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Sätze: | 66 | |
Wörter: | 780 | |
Zeichen: | 4.699 |
Nebel glitt sanft, wie Phantome und andere Gespenster, welche der Mensch annimmt wahrzunehmen in Momenten des Terrors, über den kalten, nassen Boden. Das Herrenhaus, welches hier stand, umgeben von kahlen Bäumen, deren Äste in den Himmel ragten, als versuchten sie, das Firmament zu berühren, war heruntergekommen.
Dicke Regentropfen prasselten gegen die alten, verstaubten Fenster. Das Herrenhaus war einst ein Palast von Schönheit, mit einem Garten gefüllt mit Blumen aller Art und einem Aussehen, welches Neid und Bewunderung zugleich in jedem auslöste, der es zu Gesicht bekam. Doch all dies war lang, lang her. Die prachtvollen Blüten waren verwelkt. Die alten Mauern ergaben sich langsam der Zeit und Natur. Die Steine waren rissig, überwuchert von Ranken und anderem Gestrüpp. Die Natur holte sich das ihre zurück. Das Heerenhaus mochte mal einen Namen gehabt haben, doch auch dieser verfiel dem fortmarsch der Zeit. Alles hier zeugte von der Vergänglichkeit und der Illusion von Perfektion.
Im Inneren dieses Hauses wohnte ein eher jüngerer Herr, um die 35 Jahre alt. Sein Name, sofern er sich selbst erinnern konnte, lautete Rodion. Wenn auch einst mit Lebensfreude erfüllt, so war auch diese wie die Blüten im Garten längst verwelkt. Seine Haut war leichenblass, als hätte er die Sonne seit Jahren nicht gefühlt. Seine dunklen Locken hingen matt und zerzaust über seinen Nacken bis zu seinen Schultern. Dunkelgrüne Augen zierten sein mageres Gesicht, umrahmt von dunklen Wimpern und schwarzen Augenringen. Er war gefühlt eingeschlossen in seinem dunklen Schlafzimmer – ein Gefangener in seinem eigenen Haus, Opfer seiner eigenen Gedanken.
In seinen Augen lag ein wilder Blick, gar obsessiv. Alle seine Gedanken richteten sich nur noch auf das Gemälde, welches ihm sagte, dass er es um seines Lebens willen fertigstellen musste. Es fühlte sich so an, als würde er seine Seele durch das Gemälde manifestieren Sein Körper sackte fast vor Erschöpfung zusammen, und er schwankte, als er den Pinsel weiterführte. Ein makaberes Gefühl von Aufregung erfasste ihn. Seine Augen brannten. Er war fast fertig. Als er den Pinsel ein letztes Mal in Farbe tränkte, donnerte es zur Begleitung. Sein Werk war vollbracht.
Ein Blitz erleuchtete das Zimmer und ließ seine Augen mit seiner Intensität tränen. Als sein wilder Blick sich fokussierte, betrachtete er das Bild. Es dauerte einen Moment, bevor sein Blick klar wurde. Er schrie laut auf und stolperte rückwärts. Panik hielt seine Brust in ihrem Griff. Sein Atem ging schwer und unregelmäßig, als würde seine Kehle schließen. Der Pinsel fiel aus seiner zittrigen, schlaff gewordenen Hand.
Das Bild, vom Blitz kurz erleuchtet, zeigte unmissverständlich, wie er seine Frau die Treppe hinunterschubste. Er stolperte durch den Raum und zündete eine Kerze an. Das war eine Illusion! Nichts weiter. Seine müden Augen hatten es falsch gesehen. Es konnte nicht real sein. Er war kein Mörderer. All dies war ein Phantom, ein Trugbild. Sein Geist gaukelte ihm etwas vor.
Er näherte sich dem Gemälde langsam, zaghaft, angsterfüllt. Er fürchtete sich vor dem, was er sehen könnte, und doch schauderte er mit Verlangen, zu betrachten, was er geschaffen hatte.
Ein gequälter Schrei entglitt seiner Kehle und bereitete ihm großen Schmerz, so lange hatte er seine Stimme nicht mehr benutzt. Das Gemälde zeigte immer noch, wie er – ein grausames, triumphierendes Lächeln auf dem Gesicht – seine Frau die Treppe hinunterstieß. Ihre lieblichen Augen, welche ihn in jedem dunklen Moment plagten, waren weit mit Furcht und der Realisation, ein stummer Schrei lag auf ihren Lippen. Ihr Gesicht brannte sich förmlich in sein Gehirn.
Die Kerze fiel auf den Boden mit einem dumpfen Knall. Das Feuer erlosch durch einen kalten Windzug, der durch ein zerbrochenes Fenster hereinwehte. Komplette Finsternis ergriff den Raum. Nur die schreckliche Schuld blieb. Der Mann sackte auf die Knie, riss sich an den Haaren, kratzte sich über das Schweißüberströmte Gesicht. Er öffnete und schloss die Augen in der Hoffnung, dies alles sei nur einer seiner nächtlichen Alpträume – doch nichts geschah. Seine Gedanken betrogen ihn. Keine Illusion war das Gemälde, sondern nur die nackte Wahrheit, vor der er die offenen Augen verschloss! Das dunkel des Raumes schien ihn zu erdrücken. Die Schatten schienen lebendig. Phantome. Stumme Ankläger. Schuld erdrückte ihn. Ein letzter, vergeblicher Blick auf das Gemälde: Die Illusion zerfiel, und besiegelte die Realität der Tat. Ein erstickter Laut entwich ihm. Seine Augen waren wie zerschlagene Spiegel. Fragmentiert, zerbrochen. Vor seinem inneren Auge sah er die Scherben seines daseins, seiner Seele. Die Scherben reflektierten seine Schuld.
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derLeowitsch • Am 22.11.2024 um 12:18 Uhr | |||||||
Gefällt mir, wenn ich auch mit Horror nicht viel anfangen kann. Das Leben da draußen, die Realität ist Horror genug, wenn man die Nachrichten hört. Eine Mutter ihr frisch geborenes in den Mistkübel entsorgt, bei uns in Wien. Meine Geschichten, die ich schreibe, ist Realität und selbst erlebtes. Ich vermute, du bist noch sehr jung, also jung für mich, der mittlerweile 73 Jahre zähle. Aber du schriebst ein "etwas älterer Herr, um die 35!" Das war mein bestes Alter! Aber trotzdem, nimm es als positive Kritik, was war aber damit seine Botschaft? Mehr anzeigen | ||||||||
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