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Spielerfrauen

356
22.09.18 15:48
12 Ab 12 Jahren
Fertiggestellt

Romys POV

„Schatz..."

Sarinas POV

„...wir müssen reden..."

Elins POV

„...Die letzten Jahre waren die schönsten in meinem ganzen Leben..."

Alicas POV

„...und das nur, weil du an meiner Seite warst..."

Elaynas POV

„...Wir haben gelacht und geweint..."

Romys POV

„...uns gestritten und danach direkt wieder vertragen..."

Sarinas POV

„...Wir haben so viel zusammen erlebt..."

Elins POV

„...und ich wünschte, dass wir noch viel mehr gemeinsam erleben könnten..."

Alicas POV

„...Aber..."

Elaynas POV

„...die Zeiten haben sich geändert..."

Romys POV

„...Du musst nur noch deine Abschlussprüfungen schreiben und ich..."

Sarinas POV

„...ich habe die Chance, endlich Fußballprofi zu werden..."

Elins POV

„...Ich habe eine Einladung zum Sichtungstraining erhalten..."

Alicas POV

„...vom Bundestrainer..."

Elaynas POV

„...Ich werde in zwei Wochen nach Spanien fliegen..."

Romys POV

„...und mir meinen größten Traum erfüllen..."

Sarinas POV

„...Es tut mir leid, das sagen zu müssen, aber..."

Elins POV

„...unsere Beziehung hat keine gemeinsame Zukunft..."

Alicas POV

„...Ich liebe dich, mein Engel und das weißt du auch...“

Elaynas POV

„...aber ich werde nie wieder so eine Chance bekommen..."

Romys POV

„...Ich bitte dich, meine Entscheidung zu akzeptieren..."

Sarinas POV

„...Es ist besser für uns beide..."

Elins POV

„...Ich hoffe wirklich, dass du irgendwann wieder glücklich sein kannst..."

Alicas POV

„...allerdings ohne mich..."

Elaynas POV

„...Mach's gut, meine Prinzessin..."

Romys POV

Cade erhebt sich angespannt von seinem Stuhl.

Sarinas POV

Clay steuert geradewegs meine Zimmertür an.

Elins POV

Raiden schenkt mir einen letzten, traurigen Blick.

Alicas POV

Jonah drückt langsam die Türklinke hinunter.

Elaynas POV

Asher verschwindet nun endgültig aus meinem Leben.

Romys/ Sarinas/ Elins/ Alicas/ Elaynas POV

...und ich zerfließe in züngelnden Tränen...

Romys POV

„Romina Elizabeth Fisher!", übertönt die erzürnte Stimme meiner Mutter die ohrenzerreißenden Gitarrentöne von Metallica. Ich unterbreche seufzend das Headbanging und reguliere die Lautstärke meiner Musikanlage. Meine Mutter besitzt eindeutig das Talent, mich immer dann zu stören, wenn ich am meisten Spaß habe.

„Was willst du, Mum?", frage ich seufzend und werfe meiner besten Freundin Avery einen genervten Blick zu. Sie erwidert meine Geste bloß mit einem trockenen Lachen und streicht sich wirre Haarsträhnen aus der Stirn. „Mach sofort die Tür auf!", zetert Mum lautstark und hämmert zum wiederholten Male gegen meine Zimmertür. Sie scheint wirklich wütend zu sein.

„Ja ja", murre ich leise und drehe den bereits verrosteten Schlüssel zweimal im Schloss um. Sobald die Tür entriegelt ist, stürmt meine Mutter auch schon aufgebracht in mein Zimmer. „Romina!", schreit sie mich an und hebt die ersten Kleidungsstücke vom Boden auf, „Was ist denn nur in dich gefahren?" Da ich nicht genau weiß, worauf sie gerade anspielen möchte, zucke ich teilnahmslos mit den Schultern.

Mum und ich streiten uns so gut wie jeden Tag. Sie meckert mich meistens wegen banalen Kleinigkeiten an oder hält mir minutenlange Vorträge darüber, dass ich für meine achtzehn Jahre absolut verantwortungslos sei.

„Du schreibst in zwei Monaten deine Abschlussprüfungen", fährt sie etwas gedämpfter fort, „Und du hast nichts Besseres zu tun, als laut Musik zu hören und dabei durch dein vermülltes Zimmer zu tanzen?!"

„Ich habe schon für die Prüfungen gelernt", lüge ich und deute dabei auf meinen unordentlichen Schreibtisch. Überall liegen Zettel, Stifte und Bücher. „In diesem Saustall kann man gar nicht lernen!" Mum wirft mir eine zerrissene Jeans und einen gepunkteten BH zu, ehe sie sich meine Sporttasche schnappt und die vielen, leeren Pfandflaschen in dieser verstaut. „Wann hast du überhaupt das letzte Mal gesaugt?", möchte sie kopfschüttelnd wissen. Ich rolle erneut mit den getuschten Augen und schaue hilfesuchend zu Avery. Wie immer, wenn ich eine Auseinandersetzung mit meiner Mutter habe, ist die Blondine keine besonders große Hilfe.

„Ich wollte heute aufräumen, also chill", versuche ich Mum zu beruhigen, „Und außerdem muss ich mich in diesem Zimmer wohlfühlen und nicht du."

„Hör mir mal gut zu, junges Fräulein! Nur weil du achtzehn Jahre alt bist, kannst du nicht tun und lassen, was du willst. Es gibt in diesem Haushalt Regeln und das weißt du ganz genau. Wenn dein Zimmer morgen Abend nicht blitzeblank ist, kannst du dir dein eigenes Auto abschminken!" Bei dem Wort Auto weiten sich nicht nur meine Augen, mein Mund klappt ebenfalls einen Spalt auf. „Das kannst du nicht machen!", protestiere ich erzürnt und lasse die Kleidungsstücke achtlos zu Boden fallen, „Du hast mir das Auto schon so lange versprochen!"

„Dann solltest du schleunigst dein Verhalten ändern!" Mit diesen Worten stampft Mum filmreif aus meinem Zimmer und lässt hinter sich die Tür ins Schloss fallen. Entweder machen sich nun die Wechseljahre bei ihr bemerkbar oder sie hat einfach nur einen schlechten Tag.

„Vielleicht solltest du wirklich mal aufräumen, Romy", reißt mich Avery aus meinen Gedanken. Sie steht mittlerweile vor meinem geöffneten Kleiderschrank und betrachtet misstrauisch das Chaos im Inneren. „Ja ja, mache ich morgen", winke ich schulterzuckend ab und knalle die Schranktüren wieder zu. Wie hat Albert Einstein so schön gesagt? Nur das Genie beherrscht das Chaos.

„Romina Elizabeth Fisher!" Ich stoße einen frustrierten Seufzer aus und werfe theatralisch die Arme in die Höhe. „Was ist denn jetzt schon wieder?!", blaffe ich Mum genervt an, während ich mich rücklings auf mein Bett fallen lasse. Wenn sie mir erneut einen zehnminütigen Vortrag halten möchte, kann sie direkt mein Zimmer verlassen. Ich habe keine Lust, mich ständig für etwas zu rechtfertigen. Ich bin immerhin achtzehn Jahre alt und kann somit eigene Entscheidungen treffen.

„Kannst du mir mal erklären, was das hier sein soll?!", zetert Mum lautstark und wedelt mit einem Briefumschlag vor meinem Gesicht hin und her. „Jetzt liest du also schon meine Post? Wird ja immer besser!" Ich springe wütend auf und reiße ihr den Umschlag grob aus der Hand. Was gibt ihr das Recht, einfach so an meine Sachen zu gehen? „Tut mir leid, dass ich mich um dich sorge, Romina", atmet sie hörbar aus, „Aber ich muss mich auch eigentlich nicht vor dir rechtfertigen!"

„War's das?", frage ich sie unbeeindruckt und nicke auffordernd Richtung Tür. Sie soll endlich mein Zimmer verlassen, damit ich die Tür wieder abschließen und ungestört mit Avery Musik hören kann. „Nein, noch lange nicht! Wieso zum Henker hast du dir ein Flugticket nach Spanien gebucht?!" Meine Mutter stapft erzürnt auf mich zu und versucht mir den Briefumschlag aus der Hand zu reißen, doch ich reagiere schneller und schiebe das Papier unter mein Gesäß. „Du schreibst in verdammten zwei Monaten deine Abschlussprüfungen! Du hast jetzt keine Zeit für einen Partyurlaub!" Ich nicke bloß abwesend und überlege dabei fieberhaft, wie ich mich am besten aus der ganzen Nummer herausreden kann.

Dass ich wegen Cade nach Spanien fliege, sollte ich lieber nicht erwähnen. Meine Mutter mochte den Schwarzhaarigen zwar, aber sie hat immer wieder betont, dass er mich angeblich von der Schule ablenken würde. Dabei war ich diejenige, die zu unmotiviert zum Lernen war und nicht Cade.

„Das wird auch kein Partyurlaub, Mum", rede ich ruhig auf sie ein, „Sondern eine Sprachreise. Avery und ich werden dort einen Spanischkurs besuchen." Da ich schon als kleines Kind häufig die Wahrheit verdreht habe, fällt es mir heutzutage nicht sonderlich schwer, meiner Mutter ins Gesicht zu lügen. Außerdem handelt es sich hierbei um eine Notlüge. „Ach, stimmt. Den Sprachkurs hätte ich schon fast wieder vergessen", säuselt meine beste Freundin lieblich und schenkt Mum ein unschuldiges Lächeln. Auf Avery ist einfach immer Verlass.

„Na wenn das so ist, dann habe ich nichts gesagt", entschuldigt sich die Braunhaarige kleinlaut bei mir, „Aber beim nächsten Mal kannst du mir ruhig etwas früher davon erzählen."

„Geht klar", erwidere ich bloß schulterzuckend und atme erleichtert aus, als Mum das Zimmer verlässt. Sie hat die Lüge glücklicherweise geschluckt.

„Romy", räuspert sich Avery betont langsam neben mir, „Hast du mir vielleicht etwas zu sagen?" Ich beiße mir unsicher auf die Unterlippe und verankere meine blauen Augen mit ihren braunen. Einerseits möchte ich ihr die Wahrheit sagen, aber andererseits weiß ich ganz genau, dass sie seit der Trennung nicht besonders gut auf Cade zu sprechen ist. „Ähh, also", stammele ich unbeholfen, „Das ist eigentlich eine ganz lustige Geschichte."

„Oh, wie gut, dass ich lustige Geschichten mag", entgegnet Avery mit verstellter Stimme, ehe sie die Arme hinter dem Kopf verschränkt und sich in eine gemütliche Schlafposition bringt. Ich lehne mich ebenfalls entspannt zurück, bedacht darauf, Averys stechendem Blick auszuweichen. „Aber dir wird die Geschichte nicht gefallen, weil Cade die Hauptfigur ist." Ihre braunen Augen weiten sich schlagartig. „Nein, Romy!", kreischt sie schrill, „Sag, dass das ein schlechter Scherz ist!"

„Würde ich gerne", murmele ich beinahe tonlos, „Aber das wäre dann gelogen." Um nicht länger in Averys entsetztes Gesicht schauen zu müssen, greife ich hastig nach dem großen Teddybären, den mir Cade zu unserem ersten Jahrestag geschenkt hat, und halte das Stofftier als Schutzschild vor meinen Körper. Ich werde ihn niemals vergessen können. Cade war mein erster Freund, der erste Mensch, den ich aufrichtig geliebt habe. Und was macht er? Er verlässt mich, um einem blöden Fußball hinterher zu laufen.

„Du fliegst also nur wegen Cade nach Spanien?", schlussfolgert Avery genervt, „Du kannst auch einfach warten, bis er aus dem Trainingslager zurückkommt." Natürlich entsprechen ihre Worte der Wahrheit, aber das werde ich sicherlich nicht zugeben. Und außerdem kann ich meinen Plan nur in Spanien verwirklichen. „Ich kann leider nicht warten, bis er wiederkommt. Ich werde Cade zeigen, was er alles ohne mich verpasst", erkläre ich verbittert und presse meine Lippen zu einer schmalen Linie zusammen.

Wir können unsere Beziehung nicht einfach so wegwerfen!

„Und wie willst du das machen? In einem roten Minikleid und High Heels über das Fußballfeld stolzieren?"

„Das ist gar nicht mal so eine schlechte Idee", rufe ich begeistert aus, „Aber eigentlich werde ich ihm nur die Lust am Fußballspielen nehmen."

„Kannst du Cade nicht einfach in Ruhe lassen und dir stattdessen auf einer Party einen anderen Jungen schnappen?"

„Ne, sorry", winke ich grinsend ab, „Die anderen Jungs sind schon alle für dich reserviert." Avery lacht bloß trocken auf und boxt mir halbherzig gegen den Oberarm. Im Gegensatz zu mir hatte sie nämlich noch keinen festen Freund. Sie wird leider direkt in die Friend-Zone abgeschoben. „Wenn du wirklich nach Spanien fliegst, musst du mir aber eine Sache versprechen." Ich spitze hellhörig die Ohren und fordere meine Freundin mit einer Handbewegung auf, fortzufahren.

„Pass auf dich auf und stell keine Dummheiten an." Dieses Mal liegt es an mir, lauthals aufzulachen. „Du weißt, dass ich das beim besten Willen nicht versprechen kann", kichere ich amüsiert und schließe Avery in meine Arme. Egal, was kommt, ich werde mich immer auf sie verlassen können.

Sarinas POV

„Ya, we're flying, feels just like flying, we're such a long way up from the ground, just you and me flying, so high 'n I'm never gonna come down", dröhnt Bryan Adams' Stimme aus meinen Kopfhörern. Mein Kopf ist gegen das kleine Fenster gelehnt, mein Blick fokussiert die grenzenlose Ferne. Unter mir ist das türkisfarbene Meer, über mir die Wolken.

Ich sitze bereits seit zwei Stunden in diesem Flugzeug und habe noch eine weitere Stunde vor mir. Der kleine Junge hinter mir, der zu Beginn fürchterlich geweint hat, schläft mittlerweile seelenruhig an der Schulter seines Vaters, sodass auch ich endlich entspannen kann. Gewöhnlich habe ich keine Flugangst, aber sobald bei anderen Passagieren Unruhe ausbricht, werde ich ebenfalls nervös.

„Ya, we're flying so high and we're never gonna come down you and me." Die letzten Töne des Liedes erklingen und rufen unweigerlich Erinnerungen an Clay hervor. Als wir im vergangenen Jahr gemeinsam nach Italien geflogen sind, haben wir das identische Lied gehört und uns nebenbei über andere Leute im Flugzeug lustig gemacht. Clay hat mich den ganzen Flug über in seinen Armen gehalten und beim Starten und Landen beruhigend über meinen Handrücken gestrichen. Statt seinen zärtlichen Berührungen muss ich mich nun mit einer übergewichtigen Frau zufriedengeben, die halb auf meinem Schoß sitzt.

Ich stoße einen leisen Seufzer aus und lasse meine schweren Augenlider zuflattern. Clay, ich komme!

Als ich meine Augen das nächste Mal öffne, ist das Flugzeug bereits im Sinkflug. Da sich mein Sitz nicht mehr in der Rückenlage befindet und meine Kopfhörer auf meinem Bauch liegen, brauche ich einen Moment länger, um mich zu orientieren. „Du hast so friedlich geschlafen, da wollte ich dich nicht wecken", klärt mich die Frau neben mir auf. Ihre Lippen werden von einem freundlichen Lächeln geziert, sodass ich gar nicht anders kann und dankend zurücklächele.

Sobald ich das Flugzeug verlasse und mein blasses Gesicht der spanischen Sonne entgegenstrecke, geht alles ganz schnell. Ich hole meine Koffer, irre durch den riesigen Flughafen und rufe mir ein Taxi.

