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Red Leights Freunde und Feinde - Außerhalb

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30.06.24 19:11
18 Ab 18 Jahren
Heterosexualität
In Arbeit

Obwohl die Welt dunkel und still blieb, wusste Red, dass das Schiff gelandet war. Sie kannte die Zeichen zu gut, hatte die Bewegungen und Vibrationen gespürt.
'Wo bin ich jetzt? L-Station? Bei der Internen Sicherheit auf Bresus? Irgendwann müssen die kommen und mich befragen. Ich verstehe sowieso nicht, warum sie so lange damit warten. - Vielleicht, um mich mürbe zu machen. Gut möglich.'
Die letzten fünf Tage hatte der elitäre Leutnant Red Leight in einer spartanischen Arrestzelle im Unterdeck des Flottenführschiffes, FFS, verbracht. Kein Wesen hatte sie in der Zeit zu Gesicht bekommen. Niemand hatte mit ihr gesprochen. Niemand hatte ihr Erklärungen gegeben. Nichts.
'Ob die anderen das Schiff bereits verlassen haben? Bestimmt. Ohne mich. Wahrscheinlich. - Wäre auch besser so. Ich will elitär sein und nicht an komischen Geheimmissionen teilnehmen - und ich will das, verdammt nochmal, endlich jemand mit mir redet. Alles wär besser als hier rumzuhängen!'
Red hatte sich beschäftigt, die Tage eingeteilt. Längere Zeiten alleine zu verbringen, hatte ihr die Ausbildung beigebracht. Der Zustand gefiel ihr nicht, aber sie kam damit klar. Trotzdem waren die Fragen geblieben, verfolgten Red bis in die Träume. Zurückliegende Ereignisse spielten sich immer wieder ab - die Unterhaltung des Kapitäns Bila Seli Clors, welches Red aufgeschnappt hatte - Drefser und Raumpiraten, die von Erwählten und Eingeweihten sprachen - der glitzernde CroinChuc - Comander Arogada Leads Anwesenheit und sein Verschwinden - die Erweckung ihrer Psikräfte, die sich seit der Verletzung nicht zurückgemeldet hatten - die neun Wesen, mit denen sie viel erlebt hatte - genau wie Adun Brachib und die Tiefebene. Angst, Hilflosigkeit, Unwissenheit und Gewalt kamen immer wieder zurück und mischten sich mit den Befürchtungen für ihre Zukunft. Die Einsamkeit ließ Theorien und Erklärungen wachsen und zusammenfallen.
Red fürchtete die Verhöre der Internen Sicherheit, doch würde sie sich stellen, würde kooperieren und danach in ihr Leben zurückkehren. Sie wollte zu Laxira, Cem, Tie, den Zwillingen und ihren Eltern. Sie vermisste Freunde und Familie mit jeder einsamen Stunde mehr. Die Gefährten von Trinita - so sehr Red sich ihnen auch verbunden fühlte - verloren dagegen an Bedeutung.
Der Leutnant mochte die Neun, vertrauten ihnen vielleicht sogar, doch mit ihnen arbeiten, wollte sie nicht mehr. Zu viel Chaos hatte es gegeben, zu viele unangenehme Erinnerungen waren damit verwoben. Außerdem glaubte Red fest daran, dass sie die Neun wiedersehen würde - ganz privat auf der L-Station oder auf Plocho. Einzeln oder in kleinen Gruppen würde Red sie treffen.
Mit Mexila und Bez wollte sie in einem Café oder einer Bar sitzen. Dabei gäbe es sicher viel zu lachen. Sie könnte auch Laxira oder Sunny mitnehmen. Einen von Bez' viel gerühmten Vorträgen wollte Red sich auf jeden Fall anhören.
Sirius wollte sie auf Algura oder Zilus besuchen. Ihre Mutter könnte sie begleiten. Die X-Station wäre der richtige Ort, um Mexur über den Weg zu laufen und sich dabei gleich die biegsame Ingenieurin Drig anzuschauen.
Naro wollte Red bei einer Friedensverhandlung erleben oder - und das war ihre verrückteste Vorstellung - würde der Quosoe Laxira und Red zu einem Essen mit seiner Schwester Bila Seli Clor einladen.
Swon könnte sie auf Krascji im Kreise ihrer Clanfrauen beobachten und hoffentlich ein paar Trainingseinheiten bekommen. Doktor Fries Bishop würde Red am meisten vermissen, aber vielleicht konnte sie ihn auch als Arzt behalten. Er hatte sich gut, um sie gekümmert. Ihm vertraute sie.
Bei Galia hatte Red dagegen größere Zweifel. Die Sache mit den Psikräften und den eigenartigen Ausbildungsregeln des Tekkaru-Bundes lagen ihr schwer im Magen. Deshalb musste ein Treffen mit der streitbaren Tempelpriesterin genau geplant werden. Ein neutraler, bevölkerter Ort und die Anwesenheit von Bez waren nach Reds Ansicht auf jeden Fall unverzichtbar.
Am häufigsten dachte Red allerdings an Greg Toms und es gab keine Frage, wo ihre Treffen stattfinden würde - in einem großen Bett. Red hatte sich vorgenommen, den Techniker solange und gründlich zu vernaschen, bis diese blöde Vernarrtheit aufgebraucht war. Danach würde sie einfach gelangweilt sein, wenn sie ihn wiedersah und könnte sich letztendlich vielversprechenderen Beziehungen widmen.
Jedes Mal, wenn Red eine dieser Vorstellungen in Gedanken durchgespielt hatte, blieb ein warmes glückliches Gefühl in ihrem Bauch zurück. Gemeinsam mit den Erinnerungen an Familie und Freunde sorgte das für die frohen Momente in der Trostlosigkeit.
Vor einigen Stunden war dann passiert, was Red die ganze Zeit erwartet hatte. Das FFS lag hinter hier. Die Art der Abreise hatte sie jedoch zutiefst erschreckt.
Wie üblich holte Red sich mittags nach der ersten Runde Sport einen kleinen Imbiss aus dem Nahrungsverteiler. Bereits nach dem ersten Bissen spürte Red, dass irgendwas nicht stimmte. Ihr Blick verschwamm und die Muskel wurden weich. Sie konnte nicht mehr sitzen, sich bald darauf nicht mehr bewegen.
Jemand betrat ihre Unterkunft, doch Red sah Niemanden. Ohren und Augen wurden verdeckt, ihr Körper transportiert. Nach einer Ewigkeit fühlte Red das startende Schiffe. Das Wissen, dass sie das FFS verlassen hatte, verstärkte ihre Angst. Sie war blind, taub, gelähmt - völlig hilflos und ausgeliefert. Panik flammte auf. Sie rief, doch niemand kam. Danach weinte sie nur noch leise - vor Wut und vor Angst.
Nach einer gefühlten Ewigkeit kroch Gefühl in die Gliedmaßen zurück. Red bewegte Finger und Zehen, bald Beine und Arme. Obwohl ihre Welt weiterhin dunkel und still war, legte sich die Panik. Angst blieb jedoch.
Irgendwann landete das Schiff. Jemand kam, gab ihr das Gehör wieder. Die Luke öffnete sich. Jemand schob sie vorwärts. Warnend bohrte sich die Mündung einer Waffe in ihren Rücken.
Die Hitze der Umgebung traf Red wie eine Wand. Sie spürte Sonne auf ihrer Haut - trocken, brennend. Augenblicklich sank die Temperatur ihrer Kleidung, wodurch die Umstände ein wenig erträglicher wurden. Beim ersten Schritt von der Rampe versanken ihre Stiefel im feinen Sand. Unwillkürlich schoss ihr ein Gedanke durch den Kopf.
'Sandstrand? Bin ich zu Hause?'
Sofort verwarf sie die Idee. Es war zu heiß, das Rauschen des Meeres fehlte und ein intergalaktisches Schiff war noch nie an ihrem Strand gelandet. Red hörte Schritte auf der Rampe hinter sich. "Wo bin ich? Bitte!", rief sie und wollte ihre Unruhe verstecken, "Wo bin ich? Sagt mir bitte, wo ich bin! Und was soll ich hier? Bitte!" Die Rampe schloss sich. Red kannte das Geräusch zu gut. Erneut stieg Panik auf.
'Die setzen mich aus! Nein! Scheiße! Nicht schon wieder!'
"Verdammt! Scheiße! Kommt zurück! Bitte! Was soll das?! Ich will zurück. Ich will Fragen beantworten! Sprecht mit mir! ... Bitte. Irgendwer." Der Schirm vor ihren Augen verschwand - einen Augenblick, bevor das Schiff startete. Die Sonne blendete so stark, dass sie nur unter Tränen und mit zusammengekniffenen Augen sah wie der graue kennzeichenlose Erdunionstransporter im Himmel verschwand. Verzweifelt schrie sie hinterher: "Nein, kommt zurück! Verdammt! Ihr könnt mich nicht alleine lassen! Bitte! Ich will zurück in den Dienst - normalen Dienst. Bitte." , mit jedem Wort war ihre Stimme leiser geworden, "Nicht schon wieder. Bitte. Nehmt mich mit. Bitte."
Lange Zeit starrte Red dem Schiff hinterher, bevor die graugrünen Augen schließlich die Umgebung erkundeten. Sie hatte geahnt, wohin man sie bringen würde. Als Sand und Hitze dazu kamen, wusste sie es, wollte es aber nicht wahrhaben. Widerwillig vollzog sie den letzten Schritt.
'Merag 5. Ich bin auf Merag 5. Das beschissne Merag 5. Im beschissenen Schlamassel auf dem beschiss'nen Merag 5. - Das ist nicht gut. Gar nicht gut.'
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Red stand inmitten von Schiffen - alten, teils schrottreifen Schiffen. Ein Landungsdeck oder transportable Dockanlagen fehlten jedoch.
'Was ist das? Sieht aus wie ein Schiffsfriedhof? Seltsam. - Irgendwo muss diese hypermoderne, super tolle Raumstation sein. In der Nähe bestimmt. Nur wo in der Nähe?'
Um sich einen Überblick zu verschaffen, erkletterte Red einen dunkelgrauen, ziemlich eckigen, quosoischen Frachter und entdeckte in nicht allzu großer Entfernung einige moderne flugfähige Schiffe und ein ungewöhnliches, flaches Gebäude. Dessen helle, mattschimmernden Ausläufer wuchsen wie die Zacken eines Sterns aus einer schwarzen Gesteinsformationen heraus. Gesteinsschmelze schien über das Gebäude geflossen zu sein und war in sanften Wellen erstarrt. Danach hatten Sandstürme alle verbliebenen Ecken und Kanten rund geschliffen. Der Anblick gefiel Red. Es wirkte harmonisch, schön.
'Wie ein schwarzes Meer auf weißem Stein. Schwarzer Stein auf weißem Kunststoff.'
Vor dem Eingangsportal, durch welches locker ein Koalitionsjäger gepasst hätte, lag ein befestigter und mit einem leichten Gewebe überdachter Platz. Dort standen Gleiter, Antigrav-Platformen sowie Unmengen an Transportkisten und Containern.
'Merag 5. Das ist es tatsächlich. - Also gut, Mädel! Ich werd hingehen, kündigen und nach Hause verschwinden. Bis jetzt hab ich nichts verbotenes gemacht. Aus Trinita können mir die Agenten keinen Strick drehen. das kann ich aufklären, aber das hier.... das sieht sehr verboten aus. Darauf lass ich mich nicht ein! Auf keinen Fall! - Reingehen, kündigen, verschwinden. Reingehen, kündigen, verschwinden. Reingehen, kündigen, verschwinden. - Der Plan ist einfach. Das krieg ich hin. Allerdings - ein Backup wäre nicht schlecht. Eine Notlösung. Falls, naja, im Fall der Fälle... - Ja, besser ist das.'
Schnell glitt ihr Blick über die Schiffe. Etliche moderne Transporter und Frachter standen in direkter Nähe der Station. Red ging davon aus, dass diese Schiffe gesichert waren, und entschied sich deshalb für einen schäbigen Fjurokreuzer aus einer Modellreihe, welche gut dreißig Jahre alt war.
Das Schiff parkte zwar in einiger Entfernung, war aber vom Eingang der Station direkt und ohne Hindernisse zu erreichen. Zu dem hatte Red die Nachfolgemodelle dieser Reihe bereits häufiger geflogen, kannte Flugeigenschaften und Bedienelemente gut.
'Fein, also dann...'
Sie nickte entschlossen und hielt in festem Schritt auf den Kreuzer zu.

