhören?"
"Mit diesem blöden Gegrinse. Was soll das andauernd?", meinte Red ungehalten. Greg erkundigte sich harmlos: "Was stört dich daran?"
Ihre Wut kochte hoch. Sie packte seinen Kragen, kam seinem Gesicht ganz nah. "Hör auf mich zu verarschen, Toms. Wenn du mich ärgern willst, dann lass dir eins gesagt sein - ich bin weder geduldig noch friedliebend. Und für den Fall, dass das eine Art Anmache sein soll, ..."
Plötzlich spürte Red wie Greg die Arme um ihre Taille legte und sie zu sich zog. Reflexartig drückte Red sich weg und begann laut zu fluchen: "Ahhh, du verdammtes Arschloch! Sprechen wir nicht die selbe Sprache? Welches meiner Worte soll ich dir erklären? Hör..."
Greg unterbrach den Redeschwall amüsiert: "Ich will den Rest hören. Was passiert, wenn das eine Anmache ist?"
Fries, der die Szene neugierig verfolgte, grinste nun ebenfalls. Red stöhnte entnervt. "Was soll passieren? Nichts, absolut nichts wird passieren!" Greg lehnte sich vor. "Nichts kann ein sehr dehnbarer Begriff sein."
Red bemerkte nicht, dass sich hinter ihr die Ranken teilten und weitere Personen ins Freie traten. Ungläubig schüttelte sie den Kopf. "Sehr philosophisch, kleiner Techniker, aber pass mal gut auf, Greg Toms, ich werde dir jetzt genau erklären, was das Nichts in diesem Fall bedeutet.", Red holte Luft und sprach deutlich weiter, "Auf diesem beschissenen Planeten, umgeben von euch koalitionsfeindlichem Pack, werde ich niemanden ficken, mich auch nicht ficken lassen. Ich werde noch nicht mal jemandem einen blasen oder runterholen. Verstanden?" Red funkelte Greg böse an.
"Aha, gut zu wissen!", antwortete eine belustigte Stimme hinter ihr. Langsam drehte sie sich um. Fünf Personen standen vor den Ranken. Red stöhnte auf und ihr Blick wanderte in den wolkenlosen Himmel.
'Super, Mädchen! Du und deine große Klappe. Warum lasse ich mich auch provozieren? Ich bin so dumm.'
"Wenn wir Trinita verlassen, bedeutet das Nichts dann unter Umständen was anderes?", fragte Mexur interessiert. Sirius erwiderte spöttisch: "Ich glaube, koalitionsfeindliches Pack ist dann immer noch ein Problem."
Von Fries bekam Red unerwartete Unterstützung. "Hey, lasst sie in Ruhe. Greg hat das herausgefordert." Trotzdem reagierte Red störrisch. "Ach, Scheiß auf euch! Ich geh Wache halten." Mit diesen Worten steuerte sie zielstrebig auf den Wald zu. "Bleib hier, Leutnant! Die Pläne haben sich geändert.", rief Swon hinterher.
'Ich folge dir, wenn ich will. Wenn ich nicht will, will ich nicht, Regier. Vielleicht finde ich ein paar Piraten, die ich umbringen kann.'
Als Red das Sichtfeld der Gruppe verlassen hatte, erkletterte sie einen Baum. Von einem sicheren Platz auf einer Astgabel lauschte sie eine Weile ihren Atemgeräuschen. Leise fing sie an, zu lachen und konnte nicht aufhören. Tränen rollten über ihre Wangen.
'Oh, das hätte dir gefallen, Xira! Wie ich mich vor einem Haufen genialer Typen vollkommen blamiere. - Aber naja, ist nicht die erste Peinlichkeit in meinem Leben und außerdem hatte ich recht. Galia und Bez müssen wir auch befreien. Also was soll's! Ich geh zurück und trag's mit Würde. Was bleibt mir anderes übrig!'
Als Red zurücklief, warteten Swon und Mexila vor den Felsen. Gelassen berichtete sie: "Sind keine Piraten in der Nähe. Gehen wir in die Höhle?", Swon setzte an, doch Red kam ihr zuvor, "Jetzt keine Standpauke. Bitte."
Überraschenderweise nickte Swon versöhnlich. "Wir verlegen unser Lager in die Höhle."
"Das war ein lustiger Auftritt, Red.", meinte Mexila grinsend, "Sehr deutlich formulierte Aussage."
Red zuckte mit den Schultern. "Dieser Toms hat mich genervt.", erklärte sie und schob die Ranken zur Seite. Lächelnd wechselte Mexila das Thema. "Da drin ist es zauberhaft. Es gibt einen See, schimmerndes Gestein und faszinierende Vegetation.", erzählte Mexila begeistert. "Außerdem ist es kühler und sicherer.", ergänzte Swon nüchtern.
Red brauchte keine Erläuterung, denn die Entscheidung war sinnvoll. Die Senke, an der sie sich erfrischt hatten, lag nur wenige Meter vom Eingang entfernt. In der Nähe warteten Mexur und Sirius mit Lampen. "Ah, da seid ihr.", begrüßte sie der Leganer. Mexur fragte bissig: "Hat die Lady sich gefangen?" Red ignorierte ihn, aber von Mexila erhielt er einen Klaps auf den Hinterkopf. "Sei nicht vorlaut, Brüderchen."
"Hey, ich bin nicht verschwunden.", verteidigte sich der Xamaer. Seine Schwester erwiderte sachlich: "Bei deinen kämpferischen Fähigkeiten käme das auch einem Selbstmord gleich. Außerdem wär's dir viel zu peinlich, wenn unsere Eltern dich aus einem Bordell freikaufen müssten."
Mexur warf ihr einen bösen Blick zu und meinte dann in die Runde: "Will irgendwer eine Schwester haben? Ich habe eine zu verschenken. Ist ziemlich dämlich, aber kann zumindest kochen." Mexila wandte sich an Red. "Laaangweilig. Das sagt er immer, wenn ihm nichts mehr einfällt."
Red lächelte schweigend. Sirius führte die Gruppe tiefer ins Innere der Felsen. Am Anfang ähnelte die Umgebung den Höhlen, denen sie zu Beginn der Wanderung gefolgt waren. Zwei Lichtkegel erhellten den Weg. Ein Platschen ließ Red aufhorchen.
"Was war das?", fragte sie Mexila, die nicht beunruhigt schien. "Wirst du gleich sehen. Ist ein ausgesprochen hübscher Ort." Sirius rief zurück: "Passt auf. Ist uneben."
Kurz darauf stellte Red fest, dass uneben die tatsächliche Situation nur unzureichend beschrieben hatte.
'Verflucht, geht das steil nach unten! So glitschig und rutschig. Erinnert mich an den verdammten Prekrus-Tunnel!'
Im Halbdunkel sah sie kleine Rinnsale, die den felsigen Untergrund glatt geschliffen hatten. An anderen Stellen gab es gefährliche Kanten und Spitzen.
'Wieder dieses Platschen. Der See muss ganz nah sein.'
Als der Boden abflachte und sich der Gang zu einer kleinen Grotte erweiterte, stoppte Sirius. "Gut, da sind wir."
Sie schalteten die Lampen aus. Mexila hielt Reds Arm und meinte erwartungsfroh: "Jetzt wirst du staunen."
Die Grotte erweitere sich ein zweites Mal zu einem riesigen Gewölbe. Überall wuchsen Tropfsteine und an einer Seite lag ein See. Die schimmernden Wände und Decke tauchten das Gewölbe in eine merkwürdiges, bleiches Licht. "Das ist wirklich schön.", stellte Red fest, während sie das leuchtende Gestein betrachtete. Wieder erklang das Platschen und sie schaute in die Richtung, aus der das Geräusch kam. "Was haben wir denn da?", murmelte Red erstaunt. In einiger Entfernung saß eine Gruppe braunpelziger Tiere. Ein paar runde Köpfe mit dunklen Knopfaugen blickten aus dem Wasser. Ohne Scheu musterten die Vierbeiner ihren Besucher.
'Oh, wie niedlich! So kuschelig!'
"Die erinnern mich an Bären von der Erde. Sind nur deutlich kleiner.", überlegte Red.
"Sind wahrscheinlich nachtaktive Pflanzenfresser. Bestimmt verlassen sie die Höhlen.", vermutete Mexila. Verwunderung zeigte sich bei Red. "Die sollen nachts in den Wald wandern? Sind die dafür nicht zu – plump?"
Mexila setzte einen belehrenden Gesichtsausdruck auf. "Jetzt ruhen die Tierchen, aber nachts sind sie vermutlich sehr aktiv."
Red zuckte mit den Schultern und blickte sich um. Naro stand mit Greg und Fries in der Nähe des Ufers. Swon, Sirius und Mexur gesellten sich dazu. Keiner beachtete die beiden Frauen. "Die diskutieren sicher die Ausweglosigkeit unserer Lage. Darauf hab ich keine Lust.", verkündete Red entschlossen und begab sich ans Ufer.
Mexila folgte ihr. "Du magst Besprechungen nicht?" Red schüttelte den Kopf, während sie sich niederkniete. "Nein, vor allem hier nicht. Dieses ganze Hin und Her. Es dauert jedes Mal ewig, bis was passiert. Furchtbare Zeitverschwendung."
Mexila setzte sich neben Red. "Wenn gemeinsam entschieden wird, sind Gespräche unumgänglich."
Red lächelte Mexila an. "Mag sein. Wahrscheinlich bin ich einfach zu ungeduldig. Da komm ich nach meiner Mutter."
Mexila lächelte, während Red das Wasser probierte. Es war sehr kalt, aber schmeckte angenehm. Ihre Gedanken drifteten ab. Die Familie kam ihr in den Sinn und das stimmte sie wehmütig. Nach dem Abschluss wollte Red eigentlich die Erde besuchen, doch das unerwartet frühe Einführungsseminar hatte diese Pläne durchkreuzt. Jetzt ärgerte sie sich, dass sie nicht früher gefahren war.
'Ach, Mama, wenn du wüsstest, wo ich gelandet bin. Ich werde Bu auf jeden Fall raten, den Job zu wechseln.- Bestimmt sitzen die gerade alle am Strand, schlürfen Cocktails, machen Musik und - und ich...'
"Alles in Ordnung?", unterbrach Mexila die Grübelei. Red erhob sich und erwiderte zögernd: "Ich würde gern baden, meine Klamotten richtig reinigen." Dabei betrachtete sie die schwache Spiegelung auf der Wasseroberfläche. Mexila stellte sich daneben und warf einen nachdenklichen Blick auf das eigene Abbild. "Ja, das wäre dringend notwendig, aber ich bin traditionell. Vor Männern nackt sein, darf ich nicht. Mexur würde ausra... Ach, ist nicht so wichtig. Außerdem ist das Wasser unglaublich kalt."
Red nickte. "Kalt ist es. Eiskalt sogar, aber ich fühl mich dreckig. Mal sehen. Später mach ich's vielleicht."

 

Plötzlich rief Naro: "Mexila, Red! Kommt bitte zu uns!" Mexila nickte ihm zu und setzte sich in Bewegung. Leise seufzend folgte Red. Naro erklärte, dass sie beschlossen hatten, die Höhlen zu erkunden. Wenn sie sich auskannten, könnte dieser Ort als sicheres Versteck dienen. Red verstand das, trotzdem gefiel ihr die Idee nicht besonders. Die Erkundung würde wertvolle Zeit kosten. Da die Piraten jedoch keine Anzeichen von Aufbruch gezeigt hatten, wollte Swon die Befreiung und anschließende Flucht mit Bedacht planen.
'Ob Swon was im Kopf hat? Scheint sie alles für sich zu behalten. Die Frau war bestimmt ziemlich schnell Offizier, nicht lange kleiner Befehlsempfänger. Ist bei dem hochrangigen Vater anzunehmen. Der ist immerhin Clanführer und auch wenn Goreg behauptet, dass Clankrieger durch gewonnene Kämpfe aufsteigen – schadet so ein Vater sicher nicht. - Na egal, geh ich erst mal davon aus, dass sie weiß, was sie macht. Hmm, ja... und wir erkunden die Höhlen - Höhlen. Mal wieder.'
Der See besaß vier größere Abflüsse, die in begehbaren Gängen verschwanden und denen sie folgen sollten. Naro teilte die Gruppen ein. "Mexur und Mexila, Sirius und Fries, Greg mit Red, Swon und ich."
Zuerst blickte Red ungläubig zu Greg, der mit den Schultern zuckte und danach anklagend zu Swon. "Warum lässt du dich von...", begann Red, aber stoppte gleich darauf. Ihr Blick wechselte zu Naro, der gerade ansetzen wollte. Sie kam ihm zuvor. "Was, bitteschön, soll der Mist? Außer, dass es mich ärgert. Soll das eine Art Therapiestunde sein? Das ist unnötig. Was ich gesagt hab, meinte ich auch. Da gibt's nichts zu klären."
"Was ist dann dein Problem?", erkundigte sich Sirius verwundert. Die Frage irritierte Red. Ihr Blick wanderte zu Swon, die schweigend ihre Arme verschränkte.
'Warum sagst du nichts? Ist das nicht dein Job, große Anführerin? Ach, was soll's! Verrückte Leute!'
Red stöhnte. "Ein Haufen so genialer Leute kann doch nicht so blöd sein!"
"Ey!", rief Mexur verärgert. Red sprach ungerührt weiter: "Wofür wir auch immer ausgewählt worden sind, eine militärische Aktion wird das nicht. Nur zwei Leute dabei, die kämpfen gelernt haben.", sie schaute Naro an, "Es war schon ein Fehler, euch auf der Lichtung allein zu lassen. Aber jetzt schon wieder? Die Xamaer in eine Gruppe? Mexilas Hand zittert, wenn sie eine Waffe hält. Die Chance ist größer, dass sie einen von uns tötet als einen Gegner!", die Wissenschaftlerin senkte verlegen den Blick, "Und Mexur? Ich habe noch nie gehört, dass Raumpiraten von dummen Sprüchen erledigt worden sind."
Unterdrücktes Lachen und ein verärgerter Ausruf folgten. "Hey, hör auf, uns zu beleidigen!" Red reagierte nicht darauf, fixierte Naro. "Und dann Greg und mich? Er weiß sich zu verteidigen. Schick ihn mit jemandem los, auf den er aufpassen kann! Ich nehm Mexila mit!", erneut wanderte ihr Blick zu Swon, "Warum lässt du den Quosoen entscheiden? Das ist keine Friedensmission. Die knallen uns ab, wenn wir Fehler machen. Das weißt du genau!"
Swon schwieg, während Naro verteidigend meinte: "Es ist unwahrscheinlich, dass wir in den Höhlen auf Piraten treffen."
"Unwahrscheinlich?!", erwiderte Red sicher, "Die elitäre Ausbildung hervorragend abzuschließen und danach auf einem winzigen Planeten mit neun nichtelitären Superhirnen und einer Horde Raumpiraten zu landen, ist unwahrscheinlich. Aber trotzdem stehe ich jetzt hier - und ihr auch. Wie wahrscheinlich war das?", damit packte sie Mexilas Arm und schleppte die überrumpelte Frau mit, "Los, du Labor-Genie, wir müssen eine Höhle erkunden."
Mit einer Leuchte ausgerüstet, wählte Red den äußeren, schmalsten Abfluss des Gewässers. "Seid in spätestens 6 Stunden zurück!", rief Swon und Sirius, der den Frauen nachdenklich hinterher blickte, meinte: "Unser Leutnant hat durchaus recht.", dann schlug er dem deutlich größeren Mexur auf den Rücken, "Wir müssen nur schnell genug rennen, wenn wir auf die Bösen treffen." Mexur packte eine Lampe und nickte. "Genau. Wer muss kämpfen können? Flucht ist immer eine Option."
Die Beiden entschieden sich für den Tunnel, der dicht neben dem von Red und Mexila anfing. Die anderen Abflüsse verschwanden in die entgegengesetzte Richtung. Greg und Fries wählten den breitesten Weg, Swon und Naro den engen Gang, vor dem die pummeligen Tiere lagerten.
Nach wenigen Zeiteinheiten erleuchtete ein einsamer Lichtkegel den Weg von Mexila und Red. Bald mussten sie durch das Wasser waten.
'Scheiße, ist das kalt! Nass! Hätte ich mal besser geschaut, wo ich rein renne.'
Die unangenehmen Umstände ließen Red mürrisch werden. Oft mussten sie sich zwischen nassen Felsen durchquetschen. Das Wasser reichte meistens bis zu den Knien, aber stellenweise auch über die Hüfte. Beide zitterten vor Kälte.
"Dieser Bach ist tiefer als ich dachte.", sagte Red, um sich abzulenken. Mexila schien über die Gelegenheit erfreut. "Das kannst du laut sagen. Ich bin total durchgefroren. Ein Eisblock."
"Aber weckt das nicht deinen Forscherdrang?", fragte Red neckend. Laxira hasste Bemerkungen, die auf den sprichwörtlichen Wissenshunger der Xamaer anspielten. Mexila reagierte dagegen gelassen. "Ich bin keine Höhlenforscherin, aber dir gefällt der Ausflug sicher - ein schönes Bad, wie du es dir gewünscht hast." Grinsend antwortete Red: "Ja, ich fühl mich auch schon wesentlich sauberer."
"Nicht alle Xamaer sind neugierige Wissenschaftler oder begeisterte Forscher. Mexur und ich entsprechen dem Klischee wahrscheinlich, aber nicht jeder Xamaer ist so."
"Xira hat dieses Gerede verflucht, nennt es einen Irrglauben. Trotzdem war sie in diesen Fächern deutlich talentierter als ich."
Ein unterhaltsames Gespräch über Xamar, Wissenschaft und die Akademiezeit folgte. Dabei kamen sie den Umständen entsprechend gut voran. Red war durch ihre Ausbildung körperliche Strapazen gewohnt und Mexila hielt ebenfalls ohne Probleme mit.
'Ich glaube, wir laufen eine Kurve und entfernen uns von dem anderen Weg, aber wer weiß.'
Obwohl Reds Orientierungssinn geschult war, traute sie ihren Eindrücken in den Höhlen nicht. Zu fremd war diese Umgebung.
Nach einer Weile schlief das Gespräch ein. Mexila lief inzwischen vor Red und beleuchtete den Weg. Allmählich wurde der Gang breiter, trotzdem mussten sie weiterhin durch knietiefes Wasser waten und die Kälte war kaum mehr zu ertragen.
'Ich spüre meine Beine nicht. Alles ist taub! Zu heiß, zu kalt! Das kann nicht gesund sein. Hunger hab ich auch. Und überhaupt, die Sonne ist sicher schon untergegangen.'
Plötzlich stoppte Mexila. "Da ist was!" Schlagartig vergaß Red die Beschwerden, konnte allerdings nichts Verdächtiges entdecken. "Wo ist was?", fragte sie irritiert. Die Xamaer deutete auf die linke Wand. "Sieht aus wie eine Abzweig." Red schob Mexila weiter. "Geh. Von hier aus sehen wir nichts."
Für einige Sekunden standen die Frauen vor ihrer Entdeckung und versuchten, sich über deren Wert klar zu werden. "Sieht zumindest trocken aus.", fing Mexila vorsichtig an. Der Tunnel begann über der Wasseroberfläche und war sehr niedrig. "Da drin kommst du nur auf Knien vorwärts." Als Red sich die Fortbewegung vorstellte, kam sie schnell zu dem Schluss, dass es auf Dauer äußerst unbequem sein würde.
"Jemand sollte schauen, wohin der Weg führt.", schlug Mexila vor. Red ahnte nichts Gutes.
'Aha, jemand - und dazu dieser verstohlene Blick.'
"Meinst du, ich soll nachschauen?" Mexila nickte heftig. "Du bist kleiner als ich. Für dich ist es einfacher."
"Du bist schmaler und Xamaer sind sehr gelenkig.", entgegnete Red sofort, aber Mexila ließ sich nicht beirren. "Wir wissen nicht, was uns dort drinnen erwartet und ich kann nicht mal meine Waffe richtig halten. Aus Sicherheitsgründen musst du gehen." Red grinste ertappt.
Nach weiteren Überlegungen einigten sie sich darauf, die Entdeckung vorerst unbeachtet zu lassen und sich auf den großen Tunnel zu konzentrieren. Red ahnte jedoch, dass die Angelegenheit damit nicht erledigt war.
Nach kurzer Zeit betraten die Frauen eine weiteres Gewölbe, welches gut doppelt so groß wie die Höhle mit den pelzigen Tieren war. Die Decke leuchtete ebenfalls, aber bizarre Tropfsteingebilde fehlten. Auch hier gab es einen unterirdischen See, der mit weichen, moosartigen Gewächsen umgeben war. Spuren der Tiere entdeckten sie nicht. Das Gewässer hatte zwei schlängelnde Zuflüsse, die in größeren Tunneln verschwanden. Einem waren Mexila und Red gefolgt, der zweite mündete direkt am Ufer des Sees ins Gewölbe. Weitere begehbare Gänge existierten nicht.
Unerwartet drangen Gesprächsfetzen aus dem zweiten Gang. Wasser platschte. Leise fluchend drückte Red die Xamaer in eine Felsnische, lauschte mit gezogener Waffe.
Nach einigen bangen Momenten zeigte Mexila ein erleichtertes Lächeln. "Die Stimme erkenne ich im Schlaf.", rief sie freudig und lief zum anderen Tunnel, "Tscheruwie, Brüderchen. Wir sind auch da." Beinahe augenblicklich kam die erfreute Antwort zurück: "Tscheruwie, Schwesterherz. Gut dich zu hören."
Sirius und Mexur sahen genauso durchnässt wie die Frauen aus. Im Gespräch wurde klar, dass sich ihre Erlebnisse glichen. Der einzige Unterschied war die Entdeckung des niedrigen Abzweigs gewesen. Zu Reds Überraschung entschlossen sich die Vier schnell, diesen Weg ebenfalls zu erkunden. Die Besprechung verlief sachlich und alle konzentrierten sich darauf, eine vernünftige Lösung zu finden.
'Nimmt man die Leute für sich, sind sie scheinbar gar nicht so kompliziert. Oder wir gewöhnen uns aneinander? Oder ich gewöhne mich an sie? Weiß nicht, aber das fühlte sich gut an.'
Kurz darauf standen drei Erwählte vor einem niedrigen Abzweig und redeten auf die Vierte ein. Red kroch, rutschte oder quetschte sich durch den Gang. Dabei fluchte sie wütend vor sich hin. "So ein verdammter Scheiß! Hunger, Hitze, eisiges Wasser, Steine, Höhlen, Tunnel! So ein verdammter, dämlicher Scheißplanet!"
'Verflucht, was mache ich hier? Dieser Tunnel endet sicher an einer Wand. Warum tue ich so was? Nur ich als ausgebildete Kämpferin bin im Falle eines Falles dazu in der Lage, mich ausreichend zu verteidigen! Also muss ich logischerweise durch dieses beschissen enge Ding klettern! Auf einmal entscheiden die sich so schnell, dass ich nicht den Hauch einer Chance hab, mich zu wehren! Dämliche Meute!'
Immer wieder erklang die Frage: "Was siehst du, Leutnant?" Ungefähr bei jedem dritten Mal knurrte Red: "Nichts." Dann deutete sich im Lichtkegel ihrer Lampe eine Veränderung an. Die Enge endete. Red kletterte aus dem schmalen Gang in einen großen Tunnel, in welchem überall Kalksäulen wuchsen. Zu Reds Freude gab es kein Wasser und sie konnte aufrecht stehen. Das Gestein strahlte, allerdings deutlich schwächer als in den großen Gewölben. Dreimal klopfte sie mit dem Knauf ihrer Waffe in den kleinen Gang. Das verabredete Zeichen, um mitzuteilen, dass sie etwas gefunden hatte und alles sicher war.

"Wir sollten zurück und den Anderen davon berichten.", schlug Sirius vor. Die Vier standen in dem unübersichtlichen Gang. "Was genau willst du berichten? Das wir einen Tunnel gefunden haben? Denke nicht, dass dem Regier das reicht.", erwiderte Red. Mexur stimmte zu: "Ja, wir haben noch Zeit. Schauen wir uns ein bisschen um." Sirius und Mexila wirkten unglücklich, aber nickten schweigend. In den ursprünglichen Zweiergruppen wollten sie jeweils 300 ZEs in entgegengesetzte Richtungen laufen.
Wenig später marschierten Mexila und Red durch die fahle Helligkeit. Die Lampe brauchten sie nicht mehr. "Bist du gar nicht müde?" Die Frage der Xamaer durchbrach die Stille. Red zuckte mit den Schultern. "Im Moment eher hungrig. Die Müdigkeit spüre ich erst, wenn ich mich ausruhe.", da stoppte Red plötzlich, deutete nach vorn, "Da, schau! Ein Ausgang."
Durch eine schmalen Spalt im Fels waren Sterne am Nachthimmel zu sehen. Red war vorsichtig und flüsterte Mexila zu: "Falls draußen irgendwer oder irgendwas ist, sollte die Überraschung auf unserer Seite sein." Mexila nickte stumm. Mit dem Rücken an der Wand und schussbereiten Waffen bewegten sich die Frauen auf die Öffnung zu. Die Leuchtkraft des Gesteins ließ nach, je näher sie dem Ausgang kamen. Ungleichmäßig nahm auch die Breite des Ganges ab. Die Felsvorsprünge boten gute Deckung.
'Was soll da schon sein? Wahrscheinlich landen wir mitten im Wald.'
Red konnte sich die wachsende Unruhe nicht erklären. Draußen schien es ruhig zu sein. Nichts deutete auf Schwierigkeiten hin.
'Sei vorsichtig. Irgendwas ist seltsam.'
Direkt vor der Öffnung zog frische Luft hinein. Mexila lehnte an der gegenüberliegenden Wand und blickte zu Red, die in die Dunkelheit vor der Höhle spähte. "Bleib hier. Ich schau mich um.", flüsterte sie und trat ins Freie. Aufmerksam erkundeten ihre Augen die Umgebung, konnten keine Gefahren entdecken. Sie horchte angestrengt. Es blieb still. Als nach weiterem Abwarten nichts alarmierendes passierte, holte Red schließlich Mexila.
"Eine Schlucht.", stellte die Wissenschaftlerin fest. "Seltsame Gewächse.", bemerkte Red, "Erinnern mich an Brombeersträucher."
Die Pflanzen bedeckten die sichtbare Fläche zwischen den steilen Felswänden, bildeten eine kniehohe Gestrüppdecke. "Das ist bestimmt ein Ausläufer. Wahrscheinlich ist die Schlucht viel größer - wie ein trockener Flusslauf.", vermutete Mexila, während sie die stachlige Vegetation betrachtete, "Das Zeug hat richtig viele Dornen." Red nickte. "Hmm, leider. Trotzdem sollten wir uns ein wenig umschauen."
"Es ist kalt.", Mexila wirkte unschlüssig. "Kein Wunder, wir sind klatschnass.", dann betrachtete Red die Xamaer und ein Lächeln erschien, "Du kannst warten. Ich geh allein. Dauert nicht lange."
Unsicher zuckte Mexila mit den Schultern, meinte nach einigen Augenblicken allerdings entschlossen: "Nein, ich komme mit, aber lasse bitte die Lampe aus. Der Mond ist hell genug." Mit einem Nicken bestätigte Red: "Verstanden, Sir."
Die Frauen bemühten sich, so leise wie möglich das Gestrüpp zu durchdringen. Das gestaltete sich schwieriger als erwartet. Zuerst versuchten sie, mitten durch zu gelangen, aber der Stoff ihrer Kleidung hatte dem widerspenstigen Geflecht nichts entgegenzusetzen. Bald mussten sie aufgeben.
Im nächsten Versuch probierten sie es dicht an der Felswand. "Verdammtes, stachliges Zeug!", fluchte Red leise. Ihre Beine waren zerkratzt. Aus kleinen Wunden tropfte Blut. Das Fortbewegen gestaltete sich schwierig, aber wenigstens kamen sie vorwärts. Nach zweihundert Metern hatten sie das Ende des stachligen Teppichs erreicht. Dahinter änderte sich der Untergrund abrupt, denn das Wurzelwerk stabilisierte den Boden nicht mehr.
Red, die gerade überlegte, wie sie den drei Meter tiefen Abhang am besten überwinden konnte, rief plötzlich erschrocken: "Mexila! Nicht!"
Gerade hatte sich die Xamaer über die Schulter der Elitären gelehnt. Dadurch verlor Red den Halt und schlitterte mit dem lockeren Boden abwärts. Red hielt sich auf den Füßen, während Mexila stolperte und bäuchlings herunterrutschte. "Ist alles in Ordnung?", fragte Red besorgt, während sie ihr beim Aufstehen half. Mexila betrachtete ihre zerschundenen Hände und antwortete abwesend: "Ich bin froh, dass Mexur nicht hier ist.", ein unsicheres Lächeln erschien, "Den Spott könnte ich heute nicht ertragen."
"Wenn du dir weh tust, verspottet er dich?", fragte Red ungläubig. "Sicher. Wenn ich nicht tot oder schwer verletzt bin, immer. Mexur ist von Natur aus gemein." Red grinste und dachte an ihre Geschwister.
'Meine Kleinen nutzen in dieser Hinsicht auch jede Gelegenheit. Da unterscheiden sich die Spezies gar nicht.'
"Familie kann man sich nicht immer aussuchen.", meinte Red kurz und sah sich um. Auch Mexila blickte zurück. "Von dem Eingang ist hier unten gar nichts zu sehen."
"Hm, gut so. - Gehen wir ein Stück.", beschloss Red und lief los, ohne eine Antwort abzuwarten. Das schmale Seitental stieß bald auf eine deutlich größere Schlucht. Mexila flüsterte: "Ich denke, ich hatte recht. Das sieht aus wie ein ehemaliger Flusslauf." Red nickte stumm. Sie wandten sich nach rechts und liefen weiter.
Das Tal war mehr als doppelt so breit. Vereinzelt oder in kleinen Gruppen wuchsen die widerspenstigen Sträucher. Überall lagen Felsen und Geröllhaufen. Red lauschte angestrengt.
'Irgendwas ist da?'
"Hörst du das?" Mexila antwortete erst nach einem Moment. "Der Wind?" Red schüttelte den Kopf. "Da ist es wieder. Ein Brummen - wie Gleitergeräusche."
"Wo soll ein Gleiter herkommen? Hier ist niemand. Wir sind allein", zweifelte Mexila.
'Es ist hinter uns. Kommt näher. Mist!'
Red ahnte es, blickte sich um und sah gerade Scheinwerfer hinter einem Geröllhaufen auftauchen. "Geländefahrzeug! Geh in Deckung!", flüsterte sie. Mexila blickte sich verschreckt um. Red entsicherte ihre Waffe, während sie in die Hocke ging. "Das sind Piraten! Los, geh in Deckung, Mexila!" Red zog an dem Arm, aber Mexila bewegte sich nicht.
Der Gleiter stoppte vor dem kleinen Seitental, aus dem sie gekommen waren. Panisch schaute Mexila zu dem Licht, rührte sich nicht. Als sich der Gleiter erneut in Bewegung setzte, riss Red die versteinerte Frau zu Boden und drängte sie in Richtung einer Gebüschgruppe.
Nach einigen Sekunden lagen beide zwischen stachligen Sträuchern, die im Schatten der Felsen wuchsen. Wachsam spähte Red ins Dunkel, zielte auf das Fahrzeug. Inständig hoffte sie, dass die Insassen nichts bemerkt hatten. Schließlich verstummten die Geräusche. Ruhig wartete Red ab.
"Ich sage dir, hier war was. Ein Schatten hat sich bewegt.", lallte eine merkwürdig quietschende Stimme.
'Der ist betrunken oder high! Unser Glück. Jetzt haut ab.'
Eine tiefe, brummende Stimme antwortete: "Du bist besoffen, Tschorak. Siehst Geister. Wer soll hier sein?"
"Ich bin kein Tschorak und da war was.", krächzte der Andere beleidigt. Die tiefe Stimme wirkte genervt. "Lass uns zurück. Hier ist nichts. Unser Wachbereich endet am kleinen Weg." Der Gleiter startete. Beim Wenden kam der Lichtstrahl des Fahrzeuges dem Versteck gefährlich nah. Red presste sich fest an den Boden und visierte den Fahrer an. Bewegungslos wartete sie, bis der Wagen hinter dem Geröll verschwunden war.
'Glück gehabt.'
Red setzte sich. "Das war verdammt knapp." Zitternd richtete sich Mexila auf. Red sicherte ihre Waffe und betrachtete die schmale Gestalt neben sich besorgt. Mexila wirkte verstört. "Geht's dir gut?", fragte Red vorsichtig. Die zittrige Antwort offenbarte die Angst nur noch deutlicher. "Nein. Solche Aktionen vertrage ich nicht. Ich will zurück." Red nickte stumm. Im Schatten der Felsen liefen sie zügig in Richtung der Höhle, doch als die kleine Schlucht erreicht war, fühlte Red sich nicht besser.
'Wenn die jetzt auftauchen, haben wir keine Möglichkeit, uns zu verstecken. Bloß verschwinden.'
Mit diesen Gedanken beschleunigte sie den Schritt und zog die Xamaer mit. Kurz vor dem Abhang hörte Red das verhängnisvolle Geräusch. Die Frauen sprinteten los. Panisch stürmte Mexila den Anstieg hinauf, rutsche ab und fiel hin. Red blickte sich um, sah die Lichtkegel am Eingang des Tals.
'Bitte, bitte, nehmt den anderen Weg! Nehmt die große Schlucht!'
Red zog Mexila auf die Füße und versuchte selbst den Hang zu erklimmen. Es war schwieriger als erwartet, aber mit Schwung und der Hilfe einiger kräftiger Wurzelstränge schaffte sie es.
'Zu langsam, zu langsam. Wir sind zu langsam.'
Die Lichtkegel wanderten in die kleine Schlucht.
'Scheiße, die sehen uns.'
Mexila rutschte erneut ab. "Verstecke dich. Ich komme.", flüsterte sie verzweifelt. Red beachtete die Worte nicht. Sie hatte sich hingelegt und das Handgelenk der Wissenschaftlerin gepackt. Bevor Mexila erneut den Halt verlor, wurde sie mit einem kräftigen Ruck nach oben befördert. Hektisch kämpfte sich Mexila einige Schritte durch das Gestrüpp und ließ sich fallen. Dafür fehlte Red die Zeit. Momente bevor die Lichter den Abhang streiften, sprang sie aus der Hocke blind in die Sträucher. Als der Wagen vor dem Hang stoppte, wusste Red, dass die Wesen etwas gesehen haben mussten.
"Von wegen Tschorak, du stinkendes Aas. Ich hatte recht. Da ist jemand." Red erkannte das Quietschen, doch weil ihr Kopf in Richtung der Höhle lag, sah sie nicht, was passierte. Die brummende Stimme antwortete abfällig: "Bist und bleibst ein dreckiger Tschorak! Klar war da was - nämlich das zehnte, dämliche Tier, das wir heute Nacht jagen. Willst bloß ein Weib erwischen, du besoffner Drecksack!" Die Waffe fest umklammert, beschwor Red die Piraten.
'Ja, ein Tier. Keine Weiber. Haut ab.'
"Ein Weib wär geil. Können wir uns teilen, dann abliefern.", schlug der Quietschende vor, "Ich hol die da runter. Ficken. Ja, ich will ficken."
'Schritte! Oh nein! Der will rauf.'
Als Reaktion erntete der Betrunkene ein ungeduldiges Brummen.
'So besoffen und allein schafft, der den Abhang nicht. Fahrt wieder.'
Ihre Vermutung bestätigte sich. Die tiefe Stimme schnauzte genervt: "Dämlicher Tschorak. Verschwendest Zeit. Ich fahr zurück."
"Ich bin kein Tschorak.", kreischte der Typ und versuchte, seinen Verdacht auf andere Art zu beweisen. Strahlersalven zerpflügten das Gestrüppfeld. Obwohl der Schütze es niemals erfahren sollte, trafen zwei Schüsse.
Für Sekunden lag Red mitten im Schussfeld. Sie schloss die Augen, denn sie sah keine Chance sich zu verteidigen und hoffte auf ein schnelles Ende. Als die Schüsse trafen, biss sie in die Faust, voll darauf konzentriert, still zu bleiben. Red konnte nicht einschätzen, wie schwer die Verletzungen waren, aber es brannte höllisch. Nach einer weiteren Sekunde war alles vorbei. Nur ihr Herz hämmerte wie verrückt.
Die brummige Stimme klang wütend. "Versoffener, stinkender Tschorak! Adun killt dich für sinnloses Rumballern mit den Edelkanonen!"
Der Quietschende gluckste nur: "Ey, hab die Weiber gekillt, ResRo! Ja, hab ich. Ficken oder Killen - beides geil!" Ein gurgelndes Lachen war zu hören. Kurz darauf startete der Gleiter und entfernte sich. Benommen blieb Red liegen. Ihr Atem ging schwer.
'Ah, meine Schulter - Arm hat's erwischt.'
Sie drehte den Kopf nach links und sah Blut.
'Aber ich lebe. Immerhin. Reicht mir.'
"Red? Red?! Wo bist du?!", fragte Mexila verängstigt. "Antworte, Red! Bitte!" Es klang flehend. Die Elitäre schluckte und sagte stockend: "Hier. - Alles ok." Beim Aufrichten stöhnte sie auf. Mexila kniete sich neben Red und betrachtete die Wunde eingehend. Auf einmal war jede Angst aus ihrer Stimme verschwunden. "Streifschüsse, aber trotzdem tief. Das muss behandelt werden.", voller Sorge streichelte sie Reds Wange, "Die Schüsse fielen so plötzlich. Ich dachte, du bist tot."
Beim Aufstehen wurde Red schwindelig. Mexila stützte sie. "Wir müssen verschwinden. Los.", sagte Red, als sie sich gefangen hatte. Die Xamaer nickte. Während sie sich zur Höhle kämpften, flüsterte Mexila plötzlich: "Danke, dass du mich gerettet hast." Red wusste nicht, worauf sich die Aussage bezog. "Gerettet?"
"Beim Abhang. Den hätte ich nie alleine geschafft."
"Kein Problem. Gehört sich so.", antwortete Red abwesend. Bei jedem Schritt erschütterten heftige Schmerzen die linke Seite ihres Körpers. Sie fühlte sich müde und benommen.
'Wenn das mein Job sein soll, hat jemand die falsche Wahl getroffen! Warum musste Lead mich so bestrafen? Ich bin elitär, hab den hochrangigsten Akademieabschluss und die lassen mich durch dreckige Höhlen kriechen! Ich werde vergiftet, andauernd beleidigt und von perversen Besoffnen angeschossen! Verdammte Scheiße! Das nennt man nicht Karriere machen!'
Während Red wütend ihren Gedanken nachhing und dadurch die Schmerzen verdrängte, betraten sie die Sicherheit der Höhle. Augenblicklich stoppte Mexila. "Lass mich bitte deinen Arm ansehen." Energisch schüttelte Red den Kopf. "Jetzt nicht. Wir sind überfällig." Wenig erfreut musterte Mexila die Elitäre, widersprach allerdings nicht. Sie setzten den Rückweg fort. Nach einer Weile fragte Mexila vorsichtig: "Du bist wütend?" Zuerst zeigte Red keine Reaktion, aber letztendlich antwortete sie: "Ja und Nein. Nicht auf dich. Sind die Schmerzen."
Ungeduldig warteten Mexur und Sirius bereits. "Was ist passiert?", fragte Mexur erschreckt, als er den blutigen Arm sah. Er packte Mexila an den Schultern und betrachtete sie prüfend. "Ich bin in Ordnung.", eilig küsste sie Mexurs Wange und erklärte das Offensichtliche, "Die haben Red angeschossen."
Beunruhigt blickte sich Sirius um. "Wer? Hier?" Sofort verneinte Mexila. "Da war ein Ausgang. Wir trafen auf Piraten, aber im Moment besteht keine Gefahr. Die haben nicht bemerkt, dass wir da waren.", bestimmt wandte sie sich an Red, "Jetzt zeige mir deinen Arm, Leutnant. Die Wunde muss behandelt werden."
Mit geschlossenen Augen lehnte Red an der Wand, während Mexila die Reste des verbrannten Oberteils entfernte. "Lass noch Stoff übrig. Hab nur ein Shirt mit." Mexila lächelte. "Wenn du dich darüber sorgst, kann die Wunde nicht so schlimm sein." Inzwischen entfernte Mexila verkohlte Hautfetzen und öffnete Brandblasen mit einem schmalen Multiwerkzeug, das sie aus einer kleinen, schwarzen Umhängetasche geholt hatte. Verkniffen sah Red zu und erwiderte schief grinsend: "Nein, ist nicht schlimm! Schlimm war mein letzter Sex."
Mexila kicherte, während ihr Bruder, der stoisch den Fels anstarrte, verständnislos entgegnete: "Wie kannst du bei soviel Fleisch und Blut an Sex denken? Das ist widerlich." Sirius reagierte verwundert. "Kannst du etwa kein Blut sehen? Was bist du denn für ein Wissenschaftler?"
Der Leganer kassierte einen bösen Blick. "Einer, der sich mit Rechnern, Netzwerken, Messtechnik und ein bisschen Physik beschäftigt. Lebewesen sind ekelhaft - besonders, wenn die kaputt gehen.", ohne hinzusehen, deutete er auf Reds Arm, "Und das da - das ist ziemlich verheerend kaputt!"
Mexila nickte zustimmend. "Zweimal gestreift, aber trotzdem großflächig und sehr tief verbrannt. Ich habe weder Regenerationspräparate noch Zellstab dabei. Ich hätte daran denken sollen." Auf einmal fragte Mexur neugierig: "Waren das diese eCetecs?"
"Wahrscheinlich schon, aber ich hab's nicht gesehen.", antwortete Red schwach. Sirius wunderte sich: "Die Superstrahler der Piraten sind Cetecs?"
"Stimmt, hat dir noch Niemand erzählt. Elitäre Cetecs von der Koalition waren das." Sirius wirkte verwirrt: "Elitäre Cetecs?"
Mexur erzählte eine Kurzfassung der Geschichte. Danach betrachtete Sirius Red schweigend, wandte sich wieder an Mexur. "Heißt das, dass die Koalition hinter den Piraten steckt?" Mit einem Blick auf Red antwortete Mexur: "Sieht so aus, oder?"
'Hoffentlich nicht.'
Mittlerweile hatte Mexila das Multiwerkzeug weggesteckt und hielt eine kleine, flache Dose in den Händen. Red verfolgte diese Handlung misstrauisch, denn sie war die hochtechnisierte Medizin der Koalitionsärzte gewohnt. Die Xamaer zeigte ein aufmunterndes Lächeln. "Das ist Salbe aus einer Kakteenpflanze. Sie wirkt desinfizierend, schmerzlindernd und in geringem Maße auch regenerierend. Ich werde eine Schicht auf den Wunden verteilen und das Ganze abdecken. Bis wir bei Doktor Bishop sind, wird das helfen."
Als die Dose offen war, verbreitete sich ein unangenehmer, leicht ranziger Geruch. Dazu gesellten sich ein brauner Farbton und die ölig-schmierige Konsistenz. Red wirkte deutlich verunsichert. "Das soll helfen?"
"Ja, funktioniert. Ohne Probleme.", bestätigte Mexila überzeugt. Ihr Bruder pflichtete dem bei: "Es hilft genauso gut, wie es schlecht riecht. Mex schwört schon seit Jahren auf dieses Zeug."
Nachdem die Salbe aufgetragen und den Verband angelegt worden war, betrachtete Mexila Red erwartungsfroh. "Und? Spürst du's?" Red schloss die Augen. "Hm, es kühlt angenehm. Damit sollte der Rückweg klappen." Zufrieden lächelte Mexila, während ihr Bruder bereits in den schmalen Durchgang kletterte. "Wir müssen uns beeilen, sonst verderben wir Swon die Laune.", bemerkte er und ergänzte mürrisch, "Warum konnten die uns nicht auf einer Raumstation aussetzen? Irgendwas ohne Natur wäre mir lieber gewesen." Während Mexila in der Dunkelheit verschwand, begutachtete Sirius die Elitäre prüfend. "Schaffst du das wirklich?" Obwohl Red sich dasselbe gefragt hatte, lächelte sie. "Ja, geht schon."

"Ihr seid zu spät." Ohne die Person zu sehen, erkannte Red die strenge Stimme.
'Meine bezaubernde Swon Dschrib - da ist sie wieder.'
Durch Mexilas Behandlung war der Schmerz erträglich - vor allem, nachdem Red den engen Tunnel hinter sich gebracht hatte. Danach beeinträchtigte die Verletzung sie weniger als erwartet. Trotzdem war der Rückweg anstrengend gewesen
'Bin froh, wenn ich sitzen kann. Wie sie wohl reagieren? Das wird Swons Plan bestimmt verändern.'
Red trat aus dem Schatten in die fahle Helligkeit des Gewölbes. Greg, Fries und Naro standen zusammen, während Swon den Ankömmlingen einige Schritte entgegenkam. Ihre Augen blieben am Verband hängen. "Was ist passiert?", fragte sie alarmiert. Reds Antwort fiel kurz aus. "Piraten." Beunruhigt wandte sich Naro an Mexur: "Piraten in den Höhlen?" Der Xamaer zuckte mit den Schultern. "Ich glaube nicht, aber die Beiden haben nichts genaues erzählt."
"Piraten in den Höhlen? Du hattest recht. Das war unwahrscheinlich.", warf Red spöttisch ein. Ihre Augen hingen an Naro und ein gemeines Grinsen blitzte auf, bevor sie ernst fortfuhr: "Da ist ein Ausgang. Kann nicht weit weg von deren Lager sein. Wir trafen a.. - Aah! Hey!"
Ein Zerren am verletzten Arm unterbrach die Erläuterung. Doktor Fries Bishop hatte begonnen, den provisorischen Verband zu entfernen und bestimmte dabei energisch: "Zuerst behandle ich deine Verletzung!" Red versuchte sich abzuwenden. "Nein! Nicht jetzt. Mir geht's gut. Echt!"
"Das entscheide ich.", sagte Fries unnachgiebig und schleppte den überrumpelten Leutnant an das Ufer des Sees. Dort musste sich Red setzen. Das moosartige Gewächs war überraschend weich und trocken. Mit dem kurzen Verweis, ihr Bruder würde erst einmal erklären, was sie sonst entdeckt hatten, folgte Mexila den Menschlichen.
Nachdem Fries den Verband entfernt hatte, wanderte ein fragender Blick zu Mexila. "Was bitte ist das?" Sie antwortete sachlich: "Wundsalbe." Sein Misstrauen war überdeutlich. "Registrierte Wundsalbe?"
Mexila schien mit dieser Reaktion gerechnet zu haben. Ihr Tonfall war kühl und offenbarte keine Spur Unsicherheit. "Die Salbe wurde getestet. Die Wirkung ist belegbar, Neben- und Wechselwirkungen sind unbedeutend."
Während Fries die feuchte Wunde reinigte, wiederholte er seine Frage: "Ist das Zeug als Medikament zugelassen?" Mexila wich nicht aus. "Auf einzelnen Planeten und in einigen Reichen schon, in der Koalition nicht." Unglücklich saß Red zwischen den Streithähnen und befürchtete schlimmes.
'Oh nein! Bitte, bitte - ganz ruhig bleiben! Nicht schreien. Ich bin verletzt. Ihr dürft euch nicht anschreien.'
Fries hatte sich erhoben und beachtete Reds geheimen Wunsch überhaupt nicht. "Menschenplaneten gehören sicher nicht dazu. Benutzt du Patienten als Versuchsobjekte?"
Mexilas Antwort fiel nicht wesentlich gedämpfter aus. "Diese Salbe wurde, unter modernsten Gesichtspunkten, in ausreichendem Maße getestet. Würdest du dich mit diesem Thema auskennen, wüsstest du, dass eine Koalitionszulassung über Verträglichkeit und Wirkung nichts aussagt, sondern hauptsächlich Vermarktungs- und Vertriebsrechte regelt.", nach kurzem Luftholen schob sie nach, "Red war keine Versuchsperson. Die Behandlung sollte ihr den Rückweg erleichtern, was übrigens hervorragend funktioniert hat."
Mit jedem Wort war Red ein klein wenig mehr in sich zusammengesunken. Erschreckt verfolgte sie nun, wie Fries sich Mexila näherte. Uneinsichtig setzte er erneut an: "Wenn dieses stinkende Zeug derart brillant ist, wieso hat es dann keine Zulassung? Ich weiß genau, dass die Lehrunion, bei ausreichender Absicherung, jedes Medikament innerhalb von drei Tagen genehmigt bekommt. Daher erkläre mir bitte, warum sie nicht versucht haben, aus diesem angeblich sicheren Produkt, Gewinn zuschlagen?"
"Weil die Rechte an meinen Entdeckungen weder bei der Lehrunion noch bei der Koalition, sondern einzig und allein bei mir liegen!", schrie Mexila wütend zurück, hielt kurz inne und sprach mit streitlustiger Überheblichkeit weiter, "Alle heute in der Koalition üblichen Standards basieren auf meinen Versuchsreihen. Ich habe die Anforderungen erhöht, nicht die Koalition. Wenn ich entscheide, dass ein Medikament sicher ist, dann trifft das zu."
"Was ist das für eine egomanische Einstellung? Damit dürfte am Ende jeder dahergelaufene Medizinmann seine Püderchen und Tinkturen verhökern! Die Koalitionsstandards wurden aus guten Gründen eingeführt - was übrigens bereits lange vor deiner Geburt stattfand!", bewegungslos starrte Red den Boden an, während Fries wütend nachsetzte, "Dieses Zeug hat keine Zulassung und ist damit kein Medikament. Da ich hier für medizinische Belange zuständig bin, verbiete ich dir, meine Patienten als Versuchsobjekte für Zaubermittel zu missbrauchen!"
Für einige Sekunden herrschte Schweigen, wobei mörderische Blitze aus violetten Augen auf Fries niederprasselten. Der große, dunkelhäutige Mann erwiderte das Starren unerbittlich. Ohne ihre Position zu verändern, verschaffte Red sich einen Überblick und erschrak.
'Oh, Mist! Mexila wird ihm weh tun - oder Fries ihr! Ooh, das ist so gemein. Zwischen Swon und mir saß nie jemand!'
"Was glaubst du, wer ich bin?! Mich mit irgendeinem dahergelaufenen Medizinmann zu vergleichen! Typisch für einen eingebildeten, unflexiblen Koalitionsarzt, der glaubt, alles zu wissen! Ich habe mehr Heilmittelpatente als jeder Koalitionspharmazeut - als jeder verdammte Pharmazeut in diesem Universum! Wenn ich sage, dass ein Medikament anwendbar ist, ist das mit Sicherheit kein vorschnell gefälltes Urteil, denn das ist mein Fachgebiet! Außerdem besitze ich ausreichend medizinische Kenntnisse, um Behandlungen eigenständig durchzuführen. Wärst du nicht so steif, verbohrt und engstirnig, könntest du eine Menge von mir lernen!"
Wieder starrte Red den moosigen Boden an, als eine andere Stimme den Streit unterbrach. "Hey, du hast eine Patientin, Doktor Bishop!" Erstaunt wanderte Reds Blick aufwärts, während eine Hand sich auf ihre gesunde Schulter legte.
'Oh, Greg. - Danke! Endlich ist Ruhe. Danke!'
Für einige Sekunden fixierte Mexila den Arzt zornig, der verbissen schwieg und seine Aufmerksamkeit nun wieder Red widmete. Schließlich drehte sich Mexila fluchend weg. "Arroganter Idiot!"
Fries sah auf und jagte einen vernichtenden Blick hinterher. Dann murmelte er verdrossen: "Eingebildet, unflexibel, engstirnig, steif, verbohrt - Ha! Ausgerechnet die muss das sagen!", die letzte Attacke hatte ihn sichtlich verstört, "Was sollte ich von dieser Person lernen? Grenzenlose Selbstüberschätzung?"
"Warst ziemlich hart zu ihr.", bemerkte Greg beiläufig. Fries, der dabei war einen Zellstab zu füllen, antwortete unfreundlich: "Aaah, hart bin ich auch."
"Die Salbe hat geholfen und ich denke nicht, dass ich ein Testobjekt war.", warf Red zaghaft ein.
"Ihr auch. Fallt mir in den Rücken.", antwortete Fries enttäuscht, während er Red ein Regenerationspräparat verabreichte, "Du hast keine kleine Wunde, die mit einem Naturprodukt behandelt werden kann. Das ist nicht sachkundig, nicht professionell - selbst, wenn der Kram wirkt, wer weiß, unter welchen unhygienischen Bedingungen es hergestellt worden ist. Die Zulassung von Medikamenten ist streng geregelt und die Herstellung wird umfangreich kontrolliert. Das geschieht nicht ohne Grund."
'Naja, irgendwie hat er auch recht, aber trotzdem...'
"Mexila ist nicht gerade eine Anfängerin. Ein bisschen Kompromissbereitschaft kann da nie schaden.", erwiderte Red belehrend.
"Das könnte bei Swon und dir auch helfen.", warf Greg spöttisch ein. Red überlegte kurz und erwiderte dann überzeugt: "Kann ich mir nicht vorstellen. Ich bin schon ausgesprochen geduldig mit Swon." Fries musste lächeln. "Geduldig? Du?" In dem Moment griff Red empört nach seiner Hand. "Hey, was machst du da?"
"Die Schulter muss frei sein, damit ich den Verband anpassen kann." Red funkelte ihn verärgert an. "Dafür musst du nicht mein Oberteil zerlegen. Ich werde hier nicht die ganze Zeit halbnackt rumrennen!" Er stoppte. "Na gut, dann zieh es selbst aus.", unschlüssig betrachte Red ihre Finger, bis Fries ungeduldig meinte, "Ich bin Arzt. Ich habe sogar schon völlig nackte Frauen behandelt." Red nickte leicht, wobei ein flüchtiger Blick Greg streifte. "Ich bin zwar kein Arzt, aber ich hab auch schon nackte Frauen gesehen.", meinte er amüsiert, "Sogar schon einige."
Während Red den kleinen Gewebechip im Halsbund ihres Shirts aktivierte und mit dem Finger die Bauchnaht öffnete, murmelte sie sehr leise: "Aber nicht mich."
'Mit einem Behandlungszimmer und ein paar Elitären wär das kein Problem, aber hier mit den komischen Kerlen find ich das ziemlich peinlich. - egal.'
Den gesunden Arm zog Red aus dem kurzen Ärmel und dann half Fries. Mit dem geöffneten Oberteil bedeckte sie eilig die Brüste. Da Reds Augen die ganze Zeit den moosigen Boden fixierten, entging ihr, wie Fries und Greg mehrfach belustigte Blicke austauschten.
"Wie geht es der Verletzten?" Naro war plötzlich hinter Red aufgetaucht. "Den Umständen entsprechend gut.", berichtete Fries, während er Päckchen aus seiner Tasche abwägend begutachtete. Swon beugte sich vor und betrachtete den verletzten Arm genauer. "Ist sie einsatzbereit?"
"Morgen vielleicht, Übermorgen sicher. Mir fehlen die richtigen REGs." Missmutig schüttelte Swon den Kopf. "Ich habe noch einige Fragen, Leutnant." Deutlich verärgert fuhr Mexila dazwischen: "Die anscheinend nur du ihr beantworten kannst!"
"Das hatten wir schon.", reagierte Swon genervt, "Vielleicht hat Red auf andere Dinge geachtet."
'Was ist denn hier los? Haben die nichts anders zu tun als herumzustreiten - mit mir halbnackt dazwischen? Das ist erniedrigend.'
"Sag es ihr, Red! Wir waren in derselben, beschissenen Situation und haben dasselbe gesehen!" Red sah auf. "Mexila hat recht. Sie kann sicher alles Wichtige erzählen.", dann schwenkte ihr Blick zur zornigen Wissenschaftlerin, "Warum regst du dich so auf?" Mexila blitzte Red wütend an. "Das fragt die Richtige. Warum regst du dich denn andauernd auf? Diese Leute sind unmöglich - und ich kann nicht verschwinden, keinen feuern oder Strafaufgaben verpassen! Außerdem war es ein langer, beschissener Tag! Genau genommen schon fast drei lange, beschissene Tage! Ich bin müde, habe Hunger! Und irgendwelche Tschaks haben uns fast getötet! Deshalb! Genau deshalb!" Damit drehte sich Mexila weg und stapfte an das Ufer des Sees. Dort hob sie eine Handvoll Kiesel, die sie einzeln ins Wasser feuerte.
Mexur meinte entschuldigend: "Sie ist erschöpft und frustriert, aber das gibt sich bald wieder."
'Sie hat recht. War wirklich ein beschiss'ner Tag und Hunger hab ich auch.'
Unerwartet stellte Sirius nun, mit einem Blick auf Reds nackten Rücken, fest: "Eine Elitäre ganz ohne Tattoos. Ungewöhnlich." Greg nickte stumm, während Mexur direkt fragte: "Stimmt, tätowiert ihr euch nicht immer das Anfangs- und Abschlussjahr?" Red warf Fries, der nochmals die Wunde trocknete, einen ungeduldigen Blick zu und sagte dann leise: "Nein, scheinbar nicht."
"Wieso nicht?", forschte Sirius neugierig weiter, "Ich dachte, das ist Tradition." Red schüttelte den Kopf. "Nicht das ich wüsste. Wäre auch eine dämliche Tradition." Jetzt zeigte Swon Verwunderung. "Wieso dämlich? Dabei geht es um Stolz."
Erneut schaute Red zu Fries, der inzwischen die Verbände anlegte. "Tätowieren sich Mediziner die Akademiezeiten?" Fries schüttelte lächelnd den Kopf. "Nein, das ist ein elitäres Ding." Red zuckte mit der gesunden Schulter und meinte nachdenklich: "Ist nur eine Ausbildung, die ich angefangen hab, weil mir nichts besseres eingefallen ist und - naja - was anfängt, endet auch irgendwann. Alles keine guten Gründe für ein Tattoo." Mexur fragte ungläubig: "Weil dir nichts besseres eingefallen ist?"
"Naja. Ja scho.."
Mitten im Wort brach Red ab und blickte sich um. Fries räumte bereits seine Sachen zusammen. Die Anderen umringten Red und schauten neugierig auf sie herab. Energisch schüttelte Red den Kopf und meinte empört: "Das geht euch überhaupt nichts an! Könnt ihr nicht woanders rumstehen? Haut ab! Verschwindet!" Von Fries bekam sie Unterstützung. "Der Leutnant hat recht. Im Behandlungsraum hättet ihr auch keinen Zutritt."
"Du hast recht.", sagte Naro einsichtig. Dabei legte er Greg und Mexur die Hände auf die Schultern. "Geben wir der Patientin die gewünschte Privatsphäre."
Die Drei entfernten sich. Sirius und Swon folgten. Im Gehen erinnerte der Regier die Elitäre: "Ich will dich sprechen, Leutnant. Verstanden?" Müde nickte Red. "Ja, Sir."
Fries setzte sich neben sie. "Das Regenerationspräparat ist zu schwach, aber ich habe kein anderes dabei. So dauert die Heilung leider zwei, drei Tage. Lass bis morgen kein Wasser an die Wunden." Red lächelte. "Schade, ich wollte eigentlich baden."
"Du hast Probleme oben ohne herumzusitzen, aber willst baden gehen?" Ein gelöstes Lachen erklang. "Das ist seltsam. Stimmt. Liegt vermutlich an meinem starken Bedürfnis nach Körperpflege." Jetzt lächelte auch der Arzt. "Kann ich nachvollziehen. Zum Glück sind heutige Klamotten wenigstens selbstreinigend, sonst wäre unser Geruch inzwischen eine echte Zumutung.", dann fügte er hinzu, "Komm, ich helfe dir beim Anziehen.", nachdem sie angekleidet war, meinte Fries, "Ruhe dich aus. Schlaf ein bisschen." Red schüttelte den Kopf. "Swon will mich sprechen."
"Nein, ich kläre das. Mexila kann genauso berichten, was passiert ist. Du brauchst Erholung." Nach einem prüfenden Blick Swon, die gerade mit Naro diskutierte, antwortete Red gehorsam: "Verstanden, Sir. Ich werd mich ausruhen." Zufrieden verschwand Fries, während Red sich ins weiche Moos kuschelte. Bereits ein wenig später schlief sie tief und fest.
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Nach einer guten Stunde schlichen sich Stimmen in Reds Träume, holten sie langsam in die Realität zurück. Mit geschlossenen Augen lauschte sie. "Wir wechseln das Lager sofort. Ausruhen können wir uns in der anderen Höhle." Red erkannte Swons Stimme. Naro antwortete: "Nein, wir bleiben. Jeder von uns braucht Ruhe - und zwar nicht erst in zwei Stunden." Swon erwiderte kühl: "Wir haben keine Zeit für lange Pausen."
Bei diesem Mal fuhr Fries dazwischen: "Red muss sich erholen, damit du sie einsetzen kannst. Ein Fußmarsch durch eiskaltes Wasser hilft nicht dabei!"
"Das alles war die Idee des Leutnants! Ein Umzug ist dementsprechend ganz in ihrem Sinne!", blaffte Swon zurück und Mexila stimmte zu: "Ja, genau! Sie will die Psifrauen befreien. Wir wollen ein Schiff erbeuten und verschwinden. Red ist zäh. Ohne Probleme sind wir zurückgekommen, dann schafft sie es genauso in die andere Richtung."
Naro reagierte bestimmt. "Nein, wir bleiben. Jetzt in die andere Höhle zu wechseln, hilft den Psifrauen nicht und bringt uns nicht näher an ein Schiff."
'Sind die aber laut. Wie soll ich denn da schlafen?'
Langsam öffnete Red die Augen und sah Greg, der ein Stück entfernt schlief. Swon wurde lauter. "Hör auf mir andauernd reinzureden. Unser Ziel ist es, die Frauen zu retten und, wenn möglich, ein Schiff zu besorgen, aber sicher nicht, das Wohlbefinden einzelner Personen zu erhöhen. Außerdem reden wir über einen elitären Leutnant - kein Kleinkind."
Fries reagierte erzürnt. "Reds Verletzungen sind nicht harmlos. Sie braucht Ruhe. Was hilft es dir, wenn sie erschöpft zusammenbricht?"
"Mach dich nicht lächerlich. Ich war den halben Tag mit Red unterwegs und versichere dir, dass sie wegen dieses Fußmarsches bestimmt nicht zusammenbrechen wird."
'Wenn es die ganze Zeit um mich geht, warum fragen die mich nicht einfach?'
Red drehte sich auf den Rücken, blickte nach links. Dort lagen Sirius und Mexur, die ebenfalls dem Gespräch lauschten. Wieder war Naro zu hören. "Mitten in der Nacht mit einer Verletzten, so vital sie auch sein mag, umzuziehen, ist nicht zwingend notwendig. Wir werden nicht verfolgt, sind hier genauso sicher wie dort. Es gibt keinen vernünftigen Grund."
"Das hast du nicht zu entscheiden, denn ich plane diese Befreiung und ich sage, dass der Umzug notwendig ist - mit dem Leutnant. Sie ist trainiert. Der Weg ist kein Problem."
"Befreiung hin oder her, hierbei handelt es sich um einen medizinischen Fall, den nur ein Arzt beurteilen kann. Deshalb entscheide ich, dass wir bleiben. Red muss sich ausruhen."
'Warum fragen die mich nicht endlich? Nachdem ich zum x-ten Mal erwähnt worden bin, wäre das logisch, oder nicht?'
Red rieb sich mit der gesunden Hand durchs Gesicht und wandte den Kopf erneut in Gregs Richtung. Bei diesem Mal erwiderte er ihren Blick, lächelte mitfühlend. "Red will die Frauen befreien und verschwinden.", sagte Mexila überzeugt. Swon ergänzte: "Jeder von euch hat zugestimmt, dass ich entscheide und das bedeutet auch, das wir jetzt aufbrechen werden. Sofort."
"Nein. Wir haben eine Verletzte, die du sowieso nicht fair behandelst. - Wenn unser Arzt sagt, dass wir bleiben, dann bleiben wir."
'Wenn ich mich erholen soll, warum lassen die mich nicht schlafen? Wenn angeblich alles an mir hängt, wieso fragen sie mich nicht? Das muss ich wahrscheinlich nicht verstehen, aber mir reicht's trotzdem! Dämliches, streitsüchtiges, grölendes Pack! Diese Verrückten!'
Wütend stand Red auf und marschierte zu der kleinen Gruppe. "Scheiße, was soll das?", schrie sie, "Ich bin kein Grund für euer dämliches Gerangel um Kompetenzen und Entscheidungsgewalt. Lasst, verdammt noch mal, meinen Namen da raus! Verstanden?!", für einen Moment torpedierte sie die verdutzten Personen mit mörderischen Blicken,
"Ich meine,...", Red deutete auf die liegenden Männer, "..schaut euch das Techniktrio an - so clever, niedlich und - ha - so unglaublich ruhig! Wäre das hier ein Waisenhaus, würde ich die Drei direkt adoptieren,.."
Hinter ihr war leises Lachen zu hören. Red ließ sich nicht ablenken. "...aber euch vier würde ich nicht mal meiner Mutter zumuten! In jeder Krabbelgruppe werden vernünftigere Gespräche geführt!"
Swon fand als Erste die Worte wieder. "Wie soll uns dieser unsachliche Beitrag helfen?"
Fassungslos schüttelte Red den Kopf. "Gar nicht, denn euch ist nicht mehr zu helfen, aber schiebt mich nicht als Grund vor! Wenn ihr was von mir wollt, dann fragt einfach und ihr bekommt eine Antwort. Ich brauche nämlich keine Jahre, um mich zu entscheiden.", ihre Augen blieben an Naro und Fries hängen, "Swon hat recht. Ein Umzug ist sinnvoll und ich bin sehr wohl dazu in der Lage."
Damit wandte Red sich um und steuerte auf den Gang zu. Frustriert murmelte sie: "Wer braucht schon Schlaf, Ruhe und Nahrung. Ich nicht."
'Ich hab Quosos überstanden, da wird Trinita mich auch nicht umbringen.'
Red verschwand in dem Tunnel. Sekunden später tauchte sie wieder auf, griff sich die nächste Lampe und meinte knapp: "Licht brauch ich schon. Bis später."