¡Hola!", begrüße ich den grauhaarigen Mann gutgelaunt, ehe ich ihm einen kleinen Zettel mit der Adresse meines Hotels reiche. Glücklicherweise sind Clays und meine Schwester ziemlich gut befreundet, sodass es ein leichtes Spiel war, alle Informationen über Clays Aufenthalt in Spanien zu erfahren. Alleine schon der Gedanke an den Blondhaarigen schmerzt. Jedes Wort, jede Berührung, jeder Kuss hat eine feine Gänsehaut auf meinen Armen und eine wohlige Wärme in meinem Herzen entfacht. Er ist der Richtige, ich weiß es einfach.

¡Señorita!" Ich fahre erschrocken hoch und reibe mir hastig über die Augen. Der Taxifahrer steht bereits neben der geöffneten Tür und tippt abwartend gegen die Fensterscheibe. Um nicht noch mehr Zeit zu verschenken, schnalle ich mich schnell ab und überreiche dem ergrauten Mann den angezeigten Geldbetrag. Er bedankt sich höflich und verschwindet kurz darauf mit quietschenden Reifen hinter der nächsten Kurve.

Ab jetzt bin ich vollkommen auf mich alleine gestellt.

Ich seufze ein letztes Mal und suche dann mit meinem Koffer die Hotelrezeption auf. Erfreulicherweise bekomme ich relativ zügig meinen Zimmerschlüssel, sodass ich eine halbe Stunde später meinen Koffer ausgepackt und mich umgezogen habe. Mein Weg führt mich direkt nach draußen zu dem kleinen Strandabschnitt, der an das Hotel angrenzt. Überall liegen bereits Menschen auf Handtüchern im Sand oder schwimmen im Meer.

Ich suche mir einen freien Platz, wo ich mein neongrünes Handtuch ausbreiten kann, und lege mich dann im Bikini in die Sonne. Bevor ich mir Gedanken darüber machen muss, wie ich Clay zurückerobern kann, bleibt mir also noch genügend Zeit zum Entspannen.

„Natürlich werde ich den Sportplatz finden, wo die Jungs das Trainingslager absolvieren... Jaha!... Das kann ja nicht so schwer sein...", lausche ich nach einiger Zeit einem Telefonat von einem Mädchen. Ich richte mich langsam auf und rücke meine Sonnenbrille auf meiner Nasenspitze zurecht, um das Mädchen besser beobachten zu können. Sie sitzt gute fünf Meter von mir entfernt und packt während des Telefonats ihre Strandsachen zusammen. Soweit ich das beurteilen kann, ist sie kaum älter als ich.

„Meine Güte!", ruft sie lautstark aus, sodass sich einige Schaulustige zu ihr umdrehen, „Ich werde jetzt einfach zu diesem dummen Sportplatz laufen, damit du endlich Ruhe gibst!" Schneller als ich gucken kann, springt die Blondhaarige auf und stapft sichtlich genervt davon.

Das ist meine Chance! Wenn sie tatsächlich über den Fußballsportplatz gesprochen hat, muss ich ihr lediglich folgen und schon weiß ich, wo ich Clay antreffen kann.

Ich beeile mich, meine Sachen einzupacken und dabei das Mädchen nicht aus den Augen zu verlieren. „Hör auf zu nerven! Ich kann schließlich nicht hexen!" Ich folge stets ihrer aufgebrachten Stimme und erreiche wenig später tatsächlich einen umzäunten Sportplatz. Leider sehe ich bloß ein paar Läufer und keine Fußballer.

„Hey", legt sich plötzlich eine Hand auf meine Schulter, „Kann es sein, dass du mich verfolgt hast?" Ich drehe mich hektisch um meine eigene Achse, nur um gleich darauf in zwei wütende, braune Augen zu schauen. Das blondhaarige Mädchen steht mit verschränkten Armen vor mir und schaut mich abwartend an. Anscheinend hat sie nicht sonderlich gute Laune. „Sorry, aber ich musste diesen Sportplatz echt dringend finden", rechtfertige ich mich entschuldigend und schenke ihr ein zögerliches Lächeln. Doch anstatt meine freundliche Geste zu erwidern, kneift sie bloß ihre gezupften Augenbrauen zusammen und mustert mich abschätzig.

„Warum? Willst du dir einen von den Fußballern klären oder was?" Ihre unfreundliche Tonlage stimmt auch mich so langsam wütend. „Ich denke nicht, dass dich das etwas angeht", zicke ich pampig zurück und drehe ihr meinen Rücken zu. Ich muss unbedingt herausfinden, wann Clay trainiert. „Nur damit du es weißt, Löckchen, Raiden ist tabu!", brüllt sie mir lautstark hinter her. Ich zucke lediglich mit den Schultern und setze meinen Weg um den Sportplatz unbeirrt fort.

Schon nach wenigen Metern nehme ich mehrere Jungenstimmen wahr, die aufgeregt durcheinanderreden, weshalb ich mich hastig ducke. Ich darf kein Risiko eingehen. Sollte Clay tatsächlich zu den Jungen gehören, soll er mich nicht direkt sehen. „Wenn du dir einen von den Boys klären willst, ist Verstecken eindeutig die falsche Strategie, Löckchen." Ich zucke erschrocken zusammen und kralle mich gerade noch rechtzeitig am Zaun fest, um nicht umzufallen. „Sei still", fauche ich die Blondine böse an und spähe durch ein Loch auf den Rasenplatz. Tatsächlich stehen mehrere Jungen in Fußballkleidung auf dem Platz.

„Du hast kein Recht, irgendwelche Anforderungen zu stellen, immerhin hast du mich verfolgt."

„Stell dich nicht so an und halt einfach die Klappe!"

„Von so weit weg kannst du eh nicht lauschen."

„Will ich auch gar nicht."

„Ja ja, schon klar." Ich rolle genervt mit den Augen und krabbele langsam über den Boden. Mein Blick ist stets auf die Fußballer gerichtet, aber ich kann Clay nirgends sehen. „Ich glaube, ich weiß, wo die Kabinen sind, Löckchen." Auch wenn mich die Blondhaarige gerade tierisch nervt, lenkt sie meine Aufmerksamkeit nun komplett auf sich. Sie hockt neben mir auf dem Boden und zeigt verräterisch auf ein Schild über unseren Köpfen.

„El probador", entziffere ich die geschwungenen Buchstaben. „Heißt also übersetzt Umkleidekabine", grinst mich das Mädchen zufrieden an. Ich nicke abwesend und werfe einen prüfenden Blick Richtung Sportplatz. Die Jungen stehen in einem Kreis versammelt und fokussieren etwas auf dem Boden. Ich nutze die Gelegenheit, indem ich vom Boden aufstehe und zu den ausgeschilderten Umkleidekabinen sprinte. Falls mich Clay gesehen hat, wird er mich sowieso nicht erkannt haben.

„Bist ganz schön schnell, Löckchen." Ich atme verzweifelt aus und stemme die Hände in die Hüften. „Willst du dich revanchieren und nun mich verfolgen oder wie sieht's aus?", frage ich sie leicht angesäuert. „Ich muss selber etwas in der Umkleide erledigen."

„Und was?"

„Tja, das bleibt mein kleines Geheimnis."

Ich schüttele kurz mit dem Kopf, ehe ich die erste Türklinke hinunterdrücke. Abgeschlossen. Die zweite Kabine ist ebenfalls abgeschlossen, die restlichen hingegen sind leer. „Fuck", fluche ich verärgert und trete frustriert gegen die Wand. Wäre die Kabine nicht abgeschlossen, hätte ich Clays Tasche durchwühlen können und vielleicht irgendeinen Hinweis entdeckt.

„Wir könnten den Schlüssel klauen", schlägt die Braunäugige nachdenklich vor, „Oder du fragst den Fußballtrainer." Bei dem Wort Fußballtrainer setzt mein Herzschlag für einen kurzen Moment aus. Ich kann mich unter gar keinen Umständen auf dem Sportplatz blicken lassen. Nicht, wenn mich Clay sehen könnte. „Das geht nicht! Du musst den Trainer fragen", erwidere ich daher harsch und bete inständig, dass sie sich auf meinen Vorschlag einlässt. „Ich kann ihn auch nicht fragen!"

„Warum nicht?"

„Dasselbe könnte ich dich auch fragen." Ich seufze ergeben und fange ihren neugierigen Blick auf. Ich werde das Mädchen sowieso nie wiedersehen, also kann ich ihr auch die Kurzfassung erzählen. „Mein Ex-Freund ist da draußen und er soll nicht wissen, dass ich hier bin. Ich bin ihm heimlich aus England hier her gefolgt." Anstatt ein spöttisches Lachen über mich ergehen zu lassen, werde ich bloß mit einem nachdenklichen Blick bedacht.

„Du wirst mich für eine Lügnerin halten, aber bei mir ist es genauso." 

Elins POV

Die Braunhaarige bedenkt mich zunächst mit einem kritischen Blick, ehe sie lauthals auflacht. „Guter Witz, ich halte dich nämlich tatsächlich für eine Lügnerin. Was machst du wirklich hier?" Ich verdrehe genervt meine Augen und zwirbele eine blonde Strähne zwischen meinen Fingerspitzen. Bevor ich Raiden das nächste Mal gegenüberstehe, muss ich unbedingt dem Friseur einen Besuch abstatten.

„Dann sag's mir halt nicht", murmelt Löckchen beleidigt, ehe sie sich von mir abwendet. Sie steuert die verschlossene Kabine an und rüttelt verzweifelt an der Türklinke. „So eine Scheiße", flucht sie leise und rutscht kopfschüttelnd an der Wand hinab. Auch wenn sie mir nicht sonderlich sympathisch erscheint, könnte ich ihre Hilfe ziemlich gut brauchen.

Ich hole ein letztes Mal tief Luft und setze mich dann neben die Braunäugige. Ich muss sie schnell von mir überzeugen, damit wir gleich darauf einen Plan schmieden können. Natürlich liebe ich Raiden immer noch, aber er hat es verdient, zu leiden. Wie kann ihm der Fußball bloß wichtiger sein als ich?

„Hör zu, Löckchen, ich habe dir die Wahrheit gesagt", beginne ich möglichst freundlich, „Mein Ex ist hier beim Sichtungstraining und hat mich wegen dieses blöden Balles verlassen. Aber das wird er bereuen! Ich werde schon dafür sorgen, dass ihm die Lust am Fußballspielen vergeht und er von sich aus zu mir zurückkommt." Raiden und ich waren zwar nur vier Monate zusammen, jedoch war die Zeit mit ihm perfekt. Es hat sich alles so verdammt richtig angefühlt. Seine Worte, seine Berührungen, seine Küsse. Einfach alles.

„Und was möchtest du dann in der Kabine machen?", reißt mich Löckchen in die Realität zurück. Sie mustert mich skeptisch von der Seite und zieht dabei eine Braue in die Höhe. Sie ist zwar ganz niedlich, aber ich kann verstehen, warum sich ihr Freund von ihr getrennt hat. Ihr fehlt der nötige Sexappeal.

Ich schüttele kurz meinen Kopf und antworte ihr schließlich. „Entweder klaue ich seine Anziehsachen oder ich mache sie nass", zucke ich unentschlossen mit den Schultern. Ich muss mit harmlosen Kinderstreichen beginnen und mich dann immer weiter steigern. Raiden wird dieses Trainingslager vorzeitig abbrechen! „Wir könnten auch direkt die ganze Kabine unter Wasser setzen", schlage ich nachdenklich vor und kratze mich am Kinn.

„Alles schön und gut, aber uns fehlt immer noch der Schlüssel." Ich ahme Löckchens frustriertes Seufzen nach, ehe mir eine Idee kommt. „Komm mit", befehle ich ihr ungeduldig und ziehe sie schwungvoll auf die Beine. Wir treten gemeinsam der spanischen Sonne entgegen und laufen dann geduckt zu der Tartanbahn.

Wie erhofft trainieren hier mehrere Leichtathleten, sodass ich nach einem potenziellen Opfer Ausschau halte. „Was hast du vor?" Ich ignoriere die Frage der Braunhaarigen gekonnt und steuere stattdessen auf einen oberkörperfreien Jungen zu. Er öffnet gerade seine Wasserflasche, da fällt sein Blick auch schon auf mich.

Showtime.

Ich setze schnell ein schüchternes Lächeln auf und streiche mir verlegen ein paar Haarsträhnen aus der Stirn. „Hey", säusele ich lieblich und trete einen weiteren Schritt auf ihn zu, „Wie ich sehe, bist du bereits mit dem Training fertig oder?" Er erhebt sich lässig vom Boden und fährt sich dabei mit der linken Hand durch die nassen Haare. Würde ich nicht immer noch in Raiden verliebt sein, hätte ich alles dafür gegeben, um den Schönling vor mir in einigen Monaten als meinen Freund bezeichnen zu dürfen.

„Kann ich dir irgendwie weiterhelfen?", erwidert er meine Frage mit einer Gegenfrage und legt leicht den Kopf schief. Seine braunen Augen wandern über meinen ganzen Körper, ehe sie sich wieder mit meinen verankern. „Das könntest du tatsächlich", lächele ich zurückhaltend und senke meinen Blick. Ich nehme aus dem Augenwinkel wahr, dass er sich ein Shirt überstreift und dann seine muskulösen Arme vor der Brust verschränkt. Ohne Shirt hat er mir eindeutig besser gefallen.

„Du kannst übrigens mit der Show aufhören. Sag mir einfach, was du möchtest oder lass mich wieder in Ruhe." Die eisige Kälte in seiner Stimme lässt mich kurz zusammenzucken. Normalerweise bekomme ich jeden Jungen mit meiner Masche um den Finger gewickelt. „Kannst du mir den Schlüssel für die Kabine der Fußballer besorgen?", frage ich ihn direkt und beäuge kritisch meine lackierten Fingernägel. Die rote Farbe blättert bereits an einigen Stellen ab und verliert immer mehr ihren Glanz.

„Warum sollte ich das machen?"

„Musst du auf jede Frage mit einer Gegenfrage antworten?", zicke ich ihn genervt an und verdrehe meine getuschten Augen. Anscheinend habe ich mir den falschen Jungen ausgesucht. „Nenn mir einen vernünftigen Grund, warum ich dir den Schlüssel besorgen sollte. Vielleicht überlege ich es mir dann noch einmal", grinst er mich fies an und kratzt sich provozierend mit dem Mittelfinger an der Augenbraue. So ein eingebildetes Arschloch!

„Du-", setze ich gerade wütend an, werde allerdings zu meinem Erstaunen von Löckchen unterbrochen. Sie stellt sich unsicher neben mich und schenkt dem Idioten ein scheues Lächeln. „Das ist mir wirklich total unangenehm, aber ich habe momentan meine Periode und ich müsste mal wieder meinen Tampon wechseln", beginnt sie mit hochroten Wangen zu erzählen, „Das Problem ist, dass ich meine Tasche auf der Toilette in der Umkleidekabine vergessen habe. Und ich traue mich nicht den Fußballtrainer zu fragen, weil er wohl ziemlich streng sein soll." Die Braunäugige tritt sichtlich nervös von dem linken Fuß auf den rechten und meidet jeglichen Blickkontakt mit dem Athleten vor uns. Ich hätte wirklich nicht gedacht, dass sie so gut schauspielern kann.

„Wenn ich dich auf ein Date ausführen darf, besorge ich euch den Schlüssel", stellt der Fremde seine Forderung und schaut Löckchen abwartend an. Seine Worte treffen sie unvorbereitet, weshalb sie schockiert die Augen aufreißt und sich an ihrer eigenen Spucke verschluckt. „W- W- Wa- as?", krächzt sie heiser und taumelt benommen einen Schritt zurück. Ich halte sie hastig am Handgelenk zurück und stoße ihr sanft in die Rippen.