Red lächelte zufrieden, als sie sich erneut dem Eingang näherte. Nach einigen Schritten auf dem befestigten Platz stoppte sie und begutachtete fasziniert die Überdachung. Die sengende Hitze war einer angenehmen Wärme gewichen, obwohl das Licht scheinbar ungehindert zum Boden gelangte.
Red sah den strahlend blauen Himmel und verspürte plötzlich das dringende Bedürfnis nach Urlaub. Sie wollte sich von der Sonne bescheinen lassen, Cocktails schlürfen, frisches Obst futtern und - Greg war auch hier. Nach dem Chaos auf Trinita und den fünf Tagen in dem engen Arrestquartier hatte sie sich ein bisschen Freizeit verdient. Einen Moment später schüttelte Red den Kopf, um den Gedanken zu vertreiben.
'Mach ich alles, wenn ich zu Hause bin - auf der Erde gibt's sogar Meer dazu. Ohne Meer wäre es nicht dasselbe. Genau! Völlig richtig, Red! Jetzt muss ich nur noch kündigen, damit ich schnell nach Hause komme. Die machen sich bestimmt schon alle Sorgen, weil ich mich solange nicht gemeldet habe.'
Zielstrebig setzte Red den Weg fort. Als sie vor dem Eingang angekommen war, blieb sie erneut stehen. Das riesige Tor war in unzählige, kleine Segmente unterteilt war, welche nur aus nächster Nähe auffielen. Red hatte eine solche Struktur bereits gesehen - auf MaraXor, der Heimatwelt von Laxira Peraxos.
Laxira war an der Akademie Reds beste Freundin geworden. Gemeinsam hatten sie in den letzten sieben Jahren einiges durchgestanden - Einsätze bestritten, um tote Freunde getrauert, Liebeskummer überstanden und viel Spaß gehabt - auch auf MaraXor.
Obwohl es mit ihren traditionellen Eltern und Geschwistern - welche Red allesamt ausgesprochen liebenswürdig fand - oft Auseinandersetzungen gab, war Laxira sehr stolz auf ihre Heimat und alle Errungenschaften des Xamarreiches. Daher bekam Red während ihrer kurzen Urlaube immer sehr viel zu sehen.
Vor zwei Zyklen, bei ihrem letzten Besuch in MaraXor, hatte sie die neuen Gebäude der xamarischen Lehrunion besucht. Bevor die Gebäude bezogen wurden, standen sie eine Zeitlang für Besucher offen, um die neuartigen Technologien und Architekturansätze vorzuführen. Alle Flächen dieser Gebäude hatten dieselbe kaum sichtbare Unterteilung besessen. Die neuartigen Nanopartikel, aus denen diese Wände bestanden, erkannten Personen oder Gegenstände und konnten sich bei Bedarf auf die benötigte Größe auseinander schieben. Türen wurden dadurch unnötig. Auch ließ sich allein durch Gedankenkraft die Anordnung der Wände verändern, sie konnten durchscheinend werden oder sich bei Gefahr verdichten. Sie widerstanden großer Hitze, Feuer, starken Erschütterungen, reißenden Wassermassen, längeren Überflutungen und dem Beschuss aller bekannten Waffengattungen.
Red wusste auch, dass dieses Technologie bisher ausschließlich im Xamarreich verwendet wurde. Die Lehrunion, welche alle Patentrechte hielt, verhandelte seit dem letzten Zyklus mit Unternehmen und Konzernen, um die Vermarktungs- und Lizenzbestimmungen festzulegen. Erfindungen ließ sich die Lehrunion immer sehr gut bezahlen.
Unweigerlich wurde Red an eCetecs, Multiwerfer 30-7 und Trinita erinner. In diese Sache tiefer reinzurutschen, würde unweigerlich zu Schwierigkeiten führen. Ihre Überzeugung wuchs. Sie wollte kein Spielball mehr sein, sie würde verschwinden. Langsam setzte Red einen Fuß vor den nächsten.
'Die Gebäude in MaraXor haben sich bloß geöffnet, wenn die Person registriert war. Mal sehen, ob ich Zugang... aahh - aua - was...'
Die Hände umfassten ihren Kopf, massierten die Schläfen. Der stechende Schmerz, der aus dem Nichts aufgetaucht war, ging gerade in dumpfes Dröhnen über. Red fluchte leise: "Verdammter Mist! Blöde Psikräfte!"
'Fries hatte recht. Die Kräfte kommen wieder. Scheiße! Scheiße! Das auch noch...'
In dem Moment war Red der Wand so nah gekommen, dass sich die Segmente wie von Zauberhand auseinander schoben. Ohne zu zögern, betrat sie das Innere der Station. Ihre Hand ging dabei unweigerlich zu der Stelle, an der normalerweise ihre Waffe steckte. Unbewaffnet fühlte sich Red ausgeliefert, auch wenn sie nicht erwartete, dass etwas schlimmes passieren würde.
'Niemand hier. Seltsam. Aber hübsch sieht es aus.'
Ihr Blick streifte durch den ovalen Raum, dessen Wände sanft leuchteten und dabei bedächtig die Farben änderten. Das Licht der gewölbten Decke war hell und freundlich, der dunklere Boden schimmerte umarfarben. Gegenüber dem Eingang, der sich mittlerweile wieder verschlossen hatte, führte ein breiter Gang tiefer in die Station.
Die Stille beunruhigte Red. Außerdem wurden ihre Kopfschmerzen mit jeder Sekunde stärker. Red glaubte im Hintergrund, wie durch eine dicke Barriere, Emotionen wahrzunehmen - fremd, düster und gefährlich. Da wallte Wut, grenzenlose Wut - und Sehnsucht. Losgelöst schienen die Emotionen für sich zu stehen. Körperlos.
'Jemand ist hier. Jemand, der furchtbar wütend ist - grausam... so viel Haß...so viel Haß...'
Auf die fremdartigen Eindrücke konzentriert starrte sie den Gang hinunter. Der Ursprung der Emotionen befand sich in dieser Station und war gleichzeitig weit weg. Red schüttelte den Kopf, sah zu Boden.
'Nein, verdammt, Mädel, hör auf damit! Reingehen - kündigen - verschwinden! Reingehen - kündigen - verschwinden! Lass dich nicht ablenken! Das geht dich nichts an, Leutnant Leight! Überhaupt nicht!'
In dem Augenblick hörte Red ein Geräusch. Alarmiert drehte sie sich um und sah eine Xamaer in grauer Lehrmeistertracht durch eine Öffnung in der Wand laufen. Die Öffnung blieb bestehen.
"Oh, Red! Da bist du endlich! Wir haben schon gewartet!", lange, schmale Arme legten sich um Reds Hals, "Geht es dir gut? Es geht dir gut? Sag was!" Red versuchte sich aus der Umarmung zu lösen. "Ja, es geht mir gut, Mexila. Wirklich. Hör auf, mich zu erdrücken!" Mexila lehnte sich zurück und betrachtete die menschliche Frau prüfend. "Ja, du siehst in Ordnung aus, aber - Fries sollte dich trotzdem untersuchen. Nachher. Um sicher zugehen. Du scheinst ein höheres Verletzungsrisiko als andere Wesen zu haben." Ungewollt schlich sich ein Grinsen ein. "Mir geht's echt gut, Mex. Ich brauch keine Untersuchung."
Mexilas schien nicht überzeugt, doch eine ruhige, dunkle Stimme meldete sich vorher. "Wolltest du den Leutnant nicht zu uns bringen, Mexila?"
Ein äußerst gut aussehender Quosoe war erschienen und wandte sich dem elitären Leutnant zu, "Willkommen, Red! Darf ich dich bitten, uns Gesellschaft zu leisten? Ich verspreche, dass wir die Besprechung kurz halten." Wieder musste Red lächeln, während Mexila sie mit sich zog und amüsiert meinte: "Siehst du, Naro, ich bringe sie mit - und sie scheint nicht verletzt zu sein. Erstaunlich." Er nickte. "Wahrlich erstaunlich."
Red verdrehte die Augen, doch gerade als sie antworten wollte, kam der stechende Schmerz zurück - viel stärker als zuvor. Red stöhnte auf, die Arme schützend um ihren Kopf gelegt. Die fremde Wut kochte hoch. Gewaltiger Hass, soviel Hass war in Reds Geist. Die Gefühle standen allein, waren grundlegend, drangen tief ein.
Red wehrte sich unbewusst, verstärkte die Blockade, wollte die bösartigen Emotionen aussperren. Ihre Umwelt wurde dadurch klarer. Ihr Kopf lehnte gegen Naros Brust. Sie hörte seine Worte. "Du spürst unser kleines Problem sicher bereits. Wir nehmen es alle wahr - aber Psiwesen natürlich wesentlich deutlicher."
'Die Ausbrüche ist nicht immer so stark - nur hin und wieder gibt es diese Spitzen. Wenn wir hier fertig sind, bringe ich dir eine einfache Technik bei, durch die es erträglicher wird.'
Red hatte die Gedanken sofort erkannt, doch sie sah vom Besprechungsraum nicht genug, um Bez zu entdecken.
'Schön, dass du hier bist.'
Der Leutnant nickte stumm, während sie Naro losließ. "Sollen wir anfangen oder willst du dich vorher ausruhen?", fragte er ein bisschen besorgt. "Nein, brauch keine Pause. Fangen wir an.", antwortete Red sofort. Noch bevor sie einen Schritt gehen konnte, kamen die Schmerzen wieder. Bohrend drangen sie ihren Körper. Red murrte leise.
Plötzlich herrschte überall Bewegung. Sie sah sich um.
"Was ist los?", hörte sie Naro einen vorüber eilenden Tekkarui fragen, der hellbraune Hosen und eine leuchtend rote Tunka trug, Der Mann reagierte nicht, doch Galia kam dazu. "Die Wächter brauchen Hilfe. Die Barriere fällt. Wir müssen den Kreis verstärken. Die Wesen reagieren viel stärker als bisher.", sie sah zu Red, "Schade, dass du uns nicht helfen kannst. Deine Kräfte brauchen noch einige Zeit, um sich zu erholen." Galia eilte dem Mann durch den breiten Gang hinterher.
Red streckte sich, ignorierte das Stechen und sah Bez mit Mexila und Fries sprechen. Gleich darauf kam die Mischlingsfrau zu Naro und Red. "Mit Galias und Arands direkter Anwesenheit sollte sie das schnell unter Kontrolle bekommen." Naro nickte verstehend und fragte: "Kannst du Red helfen - zumindest bis die Besprechung vorüber ist?"
Bez und Red schüttelten die Köpfe. "Gegen diese seltsamen Ströme helfen meine Techniken nicht.", erklärte Bez, „Red muss sich selbst schützen, aber das beizubringen, braucht ein..."
In dem Moment donnerte es im hinteren Bereichen der Station. Das Gebäude erzitterte.. Schrecken stand in allen Gesichtern.
"Beim ewigen Priester!" , fluchte Bez, "Ich muss helfen!" Schnell lief sie los. Swon erschien und rief hinterher: "Was ist da los?" Bez schrie zurück:"Die Dinger versuchen durchzubrechen! Die Felder halten nicht!"
"Aber ihr habt...", setzte Naro an.
"Für die Informationen, die wir hatten, schien es ausreichend zu sein", warf Mexur dazwischen, "Aber wir sind auch erst seit gestern hier.", der schmale lange Mann blickte Swon an, "Aktiviert besser die Zwischenbarrieren. Wie abgesprochen." Swon nickte stumm, sah kurz zu Red und rief Befehle in einer fremden Sprache . Mehrere Clankrieger erschienen und folgten Swon. Naro schloss sich ihr an.
Derweil umarmte Mexur Red und küsste ihre Wange. "Kaum bist du da, gibt es Stress, kleine Menschenfrau." Bevor Red reagieren konnte, hatte er bereits losgelassen und Sirius hatte den Arm um ihre Schulter gelegt. Dieses Mal bekam sie einen Nasenstupser. "Schön dich zu sehen." Und schon war er unterwegs.
Red blickte den Männern noch verwirrt hinterher, als sie erneut umarmt wurde. Red sah sich um. "Greg!", stieß sie überrascht aus. Ihr Herz machte einen Hüpfer. Er grinste breit, lehnte sich vor und küsste sie wenig freundschaftlich auf den Mund. Verdutzt ließ Red es geschehen. "Schön, sehr schön!", murmelte Greg.
Als er Red wieder küssen wollte, rief Mexur aus der Ferne: "Ey, Toms, beweg dich! Ihr habt nachher genug Zeit!"
"Zumindest, wenn unsere vornehme Hütte bis dahin noch steht!", ergänzte Sirius laut, während das Gebäude erneut erschüttert wurde. Greg nickte stumm, grinste aber immer noch. Red bekam einen schnellen Kuss und hörte sein Flüstern. "Bis nachher." Reglos sah Red zu, wie er Sirius und Mexur folgte. Fries trat näher.
"Im Moment können wir dort nicht helfen.", er musterte sie prüfend und setzte sanft fort, "Sollen wir ohne sie anfangen? Es ist wichtig, dass du..." Red fiel ihm ins Wort. "Ja, es ist wichtig. Lass uns anfangen!"
'Je weniger da sind, desto einfacher wird es für mich. Vor allem bei Greg...'
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Dann betrat Red mit Fries und Mexila den Besprechungsraum und schaute sich erstaunt um. Der in Pastelltönen gehaltene Raum hatte riesige Fenster und war von Sonnenlicht durchflutet. Draußen erstreckte sich ein blaugrüner Ozean mit einzelnen weißen Schaumkronen. Red wurde unweigerlich an Tekkaru erinnert.
Einen weiteren Moment brauchte sie um zu erkennen, dass es in diesem Raum keine einzige Ecken gab. Alles war rund und fließend. Es wirkte beruhigend.
An dem großen, ovalen Tisch saßen neben Fries und Mexila fünf weitere Personen - eine Streslar, ein Xamaer, eine Leganerin und zwei Menschliche, ein Mann und eine Frau.
Die Leganerin, die kaum größer als Bez war, erhob sich und lächelte freundlich. Ein feiner, aus goldenen Ketten gewobener Kopfschmuck verzierte den haarlosen Kopf und verlieh der Frau etwas erhabenes. Ihr lächelndes Gesicht wirkte offen und freundlich. "Willkommen auf Merag 5, Leutnant Leight. Am besten beginnen wir mit einer kurzen Vorstellu..."
Energisch fiel Red ihr ins Wort. "Nein! Ich will nicht wissen, wer sie sind! Ich will nicht wissen, was hier vorgeht! Ich werden nicht bleiben. Ich will zurück zu den Truppen, denn das hier bedeutet nichts als Ärger!"
Der Menschliche, dessen schmale violette Augen auf entfernte xamaerische Vorfahren hindeuteten, entgegnete ruhig: "Ich kann diesen Wunsch verstehen, doch geben Sie uns bitte die Möglichkeit, Sie umzustimmen." Fries pflichtete bei: "Ja, setz dich bitte, Red. Lass uns reden. Solch eine Entscheidung sollte man nicht übereilt treffen."
Der Leutnant schüttelte den Kopf. "Nein, ich hatte fünf sehr ruhige Tage, um ausgiebig darüber nachzudenken - und ich weiß sehr genau, was ich will..."
Mexila warf ein: "Hör uns wenigstens an. Bitte, Red. Das ist eine aufregende Sache. Das wird dir gefall..."
"Nein, Mexila, nein! Das hat nichts mit euch zu tun oder wie spannend dieser Auftrag ist oder - was auch immer... - Ich bin ein elitärer Offizier und ich gehöre nicht hierher. Ich will in die Koalition, ich will einen normalen Job und eine normale Karriere. Das hier bedeutet Ärger – für mich und für viele andere mehr - und deshalb gehe ich jetzt."
Red wandte sich ab, als eine strenge, kühle Stimme sie stoppte: "Sie haben keine Wahl, Leutnant Leight. Sie können nicht zurück zu den Truppen - nicht zurück in den Koalitionsraum."
Red verharrte. Ihre Gedanken rasten, denn sie hatte die Stimme erkannt. Dieser Mann hatte mit dem Kapitän des FFS, Bila Seli Clor, diskutiert. Das Gespräch, welches Red zufällig aufgeschnappt hatte, war ihr fünf Tage lang nicht aus dem Sinn gegangen, hatte sie bis in den Schlaf verfolgt.
Langsam drehte Red sich um, während die Leganerin Romika beschwichtigend meinte: "Deine Worte sind ein wenig extrem, Kipaxur. - Natürlich können wir Sie nicht zwingen, Leutnant - allerdings können wir versuchen, Sie zu überzeugen."
Die Streslar, welche durch ihre lange dunkle Robe als Priesterin erkennbar war, stimmte zu: "Romika hat völlig recht. Sie sollen nicht gezwungen werden, aber unsere Argumente - unsere Gründe sind einleuchtend und werden Sie auf unsere Seite ziehen. Auch Arogada Lead war der Ansicht, dass es Bedeutenderes als Pflichtgefühl gegenüber den Koalitionstruppen gibt - gegen die wir im übrigen nicht arbeiten. Die Gefahr ist grundlegender und gegen alle Lebewesen gerichtet."
Nun klang deutlicher Ärger aus Reds Stimme. "Das ist mir egal! Ich will davon nichts wissen!", sie fixierte den grauhaarigen Xamaer, der wie Mexila eine Lehrmeistertracht trug, "Und, Scheiße, ich kann sehr wohl zurück, wenn ich das will! Mit meinem Abschluss kann ich mir den Job wahrscheinlich aussuchen!"
"In diesem Punkt muss ich dir leider widersprechen, Red, denn Kipaxurs hat recht." Eine menschliche Frau, die neben dem Xamaer saß, hatte gesprochen. Sie hatte langes, blondes Haar und ein feingliedriges Gesicht mit stechend grünen Augen. Ihre Stimme klang sanft, aber bestimmt. "Du kannst nicht zurück - nicht ohne deines und unsere Leben zu gefährden.", sie blickte den grauhaarigen Xamaer an, "Schiebe die Erklärung nicht länger auf, Kipaxur. Sie muss es erfahren. Alle müssen es erfahren." Er nickte stumm, während er ein Holo an seiner Visiondisk öffnete.
Das räumliche Abbild einer jungen Frau erschien. Sie trug eine dunkelblaue Hose, ein schwarzes Shirt, dunkle Armbänder und schwarze Kampfstiefel. Eine Cet-10 steckte in ihrem Halfter. Das dunkelblonde Haar war zu einem Pferdeschwanz gebunden und die graugrünen Augen schauten jeden an, der das Holo betrachtete. "Was soll das?", murmelte Red, als eine neutrale Stimme die dazugehörige Botschaft vortrug:

‚Elitärer Leutnant Red Leight
menschlich, 25 Standardjahre
geboren auf der Erde.
Verurteilt wegen Hochverrats gegenüber den Koalitionstruppen, dem Koalitionsrat und der Koalition.
Belohnung bei Ergreifung richtet sich nach Zustand:
lebend - 200 klare 1-gosh Kristalle
tot - 100 klare 0,5-gosh Kristalle.
Lebender Zustand ist erwünscht.'

"Das ist ein Witz, oder?", stieß Fries erschrocken aus. Er starrte den Xamaer ungläubig an. Der verneinte. "Es lag nicht in unserer Macht, dies zu verhindern."

"Aber Red trägt keine Schuld und sie hat niemanden verraten! Wenn überhaupt, dann müsste Lead bestraft werden!", warf Mexila empört ein."Auch Comander Lead wurde verurteilt. Nach ihm wird aus demselben Grund gefahndet.", antwortete Kipaxur ruhig.

"Wieso das?", fragte die Streslar schockiert, "Arogada ist tot."Diesmal antwortete die blonde Frau: "Seine Leiche wurde nicht gefunden, hat Dschrib gesagt. Dementsprechend weiß die Koalition nicht, dass er auf Trinita gewesen ist. Niemand weiß. dass er tot ist."Die Streslar entgegnete aufgebracht: "Aber wir wissen, dass er umgebracht wurde. Der ehrlose Brachib-Krieger hat es Naro detailliert geschildert. Dieses Urteil ist eine Frechh..."

"Das ist völlig gleich! Lead ist tot, Red nicht!", ging Fries aufgebracht dazwischen, "Dagegen müssen wir etwas unternehmen! Sie hat neun Leute hier, die zu ihren Gunsten aussagen können!"Diesmal meldete sich der Menschenmann mit den violetten Augen: "Nein, Fries, das ist unmöglich. Die Sicherheit darf nicht erfahren, dass ihr auf Trinita gewesen seid. Sie dürfen euch nicht miteinander in Verbindung bringen. Dies würde eure Tarnung - die Mission gefährden. Die Folgen wären weitreichend und gefährlich für alle Beteiligten."

"Solange Red im Außerhalb ist - hier untertaucht, ist sie relativ sicher und mit der Zeit wird die Gefahr geringer.", meinte die blonde Frau ruhig.Romika schüttelte den Kopf. "Das ist Wahnsinn, Lea. Wie konnte das passieren? So schnell. Wann hatten der Rat Zeit für eine Verhandlung?"Bevor jemand antworten konnte, setzte Red tonlos an: "Die elitären Truppen haben eigene Regularien. Die Verurteilung eines Offiziers ist ein interner Prozess. Da mischt sich der Koalitionsrat nicht ein, die machen die Strafe nur rechtsgültig. Das ist ein bürokratischer Akt, fällt ins Tagesgeschäft. Und bei Hochverrat liegt die Verantwortung sowieso bei der Internen Sicherheit. Das ist noch spezieller."Red rührte sich nicht. Dann schaute sie auf. Ihr Gesicht war starr, der Blick leer. "Die Interne Sicherheit...", wiederholte sie langsam und ihre Stimme wurden ein Murmeln, "...die werden ... die gehen... wenn sie mich nicht finden, gehen die..."Red betrachtete ihr Abbild. Die nächsten Worte waren leise, aber überlegt - als ob sie jedes Wort erst selbst verstehen musste, bevor sie es aussprach. "...sie gehen zu meiner Familie, zu meinen Freunden. Sie werden jeden, der mich kennt, befragen - jeden bewachen - bis sie mich haben.", auf einmal kochte Wut hoch und sie schrie, "Hochverrat gibt ihnen die Macht, alles zu tun. Es gibt keine Beschränkungen. Die werden jeden, der mich kennt, terrorisieren, folt... ", Red brach ab, deutete auf das Holo, "Das bringt alle meine Freunde, Bekannten, meine gesamte Familie in Gefahr - und nichts wird mit der Zeit besser - nicht bei einer Verurteilung durch die Sicherheit!"

Genau mit Reds letztem Wort wurde die Station mehrfach erschüttert. Gleich darauf meldete sich Greg durchs Com: "Fries komm schnell. Drei Tekkarui sind bewusstlos. Bez ist auch verletzt.""Ich komme.", antwortete der Arzt steif, sah zu Mexila, "Hilfst du mir?" Die Xamaer nickte, ließ die erstarrte Red jedoch nicht aus den Augen. "Wir finden einen Weg, ihnen zu helfen.",sagte sie eindringlich, „Bestimmt, Red. Es gibt immer einen Weg.

"Der Leutnant regte sich nicht."Mex hat recht. Das lässt sich regeln. Irgendwie.", schob Fries nach. Wieder bebte das Gebäude und er drängte: "Wir müssen los, Mex!" Die Xamaer drückte Red schnell. "Ich kann es nicht fassen. Es tut mir so leid.", flüsterte sie und folgte Fries.Beim nächsten Beben musste sich Red am Tisch festhalten. Der Ozean hinter den Fenstern flackerte auf und verschwand. Die Flächen waren schwarz geworden.Alarmiert betätigte Kipaxur das Com. "Mexur? Was ist da los?" Stille antwortete ihm. Er sprang auf. "Ich gehe. Vielleicht kann ich helfen." Er griff seine Vdisk und verschwand.Red starrte weiter auf die Stelle, an der ihr Abbild gestanden hatte. "Ich muss an die frische Luft. Kurz.", meinte sie tonlos.

"Ja, frische Luft ist sicher gut.", meinte die Streslar Aoninoa und Romika ergänzte zuversichtlich: "Mexila hat recht. Es gibt bestimmt eine Möglichkeit, deiner Familie zu helfen." Red nickte und verließ schweigend den Raum."Wir sollten sie nicht alleine gehen lassen. Swons Beschreibung nach reagiert sie oft impulsiv.", meinte die blonde Lea nüchtern.

Der Menschliche zuckte mit den Schultern. "Was soll sie tun? Fliehen? Die Schiffe sind gesichert oder nicht flugbereit, Flugbarrieren sichern die Umlaufbahn und unabhängig davon - wohin sollte sie gehen? Das Kopfgeld ist enorm. Sie ist nirgendwo sicher.", meinte der Menschliche, "Gib ihr ein bisschen Zeit - und uns. Ich hab das auch noch nicht verdaut."

"Ein wahres Worte, Julius. Sehr wahr.", murmelte Romika und Aoninoa nickte stumm."Ich werde trotzdem nach ihr schauen.", verkündete Lea und erhob sich, "Und danach werde ich mit Swon reden. Diese Beben waren nie so heftig."

Red stand auf dem befestigten Platz vor dem Eingang. Es war warm und hell, doch an Urlaub dachte sie nicht mehr. Ihr Kopf schmerzte. Chaotische, bösartige Emotionen durchfluteten ihren Geist. Hass war allgegenwärtig, Entschlossenheit ebenfalls. Da waren Wut, Rache, Qual, eine Chance - Hoffnung. Hass. Red kämpfte jede Welle, die anrollte, in den Hintergrund zurück. Sie hatte ihre eigenen Probleme.
'Marek, Laxira, Trewer, Goreg und Sinan erwischen sie zuerst. Die waren an der Akademie, gehören zu uns - der Zugriff ist einfach. Auch Ben, GroGan, Tei'cuu und die Anderen sollten sie schnell festsetzen können. - Scheiße, und keinem von denen werden sie sich zurückhalten. Sie müssen nicht, denn die gehören alle zu den Truppen! - Dann kommt die L-Station dran. Dort schwirren immer genug Agenten rum. Ja, so wird es sein. Sie holen Cem, Tibe, Papa - Pars und Mesu...'
Panik kochte hoch, als Red sich Cems Kinder in einem Verhörraum der Agenten vorstellte. "Bist du in Ordnung?" Die Stimme riss Red aus den Gedanken. Lea, die blonde Menschliche, war aufgetaucht und betrachtete sie prüfend. Red nickte steif. "Kommst du mit zu Swon? Bestimmt brauchen sie Hilfe." Verwundert sah Red auf, der Frau direkt in die Augen. Ein verirrter Gedanke schoß ihr durch den Kopf.
'Sie hat Swons Augen. - Ihre Mutter?'
"Ich brauche noch ein paar ZEs. Das ist nicht leicht zu verdauen.", antwortete sie langsam. Lea nickte. "Ich verstehe, aber ... du bist nicht alleine, Red. Wir werden helfen. Das verspreche ich dir."
"Hm. Danke.", kam ein Murmeln zurück. Nach einigen stummen Momenten verschwand Lea schließlich in der Station. Reds Gedanken blieben düster.
'Helfen... auf diese Hilfe kann ich verzichten. Deswegen steck ich in der ganzen Scheiße! - Ich werde das selbst in Ordnung bringen. Erklärungen liefern. Immerhin war die Sache Leads Idee, nicht meine. Er hat mich nie gefragt, mich einfach nur herumgeschubst. Die ganze Zeit. - Das werde ich erklären und die werden mir zu hören, mir glauben. Doch - je länger ich hier bleibe, desto schwieriger wird es. Ich muss jetzt weg! Sofort! Ja, genau, hau ab, Mädel! Geh zurück nach Hause! Schnell!'
Damit setzte Red sich in Bewegung, sprintete auf den alten Fjurokreuzer zu. Kurz darauf startete das Schiff. Red passte die automatisch berechneten Flug- und Navigationsdaten an. So modern und geheim wie diese Station war, schien eine Raumabsicherung gegen ungewollten Besuch mehr als wahrscheinlich. Die meisten Flugbarrieren, bewaffnete Sicherheitssatelliten oder Raumminen ließen sich gut umgehen, wenn das Schiff noch in der Atmosphäre auf D-Antrieb wechselte. Obwohl dieses Flugmanöver schwierig war und Red bei diesem Mal nicht in ihrem vertrauten Jäger sitzen würde, sah sie kein ernstes Problem. Nach der zweiten Überprüfung der Sprungdaten startete Red den D-Antrieb. Während der Ladevorgang lief, verdunkelte sich der Himmel vor dem Frontschirm plötzlich.
'Hä, was ist das? Schwarzer Nebel? Rauch? Eine Wolke aus Kohle? Woher? Vielleicht von diesen Gesteinsschmelzen... soll es auf Merag5 geben... so eine Art Vulkanausbruch vielleicht? Das geht dann aber in beachtliche Höhen. Seltsam.'
So schnell wie der Nebel aufgetaucht war, verschwand er auch. Gleich darauf wurden alle Schirme schwarz, denn der Kreuzer war in den D-Raum gewechselt. In etwa einer Stunde würde Red den bevölkerungsreichsten Planeten im Außerhalb erreichen. Der Planet hieß Plocho und er gehörte Marelus.