Schaumiges Wasser füllte die Wanne. Dunkelbraunes, gewelltes Haar hing über den Rand und ein schlankes Bein streckte sich gerade in die Höhe. Bez betrachtete ihren Fuß. "Hübsch genug oder sollte ich nach Farbe für die Nägel fragen?"
Galia lag zwischen weichen Kissen vor einer Schale mit frischen Früchten. "Hübsch genug wofür? Vielleicht muss ich dich öfter daran erinnern, dass wir Gefangene von Raumpiraten sind, die uns vermutlich als Sklaven verkaufen und vorher - wie sagte der Typ vorhin - ähm..." Sie brach ab. "Zureiten?", bemerkte Bez hilfsbereit. Galia lächelte. "Genau, zureiten wollen! Wieso willst du dafür besonders hübsch sein?"
Bez ließ das Bein ins Wasser gleiten. "Unsere Väter lassen nicht zu, dass wir als Sklaven verkauft werden. Zumindest nicht für lange. Dann schicken sie die Roten, um uns zu holen. Außerdem glaube ich nicht, dass X-Rag dieses Zureiten erlauben wird. Dazu sind wir zu wertvoll." Bez lehnte sich über den Rand der Wanne und betrachtete Galia. "Unabhängig davon schadet es nie, hübsch auszusehen und gut zu riechen."
'Bist du sicher, dass sie hier waren?'
'Ja, zuerst Fries Bishop und Greg Toms, nachts Red Leight und diese Mexila. Red war verletzt, aber nicht zu schwer, denke ich.'
'Trotzdem haben unsere Gastgeber nichts bemerkt?'
'Glaube ich nicht, denn die haben keine Psiwesen dabei - aber das weißt du selber. Genau wie dir bekannt ist, dass alle Wesen hier entweder blocken können oder weniger wissen als wir. Sicher ist nur, dass irgendwas nicht stimmt.'
Schweigend nickte Bez und tauchte unter. Galia nahm eine Handvoll violetter Beeren.
'Das sind auf keinen Fall einfache Raumpiraten. Solche Cetecs, wie die besitzen, habe ich noch nie gesehen - das ist modernste Waffentechnik, kein üblicher Piratenschrott. Bei nächster Gelegenheit müssen wir unbedingt verschwinden.'
Bez' blaue Augen spähten aus dem Schaum.
'Fliehen? Wie? Wir sind keine Kämpfer. Deine volle Macht darfst du auf Koalitionsgebiet nicht einsetzen, denn das würde die Interne Sicherheit anlocken. Egal, ob entführt oder nicht, eine gelbe Priesterin darf keine Angriffsfläche bieten. Das würde Tekkaru direkt in die nächste Krise stürzen.'
Galia zeigt einen unzufriedenen Gesichtsausdruck, doch ihre Stimme klang entspannt. "Diese Gorkets sind ausgesprochen frisch. Wo haben sie die bloß in solcher Güte aufgetrieben?"
Ohne zu antworten, stand Bez auf, aktivierte die Energiewände der Dusche und ließ durch eine Handbewegung das Wasser laufen. Der Schaum spülte sich von ihrem Körper und verschwand im Boden.
In dem Moment öffnete sich die Tür. "Einen angenehmen Tag, meine Damen. Ich sehe, sie haben sich eingerichtet und genießen den Aufenthalt. So soll es sein. Ihr Wohlbefinden erhöht unseren Gewinn.", sagte eine freundliche, aber berechnende Stimme. Galia begrüßte den kahlköpfigen Fjuro höflich: "Willkommen, X-Rag. Willst du deine Ware genauer begutachten?"
Seine Hautschuppen schimmerten selten grünlich, häufiger braun. Dies zeigte, dass der kräftige Mann mit den eindrucksvoll breiten Schultern und dem deutlichen Bauchansatz das mittlere Alter bereits hinter sich gelassen hatte. Die gelben Augen blieben an der nackten Bez hängen, die sich von seiner Anwesenheit nicht stören ließ. "Sehr schön, Mischlingsfrau, du wirst einen hervorragenden Preis erzielen. Nicht schüchtern und hervorragend geformt. Die Bordelle werden sich überschlagen."
Bez knickste leicht und lächelte ihn dabei gehorsam an. "Vielen Dank! Ich weiß, was sich gehört."
X-Rag erwiderte das Lächeln geschäftsmäßig und setzte sich zu Galia. "Habt ihr alles notwendige erhalten?" Lächelnd antwortete sie: "Soweit wurde alles zu unserer Zufriedenheit geregelt. Vielen Dank."
Bez trat durch das Energieschild. Augenblicklich waren Körper und Haar trocken. Sie setzte sich auf den Wannenrand und begann im Plauderton: "Beinahe alles...ein bisschen Freiheit fehlt uns. Am besten wäre es, wenn Sie mich auf die L-Station bringen. Von da aus käme ich allein weiter." Galia ergänzte zuvorkommend: "Mir würde es ausreichen, wenn sie mich an der Koalitionsstation auf Trinita absetzen. Sie wissen von dieser Station?"
Eine Weile betrachtete X-Rag die Frauen. Schließlich antwortete er wenig liebenswürdig: "Leider sehe ich mich außer Stande diese Wünsche zu erfüllen, denn so hervorragend es euch derzeit ergehen mag - wir sind Geschäftsmänner und ihr seid die Ware. Wir werden euch verkaufen. Da die Qualität über den Preis entscheidet, habt ihr meine beste Kabine und wir verzichten auf das sonst übliche Zureiten.", X-Rag begab sich zum Ausgang, "Meiner Meinung nach schadet diese Praktik mehr, als das sie nützt und da ich dazu tendiere, gewinnmaximierend zu arbeiten, verzichten meine Leute normalerweise darauf. Trotzdem kenne ich - genau wie Adun Brachib - den entscheidenden Vorteil des Zureitens. Die Ware wird gefügig, bereitet keine Schwierigkeiten."
X-Rag stand in der geöffneten Tür. Die gelben Augen taxierten die Frauen und seine Worte klangen drohend. "Das ist kein freundschaftliches Beisammensein, sondern eine Geschäftsbeziehung. Diese kann zivilisiert ablaufen oder - nach Art des Dschjus. In hervorragendem Zustand würdet ihr mir beeindruckend viel Kristall einbringen, aber auch angeschlagen bleibt die Summe mehr als annehmbar - vor allem auf Km'Prik! Habe die Ehre, Ladies." Die Tür schloss sich und die Frauen tauschten besorgte Blicke aus.
'Ich hoffe, dass du recht hast und die tatsächlich versuchen uns rauszuholen. Ich kann das gar nicht glauben. Aus welchem Grund sollten sie das Risiko eingehen? Wir kennen uns nicht besonders gut und außerdem haben diese Erwählten nicht gerade den Eindruck selbstloser Opferbereitschaft erweckt.'
'Du bist die Psychologin. Erkläre du es mir. Was wollen sie in der Nähe des Lagers? Du hast Red ebenfalls wahrgenommen.'
Bez nickte und murmelte leise: "Ein Schiff klauen und verschwinden?" Schmunzelnd griff Galia nach einer flachen, gelben Frucht. "Zieh dich an, Bez, sonst kommt X-Rag am Ende auf dumme Ideen."
Während Bez sich das dunkelrote Kleid überzog, meinte sie nachdenklich: "X-Rag bereitet mir kein Kopfzerbrechen, aber dieser Dschju ist ein anderes Format. Dem will ich nicht über den Weg laufen. Der ängstigt mich."
Mit ernstem Gesicht bestätigte Galia die Sorgen. "Ja, schwer berechenbar. Auf jeden Fall skrupellos." Bez setzte sich zur blonden Frau und griff nach einem Apfel. "Die stammen von der Erde. Schmecken hervorragend.", dann biss sie zu und fuhr schmatzend fort, "Dieser Kerl - den Dschju, meine ich - der gehört zu einem heimatlosen Clan, den Brachibs."
'Du musst nicht reden, während du isst. Das ist unappetitlich.'
Trotz des vorwurfsvollen Blickes der blonden Priesterin, grinste Bez und biss erneut ab.
'Muss nicht, kann aber, meine hochwohlgeborene, anständig erzogene Tekkarui.'
'Dein Vater gehört zu selben Rasse.'
Bez verschränkte die Arme. "Ein Fakt, den er mich nie vergessen lässt."
Nach kurzem Schweigen meinte Galia: "Deine Abschirmung ist so mächtig wie die eines Streslars." Ein Strahlen überzog Bez' hübsches Gesicht. "Ja, zum Glück bin ich eine gelungene Mischung! Mein Aussehen, die Haare, die Rundungen sind eher Streslar - meine Augen, die helle Haut und die Psikraft vom Vaterwesen."
Galia zeigte ein Lächeln. "Und ein bisschen größer als die durchschnittliche Streslarfrau bist du und deren ausgeprägtes Schamgefühl hast du offensichtlich auch nicht geerbt." Bez lachte breit. "Wenn man häufiger in Tekkaru weilt und Psikräfte besitzt, verschwindet jegliches Schamgefühl recht schnell."
'Bist du sicher, dass der Typ zu den Brachibs gehört? Seine Clanzeichen waren verdeckt.'
'Ich habe während meiner Ausbildung eine Zeitlang mit Kriegsflüchtlingen aus Dschju gearbeitet. Die Brachibs waren für grausame Folterungen und massenhafte Entehrungen berüchtigt. Die haben regelrechte Hetzjagden auf clanfremde Frauen und Kinder veranstaltet. Verurteilte bekamen im Kerker ein kleines Tattoo an der rechten Hand - eine Brandmarkung für die Ehrlosen. Einige Frauen haben davon erzählt.'
Bez schloss die Augen. "Danach wusste ich mit absoluter Sicherheit, dass ich für die Arbeit mit Traumapatienten völlig ungeeignet bin. Erstkontakte zu betreuen und Sozialverhalten zu erforschen, gefällt mir deutlich besser."
Amüsiert bemerkte Galia: "Meinst du nicht eher Sexualverhalten?" Bez lächelte. "Ja, auch interessant. Durch die zahlreichen Spezies und Mischungen heutzutage ist dieses Thema enorm vielfältig. Vor allem in der Praxis." Schweigend schüttelte Galia den Kopf.
'Ah, das sind sie wieder. Ich spüre Naro, Sirius - der Regier und den Arzt - die Xamaer. Alle nur schwach. Sind weiter entfernt.'
'Kommen sie, um uns zu holen?'
Entspannt kuschelte sich Galia in die Kissen, schloss die Augen.
'Am hellen Tag und ohne Red? Nein. Wir haben nicht viele ausgebildete Kämpfer - Swon, Red. Ich denke, Greg und Naro sind nicht ganz unfähig. Fries Bishop war an der Akademie, beherrscht also Grundlagen. Sirius, schätze ich, ist auf einem ähnlichen Level. Die Xamaer, naja, sind eben Pazifisten.'
'Klingt bei dir wie ein Vorwurf. Ich kann auch nicht kämpfen. Genauso bist du keine ausgebildete Kämpferin, oder?'
Das Misstrauen zeigte sich deutlich. Ohne die Augen zu öffnen, lächelte Galia friedlich.
'Ich bin eine gelbe Tempelpriesterin. Die sind nicht wehrlos.'
'Das ist wahr, aber - welches Ziel verfolgen unsere ehemaligen Gefährten mit ihrem Besuch, wenn sie uns nicht befreien wollen?'
'Kundschaften? Schade nur, dass Red nicht dabei ist. Gestern Nacht war sie zu weit weg, zu abgelenkt. Sehr schade, aber ich bin mir sicher, dass sie mitkommt, wenn die Befreiung anläuft. Heute Nacht vielleicht.'
Bez nickte und warf Galia eine winzige Konsole zu. "Lass uns was spielen, ehrwürdige Priesterin. Mir ist langweilig." Mit einem Lächeln fragte Galia: "Hättest du lieber den Leganer dabei gehabt?" Bez erwiderte den Blick amüsiert. "Nicht grundsätzlich, aber jetzt gerade - vielleicht. Sirius wäre gut oder einer der Menschlichen. Ich stehe auf Menschen. Nun ja, traditionelle Xamaer sind mir etwas suspekt, und am allerbesten wäre sowieso unser Quosoe. Der ist zum Anbeißen."
Galia nickte, während sie die Konsole aktivierte und dreidimensionale Bilder alles einhüllten. "Ich darf zwar nur mit Ordensmitgliedern, aber Naro finde ich durchaus - attraktiv?" Die Frauen tauschten amüsierte Blicke aus. "Sag's direkt! Der Typ ist heiß. Edel und heiß." Nickend erwiderte Galia: "So heiß wie Dschjus Vulkane. Er zischt und brodelt förmlich."

Nach der Rückkehr in das große Gewölbe hatte der Arzt Reds Wunden erneut behandelt. Danach war Red, obwohl sie hungrig, nass und durchgefroren war, schnell eingeschlafen. Nun öffnete sie langsam die Augen. Bis auf das Plätschern des Wassers herrschte Stille. Einige Sekunden brauchte sie, um sich an alle Ereignisse zu erinnern.
'Wo kommt die Isofolie her? Gestern hatte ich die noch nicht.'
Red befühlte die silbrig glänzende Decke, die angenehm wärmte. Beim Aufrichten fluchte sie, packte sich an den Arm. "Verdammt! - Stimmt, da war was." Vorsichtig kam sie mit der Waffe in der Hand auf die Füße. Niemand sonst befand sich in der Höhle. "Hallo, jemand da?" Es gab keine Antwort.
Mit schussbereiter Cet-10 lief Red in den Tunnel, aus dem Mexur und Sirius am Vortag gekommen waren. Erneut rief sie, aber niemand antwortete. Dann betrat Red den zweiten Gang und lauschte. Zuerst glaubte sie, weit entfernte Schritte zu hören. Nach einigen stillen Zeiteinheiten nahm Red jedoch an, dass sie sich getäuscht hatte.
'Haben die mich verlassen? Nein! Oder? Vielleicht sind sie zum Ausgang und ich soll mich erholen. Aber das ich von ihrem Aufbruch gar nichts mitgekriegt habe. Die sind nie und nimmer so leise gewesen! Scheiße, und nun? Erstmal abwarten? Ja, eine - nein, besser zwei Stunden. Dann schau ich weiter.'
Nachdem Red sich ein stilles Örtchen gesucht hatte, Gesicht und Hände gewaschen waren, saß sie unschlüssig am Ufer. Nach kurzer Überlegung zog sie die schweren Stiefel aus und ließ die Füße ins Wasser gleiten.
'Ahh, verdammt, ist das kalt - schmerzhaft kalt. Hm, aber auch frisch. Sauber.'
Abwechselnd tauchte Red die Beine ins Wasser und hoffte, sich auf diese Weise an die Temperatur zu gewöhnen.
'Wenn ich alleine bin, kann ich eigentlich schnell baden gehen. Meine Haare waschen. Alles juckt schon, so schmutzig fühl ich mich. Das muss ja nicht sein.'
Gedankenverloren befühlte sie eines ihrer schwarzen Armbänder und holte winzige, weiße Scheibchen hervor.
'Prima! Seife habe ich dabei und es dauert bestimmt eine Weile, bis die zurück sind - falls sie zurückkommen. Bis dahin bin ich fertig - Ok, mach schnell, Mädel!'
Red zog die dunkelblaue Hose und das schwarze Shirt aus. Nach einem erneuten Blick durch die Höhle legte sie die schmale, schwarze Unterhose ab. Als die Gewebechips der Kleidungsstücke auf Reinigung eingestellt waren, lief Red eilig auf das Wasser zu.
'Das Reinigen wäre mit ein bisschen Feuchtigkeit oder im Schrank zwar effektiver, aber bei der Kälte dauert mir das zu lange. Besser als die Standardreinigung am Körper ist es alle mal.'
Nachdenklich befühlte sie den Verband am Arm und erinnerte sich an die Worte des Doktors.
'Hmm, kein Wasser. Das wird schwieriger, aber geht schon. Irgendwie.'
Schritt für Schritt ging Red ins Wasser. Auf Kniehöhe blieb sie stehen und schrie auf: "Oh Scheiße, so kalt, kalt! Ich kann das nicht!" Sie wollte zurück, aber stoppte sich.
'Quosos war viel kälter und Umar erst recht. Kein Problem für mich. Schnell waschen! Los jetzt! Stell dich nicht so an, Mädel!'
In die Hand mit den zwei Seifenchips floss ein wenig Wasser und augenblicklich quoll sämiger Schaum zwischen ihren Finger hervor. Bedacht darauf den Verband trocken zu halten, verteilte sie die sanft duftende Creme. Dann beugte sich Red weit vor, tauchte den Kopf ins Wasser. Das nasse Haar schäumte sie mit der restlichen Seife ein. Plötzlich drangen platschende Geräusche ins Gewölbe. Sie lauschte erschrocken.
'Schritte! Scheiße, da kommt jemand. Die können nicht zurück sein. Zu früh. Mist! Waffe. Schnell.'
Mit schaumigem Haar rannte Red zum Ufer. Wieder hörte sie das Platschen und ärgerliches Fluchen aus dem Tunnel, der zum Abzweig führte. Die Entfernung war allerdings zu groß, um die Stimme erkennen zu können. Schnell zog sie die Unterhose an, Stiefel über und kletterte mit der schussbereiten Cet-10 in den zweiten Gang. Dort wartete sie ab. Die Schritte stoppten kurz vor dem Gewölbe. Einige Momente später rief jemand: "Hey, ich bin's! Musst mir diesmal nicht das Genick brechen - oder so!" Red war zusammengezuckt, als sie die Stimme erkannt hatte.
'Scheiße, wieso denn ausgerechnet der! Wollte Swon mich ärgern oder ist das Naros Versöhnungsidee? - Verdammter Mist!'
Greg trat aus dem Gang und entdeckte schnell den Haufen Klamotten. Derweil zielte Red auf seinen Rücken. Warum wusste sie nicht genau, aber es fühlte sich gut an.
"Aha.", sagte Greg, während er sich langsam umdrehte, "Was genau hattest du gerade vor?" Sein Blick fiel auf Red. Zuerst wirkte er erstaunt, gleich darauf amüsiert. "Willst du mich erschießen, weil ich dich nackt sehe?" Red nahm den Strahler runter und lief stolz auf ihn zu. "Ich bin nicht nackt." Die braunen Augen wanderten unverhohlen über ihren Körper, blieben an den Brüsten hängen. "Äh ja, dir ist kalt."
"Glotz nicht so.", entgegnete Red unbeeindruckt, wandte sich ab und zog eilig die Stiefel aus, "Wenn du schon da bist, kannst du mir helfen. Mit dem Verband ist alles komplizierter." Greg verfolgte, wie sie ins Wasser rannte.
"Du hast Seife dabei?", fragte er ungläubig. Zitternd deutete Red auf die Armbänder. "Elitäre Standardausrüstung." Nachdenklich nickte Greg. "Ich helfe dir, wenn ich Seife bekomme.", schlug er vor. "Seife geb ich dir auch so. Wäre aber nett, wenn du mir vorher hilfst. Das Wasser ist wirklich arschkalt. Bitte." Greg nickte und zog den Overall aus. Überrascht quietschte Red auf. "Was tust du?" Kopfschüttelnd kam er ins Wasser und jammerte bei jedem Schritt: "Ooh. Aah. Scheiße. Das ist echt eiskalt. Uhhh.", mit verschränkten Armen blieb er neben ihr stehen, "Schau nicht so dämlich. Ich bade meistens ohne Klamotten." Verwundert fragte Red: "Bist du immer - nackt - unter deinem - Anzug?" Greg blieb gelassen. "Ich hatte verschlafen, musste mich beeilen. Hätte ich gewusst, dass wir wandern gehen, wäre ich besser ausgestattet gewesen." Red grinste. "Verstehe." Zitternd rieb sich Greg die Arme. "Ok. Was soll ich tun?" Sie beugte sich vor. "Meine Haare. Den Schaum ausspülen. Bitte. Gründlich, bitte."
"Hm, gut. Klingt nicht zu kompliziert." Großzügig schöpfte Greg Wasser über ihren Kopf. "Hey, nicht ertränken!", schimpfte Red hustend. "Ok, vorsichtiger. Das ist nicht so einfach."
Mit feuchten Händen und weniger Wasser begann er, den Seifenschaum aus dem langen, dunkelblonden Haar zu streichen. Nach einiger Zeit sagte er bedächtig: "Fertig, glaub ich." Die Zähne klapperten, als Red prüfend nach ihrem Haar tastete. "Ja, gut, jetzt - also - dreh sie zusammen, damit das Wasser rausgeht, bitte, auswringen quasi." Greg nickte langsam. "Hm, verstehe. So?"
Red sah nicht, was passierte, aber plötzlich spürte sie einen kräftigen Ruck. Um nicht vornüber zu fallen, hielt sie sich an seinem Bein. "Ahh, nicht so fest, Greg! Gut, reicht. Fertig.", rief sie eilig. "T'schuldigung", murmelte er. Red richtete sich auf, lächelte mit blauen Lippen. "Danke. Jetzt - Hand auf!" Mit zittrigen Fingern öffnete sie einen kleinen Verschluss. Drei flache Scheibchen fielen in seine Handfläche und schäumten direkt auf. "Bitte und viel Spaß."
Damit sprintete Red aus dem Wasser. Nach kurzer Zeit saß sie vollständig bekleidet und in die Isofolie gehüllt am Ufer. Verstohlen beobachtete sie den Schiffstechniker.
'Schöner Körper. Mehr Muskeln als ich erwartet hab und Tattoos. - Was ist das? Ein Schiff. Ein alter Koalitionsfrachter. Und das andere? Sieht aus wie das eine von Papa. Hatte irgendwas mit Handelstechnikern zu tun, glaub ich. - Aber was ist das auf dem Arm? Zahlen? Was technisches? - Dreh dich ein bisschen zu mir! Ja, komm näher! - Hä, was ist das? Koordinaten?'
"Kann ich dir helfen?" Seine Worte rissen Red aus den Gedanken. Bibbernd kam Greg aus dem Wasser. Zuerst schaute Red verschämt auf ihre Stiefel, bis die Neugier siegte und sie erneut den Arm betrachtete.
"Ah, doch Koordinaten. Das ist auf der Erde. Kaukasus-Region. Kommst du da nicht her?" Stumm nickte Greg, während er seinen Overall befühlte.
"Ist nass?", fragte Red. Die Antwort fiel mürrisch aus. "Hmm, vom Rückweg. Da braucht die Reinigung lange." Unentschlossen sah er sich um. Red musterte ihn von unten und meinte grinsend: "Ich hoffe dir ist kalt, sonst wär das recht enttäuschend." Greg erwiderte ihren Blick vorwurfsvoll. "Aber wenn du nackt bist, beschwerst du dich über dumme Sprüche!"
Mit schuldbewusster Miene erhob sie sich und legte fürsorglich die Isofolie um seine Schultern. "Dir ist kalt."
"Geht schon.", murmelte Greg und zog die Folie fest um sich. Prüfend berührte sie seine Hände, strich über seinen Arm.
'Er ist deutlich kälter als ich und das heißt was. Ich werd's bestimmt bereuen, aber bevor er sich den Tod holt.'
"Setz dich!", bestimmte Red.
"Wieso?"
Misstrauisch erwiderte Greg ihren Blick. Sie lächelte aufmunternd und drückte ihn nach unten. "Sei nicht stur."
Er setzte sich. Red kniete sich hin und schob seine Arme auseinander. "Versteh das nicht falsch. Du bist sehr kühl und ohne Klamotten - seit Umar weiß ich, dass Körper am besten wärmen, naja, egal..."
Reglos ließ Greg zu, dass Red sich behutsam auf seinem Schoß setzte und den gesunden Arme um ihn legte. "Gut so?", erkundigte sie sich, ohne aufzuschauen. Ein Nicken folgte und dabei schloss sich die Folie um beide. Red lehnte den Kopf gegen seine Schulter. "Erzähl was passiert ist? Wo sind die Anderen? Kundschaften?"
Auf einmal lächelte Greg. "Als Erstes soll ich dir was von Fries ausrichten. Versprich mir, dass du dich nicht aufregst." Red blickte auf. "Er hat mir gestern Abend was gespritzt. Richtig? Beruhigungs- oder Schlafmittel." Greg nickte überrascht. "Fries fehlen REGs und es heilt besser, wenn du ausruhst." Ihr Kopf sank zurück an seine Schulter. "Dachte ich mir, sonst hätte ich euch gehört. So tief schlafe ich normalerweise nicht."
'So ein Mistkerl - ohne ein Wort zu sagen. Hätte ich diesem freundlichen Doktor Bishop gar nicht zugetraut.'
"Was hat Swon vor?" Red wirkte entspannt und mit unverkennbarer Erleichterung antwortete Greg: "Zum Ausgang. Dort...", er stockte, "...hm, den Weg zu den Piraten erkunden." Sie wunderte sich. "Am hellen Tag mit fünf Personen, die nicht militärisch ausgebildet sind?" Er zuckte mit den Schultern. "Keine Ahnung. Ich warte auch." Diese Worte hinterließen eine neue Frage. "Wieso haben sie dich zum Aufpasser ernannt?" Red vermied es aufzusehen. "Keine Ahnung, aber ich denke, Swon will die Anderen beobachten. Mich hatte sie oft genug dabei.", vermutete Greg und fragte nach einer Pause, "Stört dich das?"
'Interessante Frage. Du bist nackt und ich sitze auf deinem Schoß - und du riechst ausgesprochen lecker, fühlst dich gut an...'
Red lächelte. "Nein, nein. Wieso sollte es?"
Eine Weile herrschte Schweigen, bis Greg fortfuhr: "Die Xamaer dachten, Naro würde vielleicht nicht durch den kleinen Gang passen. In dem Fall wäre er jetzt hier und ich dort." Schweigend dachte Red darüber nach.
'Ohh, auf dem nackten Naro sitzen. Wie das wohl wäre? Andererseits - einem Quosoen wäre nicht so schnell kalt. Der würde mich wärmen - und ich könnte nackt sein. - Oh!'
Bei der Vorstellung kicherte sie leise. Greg beugte sich vor und schaute neugierig in ihr Gesicht. "Was?" Schuldbewusst erwiderte Red seinen Blick. "Nichts. Ähm, naja, du bist gar nicht soviel schmaler als Naro." Greg kniff sie leicht. "Hä?"
Sie meinte verteidigend: "Das war ein Kompliment. Willst du lieber so dünn wie Mexur sein? Ich kann lügen, wenn dir das hilft." Er lachte. "So kannst du verschiedene Rassen nicht vergleichen." Wieder lehnte sich ihr Kopf an. "Ich vergleiche keine Spezies, sondern Männer.", bevor er reagieren konnte, lenkte Red ein, "Ok, anderes Thema. Was habt ihr gestern gefunden? In der ersten Höhle - in euren Gängen." Greg drückte sie fester, lehnte seinen Kopf gegen ihren. "Anderes Thema, hm? Gut, gestern also...", begann er zu berichten.
Fries Bishop und Greg Toms führte der Weg über beeindruckende Wasserfälle in eine riesige Tropfsteinhöhle. Der letzte Wasserfall war allerdings zu hoch, um ihn ohne Ausrüstung überwinden zu können. Deshalb kehrten die Beiden recht schnell zum Gewölbe mit dem See zurück. Naro und Swon waren einem sehr schmalen Gang gefolgt, der bald in den Wald führte. Ranken verdeckten den Ausgang, vor dem sich das Wasser in einer Senke sammelte.
"Auf dem Rückweg sind die Zwei von den kleinen, braunen Biestern überrannt worden. Waren ziemlich zerzaust hinterher.", schloss Greg den Bericht ab. "Schöne Geschichte. Erzähl weiter. Was war danach?", murmelte Red verschlafen. "Wie danach?", wunderte sich Greg und vernahm ein abwesendes Flüstern. "Danach eben."
Gedankenverloren streichelte Red seinen Rücken. Gregs Worten folgte sie nicht mehr, aber der Klang seiner Stimme wirkte beruhigend und schließlich klappten ihre Augen zu.
'Höhle mit Wasserfällen und Tropfsteinen klingt wunderschön. Vielleicht kann ich sie mir ansehen - später - Ohh, er duftet und fühlt sich gut an - sooo mmmh...'
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Ein stechender Schmerz riss Red aus den Träumen. "Verflucht!" Reflexartig setzte sie sich auf und hielt die verletzte Schulter.
'Hab mich drauf gelegt. Mist, müsste das nicht langsam verheilt sein! Und wieso hab ich überhaupt gelegen? Bin ich eingeschlafen? War da nicht der Techniker?'
"Alles ok?" Der Schmerz ebbte ab und Red schaute auf. Greg saß neben der Folie.
'Oh, da ist er - angezogen. Schade.'
Lächelnd fragte Greg. "Noch nicht ganz wach?" Verwirrt starrte Red zurück. Dann rieb sie sich gähnend die Augen. Unter der silbrigen Decke war es so behaglich, dass sie für einen Moment überlegte sich wieder hinzulegen.
'Wieso bin ich so müde? Soviel schlafe ich sonst nie und ein bisschen peinlich ist das auch - auf einem nackten Mann einzuschlafen. Sehr elitär, Mädel!'
Red beschloss das kaltes Wasser auf ehrbare Weise helfen würde, die Müdigkeit zu vertreiben. Unbeholfen kam sie auf die Füße und stolperte zum See. Als das eisige Nass von ihrer Haut perlte, wurden die Gedanken allmählich klarer. Sie trank einige Schlucke und füllte die kleine Flasche.
'Ok, ok, alles nicht so wild. Immerhin bin ich verletzt, habe Schlafmittel bekommen. Daran liegt es wohl. Das weiß Greg auch. Kein Problem.'
Als Red sich auf die Isofolie setzte, lächelte sie zaghaft. Mit der Schulter stieß Greg sie sanft an. "Hey, du bist nur eingeschlafen. Ich kann schweigen wie ein Grab." Red musste grinsen. "Ist deine Körpertemperatur wieder normal?" Sacht strich seine Hand über ihre Wange. "Da. Ganz warm."
Die unerwartete Berührung erinnerte Red an seine nackte Haut unter ihren Fingern. Irritiert senkte sie den Blick und meinte kurz: "Gut. Freut mich."
Um den Abstand unauffällig zu vergrößern, rutschte Red einen halben Meter nach hinten und lehnte sich gegen einen niedrigen Felsblock. Ohne Greg anzusehen, überlegte sie: "Ein schönes Frühstück wäre nicht schlecht." Er nickte. "Ein hässliches Mittag- oder Abendessen nehm ich auch."
"Selbst dicke Mago-Maden würde ich inzwischen essen.", stimmte Red seufzend zu.
Danach herrschte Schweigen, weshalb Red einen vorsichtigen Blick in seine Richtung warf. Dass die braunen Augen sie unverhohlen musterten, ließ ihre Nervosität sprunghaft ansteigen. Trotzdem konnte Red sich nicht abwenden. Auch als Greg sich über sie beugte, löste sich die Erstarrung nicht. "Was machen wir jetzt?"
Seine Nähe war so bezaubernd wie erschreckend. Ohne Überraschung spürte Red, dass seine Hände anfingen, ihren Körper zu erkundeten. Zielstrebig, aber sanft schob Greg das Shirt hoch und sein Mund wanderte vom Bauch aufwärts. Red fühlte sich überrumpelt, aber konnte sich keinen Millimeter bewegen.
'Oh Scheiße, was passiert hier. Was macht er da mit seiner Zunge...uhh, ahh, ja weiter, bitte...'
Als Lippen und Zunge ihre Brustwarzen liebkosten, seufzte Red leise. Ihre Finger fuhren durch Gregs Haar, während er bereits geschickt ihre Hose öffnete. Kurz darauf streichelte seine Hand mit leichtem Druck über den Stoff der Unterhose.
'Ooohh, auch gut, besser sogar - aber auch nicht gut! - Das geht zu schnell. Viel zu schnell. Ist falsch. Nein, Nein, Nein! Ohh, Scheiße! Was macht der da! - Mmmmh.'
Sein Mund wanderte langsam abwärts. Das Gefühl war verrückt und prickelnd, aber die Zweifel blieben trotzdem. Um einen klaren Kopf zu bekommen, biss Red sich kräftig in die Lippe. Der Schmerz half. Energisch drückte sie Greg weg. "Nein, hör auf. Ist kein guter Zeitpunkt." Sanft nahm er ihre Hände und lehnte sich vor. "Genieß es, Süße", flüsterte Greg, "Ein bisschen Spaß,", er küsste ihren Hals, "Ablenkung." Die Berührungen waren jetzt sehr zart, beinahe zögerlich. Gleichzeitig regte der Duft seiner Haut sie an.
Für einige Momente schloss Red die Augen und wollte das Gefühl auskosten, aber schließlich drehte sie überzeugt den Kopf weg. "Nein! Scheiße, Toms! Lass das! Wir ficken nicht. Nicht hier. Nicht jetzt.", fluchte sie ärgerlich. Greg richtete sich auf. Sein Zeigefinger malte ein Fragezeichen auf ihren nackten Bauch. "Wieso? Seit wann sind Elitäre verklemmt?" Red griff die Hand, während sie sich aufsetzte. "Was soll das denn heißen? Gibt's einen Sexualkodex für Elitäre, vom dem ich wissen sollte?"
Wütend schloss sie die Hose und zog ihr Shirt runter. Bissig antwortete Greg: "Ach, kennst du doch – Elitäre haben schöne Körper ohne eigenen Willen. Strenge Befehlshierarchie, da verlernt man das Denken - aber gut zu ficken, seid ihr."
Fassungslos starrte Red ihn an. "Ich kenne keine Elitäre, die sich mit notgeilen Typen aus der Frachtabteilung abgeben würde. Du genügst nicht mal annähernd unseren Ansprüchen."
Kopfschüttelnd stand Greg auf und sagte herablassend: "So arrogant wie naiv. Total koalitionsverdreht."
Red erhob sich ebenfalls und fixierte ihn. "Warum arrogant und naiv? Weil ich nicht so dämlich bin wie die Weiber, die du üblicherweise vögelst?"
Greg kam einen Schritt näher. "Oh, viele Elitäre waren dämlich genug. Nur wenn ihr den Mund voll habt oder hart versorgt werdet, erspart man sich das verblendete Gequatsche!" Red schnappte nach Luft. "Scheiße, echt - wo bin ich hier gelandet?, stöhnte sie genervt, "Im koalitionshassenden Idiotenclub? Mit dir als neuem Chef? Bisher dachte ich, Swon wäre euer Anführer.", unverständig hängte sie an, "Ich weiß nicht, was ihr alle für Probleme habt. Die Koalition mag nicht perfekt sein, aber sie sorgt für Ruhe und Ordnung."
Greg klang hämisch. "Ruhe und Ordnung?! Das ich nicht lache! Freiheit einschränken und Kontrolle ausüben - das ist die Koalition und Elitäre sind die schlimmsten. Machthungrig und manipulierend! Dein Comander ist das beste Beispiel."
Red hielt ärgerlich dagegen. "Lead ist nicht mein Comander! Und wer weiß schon, warum wir hier sind!" Greg baute sich vor ihr auf. "Ach, sei nicht naiv, Red. Wer soll sonst dahinter stecken? Das Ganze stinkt geradezu nach Koalition."
Red schwieg, denn ihr fehlte eine Antwort. Abwägend betrachtete sie Greg und meinte überlegter: "Comander Lead ist ein Ausbilder, ein Lehrer. Er war nie etwas anderes. So jemand führt keine Koalitionsmissionen. Niemals.", nachdenklich ergänzte sie, "Außerdem brauchen wir keine Leute wie euch. Wir haben genug eigenes Personal. Warum diese Piraten? Als Ersatz für ein elitäres Spezialkommando? Das passt nicht. Ergibt keinen Sinn."
An Gregs Überzeugung änderten die Worte nichts. Seine Wut schien sogar angestachelt worden zu sein. "Klar, dass so was von dir kommt! Bist du so verblendet oder wirklich nur naiv und dumm? Willst du die Wahrheit nicht sehen? Für deinen scheinheiligen Haufen sind Fehlinformation, Verschleierung typisch! Offen und loyal seid ihr nie gewesen!"
'Geht es noch um unsere Situation? Darum, dass er mich flachlegen wollte? Oder will er echt eine Grundsatzdiskussion führen?'
"Was ist bei dir schief gelaufen?", fragte Red plötzlich aus einer Eingebung heraus, "Dein Ärger - das ist was persönliches, richtig?"
Zuerst schien Greg verwirrt, aber gleich darauf wurde sein Ton provozierend. "Hä? Bist du zu den Psiwesen gewechselt oder verrät dir das deine grenzenlose, elitäre Weisheit? Gibt's diese beschiss'ne Überheblichkeit zum Abschluss gratis?"
"Diese verdammte Ausbildung zu überstehen, ist nicht gerade einfach.", fuhr Red ihn trotzig an, „Deshalb haben wir jeden Grund stolz zu sein. Nenn du es arrogant oder überheblich, mir egal. Es ist gut und richtig so!"
"Echt Scheiße! Du hast keine Ahnung von der Welt! Deine Koalition zwingt allen ihre Regeln auf, nimmt keine Rücksicht auf eigene Ideen!", hielt Greg ihr vor. Reds Ärger wuchs erneut und schnell spulte sie herunter: "So schlecht ist das System nicht. Es verhindert Kriege, hilft bei Krisen und schafft friedliche Verhältnisse. Eine lebenswerte Gesamtsituation."
Seine Hände gingen abwehrend in die Höhe. "Lebenswerte Gesamtsituation?! Wer sagt so was?!", er wandte sich ab und sagte dabei, „Das ist mir viel zu viel eingeimpftes Gelaber! Warum rede ich überhaupt mit dir? Du bist Teil des Übels! Ein verblendeter, naiver, dummer Teil!"
Damit setzte sich Greg in Bewegung, verschwand in dem Gang, der zum Abzweig führte. Red blieb zurück und wusste gar nicht, was sie davon halten sollte. "Ich bin nicht naiv und ich bin nicht dumm.", murmelte sie zu sich selbst, "Wen interessiert schon, was du denkst, Idiot!" Red war verwirrt, wütend und verletzt. Dabei hatte sie gar nicht streiten wollen. Alles war so schnell gegangen.
Greg blieb verschwunden und bald lag Red wieder unter der Folie. Einschlafen konnte sie nicht. Ihre Gedanken rasten. Sie fühlte sich unendlich allein, vermisste Freunde und Familie schmerzlich. Warme Tränen rollten über ihre Wangen.
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Fries begutachtete Reds Wunden. "Du hättest mir sagen können, dass ich mich ausruhen soll! Im Normalfall folge ich Anweisungen von Medizinern.", hielt sie ihm ärgerlich vor.
"Ganz nach Koalitionsregeln.", witzelte der Arzt. Das verbesserte ihre Stimmung nicht. "Ja, genau, ganz nach Koalitionsregeln! Was erwartest du? Ich bin frisch von der Akademie.", sie besann sich, "Es ist mein Körper. Ich will wissen, was du dem verabreichst. Also, bitte, informiere mich beim nächsten Mal einfach." Fries lächelte. "Verstanden, Leutnant Leight." Red schloss das Oberteil. "Und?"
"Die Pause hat geholfen. Sieht deutlich besser aus. In zwei Tagen ist es völlig abgeheilt.", nach einem stillen Moment fragte er vorsichtig, "Was war hier los?"
Unwillig zuckte Red mit den Schultern. "Weiß nicht. Eigentlich nichts." Fries musterte sie. "Für Nichts ignoriert ihr euch aber ziemlich laut. Hat er sich wieder daneben benommen?" Red senkte den Kopf. "Wir haben einfach - unterschiedliche Ansichten, schätz ich.", dann hängte sie ärgerlich an, "Und Greg ist ein sturer, engstirniger Idiot. - Ach, frag ihn selbst!" Bevor Fries weiterforschen konnte, entfernte Red sich eilig.
Derweil diskutierte Swon mit Naro, Greg, Sirius und Mexur. Red steuerte auf Mexila zu, die am Ufer kniete und sich erfrischte. "Habt ihr das Lager der Piraten erreicht?", begann sie ein Gespräch.
"Wir sind gemeinsam zum Ausgang. Swon und Naro versuchten, zum Lager vorzudringen, aber ich weiß nicht, wie weit sie gekommen sind. Eine Patrouille hat sie fast erwischt.", erklärte Mexila. Red überlegte: "Swon lässt sich nicht so leicht erschrecken und sie muss bald handeln. Heute oder morgen Nacht, denke ich."
Bitter antwortete Mexila: "Wie soll das funktionieren? Auf dem Weg zum Ausgang gab es viel Zoff. Mexur meinte, mich gegen diesen unmöglichen Arzt verteidigen zu müssen. Swons und Naros Dauerfehde. Am Ende war sogar Sirius genervt.", Mexila setzte sich und fuhr frustriert fort, "Bei Greg und dir ist es offenbar genauso schlecht gelaufen.", schweigend nahm Red Platz, während Mexila weitersprach, "Wie sollen wir eine erfolgreiche Befreiung durchführen? Wie soll Swon uns dazu bringen zusammenzuarbeiten? Diese ewigen Streitereien können Leben kosten."
Diese Sichtweise war für Red neu, doch es lag Wahrheit darin.
'Stimmt ein bisschen. Die Uneinigkeit vereinfacht Swons Planung nicht unbedingt. Vor allem, weil sie uns kaum kennt, nicht gut einschätzen kann.'
"Aber ihr seid Profis - und, naja, ich bin irgendwie auch einer.", versuchte Red die leichten Schuldgefühle beiseite zu schieben. Mexila blickte zu den sechs Personen, die sich scheinbar nicht einigen konnten.
"Profis? - Ja, mag sein,..", Verdrossenheit klang aus ihren Worten, "...aber in erster Linie sind wir Leute, die es gewohnt sind, allein oder in leitenden Positionen zu arbeiten. Wir hatten alle unsere Erfolge, doch selten - Nein, nie als Teil einer Gruppe. Du gehst zwar keiner Konfrontation aus dem Weg, trotzdem bist du die Einzige, die keine Probleme mit dem überzogenen Glauben an die eigene Genialität hat."
Red hörte die Worte, verstand den Sinn aber nicht so recht. Sie zuckte mit den Schultern. "Naja, der verträglichste Typ bin ich auch nicht unbedingt." Mexila lächelte. "Ein bisschen stur bist du. Das ist wahr. Doch du bist Teamarbeit gewohnt, bist es gewohnt, dich auf Wesen zu verlassen, gemeinsame Ziele zu verfolgen. Mag sein, dass du eine Spur zu idealistisch bist, aber falsch finde ich das nicht."
Verwirrt schwieg Red. Mexila störte das nicht. "Schau mal, wir sind begabte Experten, talentierte Individualisten. Wir arbeiten alleine oder befehlen. Jeder ist im Verhältnis zu Verantwortung und Erfolg relativ jung. Selbst Naro ist nach Standardjahren gerade eben 35. Trotzdem begleitete er bereits vier Friedensverhandlungen. Wir führen Armeen, Raumschiffe, leiten Forschungs- und Rettungsteams. Uns Teamgeist eintrichtern zu wollen, ist hoffnungslos."
'Das klingt aber schlecht. Wieso malt sie alles so schwarz?'
"Auf den ersten Blick sieht es vielleicht schwierig aus, aber...ganz so schlimm ist es bestimmt nicht. Ich meine, ihr seid ... nun ja, für mich... nicht einfach zu verstehen, doch Teambildung braucht Zeit. Immer." Mexila blickte Red nachdenklich an. "Aber Zeit haben wir nicht. Galia und Bez brauchen jetzt unsere Hilfe."
Nach einem zustimmenden Nicken herrschte Schweigen. Auf einmal lächelte Mexila und meinte sichtlich erleichtert: "Komm, Leutnant, lass uns schauen, was unsere Mitstreiter gerade entscheiden wollen."
'Ein bisschen recht hat Mexila. Die Stimmung ist vergiftet. Leads Plan, falls er überhaupt einen hatte, scheint ziemlich erfolglos zu sein. Wenigstens Bez und Galia müssen wir rausholen und von Trinita verschwinden. Getrennte Wege gehen. - Ich werde mich zurückhalten. Keine vorschnellen Kommentare, Niemanden anschreien, nicht streiten. - Ja, genau! Ganz zivilisiert zu hören. Das sind vernunftbegabte Wesen, die ohne meine Ungeduld sinnvolle Entscheidungen treffen können. Ja, ab jetzt bleibe ich ruhig und entspannt. Ich kann das. Kein Problem. Überhaupt kein Problem.'