Das ist unsere Chance. Anders werden wir den Schlüssel wohl kaum bekommen.

„Ich führe dich-"

„Sie geht gerne mit dir auf ein Date", schneide ich dem Idioten taktlos das Wort ab und stupse der Braunhaarigen erneut in die Seite, „Nicht wahr, Löckchen?" Ich versuche ihr mit meinen Blicken zu symbolisieren, dass ein einfaches Nicken ausreicht. „Äh...", stottert sie immer noch benebelt, „Klar!" Die dunklen Augen des Jungen erstrahlen freudig und spiegeln seine Zufriedenheit wider. „Perfekt. Folgt mir, Ladies", klatscht er begeistert in die Hände und marschiert Richtung Fußballfeld.

Sobald ich den ersten Fußballer sehen kann, bleibe ich abrupt stehen und mache einen großen Schritt zurück. Raiden darf mich auf keinen Fall sehen. „Geh du schon mal vor. Wir warten bei den Kabinen", klimpere ich zuckersüß mit meinen Wimpern und scheuche den Sportler mit einer flinken Handbewegung davon.

Kaum ist er aus dem Sichtfeld verschwunden, verfallen Löckchen und ich in lautes Gelächter. „Das war legendär", pruste ich los, „Er hat es dir wirklich abgekauft."

„Ich weiß. Ich hätte nie im Leben damit gerechnet, dass er mir glaubt", erwidert sie kichernd und wischt sich eine Lachträne aus dem Augenwinkel. Vielleicht ist sie doch nicht so doof, wie ich anfangs angenommen habe.

„Wir sollten zu den Kabinen gehen", schlage ich schließlich vor und laufe geduckt los, „Ich habe nämlich keine Lust dem Idioten zu erklären, warum wir gebückt über den Sportplatz gehen." Löckchen gibt bloß ein zustimmendes Geräusch von sich, während sie mir leise folgt. Wir erreichen wenig später die Kabinen und lehnen uns erschöpft gegen die verschlossene Tür. Dieses Versteckspiel ist anstrengender als erwartet.

„Ich bin übrigens Elin", stelle ich mich lächelnd vor und reiche Löckchen meine Hand. Sie grinst breit und gibt ein knappes „Sarina" von sich. „Sagt bloß, ihr kennt euch gar nicht?!" Unsere Köpfe drehen sich synchron zu dem Braunäugigen, der verwirrt neben uns stehenbleibt. In seiner rechten Hand blitzt ein Schlüsselbund.

„Äh, also...", stammele ich überfordert und schaue hilfesuchend zu Sarina. Sie zuckt lediglich mit den Schultern und erwidert meinen panischen Blick. Wenn uns jetzt keine gute Ausrede einfällt, wird uns der Idiot niemals den Schlüssel geben. „Das ist eine ziemlich lustige Geschichte", lache ich gekünstelt auf, „Wir haben uns immer nur bei unserem Spitznamen genannt." Sarina nickt bestätigend und fügt ein „Das zeichnet immerhin unsere Freundschaft aus" hinzu.

„Dass das nicht die Wahrheit ist, weiß ich auch selber", knirscht der Braunhaarige kopfschüttelnd mit den Zähnen, „Aber mir soll's egal sein. Ihr bekommt den Schlüssel und ich mein Date." Ohne zu zögern reiße ich ihm den Schlüsselbund aus der Hand und öffne die Kabinentür. Überall liegen Anziehsachen und Essensreste herum. Und solche Leute wollen Fußballprofis werden? Dass ich nicht lache.

„Willst du nicht deine Tasche holen?", wendet sich der Junge an Sarina und bedenkt sie mit einem fragenden Blick. „Oh ja, natürlich", lächelt sie nicht gerade überzeugend und zieht mich am Arm in die Kabine, „Warte hier auf uns." Ich knalle die Tür hinter uns zu, ehe ich mir verzweifelt die Haare raufe. Wie sollen wir diesen Kerl nur wieder loswerden? Er wartet bestimmt so lange auf uns, bis wir ihm den Schlüssel wiedergeben.

„Wir müssen ihn loswerden", zische ich verschwörerisch und nicke mit dem Kopf Richtung Tür. „Aber wie?"

„Ich habe absolut keine Ahnung."

Alicas POV

Ich habe endlich mein Ziel erreicht: Den Sportplatz, auf dem Jonah täglich trainieren wird. Der Schwarzhaarige fehlt mir wirklich sehr. Ich kann immer noch nicht verstehen, warum er sich von mir getrennt hat. Es gibt schließlich genug andere Jungen, die Hochleistungssport betreiben und nebenbei eine Freundin haben.

„Hörst du mir überhaupt noch zu?" Ich schüttele erschrocken den Kopf und verbanne somit die Gedanken an meinen Ex- Freund. „Tut mir leid, Zane", entschuldige ich mich schnell bei meinem besten Freund, „Ich bin jetzt beim Sportplatz. Kabine eins, oder?"

„Eigentlich schon, aber ich garantiere für nichts."

„Jaja. Ich melde mich später bei dir. Bis dann."

„Bis dann, Ally." Ich beende das Telefonat und lasse mein Handy in meiner hinteren Hosentasche verschwinden. Was würde ich bloß ohne meinen besten Freund machen? Zane ist ziemlich gut mit Jonah befreundet, weshalb es ein leichtes Spiel war, an jegliche Adressen und andere Daten heranzukommen. Glücklicherweise stört es Zane nicht, dass ich meinem Ex- Freund eine Lektion erteilen möchte.

Ich werfe einen letzten Blick auf das riesige Schild „Campo de deportes", ehe ich den Sportplatz betrete. Das Fußballfeld ist gute hundert Meter von mir entfernt, sodass mich Jonah im Notfall nicht erkennen kann. Aber er hat sowieso keine Zeit, sich umzuschauen, da er ebenso wie viele, andere Fußballer in sein Training vertieft ist. Die Jungen sprinten über den Platz, brüllen sich gegenseitig an und kicken dabei den Ball von rechts nach links. Ich würde mich am liebsten an den Rand stellen und Jonah zugucken, doch meine Vernunft siegt.

Ich habe mein ganzes Erspartes aufgebraucht, um hier her zu kommen. Jonah und ich müssen wieder zusammenfinden!

In Gedanken versunken steuere ich die Umkleidekabinen an, bis ich beinahe mit jemandem zusammenstoße. „Upps, sorry", nuschele ich verlegen und schenke dem braunhaarigen Jungen vor mir ein entschuldigendes Lächeln. „Schon gut. Ist ja nichts passiert", winkt er lachend ab und lehnt sich lässig gegen die Wand. Sein Blick ruht stets auf der Kabinentür, was mich etwas unruhig macht. Die Jungs haben laut Plan nur noch eine halbe Stunde Training und ich muss vorher unbedingt in die Kabine.

„Wartest du auf jemanden?", wende ich mich daher nervös an den Jungen und lege leicht den Kopf schief. Ich bemühe mich, mein Lächeln aufrecht zu erhalten, bin mir aber nicht sicher, ob das klappt. „Jap. Eine Freundin hat ihre Tasche in der Kabine vergessen." Ich runzele verwirrt die Stirn. Zane hat mir erzählt, dass die Umkleide ausschließlich für die Fußballer reserviert sei.

„Ich bin mir sicher, dass sie ihre Tasche gleich gefunden hat", gebe ich möglichst unschuldig von mir und mustere den Jungen. Er trägt ein schwarzes Sportshirt, eine ebenso schwarze, enganliegende Hose und Laufschuhe. Vielleicht schaffe ich es, ihn mit einem kleinen Trick wegzulocken.

„Oh, ich bin manchmal so vergesslich", lache ich peinlich berührt auf und lenke somit die Aufmerksamkeit des Braunäugigen wieder auf mich, „Eigentlich wurde ich nur hierhergeschickt, um dich zu suchen. Du wirst auf der Laufbahn erwartet." Der Junge schenkt mir einen skeptischen Blick, ehe er stumm nickt. „Okay, danke", murmelt er flüchtig und klopft dann lautstark gegen die Kabinentür. Ich vernehme leises Getuschel, das letztendlich immer lauter wird. „Ich kann meine Tasche nicht finden! Moment noch!" Der Braunhaarige verdreht grinsend seine Augen und schüttelt den Kopf.

„Typisch Mädchen", brummt er amüsiert, „Ich muss kurz zur Laufbahn runter. Wenn ihr die Tasche gefunden habt, schließt bitte die Kabine ab und kommt zu mir."

„Machen wir!" Der Sportler schenkt mir ein flüchtiges Lächeln, hebt einmal die Hand und joggt dann aus meinem Blickfeld. Ohne noch länger zu zögern, reiße ich die Kabinentür auf und starre in zwei schockierte Gesichter.

„Äh...", stammele ich unbeholfen und schiele zu den Bänken hinüber. Jonahs dunkelblaue Sporttasche liegt nur wenige Meter neben mir auf dem Boden und grinst mich praktisch an. Ich muss sein Handy finden, damit ich endlich weiß, ob er nicht doch ein anderes Mädchen kennengelernt hat. „Lasst euch nicht von mir stören", lächele ich gezwungen, „Ich muss nur kurz etwas aus der Tasche von meinem Freund holen." Die beiden Mädchen nicken skeptisch und verschwinden dann zu den Toiletten.

Ich hingegen durchwühle Jonahs Tasche, bis ich endlich sein Handy in der Hand halte. Ich tippe das Geburtsdatum seines verstorbenen Katers ein und gebe einen erfreuten Laut von mir, als sich das Handy entsperrt. Ich habe ehrlich gesagt damit gerechnet, dass er seinen Code ändert. Meine Finger wandern suchend über die verschiedenen Apps und tippen letztendlich auf das grüne WhatsApp- Zeichen. Ich überfliege seine Chats, werde jedoch nicht fündig.

„Zane, Mum, Brandon, Fußballgötter." Ich stoße einen frustrierten Seufzer aus und öffne Snapchat. Vielleicht schreibt er dort mit einem anderen Mädchen.

Fehlanzeige.

Ich weiß nicht so recht, ob ich mich nun freuen soll oder nicht. Zum Glück hat mich Jonah durch kein anderes Mädchen ersetzt, was aber wiederum bedeutet, dass er mich tatsächlich nur wegen des Fußballes verlassen hat.

„Hast du gefunden, was du suchst?", reißt mich plötzlich eine neugierige Mädchenstimme aus meinen Gedanken. Vor lauter Schreck lasse ich Jonahs Handy fallen und schaue die Blondine ertappt an. „Ähm, ne, noch nicht", verhaspele ich mich mit roten Wangen und hebe das Handy auf. Mehrere Risse zieren nun sein Display. „Oh, fuck", fluche ich verzweifelt und schmeiße das Smartphone panisch in die Tasche zurück. Warum muss immer mir so etwas passieren?

„Kann es sein, dass du hier gar nichts suchst?" Ich wage es nicht, dem Mädchen in die Augen zu blicken, weshalb ich stur auf die dreckigen Fliesen starre. „Dasselbe könnte ich dich auch fragen", erwidere ich schließlich kleinlaut und schiebe Jonahs Tasche wieder unter die Bank. Wenn er mich hier sieht, wird er eins und eins zusammenzählen.

„Ich habe etwas in der Umkleide vergessen", mischt sich das braunhaarige Mädchen ein. Ich lege meine Stirn in Falten und mustere sie. Die beiden lügen. „Die Kabine ist für die nächste Zeit ausschließlich für die Fußballer reserviert. Ihr könnt hier also gar nichts vergessen haben." Die beiden schauen sich sprachlos an und richten ihre fassungslosen Blicke dann wieder auf mich. „Woher weißt du das?"

„Ich habe Kontakte", grinse ich siegessicher und werfe einen prüfenden Blick auf meine Uhr, „Und daher weiß ich auch, dass die Jungs in einer Viertelstunde Trainingsende haben."

„Wir müssen uns beeilen, Löckchen", drängelt die Blondhaarige nervös und blickt verstohlen zu den Waschbecken hinüber. Wenn ich es nicht besser wüsste, könnte man tatsächlich annehmen, dass die beiden die Kabine fluten wollen. „Was habt ihr vor?"

„Das geht dich nichts an!"

„Dann gehe ich halt zum Fußballtrainer und verpetze euch", lüge ich. Ich würde die beiden niemals verraten, aber das müssen sie ja nicht unbedingt wissen. „Wehe!", faucht mich die Blondine wütend an und bohrt ihren Zeigefinger in meinen Oberarm, „Wir waren zuerst hier. Und außerdem könnten wir dich genauso gut verpfeifen." Ich zucke unweigerlich zusammen und versuche mir meine Angst nicht ansehen zu lassen. Wenn mich die beiden verraten, war's das.

„Okay, okay", hebe ich beschwichtigend meine Hände, „Ich bin hier, um meinen Ex- Freund vom Fußballspielen abzuhalten." Die Mädchen werfen sich verschwörerische Blicke zu, ehe sie mich am Handgelenk zu den Waschbecken ziehen. „Er hat Schluss gemacht, um an diesem Trainingslager teilzunehmen?" Ich nicke stumm. „Und du bist ihm dann hier her gefolgt?" Ich nicke erneut. „Willkommen im Club." Ich werde in eine stürmische Umarmung verwickelt und weiß nicht so recht, wie mir gerade geschieht.

„Was meint ihr damit?", spreche ich meine Gedanken laut aus und löse mich aus ihren Armen. Ich schaue zunächst die Braunhaarige fragend an, dann die Blondine. „Nicht so wichtig", winkt Letztere grinsend ab, „Was meinst du, sollen wir die Anziehsachen klauen oder nass machen?" Ich blicke sie bloß verstört an und schüttele mit dem Kopf. Ich muss mich wohl verhört haben.

„Du hast die dritte Möglichkeit vergessen, Elin", schaltet sich die Braunhaarige belustigt ein, „Wir können auch die ganze Kabine unter Wasser setzen." Die Mädchen scheinen es ernst zu meinen, da sie bereits den Wasserhahn aufdrehen und ihre Blicke zu den Sporttaschen wandern lassen. „Ähm", kratze ich mich unsicher am Nacken, „Ich denke, dass es reichen sollte, die Anziehsachen nass zu machen."

Die Blondine nickt verstehend, ehe sie ihre Hände zu einer Schale formt und Wasser in dieser sammelt. Ihre Freundin durchwühlt derweil eine Tasche und kommt letztendlich mit mehreren Kleidungsstücken zum Waschbecken zurück. Ohne zu zögern hält sie die Anziehsachen unter das Wasser und wirft sie dann munter durch den Raum. „Das müsst ihr auch ausprobieren", grinst sie uns verschmitzt an und schleudert das nächste Kleidungsstück durch die Kabine. Ich werfe der Blondhaarigen einen misstrauischen Blick zu, doch sie zuckt lediglich mit den Schultern und schnappt sich eine Tasche.

Im Nullkommanichts ist die gesamte Umkleide verwüstet und halb unter Wasser gesetzt. „Elin, Sarina, seid ihr noch hier?", ertönt auf einmal eine genervte Jungenstimme. Wahrscheinlich der Braunhaarige, den ich mit einer Lüge weggelockt habe. „Shit, schnell weg hier!"

Wir nehmen uns an die Hand und sprinten dann aus der Kabine. Wir lassen nicht nur einen verwunderten Jungen hinter uns, sondern ebenfalls den Sportplatz.

Wenn das rauskommt, sind wir auf gut Deutsch gesagt am Arsch.