Das moderne Schiff, das gerade auf dem Landungsdeck andockte, sah wie eine leicht gewölbte Scheibe aus. Die Hülle schimmerte je nach Lichteinfall blaugrau, silbern, rötlich oder golden.
Auf der Brücke aktivierte Mexur die Sicherheitsfelder, während Greg Scandaten auf dem Holoschirm betrachtete. "Kein alter Fjurokreuzer erfassbar.", meinte er hoffnungsvoll. Mexur wirkte unzufrieden. "Du weißt selber, dass wir nicht an alle Daten kommen, Toms. Der Hafen unterbindet detaillierte Scans."
"Weiß ich – trotzdem...", murmelte der Techniker. Die Tür öffnete sich. "Seid ihr soweit? Können wir raus.", drängte Swon. Sie trug Kampfstiefel, braune Lederhosen und eine dazu passende geschnürte Weste. Die langen, rotbraunen Locken waren zu dicken Flechten gebunden. Tattoos zierten Arme und Schultern.
"Wir müssen auf die Freigabe warten.", reagierte Mexur schroff.
"Wenn Red vor uns durch die Kontrollen geht, wird es sehr schwierig, sie wiederfinden!", entgegnete Swon. Mexur blaffte zurück: "Aber sie ist noch nicht durch die Kontrollen, denn..."
Grimmig fiel Swon ihm ins Wort. "Aber falls doch..."
Bevor Mexur reagieren konnte, antwortete Greg gereizt: "Hör damit auf, Swon! Der Kylrix hat einen Vierer-Antrieb, Reds Kreuzer hat einen zweier. Wir sind doppelt so schnell.", er schaute Swon direkt an, "Also sind wir trotz ihres Vorsprungs mindestens dreihundert ZEs vor ihr angekommen - und die Registrierung dauert bei jedem Besucher gleich lang." Swons grüne Augen wurden schmal. "Oh ja, Greg, das habe ich schon gehört. Allerdings habt ihr auch erzählt, dass niemand ohne Code durch die Absicherung von Merag kommen kann - weder von der einen noch der anderen Sei..." Mexur fiel ihr ins Wort: "Red ist aus der Atmosphäre in den D-Raum gewechselt. Wer rechnet mit so was?"
"Jeder, der Piloten der elitären Truppen kennt."
Mexur setzte zum Gegenschlag an, als Greg einschritt: "Lass es, Mexur! Ihr könnt streiten, wenn wir Red gefunden haben!"
In dem Moment erklang eine neutrale Stimme aus dem Com. "Kylrix 207UG312 - Xamarreich, registriert X-Station, Mexur Lerudaromxiros. - Freigegeben. Nicht eingeschränkt. Wir wünschen einen angenehmen Aufenthalt auf Plocho." Swon nickte zufrieden. "Dann los. Zu den Kontrollstellen. Da muss Red auf jeden Fall durch. Da erwischen wir sie...," Ihr Blick glitt zu Mexur, "...zumindest, falls sie noch nicht durch ist." Mexur murrte und blitzte sie böse an, während Swon bereits zum Ausgang lief. Greg und er folgten.
Vor der Rampe warteten zehn Krieger des Jen-Clans. Obwohl deren Kleidung einheitlich war - braunschwarze Hose und geschnürte Weste - wirkten sie durch Bewaffnung und Tattoos sehr verschieden. Auch die dunklen langen Locken trug jeder Krieger auf seine eigene Art.
Swon baute sich vor ihnen auf. "An den Kontrolleingängen verteilen wir uns. Erwischt ihr sie, reagiert schnell und vor allem - unauffällig. Lasst euch nicht auf Raufereien ein. Schaltet sie einfach aus." Ein besonders großer Mann mit verfilzten Zöpfen fragte: "Kann sie uns gefährlich werden?" Swon wiegte den Kopf. "Red kann keinen von uns im Kampf besiegen, aber... Schwierigkeiten machen, das kann sie auf jeden Fall - und daher geht ihr keine Risiken ein. Greift ruhig und schnell zu." Ein stummes Nicken kam zurück. Besorgt tauschten Mexur und Greg einen Blick aus. Dann folgten sie der Gruppe langsam.
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Plocho besitzt den größten zivilen Raumhafen im Außerhalb, den viertgrößten des gesamten, von C-Wesen bewohnten Gebietes. Teile der umfangreichen Dockanlagen befinden sich im Orbit des Planeten. Genauso wichtig ist der ebenfalls zwischen Oberfläche und orbitaler Raumstation aufgeteilte Handelshafen, welcher auch Großschiffen Andockplätze bietet.
Seit 2911 die Kristallkommerzialisierung von der Koalition durchgesetzt wurde, entwickelte sich die Kristalltechnologie rasant und ließ die Gier nach reinen Kristallen explodieren. Die Suche nach ergiebigen Minen trieb die Konzerne bald ins unerforschte Außerhalb, wo heute die größten, bekannten Kristallvorkommen ausgebeutet werden.
Davon profitierten vor allem die vorher von koalitionsmüden Aussiedlern, Abenteurern und skrupellosen Geschäftemachern bewohnten Siedlungen Plocho und Bega'shru. Aufgrund ihrer günstigen Lage und der stabilen, halbwegs geordneten Strukturen wurden diese Planeten innerhalb kurzer Zeit zu den wichtigsten Wirtschafts- und Handelszentren des Außerhalbs.
Außerdem wurde Plocho durch die Nähe zum Koalitionsgebiet, die hohen Sicherheitsstandards und das umfangreiche Vergnügungsangebot zum beliebten Reiseziel. Viele große Kreuzfahrtschiffe aus den Koalitionsgebieten steuern die Orbitalstation von Plocho an.
Neben den Raumhäfen in den gesicherten, zentralen Vierteln von Plocho gibt es in der Übergangszone und den äußeren Vierteln dieser riesigen Stadt noch zahllose mittlere und kleine Landeplätze.
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"250 ZEs sind um. Wo ist sie?", fragte Swon ungeduldig, während ihr Blick über die hunderte Wesen vor den Kontrollstationen glitt. Alles wirkte chaotisch, aber gleichzeitig geregelt. Sicherheitskräfte, Servicepersonal, blinkende Anzeigen und regelmäßige Durchsagen brachten Ordnung in den Strom ankommender und abreisender Wesen.
Swons Krieger sicherten die Kontrollstellen oder durchstreiften die Vorhalle, welche durch kleine Geschäfte, Bistros, Cafés, Bars und Restaurants recht unübersichtlich war. Greg, Mexur und Swon standen direkt vor dem breiten Hauptzugang des Ankunftsfeldes.
"Wir haben Zeit - 50 ZEs mindestens noch.", wiederholte Greg. Seine Augen hingen an dem breiten Strom, der unablässig vorbeizog. Mexur ergänzte überzeugt: "Red muss durch diese Passage. Es gibt keinen anderen Weg.", er sah zu Swon, "Wenn du oder deine Männer die Menschenfrau zum Bleiben überreden könnt, ist dieses Problem bereits gelöst."
Swon antwortete nicht. Sie betrachtete zuerst die Reihen vor den Kontrollen, dann die Bereiche, an denen Wesen und Gepäck überprüft, Zugangsrechte verteilt und Waffen abgenommen wurden. Am Ende wanderte ihr Blick immer in den Bereich des Hafens, welcher hinter den Kontrollen lag und der genauso belebt wie das Ankunftsfeld war.
"Mit Psiwesen wäre dieses Projekt wesentlich einfacher gewesen.", überlegte Mexur, während er eine Gruppe junger Fjuros in ungewöhnlich bunten Gewändern beobachtete. Greg zuckte mit den Schultern. "So instabil wie das Feld war, brauchen die jeden vor dem Portal. Diese Dinger sind uns fast entwischt." Mexur nickte. "Trotzdem schlech..."
In dem Moment fluchte Swon laut: "Bei allen Vulkanen! Da ist Red! Auf der anderen Seite!" Sofort gab die Dschjua Zeichen und lief los. Die Krieger folgten.
Mexur und Greg starrten Red, die sich in einiger Entfernung hinter den Kontrollstellen ihren Weg durch die Menge bahnte, ungläubig nach. "Das kann nicht sein. Wie ist sie an uns vorbei gekommen? Hat sie sich etwa durch den Eingeborenen-Sektor geschmuggelt?", murmelte Mexur. Greg schüttelte den Kopf. "Das ist Quatsch! Wie soll das klappen? Durch den DNA-Scan kann man sich nicht durchschmuggeln. Und sie wurde auf der Erde geboren, lebte dort, nicht auf Plocho. Stand doch in ihrer Akte."
"Ja, allerdings...", begann Mexur, aber Greg war bereits im Gewusel verschwunden. Der Xamaer suchte die Reihen ab und entdeckte Swon, die sich durch die Kontrollen drängen wollte. Das wurde von den Sicherheitskräften sehr schnell unterbunden. Auch die folgende Diskussion half nicht. Hier wurde jeder gleichbehandelt, jeder musste sich anstellen - was Swon und ihre Männer, mit jeweils einer schwer bewaffneten Wache neben sich, widerwillig befolgten.
Mexur blickte zu Red, die gerade ein Holo studierte. Danach schaute sie sich um, las Richtungsweiser und nickte schließlich. Sie schien ihren Weg gefunden zu haben. Mexurs Blick ging in die Richtung, welche der elitäre Leutnant einschlagen hatte, und er entdeckte, was er bis jetzt nicht hatte glauben wollen - eine unauffällige Meldestelle der Koalitionstruppen. "Oh nein, Red, mach das nicht.", flüsterte Mexur, "Diese Anklage ist dein Todesurteil. Das weißt du doch."
Als ob Red die Worte gehört hatte, stoppte sie auf einmal. Zuerst irritiert, bald darauf gezielt glitten ihre Augen zu Mexur, dann zu Swon und schließlich zu Greg, der hinter einer Energiebarriere ihrer Position am nächsten war. Er schien zu rufen, doch der Lärm der Halle verschluckte jedes Geräusch. Die beiden Menschen tauschten einen langen Blick aus. Für einige Momente wirkte Red unentschlossen, beinahe traurig. Schließlich senkten sich ihre Lider, ein Ruck ging durch ihren Körper. Red wandte sich ab und marschierte direkt auf die Wachen der Meldestelle zu.
Reglos beobachtete Mexur, wie zwei Militärs salutierten und der elitäre Leutnant sprach. Die Männer starrten sie daraufhin ungläubig an. Einer rief ein unsichtbares Holo ab, wirkte erstaunt und zog seine Waffe. Der Zweite reagierte eine ZE später genauso. Sofort ging Red auf die Knie und streckte ihre Hände in die Höhe. Zehn elitäre Offiziere stürmten aus dem Gebäude. Red wurde zu Boden gedrückt und kurz darauf in Gravfesseln abgeführt. Mexur verschränkte die Arme und schloss die Augen. "Zu spät.", murmelte er, "Wir sind zu spät gekommen."

