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Was macht mein Bett, wenn ich nicht da bin?

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28.01.20 22:27
Fertiggestellt

Der Wecker klingelt, ich stehe auf, richte Bettdecke und Kopfkissen und beginne meinen Tag. Ich gehe früh morgens aus dem Haus, nach der Arbeit noch mit ein paar Kollegen in die Kneipe und komme abends erst recht spät heim. Aber: was macht mein Bett währenddessen? Die meiste Zeit des Tages verbringe ich auswärts und einen Großteil der Zeit, in der ich zuhause bin, verbringe ich in meinem Bett. Eine ziemlich interessante Partnerschaft, wenn man recht überlegt: Jede Nacht für rund sieben Stunden schenke ich meinem Bett ununterbrochene Aufmerksamkeit, doch die restlichen 17 Stunden des Tages bin ich ihm entweder entfernt oder gleichgültig gegenüber. Ich frage mich, wie mein Bett diese Beziehung wahrnimmt. Sind die paar Stunden in denen ich schlafe wie ein normaler Arbeitstag und die Zeit, in der ich nicht da bin, die Freizeit? Was denkt mein Bett wohl über mich? Bin ich ein guter Arbeitgeber? Oder lästert es mit der Couch über mich und mein Schlafverhalten? Tauschen sich Betten untereinander aus und geben sich Ratschläge was sie gegen ihre Menschen machen können? Eine Art soziales Netzwerk für Schlafgelegenheiten. Bestimmt gibt es auch die Betten, die sich darüber auslassen, dass sie keinen Menschen haben. Vielleicht, weil sie noch in Fabriken oder Geschäften stehen. Betten in IKEA haben bestimmt den stressigsten Arbeitstag von allen. Sie stehen 14 Stunden unter greller Beleuchtung, müssen den ganzen Tag so gut aussehen, wie möglich und alle paar Minuten legt sich jemand anderes rein, wälzt sich ein wenig hin und her und steht dann wieder auf. Einen noch undankbareren Arbeitstag kann es kaum geben. So viele unterschiedliche Menschen, von denen viele sich jedes Bett nur einmal anschauen und danach nie wieder auch nur einen Fuß in den Laden setzen. Und nicht alle davon haben nur Positives im Sinn. Ob mein Bett mich wohl für einen guten Menschen hält? Immerhin kümmere ich mich hervorragend um es. Ich wechsele die Laken einmal pro Monat und die Bezüge von Decke und Kopfkissen jede Woche. Außerdem mache ich mein Bett jeden Morgen frisch, ich esse nicht darin und benutze es auch nicht als Ablage für irgendwelche Gegenstände. Vielleicht ist aber auch genau das ein Problem. Vielleicht will es ja, dass ich mich auch außerhalb der Schlafenszeit mit ihm beschäftige. Den ganzen Tag lang, wie am Boden festgenagelt, an ein und derselben Stelle zu stehen, muss sicherlich furchtbar ermüdend sein. Und dann komme ich abends erst spät nach Hause und ignoriere es erstmal für ein paar Stunden. Was, wenn es nichts Weiteres will, als mehr Zeit mit mir zu verbringen, etwa wie ein Hund?  Es möchte nicht, dass ich gehe; es würde gerne, dass ich den ganzen Tag drin liegen bleibe. Und während ich fort bin, wartet es nur darauf, bis ich wieder zurückkomme. Steht es also da und zählt den ganzen Tag lang die Sekunden oder schaut dem Gras beim Wachsen zu? Möglicherweise lockt es ja auch meine Katzen zu sich, um etwas Gesellschaft zu haben. Oder aber es interessiert sich überhaupt nicht für mich und erachtet unsere Beziehung als rein platonisch. Fragen über Fragen; so viele Fragen und doch keine Antworten. Ich kann nicht wissen, was mein Bett macht, wenn ich nicht da bin. Denn, selbst wenn ich mir einen Tag frei nehme oder mich krankschreiben ließe, um es heimlich zu beobachten, wäre ich ja trotzdem irgendwie da. Ich schätze, ich könnte eine Videokamera aufstellen und es den Tag über filmen, aber das kann doch nicht der Sinn der Sache sein. Einen Teil des Vergnügens macht doch die Ungewissheit aus. Weil ich es nicht wissen kann, bleibt mir nichts anderes übrig, als zu spekulieren. Aber was wäre, wenn mein Bett reden könnte? Ich bin mir sicher, es hat einige lustige Geschichten zu erzählen. Etwa, wie meine Haushälterin jeden Morgen das Bett richtet, obwohl ich das immer schon mache. Oder, wie sich meine Katzen um einen Schlafplatz zwischen Decke und Kissen prügeln. Eventuell aber auch nur, wie im Sommer, wenn die Rollläden einen Spalt weit offen sind, die einfallenden Sonnenstrahlen den Raum erwärmen und das Bett in einen goldenen Glanz hüllen, was es zu einem nahezu ätherischen Ort der Entspannung werden lässt, wo man seine Sinne baumeln und alle Sorgen der Welt vergessen kann. Ach, was eine glückselige Vorstellung. Die perfekte Idylle im eigenen Schlafzimmer, die nur darauf wartet, belebt zu werden. Ist es nicht herrlich? Wenn wir doch bloß wissen könnten, was unsere Betten machen, wenn wir nicht da sind. 

Autorennotiz

Hallo Miteinander. Auch dieser Text ist im Rahmen einer Uni-Arbeit entstanden, die sich mit dem Thema "Schlaf" auseinandersetzt. Es sind knapp ein Dutzend Texte dafür entstanden, doch das hier ist wahrscheinlich der Letzte der Reihe, den ich hier veröffentlichen werde. Der Rest ist sehr spezifisch auf die Aufgabe zugeschnitten, und funktionieren an und für sich nicht gut. Ich hoffe dennoch, dass euch dieser Text hier gefällt.

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BerndMooseckers Profilbild
BerndMoosecker Am 29.01.2020 um 20:20 Uhr
Hallo,

eine interessante Vorstellung, dass das Bett unseren Umgang mit ihm bewertet oder sich Gedanken über uns macht. Was treiben wir nicht alles im Bett, außer darin zu schlafen? Das Bett als geschützter und beschützender Ort, ich weiß diesen Ort zu schätzen :-)

Ich habe die Geschichte mit Vergnügen gelesen.

Gruß Bernd
Cedi001s Profilbild
Cedi001 (Autor)Am 29.01.2020 um 21:38 Uhr
Hi Bernd,

es freut mich, dass dir die Geschichte gefallen hat. :)

Gruß

Autor

Cedi001s Profilbild Cedi001

Bewertung

2 Bewertungen

Statistik

Sätze: 48
Wörter: 782
Zeichen: 4.454

Kurzbeschreibung

Eine Person denkt darüber nach, was ihr Bett wohl den Tag über macht, während sie nicht da ist.

Kategorisierung

Diese Story wird neben Alltag auch in den Genres Vermischtes, Humor gelistet.