Als die Frauen sich zu der Gruppe gesellten, wurden sie nicht beachtet. Verschiedene Diskussionen liefen gleichzeitig ab, wobei Swon schweigend und mit missmutiger Miene zuhörte. Red versuchte, dem Inhalt der Gespräche auf die Spur zu kommen. Das war ausgesprochen schwierig. Sie war davon ausgegangen, dass die anstehende Befreiung Thema sein würde und irgendwie war dem auch so, aber anders als Red es erwartet hatte. Sie verschränkte die Arme und lauschte Mexur, Sirius und Greg.
'Hä, die Feuerkraft unserer Waffen erhöhen? Hier? Wie? Und vor allem wieso?'
Dann konzentrierte sie sich auf Fries und Naro, bei denen inzwischen auch Mexila mitmischte.
'Nicht genug medizinische Vorräte für Notfälle? Das wissen wir bereits. Eine Inventur!? Macht das Sinn?'
Ihre Aufmerksamkeit wurde von Mexur zurückerobert, der sich gerade erkundigte, wie er im Falle eines Angriffs am besten reagieren sollte. Von Naro, Greg und Sirius bekam er daraufhin detaillierte Anweisungen.
'Tipps zur Selbstverteidigung, Kampftraining? Jetzt?!'
Red blickte zu Swon. Der Regier beobachtete die Gruppe angespannt, aber zeigte sonst keine Reaktion. Wieder wandte Red sich den fruchtlosen Unterhaltungen zu. Dabei begann sie gedankenverloren an der Unterlippe zu knabbern.
'Das kann nicht deren Ernst sein. Wieso sagt Swon denn nichts? Die wollen Piraten gefangen nehmen? Wieso ist die Gefangenen-Charta wichtig?'
Stetig auf ihrer Lippe kauend und mit wachsender Verzweiflung suchte Red Swons Blick, die mit einem vorwurfsvollen Blinzeln reagierte.
"Oh Red, ich habe auch Hunger, aber willst du dich wirklich selbst aufessen?", spottete Mexur auf einmal. Red betrachtete ihn böse, doch kein Wort kam über ihre Lippen.
'Nein, ich werde nichts sagen. Gar nichts, denn die bekommen das hin. Sind vernünftige Leute. Außerdem ist das ohnehin Swons Aufgabe.'
"Willst du dich beteiligen, Leutnant?", erkundigte sich Naro ruhig. Nach einem flehenden Blick zu Swon folgte ein steifes Kopfschütteln. Reds Arme blieben fest verschränkt und die Finger krallten sich in den Stoff des Shirts.
Mit jedem Augenblick entfernten sich die Gespräche weiter von der Befreiungsaktion. Inzwischen gab es Streitigkeiten über die Behandlung von Patienten, Diskussionen über die Leistungssteigerung von Schutzschilden und über Geiselverhandlungen mit Raumpiraten. Reds Ärger erreichte ungeahnte Höhen.
'Oh nein! Ich kann nicht mehr! Nein, nein! Scheiß auf Ruhe! Ich muss jemanden erschießen, wenn ich nichts sage! Das sind Wahnsinnige! Total Verrückte!'
Völlig entnervt platzte Red heraus: "Ahhhh! Was soll die Scheiße? Warum sagt nicht wenigstens einer von euch Idioten mal was Vernünftiges?"
Naro entgegnete belehrend: "Du solltest an deiner Wortwahl arbeiten. Zu dem ist es unhöflich, anderen ins Wort zu fallen."
Red musterte den Quosoen und sagte dann gelassen: "Vielen Dank, aber die Erziehungsversuche meiner Mutter haben in 25 Jahren keine Fortschritte gebracht und sie ist deutlich furchteinflößender als du."
Sirius lachte. "Deine Mutter will ich kennenlernen. Nimmt Geiseln und ist beängstigender als ein zwei Meter großer Quosoe." Ohne zu zögern, erzählte Red: "Als ich klein war, hat sie mich mit einem Kochlöffel durch's Haus gejagt, weil ich jeden Satz mit 'Fick dich' beendet hab. Meine Großmutter war irritiert und ich hab angefangen, von Killer-Köchen zu träumen, aber zu Fremden ist Mama freundlich." Schmunzelnd meinte Fries: "Gewalt in der Kindheit erhöht das Aggressionspotential im Erwachsenenalter."
Ein Grinsen ging durch die Gruppe, doch Red schüttelte sofort den Kopf. "Erzähl keinen Blödsinn! Meine Mutter ist nicht gewalttätig. Sie ist wundervoll, auch wenn wir nicht immer einer Meinung sind, aber egal - zurück zum Thema." Naro nickte lächelnd. "Gut, was sollte uns deine Kritik verdeutlichen?"
Red trat vor und schaute ihm in die Augen. "Das war eine rhetorische Frage, oder? Ich meine, eure schwachsinnigen Unterhaltungen gerade... ihr kommt nie auf den Punkt! Dabei dürftet ihr, genau genommen, nur eine Frage stellen." Naro blickte amüsiert auf sie herab. "Und die wäre?"
"Idiot!", murmelte Red sehr leise, während sie sich zu Swon drehte. Dann fragte sie laut: "Regier, wie sieht dein Plan aus?"
"Das wirst du früh genug erfahren, Leutnant.", antwortete Swon herablassend.
'So nicht mehr, Hübsche! Ich hab wirklich keine Nerven mehr für diesen ganzen Mist!'
Langsam näherte sich Red. Vorwurf lag in ihrer Stimme. "Wenn du so weitermachst, wirst du ewig auf deinen Entschuldigungsblödsinn warten! Wie kannst du dir dieses nutzlose Gelaber anhören? Du bist ein Krieger! Tut dir das nicht weh?"
Überraschenderweise schwieg Swon verbissen. Derweil deutete Red ungehalten auf Greg, Mexur und Sirius. "Feuerkraft erhöhen? Wofür? Wenn wir in einen Schusswechsel kommen, kannst du uns wegschmeißen. Selbst wenn wir alle eCetecs hätten, würden die uns den Arsch aufreißen.", dann wechselte sie Fries, "Du hast nicht genug REGs für Streifschüsse. Was soll eine Inventur bei einer ernsthaften Verletzung helfen? Zu wenig bleibt zu wenig oder vermehren sich deine Spritzen, wenn du sie durchzählst?", bevor Fries reagieren konnte, fuhr Red den Nächsten an, „Ach ja, Mexur, wenn du einen Piraten aus der Nähe siehst, hast du genau zwei Optionen - Verstecken oder Weglaufen! Frag Sirius! Der kennt sich damit aus!"
Ohne Vorwarnung stieß Swon vor und packte Red am Hals. Bedrohlich leise klang ihre Stimme. "Das Ganze war deine beschissene Idee, Leutnant! Du wusstest genau, dass kaum Militär hier ist und wir miserabel ausgerüstet sind! Die Chancen stehen gut, dass einer von uns das Leben verliert! Aber ich stehe zu meinem Wort und du wirst dich entschuldigen!"
Red erwiderte den Blick für einige Zeit. Dann flüsterte sie: "Nicht meine Idee, sondern deine Planung wird bestimmen, wie viele und welche Leben wir riskieren und es würde mich freuen, endlich konkrete Details zu erfahren, oh großer Regier."
Sekundenlang spürte Red warmen Atem auf ihrer Haut. Schließlich nickte Swon leicht. "Was Konkretes willst du, Leutnant? Sollst du bekommen." Die Hand löste sich. Red trat einige Schritte zurück.
"Wir ziehen das heute Nacht durch. Die Patrouille erwähnte, dass einige Schiffe das Lager verlassen werden. Das müssen wir nutzen.", nun klang die Swons Stimme sachlich und das Ganze unterschied sich kaum von Lagebesprechungen unter Elitären, "Leider ist nicht klar, wo die Frauen sich befinden. Es gibt drei Schiffe, die bewacht werden. Im schlechtesten Fall müssen wir alle durchsuchen, im besten finden wir sie direkt. Zuerst müssen jedoch andere Fragen geklärt werden.", die grünen Augen wanderten über die Anwesenden hinweg, "Wer von euch hat bereits im Kampf getötet?" Zu Reds Verblüffung gingen viele Hände in die Höhe.
'Sirius, Naro, Greg und sogar Fries! Oh man, was für ein mörderischer Haufen!'
"Du nicht, Leutnant?", fragte Swon kühl. Red senkte den Blick und hob schnell den Arm. "Doch, natürlich."
Erneut wandte sich der Regier an die Runde. "Wer hat im Kampf, ohne Schusswaffen, getötet?"
Mit erhobener Hand schaute sich Red neugierig um.
'Nur Fries weg. Krass! Was sind das für gewalttätige Leute?'
"Wer tötete ganz ohne Waffe - nur mit den Händen?", forschte Swon weiter. Sirius senkte den Arm. Ungläubig wanderten Reds Augen von Naro zu Greg. Swon fragte Naro: "Wie oft?" Er antwortete ungewöhnlich zurückhaltend. "Ganz ohne Waffen fünf Mal."
'Fünf Wesen?! Ahh! Und der führt Friedensverhandlungen? Wie geht das denn?'
Dann war Greg an der Reihe. Nach einem Schulterzucken sagte er: "Vielleicht zehn, maximal fünfzehn, schätze ich." Swon nickte schweigend.
'Wie bitte?! Fünfzehn Leute mit bloßen Händen! Als Techniker?! Lauter gewalttätige Verrückte hier!'
"Leutnant?" , Red reagierte nicht, denn sie starrte die Männer immer noch fassungslos an, "Leutnant Leight, ich spreche mit dir!" Red löste sich, betrachtete Swon verwundert. "Ja, bitte?"
Swon lehnte sich vor. "Ja, bitte?! Deine Antwort, Leutnant! Sofort!" Reds Lider senkten sich. Sie überlegte.
'Ähm, Antwort? Frage? Ja, töten ohne Waffe, hmm.... - Fünfzehn Leute?! Der Mann sieht so harmlos aus!'
"Verdammt, Red, schweif nicht immer ab!", schrie Swon jetzt. Die Elitäre öffnete die Augen und schimpfte: "Ich schweife nicht ab. Wie viele ohne Waffe? Keine Ahnung. Einige. Wie viele hast du denn?" Swon stöhnte: "Dafür führen Krieger eine Kill-List. Ohne Waffen habe ich genau 47 Wesen getötet.", sie kam einen Schritt näher, "Und wenn ich nicht bald eine Antwort bekomme, werden es in den nächsten Sekunden 48 sein! Verstanden?"
"Ja, Sir!", Red schluckte und begann eilig, "Also im dritten Jahr 2, im vierten Jahr 3, fünftes und sechstes jeweils 5, im letzten Jahr nochmal 9. Nein, 10 - Nein, Moment...", leise zählte Red mit den Fingern, "12, eigentlich 11,5. Macht zusammen...", ein Schulterzucken folgte, "Na, einige halt."
"26,5", gab Mexur das Ergebnis bekannt und erkundigte sich, "Wie kann man jemanden halb töten?"
"Laxira hatte den Kerl angeschossen.", antwortete Red abwesend, "Obwohl er eigentlich schon tot war, hat er sich mit mir angelegt." Mexila reagierte schockiert. "In fünf Jahren 27 Wesen ist eine ganze Menge - und das waren nur die ohne Waffen."
Nachdenklich meinte Red. "Wirst du ohne Waffe losgeschickt, lernst du ohne Waffe zu töten oder stirbst beim Lernen."
"Die bringen das Leben von Anwärtern bestimmt nicht ernsthaft in Gefahr! Du bekommst schlechte Noten, aber du stirbst wohl kaum.", zweifelte Sirius.
Für einige Momente herrschte Schweigen. Schließlich sagte Red: "Egal. Swons Kill-List ist in jedem Fall beeindruckender."
"Sie ist während der Clankriege aufgewachsen. Da war das kaum zu vermeiden.", entgegnete Fries direkt.
In dem Augenblick griff Swon energisch ein. "Was soll das? Die Frau ist ein elitärer Leutnant. Dachtet ihr, dass sie während der Ausbildung mit Puppen gespielt hat?"
"Swon hat recht.", stimmte Naro zu, „Versteckte Vorwürfe sind fehl am Platz, denn elitäre Anwärter sterben regelmäßig - vor allem im dritten und vierten Jahr. Der Verlust ist einkalkuliert. Meine Schwester hat dadurch zwei gute Freunde verloren." Red taxierte Naro. "Diese Details sind geheim. Anwärter sterben nicht."
"Bila ist elitär, aber trotzdem meine Schwester. Erzählst du deinen Geschwistern gar nichts?"
Mit fester Stimme antwortete sie: "Meinen Geschwistern? Nein, gar nichts. Keine Geheimnisse, keine Probleme. Die Sicherheit kann sehr unangenehm werden.", um das Thema zu wechseln, fragte Red, "Wie geht's weiter, Regier?"
Swon nickte ihr zu und wandte sich an den Arzt: "Ist der Leutnant einsatzbereit?"
Fries betrachtete Red abwägend. "In fünf, sechs Stunden kann sie den Arm relativ schmerzfrei bewegen." Die grünen Augen wanderten erneut zur Elitären. "Kannst du schießen?"
Zuerst starrte Red den Regier unverständig an, dann erschien ein Grinsen. Sie nahm ihre Waffe und feuerte auf einen Felsblock.
"Hey, das schaff ich sogar.", rief Mexur lachend. Währenddessen sammelte Red drei kleine Steine auf, die sie weit auf den See hinauswarf. Drei Schüsse fielen und feine Splitter prasselten auf die Wasseroberfläche. Zufrieden steckte Red die Cet-10 weg, was Fries halbernst kommentierte: "Ja, meine Patientin kann schießen und trifft sogar kleine Steinchen."
Swon schien ungerührt. "Wir starten in fünf Stunden. Der Leutnant, Greg und ich gehen rein. Naro, Fries und Sirius sichern den Rückzug. Mexur und Mexila bleiben oben an der Böschung. Geht was schief, müssen wir schnell weg und dürfen keine Zeit verlieren. Verstanden?"
Stummes Nicken bestätigte die Frage. Dann fuhr Swon fort: "Gefangene wird es keine geben. Jeder Angreifer - Nein, jeder Pirat, dem wir näherkommen, wird getötet. Keine Ausnahmen. Mit der Patrouille beginnen wir. Jeder Tote ist im Zweifelsfall ein Gegner weniger.", Swon blickte zu Red und Greg, "Die haben das Lager mit Sicherheitsfeldern abgedeckt, deshalb vergesst ihr Schusswaffen! Denkt nicht mal daran.", sie fixierte Naro, Sirius und Fries, "Gleiches gilt für euch. Geschossen wird nur im äußersten Notfall und weit weg vom Lager. Verstanden?"
Die Männer nickten. Swon beendete die Ausführungen: "Soweit war das alles. Nachher werde ich mit jeder Gruppe einzeln sprechen. Bis dahin ruht, schlaft, erholt euch oder was auch immer."
'Klingt soweit vernünftig und Swon strahlt viel Sicherheit aus, aber das Risiko ist nicht gut kalkulierbar - trotzdem... Bez und Galia, ich glaube, wir kommen und holen euch!'
"Nun, Leutnant, bist du zufrieden?" Red schaute Swon irritiert an. Keiner beachtete die Frauen. Alle hatten sich zurückgezogen.
'Will sie mich ärgern? Womit soll ich zufrieden sein?'
"Wenn die Sache vorbei ist, bin ich zufrieden."
Swon wirkte verändert. Das irritierte Red. "Wie stehen unsere Chancen?", fragte Swon. Verwundert starrte Red zurück.
'Will sie meine Meinung wissen? Ernsthaft? Das war keine Witz, oder?'
Da Red nicht reagierte, sprach Swon weiter: "Du hattest militärische Strategien und Taktiken an der Akademie, hast die Probleme der Gruppe erkannt, bereits reale Einsätze absolviert. - Wie sehen, deiner Meinung nach, unsere Chancen auf Erfolg aus?" Red schluckte.
'Du kennst die Antwort ... aber, na gut, wenn du unbedingt willst.'
"Meiner Meinung nach...", begann sie überlegt, "...könnten die Chancen besser sein. Eine Gruppe - nicht militärisch ausgebildet, wenig kampferfahren, nicht eingespielt..." Swon unterbrach sie: "Zerstritten trifft es wohl eher." Red nickte und fuhr fort: "Gegen einen Feind mit hervorragender Ausrüstung, der das Kämpfen gewohnt ist. Außerdem wissen wir nicht, wo die Geiseln untergebracht sind, kennen die Situation im gegnerischen Lager kaum..."
"Sie haben einen heimatlosen Krieger.", warf Swon ein. Red reagierte überrascht. "Einen Clankrieger? Einen Ehrlosen? Woher weißt du das?"
"Vorhin habe ich ihn gesehen. Adun Brachib ist ein sehr gefährlicher Mann.", berichtete Swon und ergänzte sachlich, "Auf unserer Seite steht, dass die Piraten nicht mit uns rechnen, die Bewachung locker und die Wachen undiszipliniert sind. Außerdem..." Eine kurze Pause folgte. Dabei schweifte ihr Blick durch die Höhle. "..besitzen diese Männer mehr Kampferfahrung, als ich es bei Zivilisten erwartet hatte." Red stimmte zu: "Ja, erstaunlich." Swons Augen fixierten den Leutnant. "Kommst du mit Greg klar?" Sofort antwortete Red: "Natürlich. Ich kann das trennen."
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Regungslos saß Red im weichen Moos und lauschte dem Plätschern des Wassers. Vor ihr lagen die Einzelteile der Cet-10. In der Hand hielt sie ein fingernagelgroßes Multiwerkzeug.
'Irgendwie mein erster echter Einsatz und das ganz ohne Elitäre. Merkwürdiges Gefühl. Mit Xira, Trewer und Goreg wär's deutlich einfacher oder mit Ben, GroGan und deren Einheit, aber, nun ja, mit Greg und Swon geht's sicher auch - irgendwie. Hoffentlich. - Die Dreier-Besprechung verlief zivilisiert. Soweit alles gut...ach, das wird schon.'
Als die Cet-10 wieder zusammengesetzt im Halfter steckte, tauchte Mexila auf. "Tscheruwie.", grüßte sie. "Hey.", antwortete Red freundlich. Mexila ließ sich nieder und begann zaghaft: „Es tut mir leid. Das vorhin sollte kein Vorwurf sein. Ich weiß, dass so was Teil deines Jobs ist. Ich war nur überrascht, wie viele du..."
Mexila unterbrach sich. Ernst schaute Red auf das Halfter in ihren Händen. "War mir bis jetzt nicht bewusst, aber ich töte, wenn ich muss und der Gegner sieht das meist genauso. Als Elitäre hat man nicht die Wahl." Die zarte, grünliche Hand boxte Red neckend. "Ich habe das Dser-Heilmittel - Prekrus entdeckt. Das hat einen halben Planeten ausgelöscht und Xu aus der Koalition befördert. Ich bin die Letzte, vor der du dich rechtfertigen musst." Red sah erstaunt auf. "Das war nicht deine Schuld."
"Doch, ich bin mitverantwortlich und ich hatte meine Krisen deswegen. Ich weiß nie genau, wozu meine Entdeckungen am Ende verwendet werden. Mein Berufsrisiko.", antwortete Mexila gefasst. Dann zuckte sie mit den Schultern, legte Red ihren Strahler in den Schoß. "Ich weiß, Swon sagte nicht schießen, aber im Notfall sollte das Ding funktionieren.", deutliche Hilflosigkeit schwang im nächsten Satz mit, "Von Waffen habe ich nicht die geringste Ahnung und ich weiß nicht, wen ich sonst fragen soll."
Red nahm die Pistole und zielte damit aufs Wasser. Bedächtig sagte sie: "Oh, eine neue DEGusch! Nicht schlecht, Mexila. Ich kenne die kleine DEG-Reihe. Die liegen besser in der Hand als die großen und rumsen trotzdem ganz schön. Ich schau sie mir an.", geübt zerlegte Red den Strahler und begann, die Einzelteile sorgsam zu reinigen, "Das Schätzchen hast du sicher von jemandem, der Ahnung hat."
Anstatt zu antworten, lachte Mexila los. Red schaute irritiert auf, während die Xamaer japsend fragte: "Gehst du mit deinen Liebhabern genauso zärtlich um wie mit diesem Stück Metall?" Red überlegte kurz. "Meine Liebhaber? Von denen hängt selten mein Leben ab. Eine funktionierende Waffe ist viel wichtiger.", grinsend ergänzte sie, "Und zärtlich bin ich grundsätzlich nicht. Komm schon, Mexila, wie soll das funktionieren?", Red verstellte die Stimme, "Oh, elitärer Leutnant, du hast heute besonders zärtlich Liebe gemacht.", ein überzeugtes Kopfschütteln folgte, "Neee, das geht nicht!" Mexila prustete los.

Eine ganze Zeit später lief Red zwischen Naro und Mexila. Kaum ein Wort wurde gesprochen, bis sie den Ausgang erreicht hatten. Ein Blick nach draußen zeigte, dass der Himmel bewölkt war. Weder Mond noch Sterne spendeten Helligkeit.
'Das Wetter ist auf unserer Seite. Das schadet nie. Vielleicht kommen wir doch ohne Verluste raus. Galia, Bez? Wisst ihr, dass wir da sind?'
Tatsächlich hatte Galia die acht Wesen sofort wahrgenommen, als diese ins Freie getreten waren. Genauso wussten die Psifrauen auch, dass der gewählte Zeitpunkt ausgesprochen günstig war, denn ein Großteil der Schiffe hatte, unter Kommando des ehrlosen Clankriegers Adun Brachib, das Lager am frühen Abend verlassen. X-Rag zog sich daraufhin in seine Kabine zurück, während seine Männer die Zeit ohne Anführer ausgiebig genossen.
Red erschauderte, als sie sich an der Stelle niederließ, an der sie angeschossen worden war. Das Gestrüpp war leicht zerdrückt und zeigte Brandspuren. Zwar bereitete die Akademie ihre Anwärter gut vor, jedoch war Red bisher niemals ernstlich verletzt worden. Dass sie in dieser Situation keinen Einfluss nehmen konnte und ihr Überleben allein vom Glück abhängig gewesen war, hinterließ ein ungutes Gefühl.
'Hätte der Kerl richtig getroffen, wäre ich jetzt tot. Darüber Nachdenken ist nicht gut. Angst haben ist nicht gut. Ich könnte mich versetzen lassen, wenn ich bei Koalitionstruppen wäre und nicht in diesem undurchsichtigen, unelitären Schlamassel.'
Im Geist spürte Red wie der Strahler die Haut verbrannte. Ihre Hilflosigkeit wurde für einen Augenblick übermächtig.
'Reiß dich zusammen, Mädel! Hier geht's um mehr als deine verdammten Ängste! Schließlich ist diese Idee auf deinem Mist gewachsen!'
Red legte den Kopf auf die angewinkelten Knie. Sie zwang sich tief und langsam zu atmen. Ruhe breitete sich aus, doch ein wenig von dem schlechten Gefühl blieb. Mexila lehnte sich hinüber und flüsterte: "Hast du Angst?"
Red hob den Kopf und schaute der Xamaer stumm in die Augen. Auf einmal zog ein Grinsen über ihr Gesicht. "Ach Quatsch! Elitäre kennen keine Angst." Mexila musterte sie. "Aha, dann sah es nur so aus, als ob du weinst." Red kicherte leise. "Doch, ich hab geweint, weil diese dämlichen Dornen meinen Hintern ruinieren." Grinsend lehnte Mexila die Stirn gegen Reds Schulter. Ihre Stimme war kaum mehr als ein Hauchen. "Oh, das ist wahr. Ich glaube, ich lasse Fries nachher jeden Pikser aus meinem Po entfernen."
Red lachte auf und erntete einen strafenden Blick von Swon. Mit der Hand vor dem Mund wandte sich Red der kichernden Mexila zu. "Wieso Fries? Ist dein nackter Po so furchtbar, dass du ihn damit bestrafen kannst?", raunte sie und wurde von der schmalen Hand geboxt. "Ey, mein Hintern ist so heiß, dass er vor Verzückung vergehen wird."
Mexila hatte bei diesem Mal nicht sonderlich leise gesprochen. Neugierige Blicke waren die Folge. Red sah sich um und hatte Mühe das Lachen zu unterdrücken, während Mexila das Gesicht an der Schulter des Leutnants versteckte. "Oh, wie peinlich."
Von der anderen Seite näherte sich Mexur. "Was ist los? Erzählt dir meine Schwester unanständige Geschichten?" Mit ernster Miene schüttelte Red den Kopf. "Nein, wir diskutieren die Lösung tiefsitzender Probleme."
"Ja, genau. Rückseitig tiefsitzend, Brüderchen."
Sofort erschien ein Grinsen. "Habt ihr auch Stacheln im Allerwertesten?" Die Frauen kicherten leise, als Mexur auf einmal sehr nah an Red heranrückte. Sie spürte seine Nase an ihrem Hals.
"Hey, lass das! Ich bin kein Duftkissen.", warnte sie sofort. Mexur ließ sich nicht stören. "Mmh, Menschenfrau, du riechst ausgesprochen gut. Dein Haar und deine Haut..."
"Du hast recht. Sie duftet - sauber. Nach Seife.", bestätigte Mexila und fragte weiter, "Warst du baden? Wann? Bestimmt heute morgen, richtig?"
Red wollte eine direkte Antwort umgehen und schimpfte stattdessen ärgerlich: "Geht weg! Beide! An Elitären schnüffelt man nicht rum." Sie probierte, ein Stück vorwärts zu rutschen, aber es half nix. Mexur ließ nicht von ihr ab. "Oh süße, saubere Red! Wäre ich nicht traditionell und du eine nicht elitäre Xamaerfrau, würde ich dich auf der Stelle vernaschen."
Red beugte sich weiter vor, konnte ein Lächeln aber nicht unterdrücken. "Sehr charmant verpackter Korb. Vielen Dank - und jetzt - lass mich gefälligst in Ruhe!"
In dem Moment meldete sich Sirius, der auf Greg deutete. "Der riecht genauso - sauber." Schnuppernd lehnte sich Fries zum Schiffstechniker. "Stimmt, duftig frisch. Wie Seife. - Warst du mit Red baden? Habt ihr euch deshalb gestritten?"
Schweigend senkte Greg den Blick, als Red plötzlich entrüstet schimpfte: "Verdammt! Hör sofort auf!" Mexurs Umarmung löste sich nicht. "Du gehst mit Toms baden und ich darf mich nicht sauber rubbeln?"
Inzwischen lag Red fast auf dem Boden - mit Mexur über ihr. "Ich hab 27 Wesen mit bloßen Händen getötet! Also hör auf mit dem Scheiß! Mir reicht's!"
"Oh ja, du gefährlicher Killer, entschuldige, ...", murmelte Mexur und kuschelte sich an, "... aber ich kann nicht aufhören. Du riechst nach Zivilisation, nach Duschen, nach Orten mit Nahrung, Netz und Technik - nach meinem weit entfernten, wundervollen Leben." Red hielt seine wandernden Hände fest und drohte dabei: "Oh Scheiße, du verrückter Spinner! Geh..."
In dem Augenblick zischte Swon: "Ruhe jetzt! In Deckung! Sie kommen."
Augenblicklich bekam Red die Freiheit zurück und legte sich neben Swon an den Rand des Hanges. Spielerisch zielte sie auf die Lichtkegel des näher kommenden Fahrzeuges. "Erst feuern, wenn wir beide freies Schussfeld haben.", Red nickte stumm, "Schaffst du das wirklich?"
"Bisschen spät für Zweifel, Regier.", antwortete der Leutnant ungerührt, während ihre Cet-10 das Ziel anvisierte, "Meiner stirbt zuerst!"
„Niemals.", entgegnete Swon reglos. Drei ZEs später blitzten zwei Mündungsfeuer auf.
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Seit geraumer Zeit beobachteten sechs Erwählte das Lager. Das schmale Tal bot durch den dichten Bewuchs und einige Felshaufen gute Deckung. Plötzlich spürte Red einen Stich im Kopf. Dann tauchten Worte in ihrem Geist auf.
'Red? Nimmst du mich wahr, Red? Hier ist Galia, Leutnant Leight. - Antworte mir.'
Red blickte sich erschrocken um und rutschte dabei ein Stück zurück. "Hey, pass auf!", flüsterte Greg zornig. "Sie ist da. Ich meine hier. Ich kann sie verstehen.", hörte Red die eigene Stimme wie im Traum.
"Sei still!", zischte Swon. Red schüttelte den Kopf. "Du verstehst nicht. Sie ist hier." Ihre Stimme war bei diesem Mal leise geblieben genau wie die Frage des Arztes. "Wer ist hier?"
"Galia. Sie ist in meinem Kopf, redet mit mir."
Zweifel erschien in allen Gesichtern.
"Galia ist sehr mächtig?", suchte Red eine Erklärung. Naro fasste sich zuerst und bemerkte verwundert: "Ich wusste nicht, dass du ein Psiwesen bist."
"Bin ich auch nicht! Das hat damit gar nichts zu tun!", blaffte Red ungehalten zurück. Ein dumpfes Pochen breitete sich hinter ihrer Stirn aus.
'Ich hab's erklärt. Irgendwie verstehen sie es. Glaube ich. - Galia?'
'Hör genau zu, Red. Wir befinden uns im fjuranischen Kreuzer in der Kapitänsunterkunft. Es gibt eine Wache vor unserer Tür. Der Chef der Bande, ein großer Fjuro, befindet sich in der Kabine neben unserer. Eine Person steht vor der Rampe. Die anderen Wachen stehen am Waldrand. Eure Seite ist sauber. Da gab es nur die Zweier-Patrouille. Der Rest befindet sich am Feuer oder in den anderen Schiffen. Hast du verstanden?'
Unbewusst nickte Red und murmelte: "Ja, ich geb's weiter." Als die fremden Gedanken verschwunden waren, ebbten auch die dumpfen Kopfschmerzen ab. Eilig berichtete Red, was Galia mitgeteilt hatte.
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Swon und Greg liefen voraus. Red hielt ihnen den Rücken frei. Der gesuchte Kreuzer befand sich am Rande des Lagers im Schatten einer Felswand. Galia hatte recht behalten. Am Feuer, welches neben zwei Erdunionsfrachtern flackerte, sprachen, grölten und lachten Wesen. Sonst wirkte die Umgebung ruhig. Ohne Schwierigkeiten gelangten die Drei in Sichtweite des eleganten, graugrünen Fjuro-Kreuzers, vor dem sich ein Posten mit einer Vdisk die Zeit vertrieb.
Unruhig schaute Red in die Dunkelheit. Dass sie rein gar nichts Verdächtiges entdecken konnte, steigerte ihre Nervosität nur.
'Soll es wirklich so einfach sein? Zu einfach!'
Sie hockten hinter Transportboxen, welche unter einem älteren, dschjuanischen Jäger standen. Swon flüsterte Greg Anweisungen ins Ohr. Er bestätigte stumm und verschwand hinter dem Jäger.
Nach ein paar Sekunden tauchte Greg in einiger Entfernung auf und ging, wie selbstverständlich, auf die Wache zu. Er kam grob aus der Richtung des Feuers, hielt sich stets im Schatten.
"Was ist los? Essen endlich fertig?" Die brummende Stimme klang unbesorgt. Die Antwort war so leise, dass Red kein Wort verstand. Plötzlich bückte sich Greg. Er schien den Boden abzusuchen. Die Wache, welche mit einer Lampe zu Hilfe eilte, wurde kurz darauf von einem harten Schlag am Kinn getroffen und kippte rückwärts um. Dann beugte sich Greg über den Liegenden. Obgleich Red keine Details erkennen konnte, wusste sie, dass der Typ nun tot war.
Gemeinsam brachten die Drei den Leichnam in eine aufrechte Position, klemmten ihm die Vdisk zwischen die Finger und verschwanden im Schiff.
Während der Ausbildung hatte Red bereits ähnliche Modelle geflogen. Sie kannte den Aufbau. Die Brücke befand sich auf dem Oberdeck, die Wohneinheiten darunter, Frachträume und Maschinen auf den unteren Ebenen.
Swon gab Red das Zeichen, an der Rampe Position zu beziehen. Red suchte sich einen sicheren Platz mit gutem Ausblick. Der tote Posten, der scheinbar gespannt über seiner Disk hing, befand sich in ihrem Sichtfeld.
'Ich kann nicht glauben, dass es so einfach sein soll. Gar keine Schwierigkeiten.'
Mit Ausnahme der entfernten Stimmen und der flackernden Schatten blieb es vollkommen ruhig. Auch von Greg und Swon war nichts zu hören.
'Das läuft wie eine Anfängerübung. Kann das Leben tatsächlich so simpel sein? Merkwürdig.'
Plötzlich drangen laute Worte aus dem Schiffsinneren und rissen Red aus ihren Gedanken. Schnell herrschte wieder Stille.
'Was ist dort los? Der Fjuro? Die Wache?'
Red konzentrierte sich erneut auf die Dunkelheit vor dem Schiff, wobei sie gelegentlich einen Blick in den Innenraum warf.
'Wahrscheinlich haben sie den Piratenchef erwischt.'
Da nahm Red eine Bewegung wahr. Jemand näherte sich ohne Angst ihrer Position. "Tscheruwie, ResRo, Ablösung kommt! Kannst futtern gehen."
Die Umrisse der Person wurden mit jedem Schritt deutlicher.
'Mist. Der kommt her! Was nun?!'
Ihre Gedanken rasten. Den Reflex, die Waffe zu benutzen, unterdrückte sie. Die Sicherheitsfelder würden sofort reagieren und höllischen Lärm verursachen.
'Warte ab. Warte ab. - Immer mit der Ruhe. - ResRo? Der Name kommt mir bekannt vor.'
Ein kleiner Mann mit grünlichem Hautton war kurz davor, den Toten zu entdecken. "Res-Ro, du fauler Tschak, wach auf! Der Dschju würd dich köpfen!" Das Ausbleiben einer Reaktion weckte sein Misstrauen. Er zog die Pistole, blickte sich hektisch um.
Wenn Red die Deckung aufgab, landete sie genau im Schussfeld des Mannes, aber sie hatte keine Wahl. Die Bewegungen geschahen einfach, doch der grünhäutige Mann war überraschend wendig.
Die Waffe lag außerhalb seiner Reichweite. Dafür hatte der Leutnant als Erstes gesorgt. Dann entglitt er jedoch ihrem Griff, wollte das Lager warnen. Red erkannte die Gefahr. Bevor ein Laut über seine Lippen drang, trat sie mit aller Kraft gegen seine Schläfe. Bewusstlos ging er zu Boden. Danach kniete Red sich hin und brach dem leblosen Körper das Genick. Ihr Atem ging schnell, die Gedanken überstürzten sich.
'ResRo war der brummige Typ in dem Gleiter, als ich angeschossen wurde. Er wollte nicht den Abhang hoch, wollte nicht schießen. - Oh man, das war knapp - so knapp, aber ist gut gegangen. Gut gegangen.'
Red legte den Grünhäutigen unter der Rampe ab, rückte den toten ResRo zurecht und bezog wieder Stellung. Da meldete sich Galia.
'Vorsicht, Leutnant! Wir starten jetzt.'
Obwohl Red erkannt hatte, dass es Gedanken waren, drehte sie automatisch ihren Kopf. Dann schloss sich die Rampe.
'Oha, sehr gut! Wir klauen das Schiff. Das gefällt mir.'
'Es ist alles in Ordnung. Komm auf die Brücke, Red.'
Das ließ sich der Leutnant nicht zweimal sagen. Alle Gänge, durch die sie kam, erstrahlten in ungewohnt grellem Weiß. Im Oberdeck war eine Tür durch einen roten Streifen hervorgehoben. Bevor Red diese erreicht hatte, erschütterten heftige Schläge das Schiff. Sie knallte mit der verletzten Schulter gegen die Wand und stöhnte auf. Sofort rappelte sie sich auf und stürmte in den Kommandoraum.
Greg steuerte das Schiff. Swon stand an der Taktik. Bez und Galia hielten sich am Sessel fest, der in der Mitte des Raumes stand und dem Kapitän vorbehalten war. Die Frontscheibe offenbarte die Ursache für das Rucken. Ein Geflecht roter Strahlen überspannte den sichtbaren Teil der Schlucht und der Kreuzer hing in dem Netz fest. Wahrscheinlich hatte der unplanmäßige Start die Falle ausgelöst.
'Ein Kapernetz! Verflucht!'
Red musterte die Psifrauen. "Alles in Ordnung?" Galia nickte stumm, doch Bez, deren Blick unruhig durch den Raum schweifte, meinte unsicher: "Bis eben ging's uns ganz gut." Red lächelte kurz. "Schön. Sehr schön.", und wandte sich an Swon, "Kommen wir frei?"
"Nicht, ohne zu tricksen. Zum Glück hängen wir nur halb drin.", antwortete Greg.
"Zwei Schiffe können uns folgen. Den Rest haben die Schaller beschädigt.", ergänzte Swon. Plötzlich platzte Greg heraus: "Hab 'ne Idee. Die haben projizierende D-Ladungen...", ein dreidimensionales Abbild des Lagers erschien, "...an drei Stellen." Blaue Punkte leuchteten in dem Plan. Ungeduldig fuhr Swon dazwischen: "Das hilft uns nicht! Die sind unter uns und wir können nicht durch das Netz feuern!"
Greg warf ihr einen grimmigen Blick zu. "Lass mich ausreden! Wir feuern auf die Felsen darüber. Das Geröll sollte den Rest erledigen." Swon überlegte einen Moment und nickte. "Ok, ich richte die Strahler aus und dann verschwinden wir." Überrumpelt fragte Red: "Und die Anderen? Lassen wir die hier?"
"Wir haben keine Wahl. Das Schiff ist wichtiger. Sie sollen sich bei Problemen in die Höhlen zurückziehen. Wir suchen sie später.", bestimmte Swon, aber Red weigerte sich die Worte zu akzeptieren.
"Die Fünf?! Ganz alleine? Mit einer Horde beklauter Piraten im Nacken? Und wir wissen gar nicht, wohin sie flüchten! Das ist ihr Todesurteil!"
Der Regier blitzte den Leutnant wütend an. "Was willst du tun? Wir können's nicht ändern."
"Ich geh raus. Wir folgen der großen Schlucht. Dort findet ihr uns, könnt uns einsammeln, wenn...." Greg fiel ihr ungehalten ins Wort. "Die Schilde sind oben. Kannst nicht raus. Fertig! Außerdem sind wir sechzig Meter über dem Boden und fliegen kannst du wohl nicht! Nochmal fertig!"
Red fluchte leise und überlegte angestrengt, als Swon verkündete: "Waffen ausgerichtet. Feuerbereit."
Da klang Galias ruhige Stimme durch den Raum. "Warte, Regier! Die untere Wartungsöffnung des D-Antriebs. Die Schilde müssen runter für's Schießen. Zum Aussteigen aus der kleinen Luke reicht das."
Galias Vorschlag erntete verwunderte Blick. Red fasste sich als Erste und nickte sicher. "Ja, das funktioniert. Wir stehen über dem EU-Transporter. Das reduziert die Höhe auf weniger als zehn Meter."
"Nein, das Risiko ist zu groß.", beschloss Swon, aber Red ließ sich nicht darauf ein. "Mein Risiko. Ich gehe." Verständnislos schüttelte Greg den Kopf, schwieg aber. Swon betrachtete Red und nickte schließlich.
"Geh zur Wartungsluke. Galia gibt dir Bescheid, wenn du springen kannst." Red überlegte nicht, rannte los. Kurz darauf hatte sie die Luke erreicht und spähte ins Freie. Sie sah die schwach schimmernde, abgeschrägte Oberseite des Transporter.
'Schon hoch, aber die Schräge mit Abrollen, wenn Stiefel und Armbänder die Hülle erkennen, abbremsen - klappt bestimmt. Ok, Galia...'
'Gleich, Red. 3 - 2 - Jetzt! Spring, Leutnant! Viel Glück!

Red ließ sich fallen. Nach dem Bruchteil einer Sekunde landete sie auf den Füßen, rollte sich ab und sauste auf dem Rücken liegend die Schräge herab. Stiefel und Armbänder registrierten die Schiffshülle, bremsten die Abfahrt. Trotzdem näherte sich der Rand schnell und dahinter würde es tief runtergehen.
'Festhalten. Festhalten. Festhaaa...'
Ihre Finger glitten über die Außenhaut und erwischten einen versenkten Griff, welcher Wartungsarbeiten an der Hülle erleichtern sollte. Der plötzliche Ruck riss an ihrer Schulter, doch die Abfahrt war gestoppt.
In dem Moment erschütterten mehrfache Explosionen die Felswände. Geröll und Trümmer stürzten herab. Das Netz erlosch und der fjuranische Kreuzer beschleunigte. Als zwei weitere Schiffe starteten, presste sich Red gegen die Schiffsoberfläche und wartete ab.
'Viel Glück, ihr Vier! - Jetzt schnell runter, Mädel!'
Die letzten vier Meter sprang Red auf den Boden und ging sofort in Deckung. Die aufgeschreckten Piraten liefen ungeordnet durch das Lager. Die Explosionen, der schrille Alarm der Sicherheitsfelder und der Ausfall des Kapernetzes steigerten die Verwirrung.
Red freute sich darüber. Im Schatten des Transporters hatte sie sich der Schlucht genähert. Nun beobachtete sie, zunehmend missmutig, das anhaltende Durcheinander.
'Keine Deckung. Verdammt. Dafür überall diese Kerle. Muss ich wohl einen Umweg einschlagen!'
Da schallte ein Ruf aus der dunklen Schlucht hinüber. "Wer seid ihr? Passwort!" Kurz darauf brach ein Feuergefecht aus, was Reds Befürchtung bestätigte. Fries, Naro und Sirius waren entdeckt worden. Zu ihrer Erleichterung reagierten nur wenige Männer. Zu groß war das Chaos im Lager.
'Scheiße! Keine Zeit mehr. Los, Mädel!'
In der Hoffnung im Trubel unterzugehen, trat Red einfach aus dem Schatten. Sie bemühte sich, nicht zu schnell zu werden. Der Weg zog sich ewig. Männer rannten vorbei, doch keiner schien Red wahrzunehmen. Schließlich verschwand sie hinter einem Geröllhaufen, im Schatten der Felswände. Der Schusswechsel in der Schlucht vor ihr hielt an.
'Ich muss die ausschalten. Schnell. Bevor mehr aufmerksam werden.'
Red schlich los. Die ersten Schützen lagen nicht weit entfernt und schenkten ihrer Rückseite keine Beachtung. So fiel es Red leicht, sich zu nähern. Aus der Dunkelheit tauchte sie zwischen zwei Männern auf, die hinter einem Felsen Deckung gesucht hatten. Während sie einem das Messer in den Hals rammte, schoss sie dem anderen in den Kopf. Blut und Gehirnmasse spritzten. Red wischte sich durchs Gesicht.
'Ach, Pfui! Scheißdreck! - Weiter.'
Die nächsten vier Piraten, die in die Finsternis vor sich feuerten, befanden sich einige Meter weiter. Red schnappte sich einen Leuchtdolch und die eCetec. Sie kroch vorwärts und erschoss die vier Wesen mit einer kurzen Salve aus nächster Nähe.
Da nahm Red aus dem Augenwinkel eine Bewegung wahr. Blitzschnell drehte sie sich um und sah gerade noch, wie ein großer, dunkelhäutiger Quosoe dabei war, sich auf sie zu werfen. Ein zweiter Kerl stand mit gezogenem Strahler dahinter und rief begeistert: "Besorg's dem Miststück rich..."
Der Satz brach ab, als das Gesicht zerfetzt wurde. Zeitgleich brach der Quosoe mit einem erstickten Gurgeln zusammen. Red drückte den Körper weg. Die lange, leuchtende Klinge glitt dabei aus dem aufgeschlitzten Bauch.
Für einige Zeit blieb Red neben den Toten liegen, wartete ab. Nichts rührte sich. Die Piraten waren mit den Schiffen oder den D-Ladungen beschäftigt. Der kurze Kampf war unbemerkt geblieben. Red atmete tief durch und wischte die blutigen Reste von der Kleidung. Dann griff sie zwei weitere eCetecs und schlich in die Dunkelheit der Schlucht.
Nach einiger Zeit hörte sie ein Flüstern. Die Worte war nicht zu verstehen, aber sie gaben ihr eine Richtung vor.
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"Immer nach hinten sichern, Doktorchen.", flüsterte Red und pikte Fries einen Finger in den Rücken. Erschreckt sprang der Arzt vor, während Sirius und Naro auf den Leutnant zielten. Red winkte lächelnd, während Fries hektisch atmete. Er brauchte eine Weile, um sich zu fangen. "Verdammte Elitäre! Mach so was nie wieder! Nie!", fluchte er leise. Ein wenig amüsiert fragte Red: "Wie hätte ich's denn machen sollen, nachdem ihr das halbe Lager zusammengeschossen habt?", bevor Naro antworten konnte, fuhr sie ernst fort, "Wir müssen weg. Sofort! Erklärungen gibt's später!" Sie warf Naro und Fries eCetecs zu. Mit einem Blick auf die Waffe nickte der Quosoe. Er reichte Fries die Hand und zog ihn hoch.
"Lauft so schnell ihr könnt!", befahl Red, "Ich bleibe hinter euch. Los jetzt!"
Vor der schmalen Felsenschlucht, die zum Höhleneingang führte, stoppten sie. "Fries, hol die Geschwister und bringt den Gleiter mit."
Die Männer schauten Red misstrauisch an. "Gehen wir nicht in die Höhlen zurück?", wunderte sich Sirius. Sie schüttelte den Kopf. "Nein, wir bleiben im Freien. Ich erklär's später. Los, Doktor! Beeil dich!"
Unsicher schaute Fries zu Naro, der zunächst mit den Schultern zuckte, aber letztendlich nickte. Red ignorierte das Verhalten. Hinter einem Felsvorsprung lehnte sie sich gegen die Wand und beobachtete den Teil der Schlucht, den sie gerade passiert hatten. Naro und Sirius setzten sich daneben. "Jetzt erzähl!", sagte der Leganer. Erneut verneinte Red. "Nachher. Hab keine Lust, alles zweimal zu sagen." Die Männer schauten sich verwundert an und Naro fragte: "Meinst du, dass die uns verfolgen?"
"Ja, werden sie. Die finden ihre Toten und verstehen, was los ist. Wahrscheinlich schneller als uns lieb ist." Sirius hegte Zweifel. "Bei dem Durcheinander dauert das bestimmt eine Weile." Red erklärte unbeeindruckt: "Das sind Profis, deren Schiffe flugunfähig sind. Die finden ihre toten Kumpel und werden sich freuen, dass nicht alle Angreifer außer Reichweite sind.", ihre graugrünen Augen wandten sich für keinen Moment von der Dunkelheit ab, "Was könnte deren Boss besser besänftigen, als ein paar Gefangene, die für den Ärger verantwortlich sind?"
Naro und Sirius warfen sich erneut Blicke zu. Bei diesem Mal lag Sorge darin. "Sind die Höhlen nicht sicherer?", fragte Sirius vorsichtig.
"Die Patrouillieren bis zu diesem Abzweig. Dort finden sie die toten Wachen. Dort werden sie suchen und den Eingang entdecken.", Red versank in Gedanken und sprach nach einigen Sekunden überlegt weiter, "Wir könnten den Wagen stehen lassen. Vielleicht würden sie sich dann erst mal auf die Höhlen konzentrieren, aber ich..., naja, ich hab keine Lust zu laufen und wahrscheinlich überprüfen die Typen eh beides direkt. Die haben genug Leute, um sich aufzuteilen."
Aus dem Seitental drang ein gleichmäßiges Brummen und kurz darauf stoppte ein Gleiter. Mexur saß am Steuer. Mexila erstarrte, als sie Red sah. "Meine Heiligkeit, was ist mit dir passiert?" Red wirkte irritiert, bis Fries erklärte: "Ich denke, sie meint die Reste verschiedenster Wesen, die an dir kleben."
"Ah ja, hm, die 27 ist nicht mehr aktuell.", und eilig fügte Red hinzu, "Wir müssen weg! Schnell!"
Bevor Fragen aufkamen, stärkte Naro ihr den Rücken. "Ja, beeilt euch. Die große Schlucht entlang." Zaghaftes Nicken folgte und nach einigen Sekunden setzte sich das Fahrzeug in Bewegung.
Trotz der Dunkelheit und zahlreicher Hindernisse manövrierte Mexur den Gleiter erstaunlich geschickt, ohne an Geschwindigkeit zu verlieren. Dieses Talent verwunderte und erfreute Red.
"Jetzt erzähle uns bitte, warum wir nicht in die Höhlen sollten, Leutnant", forderte Naro eindringlich. Red nickte und begann zu berichten. Währenddessen ließ sie die Schlucht hinter ihnen für keine Sekunde aus den Augen.
"Die Vier in ihrem schicken Fjuro-Kreuzer können uns nur auflesen, wenn sie wissen, wo wir zu finden sind. Naja, trotzdem wird das vermutlich noch eine Weile dauern und solange müssen wir durchhalten."
Mexila stöhnte auf. "Was heisst eine Weile? Klingt lange. - Oh, ich will nach Hause! Für so was bin ich nicht geschaffen." Red drehte sich um. Das blutverschmierte Gesicht grinste in die Runde. "Wird schon gut gehen, und ach, übrigens... sie sind hinter uns."
Schockiert schnappte Mexila nach Luft, während Naro und Sirius erschreckt die Finsternis absuchten. Hin und wieder schimmerten Lichter zwischen den Felshaufen und hinter Biegungen auf. Nach einiger Zeit war bereits das gleichmäßige Brummen zu hören. Die Verfolger näherten sich stetig. Mexur fluchte: "Die sind besser ausgerüstet. Aus der Kiste ist nicht mehr rauszuholen."
Red überlegte angestrengt. Ein verrückte Idee hatte sich festgesetzt, trotzdem zermarterte sie sich das Hirn nach einer weniger waghalsigen Alternative - ergebnislos. Ihr lief die Zeit davon.
'Xira, jetzt könnte ich eine deiner cleveren Lösungen gebrauchen. Schade, schade, aber mir fällt nix besseres ein. Geht schon, muss nur schnell sein! Wie Oma immer sagte, was man nicht im Kopf hat, sollte man in den Beinen haben. - Ach ja, die gute Frau wusste wie das Leben läuft. Wirklich.'
"Ok, ich hab eine Idee. Wir stoppen, ihr eröffnet das Feuer und ich sorg dafür, dass wir unsere Ruhe haben."
"Einfach stoppen? Dann haben die uns!", entgegnete Sirius sofort. Fries nickte. "Ja, das klingt nach Aufgeben." Red erklärte schnell: "Die erwischen uns sowieso. Ein Kampf ist nicht zu vermeiden, aber wir können bestimmen, wie und wo es geschieht."
"Wie sorgst du für Ruhe?", fragte Naro argwöhnisch. Red grinste. "Ähm ja, besser, wenn du das nicht weißt."
Unentschlossen tauschten die Männer Blicke aus, betrachteten die Elitäre, bis Mexila verärgert rief: "Bei meiner Heiligkeit, lasst Red machen! Sie schafft das und wir haben eh keine Wahl!" Mit offensichtlichem Zweifel stimmte Naro zu: "Gut, dann... wie geht es weiter?" Red schaute in Fahrtrichtung. "Langsamer, Mexur, langsamer."
Gerade gab es kaum Hindernisse in ihrem Weg, doch ihre Verfolger waren durch etliche verwinkelte Abschnitte außer Sicht. Das gefiel Red.
'Kaum Deckung für mich, aber auch kaum Deckung für die. Durch die Kurven trotzdem unübersichtlich. Müsste funktionieren.'
"Stopp!", befahl Red energisch. Das Fahrzeug blieb stehen. Mit einer eCetec über der Schulter stieg sie aus. "Ihr stellt den Wagen hinter der nächsten Biegung quer und geht dahinter in Deckung. Sobald die Typen in Reichweite sind, feuert ihr was die Waffen hergeben! Bleibt auf jeden Fall hinter dem Fahrzeug! Dort seid ihr sicher! Verstanden?", ohne eine Antwort abzuwarten, zischte sie, "Jetzt fahrt los - und bleibt in Deckung!"
Gerade verschwand Red im Schatten der Felsen, als die Verfolger hinter einem Geröllhaufen auftauchten. Ein moderner, mit fünfzehn Wesen besetzter Geländegleiter zog Sekunden später an Red vorbei. In einer Biegung zweihundert Meter weiter wurde das Fahrzeug von Strahlern aufgehalten. Schnell bezogen die Piraten Stellung und erwiderten das Feuer.
Dicht an den Felsen robbte Red derweil näher. Als sie trotz des Kampfes Worte verstehen konnte, blieb sie hinter zwei Sträuchern liegen und hantierte an der eCetec.
'Sicherung aus. Gut. Energie hoch. Kristall überladen. Bisschen warten, warten, warten...'
Bald leuchtete die Energieanzeige orange und wechselte eine halbe Ewigkeit danach auf rot. Als ihre Haut zu kribbeln begann, kroch Red weiter. Dann vibrierte die Waffe. Red sprang auf, warf die eCetec zwischen die erstaunten Männer und sprintete in entgegengesetzter Richtung davon.
Panische Schreie waren zu hören, bevor die Waffe mit einem dumpfen Knall in die Luft flog. Die Druckwelle erwischte Red im Lauf. Ihr Körper wurde durch die Luft geschleudert, schlug hart auf. Ein blutroter Feuerball schoss in die Höhe, weit über die Felswände der Schlucht hinaus. Einige Zeit verging, bis Red sich aufsetzen konnte. Ihre Ohren dröhnten. Kopf und Brustkorb schmerzten, aber sie konnte sich bewegen.
'Ok, schnell zu den anderen. Aua, ahh - Nicht jammern! Laufen, Mädel!'
Obwohl die Sicherheit mit jedem Schritt zunahm, dauerte es einige Zeiteinheiten bis Red das heiße, gelborange lodernde Feuer passiert und ihre Begleiter erreicht hatte.
Die Fünf sahen mitgenommen aus, aber waren nicht ernsthaft verletzt. Bevor einer reagieren konnte, bestimmte Red: "Ich fahr den Wagen ins Feuer. Wir müssen uns beeilen. Die schicken bald Verstärkung." Erschreckt fragte Mexur: "Wir geben den Wagen auf?"
"Ja. Dann nehmen die Kerle vielleicht an, dass das ein dämlicher Kristallunfall war und wir auch tot sind.", erklärte Red schnell, "Und falls nicht - mit Gleitern kommen die nicht so schnell an einem richtig großen Kristallfeuer vorbei."
'Was passiert, wenn deren Schiffe zurückkommen, lass ich besser unter'n Tisch fallen - wegen Motivation und Hoffnung und so...'
"Das Totstellen könnte funktionieren. Kristallunfälle in Gefechten geschehen regelmäßig und mit den neuen Cetecs, die keiner richtig kennt...", überlegte Naro schnell, "...vielleicht... - Ja, versuchen wir es!" Drängend übernahm Red: "Gut, dann lauft los! Ich hol euch ein!"
Kurz darauf steuerte der Gleiter auf das türkisfarbene Feuer zu. Als die Hitze unangenehm wurde, stoppte sie, legte ihre rot leuchtende Cet-10 auf den Fahrersitz und stellte die Automatik an. Danach verfolgte sie, wie das Fahrzeug in den inzwischen blauen Flammen verschwand. Ein zufriedenes Lächeln erschien, bevor Red sich umdrehte und davon sprintete. Obwohl diese Explosion deutlich schwächer ausfiel, ließ der Druck Red stolpern und die Hitzewelle wärmte ihren Rücken. Grinsend setzte sie den Weg fort.
'Typisch Red! Gewalttätiger, krachproduzierender, schmutziger Weg. Kein bisschen elegant. Einfach keinen Stil. - Ich weiß. Du hast wie immer recht, Laxira.'
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"Bei meiner Heiligkeit, hör auf uns anzutreiben, Red. Ich kann nicht mehr.", beschwerte sich Mexila lauthals. Mexur stimmte zu: "Seit kZEs rennen wir hinter dir her!"
Obwohl es zwischen den hohen Felswänden kaum auffiel, ging die Sonne bereits auf. Red drehte sich um und musterte ihre erschöpften Begleiter. Auf einmal nickte sie lächelnd. "Eine kleine Pause kann nicht schaden."
Unter einem Felsvorsprung ließ sich die Gruppe nieder. Geröll und Gestrüpp schirmten die Sicht ab. Red nahm sich die eCetec von Sirius. "Ich such eine bessere Position und halte Wache. Ruht euch aus!" Fries sah sie besorgt an. "Bist du nicht müde? Du brauchst auch Erholung."
"Ich habe gestern viel mehr geschlafen und, naja... ", ein Lächeln erschien, "...ich bin 'ne Elitäre. Schon vergessen?" Damit verschwand Red hinter dem Geröll. Plötzlich grinste Sirius. "Die ist ganz schön verrückt." Naro nickte stumm, während Fries müde, aber durchaus ein bisschen vergnügt meinte: "An ihr klebt das Blut von mindestens vier Spezies. Außerdem Gehirnmasse sowie der Inhalt eines Quosoen, glaube ich." Mexur unterbrach den Arzt ungehalten: "Hör auf damit. Ich will das gar nicht wissen. Sauber und duftend war sie mir lieber." Schläfrig murmelte Mexila, die sich an ihren Bruder kuschelte. "Ist mir total egal. Ich bin froh, dass sie hier ist."
Da erschien Red wieder. "Galia sagt, dass sie in fünfzig Zeiteinheiten bei uns sind." Mexur betrachtete Red irritiert. "Wie hat sie das mitgeteilt?" Naro war aufgestanden und suchte erwartungsfroh den Himmel ab. "Es hat sich herausgestellt, dass Red ein Psiwesen ist. Telepathin sogar."
Die Geschwister schienen nicht zu verstehen, genau wie Red selbst. "So ein Blödsinn. In meinem Alter wird man nicht plötzlich zum Psiwesen."
In dem Moment deutete Sirius lachend nach oben. "Da! Sie sind da! Die holen uns tatsächlich!", begeistert schlug er Mexur auf die Schulter, "Endlich wieder eine vernünftige technische Umgebung - und Essen, Dusche, Toilette, ein Bett."

"Wie kommt ihr in meinen Kopf? Was für ein Trick ist das?", fragte Red ungehalten. Alle standen auf der Brücke. Der Kreuzer war sofort gestartet und die Schlucht lag bereits hinter ihnen. Ohne auf die Frage einzugehen, beäugte Bez Red angeekelt. "Beim unsterblichen Priester, so sollte keine Frau herumlaufen!" Irritiert starrte Red zurück, bis Swon gelassen feststellte: "Da klebt Gehirn in deinen Haaren."
"Arg, nicht das schon wieder.", stöhnte Mexur und Red grinste verstehend. "Eigentlich sollten mindestens zwei Gehirne sein und auf dem Rest das Innere eines Quosoen." Fries trat näher. "Ja, der Quosoe ist wahrlich nicht zu übersehen, genau wie das Xamaerblut im Gesicht, aber was ist das am Arm? Hm... wahrscheinlich Gora'kt?"
"Du tötest nicht gerne sauber?", erkundigte sich Galia neugierig. Red zuckte mit den Schultern. "Eine meiner Schwächen, aber egal. Wie hast du mit mir – kommuniziert?"
"Du bist empfänglich.", lautete Galias kurze Antwort. "Nein, kann nicht sein. Elitäre müssen verhüten.", platzte Red heraus. Galia wirkte irritiert, doch Bez meinte belustigt: "Nicht für Nachwuchs empfänglich, sondern für Psiströme. Du bist ein Psiwesen, Red."
Für einige Momente herrschte Schweigen, bis Naro zufrieden bemerkte: "Wie bereits gesagt."
Zuerst starrte Red perplex in die Runde, aber schließlich erschien ein verstehendes Lächeln. "Ihr wollt mich verarschen! Das habt ihr euch ausgedacht! Euch abgesprochen! Doch so einfach ist das nicht. Nein!", ein ausgiebiges Kopfschütteln folgte, "Nein! Nein, echt nicht! Ich meine, das ist total bekloppt! Absoluter Schwachsinn! Ich soll ein Psiwesen sein?! Haha! Denkt euch was Bess'res aus, während ich eine Dusche suche!" Damit wandte sich Red entschlossen ab und wollte die Brücke verlassen.
'Du hast Psikräfte. Glaube uns. Du verstehst mich. Das ist Gedankenaustausch - Telepathie.'
Red drehte sich verärgert um: "Wie geht das? Ich bin rein menschlich. Mit 25 sogar ein ziemlich alter Mensch. Sollte ich nicht wissen, dass ich P... , ähm, - Ps.., Pss .., Psi... ", Red atmete mehrmals tief durch, "Ok, ok, gut, also - Psi - Psikräfte besitze?"
"Bei jeder Spezies gibt es empfängliche Wesen.", begann Galia zu erklären, "Das schließt die Menschlichen ein. Die Erdunion fördert eine Sondierung allerdings nicht." Nickend ergänzte Bez: "Ja, und mit Sicherheit hat jedes Psiwesen, dem du in deinem Leben begegnet bist, deine Empfänglichkeit gespürt, denn die ist erstaunlich ausgeprägt.", Bez lächelte, "Galias gedanklicher Kontakt hat deine Kräfte aktiviert und einmal ausgelöst, verstärken sich die Fähigkeiten selbstständig. Es gibt kein Zurück mehr. Du bist jetzt ein aktives Psiwesen."
'Normalerweise dürfen Wesen selbst entscheiden, ob und von wem sie aktiviert werden. Die Situation war allerdings schwierig und die Aktivierung bot sich an. Nun musst du lernen, die Kräfte zu kontrollieren. Ich kann dich ausbilden.'
"Mich ausbilden? Zum Psiwesen?" Reds Verwirrung löste sich nicht auf. Energisch schüttelte sie den Kopf. "Nein. Ich bin kein Psiwesen. Nein! Niemals! Das geht überhaupt nicht!" Bez erwiderte ruhig: "Doch, Red, du bist ein Psiwesen. Das musst du akzeptieren."
Red ignorierte sie und schaute zu Naro und Swon. "Ich such mir ein Quartier. Ich brauch eine Dusche und - Pause." Naro nickte schweigend. Vor der Tür stoppte Red und meinte nachdenklich: "Danke für dein Angebot, Galia, aber das muss ich erst mal verdauen." Die Tür schloss sich.
Bez lächelte die Priesterin an: "Ich finde, unser elitärer Leutnant hat das hervorragend aufgenommen." Sofort nickte Galia. "Ja, überraschend gut - bei den Vorurteilen, die die Koalition ihren Elitären anerzieht."
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Red sicherte sich eine der luxuriösen Kabinen. Sie duschte ausgiebig, hing die Kleidung zur gründlichen Reinigung in den Schrank und aß ein bisschen. Zwar war der Hunger enorm, aber sie wollte ihren Magen nicht überfordern. Danach breitete sich ein warmes, schläfrig-zufriedenes Gefühl aus, das jeden Gedanken an Psikräfte erfolgreich verdrängte. Red kuschelte sich in das gemütliche Bett und schlummerte bald ein.
Derweil hielt das getarnte Schiff in einer kleinen Schlucht Warteposition, damit Sirius und Greg Schäden aus dem überstandenen Luftkampf reparieren konnten. Trotz fehlender technischer Kenntnisse leisteten Galia und Bez den Technikern Gesellschaft.
X-Rag und eine Wache steckten in der einzigen Arrestzelle und die Anderen hatten sich in die Quartiere zurückgezogen.