Seit einer Ewigkeit saß Red in einem kleinen, kahlen Raum. Zweimal hatte sie das Schiff gewechselt und war insgesamt länger als einen Standardtag unterwegs gewesen. Red schätzte, dass sie sich inzwischen im Koalitionsraum befand - wahrscheinlich auf einem Schiff der Internen Sicherheit.
Wasser hatte sie bekommen, aber nichts zu essen. Weil kein Toilettengang erlaubt wurde, hatte sie schließlich in die Ecke gepinkelt. Zum Glück war der Raum selbstreinigend.
Überrascht war Red von der strikten Abschottung nicht. Hochverrat war das schwerste Urteil gegen einen Offizier der Koalitionsstreitkräfte und bedeutet für den Verurteilten beinahe immer die Todesstrafe. In diesen Fälle gingen die Agenten nie freundlich mit ihren Gefangenen um.
Red wusste dies nur zu gut und hatte versucht, sich darauf einzustellen. Ihre Gedanken kreisten um die bevorstehenden Verhöre – um alles, was sie sagen und was sie verschweigen wollte. Unzählige Male war sie die Details ihrer Geschichte und die Ereignisse auf Trinita durchgegangen. Sie hatte Lücken oder Schwächen gesucht. Nun glaubte sie eine schlüssige Version, die nah an der Wahrheit blieb, gefunden zu haben. Trotzdem wuchs die Furcht wuchs mit jeder ZE, die sie warten musste.
'Was sie wohl machen werden? Mir weh tun. Ja. Damit fangen sie immer an. Um den Willen zu brechen, um mich einzuschüchtern - aber... das wird schon gehen. Ich kann das aushalten. Ja.Kann ich, aber... die Psiwesen werden das Problem sein und die Drogen danach...Ich weiß nicht,ob ich das kann. Ich hoffe es.....diese Warterei ist Scheiße...Übe ich eben noch ein bisschen. Das lenkt ab.'
Seit der Gefangennahme arbeitete Red daran, ihre Blockade zu festigen. Auf Trinita hatte Bez erwähnt, dass sich die Techniken des Tekkaru-Bundes deutlich von denen der Telepathen der Sicherheit unterschieden.
Tekkarui konnten ihren Geist sehr dicht, gleichzeitig jedoch unauffällig abgeschotten. Damit konnten sie ihre Fähigkeiten und die Spuren fremder Eingriffe besser verschleiern – zumindest, wenn sie ein gewisses Level erreicht hatten. Damit konnten sie Agenten austricksen, meinte Bez. Diese Worte gaben Red Hoffnung, denn sie wollte die Neun nicht verraten. Und deswegen übte sie verbissen.
'Ich weiß, dass das schwierig wird, doch ich muss die Befrager eigentlich nur überzeugen - sie müssen die Drogen für unnötig halten. Ich bleibe mit der Geschichte sehr nah an der Wahrheit, lüge nicht - sondern verheimliche nur ein paar Details. - Am Ende war alles Comander Leads Schuld und ich hatte keine Ahnung. Ich konnte Trinita nicht verlassen, keinen Kontakt aufnehmen. Das ist die Wahrheit - und über den Rest weiß ich nix - habe nur Vermutungen - und Vermutungen nützen niemanden! Stimmt doch. - Ja, stimmt!'
Im tiefsten Inneren ahnte Red jedoch, dass diese Sache nicht gut ausgehen würde. Selbst, wenn sie die Psiwesen täuschen konnte, würden die Agenten kaum auf die Drogen verzichten. Diesem chemischen Cocktail zu widerstehen war quasi unmöglich. Sobald die richtigen Fragen gestellt wurden, ließ sich die Wahrheit kaum mehr verschleiern.
Red wusste das, aber trotzdem hoffte sie. Sie hatte Erfahrung mit Verhören und hatte von Leuten gehört, die widerstanden hatten. Sie kannte die Tricks der Agentan. Es gab eine Chance unbeschadet herauszukommen - für sich selbst und all die anderen - und sollte dies nicht der Fall sein...
'Am Ende spielt es keine Rolle. Die Neun können sich schützen und die Eingeweihten sind mir egal - die tragen genauso viel Schuld wie Comander Lead. Wichtig ist nur, dass meine Familie und Freunde keine Ärger bekommen - und das hab ich geschafft, denn die Interne Sicherheit hat mich und damit ist die Jagd zu Ende. Damit müssen sie niemanden anderen terrorisieren. Nur mich. Und das war wichtig - das wichtigste. Egal, was kommt – den anderen geht es dadurch gut.'
Dies war Reds feste Überzeugung. Es gab ihr das Gefühl, die richtige Entscheidung getroffen zu haben. Wieder konzentrierte sie sich auf ihr Blockade. Ihr Plan stand. Grübeleien halfen dabei nicht - genau wie darüber nachzudenken, was alles schief gehen konnte.
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Nach einigen weiteren Stunden öffnete sich die Tür zur Zelle. Damit hatte Red gerechnet. Doch mit der Person, die jetzt den Raum betrat, hatte sie kein bisschen gerechnet.
Zuerst blieb dem elitären Leutnant die Luft weg, ihr Herzschlag stockte. Eine Sekunde später durchflutete sie grenzenlose Erleichterung und Hoffnung.
Freudestrahlend wollte Red die große, schmale Frau mit dem schimmernden schwarzen Haar umarmen. Zwei Männer der Internen Sicherheit hielten sie auf. Trotzdem sprudelte Red einfach los: "Xira! Scheiße, was bin ich froh dich zu sehen! So froh... du glaubst nicht was mir passiert ist - aber es war nicht meine Schuld... ich hatte keine Ahnung... doch Lead, der verdammte...." Kalt unterbrach Laxira den Schwall: "Comander Arogada Lead? Sie wissen, wo sich der Comander befindet?"
Schlagartig war Reds Misstrauen geweckt. Die Gefühllosigkeit der Stimme, die ihr so vertraut war, hatte sie erschreckt. Der Gesichtsausdruck der Xamaer zeigte keine Spur Entspannung oder Freunde. Sie wirkte unerbittlich, kalt. Dazu kamen Gefühle, die Red verschwommen wahrnahm. Es war kaum mehr als ein emotionales Rauschen – undeutlich und schwer zu interpretieren.
Nur einige Regungen stachen etwas klarer heraus. Doch diese Regungen erschreckten Red mehr als alles andere. Da war Enttäuschung, Bitterkeit, ein quälender Schmerz - und da war Hass. Soviel Hass.
Red verstand es nicht, schwieg einige Momente irritiert und betrachtete Laxira genauer. Die Abzeichen fielen ihr ins Auge. "Du bist bei den Agenten gelandet - und schon Comander?", überrascht fragte sie, "Wie hast du das in nicht mal einem Zyklus hingekriegt? Hast du dir neue Freunde gesucht?"
Laxira war erstarrt und sofort wusste Red, dass ihre letzten Worte ein Fehler gewesen waren. Schmerz und Hass kochten hoch. Erschrocken wich Red einen Schritt zurück. "Ich bin nur erstaunt, Xira! Du weißt selbst, dass es ungewöhnlich ist. Und wir haben doch immer darüber geredet. Vor einem Zyklus erst. Erinnerst du dich? ", meinte Red besänftigend.
Laxira packte Red und zischte drohend: "Neue Freunde, Red?! Ich soll mir neue Freunde gesucht haben? Spar dir die Heuchelei! Hier geht es schon lange nicht mehr um Freundschaft! Du hast die Koalition verraten! Du hast alle deine Freunde belogen und verraten! Du hast an Niemanden außer an dich gedacht! Niemand außer dir war wichtig!" Laxira kam ganz nah. Red spürte ihren Atem auf der Haut. „Aber jetzt wirst du bezahlen! Und es wird sich alles nur um dich drehen! Nur um dich! So wie du es magst! Nur du und sonst zählt nichts! Und dabei wirst du bezahlen - für deine Freunde bezahlen!"
Laxira stieß Red weg. Red starrte stumm zurück.
‚So viel Hass ist in ihr. So viel. Hass auf mich. - Warum hasst sie mich? Warum hört sie mir nicht zu?'
Red konnte es nicht fassen. Ihre Xira würde niemals so sprechen, so fühlen. Ihre Laxira würde nie so reagieren. Ihre Laxira würde zuhören und erst urteilen, wenn sie alle Fakten kannte. Ihre Laxira konnte emotional sein, aber traf am Ende immer kluge, vernünftige und logische Entscheidungen. Immer.
"Ich hab dich nicht verraten, Xira. Ich habe niemanden verraten.", begann Red schwach, "Ich hatte keine Ahn..."
Unbarmherzig fiel Laxira ihr ins Wort und ihre. "Sparen Sie sich die Unschuldsbeteuerungen für die Befragung, Leutnant Leight! Hier interessiert das niemanden!", sie wandte sich ab und fuhr im Befehlston fort, "Bringt die Verräterin in Verhörraum sieben! Ruft das Team!"
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Red kauerte in der Ecke. Blut tropfte aus tiefen Schnitten, Brandwunden bedeckten die Arme. Das Gesicht war dick geschwollen. Überall waren Blutergüsse und getrocknetes Blut zu sehen. Ihr Körper schmerzte - Rücken, Rippen, Bauch, Unterleib.
Die Drei, die sich gerade erneut vor ihr aufbauten, hatten kaum eine Stelle ausgelassen. Der weibliche, elitäre Major bombardierte den Leutnant mit Fragen. Gefielen ihr die Antworten nicht, ergaben sich Ungereimtheiten oder Lücken, griffen die männlichen Comander ein.
Schläge, Tritte, Verrenkungen und ein Multiwerkzeug sollten die Wahrheit ans Licht bringen, doch Red blieb bei ihrer Geschichte. Sie konzentrierte sich auf die Fakten, schrie die Antworten heraus, wenn sie die Schmerzen kaum mehr ertragen konnte. Greg war in ihrem Kopf und Mexila.... Mexila würde solche Verhöre niemals überstehen. Red wollte sie schützen und kämpfte.
"Namen! Wir wollen die Namen der Zivilisten!", wiederholte der Major erneut. Der breitschultrige Comander, ein Dschju, trat Red mit voller Wuchte in den Bauch. Vergeblich versuchte sie sich zu schützen, stöhnte auf und keuchte: "Ich kenne keine Namen. Die hassten Elitäre, hassten mich.", sie spuckte Blut und murmelte, "Und ich weiß waru..."
Weitere Tritte folgte. Das Multiwerkzeug ritzte quer über Brust und Oberarm. Ein lautes Stöhnen war zu hören. Tränen rollten über Reds Wangen.
'Wann hören die endlich auf. So lang hat es noch nie gedauert. Noch nie...Ich kann nicht mehr...'
Der zweite Mann, ein grünhäutiger, kompakter Fjuro, hatte das Multiwerkzeug weggesteckt und riss Red an einem Arm auf die Beine. Sie konnte nicht stehen. Ihr linker Unterschenkel war in einem unnatürlichen Winkel nach außen verdreht. Als sie dabei war Balance auf dem anderen Bein zu finden, trat der Dschju gegen ihr heiles Knie. Red hörte es knacken. Der Schmerz war mörderisch. Sie schrie gellend, knallte zu Boden.
"Sie wollen, dass wir glauben, dass Sie nach über 30 Standardtagen eingepfercht in einer winzigen Station keinen einzigen Namen erfahren haben? Nicht einen einzige Hinweis auf die Identität dieser Zivilisten, Leutnant Leight?"
Der Fjuro packte Reds Haar und riss den Kopf zurück. Sie wimmerte: "Die dachten, ich wäre Schuld. Die haben mich gehasst.", sie wurde immer leiser, „Mehr weiß ich nicht - nichts mehr." Einige Sekunden blieb es still. Dass zwang sich Red aufzuschaue - der stämmigen Frau mit den kurzen, weißen Haaren und der tiefdunklen Haut direkt in die Augen, "Ich hab keine Namen und meine Vermutungen kennen Sie, - Major. - Bitte. Ich weiß nicht mehr. Bit..."
Erneut schnellte die Faust des Dschjus vor. Reds Kopf knallte gegen die Wand. Blut füllte ihren Mund, lief in ihr rechtes Auge. Schwindel kam, ihr Blick verschwamm.
'Ich schaff das nicht...schaff das nicht länger... kann nicht mehr. - Du musst aber durchhalten, Red, noch ein bisschen durchhalten...ich will Ruhe...'
In dem Moment öffnete sich die Tür. Die hochgewachsene Frau mit dem schimmernden, schwarzen Haar und den violetten Augen trat ein. Laxira sah kurz zu Red und wandte sich dann an den Major. "Der Erkundungstrupp ist auf dem Weg nach Trinita. Ankunft voraussichtlich in 2,5 kZEs. Und ich habe die Angaben des Leutnant soweit möglich überprüft, Sir. "
"Was kam dabei heraus?", fragte der Major und ließ Red dabei für keine Sekunde aus den Augen. Laxira antwortete sachlich: "Einige Angaben konnte ich bestätigen, Sir. ZumBeispiel zwei undokumentierte Fährenflüge von der Akademie aus. Die Nutzungsbeantragung für die Station durch Comander Lead. Weitere Antworten wird der Erkundungstrupp liefern. Trotzdem..." Die Xamaer brach ab, sah zu Red. "Ja, Comander Peraxos? Fahren Sie fort!"
Laxira blickte zum Major. "Selbst wenn wir annehmen, dass Leutnant Leights Geschichte in den Grundzügen der Wahrheit entspricht, bleiben Fragen offen. Und vor allem fehlt ein Grund für dieses Komplott."
Der Major wirkte nachdenklich, nickte den Männer schließlich zu. "Setzt den Leutnant an den Tisch. Wir fangen nochmal von vorne an." Die Beiden reagierte sofort, zerrten die vor Schmerzen keuchende Menschliche zum Tisch in der Mitte des Raumes und drückten sie in einen der drei Stühle. Red war schwindlig und schlecht. Sie legte den Kopf auf der Tischplatte ab, schloss ihre Augen und versuchte, die Schmerzen zu verdrängen.
'Das kann nicht sein. Was mach ich hier bloß? Es war nicht meine Schuld. Nichts war meine Schuld.'
Der Major und Laxira setzten sich Red gegenüber. Die Männer standen hinter den Frauen. "Sie bleiben dabei, dass Comander Arogada Lead Sie auf dem Planeten Trinita gesandt hat, Leutnant Leight.", begann der Major sachlich. Red antwortete mit schwacher Stimme und ohne aufzuschauen: "Ich vermute es. Er gab mir die Zuweisung. Darin stand, dass ich zu einer Einführung nach Trinita sollte. Da standen Ort und Zeit der Verschiffung."
"Aber dies war nicht ihre Dienstzuweisung, denn laut der sollten sie sich nach ihrem Urlaub auf der Bajus zum Dienst melden - eben dem Schiff, auf dem Sie sich jetzt befinden." Red sah auf. "Davon wusste ich nichts."
"Weil Ihnen - ihre Meinung nach - ein gefälschte Dienstzuweisung durch Comander Arogada Lead ausgehändigt wurde?"
"Jaaa, genau das. - Woher sollte ich wissen, dass meine Zuweisung nicht echt war? Ich hatte doch noch nie eine gesehen und ich durfte mit niemandem darüber sprechen.", Red blickte Laxira an, "Und wir haben nie darüber gesprochen. Das weißt du genau, Xira!"
