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Lost My Love

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01.11.22 13:07
12 Ab 12 Jahren
Fertiggestellt

Der mittlerweile selbstverständliche Kontakt war einfach so abgebrochen. Nach vielen Monaten des hin und her Schreibens war es plötzlich still. Seine Nachrichten blieben unbeantwortet, seine Sorgen um sie wuchsen in der Ungewissheit ins Unermessliche. Die Qual wurde immer größer und unerträglicher. Hier stimmt etwas nicht! Er hielt es einfach nicht mehr aus. "Was ist da nur los?" fragte er sich. "Was ist passiert? Habe ich etwas falsches gesagt? Etwas falsches gemacht? War es ihr zu viel? Habe ich sie zu sehr bedrängt oder eingeengt? Warum hat sie mir nicht gesagt, dass sie mehr Zeit für sich braucht? Warum sagt sie nicht, dass sie Ruhe braucht? Kennt sie mich nach all der Zeit doch nicht? Kennt sie mich immer noch nicht?" drängte sich eine unbeantwortete Frage in seinen Gedanken an die Nächste.

Er hielt es nicht mehr aus und fing an zu recherchieren. Sie war nicht im Facebook, ihre kleine Firma nicht im Google zu finden, sie war wie ein Geist. Das machte es ihm unheimlich schwer sie zu finden. Er gab nicht auf, angetrieben von Sorgen, Ängsten, einer nicht enden wollenden Ungewissheit und vor allem seinem Herz folgend, kam er seinem Ziel langsam Näher.

Im Laufe der Zeit hatten sie genügend kleine Details übereinander ausgetauscht, die er sich gemerkt hatte. Im Nachhinein machten sie es ihm zwar nicht einfach, aber dennoch nicht unmöglich ihre Adresse ausfindig zu machen. Das kleine Städtchen, in dem sie wohnte, kannte er zumindest von Google Maps und hatte es sich unzählige Male angeschaut. Auf dem Satellitenbild war zu erkennen, dass es in ihrer Gegend viele Felder, Wälder, Feldwege und scheinbar abgelegene Plätze gab. "Hier könnte sie vielleicht am Waldrand oder in diesem Feld mit ihrem Hund spazieren gehen", malte er sich in seiner Phantasie aus. Seine Gedanken waren dabei immer bei ihr, in der Hoffnung, dass er sie dort wirklich einmal treffen würde. Ganz zufällig wäre er dann auch dort, der der er sonst 500km weit weg von ihr lebt.

Letzten Endes haben dann ein paar glückliche Zufälle dazu beigetragen, dass er sein Ziel erreicht hatte. Wie sich herausstellen sollte, war es jedoch eher perfide und makaber in so einer Situation von Glück zu sprechen, als das es die treffenden Worte waren.

Alles war so surreal. Sie hatten viel Kontakt zu einander, hatten viel miteinander geschrieben und gesprochen, aber eigentlich waren sie beide Fremde füreinander. Sie kannten sich nicht, trotzdem kannten sie sich. Sie kannten sich nicht, aber sie vertrauten sich. Er wusste Dinge von ihr, die nicht einmal ihr Mann oder Ihre besten Freundinnen von ihr wussten. Sie wusste Dinge von ihm, die nicht einmal seine Frau von ihm wusste. Die Chemie, die die beiden zueinander finden, halten und letzten Endes wachsen lies war unbeschreiblich. Sie konnten sich beide nicht wehren, es lief einfach viel zu gut von Anfang an, als hätte es immer schon so sein sollen, dass sie sich eines Tages treffen würden. Ohne das es jemals sichtbar war hat es zwischen den beiden gefunkt, ganz still und heimlich im Verborgenen. Das unsichtbare Band des verbunden Seins wurde über die Zeit immer stärker.

Wenn da nicht dieser riesige Konflikt in ihm gewesen wäre, der ihn immer wieder auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt hätte. Nicht nur ihn, er wusste ganz genau, dass es ihr nicht anders erging. Anfänglich hatte sie das natürlich verneint und sehr gut verstecken können. Mehr oder weniger gut, da auch er immer mehr spürte dass ihre Mauern immer mehr und mehr zu bröseln begonnen hatten. Er hatte vollstes Verständnis dafür. Sie wollte sich schützen, sich und ihre Familie. Was wäre sie für eine Frau, was wäre sie für eine Mutter, wenn sie das nicht für ihren Mann und ihre Familie tun würde?