Ein unangenehmes Fiepen holte Red aus den Träumen. Es dauerte einige Sekunden, ehe ihr klar wurde, dass jemand vor der Tür stand. Eine Weile hoffte sie, dass dieser Jemand verschwinden würde, wenn sie lange genug wartete. Allerdings erklang das Fiepen bald häufiger. Der Jemand hatte offenbar nicht vor zu verschwinden. Also stand Red auf, nahm die Waffe und stellte fest, dass sie vollkommen nackt war. Da sich das gelegentliche Fiepen inzwischen jedoch zum nervtötenden Dauerton entwickelt hatte, schlang Red notdürftig die dünne Bettdecke um und rief eilig: "Öffnen!" Die Automatik reagierte sofort und Greg erschien. "Du bist dran.", meinte er unfreundlich.
'Warum der gerade? Und ich bin schon wieder nackt! - Und er ist immer noch sauer.'
Ohne auf die Worte einzugehen, betrat Red die Sanitäreinheit, ging auf Toilette und wusch sich ein bisschen. Danach orderte sie am Nahrungsverteiler einen Kaffee und setzte sich auf das Bett, darum bemüht, wach zu werden.
"Du bist jetzt dran. Du hast Wache!", wiederholte Greg sein Anliegen gereizt. Er war in der Tür stehen geblieben. Red winkte schlaff mit der Hand und murmelte dabei: "Ich habe dich verstanden. Du kannst gehen." Seinen mörderischen Blick ignorierend, stellte sie die Tasse ab und bewegte sich behäbig zum Schrank.
'Das war nicht gut. Bestätigt seine Vorurteile. - trotzdem zieh ich mich sicher nicht vor ihm um!'
Betont langsam sortierte Red ihre Kleidung, nippte gelegentlich am Kaffee. In dem Moment wurde Greg das Ganze zu viel. Wütend stürmte er in den Raum. "Ich übernehme diese Kabine! Verschwinde endlich auf die verdammte Brücke!" Vor Erstaunen ließ Red beinahe die Tasse fallen. "Was?! Das ist meine! Such dir gefälligst deine eigene!"
"Es gibt genau acht Unterkünfte und du hast kein Recht auf bevorzugte Behandlung!", blaffte Greg zurück.
'Woa, was bildet der sich ein? Aber bitte! Wie du willst, Blödmann! Ich kann auch anders!'
"Ich will keine bevorzugte Behandlung, du Idiot! Ich will, dass du verschwindest! Komm wieder, wenn ich fertig bin!"
"Von wegen!", sagte Greg stur, während er sich auf's Bett setzte und die Matratze testete. Demonstrativ ließ Red sich ebenfalls nieder. "Dann bleibe ich auch!" Greg fing an zu grinsen, rückte immer näher. "Das werden wir sehen."
Ohne Eile lehnte sich Red zurück. Greg war dicht bei ihr. Langsam hob sie die Hand und zeichnete mit dem Finger die dunklen Ränder unter seinen Augen nach. "Bist müde, hm?" Irritiert verharrte Greg.
"Dreh dich bitte um! Ich will mich anziehen. Dann bin ich weg.", schlug Red versöhnlich vor. Greg stöhnte: "Stell dich nicht so an. Ich hab dich schon fast nackt gesehen." Lächelnd schob sie ihn weg. "Trotzdem. Mach schon." Kopfschüttelnd wendete Greg sich ab. Red ließ die Decke fallen, zog ihre Unterhose an und griff gerade nach dem Shirt, als Greg sich zurückdrehte. "Oh, entschuldige. Noch nicht fertig?", reagierte er gespielt überrascht. Seine Augen begutachteten den halbnackten Körper interessiert. "Uncharmantes Ekel.", fluchte Red und bombardierte Greg mit vernichtenden Blicken, während sie sich fertig anzog.
Dann setzte Red sich, schlug ihre Beine übereinander. Sie zeigte Greg die halbvolle Tasse und meinte lässig: "Entschuldige, ich brauch noch ein paar ZE's, aber lass dich davon bitte nicht stören. Du wolltest sicher duschen oder ins Bett." Erneut lehnte sich Greg vor, berührte dabei fast Reds Nasenspitze, und begann breit grinsend seinen Overall zu öffnen. "Mich stört es nicht, nackt zu sein." Sofort entgegnete Red herausfordernd: "Ich weiß. Mich stört es auch nicht, wenn du nackt bist. Also los! Zeig, was du hast!"
Für einige Sekunden sah Greg verdutzt aus. Dann sagte er plötzlich: "Ich zeig dir lieber, was ich kann." Blitzschnell packte er Reds Hüfte und zog sie zu sich. Geschickt schob sich seine Hand unter ihr Shirt. Erzürnt schimpfte sie: "Hör sofort auf, Toms!"
"Wer hat denn mit dem Spielchen angefangen?", fragte Greg abgelenkt. Seine Finger waren mit ihrer Brust beschäftigt. "Du!", rief Red empört, während sich Kaffee über seinem Kopf und Rücken verteilte. Fluchend sprang Greg auf. "Du dämliches, elitäres Miststück!" Red erhob sich ebenfalls und schrie: "Triebgesteuerter, blöder Idiot!"
Keiner hatte die dritte Person bemerkt, die seit geraumer Zeit in der geöffneten Tür stand und die Szene amüsiert verfolgte. "Ich wollte sehen, ob alles in Ordnung ist. Dem scheint so.", sein Tonfall wechselte von spöttisch zu heiterem Ernst, "Red, würdest du mir bitte Gesellschaft leisten? Ich denke nicht, dass sich eure Unstimmigkeiten heute Nacht klären lassen und Greg hat sich die Erholung verdient." Mit diesen Worten verschwand Naro aus dem Sichtfeld. Red gewann als Erste die Fassung wieder und wandte sich erbost an Greg: "Da siehst du, was du angerichtet hast, du Trottel!"
"Ich?! Du bist die arrogante dumme Nuß hier!", sie verbiss sich einen Kommentar und marschierte zielstrebig zum Ausgang, als Greg ihr nachrief, "Wer mit dem Feuer spielt, verbrennt sich! Merk dir das, du blödes Weib!" Bevor die Tür schloss, hörte er noch: "Ha, von wegen blödes Weib! Wer sieht denn aus wie ein begoss'ner Pudel! Ich jedenfalls nicht, du dämlicher Blödmann!"
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'Das hättest du nicht tun dürfen, Red! - 'Mich stört es nicht, wenn du nackt bist!'- 'Zeig mir, was du hast!' - Ahh, wieso sag ich so was! Wieso benehme ich mich bei diesem Trottel so dämlich? Ich muss mich besser im Zaum halten, mich nicht so schnell aufregen. So bin ich doch gar nicht - so... so dumm, so furchtbar dumm!'
Red war sehr unzufrieden und das verfolgte sie bis auf die Brücke. Regungslos betrachtete sie die leeren Anzeigen, aber irgendwie konnte sie sich nicht gehen lassen. Naro störte. Zwar gab der Quosoe kein Wort von sich und wirkte im Allgemeinen ausgeglichener als andere Beteiligte, trotzdem konnten Reds Gedanken nicht dahin treiben, während er neben ihr saß.
'Ich sage, dass er schlafen gehen soll - Ja, Naro, geh bitte ins Bett. Ich kann nämlich ganz alleine Wache halten. Danke. Tschüss. - Oder ja, du könntest zu Greg gehen, ihn nerven... oder geh zu Swon. Mit der streitest du eh so gern.'
Tatsächlich war Swon die einzige Person mit der Naro regelmäßig aneinander geriet. Beide wollten ihren Führungsanspruch durchsetzen. Sie waren es gewohnt, Verantwortung zu tragen, Anweisungen zu erteilen und anscheinend wollte sich keiner der Zwei mit einer niedrigeren Stufe in der Befehlskette anfreunden.
Dieses Verhalten konnte Red nicht nachvollziehen. Sicherlich hatte sie ebenfalls Kampfeinsätze geleitet. Elitäre Offiziere führten die Koalition. Sie besaßen Macht und gaben Befehle, aber als Anwärter hatte Red eher zu den Befehlsempfängern gehört und diese Tatsache hatte sie nie besonders gestört.
Unbestreitbar hatten Verantwortung und die damit verbundene Macht einen gewissen Reiz, konnten aber auch ziemlich belastend sein, das Leben verkomplizieren. Mit Leuten wie Swon und Naro verband Red daher nicht all zu viel. Ihre Einstellungen unterschieden sich zu stark.
"Was war der Grund für eure Auseinandersetzung?", begann Naro nach langem Schweigen ein Gespräch. Red hielt den Blick gesenkt. "Nichts wichtiges.", sie überlegte kurz, "Er... ich... unterschiedliche Ansichten." Naro zeigte ein Lächeln. "Deshalb schadet es nicht, wenn Greg nackt ist?"
'Oh nein! Wie peinlich!'
"Wie lange hast du da gestanden?", fragte Red verschämt.
"Zu Beginn hörte ich die Worte 'uncharmantes Ekel' und du warst dabei, deine Kleidung anzulegen."
"Ach, doch so lange.", bemerkte Red, ohne aufzuschauen. Wieder herrschte Schweigen, bis Naro einen neuen Versuch startete. "Kennst du die - sagen wir - die Geschichten, welche über weibliche, elitäre Offiziere erzählt werden?" Bitter antwortete Red: "So was wie schöne Körper ohne eigenen Willen oder wie arrogant, naiv und gut zu ficken?"
Verwundert betrachtete Naro den Leutnant. "So würde ich persönlich das nicht ausdrücken, denn immerhin ist meine Schwester ein elitärer Offizier und die mag ich, zufällig, ausgesprochen gerne.", Red musste lächeln, während Naro weitersprach, "Im Allgemeinen heißt es, dass weibliche, elitäre Offiziere - sagen wir - willig sind. Im Normalfall, so lautete das Gerücht, haben sie nichts gegen schnellen, unverbindlichen Sex einzuwenden."
Red fixierte ihre Hände und murmelte: "Willig also." Naro nickte. "Ja. Bila hat mir erzählt, dass die Sache durchaus einen wahren Kern hat." Nun schaute Red den Quosoen direkt an. "Und wie hält es deine Schwester damit?" Die Antwort kam zurückhaltend. "Ehrlich gesagt, weiß ich das nicht. Über solche Themen sprechen wir selten. Zu dem unterscheidet sich die Situation bei Bila vielleicht geringfügig, weil sie ausschließlich an Frauen interessiert ist."
Überrascht lachte Red auf und rief begeistert: "Wirklich? Meinst du ich hätte Chancen? Kann ich mich bei ihr hochvögeln?"
Naros ernste graue Augen musterten Red, doch bevor ein Laut über seine Lippen kommen konnte, fuhr sie amüsiert fort: "Du hast gerade eins der hartnäckigsten Akademie-Gerüchte bestätigt. Kapitän Bila Seli Clor steht ausschließlich auf Frauen. Meine Freundin Xira - Laxira Peraxos, die berühmte Xamaer - hat für diesen speziellen Fall diverse Verführungspläne ausgearbeitet."
Jetzt musste Naro lächeln. "Ehrlich gesagt, glaube ich nicht, dass sich jemand bei Bila - hochvögeln kann." Grinsend erwiderte Red: "Stell sie mir vor. Danach werden wir sehen.", der Ernst gewann die Oberhand, "Wieder zu..., hm..., weil ich elitär bin, denkt ihr, dass ich - einfach zu - ähm, naja - zu ficken bin?"
"Ihr?", staunte Naro. Red zuckte mit den Schultern. "Papa sagt immer, wer viel rumkommt, vögelt auch viel rum und viel rumgekommen seid ihr wohl alle." Naro reagierte belustigt. "Das ist ebenfalls nur eine Gerücht."
"Mit wahrem Kern.", ergänzte Red lächelnd.
Erneut wurde es für eine Weile ruhig. Schließlich stellte Red überzeugt klar: "Ich bin nicht willig - ganz und gar nicht." Naro nickte. "Und das irritiert unseren Schiffstechniker wahrscheinlich."
"Naja, ich bin auch schuld. Ich lasse mich auf seine Spielchen ein. - Ja, er provoziert mich und ich gehe darauf ein! Das ist dumm, aber...", nachdenklich betrachtete Red ihre Finger, "Ab heute werde ich mich nicht mehr provozieren lassen. Ja, genau! Nicht von Greg, nicht von Swon, von keinem! Fertig!", sie schaute Naro glücklich an, "Klingt gut, oder?" Lächelnd nickte er. "Wenn du dieses Vorhaben mit deinem Temperament vereinbaren kannst."
'Genug davon. Blödes Gerede! Wieso spreche ich mit dem darüber? Naro sieht viel zu gut dafür aus. Um Welten besser als dieser blöde Toms, dieser Idiot! - Viel lieber und umgänglicher ist Naro auch - und vernünftig - man kann sich mit ihm richtig unterhalten. - Alles viel besser als bei diesem dämlichen Toms!'
Nach kurzer Ruhe fand Red ein neues Thema. "Du hast schon einige Expeditionen, Gruppen oder so angeführt. Richtig?" Sie blickte den breitschultrigen Mann an. Schweigend nickte er. Red ließ ihn nicht aus den Augen, als sie neugierig fragte: "Ist es immer so schwierig? Das Zusammenbringen, das gemeinsame Arbeiten - verstehst du, was ich meine?" Mit erneutem Nicken bestätigte Naro und sagte dann: "Nein, bisher war es selten ernstlich kompliziert."
"Dachte ich mir.", Reds Augen wanderten zu den Anzeigen, "Denkst du, es besteht die Chance - natürlich rein theoretisch - dass wir zusammenarbeiten könnten - so als Team, meine ich. - Absolut rein theoretisch, natürlich."
Nachdenklich lehnte Naro sich zurück, schwieg eine Weile. Seine Antwort formulierte er bedächtig. "Ich glaube - natürlich absolut rein theoretisch...", ein schnelles Lächeln tauchte auf, "...dass wir durchaus erfolgreich zusammenarbeiten könnten. Zwar muss ich, ohne das Ziel der Operation zu kennen, an dieser Stelle mutmaßen, jedoch scheinen die Fähigkeiten der Beteiligten aufeinander abgestimmt worden zu sein. Hinter der Auswahl steckt, meiner Meinung nach, Methode - und ja, ich denke, dass wir, nach Klärung einiger Konflikte, ein hervorragendes Team sein könnten."
Mit gerunzelter Stirn versuchte Red, sich dieses Ereignis vor Augen zu führen - erfolglos. Leise seufzte sie: "Ach ja, wenn wir das wollten, vielleicht..."
Naro betrachtete Red interessiert. "Willst du denn?" Ohne aufzuschauen und leicht abwesend, antwortete sie: "Naja, vielleicht. Ich meine, wenn ich wüsste, worum es geht - diese seltsame Auswahl an Leuten und die eigenartigen Umstände - Ich bin schon ein bisschen neugierig und so übel seid ihr Genies im Grunde genommen nicht."
Wieder zeigte Naro ein Lächeln und seine Worte erstaunten Red. "Trotz der Streitigkeiten, der Unwissenheit und des allgemeinen Misstrauens verliefen die Geschehnisse bisher zufriedenstellend. Obwohl Glück dabei eine nicht unbedeutende Rolle gespielt hat, haben wir gemeinsam jede Gefahr bezwungen. Das ist, denke ich, ein gutes Zeichen.", Naros graue Augen strahlten Red verschmitzt an, "Ich muss gestehen, dass der Gedanke mit euch zu arbeiten, reizvoll ist. Seit einer Ewigkeit habe ich nicht mehr in einer derart unvorhersagbaren Situation gesteckt."
In diesem Moment überschwemmte Red eine Welle der Zuneigung. "Diese abenteuerlustige Einstellung teilt bestimmt nicht jeder auf diesem Schiff."
"In dieser Hinsicht solltest du dein Urteil nicht vorschnell fällen.", Naro war zu seiner typischen Ernsthaftigkeit zurückgekehrt, "Wir - und ich schließe mich dabei nicht aus - sind Individualisten. Wir sind Eigenverantwortung und Selbstbestimmung gewohnt. Dies wurde uns auf Trinita genommen. Hier werden wir wie Puppen gespielt, was niemandem gefällt.", Red, deren Blick auf die Anzeigen gerichtet war, nickte gedankenverloren, "Davon unabhängig haben unsere Persönlichkeiten - so verschieden sie scheinen mögen - einige wesentliche Charakterzüge gemein. Benennen könnte man diese als Risikofreude, Wissbegierde, Forscherdrang - einen gewissen Aktionismus. Heutzutage bringt einen Talent allein nicht all zu weit, verhilft nicht unbedingt zu einer erfolgreichen Laufbahn. Verstehst du, was ich meine?"
Unsicher erwiderte Red den Blick, nickte zögerlich. Naro lächelte. "Ich wollte damit sagen, dass wir neuen Herausforderungen aufgeschlossen gegenüberstehen." Der letzte Satz beschäftigte Red eine Weile.
'So habe ich die Sache noch gar nicht betrachtet - als Herausforderung. Interessante Sicht. - aber Talent alleine bringt einen nicht weit? Wenn man ein Überflieger ist, lässt sich das leicht sagen! - Ein bisschen recht hat Naro allerdings. Die Neun haben oft neue Projekte angefangen, Orte gewechselt. - Ob sie richtige Freunde haben oder Urlaub machen? Ausgehen? - Außer, um Elitäre flachzulegen! Naja - Herausforderungen mögen sie wahrscheinlich wirklich. Keine Angst vor Neuem - zumindest, wenn es nicht zu langfristig angelegt ist, denk ich, aber - hm, wer weiß....'
"Bist du in Ordnung?", fragte Naro auf einmal und riss Red aus der Grübelei. "Herausforderung klingt gut. Das Wort gefällt mir."
Naro erwiderte ihr Lächeln und vollzog mit der nächsten Frage einen unerwarteten Themenwechsel. "Hast du dich mit der Tatsache, ein Psiwesen zu sein, angefreundet?" Unwillig stöhnte Red: "Ach hör auf! Das hatte ich so schön verdrängt. - Ich soll ein Psiwesen sein? Das ist lächerlich. Wie soll ich das meiner Mutter erklären? Das ist fast, als ob ich schwanger bin!"
"Psikräfte zu haben, ist wie schwanger sein?", wunderte sich Naro. Red nickte sofort. "Ja, grundsätzlich ist es die gleiche Situation. Ich stelle fest, dass ich schwanger bin. Ist eindeutig nachweisbar, bleibt trotzdem surreal. Die ersten Anzeichen sind schwach - ignorierbar. Real wird es erst, wenn der Bauch wächst oder das Kind anfängt zu treten. Dann weiß man es, weil es da ist - weil es echt ist. Verstehst du?" Erwartungsvoll blickte sie Naro an.
"So grob.", antwortete er verwundert und fragte dann, "In welcher Phase deiner Schwangerschaft befindest du dich gerade?" Lachend antwortete Red: "Durch Bez und Galias Ansprache habe ich schlagartig die ersten fünf Kilo zugelegt. Ich ahne, dass es nicht zu ändern ist, hoffe aber weiterhin auf eine bessere Erklärung."

Die Station hatten sie schnell gefunden, sich aber nur sehr langsam genähert und die Scanner abgeschirmt arbeiten lassen. Trotz des ruhigen Eindrucks, den die Lage vor Ort vermittelte, beschlossen sie größtmögliche Vorsicht walten zu lassen und gingen für einige Zeit auf Warteposition. In der Zwischenzeit hatte Red Leight Mexilas Quartier übernommen. Sie lag auf dem Bett und grübelte. Ihre Zeit auf Quosos, Naros Heimatplaneten, kam ihr in den Sinn.
Quosos ist ein wilder Planet mit rauem Klima. Jeder, der dort ohne technische Hilfsmittel im Freien überleben will, wird vor eine schwierige Aufgabe gestellt. Daher führen elitäre sowie militärische Anwärter auf diesem Planeten - genau wie auf dem ebenso unwirtlichen Zentralplaneten des Dschju-Systems namens Aruczjia- mehrere Geländeübungen durch.
Kurz vor dem Abschluss hatte Red das 30-tägige Überlebenstraining auf Quosos absolviert. Die Tatsache, dass auf diesem riesigen Planeten, trotz der ungünstigen äußeren Bedingungen, eine technisch hochentwickelte Zivilisation entstanden war, faszinierte sie. Von Quosos drifteten Reds Gedanken zu ihrem eigenen Heimatplaneten.
'Das Klima auf der Erde ist viel angenehmer, die tektonischen Ereignisse sind selten und gut vorhersagbar, die Wetterlage ausgeglichen und trotzdem ist der Planet heute unterbesiedelt, in der Koalition völlig bedeutungslos - und das, obwohl es die Heimatwelt der Menschen ist. Eigentlich schade, aber bei der Größe der drei Sria-Kolonien kann man den Ursprung schon übersehen. Hübsch ist meine kleine, blaue Kugel trotzdem - auch wenn das weder Touristen noch Piraten interessiert. Wir liegen einfach zu weit weg vom Schuss - und irgendwie auch am falschen Rand. - Sehr erstaunlich, dass man für diese Gruppe sogar zwei Erdlinge ausgegraben hat - vielleicht aus Artenschutzgründen. - Ach naja, das Universum ist ein eigenartiger Ort. Hübsche, blaue Kugeln werden vergessen und ungemütliche, stürmische Klötze steigen zur Bergbau-Supermacht auf. Seltsam.'
Quosos gehört mit den riesigen Rohstoffvorräten, der fortschrittlichen Technologie und dem stabilen politischen System zu den Mächtigen der Koalition. Die Regierung bleibt bei Streitigkeiten anderer Völker neutral und wird im Allgemeinen geschätzt. Quosoen gelten als harte Arbeiter und unbestechliche, ehrenhafte Geschäftsleute mit einem äußerst konservativen, bodenständigen Lebensstil. Individualität gilt viel, ordnet sich im gesellschaftlichen Leben allerdings uralten Regeln und Absprachen unter. Auf dem Planeten gibt es grob unterteilt zwei Rassen - dunkelhäutige, stämmige und eher menschengroße Wesen auf dem südlichen Kontinent sowie den größeren, schlanken und hellhäutigen Typus der nördlichen Breiten. Beide Rassen haben sich im Laufe der Jahrhunderte munter vermischt und sind in der Zwischenzeit kaum mehr voneinander zu trennen. In den meisten Familien treten beide Typen in unterschiedlichsten Ausprägungen auf. Verlassen Quosoen ihren Planeten, gelten sie als offen, unvoreingenommen und umgänglich. Dies zeigt sich auch bei der Wahl ihrer Fortpflanzungspartner, weshalb Quosoenmischungen im bewohnten Teil des Universums keine Seltenheit darstellen. Reds Überlegungen waren mittlerweile von Quosos über Sinan, ihrem quosoischen Liebhaber aus der Waffenkammer, zu Comander Lead gewandert.
'Ob Lead uns schon bemerkt hat? Eigentlich sollte er. Doof ist er ja nicht. - Was er uns wohl erzählen wird? An der Akademie haben ihn alle respektiert, aber hier bin ich die einzige Elitäre. Die anderen verbindet mit dem Comander nichts. Außerdem können die Neun mit Elitären nichts anfangen, wollen Fakten hören. Denen kann Lead nicht befehlen die Klappe zu halten, so wie mir...'
Im Moment stellte Red den Respekt vor ihrem Ausbilder in Frage. Die dauernden Andeutungen und Spekulationen hatten Spuren hinterlassen. Comander Lead schien ein Verräter zu sein, auch wenn ihr nicht klar war, wen oder was er verraten sollte.
Die ganze Koalition zu hintergehen, fand Red merkwürdig. Im Moment gab es keine Feinde, die diesem Bündnis schaden wollten. Wer aus persönlichen Gründen mit dem System nicht klar kam, ging ins Außerhalb und konnte dort unbehelligt leben. Es gab Unmengen an Touristenflügen, umfangreiche Handelsbeziehungen und die Grenzkontrollen beschränkten sich auf ein erträgliches Maß.
Zwar traten zwischen den Mitgliedern der Koalition regelmäßig Spannungen auf, doch aktuell herrschte Eintracht. Vorhandene Konflikte waren minimal oder hatten sich in den Hintergrund verlagert. Außerdem repräsentierten acht der zehn Erwählten die mächtigsten Mitglieder des Koalitionsrates - Quosos, das Dschju-System, das Xamarreich, das Dragu-System mit Streslar und dem Tekkaru-Bund, die drei Sria-Kolonien sowie Legato. Obwohl diese acht Erwählten die Koalition eher kritisch betrachteten, traten sie den eigenen Regierungen gegenüber loyal auf.
Der Gedanke, dass der Koalitionsrat von alle wichtigen Mitglieder gleichzeitig verraten wurde, schien abwegig zu sein.
'Warum sollte jemand die Koalition betrügen? Warum mit so einer zusammen gewürfelten Gruppe? Nichts ergibt einen Sinn!'
Die Logik hinter dieser Operation wollte sich Red nicht erschließen. Die Auswahl der Beteiligten barg ein hohes Risiko. Ihrer Meinung nach boten weniger geniale Leute, die sich kannten und an Zusammenarbeit gewöhnt waren, mehr Aussicht auf Erfolg.
'Wer braucht diese Gruppe von Genies? Weshalb bin ich dabei? Wenn elitäre Offiziere notwendig sind, warum nicht jemand mit Erfahrung? Jemand wie Ben wäre viel besser geeignet.'
In jedem Fall mussten die Organisatoren über viel Einfluss und Macht verfügen, denn anders wäre diese Einführung nicht zu verschleiern gewesen. Sowohl die Landung der Piratenschiffe als auch die Nutzung einer stillgelegten Station hätten, nach Reds Einschätzung, längst Schiffe der Koalitionstruppen anlocken müssen.
'Verschwörung klingt für mich am vernünftigsten. - aber gegen welches Machtzentrum? Welche Rolle spielen wir? Sehr terroristisch wirkt keiner von uns. Auf jeden Fall müssen die Drahtzieher handfeste Gründe liefern, damit meine Begleiter sich an diesem Spielchen beteiligen. Aus reiner Freundlichkeit und Selbstaufopferung geschieht bei denen bestimmt nichts, und das man die allein mit Kristall locken kann, glaub ich nicht. - Und was ist mit mir? Hmm, naja, solange Comander Lead da ist, werd ich mich nach ihm richten. Ja, ich denke, das ist gut. Hält mich auf der sicheren Seite.'
Red freute sich darauf, Comander Lead wiederzusehen und ihm endlich all diese Fragen stellen zu können. Sicher war, dass Ausflüchte und Floskeln den Mann beim nächsten Treffen nicht sehr weit bringen würden. Dazu war in den letzten Tagen zu viel geschehen, was dringender Klärung bedurfte.

In den letzten Stunden hatten sich Probleme ergeben, vor denen die Eingeweihten nicht mehr die Augen verschließen konnten. Sie wurden zum Eingreifen gezwungen, wollten jedoch das Gesamtprojekt nicht gefährden. Regier Dschrib Jen - Swon Dschribs Vater und Führer des Jen-Clans - hatte dabei die entscheidende Rolle übernommen. Unter dem Deckmantel einer Militärübung verschiedener Clans veranlasste er die Absicherung Trinitas und verhinderte damit Einmischung von außen. Gleichzeitig fehlten jedoch Informationen zu den Vorgängen auf der Trinitas Oberfläche. Dort war Comander Arogada Lead die einzige, direkte Kontaktperson der Eingeweihten.
Regier Dschrib Jen hatte den Mischlingsmann als zuverlässigen, fähigen Offizier kennengelernt und ging deshalb - nachdem der dritte Termin für eine Rückmeldung ereignislos verstrichen war - von ernsten Schwierigkeiten mit den Bündnispartnern aus. Dschrib Jen ahnte, dass nicht der Fjuro die Probleme verursachte. X-Rag hatte seine Leute im Griff, sah sich eher als Geschäftsmann und galt nicht als unverhältnismäßig gewalttätig - ganz im Gegenteil zu Adun Brachib. Als Sicherheitsbeauftragter seiner Regierung hatte Regier Dschrib Jen die Mitglieder des Brachib Clans gejagt und zu seinem Leidwesen kannte er auch Adun Brachib persönlich. Erst nach etlichen Beratungen, Absicherungen, einer Abwägung der Alternativen und dem zunehmenden Druck der anderen Eingeweihten hatte Dschrib Jen der Teilnahme des Ehrlosen zugestimmt. Trotz dessen - und obwohl keiner der Angeworbenen die wahren Ziele oder Hintergründe dieser Operation kannte - sah Dschrib Jen in dem äußerst brutal agierenden Adun Brachib ein unkalkulierbares Risiko.
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'Verdammt, schon wieder läuft was schief! Kein Schutzschild? Das komplette Sicherheitssystem ausgeschaltet? Comander Lead nirgendwo zu finden? Wer weiß, ob er überhaupt noch auf diesem beschissnen Planeten ist!'
Red und Sirius durchsuchten das oberste Level der Station. Hier befanden sich ausschließlich ungenutzte Quartiere genau wie auf den beiden Etagen darunter.
Sirius trat aus dem letzten Raum. "Nichts verdächtiges." Red erwiderte mürrisch: "Was hast du erwartet? Die Unterkünfte wurden niemals benutzt. Wer kommt auch freiwillig nach Trinita?" Ihre Stimmung war nicht die Beste, aber Sirius blieb gelassen: "Da wir nicht wissen, wonach wir suchen, können wir keinen Ort ausschließen."
Er hatte recht, trotzdem wollte Red nicht zustimmen und schwieg deshalb. Sirius musterte sie prüfend. "Lass deine schlechte Laune bitte nicht an mir aus. Ich kann nichts für den Ärger."
Die Offenheit irritierte Red. Sekundenlang erwiderte sie den aufmerksamen Blick. "Ist nicht deine Schuld. Ich weiß, aber..", der Frust ließ sich nun nicht mehr aufhalten, "...jedes Mal, wenn ich denke alles läuft besser, gibt es neue Probleme - und dabei hasse ich Überraschungen.", ihre Stimme wurde lauter, "Frisch von der Akademie schickt mich irgendein blöder Idiot mit neun Fremden auf einen einsamen Planeten. Im Nachhinein war das der beste Teil und ich hätte mich daran gewöhnen können, aber Nein - wir werden durch endlose Höhlen geschickt, in denen Prekrus lagert!", hilflos hob Red die Arme, "Zuerst bin ich fast tot, aber dann laufe ich bereits durch Steppen, Wälder - hungrig und durstig. Es stellt sich heraus, dass ich mich als einzige echte Koalierte unter - tut mir leid - einem Haufen koalitionsfeindlicher Überflieger mit ausgeprägten Egoproblemen befinde.", ein strafender Blick traf Red, den sie geflissentlich übersah, "Damit hätte ich umgehen können. Wirklich. Wenn da nicht plötzlich Piraten aufgetaucht wären, die einfach zwei meiner Genies klauen - und genau, du warst ja auch verschwunden!", eilig schnappte Red nach Luft und spurtete weiter, "Ich lege mich mit einer verrückten Mischlingsfrau an, die mich in weniger als fünf ZEs killen könnte. Andauernd gibt es Streitigkeiten, ewigen Diskussionen und andere unschöne Sache. Ich werde angeschossen, aber darf endlich kämpfen. - Ja, kämpfen ist gut. Das baut Frust ab. Mit viel Glück und ohne Verletzte retten wir die Frauen. Auf einmal bin ich zwar ein Psiwesen, aber zumindest haben wir ein Schiff erbeutet.", Red grinste den überrannt wirkenden Sirius an, "Das Schiff war gut - sehr gut und vor einer Stunde habe ich mich auf ein paar Antworten gefreut, aber Nein - dämliche Überraschungen! Schon wieder! Langsam hab ich die Schnauze gestrichen voll!"
Schlagartig stoppte Red, atmete tief durch und fühlte sich seltsam erleichtert. Sanft strich Sirius ihr einige Haarsträhnen aus dem Gesicht. "Geht es dir jetzt besser?" Sie nickte stumm. Freundlich musterte Sirius Red. "Denkst du uns geht es anders?" Sie senkte die Lider. Ihre Stimme wurde leise. "Mal abgesehen von dem Problem elitär zu sein, vermutlich nicht. - Nein, vermutlich nicht wesentlich besser."
"Keiner weiß, was los ist. Am wahrscheinlichsten war es, dass du Bescheid weißt." Jetzt verschränkte Red die Arme und erwiderte trotzig. "Weshalb? Weil ich elitär bin?" Auf dem bronzefarbenen Gesicht erschien ein wissendes Lächeln. Die schwarzen Augen beobachteten Red unablässig. "Zufällig hat Fries gesehen, wie du in Leads Quartier verschwunden bist. Für eine schnelle Nummer oder ein paar Absprachen hätte es gereicht."
Entrüstet schnappte Red nach Luft. "Eine schnelle Nummer?! Mit Lead?! Bähh, das ist abartig! Der ist doch viel zu alt und mein Ausbilder! Ein viel, viel, viiiel zu alter Ausbilder!"
Lachend meinte Sirius: "Dann also Absprachen?" Nur mit Mühe überwand Red die unangenehme Vorstellung, schaffte es halbwegs gefasst zu erklären: "Nein, keine Absprachen. Ich wollte Informationen, aber der Comander hat nichts hilfreiches erzählt. Fertig."
'Mir reicht's! Wenn er meine Laune verschlechtern wollte, hat er's geschafft. Dankeschön und bis bald! Hab genug von diesen Leuten!'
Red wandte sich ab und wollte gehen. Sirius hielt ihren Arm. "Bist du böse?" Sie drehte sich nicht um. "Nicht mehr als vorher. Wenigstens bist du ehrlich."
"Schau mich bitte an."
Die Worte klangen versöhnlich. Langsam wandte Red sich um. "Ich glaube nicht, dass du mehr weißt als wir." Störrisch schaute Red ihn an. "Das ist schön für dich, ändert aber nichts!"
"Sei bitte nicht stur. Ich wollte dich nicht ärgern." Red blieb mürrisch. "Nicht ärgern?! Aber hältst mir vor, dass ich Sex mit dem Comander habe? Aha!" Strafende Blitze prasselten Sirius nieder. Erstaunt fragte er: "Das Sexding regt dich auf? Nicht die Vermutung, dass du uns ausspionierst?"
Red schüttelte den Kopf. "Nein, denn das Ausspionieren kann ich nachvollziehen. Da ihr vermutet, dass die Koalition dahintersteckt, ist das naheliegend.", ihre Miene verfinsterte sich, "Aber diese schnelle Nummer - das ist unverschämt, beinahe ekelhaft! Für was haltet ihr mich?!"
'Wie kommen die bloß darauf? - Naja, eigentlich kann ich mir das genau vorstellen. Die sitzen zusammen und stellen sich vor, wie ich den Comander ficke, denn ich bin ja eine Elitäre und die sind bekanntlich willig! - Ojeee, das ist erniedrigend! Dieser perverse Haufen!'
Langsam näherte sich Sirius nun, legte freundschaftlich einen Arm um Reds Schulter. "Tut mir leid, Leutnant! Tut mir ehrlich leid.", sagte er leise. Seine Fingerspitzen strichen über ihren Hals.
'Hu, hab ich was verpasst? Was macht der da? Meinen Nacken streicheln? Wieso? Weiß er, dass ich darauf stehe? - Kann nicht sein! - Aber, mmh, sehr angenehm. Kribbelt so lust.... - Moment mal, der kommt ja immer näher! Der will mich küssen!'
Zärtlich berührten sich die Lippen, während Sirius ihre Hüfte umfasste. Zuerst gefielen Red die harmlos scheinenden Berührungen und sie ließ es geschehen.
'Hmm, er küsst gut. Mmh, sehr gut. - Ahh, aber jetzt, die Zunge - ohhh, ahhh - und natürlich Hände direkt unters Shirt. War klar!'
Sirius streichelte über nackte Haut, ging jedoch weniger zielgerichtet als Greg vor. Da seine Art durchaus reizvoll war, beschloss Red das Geschehen einige Momente laufen zu lassen. Als die Küsse jedoch zunehmend fordernder wurden und seine Fingerspitzen schließlich am Ansatz ihrer Brüste angelangt waren, beendete sie die Sache abrupt. "Oh, Sirius Pela, hör sofort auf! Ich bin zwar elitär, aber deswegen noch lange nicht dauergeil! Passt vielleicht nicht in euer Weltbild, ist aber so!"
"Dauergeil? Interessante Wortwahl." Der spöttische Tonfall nervte Red. Stöhnend schüttelte sie den Kopf. "Ach, lass mich einfach in Ruhe! Ich hab keine Lust auf diese Unterhaltung! Scheiß auf euch alle!"
Damit wollte Red verschwinden, aber wieder hielt Sirius sie zurück. "Lauf bitte nicht weg, Red. Wenn du nicht willst, geht das in Ordnung. Ich probier's nicht mehr. Versprochen!", schnell schob er nach, "Diesen einen kleinen Versuch darfst du mir nicht übel nehmen. - Bitte, Red. Ich will keinen Streit mit dir!"
Verwirrt musterte sie den Comtechniker. Das unverständliche Gefühl, ihm verzeihen zu wollen, meldete sich. Zögerlich begann Red: "Wieso - so ganz grundsätzlich..." Sie unterbrach sich. Mehrmals tief durchzuatmen, wirkte beruhigend und beim nächsten Versuch schimmerte eher Neugier als Ärger durch ihre Worte. "Wieso willst du in dieser beschissnen Situation Sex haben? Bei den vielen Problemen komm ich überhaupt nicht auf die Idee." Sirius zuckte mit den Schultern. "Vögeln entspannt, macht den Kopf frei, baut Stress ab. Passt hervorragend."
'Entspannt. - Ja, gut... das klingt jetzt gar nicht mal so ganz abwegig. Naja, trotzdem - ich ficke keinen Fremden, um Stress abzubauen! Bleibt eigenartig - aber jedem das seine, wie Oma immer gesagt hat.'
Nach einigen ruhigen Sekunden begann Red verständnisvoll: "Das ist irgendwie sogar nachvollziehbar und es tut mir leid - ich meine, Stress abbauen ist wichtig - so wie bei mir eben. Da hast du mir zugehört, doch für mich... ähm..."
Red stoppte, ordnete ihre Gedanken. Sirius begann zu grinsen, während sie aufmunternd fortfuhr: "Also ich kann dir dabei zwar nicht helfen, aber - naja - da sind andere Frauen - und Männer. Vielleicht entspannt einer auf die gleiche Weise. - Ja, bestimmt tut das einer von denen. Da bin ich mir sehr sicher."
Als Red ein ermutigendes Lächeln aufsetzte, konnte Sirius das Lachen nicht zurückhalten. Nach einer Umarmung und einem schnellen Kuss, zog er Red weiter. "Komm, wir erstatten Bericht.", sie bekam ein weiteres Küsschen auf die Wange und er erklärte, "Um meine Entspannung brauchst du dir keine Sorgen zu machen. Damit komme ich klar."
Red grinste verlegen. Die unerwartete Zutraulichkeit hatte sie sprachlos werden lassen. Plötzlich stoppte Sirius und erkundigte sich prüfend. "Aber zu alt bin ich dir nicht?" Lächelnd schüttelte Red den Kopf. "Nein, du bist nicht zu alt und kannst gut küssen." Nach einem zufriedenen Nicken setzten die Beiden den Weg fort. "Eventuell sprechen wir später nochmal über Stressabbau. Nach Trinita vielleicht?" Mit einem leichten Grinsen nickte Red. "Ja, meinetwegen."
'Sprechen können wir über einiges, mein Freund - obwohl - nun ja, direkt schlimm war sein Versuch nicht. Küssen kann er auch. Vorher dachte ich, dass der Mann ein bisschen schüchtern ist. Ein ganz Braver. Da hab ich mich wohl getäuscht, denn eigentlich scheint er genau wie der blöde Toms zu sein - aufdringlich - nur irgendwie charmant und lieb dabei. Das kann man von diesem dämlichen Toms wahrlich nicht behaupten! Gar nicht! Kein bisschen!'
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"Leutnant Leight, kannst du die vorliegenden Umstände erklären?", fragte Swon, nachdem sich alle im Konferenzraum eingefunden hatten. Red blickte erstaunt auf.
'Hä, wieso ich?'
Kopfschüttelnd senkte sie den Blick und schwieg. "Unserem hochrangigsten Koalitionsoffizier fällt nichts dazu ein? Darf ich deine Reaktion so interpretieren?", triumphierte Swon und erkundigte sich weiter, "Möchten andere Anwesende vielleicht Vermutungen äußern?"
'Dieses eingebildete Weib...'
Red überlegte gerade sich zu revanchieren, als Naro das Wort ergriff: "Ich will zuerst ein anderes Thema ansprechen." Swon fragte kühl: "Welches?"
Naro erhob sich und formulierte ohne Eile: "Keiner von uns weiß, weshalb wir hier sind. Dessen bin ich mir inzwischen sicher. Trotzdem zwingen uns die Ereignisse zur Zusammenarbeit.", er ließ seinen Blick durch den Raum schweifen und setzte fort, "Vor gut sieben Tagen haben die meisten von uns sich zum ersten Mal getroffen. Ich für meinen Teil muss gestehen, dass die folgende Zeit ausgesprochen turbulent war und voller unerwarteter Ereignisse steckte.", ein leichtes Lächeln erschien, "Glücklicherweise haben wir alle bisherigen Herausforderungen erfolgreich bewältigt. Wir leben - und diesen Zustand würde ich gerne erhalten."
Naro stützte sich auf dem Tisch ab. Seine Stimme wurde eindringlicher. "Ohne D-Antrieb können wir den Planeten nicht verlassen. Interstellare Kommunikation funktioniert nicht. Gleichzeitig kündigen sich neue Schwierigkeiten an. Ehe wir diese Geschichte endgültig hinter uns lassen, wird vermutlich noch einige Zeit ins Land gehen."
Langsam streiften die durchdringenden, grauen Augen jeden Anwesenden. Sein Tonfall wurde streng. "Entscheidend ist, dass wir gemeinsam am schnellsten Lösungen finden. Unsere Fähigkeiten ergänzen sich und nutzen wir diese Tatsache, erhöhen sich die Chancen auf ein positives Ende."
Die folgenden Worte hingen überdeutlich im Raum. Selbst nicht empathische Wesen spürten den Unmut dahinter. "Voraussetzung dafür ist, dass wir uns für eine Weile wie die Fachleute benehmen, die wir sind! Dies bedeutet im Einzelnen, dass Dispute geklärt beziehungsweise - wenn dies unmöglich scheint - vorerst übergangen werden! Beschränkt eure Kommunikation auf sachliche Gespräche! Versucht Lösungen zu finden! Kündigt sich ein Streit an, der nicht mit unseren Problemen zusammenhängt, schweigt einfach! Das klingt für einige vielleicht kompliziert, hilft aber! Wir wollen keine Freunde werden, sondern diese Sache heil überstehen. Damit ist es zu eurem eigenen Vorteil, wenn ihr euch in Zukunft an diese simplen Regeln haltet. Vielen Dank!" Mit einem abschließenden Nicken in Swons Richtung setzte sich Naro.
Red starrte die Computerkonsole an. Vor allem am Ende hatte sie sich angesprochen gefühlt. Selbst Swon erschien für einen winzigen Moment schuldbewusst, während sie Naro nachdenklich betrachtete. "Jeder will möglichst schnell und unbeschadet ins eigene Leben zurück. Daher fangen wir am besten an, die Schwierigkeiten aus dem Weg zu räumen!", stimmte sie dem Quosoen auf ihre Art zu.
Danach begann der eigentliche Versuch, Erklärungen und Lösungen zu finden. Fakten wurden zusammengefasst, Theorien aufgestellt und das weitere Vorgehen diskutiert. Sicher schien, dass Comander Leads Verschwinden nicht geplant gewesen war. Seine Kabine wirkte bewohnt. Die persönliche Habe genau wie sämtliche Waffen lagen an Ort und Stelle. Obwohl Anzeichen für Gewalt fehlten und ein paar Beteiligte die Schuld nur zu gern, elitären Offizieren zu schieben wollten, konnte eine erzwungene Abreise nicht ausgeschlossen werden. Sicher war, dass sie, um endgültige Entscheidungen treffen zu können, mehr Informationen benötigten, und dafür sahen Mexur und die beiden Techniker nur einen Weg,
Auf Koalitionsstationen zeichneten Computer jede Systembenutzung nach festen Regeln auf und erzeugten automatisierte Protokolleinträge. Weil diese riesigen Datenmengen jedoch nur lokal und nicht über Netzwerke abrufbar waren, würde eine detaillierte Auswertung viel Zeit in Anspruch nehmen. Auf die Schnelle hatten Greg und Mexur erste Protokolleinträge durchforstet und dabei gesehen, dass inzwischen zahlreiche Wesen die Station besucht hatten. Daher entschloss sich die Gruppe ohne größere Diskussion die notwendigen Arbeiten durchzuführen. Gleichwohl bestand Swon darauf, die Station abzusichern. Nach der allgemeinen Zustimmung teilten Naro und Swon Arbeitsgruppen ein.
Naro, Swon und Sirius begaben sich in die Zentraleinheit, die auf einer Station der Brücke eines Schiffes entsprach. Mexila, Galia und Bez befassten sich mit den Eingangsportalen, Aufzügen und Kabinensystemen, wie Nahrungsverteilern oder Reinigungsroutinen. Die Behandlungsräume wurden Fries überlassen. Mexur bekam das Zwischendeck, welches neben der Zentraleinheit den zweiten technischen Knotenpunkt der Station darstellte. Die Protokolle der Dockanlagen sollten Greg und Red untersuchen.
Obwohl Red von dieser Einteilung nicht unbedingt begeistert war, konnte sie die Entscheidung nachvollziehen. Das Landungsdeck mit den Dockanlagen war weitläufig und komplex. Als Schiffstechniker kannte Greg Toms sich gut damit aus und auch Red selbst hatte eine solide Ausbildung in diesem Bereich erhalten. Elitäre Offiziere sollten technische Gegebenheiten beurteilen, notwendige Arbeiten veranlassen, beaufsichtigen und im Zweifelsfall selbst durchführen können. Ohne umfangreiche Anleitung würde Red die komplizierten Protokollroutinen der Docks verstehen und konnte sofort eigenständig arbeiten.
Im Moment der Verkündung lag alle Aufmerksamkeit auf den beiden Menschen. Während Greg mit stoischer Miene nickte, gab Red einen grummeligen, aber dennoch zustimmenden Laut von sich. Dabei ließ sie die kleine Tischkonsole nicht aus den Augen und hoffte inständig, dass dieser Tag bald vorbei war.
'Beim Arbeiten ist es egal, wenn wir alleine sind, denn mein Plan steht. Ich lasse mich nicht ärgern, konzentriere mich auf meine Aufgabe und beschränke mich auf sachliche Gespräche. Wie Naro gesagt hat - einfach nicht streiten! Ja, das klingt gut. Sehr gut!'
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Schweigend folgte Red dem Techniker. Ihr Blick hing an seinem Rücken.
'Ich frage mich, warum er die Koalition nicht mag. Ich denke, es ist was persönliches, aber vielleicht täusche ich mich auch. Als elitärer Offizier habe ich auf jeden Fall verloren - mal abgesehen von dieser dämlichen Sex-Sache natürlich. Aber gut, Naro hat recht. Im Grunde hab ich gar nichts gegen den Mann. Gut, Greg ist stur und voreingenommen, aber auch ein bisschen clever, nicht feige und - in den Höhlen hat er mir das Leben gerettet. Das bleibt auf jeden Fall und ich will nicht mehr streiten. Wenn alles vorbei ist, seh ich ihn eh nie wieder. Da lohnen sich solche dämlichen Debatten überhaupt nicht.'
"Was soll ich tun?", fragte Red bemüht emotionslos. Seine Reaktion wirkte unterkühlt, aber sachlich. "Geh die allgemeinen Aufzeichnungen durch. Ich muss wissen, wann welche Schiffe welche Docks benutzt haben." Nickend trat Red an das Überwachungsterminal. Als Greg sich in Bewegung setzte, fragte sie schnell: "Wo finde ich dich?" Ohne den Schritt zu bremsen, rief er: "Der Platz deines Comanders - Nr. 117."
"Lead ist nicht mein Comander.", murmelte Red mürrisch, nachdem Greg verschwunden war, und begann sich durch die Datenmengen zu kämpfen. Tatsächlich waren zahlreiche Schiffe unterschiedlichster Art gelandet und wieder abgeflogen.
Als Red die notwendigen Informationen auf einer Vdisk gespeichert hatte, schloss sie die Holoanzeigen des Überwachungsterminals, welches die Kopfseite der Dockanlage bildete und direkt an das Stationsgebäude grenzte.
Die einzelnen Docks unterschieden sich in der Bauweise teils erheblich, denn Standards waren in der Koalition schwer durchzusetzen. Jedes Volk bestand auf eigenen Entwicklungen, weshalb Modelle unterschiedlichster Größen und Gewichte genutzt wurden. Auch Kopplungen und Landeeigenschaften stimmten selten überein. Eine Koalitionsstation bot jeder bekannten Schiffskategorie mindestens einen Andockplatz, den häufigeren Typen entsprechend mehr. Zusätzlich gab es eine Reihe umrüstbarer Anlagen. Deren moderne Versionen waren heute auf allen Stationen üblich, was die Anzahl verschiedenartiger Dockplätze erheblich reduziert hatte.
Die Station von Trinita, welche vor mehr als einem halben Jahrhundert errichtet worden war, besaß mit 200 Docks für 88 unterschiedliche Schiffstypen gerade einmal die zu Bauzeiten vorgeschriebene Mindestzahl an Landeplätzen. Red benötigte einige Zeit, ehe sie das verwirrende System der schwarzen Nummern durchschaut hatte und den Weg zielstrebiger fortsetzen konnte. Platz 117 war für kleine Schiffe mit Erdunionskopplung ausgelegt. Dazu gehörten Fähren, Jäger und leichte Kreuzer.
Vertieft arbeitete Greg an einer Holoanzeige. Für ein paar Augenblicke beobachtete Red ihn, bevor sie sich meldete: "Hier, bitte. Die Daten."
Greg blickte kurz auf und nahm die Vdisk. "Hm, gut." Einige Zeit konzentrierte er sich auf den Inhalt. Reds Augen hingen an seinem Gesicht, doch es zeichnete sich keine Regung ab. "54 benutzte Plätze sind eine ganze Menge für eine stillgelegte Station."
"Eine große Gruppe kam an dem Tag, als Lead uns in die Höhlen geschickt hat, eine weitere landete gestern.", erläuterte sie nüchtern, "Außerdem gab's elf Einzelflüge - wahrscheinlich die Schiffe, die uns gebracht haben und der Comander an 117. Er ist einen Tag vor uns angekommen." Ohne Aufzublicken fragte Greg: "Die anderen Docks sind nicht betriebsbereit, richtig?"
"Nur die 54 sind aktiv.", bestätigte sie. Greg kopierte die Daten, schaltete die Vdisk ab und musterte Red nachdenklich. "Wir überprüfen alle Schiffe genauer.", er wandte sich der Konsole zu, "Ich beginne mit den Großdocks, du fängst bei den Kleinen an." Obwohl Greg mit dem Rücken zu ihr stand, nickte Red stumm und entfernte sich.
Nach vier Stunden hatten Red und Greg sämtliche Logdateien durchgeschaut, standen nun am Überwachungsterminal und ordneten die gesammelten Informationen. Am wenigsten überraschend waren die zehn Fähren, die sie auf Trinita abgesetzt hatten.
Als die Gruppe durch die Höhlen streifte, waren 44 Schiffe gelandet und am gestrigen Abend kamen 25 Schiffe, wobei nach einigen Stunden 26 die Station verließen. Die Bautypen, Gewichte sowie Kopplungen unterschieden sich deutlich. Kein Modell existierte zweimal. Vor dem Abflug wurde jedes Schiff betankt und einige beladen, wobei Angaben zu den Gütern fehlten.
Auffällig - und in diesem Punkt glichen sich die Schiffe dann doch - war die starke Bewaffnung, die den Standard der Koalition bei weitem überschritt. Neben üblichen Laserkanonen und Schallern gehörten untypische Hochenergiestrahler und Raumtorpedos zur Ausrüstung. Auch die in der Koalition verbotenen Raumminen registrierten die Scanner.
"Die Piraten haben Comander Lead entfü...", Red unterbrach sich, "...mitgenommen." Die Worte waren ihr herausgerutscht, während die Erkenntnis durch den Kopf schoss. Gregs Antwort fiel zwar sachlich aus, klang allerdings nicht besonders freundlich. "Dafür gibt's keinen Beweis. Wir wissen nicht, ob die Schiffe den Piraten gehörten. Lead kann die Station auch freiwillig verlassen haben."
'Sturer Kerl! Wer soll's denn sonst sein? So ein bunt zusammengewürfelter Haufen. - Keine einzige Gemeinsamkeit - außer die illegale Bewaffnung! Das war nichts offizielles - kein koalierter Kampfverband und auch keine andere Streitmacht.'
Der Leutnant versank in Grübelei. Unruhe und Sorge breiteten sich aus.
'Gestern Abend hat Comander Lead die Station verlassen - zusammen mit den 25 Schiffen. Das waren die verdammten Piraten! Zeit, Anzahl und Bewaffnung - alles passt! Die waren hier, als wir Galia und Bez befreit haben - und sicher ist der Comander nicht freiwillig mit. Nein, das glaube ich nicht!'
Eine winkende Hand vor der Nase riss Red aus den Gedanken. Amüsiert meinte Greg: "Willkommen in der Realität." Verwundert erwiderte sie seinen Blick.
'Klang er gerade freundlich? Nein. Seltsam.'
Ohne auf seine Worte einzugehen, konzentrierte Red sich wieder auf den Holoschirm. Greg beobachtete die Elitäre eine Weile und meinte schließlich: "Lass uns gehen. Die warten sicher." Auf dem Weg in den Konferenzraum herrschte Schweigen, bis Red es nicht mehr aushielt. "Bestimmt waren die Piraten gestern hier. Das passt doch."
"Hast wahrscheinlich recht.", meinte Greg kurz, wobei er das darauffolgende, verdutzte Gesicht des Leutnants nicht zu bemerken schien. Red war sprachlos. Während sie ohne Eile den Weg fortsetzten, wanderten ihre Augen immer wieder argwöhnisch zu Greg. Schließlich fragte sie vorsichtig: "Fühlst du dich gut? Gesund?"
'Vielleicht wird er krank. Dann mag ich auch nie streiten und Diskussionen sind egal.'
"Gesund? Ja. Wieso?" Greg wirkte sichtlich irritiert, weshalb Red entschuldigend murmelte: "Weiß nicht. Bist merkwürdig." Ein Zuruf unterbrach das Gespräch. "Hey, ihr Technikexperten, beeilt euch! Wir warten." Am anderen Ende des Ganges hatte Bez den Kopf aus dem Konferenzraum gesteckt.
'Hu, Glück gehabt, Red! Bis dahin lief alles so gut. Keine persönlichen Gespräche! Erst denken und dann reden, dummes Mädel! - Nun ja, aber er war wirklich ungewöhnlich freundlich auf einmal.'
Red wusste, welches Prozedere jetzt folgen würde. Die gesammelten Informationen mussten vorgetragen, ausgewertet und zu einem möglichst passenden Bild zusammengesetzt werden. Das würde Zeit kosten - viel Zeit.
Bez, Galia und Mexila begannen. Obwohl Red wusste, dass diese Besprechung notwendig war, fiel es ihr schwer konzentriert zu bleiben. Die Sorge um Comander Lead wuchs.
'Ob es dem Comander gut geht? Ich hoffe es. Er würde niemals freiwillig mit einem ehrlosen Dschju verschwinden, denke ich - oder hätte ich vor einer Woche gedacht. Alles ist so seltsam.'
Gerade erläuterte Bez, dass am Tag ihres Verlassens 152 und am gestrigen Tag 63 verschiedene Wesen das Eingangsportal der Station passiert hatten.
'Vielleicht hatte Lead etwas zu verbergen? - Naja, doofe Frage! Sicher hatte Lead was zu verbergen, aber sich mit Raumpiraten einzulassen? Was sollte einen elitären Comander dazu bewegen? - Verrat? Jugendlicher Leichtsinn? Haha! - Ach Scheiße, Piraten hassen Koalierte. Der Comander muss doch wissen, dass so was gefährlich ist - und ich will wissen, was ist hier los!'
Eine leichte Berührung holte Red zurück. Greg hatte sie unterm Tisch angestupst. Er sagte kein Wort, sah die Elitäre nicht an, doch sie hatte den Wink verstanden und war dem Techniker sogar dankbar für die Unterbrechung.
Gerade berichtete Bez, dass neben C-Wesen auch zwei Drefserkörper - Vertreter der Siliziumwesen - zur ersten Gruppe gehört hatten. Dies, für sich genommen, war bereits ein äußerst ungewöhnlicher Fakt. Zu weit größerem Erstaunen führte jedoch die Tatsache, dass sich unter den Besuchern ein CroinChuc - ein Gaspartikelwesen - befunden hatte. Diese Lebensformen, die den Kontakt zu Körperlichen normalerweise mieden, musste sich verdichten, um von Nicht-Psiwesen wahrgenommen zu werden.
Nach Bez begann Mexila die Protokolleinträge der Nahrungsverteiler und Türsysteme zusammenzufassen. In zwei der leer stehenden Quartiere wurden Verteiler benutzt. In größeren Mengen versorgten sich die Besucher mit Getränken und kleinen Speisen. Da die Reinigungsroutinen keine weitere Nutzung anzeigten, hatten die Wesen offenbar die meiste Zeit im Konferenzraum oder in den Schiffen verbracht.
Ihre zehn persönlichen Unterkünfte wurden während der letzten Tage von niemanden betreten, dagegen besuchte Comander Lead seine Kabine bis gestern regelmäßig.
Fries berichtete, dass ein Großteil der medizinischen Ausstattung fehlte. Bevor sie die Station verlassen hatten, waren alle Notfallreserven komplett gewesen. Des Weiteren wurde während ihrer Abwesenheit das Diagnoseprogramm einige Male benutzt. Behandelt wurden Kopfschmerzen, Verstauchungen und eine Gehirnerschütterung bei Menschen, Mischlingen und einem Fjuro. Die fehlenden Medikamente und Geräte ließen sich damit jedoch nicht erklären.
Dann waren die Dockanlagen an der Reihe. Wie selbstverständlich begann Greg zu sprechen und Red konnte sich ein erleichtertes Lächeln nicht verkneifen. Es störte sie nicht im geringsten, dass er das Reden übernahm.
Den Ausführungen von Mexur und Sirius zu den Protokollen der Zentraleinheit und des Zwischendecks, folgte Red aufmerksam. Erstmals gab es Antworten, die allerdings sofort neue Fragen aufwarfen.