Die Xamaer verzog keine Miene, als sie antwortete: "Mit mir hast du nicht geredet, aber wer weiß..." Red fiel ihr verzweifelt ins Wort. "Mit wem sonst, wenn nicht mit dir? Mit wem hätte ich sonst darüber geredet? Scheiße, Xira, mit wem sonst? Sag's mir!"
Der Major warf kühl ein: "Mit ihren neuen Freunden, denen Sie angeblich erst auf Trinita begegnet sind." Red stöhnte auf. "Das sind keine Freunde und ich bin ihnen erst auf Trinita begegnet! Außer Comander Lead kannte ich keinen dort!" Jetzt fuhr Laxira dazwischen: "Und nach mehr als 30 Tagen hat sich das nicht geändert? Du hast keine einzigen Namen erfahren?" Red erwiderte stur: "Ich habe euch Namen gegeben."
Der Major nickte. "Ja, haben Sie tatsächlich.", die Frau blickte auf den Holoschirm der Tischkonsole, "Adun Brachib, ein heimatloser Clankrieger - X-Rag, ein Fjuro aus dem Außerhalb - Jekaty, eine kräftige Menschenfrau, vermutlich X-Rags Gefährtin - Wroh, eine Quosoin mit sechs Kindern - Brog, ein Streslar und so weiter. Bei allen handelt es sich um Raumpiraten, die am vierten Tag ihres Aufenthalts mit Teilen ihrer Flotte an der Koalitionsstation des Planeten Trinita gelandet sind. - Konnten Sie diese Angaben bestätigen, Comander Peraxos?"
Laxira nickte, während sie ein Holo ihrer Vdisk öffnete und vorzulesen begann: "Die entfernten Daten aus den Stationsspeichern konnten nicht vollständig wiederhergestellt werden. Die Löschung ist sehr geschickt und fachkundig erfolgt. Die Angaben des Leutnants werden jedoch durch Protokolleinträge gedeckt. Am vierten Tag ihres Aufenthalts sind 44 unregistrierte Schiffe auf Trinita gelandet. Fünf Tage vorher landete Comander Lead auf dem Planeten, vier Tage vorher - am selben Tag wie der Leutnant - weiter neun ebenfalls unregistrierte Schiffe." Der Major nickte. "Danke, Comander Peraxos. Was wissen Sie von diesen neun Personen, Leutnant Leight?"
Red starrte ihre Finger an. "Comander Lead hat mich empfangen, brachte mich in ein Quartier und befahl mir abzuwarten. Wann die anderen kamen, weiß ich nicht. Sie waren da, als ich rausgerufen wurde. Einer griff den Comander an. Ein Mensch. Ich hab ihn aufgehalten."
"Wie hieß er? Wer war er?", fuhr der Major dazwischen. Die Antwort kam schnell. "Er hat sich nicht vorgestellt - und es wurde sehr schnell klar, dass mir keiner von denen traute. Die hassten Elitäre. Alle auf diesem beschissnen Planeten hassten Elitäre!"
"Wie hat Comander Lead ihren Aufenthalt erklärt?" Red zuckte mit den Schultern. "Gar nichts hat er erklärt. Nur, dass es sich um etwas wichtiges handelt und dass dieses Seminar mich darauf vorbereiten wird."
"Wie sah diese Vorbereitung aus?" Red lehnte die schmerzenden Stirn gegen den aufgestützten Arm. "In den Unterlagen des Comanders stand Schießtraining, Wirtschafts- und Handelszeug, Nahkampf, ähm, was mit Psychologie, glaube ich. Es ähnelte dem Stundenplan der Akademie. Als das Training anfangen sollte, kamen die Piraten - X-Rag und der Brachib-Krieger waren die Anführer."
"Diese Personen wurden von Comander Lead freundlich empfangen?" Red nickte. "Zumindest soweit ich weiß. Die meiste Zeit musste ich auf seinen Befehl in meinem Quartier verbringen. Ich sollte mich mit dem Trainingsplan auseinandersetzen" Ein Räuspern erklang. "Ja, Comander Peraxos, wollen Sie etwas ergänzen?"
Die Xamaer begann sofort. "Dürfte ich der Verurteilten eine Frage stellen, Sir? - Eine Frage, zu den drei Tagen vor der Ankunft der 44 Schiffe." Die weißhaarige Frau stimmte wortlos zu. Laxira fixierte Red und setzte kühl fort: "Was haben Sie in den drei Tagen vor der Ankunft dieser - Piraten wirklich getan? Die Geschichte, dass Sie sich die ganze Zeit mit den bevorstehenden Aufgaben befasst haben, ist eine Lüge. Mehr als 50 ZEs werden Sie an diese Aufgabe mit Sicherheit nicht verschwendet haben. Also was hast du gemacht? Hast du neue Freunde gefunden?"
Unweigerlich und trotz der Schmerzen schlich ein schnelles Grinsen über Reds Gesicht. Sie sah zu Laxira, suchte ihren Blick, aber es kam keine freundliche Reaktion zurück. Das Gesicht der Xamaer blieb regungslos, die Gefühle kalt. Red verstand es nicht.
'Was ist mit ihr nur los? Was ist passiert? - Vielleicht, wenn wir allein wären... - Ja, bestimmt könnte ich mit Xira...'
Der harte Schlag gegen den Kopf riss Red beinahe vom Stuhl. Sie stöhnte laut, ihr Blick verschwamm und sie sah wie der dschjuanische Comander wieder Position bezog.
"Ihre Antwort, Leutnant Leight!", donnerte der Major. Einige Momente kämpfte Red gegen Schmerz, Schwindel und Übelkeit. Dann meinte sie langsam: "Nein, ich hab mir das Zeug nicht sehr lange angeschaut. Das stimmt. War langweiliges Zeug. Doch mit neuen Freunden hat das nichts zu tun.", sie sah Laxira an, "Du kennst mich. Ich kann mich auch anders beschäftigten. Ich war laufen, hab trainiert. Hab Musik gehört - und war laufen. Klettern. Hab in der Sonne gelegen. Die Gegend war schön - Wald und Felsen. Immer gutes Wetter. Wann hatten wir das zum letzten Mal?"
Der Major setzte an: "In der ganzen Zeit - und so entspannt, wie Sie diese Sache betrachtet haben - sind Sie mit Niemandem ins Gespräch gekommen? Haben keinen der Anwesenden näher kennengelernt?" Red hielt den schmerzenden Kopf in beiden Händen und antwortete schwach: "Nein, ich habe keinen kennengelernt. Sie waren da. Ich hab sie gesehen. Eine Mischlingsfrau hat auch trainiert. Einige Männer haben auf dem Landungsdeck zusammen gesessen. Haben gespielt, nehme ich an. Eine Xamaer war auch dabei. Alle habe ich irgendwann irgendwo gesehen, aber wir haben nicht geredet. Ich hatte keine Lust dazu und die auch nicht. Die hassten Elitäre."
"Was wissen Sie über die beteiligten Psiwesen?" Ohne zu zögern, antwortete Red: "Drefser, CroinChuc kamen später, nachdem die Station durch den Raumtorpedo halb zerstört worden war - mit X-Rag zusammen. Adun Brachib hatte die Station mehrmals angegriffen - zuerst mit Schiffen, dann durch die Tiefebene und dann kam der Raumtorpedo. CroinChuc und Drefser sollten gegen die Brachibs helfen - haben aber eigentlich gar n..."
"Andere Psiwesen?", unterbrach der Major kühl. Der Leutnant nickte leicht. "Doch, ja. Eine Tekkarui."
"Vom Bund?" Reds Finger massierten die schmerzenden Schläfen. Die Lider hatte sie geschlossen. "Ich weiß nicht. Vielleicht. - Vielleicht, aber auch von der L-Station oder aus dem Außerhalb. Ich meine, die konnten mit der Koalition nichts anfangen. Solche Leute findet man sicher oft im Außerhalb, oder nicht?", sie setzte nach, „Aber das sind alles nur Vermutungen. Ich habe keine Ahnung, woher sie kam." Der Major betrachtete Red einige Sekunden abwägend und fragte dann: "Erzählen Sie nochmal, wie Comander Lead verschwunden ist?" Red erwiderte den Blick stur. "Er ist nicht verschwunden. Adun Brachib hat ihn erwischt und getötet."
"Waren Sie dabei?"
"Nein, aber es muss so sein. Die Leiche liegt bestimmt in irgendeiner Höhle auf diesem verfluchten Planeten!"
"Wie kam es dazu? Details, Leutnant!" Red stöhnte: "Wie oft denn noch!" Erneut traf die Faust ihren Kopf, doch bei diesem Mal gab sie keinen Laut von sich. Sie spuckte Blut auf den Boden und begann undeutlich zu erzählen: "Nach dem ersten Besuch verschwanden die Piraten wieder. Einen guten Tag später kam Adun mit der Hälfte der Schiffe zurück. Comander Lead empfing sie allein. Ob sie gestritten haben oder der Brachib-Krieger das von Anfang an geplant hat - keine Ahnung, aber er hat den Comander mitgenommen."
"Warum waren sie nicht in seiner Nähe, Leutnant Leight? Es gehört zu ihren Aufgabe ranghöheren Offizieren Rückendeckung zu geben."
"Ich war laufen. Der Comander hat mir befohlen, die Station zu verlassen. Wo die anderen waren, weiß ich nicht.
"Woher wussten sie dann, was mit Comander Lead passiert ist? Woher wussten Sie, dass er nicht freiwillig mit dem Heimatlosen gegangen ist?"
"Ich habe Protokolldateien ausgelesen. Daher hatte ich genug Informationen, um mir den Rest zusammenzureimen." Nun wandte sich Laxira an den Major: "Darf ich, Sir?", nach einem zustimmenden Nicken setzte die Xamaer fort, "Detaillierte Informationen zu den Vorgängen bekamen Sie nur, wenn sämtliche Protokolleinträge analysiert worden sind. Das ist auf solch einer veralteten Station mit erheblichem Aufwand verbunden. Dies allein zu bewerkstelligen, würde Tage dauern." Reds Augen wurden schmal. "Ich hatte nichts besseres zu tun."
"Und Ihre Mitstreiter?"
"Das waren keine Mitstreiter. Für die war der Comander für den Ärger verantwortlich. Sie wollten nur vom Planeten runter und waren froh, als der Comander verschwunden war - allerdings fehlte ein Schiff mit funktionsfähigem Antrieb. Und außerdem funktionierte kein Intercom.", Red sah zum Major und ergänzte, "Comander Lead hatte sämtliche Waffen in seiner Unterkunft gelassen. Nichts fehlte. Verbündet oder nicht - welcher elitäre Offizier lässt seine Waffen zurück, wenn er es mit Raumpiraten zu tun hat! Die haben ihn mitgenommen und bestimmt umgebracht. Comander Lead war kaum als Sklave zu verkaufen und Adun Brachib war kein Typ, der sich mit unnützem Ballast abgegeben hat!"
Für einige Sekunden herrschte Ruhe bis Laxira sich räusperte. Der Major sah zu ihr. "Sie müssen nicht jedes Mal um Erlaubnis bitten, wenn Sie eine Fragen stellen wollen, Comander Peraxos! Schließen übernehmen Sie die Verantwortung für diesen Fall, wenn ich nach Bresus zurückkehre!" Laxira nickte steif. "Ja, Sir."
'Xira übernimmt die Verantwortung? Das ist gut, richtig? - Ja, ist es. Auf jeden Fall Ich brauche ein bisschen Zeit allein mit ihr, dann können wir reden - normal reden. - Ja, das ist gut. Sehr gut.'
Red freute sich über die Neuigkeit, ließ aber nichts nach Außen dringen. Laxira setzte erneut an: "Warum hatte kein Schiff einen funktionsfähigen Antrieb?"
"Das weiß ich nicht. Ich weiß nur, dass es keinen funktionsfähigen D-Antrieb gab. Die Anderen wussten es auch. Denn ich hab gehört wie drei der Männer darüber sprachen. Die schienen Ahnung zu haben. Waren bestimmt Schiffstechniker oder Ingenieure oder etwas ähnliches."
"Welcher Spezies gehörten diese drei an?", fuhr Laxira unbeirrt fort. Red hielt kurz inne.
'Wahrheit oder Lüge - ähm, Wahrheit ist besser, denke ich...'
"Mensch, Leganer, Xamaer.", antwortete sie und hängte schnell an, "Ich hab mich nicht besonders für die Schiffe interessiert. Ich dachte, solange Comander Lead da ist, halte ich mich an ihn."
"Aber Sie dachten, dass er umgebracht wurde."
"In dem Moment noch nicht. Ich meine, im Nachhinein scheint es klar, aber zu der Zeit – Adun Brachib fing an die Station anzugreifen und ich verstand einfach nicht, was los war. Es war chaotisch. Und die Daten auszuwerten, hat lange gedauert. Dann hat der Scheißkerl mich in der Tiefebene festgesetzt..." Red brach ab, senkte den Blick. Laxira fuhr kühl fort: "Bevor der Torpedo den oberen Teil der Station zerstörte." Red antwortete mit geschlossenen Augen: "Ich habe die anderen in den oberen Leveln gewarnt, doch ich kam nicht mehr schnell genug raus und habe mich versteckt. Die Piraten liefen ins Treppenhaus. Dann schlug der Torpedo ein. Es gab ein Feuergefecht im Treppenhaus. Adun und seine Leute kamen zurück und er hat mich erwischt, strahlerbetäubt. Währenddessen war die Tiefebene abgeriegelt worden - was zeigt, wie sehr meine tollen Mitstreiter an mir gehangen haben. Schließlich, irgendwann Stunden später, müssen X-Rag und seine Leute erschienen sein. Drefser und CroinChuc auch. Dann haben sie Adun und seine Leute nach oben gelockt und angegriffen. Er ist geflohen, vermute ich." Der Major warf ein: "Eine Vermutung, weil sie die ganze Zeit bewusstlos waren. Niemand hat Ihnen diese Geschichte bestätigt."
"Ich hab Teile aufgeschnappt. War bei einigen der großen Treffen im Konferenzraum, aber der Brachib-Krieger hatte mich ziemlich übel zugerichtet und ich habe viel Zeit im meinem Quartier verbracht. Die Situation schien soweit sicher zu sein und den Planeten verlassen konnte immer noch keiner."
Laxira setzte fort: "Aber wieso hat dieser Adun Brachib die Station angegriffen?" Red zuckte mit den Schultern. "Weiß nicht genau. Irgendwas soll er vor Jahrzehnten in den Höhlen versteckt haben - etwas Flüssiges, dass in einem ICG verschifft werden sollte. Container und Pumpen hab ich später gesehen. Dieser Xamaer vermutete, dass Materieprojektionen den Weg versperrten. Comander Lead soll die Wände in dem angrenzenden Höhlensystem gesetzt haben, um unsere Flucht zu verhindern - das meinten die anderen zumindest und X-Rag fand die Idee auch gut.", sie rieb ihre Stirn und sah den Major an, "Aber das sind meine Spekulationen. Ich kannte ein paar Fakten, aber so richtig erklärt, hat mir das keiner."