Elaynas POV

Braune, funkelnde Augen. Blondbraune, verwuschelte Haare. Süßes, charmantes Lächeln. „Asher", forme ich seinen Namen stumm mit meinen Lippen. Seit er sich vor gut einem Monat von mir getrennt hat, sehe ich ihn überall. Ich muss nur meine Augen schließen und schon sehe ich sein wunderschönes Gesicht vor mir.

„Achtung!"

Ich schrecke bestürzt hoch und reiße hastig meine Augen auf. Schon im nächsten Moment trifft mich eine Tasche am Kopf, während mir lauter Sand ins Gesicht gewirbelt wird. „Hey!", beschwere ich mich lautstark und springe auf. Ich reibe mir schnell den Sand von der Haut und halte dann nach den Übeltätern Ausschau.

Drei Mädchen, kaum älter als ich, rennen lachend den Strand entlang und rempeln zwischendurch andere Menschen an. Ich möchte mich gerade wieder kopfschüttelnd zurücklehnen, da bekomme ich auch schon die nächste Ladung Sand ab. Ich richte mich wütend auf und blicke einem sportlichen Jungen hinter her. Es scheint beinahe so, als würde er die drei Mädchen verfolgen. Meinetwegen können die vier überall fangen spielen, wo sie wollen, aber nicht hier am Strand, wo sich andere Leute sonnen und entspannen möchten.

Der Flug hier her hat mich wirklich vollkommen ausgelaugt, weshalb ich mich zunächst nur ausruhen möchte. Um Asher werde ich mich morgen kümmern.

„Das... wird... so... Ärger... geben", japst plötzlich eine atemlose Mädchenstimme. Ich greife instinktiv nach meiner Sonnenbrille und lasse erst dann meine schweren Lider aufflattern. Die drei Mädchen, die mich vor einigen Minuten umgelaufen haben, rennen erneut an mir vorbei. Sie sind völlig aus der Puste und dementsprechend schon viel langsamer geworden. Ihr Verfolger ist nur noch wenige Meter hinter ihnen.

„Sarina, Elin! Bleibt endlich stehen!", brüllt er wütend den ganzen Strand zusammen und beschleunigt sein Tempo. Die Mädchen drehen sich panisch um und versuchen ebenfalls schneller zu werden, doch sie scheitern. Der Abstand zwischen ihnen und dem Jungen wird immer kleiner. „Verdammte Scheiße, bleibt stehen!" Der Braunhaarige ist nun mit der Blondine gleichauf und hält sie am Handgelenk zurück.

Das Mädchen tritt und schlägt wild um sich, jedoch ohne Erfolg. Der Junge ist einfach deutlich stärker. „Wo ist der Schlüssel?" Ich rutsche möglichst unauffällig näher an die beiden heran, um besser lauschen zu können. Eigentlich gehört sich so etwas nicht, aber meine Neugierde siegt gerade.

„Welcher Schlüssel?", stellt sich die Blondine dumm und legt ihren Kopf leicht schief. Ihre braunen Augen funkeln schon vor lauter Provokation. „Der Schlüssel für die Kabine, verdammt!", schreit der Junge aufgebracht und verschränkt genervt die Arme vor der Brust. Die beiden scheinen nicht sehr gut aufeinander zu sprechen zu sein. „Oh", murmelt das Mädchen schließlich kleinlaut, „Du bist uns nur wegen des Schlüssels nachgelaufen?"

„Ja! Warum denn sonst?"

„Entwarnung, Mädels!" Die anderen beiden Mädchen trotten misstrauisch zu ihrer Freundin hinüber und positionieren sich jeweils rechts und links neben ihr. Sie verschränken beinahe synchron die Arme und starren abwartend auf den Braunhaarigen. „Bekomme ich jetzt endlich den Schlüssel? Der Trainer bringt mich sonst um!", fordert er ungeduldig und streckt die Hand aus. Die Größte von ihnen, ein Mädchen mit blonden Haaren und grünen Augen, grinst verschmitzt und gibt dem Jungen daraufhin einen High- Five. Ich muss ebenfalls schmunzeln und schüttele amüsiert den Kopf.

Das, was sich gerade vor meinen Augen abspielt, ist eindeutig besser als Kino.

„Ich kenne zwar nicht deinen Namen, aber das war absolut unlustig. Und warum hast du mich überhaupt eben angelogen?"

„Notlüge", gibt sie knapp von sich und zuckt entschuldigend mit den Schultern. Schade, dass ich nicht weiß, wie es überhaupt zu dieser bizarren Situation gekommen ist. „Hier ist der Schlüssel", unterbricht die Blondine seufzend das Blickduell der beiden und wirft dem Jungen einen Schlüsselbund zu. Er fängt ihn mit Leichtigkeit, ehe er sich dem Mädchen mit den braunen Locken zuwendet.

„Du schuldest mir noch ein Date." Ihr Mund öffnet sich einen Spalt, ihre Augen weiten sich. „Ich... Ähm", stottert sie hilflos und kratzt sich verlegen am Nacken. Anscheinend ist sie gerade ziemlich überfordert. „Das kannst du dir abschminken, du Angeber", zickt die Blondine los, „Wir haben die Tasche nicht gefunden. Und keine Tasche bedeutet auch kein Date." Sie legt ihren Arm um ihre Freundinnen und wendet sich zum Gehen ab, doch der Braunhaarige hält sie zurück.

„Ihr wolltet nur den Schlüssel haben und den habe ich euch gebracht", er klimpert extra mit dem Schlüsselbund, „Entweder geht Sarina mit mir auf ein Date aus oder ich erzähle dem Trainer, dass ihr heimlich in der Kabine ward."

„Was hast du ihm denn erzählt?", erkundigt sich der Lockenkopf neugierig und legt ihre Stirn in tiefe Furchen. „Dass ich den Schlüssel für den Kraftraum brauche." Es herrscht betretenes Schweigen, sodass ich schnell meinen Blick von der Gruppe abwende.

Über welche Kabine und über welchen Trainer reden sie bloß? Ich würde am liebsten nachhaken, aber das würde absolut komisch rüberkommen.

„Du bekommst dein Date, okay?", seufzt die Braunhaarige schließlich ergeben und reicht dem Jungen ihr Handy. Dieser tippt sichtlich zufrieden auf dem Display herum und verabschiedet sich dann zwinkernd von den Mädels. „Ich heiße übrigens Dawson. Nur damit du schon mal weißt, wie dein zukünftiger Freund heißen wird, Sarina!", ruft er über seine Schulter hinweg und joggt dann lachend davon. Die Mädchen ärgern sich noch kurz über diesen Dawson und verschwinden dann ebenfalls aus meinem Sichtfeld.

Damit wäre die Vorstellung wohl beendet.

Ich lege mich gelangweilt auf mein Handtuch und schließe die Augen. Direkt sehe ich ihn vor mir. Asher. Wie konnte er mich bloß verlassen? Der Braunäugige und ich waren tatsächlich über fünf Jahre zusammen. Was als harmlose Kindergartenbeziehung anfing, wurde irgendwann zu aufrichtiger Liebe.

„So give me reason to prove me wrong, to wash this memory clean, let the floods cross the distance in your eyes", weckt mich auf einmal mein Lieblingslied New Divide von Linkin Park. Ich setze mich benommen auf und taste verschlafen nach meinem Handy, das in meiner Strandtasche liegt. Ich nehme den eingehenden Anruf entgegen und murmele ein leises „Ja?" in den Hörer.

„Elayna Schatz, wie geht es dir?", ertönt sogleich die besorgte Stimme meiner Mutter, „Du wolltest dich doch melden, wenn du angekommen bist." Ich reibe mir die letzten Überreste Schlafsand aus den Augen und klemme das Handy zwischen Schulter und Ohr. „Tut mir leid, Mum. Ich war so müde, dass ich direkt schlafen gegangen bin und vergessen habe, dir zu schreiben", rechtfertige ich mich schuldbewusst und falte nebenbei mein Handtuch. Der Strand ist bereits fast leer, der Himmel hat sich schon verdunkelt. „Aber ich bin gut angekommen", füge ich schnell hinzu.

„Das ist schön. Konntest du schon mit Asher reden? Richte ihm doch bitte ganz liebe Grüße von mir aus." Ich seufze leise und schultere meine Tasche. Ich wünschte, ich hätte schon alles mit Asher geklärt, aber das bleibt wohl vorerst Wunschdenken. Meine Mum liebt diesen Jungen fast so sehr wie ich. Sie hat uns immerhin zusammen aufwachsen gesehen und zählt Asher somit zur Familie. Nachdem er sich so plötzlich von mir getrennt hat, brach auch für meine Mutter eine kleine Welt ein.

„Ich werde ihn morgen vor dem Training besuchen, Mum."

„Ich hoffe wirklich, dass ihr das klären könnt. Du weißt, dass du meine Unterstützung hast, Liebling."

„Das weiß ich sehr zu schätzen", lächele ich aufrichtig und betrete die Hotelanlage, „Ich muss jetzt auflegen. Das Buffet ist schon eröffnet und wenn ich mich nicht beeile, sind die leckersten Sachen gleich schon weg."

„Lass es dir schmecken und pass auf dich auf."

„Mache ich. Tschüss, Mum, hab dich lieb."

„Ich dich auch, Schatz." Ich verstaue mein Handy wieder in meiner Strandtasche und stelle mich dann am Buffet an. Von Nudeln über Reis bis hin zu Fisch und Pizza gibt es wirklich alles. Ich schaufele gierig meinen Teller voll und halte dann nach einem kleinen Tisch Ausschau. Es sind bereits alle Tische belegt. Ich spiele schon mit dem Gedanken, im Stehen zu essen, da fällt mein Blick auf einen Tisch mit drei bekannten Gesichtern.

Ich erkenne die Mädchen vom Nachmittag wieder und steuere möglichst selbstbewusst auf sie zu. Die drei wirken recht sympathisch und nicht so abgehoben wie andere in unserem Alter. „Ähm hey", lenke ich ihre Aufmerksamkeit auf mich, „Kann ich mich vielleicht zu euch setzen?" Ich deute unsicher auf den leeren Stuhl und zwinge mir ein halbwegs freundliches Lächeln auf die Lippen. Die Mädchen schauen sich kurz an, ehe sie einstimmig nicken. „Cool, danke", grinse ich zufrieden, „Ich bin Elayna."

„Elin."

„Sarina."

„Alica."

Dieses Mal liegt es an mir, zu nicken. Ich lasse mich neben Sarina nieder und beginne mit dem Essen.

„Hast du zufällig einen Ex- Freund?", fragt mich Elin nach einiger Zeit neugierig. Ich mustere sie kurz skeptisch und antworte dann mit einem knappen „Ja". Ich rede nicht so gerne über Asher. „Spielt er Fußball?" Ich bejahe die Frage erneut und lege mein Besteck beiseite. Worauf wollen die drei hinaus?

„Ob du willst oder nicht, du hast gerade neue, beste Freundinnen gefunden."

Dawsons POV

„Hey, Bürschchen, bleib sofort stehen!" Ich drehe meinen Kopf ruckartig nach links und begegne direkt den wütenden Augen des Bundestrainers. Er kommt mit eiligen Schritten auf mich zu und verschränkt dann verärgert die Arme vor der Brust. „Wo ist der Schlüssel?", keift er mich sauer an, weshalb ich verteidigend die Hände in die Höhe halte.

Wären die Mädchen nicht einfach wortlos an mir vorbeigestürmt, hätte ich den Schlüssel schon längst wieder abgegeben.

„Tut mir leid, ich wurde aufgehalten", murmele ich schuldbewusst und überreiche dem grauhaarigen Mann den klirrenden Schlüsselbund. Er reißt mir die Schlüssel grob aus der Hand und fordert mich dann mit einer flinken Bewegung auf, ihm zu folgen.

„Sieh, was du angerichtet hast!"

Ich stoße neugierig die Kabinentür auf und erstarre. Überall stehen verzweifelte Fußballer, die ihre nasse Kleidung über dem Waschbecken auswringen. Der Boden ist ebenfalls nass. „Fuck, Leute, mein Handy ist kaputt", lenkt ein schwarzhaariger Junge meine Aufmerksamkeit auf sich. Er hockt neben seiner dunkelblauen Sporttasche und mustert wehmütig sein zersprungenes Display. Was haben die Mädels bloß angestellt?

„Ich habe hier mit wirklich nichts zu tun", richte ich mich langsam an den Bundestrainer, der immer noch mit verschränkten Armen vor mir steht. Seinem verkniffenen Blick nach zu urteilen, schenkt er meinen Worten keinen Glauben. „Ich habe nur den Kraftraum aufgeschlossen und wollte ihnen dann den Schlüssel zurückbringen, aber ich wurde aufgehalten", lüge ich möglichst überzeugend. Wenn mir Sarina bei unserem Date keinen vernünftigen Grund für dieses Chaos nennt, kann ich sie und ihre zickige Freundin immer noch verraten.

„Wer oder was hat dich denn aufgehalten, mein Lieber?", erkundigt sich der Trainer interessiert bei mir und tippt abwartend gegen seine Wange. Dieser Mann weiß wirklich ganz genau, wie er andere Menschen einschüchtern kann. Ich hätte kein Problem damit, mich mit ihm anzulegen, aber da ich die nächsten Wochen ebenfalls täglich auf diesem Sportplatz verbringen werde, lasse ich es lieber.

„Ich musste ein Mädchen zum Hausmeister begleiten. Sie wirkte ziemlich aufgelöst und hat nach den Schlüsseln für die Umkleidekabinen gefragt", verdrehe ich weiterhin die Wahrheit und zucke unschuldig mit den Schultern. Mit dieser kleinen Notlüge lenke ich den Verdacht immerhin von mir ab. „Ganz langsam. Wie sah dieses Mädchen aus?"

„Ähm", verhaspele ich mich überfordert, „Sie hatte rote Locken und blaue Augen. Sie war recht klein und etwas dicker." Jetzt gilt es zu hoffen, dass kein Mädchen auf diesem Sportplatz meiner erfundenen Beschreibung entspricht. „Okay, danke", murmelt der Grauhaarige emotionslos und klopft mir kurz auf die Schulter, „Ich lasse dich trotzdem nicht aus den Augen."

Ich nicke etwas eingeschüchtert und entferne mich dann mit schnellen Schritten von der Umkleidekabine. Schöne Scheiße, in die mich Sarina und Elin reingeritten haben.

Romys POV

Heute ist der Tag, an dem ich den ersten Schritt meines Planes umsetzen werde: Cade die Lust am Fußballspielen zu nehmen. Ich habe den gestrigen Tag dazu genutzt, den Sportplatz und das Hotel der Fußballer aufzusuchen. Ich wurde ziemlich schnell fündig und habe dann die restlichen Stunden entspannt am Pool verbracht.

„Shit", fluche ich leise, als ich mit meinem kleinen Zeh an einem Stein hängen bleibe. Das ist auf jeden Fall ein toller Start in den neuen Tag. Ich stoße ein frustriertes Seufzen aus und bahne mir meinen Weg an die frische Luft. Obwohl es noch nicht einmal zehn Uhr morgens ist, ist es draußen bereits brütend heiß. Ich binde mir schnell meine braunen Haare zu einem hohen Pferdeschwanz zurück und krempele die Ärmel meines T- Shirts hoch. Vielleicht hätte ich mich doch etwas luftiger anziehen sollen.

Ich möchte gerade den Weg zum Sportplatz antreten, da fällt mein Blick auf vier Mädchen, die einen Bollerwagen gefüllt mit bunten Wasserbomben hinter sich herziehen. Mir kommt direkt eine perfekte Idee. Da Cade Wasser hasst, wäre es perfekt, ihn mit den kleinen Ballons abzuwerfen. Ich müsste mir nur ein gutes Versteck suchen und schon könnte der Spaß beginnen.