Als Drefser werden alle auf Silizium basierenden Lebewesen bezeichnet. An das Außerhalb grenzend zieht sich deren Lebensraum in Bereiche der Galaxie, die Kohlenstoff-Wesen bisher nie besucht hatten. Daher ist über Größe und Stärke ihrer Reiche so gut wie nichts bekannt. Die Si-Wesen selbst unterscheiden sich erheblich von den C-Wesen. Beispielsweise verteilt sich die Persönlichkeit eines Drefsers auf mehrere Körper, die als Einheit denken und fühlen, auch wenn sie getrennt voneinander agieren. Die Zahl der Körper bestimmt Stärke und Stellung einer Drefser-Persönlichkeit. Über die Fortpflanzung der Si-Wesen wird viel spekuliert. Da augenscheinlich keine Geschlechter erkennbar sind, scheinen Vorgänge wie Klonen oder Teilen wahrscheinlich. Bekannt ist auch, dass es verschiedene Typen gibt, welche sich teils erheblich in Soziologie, Physiologie, Anatomie und Zivilisationsstufe unterscheiden. Trotzdem fällt es C-Wesen schwer, diese Variationen wahrzunehmen, weshalb verallgemeinernd nur von Drefsern gesprochen wird. Derzeit beschränkt sich deren Kontakt zur Koalition auf einen gegenseitigen Nichtangriffspakt und wenige Handelsabkommen im Grenzbereich. Keine der beiden Seiten ist an einer Ausweitung der Beziehungen interessiert, denn zu unterschiedlich sind Kultur und Lebensweise, zu kompliziert die Verständigung. Die Führungen respektieren getroffene Vereinbarungen und ignorieren sich darüber hinaus auf gutmütige Weise.
Quasi nicht existent ist ein Austausch mit den Gaspartikelwesen, den Croin Chuc, deren Name auf die von Drefsern verwendete Bezeichnung zurückgeht. Obwohl in der Vergangenheit vereinzelt Treffen stattfanden, besitzen C-Wesen bis heute kaum Informationen über diese Lebensform. Als sicher gilt, dass sich Croin Chucs ohne Heimatplaneten stetig durch das All bewegen. Ob deren Existenz an Zyklen gebunden ist, ob Croin Chucs geboren werden oder sterben können, ist unbekannt. Vermutet wird, dass ihr Wissen zum Ursprung des Universums, zu Reisen zwischen Galaxien, Dimensionssprüngen und ähnlich grundlegenden Fragen sehr umfangreich ist. Beweise dafür fehlen allerdings.
Größtes Hindernis in der Kontaktaufnahme zu beiden Lebensformen ist deren Art der Kommunikation, denn sowohl Drefser als auch CroinChuc gehören zu den Psiwesen und verständigen sich üblicherweise durch gedanklichen Austausch. Zu dem unterscheiden die Psiströme der Drefser und Croin Chuc von den Kräften telepathischer C-Wesen erheblich. Vor allem mit den Croin Chuc können allein speziell geschulte, gelbe Tempelpriester über längere Zeit kommunizieren, was in Koalitionskreisen zu Spannungen führte.
Obwohl der Tekkaru-Bund seit langem gleichrangiges Mitglied des Koalitionsrates ist, hegen andere Regierungen, wegen der Psikräfte und einer gewissen aristokratischen Überheblichkeit, Vorbehalte gegen dieses Volk.
Grundsätzlich richten sich die Vorurteile gegen alle Psiwesen, welche nicht nur im Dragu-System, sondern überall iim bewohnten All zu finden sind. Vor allem auf der zentralen Raumstation von Legato, der sogenannten L-Station, sowie auf den dicht besiedelten Hauptplaneten des Außerhalbs, Plocho und Bega'shru, leben zahlreiche Tekkarui, deren Mischungen und die wenigen Psiwesen anderer Rassen.
Trotzdem bleibt der Tekkaru-Bund der einzige, offizielle Vertreter der Psiwesen im Koalitionsrat und gerät deshalb regelmäßig ins Zentrum anfeindender Diskussionen. Dieser Argwohn beeinflusste die Verhandlungen mit Drefsern und Croin Chuc nachhaltig, denn vor allem bei den Treffen mit den Gaspartikelwesen lagen die Geschicke der Koalition ausschließlich in den Händen telepathischer Experten. Einzelnen Mitgliedern missfiel diese Abhängigkeit sehr und letztendlich setzte sich dieses Misstrauen im gesamten Rat durch. Nachdem recht schnell klar wurde, dass von den Croin Chuc keine Gefahr ausging und wirtschaftliche Vorteile nicht zu erwarten waren, brachen die Verantwortlichen - entgegen der Empfehlungen des wissenschaftlichen Beirates und der xamarischen Lehrunion - die Gespräche ab. Bei den Drefsern gestaltete sich die Entwicklung weniger drastisch, denn diese versuchten sich während der Treffen mit Nicht-Psiwesen durchaus in mündlicher und schriftlicher Kommunikation. Das verbesserte nicht unbedingt die Verständlichkeit, heiterte jedoch die Situation auf, zeigte guten Willen und reduzierte damit das Misstrauen. Auch die Möglichkeit, gewinnbringende Handelsbeziehungen zu etablieren, vereinfachte die Gespräche ungemein.

Seit Naro die Besprechung beendet hatte, waren fast zwei Stunden vergangen. Auf das Einteilen von Wachen hatten sie verzichtet, weil das Sicherheitssystem aktiviert war und vor ungebetenem Besuch früh warnen würde. Allerdings vermutete Red, dass zumindest Swon nicht schlafen konnte.
'Comander Lead steuerte uns durch die Höhlen. Er setzte uns die holografischen Wände vor, versperrte den Rückweg in die Station. Er ließ uns durch das Labyrinth streifen - ohne Wasser und Vorräte. Er wusste von den Piraten - bewirtete und versorgte sie sogar, während wir auf diesem verdammten Planeten herumgeirrt sind! - Dann das Prekrus, die Entführungen, die elitären Cetecs - steckt Lead auch dahinter? Warum? Wie konnte ich mich so täuschen? Der Comander war doch immer gut, fair. Er hat mir geholfen, mich gedeckt. Ich hab ihm vertraut. War das falsch?'
Mexurs und Sirius' Worte hallten nach. Im Zwischendeck befand sich ein Realprojektor, der ganz und gar nicht zum Standard einer Koalitionsstation gehörte. Im internen Netz gab es Pläne des umgebenden Höhlensystems. Alle Stellen, an denen Projektionen den Rückweg blockiert hatten, waren markiert. Drei Comgespräche wurden mit Empfängern auf der Planetenoberfläche geführt. Etliche interstellare Verbindungen kamen dazu, wobei alle Gespräche auf eine dem Comtechniker Sirius Pela unbekannte Weise kodiert gewesen waren. Sirius schätzte, dass er für eine Entschlüsselung, unter den gegebenen Umständen, mindestens einen halben Zyklus brauchen würde. Zusätzlich - und dies schien für die meisten Beteiligten am tragischsten zu sein - funktionierte das InterstellarCom der Station nicht mehr, weil von wichtigen Bestandteilen der Konsole nur Trümmer übrig waren. Jemand hatte mit roher Gewalt außerplanetarischen Kontakt verhindern wollen. Ein Versuch, die Schäden zu beheben, scheiterte recht zügig an den fehlenden Ersatzteilen.
Red lag im Bett und zerbrach sich den Kopf, um eine Erklärung zu finden, die Comander Lead entlasten würde. Statt zu schlafen, wälzte sie sich von einer Seite auf die andere. Schließlich trieb die Unruhe den Leutnant aus der Kabine. Sie spazierte durch das Halbdunkel, vorbei an den Unterkünften ihrer Gefährten, hinauf in die Zentraleinheit. Dort setzte sie sich in den bequemen Stuhl des kommandierenden Offiziers, öffnete das riesige Panoramafenster und genoss den Ausblick. Der Verstoß gegen die Vorschriften - der Stuhl in der Mitte des Raumes war ausschließlich elitären Majoren oder hochrangigeren Offizieren vorbehalten - belastete ihr Gewissen kaum. Immerhin war Red der ranghöchste, elitäre Offizier auf dieser Station und damit oblag ihr die volle Befehlsgewalt. Beim Gedanken, dies durchsetzen zu wollen, kicherte sie leise.
'Ich sollte befehlen. - Ja, sollte ich, aber... Nein, das wär irgendwie lächerlich. Die haben viel mehr Erfahrung. Auch das doofe Reden halten, Leute schikanieren und überhaupt - die ganze blöde Verantwortung... da könnte ich gar nicht mehr schlafen. Das wär nicht hilfreich. - Obwohl Elitäre eigentlich nur Befehle von Elitären entgegennehmen dürfen. - Naja, Realität und Ausbildung liegen nicht unbedingt nah beieinander - zumindest in meinem Fall nicht.'
Die Vorstellung, Naro und Swon Anweisungen geben zu müssen, ließ Red noch eine Weile vor sich hin lächeln.
'Oh jee, die würden in Lachen ausbrechen - genau wie der Rest. Ich würde mich total blamieren.'
Gedankenverloren schaute Red durch das riesige Panoramafenster in die Sterne. Die Erde kam ihr in den Sinn. Sie dachte an ihr kleines Häuschen mit der Holzbank neben der Tür, dem steinernen Kamin im Wohnzimmer und dem gemütlichen Sofa mit der bunten Kuscheldecke.
'Ich sollte zu Hause sein. Nach zwei Jahren wäre es wirklich Zeit gewesen. Die werden ziemlich böse sein, dass ich mich nicht gemeldet habe - aber ich durfte ja nicht. - Tie, Cem und die Kleinen und Papa - alle haben sich extra Zeit genommen und sind zu Hause - am Strand, im Wald oder auf dem Hof. Nur ich nicht. Mal wieder nicht. Oh, sie werden böse sein. Dabei wollte ich so gerne hin - ich wollte im Meer baden, mit Papa, Bu und Tie durch den Wald laufen, ein bisschen Musik machen, Berlin besuchen und Cocktails schlürfen - Ach man, ich wäre echt gern zu Hause!'
Die Gedanken hinterließen Traurigkeit. Im ersten Jahr an der Akademie hatte Red sich ähnlich verloren gefühlt.
In dem Moment beendete ein schrilles Pfeifen die Melancholie. Überall flackerten Lichter auf und öffneten sich Holoschirme, weil die Zentraleinheit in Aktivmodus wechselte.
'Oh verdammt, Sicherheitsalarm!'
Red war aufgesprungen, wischte sich mit dem Jackenärmel Tränen weg und versuchte herauszufinden, worauf das Sicherheitssystem reagiert hatte. Kurz darauf öffnete sich die Tür. Swon stürmte herein. Reds Anwesenheit schien sie nicht zu überraschen. "Was ist los?"
"15 Schiffe aus Richtung 3.3 Nähern sich mit hoher Geschwindigkeit.", antwortete Red, ohne von den taktischen Schirmen aufzuschauen. Die anderen Erwählten erschienen ebenfalls.
Sofort besetzte Naro den Stuhl in der Mitte, schloss das Panoramafenster und öffnete den riesigen Frontschirm, auf dem die Bilder der Außensensoren angezeigt wurden. Noch gab es nichts, außer dem sternenbedeckten Nachthimmel zu sehen. Die künstliche Stimme der automatischen Kommunikation, die Sirius bereits eingeschaltet hatte, forderte die Schiffe auf sich zu identifizieren. Eine Reaktion blieb aus.
Mexur überflog die letzten Protokolleinträge. "Es gab interstellaren Verkehr - innerhalb der letzten zwei Stunden.", bemerkte er erstaunt. Seine Schwester prüfte die aktuellen Sensorendaten und erklärte: "Keine Tachionenspuren an diesen Schiffen. Deren D-Antrieb wurde lange nicht benutzt." Die Computerstimme versuchte, weiterhin erfolglos, Kontakt aufzunehmen. "Unsere Waffen sind einsatzbereit.", verkündete Swon. Naro blieb ruhig. "Warten wir ab. Schließe die Dockanlagen, Greg!" Der Techniker nickte und kümmerte sich um die Sicherung des Landungsdecks.
'Das sind Piraten.'
"Reichweite für Bildübermittlung.", informierte Red und legte die Anzeige auf den Frontschirm aus.
"Unsere persönlichen Freunde kommen zu Besuch.", stellte Bez mit Blick auf Galia fest. Diese starrte auf die Anzeige, sagte nach einigen Augenblicken bedächtig: "Sie kommen mit einer Absicht, verfolgen ein Ziel. - Ein Geschäft, das Profit verspricht. Das wollen sie durchsetzen - mit allen Mittel. Nichts ist verhandelbar. Wir stehen im Weg.", mit unwilligem Ausdruck ergänzte sie, "Der heimatlose Adun Brachib führt sie an."
"Vielleicht wollen sie ihren Anführer, diesen Fjuro, befreien.", warf Fries ein. Kopfschüttelnd erwiderte Bez: "Nein, auf keinen Fall. Dieser Brachib ist nicht an uns und nicht an X-Rag interessiert. Schon als wir gefangen waren, hatte ich den Eindruck, dass es sich um zwei unabhängige Gruppen handelt. Das Gefüge wirkte unharmonisch, die Befehlsstruktur war nie eindeutig." Die Psiwesen tauschten Blicke aus. Danach sagte Bez überzeugt: "Das dort sind mit Sicherheit nicht die Leute des Fjuros. Die wollen was anderes."
"50 Zeiteinheiten bis Waffenreichweite", verkündete Red und bemühte sich ihre Nervosität zu verstecken. "Ihre Waffen werden aktiviert.", berichtete Swon konzentriert, "Sie werden angreifen."
"Die Schilde laufen?", fragte Naro, um sicher zu gehen. Mit einem stummen Nicken bestätigte Swon. "25 Zeiteinheiten.", Reds Anspannung nahm zu, "10 - 9 - 8 - 7 - "
Der erste Einschlag erschütterte die Zentraleinheit kaum. Weiterer Beschuss folgte. Die Wirkung blieb gering. Die Angreifer mussten zuerst die Energieschilde ausschalten, um direkte Treffer landen zu können. Dann hörte der Angriff auf und es herrschte eine trügerische Ruhe.
"Keine Energieverluste bisher.", meinte Greg abwartend. Swon sah Naro an. Ihre Stimme klang eindringlich. "Die laden ihre Photonenstrahler. Wir müssen uns verteidigen." Wie zur Bestätigung ließ eine Detonation die gesamte Station erzittern. "Der erste Generator ist ausgeschaltet." Ein weiterer Einschlag folgte. "Nummer Zwei getroffen. Schilde auf 80 Prozent.", kommentierte Greg beunruhigt. "Los! Gib ihnen Konter, Regier!", rief Naro eilig.
Swon schien nur darauf gewartet zu haben. "Leutnant, komm zu mir! Wer kann die Taktik bedienen?" Bestimmt meldete sich Galia: "Ich hab Erfahrung damit." Bez warf der Tekkarui einen überraschten Blick zu. "Zweiter Generator tot.", rief Greg nach einer neuen Erschütterung.
Red war angespannt, doch Swons kühler Befehlston wirkte beruhigend und die Waffenterminals waren mit zwei Personen optimal besetzt. "Schildenergie auf die Hälfte, Greg!", wies Swon den Techniker an.
'Swon weiß genau, was sie macht - also entspann dich. Ist fast Routine, Mädel.'
"Laser auf voller Breite, Leutnant." Swon löste gleichzeitig die Schaller aus. Wieder zitterte das Gebäude durch einen Aufschlag. "Generator Drei hat's erwischt.", erläuterte Greg deutlich besorgt. "Die teilen sich auf. Greifen vier und fünf gleichzeitig an.", warf Galia ein "Zeit für was Stärkeres.", antwortete Swon gelassen und wies die Elitäre an, "Die Dockkanonen und Laser gehören dir, Leutnant." Red zögerte keine Sekunde. Gleichzeitig setzte Swon alle Strahler und die Photonenkanonen des inneren Ringes ein.
Als die Schilde der Schiffe durch Laser- und Kanonentreffer ausfielen, zeigten die Schaller ihre Wirkung. "Zwei zerstört. Zwei angeschlagen.", kommentierte Galia den Kampf, "Gegenfeuer bleibt aus. Die ziehen sich zurück."
"Schick eine ordentliche Lasersalve hinterher." Das ließ sich Red nicht zweimal sagen. Als sie den Beschuss schließlich eingestellt hatte, beendeten Galias Worte das Gefecht offiziell. "Sie haben Waffenreichweite verlassen."
"Zu einfach. Das war viel zu einfach.", analysierte Swon sofort, "Bei der Bewaffnung hätten die uns ernsthaft in Schwierigkeiten bringen können." Red teilte diese Ansicht, hielt sich aber im Hintergrund. Mexur wiegte den Kopf. "Das hätte die einige Schiffe gekostet." Fries stimmte zu: "Ihre Verluste wären hoch gewesen."
"Das sagen ein Mediziner und ein pazifistischer Wissenschaftler. - Wann seid ihr zu taktischen Experten aufgestiegen?", hielt Swon bissig dagegen. Galia verhinderte verärgerte Antworten, als sie ruhig, aber äußerst durchdringend einwarf: "Sie sind nicht geschlagen, kommen bald zurück. Das war erst der Anfang." Bez fuhr überzeugend fort: "Adun Brachib will nicht zu viele Schiffe verlieren. Ihre Ziele erreichen sie auch auf anderem Weg, weniger verlustreich." Galia nickte Bez zu. "Ja, weniger verlustreich. Diese Überzeugung war sehr deutlich."
Jetzt erhob sich Naro ungehalten. "Zwar hatten wir die Verhöre erst für morgen angesetzt, aber unter den gegebenen Umständen befragen wir die Gefangenen am besten gleich. Wer möchte?"
Galia und Bez meldeten sich und liefen sofort auf die Tür zu. Zufrieden folgte Naro den Psifrauen. "Wir kümmern uns um die Verteidigung.", rief Swon hinterher. Mit einem stummen Nicken verließ Naro den Raum.
Die schnelle Aufstellung des Befragungsteams hatte Red erstaunt. Sie war von einer weiteren freiwilligen Meldung und mehr Diskussionen ausgegangen.
'Ich hätte wetten können, dass Swon sich meldet. Sie quält und foltert bestimmt gern wehrlose Gefangene - gemein, böse und kriegerisch eben.'

"Lass uns mit ihm sprechen.", schlug Galia vor, die gemeinsam mit Bez und Naro vor dem abgeriegelten Quartier des Fjuros X-Rag stand.
Die Befragung des ersten Gefangenen - eines Streslars - hatte keine Ergebnisse gebracht. Der Mann verhielt sich dem Fjuro gegenüber loyal und seine gedankliche Barriere war nicht zu durchbrechen, deshalb beendeten sie das Verhör alsbald.
"Wieso?", fragte Naro skeptisch, "Ihr dürft telepathisch nicht zu tief gehen. Die Interne Sicherheit verzeiht Verstöße gegen das Psiabkommen nicht."
"Das wissen wir besser als du.", antwortete Galia kühl. Naro musterte die Frauen abwägend. Mit einem freundlichen Lächeln begann Bez zu erklären: "Weißt du, dass ich eine sehr gelungene Mischung bin. Durch meine Streslar-Abschirmung kann ich tiefer gehen als andere Psiwesen - vor allem, wenn eine ehrwürdige, gelbe Priesterin die Spurensucher der Sicherheit ablenkt.", ihre Stimme wurde energischer, "Zu dem fehlt uns für eine herkömmliche Befragung die Zeit." Naro blieb zurückhaltend. "Euren Aussagen zufolge, kann dieser X-Rag gut blocken. Geht ihr durch die Barriere, werden ihm Schmerzen zufügt. Das fällt unter Psifolter und widerspricht dem Abkommen. Das kann ich nicht gutheißen."
"Schmerzen lassen sich aber nicht vermeiden.", entgegnete Galia unnachgiebig, doch Bez relativierte die Aussage sofort: "Meine Technik entspricht nicht dem Weg der Orden. Ich verwende sanftere Methoden, keinen Blockadebruch." Dafür erntete Bez einen verdutzten Blick der Priesterin.
'Du gehörst zum Dragu-Orden?'
"Mitten im Gespräch auf Gedankenaustausch zu wechseln, ist unhöflich.", belehrte Bez und fuhr leichthin fort, "Du weißt genau, dass die Dragus eine Legende sind - genau wie die roten Krieger der Vergangenheit angehören, oder etwa nicht?"
Unverwandt starrten sich die Frauen an, während Naros Blick unschlüssig hin und her schwankte. Nach einigen Sekunden sah Bez zuNaro. Kompromissbereit schlug sie vor: "Sollte dir unser Weg nicht zusagen, werden wir dies wahrnehmen und aufhören. Dann kannst du dein Glück selbst versuchen. Einverstanden?", Naro schwieg unentschlossen, weshalb Bez sicher fortfuhr, "Wir dürfen nicht uneinig wirken, Naro. Unsere Fähigkeiten ergänzen sich und am schnellsten werden Fortschritte erzielt, wenn wir gemeinsam an Lösungen arbeiten. Erinnerst du dich an diese Worte?"
"Bez hat recht. An dieser Stelle ist es an dir, uns zu vertrauen. Wir wollen X-Rag nicht foltern, sondern Informationen erhalten - möglichst, bevor der Heimatlose zurückkehrt.", setzte Galia nach. Naro verschränkte die Arme. Er fühlte sich in dieser Situation sichtlich unwohl, aber stimmte letztlich trotzdem zu: "Gut, wir gehen euren Weg - unter der Bedingung, dass ihr sofort abbrecht, wenn es mir zu weit geht. Versprecht es!" Seine Stimme offenbarte keine Verhandlungsbereitschaft. Die Frauen tauschten einen schnellen Blick aus und nickten schweigend.
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"Wie geht es dir, X-Rag? Gut soweit?", fragte Galia freundlich, nachdem Naro im hinteren Teil des Raumes Platz genommen hatte. Der Fjuro, welcher auf einen Stuhl an einem kleinen, rechteckigen Tisch saß, musterte Galia misstrauisch, während Bez sich unauffällig hinter ihn begab. Als sich ihre Handflächen gegen seinen Hinterkopf pressten, rutschte X-Rag alarmiert vorwärts. "Ihr verdammten Weiber, wagt es nicht! Der Bund bekommt verfluchten Ärger, wenn ihr gegen das Abkommen verstoßt!" Unbeeindruckt drückte Galia ihn zurück. "Lass das unsere Sorge sein! Du hältst jetzt freiwillig still oder ich werde dich dazu zwingen!"
'Kannst du die Aktivitäten abschirmen, während ich die Ströme abtaste?'
'Hatte ich vor. Ein bisschen von Naro und mir lasse ich durch. Damit sich die Spürhunde nicht über das Loch wundern.'
'So dachte ich mir das. Ich fange jetzt an. Frier ihn ein, wenn er sich wehrt.'
Stumm nickte Galia, während ihre Hand auf der Schulter des Fjuros ruhte. Die Gefahr erkennend, erhob sich X-Rag ruckartig, brüllte außer sich vor Wut: "Ihr dämlichen Schlampen! Die werden euch erwischen! Riesige Arschtritte kriegt ihr, beschiss'ne Tschaks! Ges'gags! Brachib hätte euch zurei-..." Schlagartig verstummte X-Rag. Sein erstarrter Körper landete mit Galias Hilfe erneut auf dem Stuhl.
Beunruhigt hatte sich Naro erhoben. Weil X-Rag jedoch keine Anzeichen für Qual oder Schmerz zeigte, verfolgte er die Geschehnisse abwartend.
Bez hatte die Augen geschlossen, wirkte sehr konzentriert, während Galia die Situation aufmerksam beobachtete. Die Ruhe war trügerisch und schließlich überschlugen sich die Ereignisse. Schmerzerfüllt heulte X-Rag auf, bäumte sich und sackte wieder zusammen. Benommen ließ Bez die Hände sinken.
"Hört sofort auf! Das reicht!", befahl Naro aufgebracht, während Galia den Fall des Fjuros blitzschnell abgefangen hatte und den massigen Körper nun auf den Boden gleiten ließ. "Er ist nicht ernsthaft verletzt, aber ich werde trotzdem den Arzt rufen.", erklärte Bez mit zittriger Stimme und lief zum Com. Galia wandte sich an Naro. "Legen wir X-Rag ins Bett? Es wird eine Weile dauern, ehe er zu sich kommt." Mit starrer Miene nickte Naro und packte den Oberkörper des Fjuros, während Galia ohne Mühe die Beine anhob.
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"Habt ihr Psifolter angewendet?", platzte Fries ungläubig heraus, nachdem er X-Rag untersucht hatte, "Warum frag ich eigentlich! Die Scans beweisen es!", erbost wandte er sich an Naro, "Warum lässt du solche Methoden zu? Das ist gegen das Gesetz! In diesem Fall ein sinnvolles Gesetz, dessen Einhaltung von der Sicherheit überwacht wird!" Bez war schneller. "Wir haben niemanden gefoltert. Naro kann das bestätigen. Er war die ganze Zeit dabei." Die Antwort fiel zurückhaltend aus. "X-Rag war erstarrt, deshalb weiß ich nicht, was er gefühlt hat. Das Resultat spricht jedoch nicht für euer Vorgehen." Kopfschüttelnd erklärte Galia: "Nein, bei einem Blockadebruch hätte ich den Fjuro nicht ruhigstellen können. Dazu ist seine Abschirmung zu stark, die Blockade viel zu gut trainiert.", ihre Stimme bekam einen argwöhnischen Tonfall, "Bez war sehr sanft. Ich muss sagen, geradezu unglaublich sanft. Selbst ohne meine Deckung hätte die Sicherheit davon nichts bemerkt."
"Er hat nicht geschrien? Keine Anzeichen für Schmerzen?", forschte Fries nach.
"Am Ende hat er aufgestöhnt, das Bewusstsein verloren, aber vorher wirkte er beinahe - friedlich.", beschrieb Naro seinen Eindruck. Unschlüssig musterte Fries die Frauen und begann langsam: "Leider durfte ich bereits Psifolter beiwohnen. Blockadebrüche schienen, in unterschiedlichem Grad, immer schmerzhaft zu sein. Andererseits überschreiten eure Fähigkeiten, die der Telepathen der Sicherheit vermutlich bei weitem, und den Werten nach, ist eure Behandlung auf jeden Fall nicht angenehm gewesen." Fries schwieg kurz. Seine dunkelbraunen Augen wurden schmal, als er drohend fortfuhr: "Für die Interne Sicherheit hege ich keinerlei Sympathie, trotzdem werde ich jede Form von Folter melden. Der bloße Verdacht brächte euch massiven Ärger ein! Vergesst das nicht!"
Galia näherte sich Fries ohne Eile. Er war kaum größer, aber deutlich breiter als die Tekkarui, welche ihn ungerührt fixierte. Obwohl ihre Worte nicht mehr als ein Hauch waren, wirkten sie äußerst bedrohlich. "Gut, das ich davon weiß, Doktor Bishop. Ich werde mein Verhalten dem anpassen."
"Schluss damit! Das ist nicht der Zeitpunkt für Vorurteile und Drohungen!", unterbrach Naro das Gespräch energisch und erhielt von Bez gelassene Unterstützung. "Damit hat Naro vollkommen recht. Sprechen wir lieber über das Ergebnis des Abtastens, bevor Adun Brachib an unsere Tür klopft.", sanftmütig betrachtete sie den bewusstlosen Piratenanführer, "X-Rag ist kein schlechter Mann. Ein Verbrecher - ohne Frage, aber darüber hinaus durchaus ehrenhaft, geschäftstüchtig. Er hat uns vor Adun Brachibs Leuten beschützt, uns das Zureiten erspart.", Bez blickte Fries direkt an, "Du kannst mir glauben, dass ich ihm das hoch anrechne. Ich habe mir alle Mühe gegeben, die Abtastung schmerzfrei zu gestalten - sanft - wie Galia es nennt. Nur am Ende ist..." Bez brach den Satz ab und starrte gedankenverloren ins Leere.
"Muss X-Rag ins Behandlungszimmer?", fragte Naro schließlich in die Stille. Fries verneinte. "Die Werte normalisieren sich. Er ist in Ordnung, wird bald wach sein." Nach einem zufriedenen Nicken wandte sich Naro an Bez. "Jetzt erzähle uns bitte, was du herausgefunden hast."
Bez seufzte leise und begann: "Nicht so viel wie erhofft, aber gut - zumindest haben sich einige Theorien bestätigt. Es sind zwei Banden, die wegen uns angeheuert wurden. Für diesen Auftrag sollte X-Rag der Anführer beider Gruppen sein, was sich nur bedingt realisieren ließ. Die Piraten sind auf Trinita gelandet, als wir die Station verlassen haben. Sie besuchten Comander Lead."
Galia, die inzwischen neben dem bewusstlosen X-Rag auf dem Bett saß, fragte verwundert: "Warum bezahlt jemand Piraten, um uns gefangen zunehmen? Ich verstehe den Sinn nicht." Zögerlich erklärte Bez: "Der Fjuro besitzt mehr Informationen, aber - ich komme nicht ran. Selbst er kann nicht darauf zugreifen." Ungläubig schaute Galia auf. "Verkapselt?" Schweigend bestätigte Bez.
"Die Gedanken sind verkapselt oder was meinst du?", wunderte sich Fries.
"Ja, genau. Wir nennen das Gedankenkapsel. Jemand hat alle Erinnerungen, an die Anwerbung darin eingeschlossen. Auch Ereignisse der letzten Tage, die mit dem Auftrag im Zusammenhang stehen, werden innerhalb kurzer Zeit automatisch in der Kapsel abgelegt. Versuche ich die Kapsel zu brechen, schmerzt es und es passiert - was eben passiert ist. Er wird bewusstlos, trägt Schäden davon und stirbt vielleicht.", ihr Blick wanderte zu Galia, "Diese Kapsel ist das Werk eines Experten."
"Telepathen der Sicherheit?", fragte Naro misstrauisch. Gleichzeitig verneinten beide Frauen. "Auf keinen Fall. Solche Verkapselungen anzulegen, ist höchstes Niveau.", sagte Galia überzeugt und Bez ergänzte: "Die Kapsel ist sauber, unauffällig, wurde sehr aufwendig mit allen Hirnbereichen verknüpft. Ich habe bereits einige Kapseln untersucht, Kapselbrüche durchgeführt, aber das hier - ist ein tödliches Kunstwerk. Mir fällt genau eine Gruppe ein, die das notwendige Wissen besitzt, um solch ein Gebilde zu erzeugen."
Bez fixierte Galia, welche begonnen hatte, unruhig den Raum zu durchstreifen. Dabei murmelte sie frustriert: "So fühlt sich Red also. Sehr unschön. Sehr unschön, aber dummerweise habe ich ebenfalls keine bessere Erklärung. Drefser und Croin Chuc sind vielleicht dazu in der Lage. Vielleicht. Das weiß ich nicht. Wäre reine Spekulation.", Verwirrung zeigte sich in den Gesichtern der Männer, als Galia schließlich stoppte und unglücklich gestand, "Schaut nicht so! Ich kann verzweigte, erweiterbare Kapseln bilden, denn gelbe Priester lernen diese Technik. Ein ausgesprochen schwieriger, risikoreicher Vorgang. Heiliges Wissen des gelben Ordens. Kein Mitglied eines anderen Ordens und erst recht kein Psiwesen der Internen Sicherheit besitzt die entsprechenden Kenntnisse.", mürrisch verschränkte Galia die Arme, "Beim unsterblichen Priester aller Meere, in welcher dreckigen Flut versinken wir gerade?"
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"Eure Ausbeute war gering?", fragte X-Rag entspannt, nachdem sich die erste Verwirrung nach dem Erwachen gelegt hatte, "Aber ihr habt Ahnung. Normal tun diese Brüche verflucht weh, aber das war erträglich. Geradezu ein Spaziergang." Naro und Galia saßen am Tisch, dem Fjuro gegenüber. Bez, welche über Naros Schulter schaute, zeigte ein dankendes Lächeln. Fries beobachtete die Szene vom Bett aus.
X-Rag grinste. "Aha, der Mischling. Hübsches Gesicht, schöner Körper und noch dazu ein cleveres Psiwesen. Sicher gut zu ficken. Die Bordelle hätten sich überschlagen.", unbeeindruckt behielt Bez das Lächeln, während X-Rags Aufmerksamkeit zu Galia wanderte, "Keine Angst, nach einem ordentlichen Zuritt und ein bisschen Erinnerungsklärung wärst du ein genauso lukratives Geschäft geworden, Schätzchen." Voller Mordlust starrte Galia zurück.
"Nichts davon steht hier zur Debatte.", unterbrach Naro den Blickkontakt. Beschwichtigend hob X-Rag die Hände. "Mein Verlust, euer Gewinn! Ich trauere nur ein wenig.", dann beugte er sich vor, "Wo ist Lead? Habt ihr ihn festgesetzt? Ich muss ihn sprechen."
"Ist Comander Lead dein Mittelsmann?"
X-Rag blieb ungerührt. "Verarsch mich nicht, Priesterin! Das mit Lead wisst ihr längst, doch mehr nicht - mehr kriegt ihr auch nicht!- Jetzt schafft endlich den Comander her!"
"Comander Lead hat die Station verlassen."
X-Rag versteckte seine Überraschung nicht, starrte Naro ungläubig an. "Hä? Wie verlassen? Wohin ist er?" Naro hakte nach. "Entspricht das nicht dem Plan?" Eine Weile schwieg X-Rag. Schließlich setzte er wohlüberlegt an. "Haben meine Schiffe euch angegriffen?"
"Sollten Sie das nicht wissen?" X-Rag beachtete Naros Worte nicht, murmelte abwesend: "Lead ist weg."
"Nicht deine Leute, sondern der Heimatlose führte den Angriff. Du bedeutest ihm nichts. Ihm ist egal, wen er töten muss, um seine Ziele zu erreichen.", verkündete Galia mit fester Stimme. Stumm erwiderte X-Rag ihren prüfenden Blick. Dann wandte er sich an Naro. "Sei froh, dass die Psiweiber auf eurer Seite stehen. Is ne gefährliche Brut.", der Tonfall wurde wieder sachlich, "Irgendwas will Brachib auf Trinita. Der Auftrag allein hat ihn nicht hergetrieben. Das ist sicher, aber sonst hab ich verflucht nochmal keine Ahnung."
"Ist Comander Lead bei Adun Brachib?", fragte Naro weiter. Als X-Rag nicht reagierte, lehnte sich Bez vor, stützte sich dabei auf der breiten Schulter des Quosoen ab, und fasste ihre Erkenntnisse zusammen: "Der Plan läuft schief. Comander Lead sollte hier sein. X-Rag befürchtet, dass Adun Brachib ihn hat."
"Oder Lead hat die Vereinbarung gebrochen und den Planeten verlassen.", ergänzte Galia, "Er weiß es nicht."
Eine breites Grinsen kroch über das braune, schwach geschuppte Gesicht des Fjuros. "Im Bett sind eure Fähigkeiten geil, aber im Gespräch nervt das mächtig.", ernst fügte er hinzu, "Für einen beschiss'nen Elitären ist Lead ein vernünftiger Mann. Nicht zu überheblich. Behandelte uns wie Geschäftspartner. Sollte Adun ihn haben, dann wär das - nun ja - schade? Meine Bezahlung wäre gefährdet! So was macht meine Leute unglücklich, schlecht gelaunt, reizbar. Ihr versteht, Freunde?"
Einige Momente herrschte Ruhe. Dann seufzte Bez laut, lief zum Bett und ließ sich neben Fries fallen. Resigniert sagte sie: "Das lohnt sich nicht. Wir wissen alles, was er weiß.", mit den Armen verdeckte sie die Augen und überlegte, "Das Kapsel knacken würde helfen."
"Aber das geht nicht, denn der Doktor will keine Folter und wir dürfen keinen Ärger mit der Sicherheit riskieren.", erwiderte Galia frustriert, "Verdammt, jetzt wäre ich zu gern im Außerhalb! Da sähe einiges anders aus!"
Ernstlich verwundert fragte Fries: "Ist es sinnvoll, solche Details vor dem Gefangenen zu erörtern?" Während Bez' Kopf auf dem Oberschenkel des irritierten Arztes landete, meinte sie unmotiviert: "Ist doch völlig egal. Was soll's! Er hat keine Ahnung. Wir haben alle keine Ahnung. Niemand auf dieser Station weiß irgendwas."
X-Rag nickte. "Die hübsche Mischlingsfrau hat recht. Kümmert euch um die Verteidigung. Adun ist ein Wahnsinniger. Selbst auf Km'Prik wird er gemieden.", ein überhebliches Grinsen erschien, "Wenn meine Leute kommen, entspannt sich die Sache. Allerdings werd ich ein paar von euch verkaufen müssen, um die entstandenen Kosten zu decken. Die Frauen, die ich gesehen hab, sollten reichen, denk ich. Die Psiwesen und die Mischlingsfrau vom Dschjumilitär. Hervorragend geformt, schönes Gesicht mit Feuer. Ein bisschen störrisch bestimmt, aber Zureiten hil..."
In dem Moment sprang Naro auf, riss X-Rag am Kragen und zischte wütend: "Lass diese dämlichen Sprüche! Frauen sind keine Ware und nur unser Wohlwollen hält dich am Leben! Vergiss das nie!"