Für einige Sekunden erwiderte der Major Reds Blick. Dann erhob sie sich. "Es reicht mir. Sie bleibt bei ihrer Geschichte - damit bleiben auch die Lücken, aber nach der Vorbereitung haben wir sicher mehr Erfolg.", der Major sah zu den Männern, "Bringen Sie den Leutnant in die Zelle. Der Arzt soll sie bis morgen in einen vernünftigen Zustand bringen, damit die beiden Irren keinen Grund zur Beschwerde finden. Danach stellen Sie die Männer für Tag 3 und 4 zusammen. Standard-Vorgehensweise. Verstanden?" Der Dschju und der Fjuro salutierten. "Ja, Sir."
Die beiden Männer packten Red, die weder stehen noch laufen konnte. Der Major wandte sich an Laxira. "Ich unterstütze Ihre Ansicht, Comander Peraxos. Hinter dieser Geschichte steckt vermutlich mehr als sie erzählt, aber der Widerstand lässt sich brechen. Setzten Sie die Ermittlungen fort und behalten Sie auch die anderen Gesuchten im Kopf! Wir brauchen Antworten, Fakten, Hinweise! In vier Tagen erwarte ich einen Bericht, der mehr..."
Die Tür zum Verhörraum schloss sich. Die Männer zerrten Red durch mehrere Flure. Sie keuchte, stöhnte vor Schmerzen. Schließlich wurde sie unsanft auf eine Pritsche gelegt. Die Männer verschwanden. Red bewegte sich nicht, wollte sich von den Schmerzen ablenken. Sie war erschöpft, wollte aber nicht einschlafen. Ihr Blick schweifte durch den Raum.
'Nicht die gleiche Zelle. Hier gibt's ein Waschbecken und Klo. Immerhin. - Was meinte die Frau bloß mit Vorbereitung - weitere Verhöre durch zwei Irre? Seltsam. Mehr Schmerzen. Ja, sehr wahrscheinlich, doch solange Laxira hier ist, wird es nicht zu schlimm - auch wenn sie böse auf mich ist. Xira war niemals grausam. Das ist nicht ihre Art -und ab jetzt hat sie die Leitung. Das ist gut. In den vier Tagen kann ich bestimmt mit ihr reden. Nur sie und ich. Wir beide. Das wird helfen. Ja, ganz sicher. Also mach dir keine Gedanken, Mädel! Das wird schon.'
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Ein elitärer Arzt erschien kurz darauf. Das dunkle, faltenfreie Haut des Streslars täuschte nicht darüber hinweg, dass er sehr alt war - deutlich älter als Comander Lead es gewesen war. Sein leicht gebückter Gang und die für Streslar ungewöhnlich schmale Statur deuteten auf viele Lebensjahre hin.
Ohne ein Wort zu verlieren, scannte er ihren Körper und verabreichte Regenerationspräperate.
Sofort bemerkte Red die Nebenwirkungen der starken Medikamente. Ihr wurde heiß und schwindelig. Der Blick verschwamm und die Übelkeit kam so schnell, dass Red es kaum zur Toilette schaffte.
Reglos beobachtete der Arzt, wie sie mühsam über den Boden rutsche und meinte letztlich: "Damit die Heilung morgen früh abschlossen ist, müssen die REGs hochdosiert sein. Starke Nebenwirkungen sind dabei nicht zu umgehen." Sein Ton war nicht unfreundlich, jedoch distanziert. Er drehte sich weg und meinte im Gehen: "Was immer morgen geschehen wird, Leutnant Leight, vergessen Sie nie, dass ich da bin. Ich werde in den nächsten Tagen immer da sein.", er sah zurück und wiederholte eindringlich, "Sie werden nie alleine sein! Versuchen Sie dies nicht zu vergessen!" Die Tür schloss sich und Red, die am Klo lehnte, starrte ihm verwirrt nach.
Noch einige Mal musste sich Red übergeben. Irgendwann kroch sie erschöpft auf die Liege und fiel in einen tiefen, traumlosen Schlaf bis Bewegungen, Berührungen sie zurückholten.
Zuerst verstand Red nichts, wollte nicht aufwachen. Die Medikamente vernebelten ihr Bewusstsein. Ihr Körper fühlte sich schwer und taub an, doch die Berührungen waren grob. Jemand zerrte an ihrem Shirt, kurz darauf an der Hose. Plötzlich - wie eine schriller Alarm - kamen Emotionen dazu - verschlingende Gier, bösartiger Spaß - und Geilheit. Reds Sinne wurden schlagartig geweckt.
'Da sitzt jemand neben mir! Will mich ausziehen!'
Red blinzelte, sah die Uniform eines elitäre Comanders. Der bulliger Mensch war mit dem Verschluss ihrer Hose beschäftigt. Widerstand regte sich, verdrängte die Schwäche.
Mit voller Wucht stieß Red hoch. Ihr Kopf prallte gegen seinen. Faust und Ellenbogen folgten. Als er geschockt und mit blutender Stirn von der Liege rutschte, trat ihr Bein nach. Erneut wurde sein Kopf getroffen. Er stöhnte auf, kam aber zum Stehen. "Du dämliche Fotze, was soll der Mist!", schimpfte er mit rauer Stimme und setzte ein fieses Grinsen auf, als er sah wie Red mit viel Mühe aufstand. Sie schwankte, aber Wut und Ekel halfen ihr.
"Was der Mist soll, ist wohl eher meine Frage!", knurrte Red.
"Hat Prigorius dich nicht ausreichend vollgepumpt? Normalerweise kann sich keiner bewegen, wenn er da war." Blut rann aus der Platzwunde an seinem Kopf. Er ignorierte es und setzte bösartig fort:, "Wir werden trotzdem unseren Spaß haben. Du bist zu schwach..."
"Denkst du!", warf Red kalt ein und offenbarte keine Schwäche mehr. Konzentriert wartete sie auf seinen Angriff. Als er vorstieß, registrierte sie zufrieden, dass er langsam war. Red konnte ohne Mühe ausweichen. Die Kraft fehlte nicht, doch er wirkte ungelenk und steif.
'Hast lange nicht mehr trainiert. Lange nicht mehr gekämpft...- aber ich schon, du Arschloch!'
Nach drei Schlägen nahm Red seinen ausgestreckten Arm in die Klammer, verdrehte ihn im Schultergelenk. Der Mann musste sich vorbeugen. Ihr Knie landete zeitgleich in seinem Unterleib, dann im Bauch. Er schrie auf, sackte zusammen. "Augenblicklich lassen Sie den Comander los!", in dem Moment brüllte jemand drohend, "Sofort, Leutnant Leight! Sofort!" Red sah sich um. Laxira stand in der Tür. Ihr Kleidung wirkte unordentlich. Das lange, schwarze Haar war offen und zerzaust.
'Hm, sieht aus, wie gerade aus dem Bett gefallen? Meine überordentliche Xira - vielleicht hat sie schlecht geschlafen, weil sie mich gefoltert hat. - Vielleicht...'
Red hatte den Griff bereits gelockert. Ihre gesamte Aufmerksamkeit lag bei der Xamaer als der Mann wieder angriff. Unvorbereitet traf Red ein schwerer Schlag in den Magen. Sie sackte nach vorn. Die Faust prallte hart gegen ihr Kinn. Red war benommen, der Blick verschwamm und ihr wurde übel. Taumelnd wich sie nach hinten aus, hob abwehrend die Arme und blockte dadurch eher zufällig den nächsten Schlag.
Da griff Laxira ein. Ihr Arm legte sich um den Hals des kleineren Mannes, riss ihn zurück und quetschte dabei seine Kehle. Er keuchte, röchelte. "Keiner hat Ihnen den Befehl gegeben, diese Zelle zu betreten und deshalb verschwinden Sie jetzt, Comander!", zischte Laxira gefährlich, "Diese Gefangene gehört mir!" Auf dem blutverschmierten Gesicht des Mannes zeigte sich ein böses Lächeln. "Willst du lieber an ihrer Stelle sein? Können wir einrichten - so wie..."
Dann geschah etwas, das Red noch nie gesehen hatte und niemals erwartet hätte. Laxira war außer sich. Laxira verlor die Kontrolle. Ihre Beherrschung, jedes bisschen Vernunft waren fort. Red spürte unbändigen Hass, grenzenlose Wut, Schmerz.
Fassungslos sah Red zu, wie Laxira mit dem Knauf ihrer Waffe auf den Kopf des Mannes einschlug. Wieder und wieder. Zuerst versuchte er sich zu wehren, aber ihr Griff blieb unbarmherzig und die Schläge gingen gezielt gegen Schläfen und Nasenbein. Bald stöhnte er nur noch. "Xira, hör auf! Er hat genug!", meinte Red zuerst schwach, dann energischer, "Du bringst ihn um! Das kannst du nicht machen!"
Schließlich packte Red die Hand mit der Waffe. In Rage sah Laxira auf. Der Blick erschreckte Red zutiefst.
'Was ist mit ihr? Sie ist völlig durchgeknallt!'
"Hör auf, Xira! Er hat gekriegt, was er verdient. Es ist genug." Die violetten Augen erwiderten ihren Blick einige Sekunden. Dann kam ein Zischen zurück: "Was weißt du, was er verdient!" Sie ließ den schlaffen Körper los und richtete sich auf. Ihre Stimme wechselte zum kühlen Befehlston. "Verschwinden Sie, Comander Mendez! Ich muss die Gefangene befragen." Der Mann stöhnte, während er sich auf die Füße kämpfte. "Du dämliches Miststück, das wirst du mir büßen! Was glaubst du, wer du bist, verfluchte, grünhäutige Hu.."
Laxiras entsicherter Strahler setzte sich gegen seine Schläfe. "Ich bin die Person, die diesen Verhören vorsteht. Sie werden verschwinden - oder sonst..." Wieder kehrte ein Wahnsinn in Laxiras Stimme zurück, der Red an ihrer Freundin völlig neu war. Der blanke Hass ließ sie erschaudern.
Reglos beobachtete Red wie die Mündung der Waffe in den Mund des Mannes wanderte. "Dein Tod wäre keine Verlust.", murmelte Laxira abwesend, "Kein Verlust. Leicht zu erklären. Niemand würde das interessieren.", ihr Blick wurde klar, die Worte deutlicher, "Vergiss das nicht! Vergiss das niemals, Mendez!", am Ende brüllte sie,"Und jetzt verschwinde endlich! Verschwinde!" Laxira trat den Mann mit ganzer Kraft. Er flog gegen die Tür, stöhnte schmerzerfüllt. Während er sich aufraffte und die Zelle verließ, fluchte er unverständlich. Kurz bevor die Türe schloss, rief er zurück. "Das wirst du büßen, du dämliche Fotze! Deine Position kann dich nicht retten! - Das andre Dreckstück krieg ich morgen sowieso!", er spuckte Blut und murmelte, "Morgen gehörst du mir, und übermorgen, und überübermorgen..." Er lachte bösartig, als die Tür schloss. Red war schockiert, verstand nichts.
'Warum kriegt der mich morgen? Sind die alle durchgeknallt? Das ist nicht normal - auch für die Sicherheit ist das nicht normal. Nein, auf keinen Fall normal. - aber wenigstens ist Xira jetzt da und wir können reden. das wird helfen.'
"Was - verflucht noch mal - ist hier los, Xira? Der Typ wollte mich ficken! Und was soll das heißen, er kriegt mich morgen sowieso? Das ist doch kein Standardvorgehen. Ich will Beschwerde einlegen!", rief Red erbost und ließ sich dabei auf der Pritsche nieder. Sie fühlte sich schwach und ihr Körper schmerzte. Der hoffnungsvolle Blick glitt von der geschlossenen Tür zur Xamaer, die mit dem Rücken zu ihr stand. "Sprich mit mir, Xira.", bat Red ruhig, "Ich versteh nämlich nichts - gar nichts."
"Du verstehst also nichts." Laxiras Stimme klang tonlos und kalt. Red wurde vorsichtig. "Die haben dich befragt, richtig?", spekulierte Red und nickte leicht, "Ja, das haben sie bestimmt. Die beginnen immer bei engen Freunden.", Red stöhnte auf; „Es tut mir leid, Laxira. Wirklich leid - aber ich wusste nicht, dass das keine echte Zuweisung war. Ich hatte keine Ahnung. Sonst hätte ich dir davon erzäh..."
In dem Moment drehte sich Laxira um und ihre Faust landete mit voller Wucht in Reds Gesicht. Die Menschliche stöhnte auf, sank zur Seite. Blut füllte ihren Mund. Violette Augen funkelten Red hasserfüllt an. Und sie schrie so grell, dass sich ihre Stimme überschlug. "Du hattest also keine Ahnung! Doch ich weiß, dass du lügst! Du lügst immer! Alle haben mich belogen! Immer! Mich allein gelassen - hier... doch du wirst bezahlen - für alles bezahlen. Es gibt keine Gnade..."
Laxira wandte sich ab. Die Worte wurden leiser. "Keine Gnade für uns. Es wird niemals aufhören. Niemals - bis du redest."
Wieder stürmte Laxira auf Red zu, schlug wie von Sinnen auf sie ein. Die rasende Wut schockierte Red immer noch.
Was ist nur los? Was ist mit ihr?... Laxira hasst mich. Sie hasst mich wirklich.'
Red blockte die Schläge und rief: "Es war nicht meine Schuld. Hör auf, Xira. Bitte! Hör endlich auf!" Laxira nahm die Worte nicht wahr und schrie einfach weiter:"Du wirst reden! Ihr werdet reden, denn ich will Erklärungen! Ich weiß genau, dass da mehr ist. Viel mehr! Ich will einen Grund! Einen Grund! Einen Grund!"
Schlagartig stoppte auch diese Attacke. Red schluckte Blut, atmete tief durch und murmelte schwach: "Ich kenne die Gründe nicht. Niemand hat mit mir geredet. Niemand gab mir eine Erklärung. - Und ich hab dich nie belogen, Xira. Niemals."
Laxira reagierte kaum, wanderte wie benommen zur Tür. "Du gibst mit einen Grund.", sagte sie abwesend, "Ich werde wissen, warum es passiert. In vier Tagen wirst du alles erzählen. Alles.", die Tür öffnete, "Dann bekomme ich die Wahrheit - einen Grund. Für alles. Dann ist es vorbei. Ja, vorbei." Die Tür schloss sich. "Was...?", fragte Red in die Stille, die zurückblieb, "Xira? Laxira? Ich habe dich nicht belogen. Bitte sprich mit mir."
Nichts passierte. Sie blieb allein. Red zog die Beine an, rollte sich zusammen. Sie verstand überhaupt nichts, aber all diese Andeutungen hatten ihr Angst eingejagt. Auch Laxiras seltsames Verhalten hatte sie zutiefst erschüttert. Diese Person eben hatte nichts mehr mit ihrer Freundin gemeinsam und Red wusste nicht, was sie dagegen unternehmen sollte. Sie saß hier fest und war allem, waskommend würde, hilflos ausgeliefert.
'Vielleicht wäre Merag besser gewesen. Vielleicht... - Nein! Meine Familie ist jetzt geschützt. Das war wichtiger - und der Rest wird schon... irgendwie... oh man, was ist nur mit Xira los? Und sonst - dieser komische Doktor will bei mir sein? Dieser abartige Typ kriegt mich sowieso? Zwei Irre?! Was soll der Scheiß? ... Ich will nicht hier sein. Ich will nach Hause. Ich will nicht mehr verprügelt werden. Ich kann nicht mehr... Vier Tage lang... Vier verdammte Tage... noch vier solcher Tage überstehe ich nicht... ich werd ein Wrack sein – oder tot.'
Warme Tränen rollten über ihre Wangen. Sie schluchzte, weinte leise - bis die Medikamente gewannen und sie in einen traumlosen Schlaf fiel.