Ich verziehe meine Lippen zu einem teuflischen Grinsen und steuere die Mädelsgruppe an. „Heeey", begrüße ich sie überschwänglich, „Was habt ihr mit all den Wasserbomben vor?" Die Mädchen mustern mich skeptisch und runzeln nachdenklich die Stirn. Können sie nicht einfach antworten? „Lass das mal unsere Sache sein", zickt mich die Blondine genervt an und betrachtet ihre roten Fingernägel. Sie ist sich sicherlich viel zu schade, um mit Wasser in Berührung zu treten.

„Ich gebe euch zwanzig Dollar, wenn ihr mir den Bollerwagen überlasst", schlage ich knirschend vor und krame mein Portemonnaie aus meiner Hosentasche. Ich brauche die Wasserbomben! „Tzzz", lacht der blonde Teufel spöttisch, „Das kommt gar nicht in Frage!" Ich presse wütend meine Lippen zu einer schmalen Linie zusammen und balle meine Hand zu einer Faust. „Fünfzig Dollar!" Ich erwidere ihren stechenden Blick und lege fragend meinen Kopf schief.

Die Mädels können ihre Wasserschlacht bestimmt vertagen, aber ich muss Cade unbedingt heute eins auswischen. „Nö."

„Wie viel Dollar willst du denn haben?", werfe ich genervt meine Arme in die Luft und rolle mit den Augen. Die Blondine scheint wahrlich Spaß daran gefunden zu haben, mich zu provozieren. Ihre drei Freundinnen stehen bloß unbeteiligt daneben und lauschen stumm unserem Gespräch. „Der Bollerwagen und die Wasserbomben sind unverkäuflich", zuckt die Braunäugige gehässig mit den Schultern, „Und jetzt verzieh dich endlich!"

Wut kocht in mir hoch und veranlasst mich dazu, an ihren blonden Haaren zu ziehen. „Du hast mir gar nichts vorzuschreiben", zische ich sie wütend an und schubse sie zu ihren geschockten Freundinnen zurück. Sie wirft mir einen finsteren Blick zu und stapft dann mit erhobenem Mittelfinger davon.

„Fuck", fluche ich erzürnt und trete missmutig in den warmen Sand. Das wäre meine Chance gewesen. Jetzt muss ich mir wohl oder übel einen Gartenschlauch suchen und hoffen, rechtzeitig vor Cade und seinen Fußballfreunden zu entkommen.

Ich schlendere deprimiert den Weg zum Sportplatz entlang und rufe nebenbei meine beste Freundin Avery an. Vielleicht hat sie noch ein paar gute Tipps auf Lager.

„Die Idee mit dem Wasserschlauch ist ziemlich riskant", meint sie nachdenklich, nachdem ich ihr meine derzeitige Situation geschildert habe, „Aber auch lustig." Typisch Avery. Manchmal lebt sie tatsächlich nach dem Motto No risk, no fun. „Also soll ich das Risiko eingehen oder nicht?", frage ich sie hin und hergerissen und bleibe vor dem Sportplatz stehen. Genau in diesem Moment erscheinen die ersten Fußballer, die sich lachend unterhalten und das Fußballfeld ansteuern. Cade ist einer der letzten und fährt sich grinsend durch die schwarzen Haare. Sein Anblick lässt mein Herz verkrampfen.

„Weißt du was, scheiß drauf, Avery, ich mach's!"

Ohne meine beste Freundin noch einmal zu Wort kommen zu lassen, beende ich das Telefonat und setze mir eine dunkelblaue Cap und eine Sonnenbrille auf. Sicher ist sicher. Ich atme noch einmal tief durch und betrete dann den Sportplatz. Ich komme aber nicht weit, da sich schon nach wenigen Metern eine große Hand auf meine Schulter legt. Ich drehe mich panisch um meine eigene Achse, nur um gleich darauf die angehaltene Luft erleichtert auszuatmen. Der Junge vor mir hat braune Haare und bernsteinfarbene Augen. Eins steht fest: Er ist zum Glück nicht Cade.

„Was willst du?", frage ich ihn schließlich mit hochgezogenen Brauen und lege die Stirn in Falten. Hoffentlich kennt er Cade nicht! „Fahr mal wieder die Krallen ein, Miezekatze", lacht er amüsiert auf und wirft den Kopf in den Nacken. Ich verdrehe bloß meine Augen und reiße mich von ihm los. „Weißt du zufällig, ob es hier irgendwo einen Wasserschlauch gibt?", ignoriere ich seine alberne Bemerkung und schaue ihn fragend an.

Entweder hilft er mir oder er soll mich gefälligst in Ruhe lassen. Je länger ich hier stehe, desto größer ist auch die Gefahr, dass mich Cade zufällig sieht. „Warum möchtest du das wissen?"

„Kannst du mir nicht einfach antworten?"

„Willst du eine Kabine unter Wasser setzen oder was?" Dieses Mal liegt es an mir, lauthals loszulachen. „Auf was für absurde Ideen kommst du denn bitteschön?", frage ich ihn kopfschüttelnd, „Ich brauche den Wasserschlauch, um mich an meinem Ex- Freund zu rächen." Der Braunhaarige starrt mich kurz entgeistert an, ehe er verstehend nickt. „Dann gehörst du wohl zu Sarina und Elin."

„Keine Ahnung, wer das sein soll", erwidere ich verwirrt, „Ich bin alleine hier."

„Du musst mich nicht belügen. Ich habe die beiden eben mit zwei anderen Mädchen und einem Bollerwagen gesehen. Ich weiß wirklich nicht, was ihr schon wieder ausheckt, aber lasst mich da raus. Ich habe bereits eine unschöne Begegnung mit dem Bundestrainer hinter mir." Meine Augen weiten sich automatisch. Wenn die vier Mädchen auch hier sind, kann ich mir vielleicht ein paar Wasserbomben borgen oder besser gesagt klauen. Ich muss sie unbedingt finden.

„Weißt du, wo du Mädels hingegangen sind?", wende ich mich wieder an den durchtrainierten Athleten und schenke ihm ein unschuldiges Lächeln. Er ist der Einzige, der mich zu ihnen führen kann. „Nein. Ich wollte nämlich dich fragen, wo sie hingegangen sind." Ich zucke ahnungslos mit den Schultern und lasse dann meinen Blick über die Sportanlage schweifen. Wo würde man am ehesten mit einem Bollerwagen hingehen? Noch bevor mir ein geeigneter Ort einfällt, murmelt der Junge neben mir „Gefunden".

Ich folge seinem wütenden Blick und mache die vier Mädchen in zwei Bäumen neben dem Fußballfeld aus. Sie haben sich Tiermasken aufgesetzt und halten bereits die ersten Wasserbomben in den Händen. Diesen Spaß möchte ich mir auf keinen Fall entgehen lassen.

Ich sprinte unverzüglich an den Fußballern vorbei und bleibe keuchend unter den Bäumen stehen. „Wartet", japse ich atemlos und stemme die Hände in die Hüften, „Ich will mitmachen." Das Mädchen mit der Froschmaske schüttelt direkt ihren Kopf, wohingegen die anderen drei bloß teilnahmslos mit den Schultern zucken. Die zickige Blondine ist dann wohl der Frosch. Passt ja.

„Bitte", flehe ich verzweifelt, „Ich will meinem Ex- Freund eins auswischen." Als hätten meine Worte Wunder bewirkt, nickt der Frosch und deutet auf einen breiten Ast neben sich. „Wir haben aber keine Maske mehr."

„Egal", winke ich zufrieden ab und klettere umständlich auf den Baum. Mir werden direkt zwei Wasserbomben in die Hand gedrückt, weshalb mein teuflisches Grinsen noch breiter wird. „Bereit?", hakt das Mädchen mit der Kuhmaske nach.

„Nein!"

Wir zucken allesamt erschrocken zusammen und starren den braunhaarigen Jungen an. Er steht mit verschränkten Armen vor uns und mustert uns erzürnt. „Was macht ihr hier?", schreit er aufgebracht, „Ihr spinnt doch total!"

„Halt die Klappe, du Spießer!" Der Frosch hüpft vom Baum und hält dem Jungen demonstrativ den Mund zu. Die beiden hatten wohl schon des Öfteren das Vergnügen miteinander. Der Braunäugige reißt sich genervt von dem Mädchen los und fragt dann: „Wer von euch möchte sich alles an seinem Ex- Freund rächen?" Synchron schnallen fünf Arme zum Himmel empor. Das ist doch unmöglich. Diesen vier Mädchen kann niemals dasselbe Schicksal widerfahren sein, wie mir.

„Und warum wollt ihr euch rächen?" Da die vier betreten schweigen, übernehme ich das Reden. „Cade hat mich verlassen, um Fußballprofi zu werden. Absolut lächerlich", lache ich betrübt auf, „Aber ihm wird die Lust am Fußballspielen schon noch vergehen." Ich deute verschwörerisch auf die Wasserbomben in meiner Hand und dann auf den Bollerwagen. „Rache ist nass", hauche ich lächelnd und visiere meinen Ex- Freund an.

„Warte!", lässt mich der Braunhaarige erneut innehalten. Ich drehe meinen Kopf zu ihm und schenke ihm einen fragenden Blick. „Ich helfe euch!"

Sarinas POV

Ich schaue Dawson mehr als nur verwirrt an. Warum sollte er uns helfen wollen?

„Ist das jetzt ein schlechter Scherz oder was?", hakt Elin direkt skeptisch nach und nimmt ihre Froschmaske ab. Ihre makellose Stirn liegt in tiefen Furchen, während sich ihr düsternder Blick in Dawsons Augen bohrt. „Ich lache nicht, also ist das kein Witz", erwidert er trocken und schnappt sich eine rote Wasserbombe, „Ich gebe euch die Ballons an. Dann geht es schneller."

Ich nicke bloß irritiert und suche mit meinen Augen nach Clay. Er passt sich gerade mit einem anderen Jungen den Ball zu und fährt sich lässig durch die blonden Haare. Ich vermisse ihn. „Und außerdem", lenkt Dawson meine Aufmerksamkeit wieder auf sich, „kenne ich einen Geheimausgang." Irgendwie traue ich ihm nicht so ganz. Wir haben ihn gestern belogen und ausgenutzt und er möchte uns trotzdem helfen?

„Na schön. Aber wehe du vermasselst es!", droht Elin misstrauisch und klettert wieder auf den Baum. Wir bringen uns alle in Position und visieren unser Ziel an. Clay. Er dribbelt den Ball durch Hütchen und setzt zum Torschuss an. Als er gerade den Ball berührt, trifft ihn die erste Wasserbombe an der Schulter.

„Feuer freiiiii!", ruft Alica lauthals und wirft ihre Ballons Richtung Spielfeld.

Ich lasse Clay nicht aus den Augen und versuche ihn mit meinen Wasserbomben zu treffen. Unmännliches Gekreische und fiese Beleidigungen erfüllen die Luft. Es fliegen immer mehr Ballons Richtung Spielfeld, sodass sich die Fußballer in die kleinen Trainerhüttchen retten. Apropos Trainer: Der grauhaarige Mann läuft wütend auf den Rasen und steuert geradewegs auf uns zu.

„Wer sein Gesicht trifft, bekommt fünf Dollar von mir", kichert Elayna verschwörerisch und zielt auf den Trainer. Wir tun es ihr gleich und tatsächlich ist sein weißes Hemd binnen weniger Sekunden vollkommen durchnässt. Seine Schützlinge treten mittlerweile vorsichtig zurück auf das Spielfeld und beobachten das Szenario kritisch. Ich würde Clay gerne noch einmal abwerfen, aber ich komme leider nicht so weit.

„Ich brauche neue Wasserbomben, Dawson!", weise ich den Braunhaarigen aufgeregt zurecht und strecke ihm meine Hände entgegen. „Wir haben keine mehr", erwidert er trocken, bis er realisiert, was er da gerade überhaupt gesagt hat. „Rückzug!", schreit Elin panisch und springt vom Baum. Ich stoße mich ebenfalls von dem dicken Ast ab und lande unsanft auf dem Boden.

Die anderen Mädchen hasten bereits Dawson hinter her, sodass ich mich schnell bemühe, Anschluss zu finden. „Komm schon, Löckchen!", ruft mir Elin über die Schulter zu und fokussiert dann etwas hinter mir. Ich drehe mich im Lauf um und stelle schockiert fest, dass uns die Fußballer inklusive Trainer folgen. „Shit, shit, shit", fluche ich ängstlich und beschleunige meine Schritte. Es wird nicht mehr lange dauern, dann haben mich die Fußballer eingeholt.

„Löckchen!" Elin und die anderen klettern durch ein Loch im Zaun und springen nervös auf und ab. „Beeil dich!" Mein Herz rast, meine Gedanken überschlagen sich. Wenn mich Clay jetzt sieht, ist alles vorbei. Ich erreiche atemlos das Loch und husche schnell auf die andere Seite. Dawson ist dicht hinter mir, versperrt das Loch mit einem morschen Holzbrett und lotst uns dann in einen kleinen Wald, der hinter dem Sportplatz liegt.

Das war verdammt knapp.

Ich lasse mich erschöpft auf einem umgekippten Baumstamm nieder und schnappe nach Luft. „Oh mein Gott", schnauft das neue Mädchen mit den braunen Haaren neben mir und fährt sich mit der Hand über das schweißnasse Gesicht, „Adrenalinkick hoch zehntausend." Ich stimme ihr nickend zu und lasse meine Augenlider zuflattern. Ich möchte mir gar nicht erst vorstellen, was passiert wäre, wenn mich Clay entdeckt hätte.

„Was machen wir denn jetzt wegen des Bollerwagens?", durchforstet Elayna nach einiger Zeit die Stille und schaut uns abwartend an. „Darum kümmere ich mich später", bietet Dawson lächelnd an, ehe er sich sein verschwitztes Shirt über den Kopf zieht. Er sieht wirklich verboten gut aus. Als ich bemerke, dass ich ihn ziemlich auffällig anstarre, wende ich schnell meinen Blick von ihm ab. Clay fehlt mir wohl so sehr, dass ich jetzt schon anderen Jungs nachschaue.

„Aber ich glaube, dass ihr mir noch einiges zu erklären habt", fügt er betont langsam hinzu und durchlöchert mich mit seinen braunen Augen. Warum muss ausgerechnet ich ihm unsere verkorkste Situation erklären? „Da gibt es nichts, das du noch nicht weißt", zuckt Elin mit den Schultern, „Unsere Ex- Freunde haben sich wegen des Fußballes von uns getrennt und wir rächen uns nun an ihnen." Ich nicke bestätigend und schaue auf meine Füße hinab.

Eigentlich ist das, was wir machen, ziemlich kindisch, aber die Jungs haben es verdient.

„Warum redet ihr nicht einfach mit ihnen?", fragt Dawson neugierig und runzelt die Stirn, „Ihr müsst doch nicht jeden Tag irgendetwas unter Wasser setzen." Alica räuspert sich leise und beginnt dann zu erzählen: „Ich habe versucht mit Jonah zu sprechen, aber er hat immer abgeblockt. Wenn Worte nichts bringen, dann vielleicht Taten."

„Bei mir ist es genau so", offenbare ich gekränkt, „Clay hat mich die ganze Zeit über ignoriert. Er soll sehen, was er davon hat." Meine Worte klingen teuflischer als gedacht, aber es ist die Wahrheit.

„Oh, verdammt!"

Unsere fragenden Blicke richten sich auf das braunhaarige Mädchen. „Was ist los?", möchte Elayna wissen und wirft einen prüfenden Blick auf ihr Handy. „Mein Ex ruft mich gerade an!" Ich kann die Panik in ihren blauen Augen sehen, weshalb ich mich bemühe, ihr Mut zuzureden. „Bleib ganz ruhig", weise ich sie vorsichtig zurecht, „Nimm seinen Anruf entgegen und warte ab, was er dir zu sagen hat."