Red stand an den taktischen Schirmen. Obwohl die Sicherheitsfelder funktionierten und vor allem Näherkommenden warnen würden, erwischte sie sich immer wieder dabei die Anzeigen zu kontrollieren. Das ungute Gefühl wollte sich nicht auflösen, denn die angreifenden Schiffe waren für Raumgefechte ausgerüstet, teils mit verbotenen Waffen bestückt gewesen. Die Ausstattung der Station hatte dem nichts Ernsthaftes entgegenzusetzen.
Swon saß im Sessel, arbeitete versunken an drei Holoschirmen. Nach einiger Zeit fragte Red zaghaft: "Wie lang werden wir's überstehen, wenn die sich nicht zurückhalten?" Ohne aufzublicken, antwortete Swon: "Nicht lange. Das weißt du selbst.", schweigend nickte der Leutnant, während der Regier anhängte, "Aber die bekommen nichts geschenkt."
Um ihr Grinsen zu verstecken, konzentrierte Red sich schnell auf die taktischen Anzeigen. "Nichts geschenkt? Klingt nach Selbstmord-Kommando.", flüsterte sie.
Einen Wimpernschlag später stand Swon dicht hinter Red. Kein Geräusch hatte das Kommen angekündigt. "Dieses Gemurmel ist äußerst unfreundlich." Ohne sich zu bewegen, erwiderte Red: "Du beschwerst dich über unfreundliches Verhalten? Tut mir leid, aber das finde ich sehr seltsam." Red rechnete mit einer verärgerten Reaktion, doch Swons Stimme blieb weich. "Weißt du, wie Clanfrauen sich untereinander entschuldigen?" Verunsichert schüttelte Red den Kopf. "Müssen wir das jetzt klären? Ich meine, das ist kein guter Zeitpunkt, oder?"
"Keinen Sex und keine Entschuldigungen, solange du auf Trinita festsitzt? Sind das deine Gebote?"
In dem Moment brach ein unerwartetes Gefühlschaos über Red herein. Faszination, Vergnügen und eine Spur Lust waren überdeutlich, eine Mischung aus Argwohn, Anspannung und Besorgnis schwang stetig im Hintergrund mit. Das Wirrwarr beschleunigte Reds Herzschlag. Sie verstand nichts davon, denn nichts davon gehörte ihr.
Swon bemerkte die Verwirrung, streichelte beruhigend über Wange des Leutnants. Die Berührung ließ Red aufblicken und für Sekunden musterten sich die Frauen regungslos.
"Sollen wir später wiederkommen oder lasst ihr uns zuschauen?"
Ohne Eile wandte sich Swon um und schenkte Mexur, der gerade mit Greg und Sirius in der Tür erschienen war, einen frostigen Blick. Verwirrt schaute Red zu den Männern. Wie ein Echo überschwemmte vielfaches, heiteres Staunen ihren Geist.
'Was ist nur los? Mir ist so seltsam. Sind das die Psikräfte? - Nein, Nein! Quatsch, Red, das kann nicht sein! - Ich werd bestimmt krank. Kein Wunder bei dem Stress. Ich nehm nachher ein bisschen Unterdrücker, denn eine Erkältung kann ich gerade gar nicht gebrauchen.'
Breit grinsend liefen die Männer auf Swon und Red zu. Mexila folgte. Von dem Gefühlschaos abgelenkt, starrte Red mit gerunzelter Stirn ihre Stiefel an, während Swon sich gegen die Waffenkonsole lehnte und ungerührt fragte: "Wie sieht 's aus?"
"Wir haben schlechte und sehr schlechte Nachrichten.", begann Greg nüchtern. Swon verschränkte die Arme. "Weiter?"
"Die schlechte zuerst. Zwei Schildgeneratoren sind tot, einen können wir eventuell reparieren. Mit dem würden wir 80 % erreichen."
"Wie lange würde die Reparatur dauern?" Während Mexur sich in den Stuhl sinken ließ, antwortete er bissig: "Da wir es in Betracht ziehen, offensichtlich nicht zu lange." Mit düsterer Miene, und ohne den Xamaer aus den Augen zu lassen, fragte Swon erneut: "Wie lange?"
"Nicht mehr als zwei Stunden.", schätzte Greg schnell und Sirius setzte eilig fort: "Das ernstere Problem ist, dass uns die Energie ausgeht.", Swon verharrte reglos, doch Red schaute zum ersten Mal auf, "Es gibt eine mittlere D-Ladung, die inzwischen halb leer ist. Als wir ankamen, waren weder Waffen noch Abschirmung aktiviert. Auf diese Weise hätte die Energie locker für 20 Tage gereicht, aber nach dem Gefecht und bei laufenden Sicherheitssystemen...", Sirius schaute zu Greg und fuhr bedächtig fort, "...reicht es höchstens für drei Standardtage." Mit zustimmendem Nicken ergänzte Greg: "Müssen wir die Kanonen nochmal einsetzen, sind wir auf wenige hundert ZEs runter. - Sehr wenige."
"Dann sparen wir Energie. Schaltet alle Systeme ab, die nicht dringend notwendig sind.", entschied Swon. Mexur verzog sein Gesicht. "Ja, danke. Äußerst hilfreiche Idee. Darauf wären wir alleine niemals gekommen!"
Nach einer Schrecksekunde, und obwohl Red von fremden Eindrücken geplagt wurde, registrierte sie Swons versteinerte Miene, sah wie die grünen Augen Mexur durchbohrten und wusste, was passieren würde. Gerade als Swon sich bewegen wollte, legte Red beschwichtigend die Hand auf den Arm der Dschjua. "Lass ihn, Regier. Wir haben keine Zeit dafür."
Gleichzeitig boxte Mexila ihren Bruder und fluchte kaum hörbar: "Spinnst du! Du dummer, vorlauter Kerl!", entschuldigend redete sie an Swon gewandt weiter, "Das meiste haben wir bereits heruntergefahren. Um die restlichen Sparmaßnahmen kümmere ich mich gleich. Das löst unser Problem allerdings nicht." Sirius übernahm eilig. "Waffen und Sicherheit verbrauchen das meis.."
"Oder sollen wir die auch abschalten?", unterbrach Mexur streitlustig, "Wir brauchen dringend deinen weisen Ratschlag, oh über allem schwebender Regier!"
Red stockte der Atem. Ihr Blick sprang zu Swon, die gerade mit einem mordlüsternen Lächeln ein riesiges, gezacktes Messer hervorzauberte.
'Oh, verfluchte Scheiße!'
Sofort baute sich Red vor Swon auf und befahl sicher: "Schafft ihn raus! Sofort!" Swon rührte sich nicht, aber ihre Augen verfolgten den Xamaer stetig. Red gefiel das gar nicht. Sie wusste, dass Swon im Zweifelsfall nicht aufzuhalten war.
'Ablenkung! Schnell!'
"Er ist kein Kämpfer, Regier." Swons Blick löste sich nicht von Mexur. "Genau daran werde ich diese überhebliche Kreatur erinnern - dafür sorgen, dass er es nie vergisst!"
Das Geräusch der schließenden Tür milderte Reds Anspannung, ließ sie mutiger werden. "Das lohnt sich nicht! Mit ihm zu kämpfen, wird dich nicht befriedigen." Ein böses Grinsen tauchte auf. "Ich erwarte keinen Kampf, sondern werde eine Lektion erteilen - eine befriedigende Lektion, glaube mir. Allein die Vorstellung, wie er schreit und bettelt, macht mich schon glücklich."
Ungewollt erschien ein Bild in Reds Kopf. Sie unterdrückte ein Lächeln, doch ihr Tonfall wurde spöttisch. "Erinnere dich an Naros und deine Worte! Zurück ins eigene Leben kommen wir am schnellsten, wenn du lernst mit dem Xamaer zu leben. Auch er kann nützlich sein."
Bedächtig hob Swon ihr Messer, strich mit der Spitze durch Reds Gesicht. "Ich hatte nicht vor den respektlosen Kerl ernsthaft zu verletzen. Schon morgen hätte er wieder laufen können."
Red erwiderte Swons Blick stumm. Das kalte Metall an ihrer Wange und die Wärme von Swons Körpers jagten ihr einen Schauer über den Rücken. Nach einigen stillen Sekunden bemerkte sie, wie sich Swon entspannte. Die grünen Augen öffneten sich weiter, die Schultern sanken ein bisschen und auf einmal wusste Red, dass die Gefahr gebannt war. Wie zur Bestätigung verschwand das Messer. Während Swon sich gegen die Konsole lehnte, blickte Red sich um. Die Geschwister waren verschwunden. Nur Sirius und Greg beobachteten die Szene angespannt, schienen dem plötzlichen Frieden nicht ganz zu trauen.
'Glück gehabt. Wie kann ein Lehrmeister nur so dämlich sein? Diese verrückte Frau zu reizen! Swon nimmt jeden in drei ZEs auseinander - und einen Pazifisten noch schneller! Dieser Trottel! Idiot! Blödmann!'
Gelassen kam Swon auf das ursprüngliche Thema zurück. "Habt ihr mehr gute Neuigkeiten?" Greg hatte sich zuerst gefasst. "An der Energiesache können wir nichts ändern, aber Sirius und ich wollen uns das Schiff nochmal vornehmen. Vielleicht kriegen wir D-Antrieb oder InterCom doch hin.", Greg wartete Swons wortlose Zustimmung ab und fuhr fort, "Mexur kümmert sich um den Generator, braucht aber Hilfe. Red soll mitkommen."
"Klingt gut. Nehmt den Leutnant mit, aber bei einem Angriff oder sonstigen Zwischenfällen will ich sie sofort hier oben haben. Verstanden?"
Die Männer nickten gehorsam. Derweil wechselte Reds Blick überrumpelt zwischen den Anwesenden hin und her.
'Gut, dass ihr mich gefragt habt und ich selbst entscheiden darf! Vielen Dank! Ich will nämlich keinen dämlichen Generator reparieren, ihr bekloppten Idioten!! Und hättet ihr die verrückte Frau nicht gereizt, würde ich jetzt Protest einlegen und hier bleiben - und meine leeren Anzeigen anstarren. Das will ich nämlich, ihr doo...!'
"Geh schon, Leutnant!", befahl Swon. Die Männer warteten bereits in der geöffneten Tür, doch Red bewegte sich kein Stück. Böse fixierte sie Swon, welche spöttisch meinte: "Geh schon, Leutnant! Du hast einen Auftrag - und erinnere dich brav an Naros kluge Worte! Am erfolgreichsten sind wir, wenn du lernst mit uns zu leben - und mit dem Xamaer zu arbeiten!"
'Oh, wie gern würd ich dir wehtun! So gerne! Dir und diesen dämlichen Typen! Ich bin nicht eure Leibeigene, du arrogante Zicke! - Oh, bin ich wütend!'
Draußen stand Mexur, dessen Wange ein grünlicher Handabdruck zierte. Lachend deutete Sirius auf das Gesicht. "Ha, deine Schwester hat dich gezüchtigt. Gutes Wesen! Sehr gutes Wesen!" Greg nickte zustimmend. "Du hast 'ne viel zu große Klappe! Bei einem Clankrieger! Echt, die nimmt dich in drei ZEs auseinander!"
"Und ich muss das ausbaden, du Idiot! Ich will keine Generatoren reparieren! Ich will leere Anzeigen betrachten und auf Piraten warten!" Red blitzte Mexur böse an, der völlig unbeeindruckt meinte: "Und es mit einer unglaublich arroganten, aber genauso heißen Clankriegerin treiben?"
Greg und Sirius lachten, während Red fassungslos in die Runde starrte. Dann drehte sie sich wütend um und stampfte den Gang hinunter. Die Männer folgten. "Komm schon, Red, die Frau hat dich angebaggert - und es sah nicht aus, als ob du Nein sagen wolltest.", meinte Sirius gutmütig. Kaum hörbar erwiderte Red: "Uns geht die Energie aus, Piraten werden die Station zerbomben, mein Comander wurde entführt - und die denken an Sex! Diese triebgesteuerten, dämlichen Idioten!"
"Lass dieses Gemurmel. Rede lieber mit uns, Menschenfrau.", stichelte Mexur, "Stehst du auf Frauen? Keine Männer? Das würde einiges erklären." Abrupt blieb Red stehen, stemmte ihre Hände in die Hüften und atmete tief durch. Dann sagte sie bewegungslos und um Ruhe bemüht: "Ich werde mir ein Frühstück besorgen und anschließend bei dieser däml... - Reparatur helfen. Wo finde ich euch?"
Greg beugte sich über ihre Schulter. "Wir warten am dritten Schildgenerator. Beeil dich!"
"Ich verstehe dich auch, wenn du nicht an meinem Ohr klebst!"
"Kleines Ekel!", flüsterte Greg zurück. Ohne ein weiteres Wort zu verlieren, steuerte Red ihre Unterkunft an.
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Mit Marmeladentoast und Kaffee erreichte Red den dritten Schildgenerator, der sich am äußeren Rand des Landungsdecks befand. Nach einem Blick auf den zerstörten Generator sagte sie kauend: "Ihr wollt Schrott reparieren?"
"Wir entscheiden, was Schrott ist, nicht du.", antwortete Greg nüchtern. Red nickte. "Fein. Meinetwegen, aber der vorlaute Wissenschaftler schafft das alleine. Kann ich in der Zeit was Nützliches machen. Schlafen zum Beispiel!" Damit wollte Red gehen, aber Mexur trat in ihren Weg und erklärte: "Normalerweise erfolgt die Wartung von oben, aber durch die eingeschmolzene Verkleidung klappt das nicht. Eine schmale Person muss von der Unterseite zuarbeiten."
"Schmal?", Red lachte heiter, "Ha, perfekt. Du bist schmal, Sirius auch. Oder Galia, Bez. Deine Schwester. Ich bin nicht schmal. Fertig. Bis nachher!"
Bevor Red an Mexur vorbei kam, stoppte Greg die Flucht. "Wie du weißt, sind die Frauen beschäftigt...", fuhr Mexur fort, "...und du bist zwar trainiert, aber trotzdem schmaler als Sirius oder ich." Sein Blick glitt über ihren Körper. Danach ergänzte er bedächtig: "Natürlich nicht überall. Stellenweise bist du auch recht rund geraten."
Für einige Augenblicke blieb Reds Mund offen stehen, dann bekam ihr Gesicht einen mörderischen Ausdruck. Der schwarzhaarige Wissenschaftler blieb gelassen. "Diese angriffslustige Miene kannst du dir sparen. Ich bin Xamaer. Ich stehe nicht auf Rundungen, sondern auf den flachen Typ. - Das war eine rein objektive Beurteilung."
"Oh, das hör ich ausgesprochen gern, denn in den letzten Tagen hatten meine Rundungen genügend ungebetenen Besuch!", erwiderte Red gereizt.
Die Männer grinsten sich an, bis Greg schließlich versöhnlich fragte: "Hast du denn schon an Generatoren gebastelt?" Red starrte den Techniker grimmig an. Dann folgte ein steifes Nicken, was Mexur direkt fröhlich stimmte. "Schön. Sehr schön. Keine umständlichen Erklärungen! Perfekt!" Red wirkte verunsichert. "Das ist schon ewig her." Mexur zuckte mit den Schultern. "Egal. Zu meinen Standardaufgaben gehört das auch nicht, aber die Dinger sind einfach."
Zufrieden stieß Greg Sirius an. "Los, dann lass uns auch anfangen!"
Die ganze Zeit hatte Sirius Red, deren Blick gerade unglücklich ins Leeren wanderte, beobachtet. Jetzt nickte er mit einem Lächeln und folgte dem Schiffstechniker.
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Seit mehr als einer Stunde lag Red unter dem dreckigen, halb verkohlten Schildgenerator. Abhängig davon was Mexur bestellte, flickte sie Verbindungen, glättete Oberflächen oder tauschte geschmolzene Teile aus. Nachdem die Zwei begonnen hatten, klappte die Zusammenarbeit erstaunlich gut. Was Mexur von oben erreichen konnte, reparierte er und um den Rest kümmerte sich Red.
'Eigentlich ist die Beschäftigung in Ordnung. Denke ich wenigstens nicht über die beschissene Gesamtsituation nach - und der Xamaer ist eigentlich ganz ok.'
"Wir sind fast durch. Zwei Probleme noch.", meinte Mexur glücklich, "Unterseite des Projektors muss gereinigt werden." Red schob den Arm tief in den Generator, kam jedoch nicht weit. Nach weiteren fruchtlosen Versuchen fragte sie: "Kommst du nicht besser ran?" Mexur umrundete den hüfthohen Generator mehrmals. "Nein, keine Chance. An der Stelle ist die Abdeckung komplett eingeschmolzen." Red versuchte es erneut, aber gab bald auf. "Hier hat's eine Zwischenlage zerfetzt. Mein Arm passt nicht durch.", erklärte sie und fragte weiter, "Was fehlt sonst?"
Mit Blick auf den Holoplan antwortete Mexur: "Das erste Segment der E-Leitung Anschluss Sieben austauschen." Red rutschte vor. "Das ganze Segment?" Ein mitleidiges Nicken bestätigte die Befürchtung. Leise seufzend sammelte sie Werkzeuge und meinte plötzlich: "Da, schau! Die Zwei sind fertig." Mexur blickte auf. "Sehen frustriert aus. Gibt wohl kein schnelles Ende. Schade!"
Wieder unter dem Generator mit ihrer Arbeit beschäftigt, lauschte Red dem Gespräch der drei Männer. "Das waren Profis. Nicht wie die Dummköpfe in der ZE.", berichtete Sirius frustriert, "Drei Atoks sauber angeritzt. Sonst wurde nichts zerstört, nichts gelöscht. Das Com ist funktionsfähig. Zu Hause würde ich darüber lachen, aber hier - ohne Reinraum - kann ich nichts machen." Gregs Geschichte klang ähnlich. "D-Antrieb genauso. Vier Stromrichter sind weg. Würden drei fehlen, könnte ich tricksen, aber bei Vieren geht ohne Reinraum nix."
"Klingt nicht nach Piratenarbeit.", überlegte Mexur. "Das Stationscom ist Piratenstil. Das Schiff eher nicht. Da hatte jemand echt Ahnung.", antwortete Sirius und verdrossen ergänzte Greg, "Warum sollten Piraten auch die eigenen Schiffe sabotieren? Die hängen genauso fest wie wir.", zornig trat er gegen den Generator, "Alles Scheiße!"
Die Erschütterung löste einen Haufen Dreck, der Red ins Gesicht fiel. Heftig hustend kam sie ans Freie, rieb sich die Augen.
"Pass auf, Toms! Du beschädigst meine Assistentin!", schimpfte Mexur entrüstet. Greg kniete sich nieder und betrachtete Red prüfend. "Alles ok?" Aus geröteten, tränenden Augen blinzelte sie vorwurfsvoll. Ihre Stimme klang heiser. "Seh ich so aus?" Er grinste. "Ziemlich dreckig siehst du aus."
"Vielen Dank. Charmant wie immer."
"Wie weit seid ihr eigentlich?", erkundigte sich Sirius bei Mexur, der die Frage sofort weitergab: "Hey, schmutzige, kleine Sklavin, sag schon! Wie weit sind wir?"
"Dämlicher Idiot!", erwiderte Red prompt, während sie die Spange löste und mit den Fingern Schmutz aus dem langen Haar kämmte. Schulterzuckend wandte sich Mexur an Sirius. "Dämlicher Idiot? Diese Antwort verstehe ich nicht. Ist das ein elitärer Code? Kannst du mir das übersetzen, Pela?" Beide Techniker lachten, während Red den grinsenden Mexur musterte.
'Dumme Sprüche am laufenden Band! Hört er irgendwann mal auf? Wenn er schläft vielleicht und beim Sex, hoffe ich - Obwohl... manchmal ist es auch lustig, aber auf Dauer bestimmt anstrengend.'
Während Red das Haar wieder zusammenband, erklärte sie: "Bis auf diese Projektorsache bin ich fertig." Mexur beugte sich leicht vor, sprach langsam und überdeutlich: "Das ist so nicht richtig, denn erst mit dieser Projektorsache bist du fertig. Verstanden?", als die Kaffeetasse auf seinen Kopf zuhielt, schaffte es Mexur geschickt auszuweichen und fuhr gleich darauf belehrend fort, "Wir müssen das nicht diskutieren. Du weißt, dass ich recht habe."
Prüfend wog Red ein Stück Versiegelung in der Hand, aber entschloss sich letztendlich für den kooperativen Weg. "Ja, mein Herr und Meister." sagte sie und rutschte erneut unter den Generator.
Nach einiger Zeit stieß jemand gegen ihren Stiefel. Red erkannte Mexurs Stimme. "Da wir inzwischen gemeinschaftlich beschlossen haben, dass du nicht unser Feind bist, werde ich dir jetzt ein paar private Fragen stellen. In Ordnung?"
Red, die gerade versuchte eine spitze Ecke umzubiegen, murmelte abgelenkt: "Ich bin nicht der Feind. Juhu!" Mexur setzte unbeirrt fort: "Das habe ich nicht verstanden, klang aber zustimmend. Nun gut - stehst du auf Frauen?" Red verdrehte die Augen und antwortete laut: "Nein."
"Auf Männer?" Ein genervtes Stöhnen war zu hören. "Nein."
"Das ist seltsam.", wunderte sich Mexur. Dann hörte sie Gregs Stimme. "Auf Tiere?" Red grinste. "Ja, eher."
"Wie die kleinen Braunen in der Höhle?", hakte Sirius nach. "Genau. Die waren sexy."
"Nein, so geht das nicht. Du musst die Wahrheit sagen, Red. Mit wem hattest du das letzte Mal Sex?" Sie blieb gelassen. "Ich hatte noch nie Sex. Darf ich als Christin erst nach der Hochzeit."
"Wie Hochzeit? Christin? Was soll das sein?"
"Eine Religion, ein alter Glauben.", erklärte Greg bereitwillig, "Gibt's auf der Erde in den abgelegenen Gebieten hin und wieder mal. Die Strengen dürfen erst nach dem Verbindungsritual, das bei uns Hochzeit genannt wird, Sex haben."
Erstaunt meinte Mexur: "Wie traditionell sein auf Xamar? Das ist furchtbar!" Red kam unter dem Generator vor und musterte den Wissenschaftler neugierig. "Aber du bist traditionell - oder nicht?"
Mexur erwiderte ihren Blick amüsiert, doch bevor er antworten konnte, lachte Sirius laut auf. "Oh nein! Nein, nein, nein, Red! Du schummelst!", er stieß Mexur an, "Erinnere dich an die Höhlen! Als deine Schwester Reds Schusswunde behandelt hat - mit dieser stinkenden Paste. Da hast du dich gewundert, wie sie bei dem vielen Blut an Sex denken kann."
Die Erinnerung brachte ein breites Grinsen in das grünliche Gesicht. "Stimmt, dein letzter Sex war schlimmer als die Behandlung. Das waren deine Worte!"
Greg, der neben Red saß, erkundigte sich: "Welches Tier war es denn?" Verschämt senkte Red die Lider. "Ein ziemlich kleines, unkreatives Tier." Sirius forschte weiter: "Männliches oder weibliches Tier?"
"Schluss mit diesem Tierblödsinn!", unterbrach Mexur die Unterhaltung energisch, "Das ist kein Spaß, Leutnant. Solche wesentlichen Informationen darfst du uns nicht vorenthalten!", wieder blieb Red der Mund offenstehen, "Sprich endlich! Mit wem hattest du das letzte Mal sexuellen Verkehr?"
Fassungslos schnappte sie nach Luft und begann entrüstet zu schimpfen: "Das geht euch überhaupt nichts an! Was erzählt ihr denn?! Wer war denn euer letzter Fick, hm?! Außerdem..", sie klopfte gegen den Generator, "...soll da noch was repariert werden!"
"Ich dachte, du bist längst fertig? Was hast du denn da unten die ganze Zeit getrieben?"
Nach einer Reihe gemurmelter Verwünschungen antwortete Red entnervt: "Ich komme nicht an den Projektor. Geht nicht. Mein Arm passt nicht durch."
"Ist das dein Ernst?", ungläubig betrachtete Mexur den Holoplan, "Sollte das stimmen, ist die ganze Arbeit umsonst gewesen. Das fände ich äußerst unschön." Verzweifelt versteckte Red den Kopf zwischen den Ellenbogen und stieß erneut unverständliche Flüche aus. Schließlich schaute sie auf und fragte herausfordernd: "Hey, sag mal, Xamaer, wirst du oft verprügelt oder umgibst du dich ausschließlich mit tauben, gehirnamputierten und wehrlosen Wesen?", bedächtig fügte sie hinzu, "Viele Kämpfer können's nicht gewesen sein, sonst wärst du schon lange tot."
Bevor Mexur eine Reaktion zeigen konnte, schlug Sirius ihm lachend auf die Schulter. "Mann, sie hat recht! Völlig recht!"
Sanft stieß Greg Red an. "Rutsch ein Stück. Ich schau drunter." Erstaunt erwiderte sie seinen Blick und gab den Zugang frei. Während Red zusah, wie der Techniker sich unter den Generator quetschte, bemerkte sie gedankenverloren: "Ist ziemlich dreckig und eng da unten - aber darauf stehst du wahrscheinlich."
Grinsend hockte sich Sirius daneben. "Und? Wirklich aussichtslos?"
"Sie hat schon recht.", stöhnte Greg frustriert, "Da passt kaum der Brenner durch, aber vielleicht kann ich was aus dem Weg schaffen." Nickend meinte Sirius: "Ich schau oben nochmal." Mexur stand bereits vor der eingeschmolzenen Wartungsklappe und meinte frustiert: "Wie willst du dadurch gelangen, ohne den Projektor zu beschädigen?" Nach einer kurzen Inspektion rief Sirius: "Ja, Toms, entweder klappt's von unten oder gar nicht!" Greg brummte unzufrieden. Derweil hatte sich Mexur zu Red gesetzt, die verträumt die Morgensonne genoss.
'Eigentlich ist Trinita ein hübscher Planet mit den Felsen, viel Wald und den kargen Ebenen. Laufen kann man gut und in den letzten Jahren war ich meistens an schlimmeren Orten. - So in der Sonne lässt es sich prima aushalten - eine Runde dösen, ohne Piraten, keine nervigen Männer und seltsame Frauen - nur ich und ein leckerer Cocktail. Oh ja, damit könnte ich eine Weile hervorragend leben!'
Eine Berührung und Mexurs Stimme rissen Red aus den Gedanken. "Zurück zu den wichtigen Sachen, Leutnant. Ich schlage dir ein faires Angebot vor. Unsere Geschichten gegen deine. Einverstanden?" Red war verwirrt. "Geschichten?"
Mexur nickte. "Ja, ich fange an. Ist bei mir natürlich fiktiv, denn ich bin traditionell.", ein verschmitztes Grinsen erschien, bevor Mexur weitersprach, "Eine zauberhafte Gora'kt namens Drig. Sie ist Ingenieurin auf der X-Station und gehört zu einem der Inspektionsteams, die mir unterstehen. Diese Frau ist unglaublich biegsam, lässt sich gerne verschnüren. Sie hat mich angefleht, dass ich sie nehmen möge - hart und heftig.", er zuckte mit den Schultern, "Was sollte ich tun? Ich konnte ihr den Wunsch nicht abschlagen. - Ja, das war eine äußerst fesselnde, geräuschvolle Nacht mit der liebreizenden Drig. Am nächsten Morgen bin ich zur L-Station und wurde nach Trinita gebracht." Red musterte Mexur verblüfft.
'Fesselspiele? Hart und heftig? Er verschnürt seine Frauen? - Hm, das ist überraschend. Bei ihm hätte ich eher auf sanftes Spaßvögeln getippt.'
Mexur boxte Sirius. "Los, jetzt du!" Der Leganer setzte sich vor die Zwei und erzählte ohne Scheu: "Am Vormittag, bevor ich nach Trinita musste, erhielt ich Besuch von meinen geliebten Tekkarui-Zwillingen. Sie arbeiten auf einem der Kreuzfahrtschiffe und kommen vorbei, wenn sie auf der Station sind.", seine Begeisterung wuchs mit jedem Wort, "Die machen alles und ich muss kein Wort sagen. Spielen mit sich rum, dann an mir, dann ich mit ihnen - und naja, was wäre die beste Zusammenfassung - ausgedehntes Fingern, tiefgehende Zungenspiele und ganz viel Telepathensex."
"Oh ja, Telepathensex! Schöne Sache. Schade, das Galia eine Priesterin ist.", bemerkte Mexur, worauf Sirius entgegnete: "Aber Bez nicht. Die ist heiß und kein bisschen prüde." Neugierig hingen Reds Augen an dem Mann mit der schimmernden Haut.
'Uhhh, tiefgehende Zungenspiele! Darüber denk ich jetzt nicht nach. - Telepathensex hatte ich noch nie, aber dass sie Bez gut finden, verwundert mich nicht. Die Frau ist hübsch, weiblich, offen - und hat soo unglaublich viele kurze Kleidchen mit tiefem Ausschnitt.'
"Ey, du bist dran, Toms.", rief Sirius nun. Ohne seine Arbeit zu unterbrechen, berichtete Greg: "Beim letzten Zwischenstopp auf Plocho haben Rio - ein Freund - und ich uns eine blonde Quosoenfrau geteilt. Eine freie Nutte - teuer, aber mit Spaß an der Arbeit. Rio hat mit ihr gewettet, dass sie uns am Ende eine gratis Stunde schenken wird.", grinsend kam Greg ans Freie, "Ganz am Ende waren's sogar drei gratis Stunden und sie ist selig eingeschlafen."
Die Männer lachten. "So muss das sein.", sagte Mexur belustigt, während Red Greg misstrauisch beäugte.
'Der ist aber ziemlich überzeugt von sich. - Nur, wenn er wirklich so toll ist, warum muss er sich den Sex dann kaufen?'
Amüsiert erwiderte Greg den argwöhnischen Blick. "Schau nicht so böse. Erzähl lieber!" Sie senkte kurz die Lider.
'Ah, stimmt. Scheiße! Aber gut - da komm ich wohl nicht raus.'
Red visierte Mexur an. "Ein Mann, ok?", mit breitem Grinsen nickte er und nach kurzer Überlegung zählte sie auf, "Hm, naja, tanzen, ficken, war Scheiße. Fertig." Die Männer lachten und Mexur meinte: "Neee, ein paar Details müssen schon rein, Lady!" Sirius stimmte zu: "Ja, fangen wir langsam an. Welche Rasse?" Red zuckte mit den Schultern. "Weiß nicht genau.", erstaunte Gesichter musterten Red, weshalb sie schließlich zu erklären begann, "Na gut. Ich war in einem Club auf der Station. Ist dunkel dort, richtig dunkel. Beim Tanzen kam der Typ an. War groß. Schwarzer Mantel mit Kapuze. Sonst gab's nicht viel zu sehen, aber er fühlte sich vernünftig an.", Red versuchte sich zu erinnern, "Er schob ziemlich schnell seine Hände unter mein Kleid. Mir war sehr langweilig und so war vögeln eine Option. Wir sind in eine Ecke... - hm, naja, ähm...", Red geriet ins Stocken, suchte nach den richtigen Worten, "...naja, es stellte sich heraus, dass - ähm - die Natur ihn - benachteiligt hatte." Irritiert erkundigte sich Mexur: "Soll das heißen, dass dir sein Penis zu klein war?"
"Mir zu klein? Hm, naja, eher einfach klein – eben klein - nun...", mit einem zaghaften Lächeln erläuterte sie, "Klein find ich nicht schlimm, aber ...naja, sein Vorgehen war dafür nicht gerade ... einfallsreich."
"Du hast seinen Schwanz gesehen und weißt trotzdem nicht, von welcher Rasse er war?", bemerkte Sirius verwundert, "Zu wenig Erfahrung?"
Ihre Lider klappten runter und der Zeigefinger begann Kreise in den Schmutz zu zeichnen. "Ich hab gar nichts gesehen. War zu dunkel unter dem Tisch.", nach kurzem Schweigen fuhr sie langsam fort, "Ich dachte schon, ich mach was falsch. Dabei geht das eigentlich gar nicht.", Red blickte auf, "Ich meine, nicht richtig gut sein, kann passieren - aber es komplett falsch machen? Das geht nicht.", wieder senkten sich ihre Lider, "Doch an dem Abend war's wie verhext. Egal, was ich probiert hab, da war einfach nix. Mein Mund blieb ziemlich leer."
Da brachen die Männer in Lachen aus, weshalb Red erstaunt aufschaute.
"Bei meiner Heiligkeit, du hast ihm einen geblasen! Sag das doch! Ich hab mich schon gewundert!", rief Mexur begeistert. Red grinste verlegen. "So was ist mir noch nie passiert. Echt verwirrend.", nachdenklich ergänzte sie, "Vom Mundgefühl her tippe ich auf Quosoe, junger Fjuro oder eine Mischung.", zielstrebig setzte sie fort, "Ich wollte nicht unfair sein. Bisschen Kreativität kann eine Menge ausgleichen - allerdings, nun gut...", Red hob hilflos die Arme, "Kurze Zusammenfassung - Gerät winzig, Technik erbärmlich, Kondition miserabel.", lächelnd beendete sie die Geschichte, "47 schwarze, drei grüne und fünf umarfarbene Deckenperlen später war's vorbei. Zum Glück! Am nächsten Tag gab's Ausgangssperre, danach wurde ich nach Trinita verschifft. Letzter Sex während meiner Akademiezeit und dann so ein Reinfall. Sehr ärgerlich!", Red sah in amüsierte Gesichter, "Seid ihr zufrieden? Genug Details?", sie wandte sich an Greg, "Wie geht's dem Generator?"
Nach einem stillen Moment antwortete er: "Probier's. Besser wird's nicht." Red griff in die Werkzeugkiste und verschwand unter dem Schildgenerator. Kritisch begutachtete sie die scharfen Kanten und Ecken. Sie wusste, dass ihr Arm unmöglich durchpassen würde.
'Hm, das reicht nicht. - Rein geht wahrscheinlich, aber raus wird übel, doch bevor alles umsonst war - halt mit Gewalt... der geniale Doktor ist ja in der Nähe und die Drei werden sich im Notfall schon um mich kümmern. Also ran an den Feind, Mädel!'
Die Hand mit dem Multiwerkzeug schob sich zielstrebig vorwärts. "Klappt das?", erkundigte sich Greg nach einiger Zeit. Red biss die Zähne zusammen. "Hm, geht." Das Gespräch der Männer und die Arbeit lenkten sie von den Schmerzen ab. "Der Typ hat sich gefreut, dass er eine Elitäre erwischt hat.", hörte sie Sirius. Greg stimmte zu: "Während der großen Ferien hat er wahrscheinlich danach gesucht."
"Ich sagte Hände unters Kleid gesteckt.", rief Red dazwischen, "Zur elitären Uniform gehören weder Kleider noch Röcke.", sie schob sich den Brenner zu und fuhr fort, "Wie ihr wisst, hab ich keine Tattoos und der Laden ist kein Koaliertenschuppen - der ist düster, liegt im dreckigen Teil der Tiefendecks." Blut tropfte ihr ins Auge. Red wischte sich durchs Gesicht. "Der Kerl wusste nicht, dass er eine Elitäre vögelt."
Plötzlich meinte Mexur erstaunt: "Deckenperlen in umarfarben, sehr dunkel und in der Grauzone des Tiefendecks? So einen Laden kenne ich. Keine Uniformen, laute Musik. Alle Typen tragen schwarz und trinken Blut. Auf so finsteres Zeug stehst du?"
Gerade hatte Red die Augen geschlossen, wartete bis der Schmerz abebbte. Dann sagte sie lächelnd: "Die Musik gefällt mir, die Cocktails sind lecker und Xira steht auf Clankrieger.", sachliche Worte schlossen sich an, "Funktioniert's jetzt? Ich nehm meinen Arm erst raus, wenn's in Ordnung ist." Mexur und Sirius betrachteten die Anzeigen. Der Xamaer verkündete: "Alles dicht. Energie fließt. Sollte laufen."
"Ja, sieht gut aus. Bist fertig.", stimmte Sirius zu. Red reichte Greg die Werkzeuge und flüsterte: "Ok, dann zum ekligen Teil."
Red presste die zweite Hand gegen das Metall, atmete ein paar Mal tief durch und riss mit kräftigem Ruck den Arm heraus. Ein kurzes, schmerzerfülltes Stöhnen ließ die Männer aufhorchen.
"Scheiße! Was machst du da?" Greg hatte das Blut, welches aus tiefen Wunden schoss, als Erster im Blick. Red setzte sich auf, streckte den zerfetzten Arm in die Höhe. Schockiert betrachtete Sirius die Szene, während Mexur sich abwandte. "Ach, du meine Heiligkeit, wie ist das passiert? So kaputt. Eben warst du heil - und nun? Wie geht das bloß?"
Geübt zog Red ein kleines schwarzes Päckchen aus dem Armband, welches sich durch Schütteln zu einem dünnen Band entfaltete. Ein Ende nahm sie in den Mund und das andere wickelte sie fest um ihren Arm. Ohne Probleme erhob sich Red und sagte entspannt: "Ist nicht so schlimm, aber zum Arzt geh ich trotzdem.", als ihr Sprachlosigkeit entgegenschlug, meinte sie unverständig, "Oje, was denn? Ihr ward so scharf drauf, das Ding zu reparieren. Jetzt läuft's. Auftrag erfüllt."
Kopfschüttelnd legte Greg den Arm um Reds Hüfte und schob sie in Richtung der Gebäude. Mexur und Sirius folgten schweigend. "Das ist verrückt! Komplett verrückt! Dich zu verstümmeln, um den dämlichen Generator zu reparieren. Das ist bekloppt! Dämlich! Verrückt! Du bist verrückt!", murmelte Greg fassungslos. Red grinste und ließ sich, obwohl es nicht nötig war, von dem Techniker führen.

Mittlerweile lag der erste Angriff mehr als drei Stunden zurück. Nach der Behandlung der Verletzung und einer kurzen Besprechung hatte Fries dem Leutnant Ruhe verordnet. Red war mit dieser Anweisung nicht glücklich gewesen, hatte sich aber gefügt. Die Stille im Quartier ließ sie grübeln. Die Warterei wurde unerträglich. Sogar die langwierige Diskussion, welche vermutlich gerade im Konferenzraum ablief, schien spannender zu sein, als allein im Bett zu liegen.
'Swon hat recht. Wir sollten die Station verlassen und uns aus dem Schussfeld bringen. Das Schiff ist stark bewaffnet, hat ausreichend Energiereserven. Die Station können wir kaum halten - vor allem bei dem dämlichen Energieproblem. - Ich frage mich nur, was Adun Brachib hier will? Auf der Station gibt's nichts wertvolles. Und die Piraten waren auch schon hier. Weshalb besitzen sie nicht bereits, was sie wollen? Wo ist der Sinn? - Und dann erst der ganze andere Mist! Gelbe Priester, Croin Chucs, Drefser, Technikexperten? Ich versteh gar nichts.'
Schließlich trieb Red die Unruhe aus dem Quartier. Um ihren Mitstreitern nicht über den Weg zu laufen und sich damit die Schelte des Arztes einzufangen, schlich sie in die Tiefebene. Erinnerungen kamen als Red die Stelle erreichte, an der Comander Lead seine Einführungsrede gehalten hatte. Damals wusste sie nicht, worum es gehen sollte und sie hatte sich hinter den Zwillingen versteckt.
'Eigentlich endete meine Akademiezeit erst an dem Tag. Fühlt sich nach einer halben Ewigkeit an, obwohl's nur ein paar Tage sind. - Comander Lead ist verschwunden, vielleicht tot und ich weiß immer noch nicht, was ich hier soll! Wie erklär ich das Chaos bloß, wenn ich zurück bin?'
Auf einmal unterbrach ein Geräusch ihre Gedanken. Deutliches Brummen drang aus den Gängen, die in das Höhlensystem führten. Red erkannte die verzerrten Laute sofort.
'Scheiße, Raketenpacks!'
Das Geräusch kam schnell näher. Die Ankömmlinge wussten scheinbar genau, wo ihr Ziel lag. Red lief zum nächsten Com und rief: "Hey, hört mich jemand?"
"Ja?", meldete sich die kühle Swons Stimme nach wenigen Augenblicken. Red versuchte ruhig zu bleiben. "Ich bin in der Tiefebene. Jemand kommt durch die Höhlen mit Raketenpacks." Swon reagierte, ohne Fragen zu stellen. "Ich komme. Verschwinde da! - Sofort!"
Mit dem letzten Wort hatten die Wesen die Station erreicht. Das Brummen verklang. Red wusste, dass sie nicht mehr zum Ausgang gelangen konnte, ohne gesehen zu werden. Trotzdem blieb Red gelassen, denn sie ging nicht davon aus, dass die Wesen die Tiefebene durchsuchen würden. Zu dem konnte es nützlich sein, vor Ort zu bleiben und die Geschehnisse zu beobachten.
Der Aufbau der Tiefebene unterschied sich stark von dem aller anderen Stationslevel. Gänge und Räume fehlten, unzählige Trennwände unterteilten den Raum in ein unübersichtliches Gewirr aus Nischen. Das System war einfach zu ändern und dem jeweiligen Zweck anzupassen, aber da die Station kaum genutzt wurde, gab es keine sinnvolle Anordnung mehr. Es war ein chaotischer Ort.
Red positionierte sich in einer dunklen Ecke, wobei sie darauf achtete den Ausgang im Blick zu behalten. Im Raum war es totenstill.
'Wo sind die? Es sind sicher Piraten. Ganz sicher. Wie Swon wohl reagiert? Greift sie an?'
Dann tauchte ein Mann auf, den Red - obwohl sie ihm niemals begegnet war - sofort erkannte. Der hochgewachsene, muskulöse Dschju mit den dunklen, nach hinten gebundenen verfilzten Haaren und dem kantigen Gesicht sah trotz zahlreicher Narben durchaus gut aus. Gleichzeitig wirkte er jedoch angsteinflößend, kalt. Seine Erscheinung löste bei Red ein tiefes Unbehagen aus.
'Adun Brachib und seine Leute. Ich wusste es. Immerhin sind keine anderen Clankrieger dabei. - Ich hoffe, die Anderen sind vorsichtig.'
Als die Männer einige Energieleitungen gekappt hatten, erschütterte eine mächtige Detonation die Grundfesten der Station. Red wusste, dass es keine im Bodenkampf zugelassene Waffe gab, die eine derartige Kraft besaß. Ein seltsamer Gedanke schoss ihr durch den Kopf.
'Warum sollten sich Gesetzlose auch an Gesetze und Vorschriften halten? Wären ja sonst keine Gesetzlosen.'
Die Piraten gruppierten sich vor dem Ausgang, der ins Treppenhaus führte. Der Luftangriff hatte die Wesen nicht überrascht. Sie schienen darauf gewartet zu haben.
'Die Schilde sind tot. Die ZE oder Docks zerstört? Könnte sein. Je nachdem, worauf sie gezielt haben, ist eins davon hin. Ich hoffe, es hat keinen erwischt!'
Der Ausgang öffnete sich. Geordnet und lautlos verließen die Eindringlinge den Raum. Doch sofort, als die große Tür geräuschvoll zugefallen war, begann draußen ein Strahlergefecht.
'Swon! - Also leben sie. Einige zumindest. Gut. Oben herrscht sicherlich Chaos. Was mache ich jetzt nur?'
Die Entscheidung wurde ihr abgenommen, denn die Tür öffnete sich wieder und die Piraten stürzten herein. "Die wussten, dass wir kommen!", schrie ein dicker Streslar. Adun Brachib reagierte mit eiskalter Ruhe. "Ja, scheint so.", er hob seine schwere DEG und sagte bösartig, "Nur woher? Wer hat uns verraten?"
Ohne Hast begann er den Raum zu durchstreifen. Red zog sich in die Finsternis zurück, als der Dschju sich ihrem Versteck näherte.
'Weiß er es? Vielleicht. Vielleicht aber auch nicht.'
Red blickte sich um, fluchte lautlos. Während sie sich auf die Schritte des Ehrlosen konzentriert hatte, war sie in eine Sackgasse geraten. Der Gang war am Ende versperrt - eine dunkle Nische, die keinen Ausweg bot. Red saß in der Falle. Die Gedanken rasten, während Adun näher kam. Ihr fiel nichts ein und sie wünschte sich Laxira her. Red tippte gegen den Chip, den sie nach dem Angriff auf die Station vorsichtshalber wieder unter die Haut am Hals geschoben hatte. Nach der Berührung verschwammen Umrisse ihres Körpers in der Dunkelheit. Die Waffe fest umklammert, ließ sie den Blick nicht vom offenen Ende der Nische.
Mittlerweile schützte Red nur noch eine Wand und die Dunkelheit vor der Entdeckung. Die Schritte waren so nah. Red atmete ganz flach, bewegte sich nicht, als plötzlich fremde Gedanken durch ihren Kopf schallten. Sofort bekam sie Kopfschmerzen und Gefühlschaos überschwemmte ihren Geist.
'Wir riegeln die Tiefebene ab, Red.'
'Nicht jetzt, Galia. Geh aus meinem Kopf.'
'Versteck dich, Red! Schnell! Er weiß, dass du da bist!'

'Verschwindet! Beide!'
Red kämpfte noch gegen das dumpfe Pochen und die Verwirrung, als Adun Brachibs kalte, tiefe Stimme erneut zu hören war. "Da haben wir unseren Spion!" Am Ende der Nische leuchtete ein Mündungsfeuer auf.
'Mistkerl.'
Für mehr Gedanken reichte die Zeit nicht. Durch die Wucht des Schusses flog Red nach hinten und blieb bewegungslos liegen.
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Keiner von Reds neun Gefährten war bei dem zerstörerischen Luftangriff zu Schaden gekommen, denn einige Zeiteinheiten vorher waren sie gemeinsam in Richtung Tiefebene gestürmt. Um Energie zu sparen, hatte Mexila die Lifte bereits stillgelegt und daher war die Treppe der einzig mögliche Weg. Gerade als die kleine Gruppe auf den untersten Stufen angekommen war, erschütterte eine verheerende Explosion die Station. Das gesamte Gebäude wackelte, doch im tiefen Inneren geschah nichts schlimmeres.
Vor dem Ausgang der Tiefebene befand sich ein kleiner Raum, in den Lifte und Treppe führten. Davor - auf den untersten Stufen der Treppe - bezogen die neun Wesen Stellung.
Als Swon vorsichtig um die Ecke spähte, sah sie gerade, wie die Tür sich öffnete. Sie erkannte Adun Brachib und zielte auf ihn, aber verhielt sich sonst ruhig. Erst als alle Piraten die Tiefebene verlassen hatten und die Tür zugefallen war, eröffnete Swon das Feuer. Freies Schussfeld hatten neben dem Regier nur Sirius, Naro und Greg, doch die Überraschung half ihnen.
Die zwanzig Wesen drückten sich zuerst gegen die Wände oder ließen sich fallen. Dies half wenig, denn gute Deckung gab es nicht. Bereits nach wenigen Zeiteinheiten öffnete sich die Tür zur Tiefebene wieder. Die zwölf Überlebenden flüchteten überstürzt.
"Sag dem Leutnant Bescheid, Galia! Sie soll sich verstecken! - Greg, riegle die Tiefebene ab!", befahl Swon schnell. "Nein, dann hat Red keine Chance mehr!", widersprach Greg energisch. Swons Augen wurden schmal. "Das wird nicht diskutiert. Wir werden von zwei Seiten angegriffen und wir müssen herausfinden, was oben los ist! Ärger mit Adun brauchen wir dabei nicht!"
Da warf Bez mit Zittern in der Stimme ein: "Es ist zu spät. Er hat..." , das Geräusch eines Strahlerschusses drang durch die Tür, "...sie gefunden."
"Red! Oh nein! Die haben sie erschossen.", wimmerte Mexila tränenerstickt und griff hilflos nach Mexur.
"Red ist nicht tot. Nur betäubt.", sagte Galia schnell, während Swon leise fluchte: "Dumme Elitäre! Sie sollte doch verschwinden!" Galia nickte schweigend.
Für einen Moment herrschte Stille. Dann fuhr Swon entschlossen fort: "Jetzt schotte endlich die verdammte Ebene ab, Toms!" Mit finsterer Mine unterstützte Naro die Anweisung. "Erledige das, Greg. Wir müssen uns oben umschauen.", überzeugt setzte er hinzu, "Wenn wir zwischen die Fronten geraten, hilft Red das nicht weiter."
Abwägend musterte Greg die Runde, stieg schließlich ein paar Stufen bis zur nächsten Konsole hinauf und schottete die Tiefebene ab. Die Tür war damit verriegelt, der Zugriff auf Stationssysteme unmöglich. Nur Luftaustauscher und Stationscom hatte Greg ausgeklammert. Danach schlich die Gruppe, bereit für unliebsame Überraschungen, die Treppe aufwärts.
Nur die unteren Flure waren bei dem Angriff weitestgehend intakt geblieben. Der Gang mit ihren Quartieren gehörte dazu. Die Zentraleinheit war ein Schutthaufen und auch auf dem Landungsdeck gab es große Zerstörungen.
Zur Erleichterung der Neun hatte der fjuranische Kreuzer die Attacke unbeschadet überstanden. Obwohl von den Angreifern jede Spur fehlte, rechnete Swon fest damit, dass die Schiffe sich in der Nähe befanden. Wenn die Rückmeldung von Adun Brachib zu lange auf sich warten ließ, würden die Piraten landen und angreifen. Deshalb begannen die Neun an einer Verteidigungsstrategie zu arbeiten.

Als Red das Bewusstsein wiedererlangte, war ihr vom ersten Augenblick an klar, in welcher Situation sie sich befand. Sie fror, fühlte sich schwach und wegen der Strahlerbetäubung schmerzten ihre Muskeln. Trotz der unbequemen Haltung bewegte sie sich nicht und lauschte angespannt. Männer unterhielten sich in einiger Entfernung. Raue Worte fielen und eine leichte Unruhe war spürbar, doch Ärger und Verunsicherung, wie Red es erwartet hatte, fehlten. Statt planlosem Chaos herrschte diszipliniertes Abwarten vor. Zögerlich öffnete sie die Augen ein winziges bisschen.
'Scheiße. Was mache ich jetzt? Was die wohl vorhaben? Warum verschwinden die nicht?'
"Sieh da, die Spionin ist erwacht!", brummte eine tiefe Stimme. Red hob den Kopf und blickte sich um. Es gab keinen Grund mehr vorsichtig zu sein. Auf einer Kiste, keine drei Meter entfernt, saß ein kleiner, dicker Mann. Der kräftig gedrungene Körperbau und das dunkle, wellige Haar zeigten seine Streslarherkunft. In Erwartung auf ein wenig Ablenkung versammelten sich die zwölf Männer. Red lief ein kalter Schauer über den Rücken, als sie Adun Brachib entdeckte. "Helft unserem Gast auf!", meinte er mit gespielter Freundlichkeit.
Der dicke Streslar und ein vernarbter Fjuro packten ihre Arme, rissen Red auf die Beine. Im ersten Moment knickte sie leicht ein. Ihre Muskeln drohten nachzugeben. In den Schläfen hämmerten es und der Blick trübte sich. Für einige Momente konzentrierte sie sich nur darauf nicht zu schwanken. Langsam wurde es besser.
"Ein kleiner, elitärer Leutnant, deren große Klappe acht Wesen das Leben gekostet hat.", Adun blickte fragend in die Runde, "Was fangen wir mit diesem Haufen Dreck an?"
Red ahnte, dass der Dschju genau wusste, was er mit ihr anstellen würde. Mit furchteinflößender Kühle fuhr der Mann fort: "Sie ist zu jung, um interessante Informationen zu besitzen und elitäre Tschoraks gibt's sowieso zu viele im Universum. Tötet die Schlampe!"
Red hörte die Worte. Es fiel ihr schwer, den Sinn zu begreifen. Währenddessen ließ Adun Brachib sie für keine Sekunde aus den Augen, sog jede Reaktion gierig auf, doch zu seiner Enttäuschung wirkte Red ungerührt. Sie erwiderte seinen Blick, ohne Angst zu zeigen. Also wiederholte er seinen Befehl - Wort für Wort, starrte sie dabei unerbittlich an. "Knallt das Miststück ab! Schießt ihr das Hirn raus!"
Wieder nahm Red die Anweisung wahr. Eine Waffe wurde hart in ihren Rücken gestoßen, ein weiterer Strahler bohrte sich schmerzhaft in die Schläfe. Trotzdem zuckte Red nicht. Seltsam ruhig und klar betrachtete sie den Raum, analysierte ihre Situation. Starke Handleuchten erhellten den Raum, was Galias Worte bestätigte. Die Tiefebene war abgeschottet. Es gab kein Entrinnen.
'Sie leben. Das ist gut. Sie hatten keine Wahl. Ich bekomme keine Hilfe. Ich sterbe jetzt. Schade eigentlich.'
Der dicke Streslar unterbrach die kurze Ruhe. Seine Stimme klang unterwürfig: "Vielleicht - Sir, bevor wir das Dreckstück töten, - könnten wir sie - bumsen, - Sir. Sie ist 'n Weib - und wir hab'n noch - Zeit, Sir", stammelte er kriecherisch.
Red wollte nicht verstehen, was er vorschlug. Sterben war eine Sache, aber diese Idee ließ sie erschaudern. Adun Brachib registrierte die aufkommende Angst, grinste kalt. Dann fixierte er den Fragenden, bis der geduckt zurückwich. "T'schuldigung, Sir, wir töten sie sof..."
Aduns Miene ließ den Streslar schweigen, die Männer abwarten. Der Dschju zog Red heran. Sie spürte unangenehme Wärme, einen starken Geruch und verharrte regungslos. Er streichelte ihre Wange und flüsterte: "Ah, endlich eine Reaktion, Menschenfrau! Eine gute Reaktion."
Alles drängte Red zurückzuweichen, aber er gab ihr keine Chance. Also hielt sie still und kämpfte gegen die aufflammende Panik. Schließlich stieß Adun Brachib sie weg. Red landete in den gierigen Armen des Streslars. Während der Dschju sich abwandte, bemerkte er: "Menschenbrut ist mir zu schwächlich, aber ich will das Miststück heulen hören. Verstanden?", er stoppte und ergänzte kühl, "Wenn ihr durch seid, knallt die Hure ab.", Adun fixierte den Dicken erneut, "Gibt's Ärger, lass ich dich ficken, bis du tot bist. Fragen?" Mit gesenktem Haupt antwortete der Streslar: "Kein Ärger, Sir. Verstanden."
Ungeschickt begann der Dicke nach dem Gewebechip von Reds Shirt zu suchen, öffnete die Brustnaht. Seine Hände grapschten gierig nach ihren Brüsten. Sie konnte sich nicht bewegen. Während Adun Brachib in der Dunkelheit verschwand, bildeten die Übrigen einen Kreis. Johlen, Klatschen und Anfeuerungsrufe erfüllten den Raum. Das Zerren am Verschluss ihrer Hose löste Reds Erstarrung schließlich. Sie kehrte in die Realität zurück. Widerstand regte sich.
'So einfach nicht. Wir machen keine Geschenke.'
Blitzschnell drehte Red die Hand des überraschten Streslars auf dessen Rücken und trat ihm mit aller Kraft gegen das Rückgrat. Er schrie auf, fiel hart auf die Knie. Eilig sprang der Mann wieder auf, grinste sie unbeeindruckt an. "Das hilft dir nicht, du dumme Nutte. Bringt nur mehr Probleme."
Die Lautstärke der Pfiffe und Zurufe schwoll an. Der Streslar stieß vor. Red wich dem Schlag problemlos aus. Der Schwung ließ den Kerl schwanken, was sie ausnutzte. Red trat in seinen Bauch, danach direkt gegen seinen Kopf. Er sackte zusammen. Blut spritzte aus einer Platzwunde. Der Typ fluchte zornig. Die Menge war verstummt, während der Verletzte sich erhob. Wütend schrie er: "Du Gesgag! Stinkende Fotze! Du wirst mich anflehen, dich zu töten, du Hure!"
Red wartete ab, bis der Mann angriff. Bei diesem Mal war er konzentrierter, schneller. Sein Schlag streifte das Gesicht der Elitären, die geübt seinen Arm packte und schmerzhaft verdrehte. Red zog das Knie hoch und rammte es in seinen Unterleib. Stöhnend krümmte er sich. Als sein Ellbogen durch einen gezielten Schlag zersplitterte, heulte er auf. Red ließ ihn los und trat mit aller Kraft gegen seine Rückseite. Der Streslar flog gegen einen schmalen Menschlichen, der sein Gleichgewicht verlor. Gemeinsam fielen die Männer nach hinten. Der Kreis öffnete sich.
Red ergriff die Chance. Gewandt sprang sie über die liegenden Körper, brachte Abstand zwischen sich und die Meute.
Für einige Momente herrschte ungläubiges Staunen, bis die ersten Männer sich auf sie zu bewegten. Jedes Vergnügen war aus ihren Gesichtern gewichen. "Schnappt euch, diese elende Gesgag! Das wird die Hure mir büßen! Winseln wird sie!", schrie der dicke Streslar aus einer schmerzverzerrten, blutigen Fratze.
Red wollte weg, in der Dunkelheit verschwinden. Die Tiefebene war riesig. Sie konnte sich verstecken. Mit einem schnellen Blick auf die Verfolger zog sie sich zurück - und stieß in der Finsternis zwischen den Trennwänden gegen einen Körper, der die Entwicklung seit einiger Zeit interessiert beobachtet hatte.
Red schaute erschrocken auf. Goldbraune Augen musterten sie mit kalter Faszination und schlagartig fühlte sie sich wie das Spielzeug eines Raubtieres.
Als Adun ihren Hals griff und Red gegen die Wand drückte, unternahmen seine Männer nichts mehr. "Für ein schwaches Menschenweib bist du eine ganz gute Kämpferin." Geschickt öffnete er die Haarspange. Seine Finger strichen durch das offene Haar. Er beugte seinen Kopf vor und atmete tief ein. Reds Herz raste. Angst breitete sich aus. Seine Hand umschloss ihre nackte Brust. Wie Klauen gruben sich Fingernägel durch die Haut tief ins Fleisch. Kein Laut drang über Reds Lippen, obwohl längst Blut aus den Wunden rann.
Ohne Vorwarnung hob Adun Brachib sie an. Ihre Füßen hingen in der Luft, gleichzeitig verstärkte sich der Griff an der Kehle. Panisch krallten sich Reds Finger in seinen Arm. Beim Versuch Luft zu holen, hörte sie das eigene, heisere Röcheln. Kein Sauerstoff gelangte in ihre Lungen. Unkontrollierte Angst kam. Gleich darauf überschwemmte Red Erleichterung, als ihre Zehen wieder den Boden berührten und der Druck auf die Luftröhre unvermittelt nachließ. Hektisch schnappte sie nach Luft.
Dann verschmierte seine Hand genüsslich das Blut auf ihrem Oberkörper. Seine Fingernägel bohrten sich in ihre Brustwarze, während Adun sich vorbeugte. Seine Stimme blieb ruhig, klang fast sanft, aber Red hatte niemals bedrohlichere Worte gehört. "Du bist zäh, Menschenweib. Keine Dschjua, aber ein wenig besser als der Müll auf Km'Prik."
Erneut verloren die Füße den Kontakt zum Boden, wieder quetschte er ihre Kehle zusammen. Die Hände krallten sich verzweifelt in seine Faust und ihr Röcheln war das einzige Geräusch, das Red vernahm. Als die Beine krampfhaft zuckten und Schwärze sich ausbreitete, lockerte sich der Griff endlich. Hustend schnappte Red nach Luft. Ihre Kehle schmerzte und die Gedanken rasten. "Warum hast du mich nicht sofort getötet? Damit hättest du dir Ärger erspart.", begann sie heiser und hoffte auf Erholung. Adun musterte sie. "Du musst wissen, dass du sterben wirst. Sollst es hören - verstehen. Todesangst wahrzunehmen, ist ein erhebender Augenblick."
Red sah Wahnsinn. Adun beugte sich vor und fuhr kühl fort: "Und Ärger bereitest du nicht, eher Vergnügen - gleich vor allem."
Als seine Hand sich in ihre Hose schob, stieß Red den Kopf vor und riss gleichzeitig das Knie nach oben. Zwar schien Adun die Bewegung erahnt zu haben, musste trotzdem zurückweichen. Dabei ließ er ihren Hals los. Sofort nutzte Red den Augenblick. Sie flüchtete, ohne sich umzuschauen. Sie wusste genau, dass ein Kampf gegen den Clankrieger nicht zu gewinnen war.
Die Piraten schüttelten ihr Erstaunen nur langsam ab. Red befand sich zwischen der Gruppe und Adun Brachib, in dessen Nähe sie auf keinen Fall zurückwollte. Lieber kämpfte sie gegen die zwölf Piraten und ohne Kampf kam sie auf keinen Fall raus. Verzweifelt blickte sie sich um, stürzte zum nächsten Com. "Scheiße, holt mich hier raus. Irgendwer, bitte!"
Red wandte sich ab. Das Stationscom blieb aktiv. Die Männer - allen voran Adun Brachib - bewegten sich zielstrebig auf Red zu. Sie atmete ein paar Mal durch und kam ihnen einige Schritte entgegen.
'Kein Ausweg. Keine Hilfe. Freikämpfen. - Schaff ich nicht, aber probieren. Ein paar mitnehmen. Ja!'
Nochmals holte sie tief Luft. Die Furcht wurde durch eine grimmige Sturheit überdeckt. Ungerührt erwiderte sie Aduns Blick und sagte kühl: "Bei mir gibt's kein Vergnügen ohne Ärger und Geschenke mach ich auch nicht." Ihre Stimme zeigte keine Spur von Angst.
'Zu verlieren, gibt's nichts mehr, doch - ein paar Tschaks mitnehmen kann ich auf jeden Fall.'
Adun schickte Männer vor und Red kämpfte, ohne nachzudenken. Die Zwei waren stark, aber nicht besonders schnell. Innerhalb weniger Sekunden hatte Red beide getötet. Dem nächsten Kämpfer schlug sie zielgenau auf den Hals. Er sackte röchelnd zusammen. Wieder ein Knacken und ein weiterer Toter lag am Boden.
Zwei neue Kämpfer folgten - geschickter und wendiger. Red bemerkte den Unterschied kaum. Einem brach sie das Genick, dem Anderen stach sie die Finger in die Augen. Schmerzerfüllt schrie er, als ein Tritt gegen die Schläfe ihn bewusstlos zusammenbrechen ließ.
Nachdem die Hälfte seiner Gruppe ausgeschaltet am Boden lag, griff Adun selbst ein.
Red wartete ab, hoffte Zeit zu gewinnen und auf eine Chance, in der Finsternis zu verschwinden. Er griff an. Während es Red gelang ein paar Mal auszuweichen, versuchte sie sich in die unbeleuchteten Bereiche zu manövrieren. Das bisschen Hoffnung wurde zerstört, als ein harter Schlag ihr Gesicht erwischte. Red schwankte. Ihr Mund füllte sich mit Blut. Trotzdem hielt sie sich auf den Beinen und griff selbst an. Zur eigenen Überraschung traf ihre Faust seine Nase. Dunkles Blut tropfte auf den Boden. Adun schrie wütend auf.
Danach geschah alles sehr schnell. Adun Brachib wollte Red ausschalten. Er spielte nicht mehr. Ein Schlag in den Magen schickte sie auf die Knie. Gnadenlose Tritte zwangen sie zu Boden. Red krümmte sich, versuchte Kopf und Körper zu schützen. Sie hatte keine Chance. Weitere Tritte folgten. Blut lief ihr in die Augen und aus dem Mund.
In der ganzen Zeit drang kein einziger Laut über ihre Lippen, bis ihr letztlich das Bewusstsein entglitt. Das Zerren an der Hose holte Red ein wenig zurück. Abwehrend hob sie den Arm und traf auf einen Körper, der über ihr lehnte. Die Beine wurden auseinandergedrückt. Ihr Wimmern. Schmerzen. Reißende Schmerzen. Harte Bewegungen - in ihr drin. Red hörte Stimmen, während ihre Finger sich kräftig in Fleisch krallten. Ein Fluch erklang und ein heftiger Schlag traf ihr Kinn. Schwärze nahm sie gefangen. Es war vorbei. Alles war vorbei.

Im ersten Moment glaubte Red tot zu sein, denn sofort war ihre Erinnerung klar. Es schien unmöglich, dass Adun Brachib sie am Leben gelassen hatte. Gleichzeitig fingen ihre Sinne an, die Umgebung wahrzunehmen. Sie vermochte nicht einzuschätzen, wie viel Zeit vergangen war. Ein Gedanke schoss durch ihren Kopf.
'Tote denken nicht über Zeit nach. Ich bin nicht tot. Ich lebe. - Gut.'
Weder liegend noch sitzend lehnte Red an einer Wand. Die Stellung war äußerst unbequem und jeder Luftzug schmerzte, aber ihre Situation gewann dadurch an Wirklichkeit. Um sie herum war es absolut still. Während Red die Augen öffnete, wurde der Geschmack von Blut und Erbrochenem überdeutlich. Sie schluckte mehrmals, aber das half nicht. Ein widerlicher Geruch aus Schweiß, Urin, Blut und anderem stieg in ihre Nase, während die Augen durch den Raum schweiften.
'Nicht mehr in der Tiefebene. Ein Gang. Seltsam. Die Lichter flackern. Die Energie geht zu Ende. Wo ist der Ehrlose? Nicht hier. Zum Glück.'
Vorsichtig setzte sich Red auf, stöhnte dabei vor Schmerzen. Geschmack, Geruch und Bewegung lösten Übelkeit aus. Reds Blick trübte sich. Erst nach ein paar Momenten war Red in der Lage sich genauer umzusehen.
'Ganz allein? - Hm. Einfach zurückgelassen? Der Dschju hatte sicher keinen Anfall von Gnade. Seltsam. - Ich muss verschwinden, bevor sie zurückkommen. - Ja, verschwinde! Sofort, Mädel!'
Red blickte an sich herab. Der Anblick schockierte sie, ließ die Erinnerungen schlagartig real werden. Reste des Shirts hingen über einer Schulter und der linke Fuß steckte halb in einem Stiefel. Sonst war sie nackt. Prellungen und blutige Wunden übersäten ihren Körper. Red wusste, dass Knochen gebrochen waren, und befürchtete, auch innere Verletzungen zu haben. Ihr Unterleib schmerzte. Vorsichtig tastete Red das Gesicht ab und zuckte zusammen. Eine Seite war dick geschwollen.
Mit ihrem Zustand wollte sich Red jedoch nicht beschäftigen. Sie musste ein sicheres Versteck finden und eine Waffe besorgen, aber ihr Körper weigerte sich, auch nur ans Aufstehen zu denken.
'Du musst, Red! Los jetzt! In dein Quartier! Bewaffnen. Medikamente und ein bisschen Ruhe vielleicht. Nicht jammern! Geh und besorg dir eine Waffe, Mädel!'
Mit dem Rücken und den Hände an der Wand rutschte Red aufwärts. Sie weinte lautlos, schwankte unsicher. Die Übelkeit kam zurück. Sie musste sich übergeben. Der Blutgeschmack und der ekelerregende Geruch lösten immer wieder heftigen Brechreiz aus. Nur mit Mühe bekam Red den Zustand unter Kontrolle. Durch die Anstrengung war eine Wunde am Kopf aufgeplatzt. Blut lief ihr ins Auge. Mit dem letzten Fetzen des Shirts wischte sie es weg.
Red befand sich im Zwischendeck. Zwei Ebenen darüber lagen ihre Quartiere. Schritt für Schritt stolperte sie ins Treppenhaus. Red versuchte sich zu beeilen, doch ständig verschwamm der Blick. Schwindel, Übelkeit und die stete Angst, das Bewusstsein zu verlieren, ließen sie Pausen einlegen. Im Dämmerzustand glaubte Red ein Strahlergefecht zu hören, doch als sie sich gefangen hatte und lauschte, herrschte Stille.
Am Gang vor ihren Unterkünften wartete Red zuerst in der Deckung. Nichts passierte. Niemand zeigte sich. So schnell wie möglich lief Red zu ihrem Quartier, öffnete die Tür und verschwand. Der Korridor war wieder leer.
Wenige Sekunden später öffnete sich der Zugang des Konferenzraums. Eine glitzernde, lebendig pulsierende Wolke durchquerte den Gang. Ihr folgten Wesen, deren Proportionen falsch wirkten. Der abgehackte Gang und die plastischen Gesichter verstärkten den fremdartigen Eindruck.
Indes versuchte Red den Schock zu überwinden, den der Anblick ihres Spiegelbildes ausgelöst hatte. Mit einem feuchten, weichen Reinigungstuch tupfte sie Blut aus dem Gesicht, wusch sich ein bisschen, um den Gestank loszuwerden, und spülte den Mund mit Zahnreiniger aus. Anwärterwaffe und Notfallpack lagen griffbereit neben ihr. Mit dem vorbereiteten Zellstab verabreichte sie dem geschwollenen Gesicht ein Regenerationspräparat. Das Medikament oder die Anstrengung verursachten eine heftige Brechattacke. Schwach klammerte sie sich an der Toilette fest, kämpfte sich schließlich zum Bett und sank erschöpft zusammen. Ihr Bauch tat weh, die Kehle brannte und kalter Schweiß perlte von ihrem Körper, trotzdem entspannte Red mit der Zeit. Die Tür war verriegelt und der Strahler in der Hand gab ihr Sicherheit.
'Nur ganz kurz. Einen Moment ausruhen. Dann anziehen und rausfinden, was los ist.'
Ihre Atmung wurde ruhig und tief. Die Augenlider klappten zu, ohne dass sie es verhindern konnte.
'Gleich steh ich auf - gleich...'
Red driftete ab. Ob sie bewusstlos wurde oder einschlief, wusste sie nicht und es war auch egal. Sie konnte es nicht kontrollieren. Ihr Körper nahm sich, was er brauchte.
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"Öffne die Tür, Leutnant!" Die Worte, der Summer und das Klopfen klangen deutlich durch den Raum. Das folgende Gespräch war dagegen kaum zu verstehen. "Sie reagiert nicht immer auf ihren Rang."
"Stimmt. Ist sie tatsächlich wach?" Die Antwort war zu leise, aber kurz darauf rief jemand durch das Com: "Öffne die Tür, Red! Du musst keine Angst haben! Alles ist in Ordnung!"
Red hatte sich aufgesetzt, lauschte verwirrt. Die Waffe zielte schussbereit auf den Eingang. Langsam begann ihr Verstand zu arbeiten.
'Naro? - Ja. das war Naro.'
Beim Versuch aufzustehen, wurde ihr schlecht und schwindelig. Also blieb sie sitzen und befahl heiser: "Öffnen!"
Ein wenig erstaunte Red, dass danach gar nichts schlimmes passierte. Es gab keine Schüsse, keine Explosionen, kein Kampfgeschrei - nichts dergleichen geschah. Vor der Tür standen neun Wesen, die nun nacheinander das Quartier betraten. Niemand sagte ein Wort, während alle Augen an ihr hingen. Gerade als Red die Waffe sinken ließ, brach eine Flut fremder Gefühle über sie herein - eine Mischung aus Freude, Schock, Erleichterung, Bestürzung, Wut und Angst. Sie bekam Kopfschmerzen und die Übelkeit nahm zu. Mit einer Hand schirmte sie die Stirn ab, blinzelte überfordert in die Runde.
Fries setzte sich neben sie. "Du musst behandelt werden. Kannst du laufen?" Red verstand seine Worte nicht. Das Chaos verstärkte sich - Besorgnis, Angst, Schuld, Verwunderung, Erkenntnis. Naros kräftige Stimme drang in ihr Bewusstsein. Sie versuchte, sich darauf zu konzentrieren. "Hast du den Arzt verstanden, Red? Du siehst angeschlagen aus." Ihr Verstand brauchte einige Zeit.
'Angeschlagen? - Angeschlagen. Angeschlagen...'
Trotz der Irritation musste Red grinsen und antwortete zitterig: "Ja, angeschlagen trifft es." Stechende Kopfschmerzen stoppten Red. Sie massierte die Schläfen und fuhr abwesend fort: "Angeschlagene Pflaumen geben das beste Mus, sagt meine Oma immer. Dann bin ich jetzt bestimmt ziemlich lecker."
Mehr Verwunderung, ungewollte Heiterkeit und wachsende Besorgnis schlugen ihr entgegen. Der Strahler rutschte aus ihrer Hand. Red legte den Kopf auf die Knie und die Arme darüber. Verzweifelt wimmerte sie: "Was rede ich denn? Geht weg! Alle weg! Bitte! Geht aus meinem Kopf..."
Da streichelte jemand über ihr Haar und augenblicklich verschwand die Gefühlsflut. Kopfschmerzen und Verwirrung lösten sich ebenso schnell auf.
"Besser?", fragte eine weibliche Stimme. Erleichtert blickte Red auf, sah direkt in strahlend blaue Augen. Bez zeigte ein schwaches Lächeln. "Deine Kräfte verstärken sich schnell. Du musst bald mit dem Training anfangen." Red verstand nicht, bis sie Galias Gedanken vernahm.
'Das war viel Empathie und ein bisschen Telepathie - unsere Empfindungen und sogar ein paar Gedanken. Bez hat völlig recht. Du bist bereits sehr sensibel und die Eindrücke werden sich immer häufiger ihren Weg in deinen Kopf bahnen. Du musst lernen, deine Kräfte zu kontrollieren.'
Irritiert starrte Red die Tekkarui an. "Ein bisschen viel auf einmal?", fragte Bez sanft. Red betrachtete sie verwundert und nickte zögerlich.
"Weil du unter Schock stehst, hat sich deine Empfindlichkeit erhöht.", erklärte Bez ruhig, "Geh mit Fries. Lass dich behandeln. Das wird helfen."
Red schwieg. Die Ruhe im Kopf hatte zwar die Übelkeit und die Schmerzen im Körper zurückgebracht, aber gleichwohl kamen Erinnerungen. Viele Fragen tauchten auf, beschäftigten ihre Gedanken. Red überlegte: "Ich glaube nicht, dass ich unter Schock stehe." Bez fragte neugierig: "Ist dir bewusst, dass du nackt bist?"
"Nackt? Hmm...", murmelte Red gedankenverloren. Ein Finger umfuhr den Abdruck einer Stiefelsohle auf ihrem Oberschenkel, strich über das getrocknete Blut, welches aus tiefen Kratzern an ihrer Hüfte geflossen war. "Recht bunt und ziemlich schmutzig. Bin sicher kein schöner Anblick - und, eigentlich...", ihr Blick wurde leer, "...bin ich immer nackt. Das fällt bloß selten so ins Auge.", Red starrte weiter ins Nichts, "Angezogensein ist genau wie Nacktsein."
Bez runzelte die Stirn, griff die dünne Bettdecke und legte sie Red um die Schultern. Verwundert sah Red sie an und wandte sich an Fries: "Ist doch richtig, oder?"
Er wiegte den Kopf und konnte seine Sorge nicht verstecken. "Ich muss dich scannen. Im Behandlungsraum. Kannst du laufen?"
Erneut versank Red in Gedanken. Nach einigen Augenblicken schüttelte sie überzeugt den Kopf. Ihre Stimme war fest, offenbarte keine Schwäche mehr. "Bevor ich mich behandeln lasse, will ich wissen, was passiert ist. Ich bin neugierig und auf die paar Zeiteinheiten kommt's nicht an.", als Fries protestieren wollte, sprach Red ungerührt weiter, "Die Explosion. Ich nehme an, das war ein Raumtorpedo. Die Zentraleinheit und die oberen Ebenen sind bestimmt zerstört.", sie überlegte kurz, "Die – die bei mir waren - wussten von der Explosion, also haben die Leute des Brachib Kriegers angegriffen. Unten haben sie gewartet, dass die Verstärkung landet. - Wie habt ihr euch gewehrt? Und wieso seid ihr nicht abgehauen?", Red fixierte Swon, "Ich war ausgesprochen dämlich mich erwischen zu lassen. Das war unnötig - genauso unnötig, wie ein Kampf von neun Lebensmüden gegen - hm, wie viele? - Vierzig Piraten? Die müssen doch etliche Clankrieger dabei gehabt haben, denn unten war nur dieser Adun. - Ist meine Idiotie auf euch übergegangen, als ich betäubt wurde, oder wie willst du das erklären, Regier?"
Swon hatte eine strafende Miene aufgesetzt und blitzte Red böse an, aber sonst passierte nichts. Nachdenklich fuhr Red fort: "Was mich am meisten wundert - wieso lebe ich?", gedankenverloren wanderte ihre Hand an den Hals, "Dieser Adun Brachib ist ein - ziemlich - unangenehmer - Typ. - Furchteinflößend. Was er gemacht...", Red brach ab, sammelte sich kurz und blickte auffordernd zu Naro, "Los, gibt mir ein paar Antworten, Quosoe!"
Naros grauen Augen schwenkten unsicher zu Fries, der genervt aufstöhnte: "Sie mit Gewalt in den Behandlungsraum zu schaffen, ist nicht ratsam. Also erzähl dieser unvernünftigen, sturen Menschenfrau, was sie hören will. Schnell!"
Naro nickte zögerlich. Einige Sekunden betrachtete er Red eingehend und begann schließlich: "Du bekommst eine Kurzfassung. Danach lässt du dich, ohne Widerworte, verarzten. Hast du das verstanden, Leutnant?" Red führte die flache Hand an die Stirn und antwortete nach elitärer Manier: "Ja, Sir."