Red befand sich seit einiger Zeit in einer weitläufigen, düsteren Halle mit eckigen, schwarzen Trägern, welche die Sicht auf den Raum einschränkten. Wände, Boden und Decke waren matt dunkelgrau. Wasser rann die Wände herab und bildete am Boden vereinzelte Pfützen. Licht gab es nur an einer Stelle - nicht weit von der einzigen Tür entfernt.
‚Wieso Wasser? Wo kommt das her?... Schiffe sind selbstreinigend. Eigenartig. Gefällt mir nicht... Nichts gefällt mir...'
Zwei Wachen hatten Red aus ihrer Zelle geholt und an diesen Ort gebracht. Kein Wort war gefallen, doch Red wusste, dass die Verhöre nun weitergehen würden. Sie versuchte zuversichtlich bleiben. Sie konnte es durchstehen, sie war stark genug, stärker als andere - sie konnte es schaffen und alles würde gut werden. Dieser Ort allerdings war nicht gut. Dieser Ort jagte Red Angst ein.
'Ein bisschen wie die Tiefebene auf Trinita - deswegen vielleicht...'
Die ganze Zeit - auch während Red die Halle durchstreift hatte - war ihr Blick bei der Tür geblieben. An der angrenzenden Wand hatte sie einen leichten Schimmer im dämmrigen Licht der Lampe wahrgenommen. Red kannte diese Wände. Jemand stand auf der anderen Seite und beobachtete sie.
'Deswegen bin ich so nervös. Sie lassen mich warten. - Nervös machen, Angst einjagen - genau was die wollen. Die dämlichen Psychospielchen der Agenten. Der blöde Scheißverein!'
Im Halbdunkel an einen Träger gelehnt starrte Red die Tür an und bemühte sich keine Panik aufkommen zu lassen. Wer immer hinter der Wand stand, sollte nicht glauben, dass diese dämliche Vorgehensweise bei ihr funktionierte.
Schließlich öffnete sich die Tür. Zwei Männer traten ein. Einer war breit und kräftig. Das schwarze Haar war verfilzt. Das kantige Gesicht mit der markanten Nase offenbarte keine Emotion. Die Augen lagen tief und düster in den Höhlen. Er war ein Dschju - voll tätowiert, in der dunkelbraunen Lederhose und der geschnürten Weste, welche die meisten Clankrieger trugen.
Der Zweite schien ebenfalls ein reiner Dschju zu sein, doch war er - ganz untypisch für diese Rasse - zwar größer als andere, dabei aber sehr schmal, schlacksig. Er trug einen fleckigen, grünen Overall, der sackartig an ihm herunterhing. Sein Kopf mit dem dunkelbraunen, strähnigen Locken und dem spitzen Kinn bewegte sich ständig, die dürren Arme zuckten seltsam. Er grinste Red voller Vorfreude an. Der Anblick der Männer entsprach den Emotionen, die bei Red ankamen - geschäftsmäßige Gleichgültigkeit und teuflische Heiterkeit.
Der Schmale hatte eine abgedecktes Antigrav-Tablett dabei. Der Breite stampfte nebenher. Sie stoppten unter der Lampe.
'Was sind das für seltsame Typen? Sollen die zur Sicherheit gehören? Eigenartig...'
Red rührte sich nicht. Der Schmale deutete in ihre Richtung. "Da drüben ist sie. Willst du sie holen?" Seine Stimme war - zu Reds Überraschung - angenehm weich. Der Breite schüttelte den Kopf und brummte: "Nein. Sie wird kommen. Sie hat keine Angst." Der Schmale zuckte mit den Schultern und kicherte, während der Breite fortfuhr. "Kommen Sie her, Leutnant Leight, wir wollen ihnen einen Vorschlag unterbreiten." Red runzelte die Stirn. An dieser Situation gefiel ihr überhaupt nichts.
'Vorschlag?! Jetzt? Hier? Aber ... hab ich eine Wahl? Was soll ich sonst tun? Pass bloß auf, Mädel! Das kann übel enden...'
Red trat ins Licht. "Was wollt ihr?"
"Zieh dich aus und es wird leichter.", brummte der Breite. Red erstarrte. "Wie bitte?!" Er wiederholte. "Ausziehen. Dann wird's leichter." Wäre die Situation nicht so angsteinflößend gewesen, hätte Red laut losgelacht. "Leicht ist es bei mir nie.", gab sie stur zurück.
Der Schmale näherte sich. Reds Augen folgten ihm, aber sie rührte sich nicht, wollte abwarten. Er wandte sich an den Breiten: "Nie wollen sie auf unser Angebot eingehen. Niemals - niemals. Wieso?" Der Breite zuckte mit den Schultern. "Nicht unser Problem. Wir sind fair."
Der Schmale nickte und schlich mit Abstand um Red herum, während der Breite die Abdeckung des Antigrav-Tablets entfernte. Red erstarrte. Dort lagen Sägen, Messer, Multiwerkzeuge, Haken, Mini-D-Ladungen und mehr.
'Was verdammt ist da...'
In dem Moment sah Red Bewegung hinter sich. Der Schmale war heran gesprungen. Ohne Nachzudenken wich sie aus. Etwas platschte an der Stelle, an der sie gestanden hatte, zu Boden. Red sah Schaum und es roch seltsam. Sie blickte den Schmalen alarmiert an. "Was soll der Mist?"
"Was soll der Mist?", äffte er sie spöttisch nach und kicherte.
"Sie muss fixiert werden.", brummte der Breite, "Ich will mit der Arbeit anfangen." Der Schmale nickte hektisch. "Ja, anfangen. Anfangen. Anfangen.", ein Kichern erklang und er rief laut, "Los, fixiert sie! Wir wollen anfangen." Zwei Männer, ein Major und ein Comander, erschienen. Reds Gedanken rasten.
'Fixieren klingt beschissen. Scheiße! Ich muss verschwinden, aber wie... - Verdammte Scheiße! Was mach ich bloss...'
Eilig glitt ihre Blick durch den Raum. Es gab nur diese eine Tür und selbst wenn sie rauskam, was sollte danach passieren. Sie befand sich auf einem Schiff der Internen Sicherheit.
'Das sind mindestens 150 Leute - alle gegen mich! Scheiße! Scheiße! Ich will weg. Ich muss weg. Jetzt. Vielleicht...'
Panik schwappte hoch. "Ich will mit Comander Peraxos sprechen! Sie ist die Verantwortliche. Ich will mit ihr sprechen!", verlangte Red verzweifelt. Die uniformierten Männer standen inzwischen vor ihr. "Sir heißt es, Leutnant. Wir sind ranghöher", meinte der Major grinsend, "Comander Peraxos ist beschäftigt." Der Comander packte Reds Arm. Sie wollte nicht aufgeben. "Wann hat sie Zeit? Ich will mit ihr reden. Ich will Beschwerde einreichen."
Der Schmale kicherte und die Uniformierten grinsten sich an. Red fuhr unbeeindruckt fort. "Befragungen dürfen nur von Internen durchgeführt werden. Die Beiden...", Red deutete auf die Dschjus, "...sollen verschwin..."
Die Schlag traf sie unvorbereitet. Die Faust des Majors war vorgeschossen, hatte sich in ihren Unterleib gerammt. Red ging stöhnend in die Knie. Schnelle Tritte in die Seite und ein Schlag gegen den Kopf folgten. Sie versuchte sich zu schützen, keuchte.
"Hochverräter haben nichts zu melden.", grunzte der Comander amüsiert. "Ihre Befragung, Leutnant Leight, wird erst in vier Tagen fortgesetzt - nach der Vorbereitung.", hängte der Major geschäftsmäßig an, "Laut der Richtlinien der Internen Sicherheit für Verhöre koalitionsfeindlicher Subjekte kann die Vorbereitung der Angeklagten auf Befragungen auch durch Externe erfolgen, denn dabei handelt es sich nur um das Vorspiel. Die Befragung erfolgt selbstverständlich durch Offiziere."
Während er sprach, packten die Männer Red an den Armen und schleiften sie zu einem simplen Metallgitter mit vier Antigravfesseln, welches die Dschjus inzwischen aufgestellt hatten. "Aber das Vorspiel lassen wir eigentlich immer weg, Sir.", warf der Comander grinsend ein.
Erst in dem Moment realisierte Red, dass sie an das Gitter gefesselt werden sollte. Die Panik kam zurück. Sie wehrte sich heftig, aber hatte keine Chance. Die Männer waren stark. Jeder Handgriff war Routine. Die erste Armfessel saß bereits und zog Red gegen das Gitter. Keine drei ZEs später war sie fixiert.
'Scheiße! Was wird das? Das kann doch nicht wahr sein...'
"Was soll der Mist?", schrie sie panisch, "Das ist doch kein Standardvorgehen." Der Schmale kicherte erneut und seine Stimme war nicht mehr angenehm. "Standardvorgehen. Standard. Vorgehen. Doch. Richtig. Standard. Vorgehen" Er hielt eine Flasche vor Reds Gesicht.
Der Comander stöhnte: "Ach, nicht das Zeug! Könnt ihr die nicht von außen heil lassen?! Prigorius schafft's nie die Narben zu beseitigen, bevor wir dran sind. Das ist widerlich.", er wandte sich an den Major, während der Schmale den zähflüssigen Inhalt der Flasche über Reds Kleidung verteilte, "Warum sind wir immer nach den perversen Irren dran? Vorher wäre es viel besser."
Derweil bemerkte Red einen widerlich beißenden Geruch. Danach spürte sie Hitze, welche zu einem tiefgehenden Brennen wurde. Als sich Kleidung und Haut verflüssigten, alles ineinander floss und zu einer Masse verschwamm, war ihr anfängliches Wimmern zu einem gellenden Schrei angewachsen. Der Schmerz raubte Red den Verstand.
Die Uniformierten schlenderten zur Tür - vorbei an dem Breiten, der mit einem spitzen Messer zur brüllenden Red ging. "Ach, das ist echt Scheiße! Die sah ganz gut aus. Aber wir kriegen von den Irren immer nur die Reste. Das ist nicht fair, Sir." Der Major zuckte mit den Schulter, bevor die Tür hinter ihnen schloss. "Das Leben ist nicht fair. So ist das eben."
Red blieb dort. Ihre Schreie sollten in den nächsten Tagen nur selten verstummen.

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Kapitel: 6
Sätze: 1.737
Wörter: 15.034
Zeichen: 90.712

Kurzbeschreibung

Leutnant Red Leight konnte Trinita verlassen und will unbedingt in ihr altes Leben zurückkehren. Allerdings weiß sie nicht, dass es dafür bereits zu spät ist. Das Unglück nimmt seinen Lauf. Doch nach dem Grauen gibt es Hoffnung. Red findet alte Freunde und überraschende Verbündete. Während sie im Außerhalb unterwegs ist, sind auch die Neun von Trinita nicht untätig.

Kategorisierung

Diese Story wird neben Action auch in den Genres Abenteuer, Science Fiction und gelistet.