„Und stell auf Lautsprecher", befiehlt Elin zwinkernd und hockt sich vor dem Mädchen auf den Boden. Sie nickt nervös und piepst dann ein geräuschloses „Hi" in den Hörer. „Romy, wie geht es dir?", ertönt sogleich eine emotionslose Jungenstimme. Obwohl ich den Jungen nicht kenne, verpasst mir die Kälte seiner Stimme eine Gänsehaut. „Äh, gut und dir?"

„Nicht so gut. Wo bist du gerade?" Romy schaut uns hilfesuchend an und gestikuliert dabei wild mit ihren Armen herum. „Ich, ähm", stottert sie verzweifelt und fängt Dawsons Blick auf, „Ich bin gerade bei einem Kumpel." Klingt glaubwürdig. „Aha. Bei welchem denn?"

„Kennst du nicht. Warum rufst du mich überhaupt an?"

„Bist du in Spanien?" Wir schauen uns alle fassungslos an und raufen uns die Haare. Hat er sie etwa erkannt? Die Braunhaarige hatte immerhin keine Maske auf, sondern lediglich eine Cap und eine Sonnenbrille. „N- Nein", presst sie nervös hervor, „Ich bin zu Hause in England."

„Sie ist bei mir, Kumpel", schaltet sich schließlich Dawson mit verstellter Stimme ein, „Und wenn du nicht dazu bereit bist, ein klärendes Gespräch zu führen, dann solltest du besser wieder auflegen." Kaum hat er diese Worte von sich gegeben, ertönt ein gleichmäßiges Tuten.

„Ich hasse ihn!", schreit Romy mit Tränen in den Augen und wirft ihr Handy auf den Boden. Sie bettet ihr Gesicht in ihren zitternden Händen und schluchzt leise. Elayna ist die Erste, die sich zu ihr setzt und beruhigend über ihren Rücken streichelt. „Hey, das wird schon wieder", flüstert sie einfühlsam, „Du hast ja jetzt uns an deiner Seite. Wir halten immer zu dir, okay?" Romy nickt erschöpft und zwingt sich ein gequältes Lächeln auf die Lippen. „Wie sieht's mit dem Wasserschlauch aus?", wendet sie sich an Dawson, der bloß kopfschüttelnd grinst. „Da lässt sich bestimmt etwas machen. Aber für heute ist es genug", meint er nachdenklich und lächelt entschuldigend.

Natürlich muss Elin direkt protestieren. „Das war für heute erst der Anfang, Mädels! Wir kaufen uns neue Masken und überlegen uns derweil einen neuen Plan. Die Jungs werden für ihr lächerliches Verhalten büßen!" Alica und Romy nicken zustimmend und klatschen begeistert in die Hände. „Ich habe noch so einige Tricks auf Lager", kichert die Blondhaarige vergnügt und hakt sich bei Romy unter.

„Na schön, dann ist das wohl beschlossene Sache. Auf in die Innenstadt!", übernehme ich das Wort und wende mich an Dawson, „Willst du mitkommen?" Er wirft einen flüchtigen Blick auf seine Sportuhr und schüttelt dann den Kopf. „Ich habe gleich Training", erklärt er, „Ruf mich einfach an, wenn ich euch helfen soll. Ihr wisst ja, wo ihr mich finden könnt." Wir bedanken uns mit einem „Du bist der Beste" bei ihm und suchen uns dann gemeinsam einen Weg aus dem Wald. Wir machen einen großen Bogen um den Sportplatz und steuern die Innenstadt an.

Da Romy nun offiziell ein Teil unserer Gruppe ist, braucht sie noch eine Maske. Elin, der Frosch. Alica, die Kuh. Elayna, das Schaf. Und ich, das Küken. Mal gucken, was da noch für Romy übrigbleibt. 

Elins POV

„Jetzt bist du endlich eine von uns", klatscht Alica freudig in die Hände und bedeutet Romy ihre Schweinchenmaske aufzusetzen. Die Braunhaarige seufzt ergeben und hält sich die rosa Maske vor ihr Gesicht. Wir kreischen begeistert und ziehen sie in eine herzliche Umarmung. Endlich ist unsere Gruppe komplett.

„Tut mir übrigens leid, dass ich heute Morgen so doof zu dir war", wende ich mich entschuldigend an Romy, als wir uns auf den Rückweg zum Hotel begeben. Die Blauäugige hat mich extrem genervt, wahrscheinlich, weil wir uns ziemlich ähnlich sind. „Schon gut. Ich hätte auch nicht an deinen Haaren ziehen sollen", erwidert sie grinsend und streckt mir ihre Hand entgegen, „Frieden, Barbie?"

„Frieden, Ken!" Wir lachen lauthals und schließen dann die Lücke zu den anderen auf.

Ich hätte nie im Leben damit gerechnet, dass es weitere Mädchen gibt, denen das identische Schicksal widerfahren ist, wie mir. Romy, Sarina, Alica und Elayna sind von Grund auf verschieden, aber ich habe das Gefühl, dass ich in jedem von ihnen eine tolle Freundin gefunden habe. Ich kenne sie zwar kaum, doch was nicht ist, das kann noch werden.

„Wann ist eigentlich das nächste Fußballtraining angesetzt?", erkundigt sich Sarina neugierig bei Alica und lässt sich erschöpft in den warmen Sand fallen. Ich setze mich neben sie und strecke mein Gesicht der Sonne entgegen. Ein wenig mehr Bräune würde mir sicherlich nicht schaden. „Laut Zane um vier Uhr", antwortet die Blondine schulterzuckend und streckt ihre langen Beine aus. Ich werde eigentlich nicht schnell eifersüchtig, aber Alica ist eine Person, die man nur beneiden kann. Sie ist wunderschön, klug und witzig. Ihr Freund hat wirklich einen riesigen Fehler gemacht.

„Uhhh", reißt mich Romy augenbrauenwackelnd aus meinen Gedanken, „Wer ist denn Zane?"

„Mein bester Freund", erwidert Alica lachend und schüttelt den Kopf. Sie hat uns schon gestern von ihrem Kumpel erzählt und uns den Trainingsplan der Jungs gezeigt. Ohne diesen Plan wären wir wahrscheinlich ziemlich aufgeschmissen. „Wäre der denn nichts für dich?", hakt Romy grinsend nach und formt mit ihren Händen ein Herz. Sarina, Elayna und ich tun es ihr automatisch gleich. „Leute", stöhnt die Grünäugige kichernd auf und wirft uns mit Sand ab, „Er ist nicht umsonst nur mein bester Freund."

„Wie meinst du das?"

„Er ist schwul."

Das Gekreische, das daraufhin ertönt, ist mehr als nur ohrenzerreißend laut. „Wie süß", quietscht Elayna begeistert, „Hat er denn einen Freund?"

„Jap, hat er." Ich presse reflexartig meine Hände auf meine Ohren, kann das Geschrei aber dennoch gut hören. Insgeheim wünscht sich doch jedes Mädchen einen schwulen, besten Freund. „Hast du ein Foto von den beiden?" Alica zückt ihr Handy und tippt kurz auf dem Display herum, ehe sie uns ein Bild von zwei hübschen Jungs zeigt. „Das ist Zane", lächelt sie und deutet auf den rechten Jungen, „Und der andere ist Myles." Zane hat schwarze Locken und stechendgrüne Augen, wohingegen Myles blonde Haare und himmelblaue Augen hat. Optisch passen die beiden perfekt zusammen.

„Sind sie schon lange ein Paar?", bringe ich mich neugierig mit ins Gespräch ein. „Die zwei sind schon seit fast drei Jahren zusammen", strahlt Alica freudig und verstaut ihr Handy wieder in ihrer Hosentasche, „Und sie sind so unglaublich süß." Ich quietsche leise und verfalle dann in Gedanken an Raiden.

Uns wurde auch immer gesagt, dass wir total süß zusammen wären, doch gebracht hat es uns nichts. Immerhin sitze ich gerade mit vier fremden Mädchen am Strand in Spanien, anstatt in Raidens Armen zu liegen. Bevor er endlich zu mir zurückkommt, soll er leiden.

„Wie wollen wir unsere geliebten Ex- Freunde denn gleich provozieren?", wechsele ich schadenfroh das Thema und blicke abwartend in die Runde. Sarina, Elayna und Alica scheinen fieberhaft zu überlegen, während sich auf Romys Lippen bereits ein teuflisches Grinsen abzeichnet. Das Mädchen wird mir immer sympathischer. „Ich finde die Idee mit dem Wasserschlauch immer noch ziemlich verlockend", lässt sie uns an ihren düsteren Gedanken teilhaben und vergräbt ihre Füße in dem Sand. „Das wäre dann schon die dritte Aktion mit Wasser", äußert Sarina ihre Bedenken und legt ihren Kopf schief. Ihre braunen Locken fallen ihr strähnig ins Gesicht und verdecken somit einen Teil ihrer rehbraunen Augen. „Ist doch egal", zuckt Elayna mit den Schultern, „Angeblich sind alle guten Dinge drei." Ich stimme ihr lachend zu und erhebe mich dann.

Wenn die Jungs tatsächlich um vier Uhr Training haben, bleibt uns nicht mehr allzu viel Zeit. Außerdem müssen wir erst noch einen Wasserschlauch suchen und diesen mit einem Wasserhahn verbinden. „Was haltet ihr davon, wenn wir einfach den Hausmeister bestechen und er die Fußballer nass macht?", frage ich in die Runde und kaue nachdenklich auf meiner Unterlippe. Ich würde am liebsten diesen eingebildeten Dawson vorschicken, aber da er bereits ein Gespräch mit dem Bundestrainer hinter sich hat, fällt er weg. „Keine schlechte Idee, Barbie", überlegt Romy, „Aber wie sollen wir den Hausmeister bestechen? Und vor allem, wie sollen wir ihn überhaupt ansprechen? Ich kann jedenfalls kein spanisch sprechen."

„Ich aber", erwidern Elayna und ich synchron, sodass wir kurz schmunzeln müssen. Ich musste in der sechsten Klasse zwischen spanisch und französisch wählen, weshalb ich die Sprache nun fast flüssig sprechen kann. „Perfekt", säuselt Alica und nickt zufrieden.

Den restlichen Weg zum Sportplatz verbringen wir damit, uns die Worte für den Hausmeister zurecht zu legen oder kindisch herumzualbern. „Jetzt bleibt nur noch die Frage offen, wo wir den Mann finden können", seufzt Sarina frustriert, sobald wir den Sportplatz erreicht haben. Ich werfe einen Blick auf die Schilder und deute dann auf das Wort encargado del campo. „Das bedeutet so viel wie Platzwart", erkläre ich der verwirrten Romy und grinse.

„Hey, Mädels!" Wir drehen unsere Köpfe nach rechts und entdecken einen verschwitzten Dawson. „Was macht ihr schon wieder hier?", fragt er uns misstrauisch und fährt sich einmal mit der Hand über das Gesicht. Sein Blick fokussiert mich, wandert dann jedoch zu Sarina weiter.

Ich nutze seine Unachtsamkeit, drücke Elayna das Bestechungsgel in die Hand und schubse sie dann unsanft Richtung Platzwart. Die Braunäugige verschwindet mit eiligen Schritten.

„Wir wollten uns nur ein bisschen umsehen", antworte ich schließlich und lächele scheinheilig. Ich weiß, dass Dawson nicht dumm ist, aber es macht wirklich Spaß, ihn zu provozieren. „Stellt bitte nichts Unüberlegtes an, okay?", bittet er uns beinahe flehend, woraufhin wir brav nicken. Alles, was wir machen, ist durchaus überlegt und geplant. „Gut", atmet der Athlet erleichtert aus und hebt kurz die Hand, „Ich gehe mal schnell für kleine Jungs und trainiere dann weiter. Tut nichts, das ich nicht auch machen würde."

„Jaja", murmele ich abwesend und scheuche ihn mit einer flinken Bewegung davon. Es ist wirklich gruselig, dass er immer genau da auftaucht, wo wir gerade sind.

Ich schnappe mir Romys und Alicas Hand und ziehe die beiden hinter mir her. Vielleicht könnte Elayna etwas Hilfe gebrauchen. Sie steht gut hundert Meter von uns entfernt und redet nahezu verzweifelt auf einen grauhaarigen Mann ein. „Meint ihr, dass er es macht?", möchte Sarina skeptisch wissen und runzelt die Stirn. „Hm", überlege ich, „Keine Ahnung." Sollte er unseren Bestechungsversuch ablehnen, brauchen wir schleunigst einen neuen Plan.

„Er hat das Geld angenommen!" Tatsächlich reicht Elayna dem Mann das Geld und kommt dann mit erhobenen Daumen auf uns zu. „Er macht es", kreischt sie vergnügt und springt in Alicas Arme. Ich lasse mich ebenfalls auf die beiden fallen und finde mich schnell in einer Gruppenumarmung wieder. Sarina ist die Erste, die sich wieder von uns löst und auf die Uhrzeit aufmerksam macht. Nur noch zwanzig Minuten.

Wir schlendern um den Fußballplatz und hocken uns auf dieselben Bäume wie bereits heute Morgen. Wenn man nicht weiß, dass wir hier sitzen, kann man uns auch nicht sehen. „Das wird legendär", freut sich Romy kichernd und wackelt spielerisch mit den Augenbrauen. Wir stimmen ihr bloß lachend zu und fokussieren den Rasen.

Es dauert nicht lange, da betreten auch schon die ersten Fußballer inklusive der Trainer das Spielfeld. Ich muss zugeben, dass Raiden in seinem weißen Trikot ziemlich heiß aussieht. Das Training nimmt seinen Lauf und der Hausmeister hat sich immer noch nicht blicken lassen.

„Da ist er", raunt plötzlich Alica verschwörerisch und deutet auf den grauhaarigen Mann. Ohne noch einmal mit der Wimper zucken zu können, schließt er den Wasserschlauch am Wasserhahn an und richtet diesen auf das Fußballfeld. Die Trikots der Spieler weichen durch und geben somit den Blick auf ihr Sixpack frei.

„Verdammte Scheiße! Kann man hier nicht einmal in Ruhe trainieren?!" Wir kichern leise und schauen schadenfroh dabei zu, wie der Bundestrainer auf den Platzwart zugeht und verzweifelt auf ihn einredet. Dabei wird er mehrfach von dem Wasserstrahl getroffen.

„Unsere Arbeit ist für heute getan", lächele ich mehr als nur zufrieden und springe von dem Ast runter. Die anderen tun es mir gleich, sodass wir uns wenig später vom Sportplatz schleichen. Das war ein erster, erfolgreicher Tag!

Alicas POV

Es ist mittlerweile halb elf am Abend und ich sitze mit den Mädels am Strand. Wir haben es uns auf einer Picknickdecke bequem gemacht und unterhalten uns lachend über den Tag. Das wutverzerrte Gesicht vom Bundestrainer werden wir wohl so schnell nicht vergessen können.

„Es wird Zeit für eine Runde ‚Never have I ever'", grinst Romy teuflisch und drückt jedem von uns ein kleines Pinnchen aus Plastik in die Hand, „Das ist außerdem die perfekte Chance, damit wir uns besser kennenlernen können." Ich nicke zustimmend und nehme der Braunhaarigen die Flasche Apfelkorn ab. Nachdem wir die nassen Fußballer auf dem Sportplatz zurückgelassen haben, haben wir einen kleinen Abstecher zum Supermarkt gemacht und Alkohol besorgt. Natürlich möchten wir uns weiterhin an den Jungs rächen, aber dabei darf unser Spaß auch nicht zu kurz kommen.