"Wie hoch sind unsere Chancen, die Station zu halten?", fragte Naro. Ohne Reaktion verteilte Swon Waffen an die Anwesenden. "Kennst du die Antwort nicht, Regier?"
Nun erwiderte Swon Naros Blick. Sie setzte sich auf den Tisch und erläuterte mit verschränkten Armen: "Es gibt nur den Zugang über das Landungsdeck, der ist, von unserer Position aus, übersichtlich und gut zu verteidigen. Genug Waffen besitzen wir auch. Daher haben wir, selbst wenn die Piraten die Abschottung knacken, gute Chancen sie draußen zu halten. Trotzdem...", eine kurze Pause folgte, "...sind wir im Kreuzer besser aufgehoben. Die haben mehr Leute, mehr Kampferfahrung - einfach mehr von allem - und wenn wir verschwinden, gehen wir jedem Ärger aus dem Weg."
"Dann lassen wir Red zurück?", fragte Mexila unsicher. Swon griff sich eine eCetec und kontrollierte sie. Die Stimme offenbarte keine Regung. "Im Grunde ist der Leutnant bereits tot, denn ich sehe keine Möglichkeit, sie zu befreien." Sirius warf verärgert ein: "Das hast du bei Bez und Galia auch gesagt. Trotzdem hat alles geklappt."
"Im Keller sind keine 15 Mann und wir haben jede Menge Feuerkraft.", ergänzte Greg sicher, "Holen wir sie raus!"
Swon legte die eCetec beiseite und musterte Greg. Danach wanderte ihr Blick über die ganze Gruppe. Schließlich schüttelte sie den Kopf. "Wärt ihr ein Schwadron, wäre das eine Option, aber so - Nein!" Swon stand auf. Mit jedem Wort wuchs die Überzeugung. "Bisher hatten wir Glück, aber darauf kann man sich nicht ewig verlassen. Das ist irgendwann ausgereizt und die Wahrscheinlichkeit, dass einer von euch draufgeht, wird immer höher.", damit flog die eCetec in Gregs Arme, "Findet euch damit ab, dass Red tot ist - und wir unsere Leben beschützen müssen!", leise ergänzte Swon, "Bei dem ganzen Mist war's nur eine Frage der Zeit, bis der Erste stirbt. Was habt ihr erwartet?"
"Deine Überlegungen mögen richtig sein, aber ebenso wahr bleibt, dass Red momentan am Leben ist. Sie ist gefangen, nicht tot. Wenn wir bleiben, ändern sich die Umstände vielleicht und es ergibt sich eine unerwartete Chance.", nach einer kurzen Pause fuhr Naro unschlüssig fort, "Andererseits ist es ohne Frage auf dem Schiff am sichersten, unser Risiko ist dort am geringsten.", er verschränkte die Arme und schlug vor, "Sparen wir uns dieses Mal eine Diskussion. Stimmen wir ab und beugen uns der Mehrheit." Ein Nicken ging durch die Runde.
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"Fassen wir zusammen. Drei fürs Gehen, drei fürs Bleiben und drei Enthaltungen? Ist das euer Ernst?", fragte Naro ungläubig und Swon stöhnte: "Enthalten gibt's nicht! Ihr müsst euch entscheiden!"
Ihr Blick wechselte von Fries über Galia zu Mexila, die wütend sagte: "Enthalten gibt es sehr wohl. So funktioniert Demokratie nun mal.", ohne Zweifel erklärte sie weiter, "Ich will nicht bleiben, aber genauso wenig will ich ohne Red gehen. Bei meiner Heiligkeit! Ich kann mich nicht entscheiden! Wären das zwei hübsche Kleider, würde ich beide kaufen, aber die Möglichkeit gibt es nicht."
Fries übernahm. "Und ich hab was dagegen, lebende Leute für tot zu erklären. Das passt nicht zu meinem Beruf. Allerdings habe ich auch keine Lust gegen Piraten zu kämpfen. Von mir gibt's auch keine gefälligere Antwort."
Alle Aufmerksamkeit schwenkte nun zu Galia, die vortrat und ruhig sagte: "Gib mir bitte einen Strahler, Regier." Swon musterte die Priesterin ungehalten. "Warum? Du sollst dich entscheiden, nicht schießen üben!" Galia lächelte. "Vielleicht hilft mir das Schießen dabei."
Swon hielt Galia einen kleinen fjuranischen Strahler unter die Nase und fragte dabei spöttisch: "Kannst du damit überhaupt umgehen?" Galias entspanntes Lächeln blieb. "Gibt mir DEG. Die gefällt mir besser." Erstaunen zeigte sich auf Swons Gesicht. "Die hat einen mächtigen Rückstoß. Ich glaube nicht, dass du damit zurechtkommst."
Wortlos nahm Galia sich die große Pistole, öffnete eine Holoanzeige und änderte Einstellungen. Abwesend betrachtete sie die Waffe, wog sie in der Hand. Schließlich schoss Galia ohne Vorwarnung, knapp an Naros Kopf vorbei, auf eine kleine Notleuchte am anderen Ende des Korridors. Zischen und Knacken verrieten den Treffer. Galia lächelte glücklich und verkündete: "Das ist ein vernünftiger Strahler. Den werde ich behalten und ich habe mich entschieden. Wir bleiben." Schweigend nickte Swon, während Bez die Priesterin unverwandt und voller Misstrauen ansah.
Vorsichtshalber verstaute die Gruppe ihre persönlichen Sachen und nützliche Ausrüstung im Kreuzer. Danach sicherte Greg das Schiff. Im Zweifelsfall wollten sie schnell verschwinden können, ohne auf ihre Habe zu verzichten. Kurz darauf saßen die neun Wesen vor dem abgeschotteten Ausgang zum Landungsdeck und warteten.
Bez saß Galia gegenüber. "Eine Tekkarui darf keine Waffen berühren. Damit verstößt du gegen die gesellschaftliche Norm." Galia erwiderte ungerührt: "Eine Tekkarui darf sich nur von Männern ihres Ordens berühren lassen. Für dich sind unsere Normen wohl auch eher grobe Richtlinien."
'Ich bin die Tochter einer Streslar. Ein Bastard. Keine Tekkarui.'
"Wenn dem so wäre, dürfte ich nicht mit dir sprechen. Du bist die Tochter eines Tekkarui, gehörst zum grünen Orden. Wir folgen den gleichen Regeln.", schnell fügte Galia hinzu, "Meine Arbeit führt mich an unsichere Orte. Da hat es Vorteile nicht wehrlos zu sein."
'Kein gelbes Ordensmitglied ist wehrlos.'
'Auf Koalitionsgebiet nutzen Psikräfte wenig. Das weißt du.'

Bez beugte sich weit vor. Ihre Stimme wurde leise. "Du bist eine rote Kriegerin, richtig? Für Regelverstöße wirst du zu sehr kontrolliert und nur deren Frauen dürfen Waffen tragen." Ohne dem argwöhnischen Blick auszuweichen, erwiderte Galia: "Und du gehörst zu den Dragus, richtig?" Mit einem Lächeln lehnte sich Bez zurück.
'Das sind Märchen, Galia. Der ominöse Dragu-Orden ist eine Schreckgeschichte, mit der man kleine, blonde Tekkaruikinder ängstigt.'
'Und der Kriegerorden wurde vor vielen Jahrzehnten verboten und aufgelöst.'
Für eine Weile fixierten sich die Frauen, bis ein Geräusch ihre Aufmerksamkeit ablenkte.
"Schiffe landen.", flüsterte Greg. Swon nickte und sagte ohne Hektik: "Sie brauchen eine Weile, um die Abschottung zu entriegeln. Also bleibt ruhig." Greg, der die Vorgänge mit seiner Vdisk verfolgte, fluchte auf einmal entsetzt: "Verdammter Mist! Die haben Notfallcodes! Die Tschaks kommen rein!"
Greg, Naro, Sirius und Swon, welche die erste Reihe bildeten, entsicherten die Waffen, als Galia plötzlich aufstand und verwundert mitteilte: "Das sind keine Feinde." Bez erhob sich ebenfalls. "Stimmt, keine feindlichen Gedanken, aber dafür sehr ungewöhnliche Ströme." Die Psifrauen tauschten erstaunte Blicke aus und Galia erklärte: "Drefser und CroinChuc sind da draußen."
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"Naro Wrug Furl, Swon Dschrib, Sirius Pela, Greg Toms, Galia, Bez Ceimostrop, Mexur Lerudaromxiros, Fries Bishop, Mexila Lerudaromxiros."
Die Stimme blieb ausdruckslos. Obwohl das Wesen Beine, Arme, Kopf, Rumpf und Gesicht besaß, wirkte es fremd. Die Proportionen stimmten nicht. Alles war irgendwie zu lang, zu breit, zu klein oder zu schmal. Die Haut war ungesund braun und schien abzublättern. Die Augen saßen in tiefen Höhlen, die sich in der Mitte des konturlosen Gesichts befanden, und sahen, bis auf ein gelegentliches Aufblitzen, nicht lebendig aus. Die Nase fehlte. Eine schmale Öffnung stellte den Mund dar. Die abgehackte, ungelenke Art sich zu bewegen, erweckte den Eindruck, dass jeder Schritt und jedes Zucken Schmerzen bereiten würde.
Der zweite Körper, der dem ersten verblüffend ähnlich sah, wiederholte die Namen der Erwählten im selben, monotonen Singsang wie zuvor.
Indessen beugte sich Mexur zu Fries und erkundigte sich neugierig: "Kennst du die?" Fries schüttelte den Kopf. Ein Flüstern kam zurück. "Nein, sind meine ersten lebenden Drefser-Körper."
"Von uns haben sie aber offenbar schon gehört.", stellte Mexila argwöhnisch fest.
Hinter den Drefsern, die mit simplen, beigen Gewändern bekleidet waren, standen C-Wesen, welche Galia und Bez sofort erkannt hatten. Es handelte sich um X-Rags Leute. Außerdem schwebte die ganze Zeit eine glitzernde Wolke zwischen den Erwählten herum - ein Gaspartikelwesen oder Croin Chuc.
Nach Beenden seiner Aufzählung fügte der Drefserkörper hinzu: "Zehn gesucht. Neun. Wo Red Leight. Leutnant. elitär. Wichtig Mission." Der andere Drefserkörper sagte: "Wo Lead. Comander. elitär. Leiter üben zusammen. Wo X-Rag. Mann. Geschäft. Angeworben."
Zuerst wirkten die Erwählten ratlos, bis Galia sich überzeugt an die Piraten wandte: "Holt X-Rag. Er befindet sich in Quartier Sieben. Zweite Ebene." Eine kräftige Menschenfrau nickte zwei Männern zu, die sich daraufhin wortlos auf den Weg begaben.
"Oh Nein! Die laufen hier bestimmt nicht allein rum!", verkündete Swon sofort und schleppte den überraschten Sirius mit.
Derweil erklärte Bez: "Die Drefser sind eins - eine Persönlichkeit, mit der Galia und ich grundlegend kommunizieren können. Mit dem Croin Chuc funktioniert der Austausch dagegen nur sehr eingeschränkt. Auf jeden Fall gehört keiner von denen zu Adun Brachib. Das sind keine Feinde. Sie wollen helfen. Der Grund dafür wird allerdings nicht klar."
Naro nickte und ein Drefser fragte: "Wo Red Leight. Leutnant. elitär." Mexila antwortete schnell: "Adun Brachib hält sie gefangen - in der Tiefebene."
Da erschien X-Rag in Begleitung von Swon, Sirius und seinen Männern. Sofort trat die kräftige Menschenfrau mit einem begrüßenden Lächeln neben ihn, während die beiden Körper augenblicklich begannen: "Angeworben nicht vereinbaren."
X-Rag schien die Sprache gewohnt zu sein, denn er antwortete wie selbstverständlich: "Ich hab Lead gewarnt. Dem Heimatlosen kann man nicht trauen, hab ich so oft wiederholt." Der Drefser entgegnete tonlos: "Sagt X-Rag Kontrolle. X-Rag falsch."
"Ja - vieles ist schief gelaufen.", bestätigte der Fjuro und drehte sich zu den Erwählten, "Wo ist der verfluchte Dschju?"
Bevor jemand antworten konnte, warf Naro ein: "Vorher verlange ich eine Erklärung. Was geht hier vor? Wer sind sie?"
Die Drefser reagierten nicht, aber X-Rag verstand den Argwohn offenbar. "Wir sind auf eurer Seite. Schaffen Schwierigkeiten aus dem Weg. Ihr müsst uns trauen.", er grinste, "Eine gute Entlohnung macht mich ziemlich loyal." Swon kam dem Naro zuvor. "Verschieb das auf später.", und zu X-Rag sagte sie, "Adun ist in der Tiefebene und will in die Station. Er wartet auf seine Leute."
Mit durchdringender Stimme berichtete die kräftige Menschenfrau: "Wir hab'n zwei Schiffe runter geholt. War die Verstärkung des Ehrlosen." X-Rag wiegte den Kopf und meinte überlegt: "Wenn wir den Mistkerl da unten haben, drehen wir ihm einfach die Luft ab oder leiten Gas ein. Auf solche Typen kann das Universum verzichten."
"Nein!", riefen mehrere Wesen gleichzeitig und Greg fügte hinzu: "Red ist da unten."
"Außerdem ist die Tiefebene zu den Höhlen offen. Luft abdrehen oder Gas einleiten, ist deshalb kaum möglich.", erklärte Mexur schnell. Auch die Drefser lehnten X-Rags Vorschlag ab. "Zehn gesucht. Zehn gewählt. Zehn komplett. Wichtig Mission. Plan läuft. Zeit wenig. Eilig. Drängen." Schulterzuckend stimmte X-Rag zu: "Meinetwegen Zehn komplett. Dann legen wir uns mit dem Heimatlosen an."
"Red ist übrigens wieder wach.", schob Bez angespannt dazwischen. Galia bestätigte: "Seit einiger Zeit bereits, aber ..." Sie brach ab. Bez verschränkte die Arme, übernahm mit gesenktem Blick: "Sie hat Angst. Brachib wird..." Ihre Stimme versagte. Ungerührt übernahm X-Rag: "Wenn die Elitäre jetzt noch lebt, dann gib...", abwägend ließ er den Blick schweifen, landete bei Naro und setzte überlegt fort, "...hat Adun Gefallen an ihr gefunden. Sie wird noch einige Zeit am Leben bleiben."
"Dass der 'nen elitäres Weib zureiten lässt, ist nicht grade seine Art - aber die Spinner liegen schon lang auf'm Trockn'n. Eigne Weiber habn die ja nie."
Erschreckt stöhnte Mexila auf, versteckte das Gesicht an der Schulter ihres Bruders, während X-Rag seiner menschlichen Gehilfin einen strafenden Blick zuwarf.
In diesem Augenblick schallte Reds Hilferuf durch die Station. "Scheiße, holt mich hier raus. Irgendwer, bitte!" Kurz darauf erklang die Stimme erneut - sehr viel leiser, kontrolliert, kühl und gleichzeitig hoffnungslos. "Bei mir gibt's kein Vergnügen ohne Ärger und Geschenke mach ich auch nicht." Danach drangen Kampfgeräusche, gelegentliche Flüche und erstickte Schreie durch das Com.
Die Ereignisse veranlassten Swon zu handeln. "Oho, Naro, Überraschung! Deine unverhoffte Chance ist da! Holen wir den Leutnant raus!", ohne den Quosoen aus den Augen zu lassen, hängte sie spöttisch an, "Wichtig Mission. Naro wissen. Zeit wenig."
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Die Erwählten und X-Rags Bande postierten sich in den Quartieren der ersten Ebene, vor dem Ausgang zum Landungsdeck. Swon wollte nicht direkt angreifen, sondern hoffte, mit Hilfe eines gefangenen Angehörigen von Adun Brachibs Gruppe, die Piraten in einen Hinterhalt locken zu können. X-Rag ordnete sich ihr unter. Drefser und Croin Chuc verschwanden kommentarlos in die oberen Ebenen.
Der Gefangene sendete das verabredete Zeichen in die Tiefebene, während Greg die Abschottung entriegelte. Gleich darauf störte Sirius die Comverbindungen. Wollte Adun Brachib herausfinden, ob seine Leute die Kontrolle übernommen hatten, musste er die unterste Ebene verlassen.
Für etliche Zeiteinheiten passierte nichts. Swon überlegte bereits, ihnen entgegenzugehen, als die Piraten endlich auftauchten. Die Leute waren extrem misstrauisch, kontrollierten jeden Raum auf dem Weg zum Ausgang. Dies zwang Swon dazu, das Zeichen zum Angriff schneller zu geben, als sie gehofft hatte. Verwundert war sie darüber nicht. Adun war ein erfahrener Krieger gewesen, bevor alle Brachibs nach Ende der Clankriege zu Ehrlosen wurden.
Das Strahlergefecht währte nicht lange, denn plötzlich verteilte sich schwarzer Rauch in der ersten Ebene. Galias Stimme erschallte: "Die verschwinden! Wollen durch die Höhlen abhauen!"
"Hinterher! Wie besprochen!", befahl Swon sicher. An seine Gruppe gewandt, ergänzte X-Rag: "Hört auf die Lady! Vorwärts!" Galia ließ sich zurückfallen, nahm dabei eilig Kontakt zu Bez auf.
'Schirmst du mich ab?'
'Ja, beeil dich, sonst ist sie tot.'

Im Zwischendeck zielte ein dicker Streslar gerade auf eine bewusstlose, verletzte Menschenfrau. Auf einmal flog der Strahler in hohem Bogen aus seiner Hand. "Verschiss'ne Ordensschlampe!", fluchte der dicke Streslar wütend, "Die geht durch dich, du Tschak! Glotz woandershin!"
Schwarzer Rauch quoll durch die Tür zum Treppenhaus herein, vor ein schmaler Mensch stand. "Ich kann mich nicht bewegen! Brog! Die sind in mir drin! Hilf mir!", zur Säule erstarrt schnappte er panisch nach Luft und kreischte weiter, "Scheiß auf die blöde Nutte! Wir müss'n verschwind'n. Adun ist grad vorbei. Scheiß auf die Nutte, Brog! Scheiß auf die!"
Der dicke Streslar trat ein letztes Mal gegen den leblosen Körper und fluchte in seiner Sprache, während er zum Ausgang rannte. Er schlug den schmalen Menschlichen bewusstlos und schleppte ihn in Richtung Tiefebene. Auf der Treppe über sich hörte Brog ein Flüstern, leise Bewegungen. Das trieb ihn zur Eile. In der Tiefebene reichte ihm ein vernarbter, grünhäutiger Fjuro mit orangefarbenen Augen zwei Raketenpacks. Kurz darauf bewegte sich Brog in hohem Tempo hinter seinen Gefährten durch die düsteren Höhlen. Von der Station hallte Stimmengewirr durch die Gänge, wurde aber zunehmend leiser.
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Bald kehrten die Erwählten und X-Rags Leute unverrichteter Dinge zurück. Adun Brachibs Leute hatten den Vorsprung schnell vergrößert und waren bald im Labyrinth der Höhlen verschwunden.
Mexur schlug vor, die Zugänge durch Realprojektionen zu verschließen. Durch die Zerstörung der Zentraleinheit und den Verlust wichtiger Daten würde das Erzeugen solcher Barrieren jedoch einige Zeit dauern, weshalb sich vorläufig X-Rag um die Sicherung der Tiefebene kümmern sollte.
Nachdem auf dem Zwischendeck und im Treppenhaus Spuren von Blut und Erbrochenem gefunden wurden, suchten Galia und Bez gezielt nach den Psiströme der Elitären. Kurz darauf standen neun Wesen vor Reds Unterkunft.

Red fiel es mit der Zeit schwerer, Naros Worten zu folgen. Ihr Blick verschwamm und die zunehmenden Schmerzen im Brustkorb erschwerten das Atmen. Krämpfe im Unterleib kamen dazu. Sie wollte liegen und die Augen schließen, aber genauso wenig zeigen, wie schlecht es ihr ging. Bevor Naro die Ausführungen beenden konnte, umfasste Red schließlich die Hand des Arztes. Ein schwaches Flüstern drang über ihre Lippen. "Wir gehen jetzt." Beim Aufstehen halfen Fries und Bez. Red schwankte, murmelte abwesend: "Mir geht's nicht gut."
Mit letzter Anstrengung versuchte Red, den Schwindel unter Kontrolle zu bekommen, ging einen Schritt vorwärts, strauchelte. "Sie schwindet! Kippt um!", rief Bez erschrocken, während Red schwarz vor Augen wurde und ihr Körper zusammensackte.
Das Chaos schoss in ihren Geist zurück und verhinderte, dass Red völlig abdriftete. Sie wurde angehoben, hörte Stimmen, aber verstand kein Wort. Da waren Wärme und ein Geruch, den sie mochte - angenehm und beruhigend. Als sich Chaos und Kopfschmerzen schließlich legten, schwand ihr Bewusstsein endgültig.
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Noch bevor Red richtig erwacht war, bemerkte sie, dass es ihr besser ging. Die Schmerzen waren verschwunden. Das Atmen fiel leicht. Weil es warm und gemütlich war, wollte sie die Augen nicht öffnen. Sie wollte schlafen, sich nicht erinnern.
In diesen Momenten glaubte Red, nur geträumt zu haben. Sie lag in ihrem Bett an der Akademie und hörte Laxiras vertraute, fröhliche Stimme. "Heute Abend tanzen gehen? Oh, ich bin so froh, dass wir Ferien haben."
Glücklich lächelte Red vor sich hin, bis andere Stimmen in ihre Gedankenwelt eindrangen - besorgte, echte Stimmen. Ein Mann und eine Frau unterhielten sich.
"Verprügelt, hauptsächlich getreten, halb erwürgt und mehrfach vergewaltigt." Erschüttert ergänzte die Frau: "Genetische Spuren von vier Männern - Streslar, Fjuro, Dschju und Mensch. Bei meiner Heiligkeit! Das ist grauenhaft." Jemand drückte Reds Hand. "Aber sie lebt. Trotz allem hatte sie Glück." Die Frauenstimme zeigte kein Verständnis. "Red hatte Glück, verprügelt und vergewaltigt zu werden? Das ist Wahnsinn! Swon hat völlig recht. Irgendwann stirbt einer."
"Und wir wissen nicht mal wofür.", stimmte der Mann frustriert zu. Red rührte sich nicht, doch ihre Gedanken rasten.
'Kein Traum. Adun Brachib hat mich vergewaltigt, und - der beschiss'ne Streslar! Mama wird traurig sein, weil ich so schlecht auf mich aufpasse!'
Warme Tränen rannen über ihr Gesicht, verschwanden unauffällig im Überwurf. Die beiden Anwesenden schienen nichts zu bemerken. Red hörte Geräusche weiter entfernt. "Was gibst du ihr?", fragte die Frau. "Zusätzlich ein breit wirkendes REG und ein Schlafmittel - sie muss sich ausruhen."
Bevor der Zellstab Red berühren konnte, öffnete sie die Augen. Ihre Hand hielt den Arm des Arztes. "Nein! Ich will klar bleiben."
Mexila und Fries starrten Red überrascht an. "Oh, seit wann bist du wach?", fragte Fries erstaunt. Red ging nicht darauf ein, sondern sagte überzeugt: "Der Brachib Krieger wird zurückkehren. Wenn es soweit ist, will ich nicht betäubt in der Ecke liegen."
Fries und Mexila tauschten einen langen Blick aus. Dann meinte die Xamaer abwägend: "Das klingt durchaus einleuchtend, denke ich."
Fries studierte Reds Gesicht und nickte schließlich. "In Ordnung. Das sehe ich ein.", sein Tonfall wurde streng, "Doch solange kein akuter Notfall eintritt, wirst du liegen bleiben! Du erholst dich - mindestens bis übermorgen. Verstanden, Leutnant?" Ungewollt blitzte ein Lächeln auf. Dann führte Red die Hand an die Stirn und meldete: "Ja, Sir"
In dem Augenblick schallte ein Ruf durch das Behandlungszimmer. Red erkannte Naros Stimme. "Fries? Wie weit bist du? Die Drefser wollen dich sprechen." Ein verwunderter Ausdruck breitete sich aus. "Mich? Wieso?"
"Keine Ahnung, aber vielleicht verraten sie dir ein paar Details. Wir sind jedenfalls nicht weitergekommen.", amüsiert hängte Naro an, "Swon ist derart frustriert, dass sie seit 200 ZEs drei von X-Rags Männern verprügelt. Sie nennt es einen Übungskampf." Für einen Moment wirkte Fries amüsiert, antwortete aber ernst: "Bin fast fertig. Gib mir 50 ZEs, dann bin ich bei euch."
"Wie geht es Red? Ist sie wach?"
Auffordernd schaute der Arzt Red an, weshalb diese pflichtbewusst antwortete: "Bin wach und einsatzbereit, Sir."
Durch das Com kam eine vorsichtige Frage zurück. "Stimmt das, Fries?" Der Angesprochene verneinte streng. "Auf keinen Fall. Red hat vorerst Bettruhe.", dann öffnete er alle Kanäle und verkündete, "Wichtige Durchsage! Hier spricht Doktor Bishop. Der eLeutnant Leight hat in den nächsten zwei Tagen strenge Bettruhe. Sollte sie während dieser Zeit außerhalb ihres Bettes angetroffen werden, ist sie umgehend zurück zu eskortieren und mir Meldung zu erstatten. Habt ihr das verstanden?"
Sprachlos starrte Red Fries an, während verschiedenste Bestätigungen durchs Com schallten. Nach einer Weile erklang eine Frage. "Muss sie allein im Bett liegen? Ist Gesellschaft verboten?" Mexila erwiderte sofort: "Wir sind traditionell, Bruder, - und das ist absolut unpassend!"
"Das ist mir bewusst, Schwester.", antwortete Mexur nach kurzer Pause, "Irgendwie zumindest."
Mit genervtem Gesicht schüttelte Mexila den Kopf, während Fries seine Anweisungen erweiterte: "Nur, um Unklarheiten zu vermeiden. - Ja, Red soll allein im Bett liegen – Gesellschaft ist unnötig. Das war's soweit. Danke."
"Das war vollkommen unnötig, Doktor Bishop.", schimpfte Red los, "Ich bin kein Kind mehr."
"Ja, das stimmt, denn einem Kind hätte ich ohne Diskussion ein Schlafmittel verabreicht.", dann wandte Fries sich an die Xamaer, "Bleib bis die Brüche geheilt sind.", Mexila wirkte verkniffen, während Fries streng fortfuhr, "In einer Stunde kannst du Red ins Quartier begleiten. Auf keinen Fall früher!"
Mexila antwortete gereizt: "Vielen Dank für die belehrenden Anweisungen, aber ich bin mit dem Diagnoseprogramm vertraut und erkenne selbst, wenn primäre Heilprozesse abgeschlossen sind. Weiterhin gebe ich dir den dringenden Rat, dich zu beeilen. Die 50 ZEs sind lange vorbei und die Drefser warten."
Fries' Miene hatte sich verfinstert, er wirkte streitlustig, aber schließlich sah er zu Red und meinte sachlich: "Erhole dich, schlafe viel. Wasser trinken darfst du, aber essen erst morgen früh und dann nur etwas leichtes. Keine Aufputschmittel, keinen Alkohol, keine Kügelchen - nichts dergleichen! Verstanden, Leutnant?"
"Ja, Sir.", als Fries durch die Tür ging, rief Red hinterher, "Vielen Dank." Ein Lächeln erschien, bevor Fries verschwand.
"Ihr streitet immer noch?", forschte Red vorsichtig nach. Mexila, die sich auf Reds Liege gesetzt hatte, blieb unversöhnlich. "Er behandelt mich wie eine dumme Krankenschwester! Dieser arrogante Allesbesserwisser!"
Das Argument verstand Red nicht. "Ich mag Fries. Er ist lieb, hilft gerne - ein bisschen überfürsorglich vielleicht, aber das gehört wohl zu seinem Beruf.", mit einem Blick auf Mexila ergänzte sie, "Aber mich versorgt er auch andauernd. Vielleicht mag ich ihn deshalb mehr."
Mexila reagierte trotzig. "Ich versorge dich auch andauernd." Ein Lächeln erschien. "Dich mag ich auch.", leise und mit halb geschlossenen Augen fügte Red hinzu, "Ich bin froh wieder bei euch zu sein. Das hätte schlimm enden können."
Ein Seufzen war zu hören. Mexila umfasste Reds Hand. Ihre Stimme klang weich, beinahe traurig. "Es ist gut dich hier zu haben. Vor allem, weil Swon die ganze Zeit erzählt hat, dass du tot bist. Das war nicht schön."
"Aber Swon hatte recht. Dass X-Rags Leute aufgetaucht sind, war reines Glück. Ohne die wäre ich jetzt tot."
"Reines Glück? Das glaube ich nicht. Wir nehmen an, dass dieser merkwürdige Einführungskurs komplett schief gegangen ist und die Verantwortlichen nun retten wollen, was zu retten ist. Mit Glück hat das wenig zu tun."
Red nickte leicht und schloss die Augen. Langsam fragte sie: "Wo ist Comander Lead? Hat ihn irgendwer erwähnt?"
"Aller Wahrscheinlichkeit nach hat der Ehrlose ihn in seiner Gewalt. Mehr wissen wir nicht.", Mexila vermutete weiter, "Drefser und Croin Chuc sind besser informiert, aber geben nichts preis. Dagegen hat X-Rag nicht allzu viel Ahnung. Der ist wegen seiner Bezahlung hier - und überhaupt - diese undurchsichtige Mission! Was soll das am Ende werden? Ich wüsste zu gerne ein paar Details." Red nickte erneut.
'Ein große Sache bestimmt - mit Croin Chuc, Drefsern und C-Wesen. Gab's so was schon mal?'
"Eine Koalitionssache ist das eher nicht.", überlegte Red gedankenverloren, "Bei der eigenartigen Mischung an Leuten." Mit einem Schulterzucken meinte Mexila: "Sicher kann man da nie sein. Allerdings stimmt es, dass an Koalitionsprojekten selten Psiwesen beteiligt sind, die nicht zur Internen Sicherheit gehören.", ein ratloser Seufzer erklang, "Sind alles nur Vermutungen. Mehr nicht."
Plötzlich beugte sich Mexila vor. Als Red aufblickte, funkelten die violetten Augen aufgeregt. "Mit Drefsern und Croin Chuc habe ich noch nie gearbeitet. Das finde ich spannend. Ist was völlig anderes und anders ist eigentlich immer schön!" Ein verschmitztes Lächeln zeigte sich. Red erwiderte die Geste schwach und schloss ihre Augen.
'Naro hatte recht. Die kleinen Genies sind neuen Herausforderungen gegenüber aufgeschlossen, aber ich würde vorher lieber aus Adun Brachibs Reichweite verschwinden - lebendig und mit Comander Lead.'
"Weißt du, was in der Tiefebene geschehen ist?", fragte Mexila nach einiger Zeit zaghaft.
Red erinnerte sich ungern. Sie öffnete die Augen einen winzigen Spalt und sah Mexila vor dem Körperhologramm stehen. Kaum hörbar antwortete sie: "Das meiste - und den Rest habe ich vorhin von Fries und dir erfahren." Mexila starrte bewegungslos auf die Anzeige. "Es tut mir schrecklich leid. So schrecklich leid. Alles. Ich kann mir nicht..."
Red unterbrach die Xamaer schnell. "Ist ok, Mexila. Die meiste Zeit war bewusstlos und mit dem Rest kann ich umgehen. Wirklich."
Eilig schlossen sich ihre Augen wieder. Sie hatte keine Lust auf dieses Thema. Nach einigen stillen Momenten legte sich ein Kopf an Reds Schulter. Überrascht hoben sich ihre Lider und sie sah schimmerndes, schwarzes Haar. "Was dir passiert ist, ist so furchtbar - schlimm - grauenhaft...", schluchzte Mexila, "Wie kannst du damit umgehen? Ich würde das nicht überleben. Niemals. Du sahst so schlimm aus. Warum ist das passiert? Wieso nur? Wenn die wiederkommen..."
Ruhig streichelte Red über das schwarze Haar. "Denk nicht so viel drüber nach und zieh am besten niemals allein durch die Gegend." Mexilas verweintes Gesicht blickte auf, probierte sich an einem aufmunternden Lächeln. "Eigentlich sollte ich dich trösten, aber - ich bekomme Panik, wenn ich daran denke."
"Ist verstehe das. Ich wäre auch gerne woanders."
Mexila richtete sich auf, wirkte gefasster. Erschöpft wünschte sich Red: "Ich möchte in mein Quartier. Das Bett dort ist besser. Ich bin sehr müde."
Nickend erhob sich Mexila, studierte für einige Zeit die Anzeigen des Hologramms. Ihre Angst schien verschwunden zu sein, als sie zu sprechen begann: "Die starken Medikamente und schnellen Heilprozesse verursachen die Müdigkeit. Das ist normal, wird eine Weile anhalten. - Die meisten inneren Verletzungen und Brüche sind bereits verheilt. Sieht gut aus.", beinahe heiter wandte sich Mexila an Red, "Na los, bringen wir dich in dein kuscheliges Bett!"
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Als Mexila das Quartier verließ, war es mitten in der Nacht. Augenblicklich fiel Red in einen tiefen, traumlosen Schlaf. Später wurde sie ein paar Mal von Albträumen geweckt, schlief aber immer wieder ein. Am Morgen war die Wirkung der Medikamente schließlich komplett verflogen und sie fand keine Ruhe mehr. Erinnerungen kamen, schickten sie in die Tiefebene.
Nach langem Herumwälzen entschloss Red sich zu einem Spaziergang. Vorsichtig stand sie auf und stellte erleichtert fest, dass die Schmerzen erträglich waren. Auch Schwindel und Übelkeit kehrten nicht zurück. Also nahm sie eine Dusche, zog eine schmale Trainingshose, ein graues Shirt und bequeme Sportschuhe an.
Es war sehr früh. Die meisten würden jetzt schlafen, hoffte Red, während sie durch die Station schlich. Um verräterischen Begegnungen aus dem Weg zu gehen, steuerte sie die unübersichtlichen Dockanlagen an. Das Deck war von Trümmern übersät. Selbst die Terminals direkt am Gebäude waren zerstört.
'Hmm, Schiffe gucken? Klingt gut! Darf mich nur nicht erwischen lassen. Vorsichtig sein, Mädel!'
Die Schiffe standen am Rande der Dockanlagen und die meisten fand Red nicht besonders aufsehenerregend. Nur eines fiel völlig aus der Reihe. Fasziniert näherte sie sich.
'So was seltsames habe ich noch nie gesehen. Bestimmt das Drefserschiff. In braun? Die Form ist eigenartig. Nicht gerade windschnittig - aber trotzdem würd ich gerne reingucken. Mitfliegen. Selbst fliegen. Jaaa, das wär lus...'
"Hey, gehörst du nicht ins Bett?"
Erschrocken zuckte Red zusammen, drehte sich langsam um. Greg stand vor einem Einzeldock, welches funktionsfähig aussah. "Kann nicht schlafen.", murmelte sie und betrachtete Greg genauer.
'Er sieht anders aus - ohne seinen Overall. Ganz normale Klamotten, fast militärisch sogar. Gefällt mir.'
"Muss ich dich zurückbringen oder gehst du allein?", fragte Greg ruhig, während er Daten auf einer Vdisk prüfte. Red überlegte schweigend.
'Ob er Fries Bescheid sagt, wenn ich einfach verschwinde? Soll ich ihn bitten, die Klappe zu halten? Ach neee, besser nicht.'
"Hey Red! Hast du mich gehört? Was starrst du so?" Greg erwiderte ihren Blick fragend. Sie begann schnell: "Es ist nur... ähm... du siehst so anders aus. Gar nicht mehr wie ein - Techniker. Irgendwie..." Das typische Grinsen erschien. "Und du siehst so angezogen und unelitär aus. Irgendwie."
"Doofer Arsch.", murmelte Red, verschränkte die Arme und drehte sich zu den Schiffen.
"Hallo?! Bettruhe?! Erinnerst du dich? Gestern Abend konntest du keinen Schritt selber machen.", rief er unnachgiebig.
Red ignorierte seine Worte und hatte sich zu einem Themenwechsel entschlossen. "Hast du so ein Schiff schon mal gesehen? Sind die wie unsere?" Greg tauchte neben ihr auf. "Gesehen ja, aber reingeschaut nicht. Die verstehen sich nur mit Telepathen. Den Rest ignorieren sie." Verstehend nickte Red. "Trotzdem würd ich gern einen Blick riskieren." Greg hob die Schultern kurz, als er sprach: "Hab ich mit Mexur und Sirius schon probiert. Die Abschirmung erkennt C-Wesen früh. Die Systeme schotten sich gegen unsere Technik ab. Da kommt man nicht so einfach rein."
"Schade. Funktioniert der D-Antrieb bei denen?"
Lachend fragte Greg zurück: "Haben die einen D-Antrieb?" Red grinste. "Stimmt, wer weiß." Dann fuhr er fort: "Mexur hat sie gescannt. Die Drefser kommen auf jeden Fall aus dem Weltraum.", Greg deutete auf X-Rags Flotte, "Aber die waren länger nicht interstellar unterwegs. Haben wahrscheinlich das selbe Problem wie wir.", schweigend nickte Red und Greg fragte ein wenig spöttisch, "Muss ich jetzt Fries rufen oder gehst du freiwillig ins Bett?"
'Ich sage, ich gehe und verschwinde einfach. Kann er in Ruhe arbeiten und ich ein bisschen frische Luft schnappen.'
"Ich geh schon."
Ohne Greg anzuschauen, setzte Red sich in Bewegung, schlenderte zuerst auf die Station zu. Hinter einem Trümmerhaufen wechselte sie die Richtung - weg von dem Techniker.
Als Red sich bereits in sicherer Entfernung wähnte, trat Greg hinter einem schrottreifen Großdock hervor. Vorwurfsvoll, aber gleichzeitig belustigt sagte er: "Du hast mich belogen, Leutnant. Willst du doch mit Fries sprechen."
Red stieß erschrocken hervor: "Oh nein! Nicht gelogen! Hab nie gesagt, dass ich ins Bett gehe. Das dachtest du nur.", beschwichtigend legte sie die Hand auf seinen Arm, "Jetzt gehe ich ins Bett. Direkt. - Verrat mich bitte nicht, Greg. Bitte. Fries will mich einschläfern."
"Einschläfern? Ist es so hoffnungslos?", fragte Greg belustigt. Für eine Sekunde überlegte Red. Dann verschränkte sie die Arme. "Nein, er will mir Schlafmittel geben. Will ich aber nicht." Greg wurde ernst. "Klingt vernünftig, wenn du nicht schlafen kannst. - Die haben dich übel zugerichtet." Worte hallten durch ihren Geist.
'Verprügelt, hauptsächlich getreten, halb erwürgt und mehrfach vergewaltigt.'
"Weiß nicht.", Red wandte sich ab, "Ich geh schlafen." Zielstrebig steuerte sie auf die Gebäude zu. Greg folgte schweigend. Kurz vor dem Eingang sagte er völlig unerwartet: "Es tut mir leid."
Red nahm seine Schuldgefühle überdeutlich wahr, weshalb sie stoppte. Die Stärke dieser Emotion verwirrte sie. "Was tut dir leid?" Nervös verschränkte Greg die Arme und starrte zu Boden. "Alles. Was dir passiert ist - da unten." Das überwältigende Schuldgefühl blieb. Red verstand es nicht. "Hm ja, aber wieso? Nichts davon ist deine Schuld." Sein Blick blieb gesenkt. "Ich hab die Ebene abgeschottet. Hab dich eingesperrt - mit den..." Er stoppte.
Für eine Weile musterte Red ihn verwundert. Dann legten sie die Hände auf seine verschränkten Arme und meinte überzeugt: "Nein, Greg, nein. Es gab die Höhlen und die Tiefebene ist riesig, aber ich konnte nicht fliehen. Abgeschottet oder nicht - ich hatte keine Chance." Forschend erwiderte Greg den Blick. Red wurde unsicher, nahm ihre Hände weg und entfernte sich einen Schritt. Eilig sprach sie weiter: "Die Abschottung war sinnvoll. Angriffe von zwei Seiten hättet ihr nicht überstanden. Ich war ...", sie schwieg, verschränkte die Arme, "Ich wusste, dass keiner kommen würde. Wärt ihr eine Spezialeinheit, dann - ok. Aber ihr Neun? Lauter Wissenschaftler und Techniker gegen Clankrieger und Piraten? Nein, das wäre dumm gewesen."
"Jetzt klingst du wie Swon - außer, dass sie ein Schwadron wollte.", gab Greg neckend zurück und fuhr ernst fort, "Du hast um Hilfe gerufen. Das klang echt."
"Das war echt. Natürlich. Ich hatte Angst, aber ich wusste auch, dass niemand kommen würde.", ein Schulterzucken folgte, "Am Ende hatte ich Glück, also mach dir keinen Kopf. Es ist in Ordnung."
Bevor Red den Weg fortsetzen konnte, legte Greg seine Arme um ihre Schultern. Sie hielt ganz still.
'Hmm, der angenehme Geruch wieder... aber was macht er da? - Ach egal. Ist gut.'
Red schloss die Augen, schmiegte sich an und atmete tief. Sie wurde ruhig. Sanft berührten Lippen ihre Stirn, weshalb Red aufsah. Greg erwiderte ihren Blick. Red lehnte sich vor und sie begannen sich zu küssen. Zuerst blieb es zaghaft, aber er schmeckte gut. Ihre Finger fuhren durch sein Haar und Red spürte seine Hände wandern. Der Kuss wurde immer stürmischer und als die Zungen sich berührten, wollte Red nicht mehr aufhören.
Doch so unerwartet wie alles begonnen hatte, endete es auch. Greg löste sich. "Entschuldige. Tut mir leid.", flüsterte er atemlos. Dann verschwand Greg eilig und mit ihm das Schuldgefühl. Reds Erstarrung löste sich nur langsam.
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Red lag auf dem Bett und grübelte. Seit sie die Dockanlagen verlassen hatte, war einige Zeit vergangen, doch in ihrem Kopf herrschte immer noch totales Chaos.
'Scheiße! Warum? Ich sterbe fast, werde verprügelt, vergewaltigt. Keinen halben Tag später küsse ich, dumme Nuss, einen doofen Kerl, der die Koalition hasst und für den Elitäre nur zum Ficken gut sind! Ich versteh das nicht! So was ist Scheiße!'
Red klammerte sich an das Kissen, drückte ihren Kopf hinein. Sein Geruch und der Kuss schlichen sich in ihre Erinnerung
'Es fühlte sich so gut an und dieses Mal hätte ich ihn rangelassen. - Echt, wie doof bin ich! Wie gestört! Völlig krank im Kopf! Ich glaube, ich brauch Ruhe. Urlaub. Ich will nach Hause. Ja, sofort. Nach Hause. Das wäre schön. So schön.'
Ein kurzer, schriller Ton riss Red aus den Gedanken. Jemand stand vor der Tür. Zuerst fiel ihr Greg ein, doch Red verwarf die Idee im selben Augenblick.
'Nein, das traut er sich nicht.'
"Öffnen." Fries trat ein. "Guten Morgen, Leutnant. Ich wollte sehen, wie es dir geht?" Red kuschelte sich ins Bett. "Und du willst natürlich nicht überprüfen, ob ich mich an deine Anweisungen halte."
"Natürlich nicht.", antwortete er und verkniff sich das Grinsen, "Wie geht es dir?"
"Besser.", antwortete Red unwillig, umarmte das Kissen und schloss die Augen. Mit einem Diagnosegerät tastete Fries den Körper der Menschlichen ab. Einige Zeit studierte er die Anzeigen und stellte zufrieden fest: "Sieht besser aus, aber bleibe bis morgen Abend liegen." Ein stummes Nicken folgte.
"Hast du was gegessen?", erkundigte sich Fries. Mit dem Kissen im Arm setzte sich Red auf. Fries ließ sie nicht aus den Augen. "Nein, hab keinen Appetit."
"Du musst was essen. Dein Körper braucht die Energie, denn der vollbringt gerade wahre Wunder.", Fries lächelte, "Was isst du gerne? Was gab's bei euch zu Hause, wenn du krank warst?" Red wunderte sich. "Zu Hause? Hmm..." Sie versank in Grübelei, die erneut von dem Schrillen unterbrochen wurde. Irritiert rief Red: "Öffnen."
Naro, Swon und Galia traten ein. "Du siehst besser aus, Red.", begann der Quosoe begrüßend.
"Lenk sie bitte nicht ab, Naro.", warf Fries ein und sah zu Red, "Wie lautet deine Antwort! Die Frage war nicht schwierig."
"Doch, ist schwierig. Ganz schön schwierig.", murmelte Red. Ihr Gesicht versank im weichen Kissen und sie versuchte sich zu konzentrieren. Währenddessen kamen Mexur, Mexila, Sirius und Bez ebenfalls durch die geöffnete Tür. "Was macht Red? Hat sie Schmerzen?", fragte Mexila besorgt. Fasziniert antwortete Fries, der vor dem Nahrungsverteiler wartete: "Ich habe sie offenbar überfordert." Red schaute auf. "Jaaa, denn das ist eine doofe Frage, Doktor Bishop! Die kann ich nicht beantworten."
"Du kannst mir nicht sagen, was du gerne isst oder was du zu Hause gegessen hättest?"
Sofort nickte Red und erläuterte ihre Stimmung: "Im Moment esse ich gar nichts gerne, denn ich habe - wie gesagt - keinen Appetit. Und zu Hause? Meine Mama ist nicht wie andere Mütter. Sie hätte das der Zufallsauswahl des Verteilers überlassen - oder vielleicht hätte ich einen Keks gekriegt.", sie dachte kurz nach, "Doch, Kekse gab's schon mal, wenn ich richtig flach lag. Was sehr selten passiert ist, denn ich war ein ausgesprochen gesundes Kind!", ungehalten wandte sich Red an die anderen Anwesenden, "Was wollt ihr hier? Ich hab Bettruhe. Es sei denn...", eine kurze Pause folgte, "Verlassen wir die Station? Das wäre mal eine vernünftige Entscheidung!"
Einige sahen zufrieden aus, während Naro verwundert fragte: "Kannst du inzwischen Gedanken lesen?"
"Nein, kann Red nicht, aber deine Frage hat sie trotzdem beantwortet. Also verschwinden wir!", sagte Bez, worauf Sirius entgegnete: "Womit? Sollen wir dem Fjuro ein Schiff klauen?"
Mexur unterstützte den Leganer. "Den Kreuzer hat X-Rag wieder. Seine Flotte ist gut gesichert und vom Drefserschiff müssen wir gar nicht reden."
"Die Drefser und X-Rag sind sich einig, dass wir uns Adun Brachib entgegenstellen. Die lassen sich nicht beeinflussen. Wir haben es oft genug versucht.", erwiderte Naro.
"Wir müssen auf niemanden hören. Verlassen wir die Station, bleiben wir am Leben. Das ist eine einfache Rechnung.", hielt Swon kühl dagegen.
Während die Diskussion anhielt, rollte sich Red zusammen und versteckte ihr Gesicht im Kissen. Die Kopfschmerzen kamen zurück. Beunruhigende Bilder tauchten auf.
"Raumpiraten ein Schiff zu stehlen, wird unsere Leben genauso gefährden.", rief Naro energisch, "Außerdem denke ich, dass wir mit X-Rags Unterstützung eine gute Chance haben, den Ehrlosen zu schlagen."
"Bessere Chancen vielleicht, aber gute immer noch nicht! Außerdem gibt es keinen Grund, uns überhaupt mit ihm anzulegen.", entgegnete Swon ungehalten und Mexila hängte wütend an: "Red ist fast gestorben. Ich will weg von diesem Wahnsinnigen."
"Wir müssen uns nicht an den Kämpfen beteiligen, Mex. Die schaffen das auch ohne uns."
'Warum gerade in meinem Quartier? Wollen die mich foltern? Diese Verrückten! Bleiben oder nicht - ist mir im Augenblick völlig egal! Geht weg! Mein Schädel platzt gleich!'
In dem Moment streichelte jemand ihren Kopf. "Hier, Red, Gemüsebrühe. Probiere die. Mit irgendwas musst du anfangen."
Sie blickte auf und sah Fries mit einer Suppentasse in der Hand. Als Red die Tasse genommen hatte, unterbrach der Doktor das anhaltende Gespräch verärgert: "Jetzt reicht's wirklich! Die halbe Nacht habt ihr das diskutiert und heute auch schon seit einer Ewigkeit! Greg hatte keine Lust mehr darauf und mir reicht's inzwischen auch!", ein deutlicher Vorwurf lag in seiner Stimme, "Red braucht Ruhe. Habt ihr vergessen, wie sie gestern ausgesehen hat! Ihr findet eh keine Lösung, doch wenn es unbedingt sein muss, setzt euer Gespräch im Konferenzraum oder auf dem Korridor fort." Betreten schwiegen die Sieben und beobachteten Red, die mit ihrer Brühe beschäftigt war.
Nach dem ersten Schluck wartete sie auf eine Reaktion. In ihrem Bauch wurde es wärmer, aber sonst passierte nichts. Sie trank ein bisschen mehr. Leichte Übelkeit kam, verschwand wieder. Die angenehme Wärme blieb. Über den Rand der Tasse beäugte Red die Gruppe. Mit einem Lächeln sagte sie: "Schön, dass ihr da seid. Gefällt euch die Show oder soll ich den Unterhaltungswert erhöhen? Gedichte rezitieren, singen, lustig mit den Füßen wackeln? Wonach ist euch?"
"Wenn das alle Optionen sind, bin ich für die Füße.", antwortete Mexur spöttisch
"Füße wackeln ist in Ordnung. Die nächste Veranstaltung ist für den frühen Abend angesetzt. Ich esse meistens so gegen acht, Standardzeit. Einlass etwa eine Stunde vorher. Ihr dürft gerne in Begleitung erscheinen. Vielen Dank. Auf Wiedersehn!"
Red winkte und wandte sich der Brühe zu. Verwundert sagte Naro: "Dein Humor ist manchmal sehr eigen." Bissig antwortete Red: "Und euer Verhalten ist eigentlich immer sehr eigen.", sie überlegte kurz und meinte versöhnlich, "Naja, nicht immer, aber oft - manchmal - naja, egal. Dieses dämliche, nutzlose Rumdiskutiere neben meinem Bett nervt, da hat der Doktor völlig recht."
"Das ist kein nutzloses Gerede. Unsere nächsten Schritte müssen wohldurchdacht sein. Wir stecken in einem sehr gefährlichen Konflikt.", erläuterte Naro ruhig.
Red musterte Naro und senkte nach einigen Sekunden den Blick. Erinnerungen drängten in ihr Bewusstsein. Die Hand quetschte ihre Kehle - die Faust traf das Gesicht - der Kerl lag auf ihr - Schmerzen im Unterleib. Alles war auf einmal erschreckend lebendig.
'Gefährlicher Konflikt - was weiß der davon?'
Red wurde todernst. "Du musst mich nicht belehren. Ich weiß sehr gut, wo ich gestern um diese Zeit war und wärt ihr diesem Kerl begegnet, gäbe es nichts mehr zu diskutieren! Dann hättet ihr die verdammte Station längst verlassen - im Zweifel zu Fuß!", ihre Stimme wurde mit jedem Wort lauter, "Der Ehrlose will uns nicht! Wir müssen nicht kämpfen! Wollt ihr gekillt, verprügelt oder vergewaltigt werden?! Scheiß auf Drefser und Piraten! Das ist euer Leben und jetzt...", sie schrie die letzten Worte heraus, „Verschwindet aus meinem Quartier! Alle! Sofort!"
Als Fries sich näherte, reagierte Red abwehrend. "Du auch! Geh einfach. Geht alle! Verschwindet!" Ihre Stimme klang hohl. Zitternd rollte sie sich zusammen, umklammerte das Kissen.
Red bemerkte nicht, wie das Zimmer sich leerte und die Türe schloss. Die gestrigen Ereignisse - Erniedrigung, Hilflosigkeit, Demütigung, Ekel und Angst - schlugen über ihr zusammen. Sie weinte, schluchzte, schrie und fluchte - manchmal gleichzeitig, manchmal nacheinander. Sie verstand nicht, warum ihr das passiert war. Es gab keinen Grund.
Draußen zog Fries Bez mit sich. "Sprich bitte mit ihr. Du bist die Psychologin.", sagte er direkt. Bez wirkte unsicher. "Ich bin keine Therapeutin. Dafür bin ich nicht die Richtige." Fries gab nicht nach. "Aber du weißt, dass es besser ist, wenn eine Frau dieses Gespräch führt. Wen hältst du sonst für qualifiziert? Die charmante Swon? Die verängstigte Mexila? Galia vielleicht?" Lächelnd senkte Bez den Blick. "Nein, Galia nicht. Nein."
Schweigend fixierte Fries die Streslar, bis diese letztendlich frustriert nachgab. "Schon gut. Wie du willst. Aber wenn es nicht funktioniert, erinnere dich an meinen Einwand und gib mir nicht die Schuld!" Fries nickte.
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Nach einiger Zeit - ein paar Liegestützen und Boxübungen - hatte Red sich gefangen. Sie wusch das verweinte Gesicht mit kühlem Wasser und gerade als sie nach der Suppentasse greifen wollte, erschallte der schrille Ton erneut. Genervt stöhnte Red: "Öffnen."
Bez trat ein und verkündete ohne Umschweife: "Fries schickt mich. Ich soll mit dir reden." Red nahm einen großen Schluck von der kalten Brühe und setzte sich. "Weil du eine Frau bist, die psychologisch ausgebildet ist?"
"Ja, obwohl ich nicht auf Traumabehandlungen spezialisiert bin."
Red nickte stumm. Bez setzte sich ebenfalls und forderte: "Erzähl mir, was dir in den Sinn kommt. Einfach so."
Red schüttelte den Kopf. "Nein, Bez, ich weiß, worüber ich reden muss und du weißt, dass ich dazu überhaupt keine Lust hab. Trotzdem will ich mich damit auseinandersetzen, weil es hilft - wenn ich kann – ich es schaffe.", sie atmete durch und setzte mit fester Stimme fort, "Zuerst wird es schlimm sein. Ich werd mich schlecht fühlen, aber es wird helfen. Es ist notwendig." Bez wirkte verwundert. "Du betrachtest das sehr nüchtern."
"Nein, eigentlich nicht, aber die elitäre Ausbildung ist umfangreich. Der Umgang mit traumatischen Erlebnissen gehört dazu und - schlimme Dinge passieren jedem - immer wieder. Mir auch manchmal."
Verstehend nickte Bez. Dann fixierte Red den Boden und zwang sich, an die Tiefebene zu denken. Sie wollte sich den Erinnerungen stellen und nicht davor weglaufen. Ihr Blick wurde leer und tonlos begann sie: "Die haben mich vergewaltigt. Vier Kerle. Ich habe nicht viel davon gemerkt - nur den Anfang. Sonst war ich bewusstlos, aber Fries hat es gesagt.", stockend berichtete Red, "Zuerst wollten sie mich töten. Schnell und sauber. Das war ok. Ich hab keine Angst zu sterben, aber - dann - kam dieser - fette – Streslar..." Eine kurze Pause folgte. Bez wartete ab. "Er öffnete mein - Shirt und - fasste mich..." Red zitterte und begann zu weinen, doch sie erzählte die ganze Geschichte.
Am Ende sagte sie: "Ich wollte nicht, dass sie mich begrapschen, aber ich konnte es nicht verhindern. Für die war ich Dreck. Nichts wert.", die Worte klangen hilflos, gleichzeitig wütend, "Und irgendwie war alles meine Schuld! Ich hätte direkt verschwinden sollen, wie Swon und Galia es gesagt hatten. Ich hätte auf Fries hören und in meinem Quartier bleiben sollen, dann wäre das nie passiert. Ich bin selbst schuld!"
Mit dem Kissen rollte sich Red zusammen und schluchzte laut. Bez lehnte sich gegen sie, sagte eindringlich: "Es war nicht deine Schuld, Red! Du bist das Opfer! Du bist nicht schuld. Vergiss das nie!", und Bez fügte hinzu, "Du hast gesagt, schlimme Dinge passieren - und damit hast du völlig recht. Aber du kannst lernen damit zu leben, darfst die guten Sachen nie vergessen.", Red weinte leiser und Bez sprach ruhig weiter, "Schau mich an, Red! - Meine Worte sollen den Schmerz nicht nehmen, aber vielleicht mildern. Schau mich an, bitte.", Red sah auf und Bez berichtete, "Ich spreche nicht von der Gewalt gegen dich – nicht von der Erniedrigung, sondern allein von der Tatsache, dass du dort unten warst, als sie kamen – dort unten, in der Tiefebene.", Bez' Worte waren klar und sachlich, "Ohne deine Warnung wären bei dem Luftangriff mindestens fünf Wesen gestorben. - Swon war in der Zentraleinheit. Naro, Galia, Fries und ich liefen durch das sechste Level. Von beiden Orten existieren nur noch Trümmer."
Red weinte nicht mehr. Sie lauschte.
"Greg, Sirius, Mexur und Mexila waren auf dem Landungsdeck. Auch dort haben die Torpedos viel verwüstet. Allein deine Warnung hat uns alle aus den Gefahrenzonen gebracht."
Mit belegter Stimme flüsterte Red: "Ich hab euch gerettet?"
"Ja, fünf von uns mit Sicherheit...", antwortete Bez lächelnd, "...und dafür bin ich dir sehr dankbar, denn ich bin ausgesprochen gerne lebendig.", die Stimme wurde sanft, "Alles schlechte hat auch gute Seiten. Allerdings ist es manchmal schwer, die zu erkennen - so auf den ersten Blick zumindest."
Versunken schwiegen die Frauen für eine Weile, bis Red plötzlich mit heiserer Stimme meinte: "Gut fand ich auch, dass ich Fünf töten konnte und sogar diesem Adun eine verpasst hab." Bez sah verwundert auf und fragte ungläubig: "Du hast fünf Piraten getötet? Gestern in der Tiefebene?"
Red setzte sich auf und blinzelte aus verschwollenen Augen. "Ja, ich wollte nicht alleine gehen, ein paar Tschoraks mitnehmen.", ein gemeines Lächeln erschien, "Irgendwie dumm, dass ich jetzt noch hier bin. Ist mein Plan nach hinten losgegangen und am Ende hab ich das Spielchen gewonnen."
"Gewonnen?"
Ein Nicken bestätigte und das bösartige Grinsen blieb. "Fünf Tote, zwei Verletzte und das gekränkte Ego eines ehrlosen Clankriegers - plus eure fünf Leben für mich. Vier Mal Vögeln, Würgen, ein paar Tritte und Schläge für die. Ergebnis eindeutig. Ich bin der Sieger - vor allem, weil ich alleine war. - Oder nicht?"
Für einige Momente wirkte Bez verwirrt. Dann meinte sie langsam: "Deine Denkweise ist ungewöhnlich - düster, zynisch, aber...", ein leichtes Lächeln tauchte auf, "...trotzdem irgendwie richtig. Ja, auf eine ziemlich kranke Art und Weise hast du - dieses Spi... nein, besser diese Schlacht gewonnen.", Bez lächelte schief, "In dieser Situation solche Gedanken zu haben, ist - seltsam, aber irgendwie auch – amüsant?"
Nachdenklich erwiderte Red: "Vielleicht ist meine Einstellung seltsam, aber es war gut zu kämpfen – nicht das Töten selbst, aber dass die Kerle nicht machen konnten, was sie wollten. Das Ende konnte ich nicht verhindern, aber...", Red schaute offen in die klaren, blauen Augen, "...aber das ich bei diesem Mal, ähm, ich meine, in dieser Situation nicht völlig wehrlos war, ist gut. Verstehst du?" Bez antwortete gedankenverloren: "Ja.- Ja, ich glaube, ich verstehe das."
Nach einer Weile erhob sich Red. "Ich hab ein bisschen Hunger. Willst du auch was?" Bez schüttelte den Kopf. Während Red sich Marmeladentoast und warme Schokolade holte, sagte Bez: "Jetzt zu einem anderen Thema, wenn das in Ordnung ist.", kauend nickte Red, "Deine Psikräfte werden schnell stärker - schneller als Galia und ich es erwartet haben. Du musst mit dem Training anfangen, denn wir können dich nicht ewig abschirmen." Red schwieg unschlüssig.
'Da folgt ein doofes Thema dem nächsten. Sie muss doch wissen, dass ich keine Lust darauf habe. Mein Doktor will bestimmt nicht, dass ich mich aufrege und überanstrenge.'
Bez lachte auf. "Ich kann deine Gedanken hören."
Ertappt widmete Red sich dem Teller in ihrer Hand. Zögerlich kamen Worte über ihre Lippen. "Kann ich mich vielleicht - ab morgen - damit beschäftigen? Meine Bettruhe ist dann vorbei." Ein flehender Blick erschien, den Bez mit einem gutmütigen Lächeln quittierte. "Na gut, bis morgen kann ich Galia hinhalten, aber du nimmst Psiströme immer häufiger wahr. Sogar Gedanken empfängst du schon. Auf Dauer kann dieser Einfluss deinem Gehirn schaden.", neckend fügte sie hinzu, "Besonders, weil du gar nicht blocken kannst - als Einzige in der ganzen Station, um das an dieser Stelle anzumerken." Überrascht schaute Red auf. Mit vollem Mund sagte sie: "Als Einzige? Echt?"
'Woher können die das denn? Und warum lernen wir das eigentlich nicht? Auf der Erde brauchte ich so was nicht, aber für Elitäre ist dieses Blocken ziemlich nützlich.'
"Ja, das wäre für Elitäre ziemlich nützlich.", lächelnd sprach Bez weiter, "Vor allem im Außerhalb ist Blocken eine sehr verbreitete Technik. Wenn man häufig reist, viele Wesen trifft, ist es sehr praktisch.", Red nickte schweigend, während Bez fortfuhr, "Koalierte lernen übrigens auch blocken - elitäre und militärische Spezialtrupps zum Beispiel. Oder alle Mitarbeiter der Internen Sicherheit, Teams für Erstkontakte und Konfliktlösung, Diplomaten und Ratsmitglieder, Besatzungen von Forschungs-, Vergnügungs- und Handelsschiffen, Kristallverarbeiter, Mienenbetreiber, Mitarbeiter sämtlicher Interstellarstationen und Forschungseinrichtungen, freie Huren, Pirat..."
"Ok! Ist ja gut! Ich hab's verstanden. Offensichtlich alle außer mir."
"Ja, genau das wollte ich damit ausdrücken.", erwiderte Bez amüsiert.
'Hmm, das ist irgendwie frustrierend. Sieben Jahre Ausbildung und dann fehlt so ein wesentlicher Teil. Warum unterschlagen unsere doofen Ausbilder so was? Ich versteh's nicht. Das macht keinen Sinn. Darüber muss ich unbedingt mit Comander Lead sprechen. Da fühlt man sich total unfähig.'
Lachend unterbrach Bez die Grübelei: "Ich kann deine Gedanken lesen, Leutnant" Red senkte den Blick und bemerkte schüchtern: "Sag das nicht immer. Das irritiert mich - und dann muss ich drüber nachdenken, was ich gar nicht will."
"Du sollst darüber nachdenken.", Bez fing an zu singen, "Ich kann deine Gedanken lesen. Ich kann deine Gedanken lesen. Ich kann dei..."
Mit den Händen auf den Ohren rief Red: "Oh, das halt ich nicht aus! Hör bitte auf. Du triffst keinen Ton! Das ist Folter!", sie wurde ernst, "Ich verspreche, dass ich mich nach der Bettruhe damit beschäftigen werde."
Bez schien nun zufrieden und erhob sich. "Apropos Bettruhe - ich lasse dich jetzt allein. Schlaf ein bisschen." Red stellte das Geschirr ab, stand auf und umarmte Bez fest. "Danke." Die Streslar erstarrte und flüsterte nach einer Weile: "Aber ich stehe nicht auf Frauen. Überhaupt nicht."
Erstaunt löste sich Red, musterte Bez und verstand plötzlich: "Dir hat jemand von der Sache zwischen Swon und mir erzählt - das in der Zentraleinheit. Richtig?"
Bez senkte den Blick, nickte stumm. Red verzog ihr Gesicht. "Bestimmt einer dieser dämlichen, notgeilen Kerle! Die wollen dich alle beglücken, aber das weißt du bestimmt!" Stumm lächelte Bez, während Red tief Luft holte. Ruhig versicherte sie: "Keine Angst, das war keine Anmache. Ich wollte mich bedanken und zu Hause umarmen wir uns dabei. Das hat überhaupt nichts mit Sex zu tun."
Amüsiert ging Red einige Schritte rückwärts und ließ sich auf das Bett fallen, während Bez verstehend meinte: "Du musst dich nicht bedanken. Das war selbstverständlich.", das freundliche Lächeln tauchte erneut auf, "Ich werde jetzt gehen. Erhole dich. Wir sehen uns später." Bez verschwand. Red nahm ihren Strahler und kroch unter die Decke.
'Das Ende war seltsam. Naja, wer weiß, was die Drei erzählt haben - bestimmt eine sehr ausgeschmückte Version der Wahrheit und wenn sie nur Männer ranlässt, habe ich sie wohl irritiert. - Dabei hatte ich gar nichts Sexuelles im Kopf. Nicht die Spur. Sollte sie das als Psiwesen nicht spüren? Merkwürdig. - Sonst scheint Bez ganz in Ordnung zu sein - lieb und clever.'
Im Bett war es kuschelig warm und die Waffe gab Red ein sicheres Gefühl. Ihr Geist fühlte sich plötzlich taub und leer an - wie ausgewrungen. Sie gähnte mehrmals. Schließlich klappten die Augen zu.
'Oh, bin ich müde. Ein bisschen Schlafen. Eigentlich ist Bettruhe 'ne gute Sache.'

