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Gedankenwirbelsturm

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24.11.18 00:45
Fertiggestellt

Mit jedem Schritt wuchs sie. Erst bei der schmalen verblasst geteerten Strasse fühlte ich mich unbeobachtet. Das innere Gefühl des Platzens verschob sich langsam von der Brust zum Kopf und ein eiskalter Wind wehte mir entgegen. Nebelschwaden erhellten die Dunkelheit. Ich drehte mich um. Niemand. Ich war mir gar nicht sicher, ob man mich überhaupt sah, ich war fast so dunkel wie die Dunkelheit. Meine Finger konnte ich kaum beugen, so kalt waren sie. Dieser Abend, dachte ich. Ich hatte mich beschäftigt mit dem Beschäftigt-Sein. Kaum ein Satz hatte ich gesagt, kaum ein Wort. Ich hatte gelacht, ich hatte zugehört zu und ich hatte genickt. Dieser Abend, dachte ich. Sie hatten sich amüsiert und ich mich natürlich auch. Aus meinen Augen lösten sich vereinzelte Tropfen. Warm liefen sie über meine Wange und hinterliessen eine kalte Spur, die sofort austrocknete. Mein Kopf füllte sich mit wütenden Wörtern. So lief ich schneller und drehte mich nochmals kurz um. Ich sah schwach leuchtende Punkte. Ganz viele, die sich sinnvoll anzuordnen schienen. Einzig die Spitze des Kirchturms war genug hell, sodass ich sie als diese erkennen konnte. Ich lief weiter geradeaus und meine Beine wollten nicht mehr so schnell laufen. Lauter Tropfen lieferten sich ein Wettrennen meine Wange hinunter. Diese war schon ganz eingetrocknet von dem vielen Salzwasser und ich fuhr mit meinen gefühlslosen Finger drüber. Sie wollten nicht aufhören zu laufen und ich wusste gar nicht mehr von was ich noch weinte. In meinem Kopf wütete ein Gedankenwirbelsturm. Ich weinte schon vom Weinen. Ich weinte über die Lichter und über den grauen Wald. Ich weinte auch über den Hügel, den ich gerade hinauflief und wenn ich mich so gesehen hätte, hätte ich mir sogar ein wenig leidgetan. Ich kannte die Strasse und ich fühlte mich beim auf ihr Laufen ganz wohl. Es tat gut zu weinen und ich konnte gar nicht mehr aufhören. Ich kam an einer Häusergruppe vorbei und kurz wollte ich mir meinen Kopf an der Leitplanke aufzuschlagen, so gross war sie gewachsen. Glücklicherweise war ich noch ganz bei Trost. Ich dachte an die Menschen und ich dachte an die Blicke. Ich war nicht besonders müde heute Abend, nur dass es alle wissen. Ihr kennt mich doch. Ich stellte mir vor, wie ich später mit einer gebrochenen Nase hätte rumlaufen müssen und war sehr froh darüber, dass ich bei Trost geblieben bin. Ich leckte mir über die Lippen, doch diese Art von Befeuchtung liess sie nicht viel feuchter werden. Die Kälte drückte langsam durch meinen Mantel und ich erreichte die Bank auf dem Hügel. Ich war da. Zumindest war ich da. War ich überhaupt da? Ich muss doch erst weggehen, bevor ich da war. Ich trat in einen Kuhfladen. Ich sah runter auf das Dorf und verfolgte, wie sich die Lichtkegel eines Autos durchschlängelten. Der Anblick der vielen Lichter liessen mich nochmals weinen. Ich sass noch ein wenig da und liess die Tränen trocknen. Ich hoffte sehr, dass meine Augen sich noch vollständig entröteten. Noch bevor ich zur Tür hineingehe. Sie brannten und ich rieb sie mit meinem Ärmel. Tief einatmen und tief ausatmen.

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Sätze: 51
Wörter: 548
Zeichen: 3.088

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Diese Story wird neben Nachdenkliches auch in den Genres Alltag, Trauriges und gelistet.