„Seid ihr alle bereit?", grinst uns Elin verschmitzt an und wackelt spielerisch mit den Augenbrauen. Ich kann mir gut vorstellen, dass sie und Romy am meisten Alkohol vertragen. „Stell endlich die erste Frage, Barbie", wird sie von ebendieser aufgefordert, „Ich will endlich wieder besoffen sein!" Ich schüttele bloß amüsiert meinen Kopf und richte meine Aufmerksamkeit dann auf die Blondine neben mir.

„Ich hab noch nie so viel getrunken, dass ich am nächsten Morgen einen Filmriss hatte." Romy, Elin und zu meiner Verwunderung auch Sarina kippen ihren ersten Shot runter. „Ich hab noch nie Drogen genommen", werfe ich die nächste Behauptung in die Runde und beobachte die anderen. Tatsächlich trinkt Romy erneut. Wir schauen sie alle etwas überrascht an, weshalb sich ihre Wangen rot färben.

„Chillt, Leute", rollt sie mit ihren blauen Augen, „Ich habe nur einmal Drogen genommen und das ist jetzt auch schon drei Jahre her. Ich war jung und naiv und wollte das unbedingt mal ausprobieren." Sie zuckt unbeteiligt mit den Schultern und füllt dann ihr Pinnchen auf.

„Ich hab noch nie jemanden geküsst und es danach bereut." Ich greife ebenso wie die anderen nach meinem Schnapsglas und lasse den süßen Alkohol meinen Rachen hinunterrinnen. Es ist schon ziemlich lange her, als ich das letzte Mal Hochprozentiges getrunken habe. „Ich hab noch nie bei einer Prüfung gemogelt", säuselt Elayna lieblich und stößt mit Romy an. Wir anderen tun es ihr gleich und spüren erneut das Prickeln auf unserer Zunge.

„Ich hab noch nie Probleme mit der Polizei gehabt." Mal wieder ist Romy die Einzige, die einen Shot trinkt. Ich bin zwar neugierig, was sie angestellt hat, belasse es aber dabei. Sie soll uns nur davon erzählen, wenn sie das auch möchte. „Falsche Freunde und so", winkt die Braunhaarige lächelnd ab und schaut erwartungsvoll zu Elin.

„Ich hab noch nie einen Dreier gehabt." Ich verschlucke mich beinahe an meiner eigenen Spucke und reiße meine Augen auf. Dieses Spiel verläuft gerade eindeutig in die falsche Richtung. „Niemand?", hakt Elin enttäuscht nach und runzelt die Stirn, „Wie langweilig." Daraufhin leert sie ihr Pinnchen in einem Zug und schmatzt genüsslich. Hier kommen wirklich ein paar Wahrheiten ans Licht, die besser geheim bleiben sollten.

„Ich hab noch nie etwas geklaut." Alle außer Elayna trinken. Ich kann mich noch genau daran erinnern, wie ich im Alter von zarten acht Jahren eine Playmobilfigur von meiner damaligen besten Freundin geklaut habe. „Ich hab noch nie Hausarrest bekommen." Romy und Elin grinsen sich verschwörerisch an, ehe sie den nächsten Shot trinken. „So langsam muss hier mal mehr Schwung reinkommen", unterbricht Sarina das Spiel und tauscht den Apfelkorn gegen Wodka aus. Ich mustere die durchsichtige Flasche skeptisch und hebe eine Braue. Vor nicht mal einem Jahr habe ich mich auf einer Party wegen zu viel Wodkashots übergeben. Hoffentlich passiert mir das heute nicht erneut.

„Ich hab noch nie einen Porno zu Ende geschaut."

„Ich hab noch nie meine beste Freundin belogen."

„Ich hab noch nie jemandem den Freund ausgespannt."

„Ich hab noch nie jemanden geschlagen."

„Ich hab noch nie das Haus ohne Unterwäsche unter der Kleidung verlassen."

„Ich hab noch nie mit Zunge geküsst."

„Ich hab noch nie eine Waffe benutzt."

Der Abend nimmt irgendwie seinen Lauf und je mehr Alkohol fließt, desto lustiger wird es. Elayna ist bereits total besoffen, wohingegen Sarina und ich noch relativ nüchtern sind. Romy und Elin haben sich vor einigen Minuten auf die Toilette verabschiedet, sind seitdem jedoch nicht wiederaufgetaucht.

„Wenn ich du wäre, Alica", lallt Elayna lachend und torkelt langsam auf mich zu, „würde ich in Unterwäsche ins Meer laufen." Ohne großartig darüber nachzudenken, ziehe ich mir mein blaues Sommerkleid über den Kopf und laufe Richtung Meer. Meine Sicht ist etwas verschwommen, sodass ich zeitnah in dem kalten Wasser lande. Ich stoße einen schrillen Schrei aus, lache dann allerdings.

„Wenn ich du wäre, Elayna, würde ich jetzt auch ins Meer kommen", rufe ich der Braunhaarigen verschwörerisch zu und strecke meine Arme zum Nachthimmel empor. Ich bin seit langem wieder glücklich. Und das sogar ohne Jonah.

„Ally, Schatziii, ich bin gleich bei dir!", nehme ich Elaynas undeutliche Stimme wahr. Schneller als ich gucken kann, wirft sie sich in die Wellen, dicht gefolgt von einer kichernden Sarina. „Guck mal, was ich hier habe", singt sie verschmitzt und hält mir die angebrochene Wodkaflasche vor die Nase. Da ich bis jetzt noch nicht so viel von dem Alkohol spüre, reiße ich ihr grob die Flasche aus der Hand und nehme einen tiefen Schluck. Die kühle Flüssigkeit hinterlässt ein feuriges Kratzen in meinem Hals und entfacht eine Gänsehaut auf meinem Rückgrat.

„Schlücketrinkeeeeen!" Ich wirbele lachend herum und werde gleich darauf von Romy und Elin umarmt. Die Blondine nimmt mir sofort die Flasche ab und setzt diese an ihre Lippen.

Ein Schluck.

Zwei Schlücke.

Drei Schlücke.

Vier Schlücke.

Fünf Schlücke.

Die Welt um mich herum dreht sich und explodiert in bunten Farben. Sarina sitzt einerseits neben mir auf der Decke, aber gleichzeitig auch auf Elins Schoß. Ihre vier Hände strecken die beiden Handys von sich und nehmen damit peinliche Fotos auf. „Du hast einen Zwilling, Sina!", kreische ich erfreut und springe auf. Doch plötzlich verschwindet eine der beiden Sarinas. „Er ist weg", schmolle ich traurig und reibe mir über die Augen, „Ich wollte deinen Zwilling doch unbedingt kennenlernen."

„Nicht weinen, Bibiii", schlingt Romy ihre Arme um mich, „Trink noch was." Sie drückt mir die halbleere Apfelkornflasche in die Hand und nickt auffordernd. „Ich-"

„Nicht lang schnacken, Kopf in' Nacken." Das lasse ich mir nicht zweimal sagen. Ich setze die Flaschenöffnung an meine Lippen und trinke gierig den Alkohol. Alles ist so harmonisch und friedlich.

Zwei Uhr.

Drei Uhr.

Halb vier.

„Ich saufe in 'ner Bar und trinke einen Mojito."

„Ich saufe in 'ner Bar und trinke einen Mojito und Sex on the beach."

„Ich saufe in 'ner Bar und trinke einen Mojito, Sex on the beach und Martini." Mein Kopf explodiert gleich. Ich nehme all die Wörter wahr, kann sie aber nicht weiterverarbeiten. „Ich saufe in 'ner Bar und trinke Schnaps!", jubele ich euphorisch und leere mein Pinnchen. Wer kann sich denn überhaupt so viele komische Wörter merken? „Ich weiß, was wir spieleeeen!" Ich drehe meinen pochenden Kopf zu Elin und kichere dümmlich. Ihre ganze Schminke ist verlaufen und lässt sie wie einen Zombie aussehen.

„Attached at the hip!" Ich runzele die Stirn und überlege fieberhaft, was mit diesem Spiel gemeint sein könnte. „Romy und Sarina, Nase an Nase!" Die beiden Benannten springen hastig auf und torkeln dann aufeinander zu. Anstatt sich vorsichtig mit den Köpfen anzunähern, donnern sie geräuschvoll zusammen. „Autsch", kichert Sarina benebelt und fasst sich an ihre blutige Nase, „Mehr Alkohooool!" Sie reißt Elin die beiden Schnapsgläser aus der Hand und leert diese mit Romy.

„Alica und Elayna, Arsch an Arsch!" Ich erhebe mich schwerfällig und versuche vergeblich mein Gleichgewicht zu halten. Noch bevor Elayna bei mir angekommen ist, taumele ich einen Schritt zurück und lande wenig später im Sand. „Trinkeeeeen!" Ich strecke meine Hand nach der Wodkaflasche aus und trinke einen Schluck. Meine Sinne sind betäubt, das feurige Kratzen im Hals bleibt aus.

Viertel nach vier.

„Clay ist so ein Arsch."

„Er ist ein Affe."

„Ein freches Krokodil."

„Ein Esel."

„Ein Kackhaufen." Wir beschimpfen gemeinsam unsere Ex- Freunde und lästern über sie. Warum haben diese Idioten überhaupt mit uns Schluss gemacht? „Jonah ist auch ein mieser Penner."

„Ein Waschlappen." Ich nicke zustimmend und leere mein Pinnchen. Ich kann einfach nicht aufhören, zu trinken.

Halb fünf.

„Hat wer mein Handy gesehen?" Ich schüttele dümmlich mit dem Kopf und lege meinen Arm um Sarinas Schultern. Elin hängt kotzend über einem Mülleimer und Elayna und Romy kuscheln zusammen. „Ich muss jemanden anrufen", lallt die Braunhaarige besorgt und tastet ihre Gesäßtasche ab. Tränen glitzern in ihren Augen und rinnen wenig später über ihre roten Wangen. Wir entfernen uns immer weiter von den anderen, bis wir irgendwann nicht mehr laufen können und uns erschöpft in den Sand fallen lassen. „Ich will schlafen."

„Ich auch."

Dunkelheit.

Elaynas POV

Ich habe mir schon immer gewünscht, irgendwann einmal von den wärmenden Sonnenstrahlen geweckt zu werden, aber nicht heute und vor allem nicht jetzt. Mein Kopf dröhnt, meine Glieder schmerzen. Ich setze mich stöhnend auf und blinzele verkniffen durch das Zimmer. Wo bin ich hier bloß gelandet? Ich liege in einem großen Doppelbett, neben mir schläft Sarina, die leise schnarcht.

Ich lasse meinen verschleierten Blick weiterwandern. Alica hat es sich auf einer kleinen Couch bequem gemacht, wohingegen Romy und Elin auf dem Boden liegen. Was ist gestern passiert? Ich versuche mich angestrengt an den gestrigen Abend zu erinnern, scheitere jedoch kläglich. Alles ist schwarz. Es scheint beinahe so, als hätte sich ein grauer Schleier aus Nebel über meine Erinnerungen gelegt.

„Sarina", rüttele ich leise an ihrer Schulter, „Bist du wach?" Die Braunhaarige gibt ein unzufriedenes Brummen von sich und dreht sich dann auf die andere Seite. Erst jetzt fällt mir auf, dass ihr ihre einst langen Locken nur noch bis zur Schulter reichen. Warum hat sie sich die Haare geschnitten?

Ich schwinge meine Beine über die Bettkante und stelle mich vorsichtig auf meine Füße. Die Welt um mich herum dreht sich und zwingt mich beinahe in die Knie hinab. „Fuck", murmele ich benebelt und fahre mir erschöpft über das Gesicht, „Nie wieder Alkohol."

Ich tapse orientierungslos durch das geräumige Apartment, auf der Suche nach dem Badezimmer. Ich öffne seufzend die erste Tür und erstarre sogleich. Ein muskulöser Junge steht splitterfasernackt vor mir und blickt mich schockiert an. „Ähhh", stammele ich peinlich berührt und trete verlegen von dem einen Bein auf das andere, „Ich... Äh, ich..." Ich schaffe es nicht, einen normalen Satz von mir zu geben und stottere stattdessen beschämt vor mich hin.

Der braunhaarige Junge erwacht schließlich aus seiner Starre und bindet sich blitzschnell ein Handtuch um die Hüfte. Wassertropfen perlen über seine Haut und lassen diese noch gebräunter wirken. „Ich hätte nicht damit gerechnet, dass ihr schon wach seid", versucht er die unangenehme Situation zu überspielen und lacht nervös auf. Ich zwinge mir ebenfalls ein unechtes Lächeln auf die Lippen und senke den Blick. So etwas Peinliches ist mir in meinem ganzen Leben noch nicht passiert.

„Ich bin die Einzige, die wach ist", murmele ich geräuschlos und knete unruhig meine Hände. Wer ist dieser Junge und was machen wir in seinem Apartment? „Oh okay", gibt der Braunäugige schulterzuckend von sich, „Am besten lassen wir die anderen ihren Rausch ausschlafen." Ich nicke benommen und drängele mich dann an ihm zum Waschbecken vorbei. Wenn ich nicht in Kürze wieder klare Gedanken fassen kann, verzweifele ich!

Das ist mein erster Filmriss.

Ich schüttele kurz den Kopf und spritze mir dann eiskaltes Wasser ins Gesicht. „Geht es dir gut, Elayna?" Bei dem Klang meines Namens zucke ich unweigerlich zusammen und halte Inne. Woher kennt er meinen Namen? Ich drehe mich langsam zu dem Jungen und mustere ihn mit gerunzelter Stirn. Er sieht wirklich verdammt gut aus, aber ich kann ihn dennoch niemandem zuordnen.

„Äh", verhaspele ich mich verwirrt, „Woher kennst du mich und wer bist du überhaupt?" Der Braunhaarige zieht seine Brauen in die Höhe und schenkt mir einen misstrauischen Blick. „Du kannst dich nicht an mich erinnern?" Ich schüttele peinlich berührt den Kopf, bereue diese Tat allerdings sogleich. Ein schmerzhaftes Stechen verbreitet sich unter meiner Schädeldecke und sorgt dafür, dass ich mir stöhnend an die Schläfe fasse. Wie viel Alkohol habe ich denn gestern getrunken?

„Mein Gott, wie viel hast du gestern getrunken?", wiederholt der Braunhaarige skeptisch meine Gedanken und verschränkt die Arme vor der Brust. Mir bleibt keine andere Option, als ratlos mit den Schultern zu zucken. „Oh man, Elayna", seufzt er frustriert, „Weißt du denn, was du hier in Spanien machst?"

Asher.

„Ich bin wegen meines Ex- Freundes hier und habe dabei Romy, Elin, Sarina und Alica getroffen", fasse ich mich kurz und lehne mich gegen die Wand hinter mir. Lange kann ich nicht mehr stehen. „Mich hast du dabei auch getroffen", behauptet der Junge nachdenklich und lächelt aufmunternd, „Vielleicht fällt es dir nachher wieder ein." Ich starre ihn perplex an und kann nicht verhindern, dass mein Mund aufklappt. Mehr hat er dazu nicht zu sagen?

„Wie heißt du denn jetzt?", frage ich ihn genervt und rolle mit den Augen. Ich brauche endlich etwas Licht in der Dunkelheit. „Dawson." Komischerweise sagt mir dieser Name momentan nichts.

„Aaaahhh!"

Meine Augen weiten sich, mein Herz rast. Wenn ich die Stimme richtig zuordnen kann, hat Sarina diesen ohrenzerreißenden Schrei von sich gegeben. Ich wechsele einen panischen Blick mit Dawson, ehe wir zurück ins Schlafzimmer eilen. Tatsächlich sitzt Sarina kerzengerade in ihrem Bett und starrt fassungslos in den Spiegel, der an der gegenüberliegenden Wand angebracht ist. Sie fährt sich fassungslos durch die kurzen Haare und schüttelt immer wieder den Kopf.