 

Eine unbekannte, hysterische Stimme riss Red aus dem Schlaf. Durch das Com drang Strahlerfeuer und ein panischer Hilferuf. "Die Tschaks kommen aus'n Höhlen! Viele! Brauch'n Hilfe!"
Red reagierte instinktiv. Sie schlüpfte in die Stiefel, schnappte sich ihre Pistole, dann die eCetec und stürmte auf den Gang. Dort standen Swon, Naro, Galia und die Zwillinge. Eilig kamen Fries und Bez aus dem Konferenzraum. Durch das Com rief Sirius: "Greg und ich sind auf Level 1. In der Tiefebene bekriegen die sich. X-Rag ist gerade runter. - Helfen wir?"
Nach einem schnellen Blickwechsel mit Naro antwortete Swon: "Ja, aber wartet. Wir sammeln euch ein.", sie schloss die Verbindung und wandte sich an Red, "Du kommst mi..."
"Nein, sie ist nicht einsatzbereit.", unterbrach Fries sofort. Ein mörderischer und ein erstaunter Blick trafen den Arzt daraufhin. "Bist du einsatzbereit, Leutnant?", fragte Swon. Die grünen Augen durchbohrten Red, die verunsichert zu Fries schaute. "Ich wiederhole meine Worte gerne, bis ihr es versteht.", antwortete Fries unbeeindruckt, "Nein, der Leutnant ist nicht einsatzbereit."
Bevor Swon reagieren konnte, griff Naro bestimmend ein. "Hör auf, Regier. Er hat recht und wir haben keine Zeit für Debatten."
Nach einigen Augenblicken gab Swon nach. "Xamaer und Psifrauen passen auf die Kranke auf. Der Rest kommt mit mir." Red hörte die Worte, konnte es jedoch nicht glauben. Swon fuhr sie ungehalten an: "Gib Naro die eCetec, Leutnant!"
Red zeigte keine Reaktion, erwiderte Swons Blick kampflustig, bis Galia das Gewehr griff. "Die Waffe nehme ich und jetzt gehen wir, Regier! Sofort! Diese Machtspielchen sind gerade völlig fehl am Platz!"
Die blitzenden, grünen Augen waren zu Galia geschwenkt. Schließlich nickte Swon, sah kurz zum Quosoen und verschwand wortlos im Treppenhaus. Fries, Naro und Galia folgten.
'Was war das denn? Dieser überfürsorgliche Arzt! Diese dämliche, sture, idiotische Clankriegerin! Diese komische, nervige Priesterin klaut einfach meine eCetec! Unverschämt! Und meine Schutztruppe natürlich! - Sehr lustig, Swon! Ich lach mich tot!'
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Kampfgeräusche waren zu hören. Das Strahlergefecht hatte sich bereits vor einigen Zeiteinheiten ins Treppenhaus verlagert, näherte sich stetig der dritten Ebene. Red blickte sich um und fluchte innerlich.
'Verdammt, noch sind die unten, aber gut läuft das nicht. Was nun?'
Schnell überlegte sie. Die Entscheidung war einfach. "Ich geh raus. Die brauchen bestimmt gleich Rückendeckung." Bez und Mexur schwiegen unsicher, doch Mexila fragte ängstlich: "Aber du kommst wieder?" Red nickte lächelnd. "Mit den anderen hoffentlich. Bleibt hier."
Als Red ein paar Stufen oberhalb ihres Levels, hinter einigen großen Trümmerstücken Deckung gefunden hatte, stürzten Fries und Naro die Treppe herauf. Der Quosoe entdeckte Red. "Das sind zu viele, zu gut bewaffnet.", schrie er. Nickend deutete Red auf den Gang. "Verschwindet!"
Das Strahlergefecht hatte sich mittlerweile in die zweite Ebene verlagert, welche derzeit von X-Rags Leuten genutzt wurde. Red zielte auf den untersten Absatz, als Sirius, Galia und Greg um die Ecke kamen. Während die Männer weiterrannten, schoss Galia zurück. Das Gegenfeuer schlug in der Wand ein und Swon hastete geduckt die Stufen hinauf. Sie sah Red, packte Galia am Arm und schrie: "Knall jeden ab, der hoch will, Leutnant!"
Da erschienen die Verfolger bereits. Red schoss. Ein Strahler flog gegen die Wand. Sie traf einen Arm, eine Schulter und hörte Flüche. Kurz darauf feuerten auch Swon, Galia und die beiden Techniker - bis die Gegenwehr einschlief. "Die Wesen ziehen sich zurück.", verkündete Galia regungslos, "Zurück in die tieferen Ebenen." Misstrauisch schaute Swon die Treppe hinunter. "Wieso? Die hatten uns?"
Trotzdem behielt Galia recht. Es gab keinen neuen Angriff. Niemand zeigte sich, während Red abwartete. Plötzlich schrie Mexur aus dem Hintergrund: "Sofort rein! Notfallverriegelung in fünf ZEs!"
Für einen langen Moment passierte nichts. Dann bewegten sich Galia und Swon aus dem Türbereich, während Red alarmiert aufgesprungen war und über die Trümmer hechtete.
'Scheiße, Scheiße, Scheiße! Die Türen schließen schon!'
Mit viel Schwung prallte Red gegen Sirius, der sein Gleichgewicht verlor und nach Gregs Arm griff. Der menschliche Techniker schwankte, stolperte über irgendwelche Beine und gemeinsam stürzten die Drei in den Gang. Dabei bohrte sich etwas hart in Reds Brustkorb. Nach einem schmerzerfüllten Aufstöhnen kniete sie auf allen Vieren und glaubte jeden Moment ohnmächtig zu werden.
Bewusst lenkte sie ihre Konzentration auf die Atmung, verdrängte den Schmerz. Allmählich wurde es besser. Stimmen drangen in ihr Bewusstsein. Berührungen. "Scheiße. Rippen gebrochen. Verdammter Mist!", murmelte Red.
"Aha, der Leutnant kennt sich aus. Wieso verwundert mich diese Tatsache nicht?". zuerst sah Red die Techniker rechts und links neben sich und gleich darauf Fries, dessen Hand mit dem Diagnosegerät über ihr schwebte, "Wieder gebrochen, wäre richtiger. Bei diesem Mal ist dahinter zumindest alles heil geblieben. Glück gehabt.", vorwurfsvoll wandte sich Fries an Greg und Sirius, "Erst gestern hab ich diesen Brustkorb in Ordnung gebracht. Ihr müsst ein bisschen aufpassen!"
"Wir?!", fragte Sirius irritiert, "Wer hat denn hier wen angesprungen?"
Mit unterdrücktem Lächeln warf Red dem empörten Leganer einen schnellen Blick zu, während Mexur rief: "Ach, beschwer dich nicht, Pela! Die Kleine hat euch flachgelegt und zwar richtig hart - gestern früh wolltet ihr das doch unbedingt!"
Jetzt konnte Red das Grinsen nicht mehr zurückhalten. Langsam versuchte sie, auf die Füße zu kommen, doch ein durchdringender Schmerz stoppte ihre Bemühungen. Mit der Hand an den Rippen blieb sie vornübergebeugt stehen, atmete flach. Sirius lag in ihrem Blickfeld und fragte neckend: "Zeigst du so deine Demut vor dem Doktor?"
Ohne die Position zu ändern, sah Red zu Fries auf, welcher die Situation äußerst kritisch begutachtete. Sie musste lachen, was eine weitere Schmerzwelle auslöste. Mit geschlossenen Augen wartete sie ab, während sich Fries an Swon und Naro wandte: "Wie ihr hier seht, bestätigt sich meine Aussage. Red ist nicht einsatzfähig."
Diese Worte stachelten den Stolz des Leutnants an. Vorsichtig streckte sie sich. "Ach, Quatsch! Mir geht's gut.", Red stemmte die Hände in die Hüften und bekräftigte nochmals, "Alles in Ordnung. Der Doktor übertreibt total."
Verständnislos schüttelte Fries den Kopf. "Wenn ich das mache,..." Seitlich drückte sein Finger gegen ihre Rippen. Red stöhnte auf und krümmte sich. "...sollte so etwas nicht passieren, du sture Menschenfrau!"
Mit wenig erkennbarem Mitleid zog Fries den gebeugten Leutnant hinter sich her. Die abrupte Bewegung ließ Red erneut ächzen.
"Ich übertreibe also? Ja?! Sag das bitte noch einmal!", ungehalten hängte er an, "Kommst du bitte, Mexila!" Sichtbar schlecht gelaunt folgte die Xamaer und murmelte dabei: "Die werden fast erschossen, wir sind abgeschottet, ein ehrloser Clankrieger rennt in der Station herum und ein Tag, ohne Red zu verarzten, ist auch kein schöner Tag!" Ihre Hände ballten sich zu Fäusten. Sie fluchte laut: "Alles ist Dreck! Schon wieder. Blöder, stinkender Dreck! Ich will nach Hause! Bei meiner unnützen Heiligkeit, wann bringt mich endlich jemand nach Hause?!" Die Tirade wechselte in die Sprache der Xamaer.
"Oho, sehr bildlich. Gehört das zu eurem Alltagsvokabular, Mexur?", bemerkte Sirius. Der Xamaer zuckte mit den Schultern. "Ist eher situationsangepasst und außerdem muss ich Mex zustimmen. Inzwischen hat unser Aufenthalt jeden Reiz verloren."
Greg, der die ganze Zeit bewegungslos die Decke angestarrt hatte, verkündete in dieser Sekunde niedergeschlagen: "Wir hatten das Schiff. Wollten gerade Bescheid geben. Hundert ZEs und wir wär'n weg gewesen."
Für einige Sekunden erstarrte die Runde. Schließlich begann Naro ungläubig: "Ihr hattet ein Schiff?", und Bez fragte leise, "Eins mit InterstellarCom?" Ihr Blick ruhte auf Sirius, der schweigend nickte. Mit dem Arm verdeckte Greg seine Augen und erklärte frustriert: "InterstellarCom reparierbar, Sicherheitsfeld ausgeschaltet, genug Kabinen, gut bewaffnet, zwar ohne D-Antrieb, aber schnell, wendig - startbereit. Steht an Dock 143 und wartet auf uns."
Regloses Schweigen füllte den Gang, bis Swon laut fluchend ihre Wut an der Wand ausließ. Danach hatte die Verkleidung mehrere Dellen und dunkles Blut rann an ihrer Hand herab. Nach einer erneuten Pause meinte Galia schließlich aufmunternd: "Trotz allem leben wir und haben vorerst unsere Ruhe. Derzeit hat Adun Brachib kein Interesse an Eingeweihten, was uns wiederum Zeit verschafft...", ein Lächeln erschien, "...einen neuen, genialen Plan auszuarbeiten. Ich finde, dass wir langsam richtig gut darin werden."
Damit drehte Galia sich um und marschierte in den Konferenzraum. Swon murmelte missmutig: "Jaaa, das Ausdenken läuft, aber die Umsetzung ist beschissen."
"Ein wahres Wort, Regier. Unser Timing muss auf jeden Fall besser werden. Auf jeden Fall.", sagte Mexur, der Swon folgte, und dabei überlegte, "Warum sprengen wir nicht ein Loch in die Wand, hüpfen auf das Landungsdeck und verschwinden mit unserem neuen Schiff? Klingt gut, oder? Gegenstimmen?"
Derweil reichte Bez Greg und Sirius lächelnd die Hände. "Na los! Hoch mit euch! - Es ist gut, dass ihr Red ins Behandlungszimmer verfrachtet habt. Ihre ständige Ungeduld hätte nur unseren langanhaltenden, kreativen Fluss gestört."

Red öffnete die Augen. Sie war allein im Behandlungszimmer.
'Wenn ich aufwache, kann ich zurück in mein Quartier. Vielleicht halte ich mich diesmal besser an seine Anweisungen.'
Red erhob sich und stellte erfreut fest, dass sich weder Übelkeit noch Schmerzen meldeten. Sie fühlte sich ziemlich gut.
'Es ist mitten in der Nacht. Ich sollte schlafen gehen. - aber, hmm, was wohl passiert ist? Ob die im Konferenzraum sind?'
Nachdenklich verließ Red den Behandlungsraum und entdeckte sofort, dass die Tür zum Treppenhaus ein großes Loch zierte.
'Oh, wow, da passt sogar Naro durch! Sieht nach Schusswaffe aus. - eCetec bestimmt. Also sind wir nicht mehr eingesperrt. - Ach verdammt! So ist das auch Mist! Ohne die doofen Besprechungen krieg ich gar nichts mehr mit!'
In diesem Augenblick tauchte aus dem Nichts eine lebendig glitzernde Wolke auf, welche, ohne die Tür zu benutzen, im Konferenzraum verschwand. Auf einen Schlag vergaß sie alles und folgte fasziniert. Im Konferenzraum bewunderte Red die Glitzerwolke ausgiebig, wobei sie andere Anwesende und Reaktionen nicht bemerkte.
'Woahhh, ein echter Croin Chuc! Das ist genial! Den muss ich von Nahem sehen! - Laxira wird ausrasten, wenn sie davon erfährt! Sie wird vor Neid vergehen! - Dachte nicht, dass die so bunt sind. Sehr hübsch. - Ha! Ich seh einen Croin Chuc und du nicht, Xira! Du nicht. Ich brauch unbedingt einen Beweis - eine Aufzeichnung. - Wie es wohl ist, die ganze Zeit im Weltraum rumzuschweben? Vielleicht ein bisschen wie Jäger fliegen, aber wahrscheinlich ganz...'
Plötzlich glaubte Red, ihr Kopf würde explodieren. Mit den Händen schirmte sie sich ab. Ihr wurde schwarz vor Augen und wie durch dichten Nebel hörte sie einen Schrei.
Bevor Red das Bewusstsein verlor, endeten die Eindrücke unvermittelt. Sie blickte sich benommen um. Von allen Seiten starrten sie entgeisterte Gesichter an. Galia, Bez und Fries waren aufgesprungen. Die Psifrauen konzentrierten sich auf das Gaspartikelwesen, während Fries die verwirrte Red in einen Stuhl drückte. Bald setzte sich Bez wieder, während Galia zu erklären versuchte: "Das war ein Versehen. Es entschuldigt sich - auf seine Art - denke ich."
Einen Moment später war Red in prickelnden Glitzer gehüllt. Sie lachte laut. "Aaaah, das kitzelt. Geh weg! Ooh. Aaah. Nein, hör auf. Du... Aaaah! Ich bin in Ordnung. Wirklich, es geht mir gut. Danke."
Gebannt verfolgte Galia das Schauspiel. "Ist das Gedankenaustausch?" Unschlüssig zuckte Bez mit den Schultern. "Kann eigentlich nicht sein, obwohl - nun - Reds Ströme unterscheiden sich beträchtlich von unseren - aber nein...", überzeugt schüttelte sie den Kopf, "Ich glaube, dass ist eine Mischung aus Gefühlen und Berührung." Galia nickte, während der Croin Chuc quer durch den Raum schwebte. Red blieb fassungslos zurück.
'Ich bin ein Psiwesen. Ha, das ist lächerlich! Ein Croin Chuc will mit mir Gedanken austauschen. Ich kapier's nicht! Gesundes Misstrauen gegenüber Psiwesen, hat Lead uns immer gepredigt. Klang gut und nun bin ich selber eins. Darf ich mir jetzt selbst nicht mehr trauen? Darauf hat die doofe Akademie bestimmt keine Antwort!'
Plötzlich schlugen fremde Gedanken in die Grübelei und ein hübsches Gesicht fiel Red ins Auge.
'Nein, Psiwesen darfst du auf keinen Fall trauen - und außerdem ...'
Bez grinste breit. Die strahlend blauen Augen funkelten frech.
'Ich kann deine Gedanken hören. Ich kann deine Gedanken hören. Ich kann jeden deiner Gedanken hören - und Galia..aa...aa ...auuuch...'
Red bemühte sich, ein besonders verärgertes Gesicht aufzusetzen. Bez wirkte unbeeindruckt. Ihr Mund bewegte sich inzwischen lautlos zu dem gedanklichen Singsang, dessen Text weiterhin laut durch Reds Geist schallte.
'Ich kann deine Gedanken hören. Ich kann jeden deiner Gedanken hören und Galiaaaa auuuch - und i..ich auuuuch... immer. Jederzeit kann ich dein....'
Inbrünstig versuchte Red, ihren ganzen Unmut in böse Blicke zu packen. Als die gewünschte Wirkung ausblieb, steckte sie die Zunge raus. Jemand klopfte auf ihre Schulter. "Ja, was denn?", fragte Red genervt und entdeckte Fries neben sich. Er wirkte alles anders als gut gelaunt. "Ich rede mit dir, Leutnant. Was machst du eigentlich?" Red fühlte sich in die Akademie zurückversetzt und antwortete stockend: "Ähm, total - geheime - psimäßige – Kommunikation?"
Um nicht loszuprusten, presste Bez die Hand auf den Mund. Fries fuhr ungläubig fort: "Du hast deine Zunge rausgestreckt, Red. Wie alt bist du?"
Empört deutete Red auf Bez. "Aber nur, weil die mich die ganze Zeit ärgert! Ehrlich!", und sie wandte sich an die Streslar, "Nach der Bettruhe habe ich gesagt. Die ist erst morgen Abend vorbei." Fries warf dazwischen: "Aha, du erinnerst dich! Bettruhe hatte ich gesagt! Was übrigens bedeutet, dass du liegen sollst!"
'Oh Mist, er erinnert sich auch - hmmm..."
Red schwieg kurz und erwiderte vorsichtig: "Dieser Stuhl ist sehr bequem, Doktor Bishop." Unbeeindruckt entgegnete Fries: "Liegen bedeutet, dass du dich in der Horizontalen befindest. Waagerecht, verstehst du?", er zeichnete eine Linie in die Luft, "Das ist in diesem Stuhl nicht gegeben."
Für eine Sekunde überlegte Red. Dann legte sie die Füße auf den Tisch, lehnte den Stuhl zurück. "Das ist jetzt ziemlich horizontal. Oder nicht, Doktor?" Leises Kichern war zu hören, während Fries sich bemühte, seine Sprachlosigkeit zu überwinden. Schlagartig bekam Red ein furchtbar schlechtes Gewissen.
'Oh, mein armer Fries. Er hat ja recht, aber ich bin so gespannt. Warum ist er auch immer so überfürsorglich? Echt doof.'
Red erhob sich, schob Fries ein Stück beiseite. Sanft zog sie seinen Kopf zu sich und flüsterte in sein Ohr: "Tut mir leid, aber ich bin so unruhig. Dann gehe ich meistens laufen oder kämpfen, aber das geht hier nicht.", ganz lieb schaute Red ihm in die Augen, "Lass mich bitte ein bisschen zu hören? Das halte ich sowieso nicht lange durch, denn ihr seid unglaublich ermüdend. - Nur ein kleines bisschen, Doktor. Ja? Bitte." Fries ließ sich nicht beeindrucken. "Gegen diese Form der Bettelei bin ich immun. Ich habe nämlich auch eine kleine Schwester, Red."
'Wir werden sehen, mein gutmütiger Doktor, denn ich habe bei der süssesten, herzerweichendsten, kleinen Schwester gelernt. Niemand widersteht meiner Sunny! - Ist zwar ein wenig erniedrigend für einen elitären Offizier, aber wie Oma zu sagen pflegte: Was sein muss, muss sein!'
Mit großen, unschuldigen Augen und gefalteten Händen begann Red flehentlich: "Bitte, bitte, Doktor Bishop! Bitte! Ich werde nicht mehr widersprechen. Ich werde brav sein. Gehorsam. Sehr lieb. Ganz besonders lieb. Klingt das gut, Doktor?", sie umarmte ihn und wiederholte weinerlich, "Bitte, Fries. Lass mich ein bisschen zuhören. Ein bisschen länger - und danach werde ich ganz lieb sein - und ganz besonders müde auch. Dann muss ich ins Bett gehen - ganz lieb - ganz besonders lieb und gehors..."
Fries befreite sich, hob abwehrend die Hände. "Ist ja gut. Gut, gut, gut! Es reicht.", seine Stimme wurde streng, "200 ZEs. Nicht länger. Danach verschwindest du ins Bett! Ohne Widerrede und ohne diesen Zirkus!", Red sah sehr zufrieden drein, bis Fries verständnislos herausstieß, "Was für eine komische Elitäre bist du eigentlich? Ich verstehe inzwischen genau, warum deine Mutter dich mit Kochlöffeln gejagt hat! Obwohl...", Fries überlegte kurz, "...ein Nudelholz wäre bestimmt effizienter gewesen."
Zwar offenbarte Red nun deutlichen Unwillen, doch verbiss sie sich eine Antwort bei diesem Mal.
In dem Augenblick öffnete sich die Tür und drei Gestalten erschienen. "Hab alles in die Wege geleitet. Meine Leute sichern die Treppe."
X-Rags kräftige Stimme füllte den Raum. Beide Drefserkörper, die kräftige Menschenfrau Jekaty und eine durchtrainierte, blonde Quosoin mit dunkler Haut begleiteten den Piratenanführer.
Während X-Rag RedsAnwesenheit mit verächtlichem Blick registrierte, zog die Quosoenfrau ohne Vorwarnung ein Jagdmesser und stürzte sich auf Red. "Begleichen wir die Rechnung, du dreckige Koalitionsnutte!", brüllte sie hasserfüllt.
'Äh? Die greift an! Scheiße!'
Red reagierte schnell, aber nicht überstürzt. Gezielt trat sie die Beine der Angreiferin weg, packte dabei die Messerhand. Als die Blonde mit dem Gesicht auf dem Boden aufschlug, verdrehte sich ihr durchgestreckter Arm schmerzhaft nach hinten. Keuchend ließ sie das Messer fallen. Ohne Mühe hielt Red den Arm in der unnatürlichen Position, während ihr Fuß auf der Schulter stand. Trotzdem versuchte die Blonde an den Strahler in ihrem Halfter zu gelangen, weshalb Red den Druck auf das Gelenk verstärkte, gleichzeitig den Arm weiter in die Höhe zog. Die Quosoin schrie auf und bewegte sich nicht mehr. Den Griff lockerte Red nicht, obwohl ihre Aufmerksamkeit zum Fjuro gewandert war.
'Was - verdammt noch mal - war das? Ich dachte, wir sind verbündet?'
Obwohl Red kein Wort gesagt hatte, schien X-Rag zu verstehen. Ungerührt erklärte er: "Du hast meine Männer getötet. Neunzehn Männer. Einer war der Vater ihrer Kinder und Blutrache ist in unseren Kreisen durchaus üblich." Red überlegte angespannt.
'Neunzehn Männer? Wann hab ich das gemacht?'
Bekannte Gedanken schallten durch ihren Kopf.
'In der Schlucht. Ein Wagen ist in die Luft geflogen. Ein Quosoe wurde aufgeschlitzt. Der gehörte zur Blonden.'
Ohne sich Galia zuzuwenden, nickte Red leicht und fragte X-Rag: "Und nun? Soll ich sie töten? Wäre die Sache damit erledigt?"
"Wage es nicht, du Schlampe! Adun hat genau die Richtige erwischt, du dreckige Gesgag!", platzte Jekaty böse heraus, "Totreiten würden sie dich auf Km'Prik! Aber dabei hättest du wahrscheinlich Spaß, du elitäre Scheißhure!"
'Spaß, hm? Ich zeig dir gerne, was mir Spaß macht!'
Ein kaltes Lächeln breitete sich aus. "Das hat meine Frage leider nicht beantwortet.", Red sah zur Blonden und fragte interessiert, "Soll ich dich zu deinem Mann schicken? Kann ich gerne machen."
Mittlerweile drückte der Fuß den Hals der Quosoenfrau unbarmherzig gegen den Boden. Wimmernd und röchelnd zuckte der Körper, versuchte panisch Luft zu bekommen. Jekaty riss den Strahler hoch, aber X-Rag reagierte schneller. Seine Hand drückte die Waffe weg. Gezischte Worte bremsten Jekaty aus. Zeitgleich waren mehrere Erwählte aufgesprungen
"Setz dich sofort hin, Leutnant Leight!", befahl Naro donnernd. Red schaute auf, musterte den Quosoen einen Augenblick lang.
'Mir recht.'
Nach einem stummen Nicken ließ Red das Opfer los und setzte sich, ohne der Szene weitere Aufmerksamkeit zu schenken. Derweil eilte Jekaty zu der am Boden liegenden Frau.
"Dass deine Männer getötet wurden, tut uns leid.", sagte Naro diplomatisch, "Aber in der damaligen Situation hatte der Leutnant keine andere Möglichkeit. Zu diesem Zeitpunkt war nicht erkennbar, dass ihr auf unserer Seite steht."
"Ja, ein Missverständnis. Das kann vorkommen.", antwortete X-Rag ruhig. Weniger kompromissbereit warf Galia ein: "Du wusstest genau, dass die Frau angreifen wollte! Du hast den Tod unseres Leutnants gebilligt!"
Unverhohlene Feindseligkeit schwappte über X-Rags Züge, aber schnell hatte er sich wieder im Griff. "In persönliche Angelegenheiten meiner Angestellten mische ich mich selten ein und sechs Kindern den Vater zu nehmen, verlangt nach Blutrache. Deshalb bekam Wroh ihre Chance. Aber eure Elitäre lebt, also sparen wir uns dieses Gespräch.", kühl fixierte er Wroh, die inzwischen auf den Füßen stand, "Du hast die Gelegenheit nicht genutzt. Damit ist diese Sache vorerst erledigt! Die Bezahlung wird nicht riskiert. Klar?"
Nach einigen Augenblicken senkte die Quosoin den Blick. X-Rag war zufrieden und wandte sich an Jekaty: "Bring Wroh runter! Schaut euch unten um! Ich trau dem verdammten Dschju nicht." Jekaty nickte pflichtbewusst und führte die blonde Wroh aus dem Raum. "Ist der Konflikt damit geklärt oder muss der Leutnant mit neuen Angriffen rechnen?", erkundigte sich Naro.
Ein gefühlloses Lächeln erschien. "So lange wir vertraglich gebunden sind, bleibt alles ruhig. Danach garantiere ich für nichts.", X-Rag setzte eine freundliche Miene auf, suchte sich einen Stuhl und fuhr im Plauderton fort, "Wie sieht's hier aus? Haben wir Zugang zu den Stationssystemen?"
Die Stimmung beruhigte sich. Red ließ den Blick schweifen. Der Croin Chuc schwebte herum, tauchte hier und da auf. Naro, Swon, Galia, X-Rag und die Drefserkörper sprachen miteinander. Red verstand kaum ein Wort, aber hatte wenig Lust sich in die Nähe des Fjuros zu begeben. Derweil arbeitete Mexur - unter der Beobachtung von Greg und Sirius - an mehreren Schirmen. Bez und Mexila gesellten sich zu den Männern und begannen eine Unterhaltung. Scheinbar versuchte Sirius, den Frauen die Arbeit des Xamaers näherzubringen, was zu einer verwirrten Bez und einigem Gelächter führte.
'Die scheinen sich inzwischen richtig gut zu verstehen. - Was Mexur da wohl probiert? Zugang zu den Stationssystemen bekommen, hat X-Rag gesagt. Aber wie? Wir sind doch abgeschottet. Soll ich fragen?'
Ihr Blick blieb an Greg hängen.
'Oh nein! Nein! Auf Greg hab ich keine Lust. Abstand halten, ist besser.'
Fries' ungeduldige, lauter werdende Stimme drang in ihre Gedanken. "Woher wissen Sie das? Wer ist an dieser Mission beteiligt?" Die tonlose Antwort der Drefser minderte die aufflammende Wut nicht. "Information sicher. Trinita nicht verlassen. Adun Brachib stoppen. Wichtig Mission sicher. Zeit keine." Fries stöhnte entnervt, während Swon lauthals zu schimpfen begann: "Ohh, diese Sprache! Das treibt mich in den Wahnsinn! Ich versteh die nicht!" Beruhigend legte Naro die Hand auf ihre Schulter. Swon blieb verärgert. "Oh Naro, dann erkläre mir, was 'Wichtig Mission sicher.' heißen soll! Erklär's mir bitte, denn ich kapier nichts!"
Von Fries gab es ein zustimmendes Nicken, während Galia erläuterte: "Ihre Gedanken verraten auch nicht viel - nur, dass sie Adun Brachib unbedingt aufhalten wollen und wir am Leben bleiben müssen. Sie wollen uns nicht gefährden." Naro nickte leicht und versuchte es nochmal. "Woher kommen diese Informationen? Warum ist der Ehrlose unser Problem? Was will er in der Station?" Naro blieb diplomatisch, obwohl eine gewisse Ungeduld spürbar war.
"Das ist die große Preisfrage. Was zieht Adun an? Ein paar Sklaven sind sicher nicht der Grund." Es gab keine Reaktion auf X-Rags Frage, bis Galia frustriert einwarf. "Ich habe auch keine Lust mehr, denn diese Drefser wissen nichts oder wollen nichts wissen. Deren Gedanken sind genauso fremd, wie ihre Art zu reden."
'Wir sollen leben?! Die wollen uns nicht gefährden?! Warum passiert mir dann andauernd was? - Vergewaltigt, verprügelt, angeschossen, vergiftet - nicht gefährden zu sein, sieht für mich anders aus!'
Plötzlich schoss Red ein Gedanke durch den Kopf, der sie nicht mehr los ließ. Die Idee war derart überwältigend, dass Galia und Bez aus ihren Gesprächen gerissen wurden. Verblüfft betrachteten sie Red, die gedankenverloren ins Leere starrte. "Damit könnte unser Leutnant recht haben.", meinte Bez überlegt, "Wie konnten wir das bloß übersehen!"
Fragende Blicke lagen auf Bez, als plötzlich die monotonen Stimmen der Drefserkörper den Raum füllten. "Red Leight. Swon Dschrib. Greg Toms.", die Körper wandten sich der Elitären zu, "Gift. Tod. Leutnant. Klaren."
Erschrocken registrierte Red, dass plötzlich die gesamte Aufmerksamkeit bei ihr gelandet war. Sie fluchte leise: "Scheiß-Gedankenleserpack! Blöde Psikräfte!"
'Hier kann man nicht mal in Ruhe grübeln! Was wollen die denn?'
Da das Schweigen unangenehm war, entschloss sich Red zu einer Erklärung. "Na das Prekrus in den Höhlen...", begann sie langsam, "Wenn unsere Leben nicht gefährdet werden sollen, ergibt der Prekruseinsatz keinen Sinn! Das war unberechenbar und ziemlich tödlich, aber sicher genauso wertvoll - in bestimmten Kreisen.", Red verschränkte die Arme, "Ist richtig, oder nicht?"
'...und jetzt schaut gefälligst woanders hin! Ich bin doch kein Zirkusaffe!'
Amüsiert lehnte sich Bez zu Greg. "Was ist ein Zirkusaffe? Irgendwas von der Erde?" Er warf Red einen schnellen Blick zu und antwortete mit leichtem Lächeln: "Ein niedliches, kleines Tier, das Kunststücke vorführt und damit Leute unterhält." Mexur lachte auf. "Hey, sehr passend!"
Für X-Rag schien die Sache eindeutig zu sein. "Gar nicht so dumm, dieser Leutnant! Prekrusverkauf bringt tatsächlich eine Menge Kristall, denn nicht viele in meiner Branche haben Möglichkeiten, so eine Fracht zu verschiffen - Adun schon. Er ist erfolgreich. Hat viele Schiffe gekapert. Gibt Gerüchte, dass auch moderne Riesenfrachter dabei sind.", überzeugt setzte er hinzu, "Adun hat sich geradezu überschlagen, diesen Auftrag klar zu machen. Wollte unbedingt seine ganze Flotte mitbringen, was zum Glück verboten worden ist.", X-Rag schien sich für einen Moment erinnern zu wollen und ergänzte langsam, "Sein Interesse flammte erst auf, als der Mittler Trinita genannt hatte. Dieser verdammte Tschorak!"
Auch Greg schien die Idee zu überzeugen. "Vierzig, unregistrierte Schiffe im Koalitionsgebiet zu landen, würde die Sucher der Sicherheit sofort anlocken. Der Ehrlose hätte keine Chance, so 'ne riesige Menge an heikler Ware zu verladen - zumindest nicht auf einen Schlag und ohne mächtigen Ärger zu riskieren."
Swon war jedoch nicht sicher. "Das Prekrus ist in den Höhlen frei zugänglich. Warum greift Adun die Station an? Wir hätten nie bemerkt, wenn er sich das Zeug geholt hätte." Auch in Mexila keimten Zweifel. "Ganz genau! Warum schottet er uns ab? Was versuchen die da unten? Wenn die das Prekrus wollen, ergibt das keinen Sinn!"
Die Diskussion lief eine Weile hin und her, führte aber zu keinem nennenswerten Ergebnis. Mexur ließ sich nicht stören, arbeitete verbissen an seinen Schirmen. Bald wandten sich Sirius und Greg wieder seinen Bemühungen zu. Erneut verlor Red sich in Gedanken.
'Adun Brachib will das Prekrus. Also mir erscheint das sinnvoll, aber andererseits... naja, am Ende ändert es nichts an unserer Situation. Wir wussten bereits, dass er nicht hinter uns her war. - Vielleicht geh ich jetzt besser in mein Quartier. Mich ausruhen, schlafen, bevor was richtiges passiert. Ein bisschen Durst und Hunger hab ich auch.'
"Hey Freunde, ich bin drin und die bekommen nichts mit." Red sah sich überrascht um. Mexur hatte gesprochen, ohne von seinen Anzeigen aufzuschauen. Erst jetzt bemerkte Red, dass Mexur keine Konsole, sondern eine Vdisk benutzte.
'Das ist aber ein modernes Ding. Bestimmt seine persönliche Disk. Er scheint Spaß zu haben, der kleine Rechnerfreak - allerdings, naja, wahrscheinlich genialer Freak.'
"Greg, Sirius! Ich brauche Primärkonsolen. Anders lassen sich die Kontrollen nicht umlegen." Die Techniker betrachteten sich erst gegenseitig und dann Mexur. "Com und System?"
"War das eine rhetorische Frage?"
Sirius grinste und öffnete einige der Tischholoschirme. Wortlos folgte Greg seinem Beispiel und stöhnte zwei Augenblicke später: "Hier gibt's nur Vierer-Sys! Verdammter Mist! Du hast aber viel Vertrauen, Xamaer!"
Mit ernstem Gesicht antwortete Mexur: "Vergesst nie, meine elternlosen Freunde, wenn ihr gescheit und ruhig agiert, werdet ihr von Bez oder Red adoptiert. Solltet ihr jedoch unfähig und nervig auftreten, wird Swon eure Mama - streng und unerbittlich!"
Eine Tasse flog quer durch den Raum. Mexur wich geschickt aus und meinte völlig unbeeindruckt: "Seht ihr, das war Mama Swon. Sehr gefährliche Frau!" Amüsiert beobachtete Red, wie Fries und Naro auf die verärgerte Swon einredeten.
"Ist dein Bruder immer so?", erkundigte sich Red bei Mexila, die neben ihr Platz genommen hatte. "Wieso? Gefällt dir das?" Mexila erntete einen erstaunten Blick.
'Gefällt mir das? Hm, interessante Frage...'
"Manchmal vielleicht.", antwortete Red zurückhaltend. Mexila lächelte. "Mein Bruder war immer vorlaut. Er glaubt, dass Frauen darauf stehen.", sanftmütig betrachtete sie den Mann, "Aber Mexur ist lieb. Meint es nicht böse, findet nur ab und an nicht den richtigen Ton." Red musste grinsen. "Vor allem bei dem Regier.", überlegt ergänzte sie, "Er ist direkt und ehrlich. Das mag ich.", dann kam Red eine andere Frage in den Sinn, "Was versucht er da überhaupt?"
"Mexur will die Abschottung umgehen, damit wir die Kontrolle über unsere Ebene erhalten. Vielleicht kann er auch herausfinden, was unten vorgeht." Ein fasziniertes Staunen ging in seine Richtung. "Wie macht der das? Durch die Abschottung sind wir komplett vom Zwischendeck abgeschnitten."
"Geplant hatte er mit seiner Vdisk über X-Rags Schiff in die Stationssysteme zu gehen.", Mexila lächelte, "Offensichtlich hat dieser Plan bisher funktioniert. Jetzt muss er Sys und Com umlegen, dann gehört die Steuerung uns." Red nickte schweigend.
'Aha, dazu brauchen sie Primärkonsolen. - Aber wie macht man aus einer Klasse Vier eine primäre Konsole? Die haben niemals genug Anschlüsse für alle Stationssysteme.'
"Com ist fertig!", verkündete Sirius ruhig. "Das ist schön, aber ich brauche beides. Wie weit bist du, Toms?"
"Nerv nicht!", meinte Greg, der halb in seinem Sessel lag, mürrisch. Mexur sah Sirius fragend an. "Wieso erhalte ich von Erdlingen auf diese simple Frage nie eine sinnvolle Antwort?"
"Wahrscheinlich aus dem gleichen Grund, aus dem Frauen andauernd Tassen nach dir werfen, mein Freund.", zuerst wollte Mexur was erwidern, doch unerwartet verfinsterte sich seine Miene, "Oh meine Heiligkeit, das ist nicht gut. Beeil dich, Toms! Die fangen an Systemdateien zu löschen."
"Welche? Warum?", fragte Sirius aufgeschreckt. Mexur zuckte mit den Schultern. "Keine Ahnung. Sind Sicherheitseinträge der Lebenserhaltung. Daran pfuscht keiner aus Spaß herum.", während seine Finger über die Schirme flitzen, erklärte er, "Ich kann ein bisschen tricksen, aber wenn ich mich zu sehr reinhänge, werden die merken, dass Besuch da ist. Sollten die mich rausschmeißen, bekomme ich nicht mehr so einfach Zugang." Inzwischen war Greg hochgerutscht. "Hilf mir, Sirius." Er schob dem Leganer zwei Schirme zu, der danach für einige Zeit die Arbeit verfolgte und schließlich verstehend meinte: "Aha, kapiert. Kreative, virtuelle Erweiterung. Sechs Anschlüsse noch?" Greg nickte stumm.
"Hey, quatscht nicht! Arbeitet! Irgendwann wird sogar diese Hohlköpfen auffallen, dass sie die ganze Zeit dasselbe löschen.", drängte Mexur und schaute danach zu Naro, "Wenn ich die Kontrollen umlege, registrieren die meine Anwesenheit auf jeden Fall. Sie verstehen wahrscheinlich nicht, was passiert, aber dass was passiert ist, werden sie wissen."
Naro wechselte einige Blicke mit Galia und Swon. Dann meinte er gelassen: "Wenn wir am Ende unsere Lebenserhaltung kontrollieren, spielt das keine Rolle." Swon nickte zustimmend. "Solange Adun die Systeme steuert, sind wir ihm ausgeliefert. Das gefällt mir überhaupt nicht."
"Fertig!", riefen die Techniker in dem Moment gleichzeitig. Mexur lächelte erleichtert. "Gut. Das Umstöpseln dauert nur ein paar ZEs. Mal sehen..."
'Diese Drei sind beeindruckend. Ein bisschen zumindest. Vor allem Mexur. - Find ich irgendwie - heiß. Naja, oder besser warm. Ach Quatsch, eher lauwarm. Ja, lauwarm reicht völlig.'
Lächelnd wandte sich Red wieder Mexila zu, die abwesend ihre Waffe anstarrte. "Was ist los? Bist du nervös?", fragte Red verwundert. Mexila nickte stumm. "Warum denn? Im Moment läuft doch alles gut. Alles ist ruhig."
Hilflose, violette Augen schauten auf. "Die Drei hatten ein Schiff vorbereitet. Für uns. Wir hätten damit fliehen können, stattdessen sitzen wir hier - in der Falle. Eingesperrt. Ausgeliefert.", nach einer kurzen Pause erklärte Mexila schwach, "Meistens geht es. Solange wir beschäftigt sind - nur manchmal - wenn ich denken kann, dann passiert es. Ich bekomme Panik.", Red hörte leises Schluchzen, "Wenn die mich fangen. Du sahst so furchtbar aus! Was sie dir angetan haben, ich wusste nicht... ich will das nicht. Will nicht das mir so etwas passiert! Ich kann das nicht, wenn die mich schlagen, vergewa..."
Schnell umarmte Red die zitternde Mexila, unterbrach sie. Ihre Stimme blieb leise, klang aber bestimmend. "Hör auf! Beruhige dich! Atme durch und denk an all die Sachen, die funktioniert haben! Konzentriere dich auf das Gute! Es gibt viel Gutes!", Red hörte tiefe Atemzüge, "Schau dir deinen Bruder an! Der macht immer noch doofe Witze und besorgt uns dabei die Lebenserhaltung. Da sind ein Croin Chuc und Drefserkörper in unserem Team, denen unsere Leben wichtig sind. Wir haben eine Horde Piraten auf unserer Seite. Das alles ist so verrückt - und du bist nicht alleine. Das ist auch was Gutes."
Red löste sich, musterte Mexila prüfend. "Die meisten Xamaer der Heimatwelten sind Pazifisten." Wie beinahe jedem Bewohner der Koalition und des Außerhalbs war Red diese Tatsache bekannt. Starr hingen Mexilas Augen an ihrer Waffe. "Ich benutze den Strahler nie. Ich bin keine gute Kämpferin.", mit gerunzelter Stirn blickte sie auf, "Obwohl... - Das ist falsch. Ich weiß gar nicht, ob ich gut oder schlecht bin. Ich habe nie kämpfen müssen, aber das ich schlecht bin, ist sehr wahrscheinlich."
"Das ist in Ordnung. Es kommt nicht darauf an, denn genug wissen, wie man kämpft.", erwiderte Red lächelnd, "Außerdem passt Fries bestimmt auf dich auf. Ohne seine Krankenschwester wäre er total aufgeschmissen."
"Ja, Fries, hm...", Mexila warf dem Arzt einen kritischen Blick zu, fuhr analytisch fort, "Er ist nicht gerade ein herausragender Kämpfer. Greg, Galia und Naro sind besser, denke ich. Wobei - Swon und du sind wahrscheinlich die sichersten Kandidaten. Die höchste Sicherheit ist garantiert, wenn...", der Ernst in den folgenden Worten irritierte den Leutnant, "Kann ich bei dir einziehen, Red? Wir schlafen in einem Bett, essen und duschen gemeinsam. Ich weiche dir nicht mehr von der Seite.", Red war sichtlich irritiert, doch Mexila ließ sich davon nicht stören, "Du bist vielleicht nicht ganz so erfahren wie Swon, aber Pazifisten gegenüber bist du ausgeglichener. Damit würde ich die höchstmögliche, persönliche Sicherheit erlangen." Bewegungslos starrte Red Mexila an.
'Ist das ihr Ernst? Sie will mit mir duschen? Ist sie verrückt geworden? Wie Laxira manchmal – durchgeknallte Xamaer...'
"Ähm, also...", begann Red überrumpelt, weshalb Mexila in Lachen ausbrach. Japsend rief sie: "Schau nicht so erschreckt. Wir müssen nicht sofort zusammen duschen. Für's Erste reicht es, wenn wir zusammen ins Bett gehen. In Ordnung?" Hilfesuchend schaute sich Red um und blickte in amüsierte Gesichter. Selbst X-Rag verfolgte die Szene heiter.
'Das ist nicht ihr Ernst, richtig? Sie verarscht mich. Ich meine, dass kann nicht ihr Ernst sein. Sie will doch nicht mit mir ins Bett gehen? Verrückte Frau! Verrückte Familie! Verrückte Xamaer!'
Mexila ließ sich nicht beirren und schaute Red erwartungsvoll an. "Bitte, Red! Bitte, Bitte!"
Nach einigen Sekunden lächelte Red schließlich. "Gut, Mexila. Wenn das gegen deine Panik hilft, teilen wir ab jetzt Bett und Dusche." Erleichtert lächelte Mexila. "Danke, Red. Danke sehr.", sie bekam feste Umarmung und ein Küsschen auf die Wange, "Nicht, dass ich sofort mir dir duschen möchte, aber - der Gedanke, dass ich im Zweifelsfall darf, fühlt sich gut an. Unglaublich beruhigend.",
Mexila atmete tief durch und rief für alle hörbar, "Ihr seid meine Zeugen. Bei Bedarf kann ich unter Reds Dusche und in ihr Bett – natürlich werde ich dabei ihre Privatsphäre achten.", die unschuldigen, violetten Augen schwenkten zum Leutnant, "Ganz fest versprochen?" Red starrte sprachlos zurück.
'Mexila wird mit jeder Sekunde verrückter! - Verrückter als Laxira auf jeden Fall - aber gut. Sie hat mir geholfen, jetzt helfe ich ihr - was soll's... '
Red setzte ein Lächeln auf. "Ist fest versprochen."
Zufrieden lehnte sich Mexila zurück, während Mexur bemerkte: "Seht ihr, Jungs, von Mex kann man einiges lernen. In 50 ZEs macht sie Bett und Dusche teilen mit Red klar. Soweit ward ihr noch nie", eine kurze Pause folgte, "Vielleicht probiere ich die Masche nachher bei Swon aus."

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Kapitel: 35
Sätze: 10.142
Wörter: 89.077
Zeichen: 544.620

Kurzbeschreibung

Kurz nach dem erfolgreichen Abschluss der Ausbildung zum Eliteoffizier erhält Leutnant Red Leight die erste Dienstzuweisung und wird dafür zu einem Einführungsseminar auf den Planeten Trinita geschickt. Dort stellt sie -zu ihrer Überraschung- fest, dass die anderen Teilnehmer des Seminars beinahe ausschließlich Zivilisten sind. Als ob dies nicht schon unangenehm genug ist, überschlagen sich die Ereignisse bald darauf - tödliche Gifte, nervenraubende Diskussionen, eine streitlustige Kriegerin, aufdringliche Techniker, geheime Waffen, Raumpiraten, Psiwesen, ein fürsorglicher Doktor und viele Rätsel stellen Reds Leben innerhalb weniger Tage auf den Kopf.