Ihre Gespräche bauten von Anfang an auf Offenheit und Ehrlichkeit. In einem ihrer letzten Telefonate sprach sie einfach alles an. Keine Rücksicht auf mögliche Konsequenzen oder daraus folgende Probleme. Die einfache kurze Frage "was wäre wenn?!", die er zuvor ihr gestellt hatte. Sie griff sie erneut auf und fragte ebenso: "Was wäre wenn?! Natürlich frage ich mich das auch! Natürlich will ich wissen wie es ist dich in den Armen zu halten". Plötzlich konnte sie nicht anders. Sie machte keine Pause und redete mit zittriger Stimme weiter: "Ja, ich möchte bei dir sein. Ja, ich möchte dich küssen." Er konnte sie zwar nicht sehen, aber es war klar, dass ihr längst die Tränen die Wangen herunterliefen. "Ja, ich möchte am liebsten einfach auf alles scheißen und direkt losfahren", brach es aus ihr heraus. "Und ja, ich möchte morgens neben DIR aufwachen!" beendete sie den Satz. Schon damals hatte er Tränen in den Augen, als aus dem "es kann niemals sein" ein kleiner Hoffnungsschimmer wurde. Er war klein, aber er war da. "Ganz ehrlich, wirklich ernsthaft, sind wir beide denn komplett bescheuert?!" hatte sie ihn ganz direkt gefragt. Was anderes als "ja sind wir!" hätte er auch antworten können auf diese Frage? Auf ihre Frage "Ernsthaft, erklär mir: was tun wir hier?!" konnte er nur schweigen. Ihm war bewusst dass sie am Telefon seine Mimik niemals sehen oder wahrnehmen würde, trotzdem empfand er es als die einzig richtige Reaktion in diesem Moment. Verzweifelt presste er die Lippen aufeinander zu einem gezwungenen, schweren Lächeln und nickte um ihr recht zu geben.

Die Vergangenheit übte einen mächtigen Sog auf ihn aus. Doch das alles war nicht mehr in diesem Moment: Es war nur noch die Erinnerungen an die Vergangenheit. Alle Kraft hatte ihn verlassen wie noch nie zuvor. Die böse Vorahnung war nun die nicht revidierbare Realität direkt vor ihm.

Das schlimmste war, dass er nicht daran teilnehmen konnte wie jeder Andere. Er gehörte weder zur Familie, noch zu ihren Freunden. Er war ein Fremder, den keiner kannte, den sogar keiner kennen durfte. Es war eine schier unerträgliche Qual, es zerriss ihm das Herz. Er konnte nicht pünktlich bei ihr sein, nicht einmal jetzt. Schon wieder war er außen vor. Er kam zu spät. Aus dem Nichts kam ihm dann noch folgender Gedanke in den Kopf: "Wie schön wäre es gewesen, wenn er ihre Lippen tatsächlich auf seinen hätte spüren können". Ein persönlicher intimer Moment, der ihm für immer im Gedächtnis geblieben wäre. Als wäre die Qual nicht schon groß genug, warum gerade jetzt so ein Gedanke? Er verstand die Welt nicht mehr. Es war nicht zu ertragen. Zu allem Überfluss war da noch das schöne Bild von ihr, welches sie auch lange Zeit als Profilbild genutzt hatte. Ein scharfes Stechen traf ihn mitten im Herz. Gekrümmt saß er auf den Knien, die linke Hand im Gras um sich zu stützen, die rechte im Gesicht um die nicht endende Flut von Tränen vergeblich aus dem Gesicht zu wischen. Er konnte nicht aufhören den unerträglichen Schmerz aus sich heraus zu weinen. Es wollte nicht enden, es konnte nicht enden. Wie ein Bach, der niemals aufhören würde Wasser zu transportieren.

Er wollte es ihr unbedingt sagen. Sie sollte es von ihm selbst hören. Er wollte es aufheben bis zu ihrem nächsten Treffen und sehen wie sie darauf reagiert. Doch jetzt quälten ihn wieder die vielen Fragen, auf die er niemals eine Antwort erhalten würde. Hätte er es ihr früher sagen sollen? Gab es überhaupt einen richtigen Zeitpunkt?! In ihrem Herzen hatte sie es wahrscheinlich schon längst gespürt...

Es war das erste und letzte Mal, dass er es unter all seinen Tränen an ihrem Grab mit leiser, gebrochener Stimme zu ihr sagen konnte: "ich liebe dich".

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Kurzbeschreibung

Ein starkes Band der Liebe, welche nicht sein soll, verbindet über große Distanz. Doch plötzlich bricht der tägliche Kontakt ab und wirft viele Fragen auf.

Kategorisierung

Diese Story wird neben Drama auch im Genre Liebe gelistet.

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