„Hör auf so laut rumzuschreien", grummelt Elin verschlafen, „Es gibt hier schließlich noch Leute, die schlafen wollen."

„Meine Haare", haucht Sarina hypnotisiert und dreht eine dunkle Strähne zwischen ihren Fingerspitzen. Ich wünschte, ich könnte mich an gestern Abend erinnern. „Keine Sorge, du bist immer noch wunderschön", lenkt Dawson ihre Aufmerksamkeit auf sich und grinst frech. Er hat immer noch lediglich das Handtuch um seine Hüften geschlungen und scheint gar nicht daran zu denken, sich etwas überzuziehen. „Halt die Klappe!", zischt Sarina wütend und klettert umständlich aus dem Bett. Sie taumelt einen Schritt nach hinten, einen nach vorne und landet letztendlich keuchend auf dem Boden. „Scheiße", flucht sie frustriert und ballt ihre Hand zu einer Faust, „Was ist gestern passiert?"

Ich zucke ahnungslos mit den Schultern und helfe ihr vorsichtig hoch. Anscheinend sind wir schon zwei, die einen Filmriss haben. „Ich kann euch sagen, was gestern passiert ist", mischt sich Dawson ein und hält uns sein Smartphone vors Gesicht. Augenblicklich wird ein Video abgespielt, das Sarina, Romy, Elin, Alica und mich zeigt.

Wir sitzen lachend am Strand und schneiden peinliche Grimassen. Sarina hält eine Flasche Apfelkorn in der Hand, während Romy genüsslich einen Schluck Wodka trinkt. „Da- Da- Dawson", lallt Alica lachend in die Kamera und verzieht ihre pinken Lippen zu einem Kussmund, „Sarina vermisst dich schon." Die Braunhaarige spuckt sogleich den Apfelkorn aus und schüttelt wild mit dem Kopf. „Ne ne", widerspricht sie heiser, „Ich vermisse Clay." „Aber Dawson vermisst dich. Außerdem müsst ihr noch auf euer Date gehen." „Nicht, wenn ich hässlich bin." Sarina verschwindet von der Bildfläche, taucht jedoch wenige Sekunden später mit einer Schere auf. Wo hat sie die bloß her? „Schnipp, Schnapp, Haare ab", lacht sie lauthals und wirft den Kopf in den Nacken. Das Video endet damit, dass ich mein Gesicht vor die Kamera halte.

„Ach du Scheiße", murmele ich kleinlaut und erwidere Sarinas geschockten Blick, „Ich kann mich daran absolut nicht mehr erinnern."

„Ihr habt mir noch mehr Videos geschickt und unzählige Sprachnachrichten gemacht. Irgendwann hat mich Sarina dann angerufen und angefangen zu weinen. Ich habe mich direkt auf den Weg zum Strand gemacht und euch mit zu mir genommen", erklärt Dawson gut gelaunt und legt sein Handy auf eine Kommode. „Haltet endlich eure Fresse!", erhebt Elin ihre kratzige Stimme und schlägt wild um sich. Dabei trifft sie Romy im Gesicht, die sich stöhnend aufsetzt.

„Halleluja, hab ich 'nen fetten Kater", begrüßt sie uns milde und massiert sich die Schläfen. Dunkle Schatten liegen unter ihren Augen und bilden somit einen starken Kontrast zu ihrer hellen Haut. „Ihr könnt euch alle im Bad frisch machen und danach können wir etwas Essen gehen", schlägt Dawson lächelnd vor und kramt fünf Handtücher aus dem Schrank. Er kommt mir immer noch nicht bekannt vor.

„Wie viel Uhr ist es denn überhaupt?", erkundigt sich Alica verschlafen bei uns und reibt sich über das Gesicht. Ich habe gar nicht mitbekommen, dass sie schon wach ist. „Gleich halb fünf", teilt uns der Braunhaarige mit, „Im Gegensatz zu euch habe ich schon zwei Trainingseinheiten hinter mir." Deswegen habe ich ihn wahrscheinlich auch frisch geduscht im Badezimmer vorgefunden.

„Schön für dich", murmele ich gereizt und schnappe mir ein Handtuch, „Dafür hatten wir den Spaß unseres Lebens." Sarina wirft mir strafende Blicke zu und deutet verzweifelt auf ihre Haare. „Oder vielleicht auch nicht", füge ich gedämpft hinzu und verschwinde ins Badezimmer. Alica folgt mir stumm.

„Hast du auch einen Filmriss?", frage ich sie und besprühe mich mit Männerdeo. Die Blondhaarige schüttelt mit dem Kopf und streckt sich einmal ausgiebig. „Ich kann mich an alles erinnern. Selbst daran, wie Elin Dawson im Fahrstuhl angekotzt hat." Ich kichere unwillkürlich und bändige nebenbei meine zotteligen Haare. So schlimm sah ich bisher nach keiner Party aus.

Wir machen uns alle nacheinander fertig und stehen gute zwanzig Minuten später vor Dawsons Hotel. Der Braunhaarige setzt sich seine Sonnenbrille auf und schenkt uns ein freches Grinsen. „Bereit, meine Damen?" Elin rollt bloß genervt mit den Augen und verpasst ihm einen leichten Klapps auf den Oberarm. „Gewöhn dich erst gar nicht daran, mit so vielen hübschen Mädchen gemeinsam Abend zu essen."

Cades POV

„Hey, Cade." Ich zucke erschrocken zusammen und wende meinen nachdenklichen Blick vom schimmernden Meer ab. Mein Zimmermitbewohner Royce lässt sich seufzend neben mir im Sand nieder und fährt sich einmal mit der Hand durch sein orangenes Haar. „Was machst du hier so alleine?", fragt er mich neugierig und runzelt die Stirn.

Obwohl ich den Blauäugigen erst seit zwei Tagen kenne und er eigentlich mein Konkurrent ist, sehe ich ihn bereits als Freund an.

„Ich brauche etwas Zeit zum Nachdenken." Wann immer ich meine Augen schließe, sehe ich sie vor mir. Ihre wunderschönen Augen, ihr freches Grinsen, Romy. Es war wirklich hart, mit ihr Schluss zu machen, aber es war bloß zu ihrem Besten. Wenn mich der Bundestrainer tatsächlich für die Nationalmannschaft auswählt, werde ich ständig unterwegs sein und kaum Zeit für sie haben. Ich möchte sie davor schützen, verletzt zu werden.

„Kann ich dir irgendwie helfen?", erkundigt sich Royce bei mir und lächelt milde. Ihm ist sicherlich auch schon aufgefallen, dass ich heute bei den beiden Trainingseinheiten komplett neben der Spur war. Seitdem wir gestern auf dem Fußballfeld mit Wasserbomben beworfen wurden, beschleicht mich so ein komisches Gefühl. Ich habe mir tatsächlich eingebildet, Romy erkannt zu haben, aber sie meinte, dass sie zu Hause sei. Ich würde sie am liebsten noch einmal anrufen, alleine schon um ihre Stimme zu hören, jedoch ist das keine sonderlich gute Idee.

Ich brauche Abstand zu ihr und muss mich hundertprozentig auf das Trainingslager konzentrieren. Mein größter Traum soll schließlich zur Realität werden!

„Ne ne, schon gut", antworte ich dem Blauäugigen schließlich und mache eine wegwerfende Handbewegung. Niemand kann mir mit Romy weiterhelfen. „Wenn du meinst", zuckt mein Mitbewohner unschuldig mit den Schultern und erhebt sich wieder, „Kommst du mit?" Ich schenke ihm einen fragenden Blick. „Wir wollten doch mit den ganzen Jungs Essen gehen."

Ich seufze frustriert und springe ebenfalls auf. Ich weiß nicht, ob ich es schaffe, diesen Abend überhaupt ein Lächeln zustande zu bringen. Meine Gedanken fressen mich irgendwann noch mal auf. „Stimmt, das hätte ich fast vergessen", lache ich gekünstelt und lege meinen Arm um Royce' Schulter.

Wir machen uns gemeinsam auf den Rückweg zum Hotel, ziehen uns frische Kleidung an und treffen uns dann mit den anderen Jungs in der Hotellobby. Die meisten scheinen charakterlich ganz okay zu sein, aber es gibt auch Ausnahmen. Raiden und Zander zum Beispiel. Die beiden sind absolut arrogant und machen ständig einen auf Bad- Boy. Einfach nur lächerlich.

„Hör auf so ernst zu gucken und hab etwas Spaß." Ich werfe Royce einen genervten Blick zu, nicke dann aber ergeben. Vielleicht komme ich diesen Abend tatsächlich endlich auf andere Gedanken.

Romys POV

„Ich könnte einen ganzen Bären verschlingen", stöhne ich hungrig und reibe mir über den Bauch, „Und wenn wir noch länger warten, vielleicht sogar zwei." Dawson schüttelt bloß belustigt mit dem Kopf und tätschelt grinsend meine Wange. „Arme, Romy", verstellt er seine Stimme, „Bekommt nichts zu Essen und fängt gleich an, zu weinen." Ich boxe ihm halbherzig gegen den Arm und verdrehe die Augen.

Dieser Junge kann besser provozieren als jeder andere.

„Ich habe aber auch echt Hunger", mischt sich Alica kleinlaut ein und lächelt unschuldig. Elin, Sarina und Elayna nicken zustimmend. „Können wir nicht einfach in dieses Restaurant gehen?", bettele ich verzweifelt und deute auf die große Glastür neben mir. Je länger wir ziellos durch die Innenstadt laufen, umso schlechter wird meine Laune und desto hungriger werde ich.

„Mir reicht's auch", seufzt Elin konfus und stößt die Tür auf, „Kommt schon." Ich eile ihr direkt hinter her und begrüße die Kellner mit einem halbherzigen „Hola". Wir suchen uns einen freien Tisch und lassen uns allesamt erschöpft auf die Stühle plumpsen. Im Gegensatz zu den anderen, scheine ich die Einzige zu sein, die keine qualvollen Kopfschmerzen hat. Ich kann mich zwar nicht mehr an den kompletten gestrigen Abend erinnern, aber immerhin geht es mir ganz gut.

„Was möchten meine hübschen Begleitungen denn trinken?", reißt mich Dawson in die Realität zurück und schmunzelt kurz, „Vielleicht Wodka oder Martini?" Ich verziehe mein Gesicht augenblicklich zu einer Grimasse und gebe leise Würggeräusche von mir. Ich glaube, wir haben erst mal für die nächsten drei Monate genug Alkohol getrunken.

„Du Witzbold", gibt Sarina trocken von sich und starrt den Braunäugigen verkniffen an, „Pass bloß auf, dass du nicht derjenige bist, der heute kotzend über einem Mülleimer endet." Ich schaffe es nicht, mir ein hinterhältiges Grinsen zu verkneifen, wofür ich direkt mit bösen Blicken gestraft werde. Ich würde Dawson wirklich mal gerne betrunken erleben.

„Dann solltest du aber aufpassen, dass ich dir nicht noch mehr Haare abschneide", erwidert der Sportler trocken und wackelt spielerisch mit den Brauen. Sarinas Mund klappt auf, ihre Miene verfinstert sich. „Das ist nicht lustig!", erhebt sie wütend ihre Stimme, sodass sich ein paar Schaulustige zu uns umdrehen. „Aber funny", provoziert Dawson weiter und lehnt sich genüsslich in seinem Stuhl zurück. Würde er jetzt anfangen zu kippeln, hätte ich keine Scheu, ihn zu Fall zu bringen.

„Du bewegst dich gerade auf sehr dünnem Eis", zischt nun Elin verschwörerisch und wirft Sarina einen vielsagenden Blick zu, „Und du scheinst außerdem zu vergessen, dass wir in der Überzahl sind."

„Wow, wow, wow, ganz ruhig, Mädels", hebt Dawson beschwichtigend seine Hände in die Höhe, „Lasst uns einfach etwas zu Essen bestellen und den Abend harmonisch ausklingen lassen." Kaum hat er seinen Satz beendet, gesellt sich ein Kellner zu uns. Er begrüßt uns kurz auf Spanisch und reicht uns dann die Speisekarten.

„¿Que quereis beber?", fragt er uns freundlich und schaut uns der Reihe nach an. Zum Glück verstehen Elayna und Elin Spanisch, ansonsten wären wir ziemlich aufgeschmissen. „Was möchtet ihr trinken?", übersetzt uns die Blondine die Frage und antwortet dann selber: „Tomo un zumo de naranja."

„Ein Wasser."

„Eine Apfelschorle."

„Ein alkoholfreies Bier." Elin und Elayna geben unsere Bestellungen weiter, wobei Erstgenannte eindeutig mit dem Kellner flirtet. Er ist ungefähr in unserem Alter, hat gebräunte Haut, dunkelblondes Haar und eisblaue Augen. Er ist zwar attraktiv, aber kein Vergleich zu Cade.

Ich werfe seufzend einen Blick in die Speisekarte und halte genervt inne. Ich verstehe absolut kein Wort. „Ich glaube Romy weint gleich", grinst Dawson frech und streckt mir die Zunge entgegen. Ich boxe ihm gegen den Oberarm und blättere eine Seite weiter. „Pizza salami", murmele ich gedämpft und lächele. Endlich ein Wort, das ich verstehe. „Leute-", setze ich gerade begeistert an, da werde ich auch schon von einer panischen Alica unterbrochen.

„Seid leise, dreht euch nicht um und versteckt euch irgendwie", wispert sie nervös und hält sich die Speisekarte vor ihr Gesicht. Ihre Finger zittern und lassen ihre Atmung beschleunigen. „Wer oder was ist da?", frage ich Dawson leise und starre angestrengt nach vorne. Ich würde mich unheimlich gerne umdrehen, doch Alicas Reaktion hält mich davon ab. Sarina und Elayna haben sich ebenfalls hinter ihren Speisekarten versteckt, während Elin so tut, als ob ihr Schuhband aufgegangen wäre.

„Wenn mich nicht alles täuscht, sind das die Fußballer." Ich verschlucke mich augenblicklich an meiner eigenen Spucke und huste laut los. Der Braunäugige klopft mir schnell auf den Rücken und zischt dabei: „Sei nicht so auffällig." Ich wedele mir verzweifelt Luft zu und senke meinen Blick. Jetzt kann ich nur noch beten, dass mich Cade nicht von hinten erkennt.

„Achtung, sie gehen an unserem Tisch vorbei", warnt uns Dawson missmutig und drückt gleichzeitig meinen Kopf unter die Tischplatte. Ich schnappe empört nach Luft und möchte mich bei ihm beschweren, allerdings hält mir Elin ihre Hand vor den Mund. „Psst", zischt sie verschwörerisch und funkelt mich wütend an, „Die dürfen uns nicht sehen." Ich nicke verstehend und schiebe ihre Hand aus meinem Gesicht. Wie sollen wir hier bloß ungesehen rauskommen?

„Las bebidas", nehme ich die Stimme des Kellners wahr und schlucke schwer. Er möchte bestimmt unsere Essensbestellung aufnehmen. „Fuck", flucht Elin neben mir und knetet nervös ihre Finger. Ganz zu unserer Überraschung unterhält sich Dawson auf Spanisch mit dem Kellner, sodass ich einige Sekunden später Schritte höre, die sich von unserem Tisch entfernen.

„Was sollen wir jetzt machen?", hauche ich beinahe geräuschlos und streife Sarinas Bein. Sie duckt sich zu uns nach unten, Elaynas und Alicas Köpfe folgen. „Wir müssen uns irgendwie rausschleichen."

„Aber wie?" Ich zucke nachdenklich mit den Schultern. „Vielleicht sehen sie uns nicht, wenn wir über den Boden robben", überlegt Alica hibbelig und kaut aufgeregt auf ihrer Unterlippe. „Ich versuche einfach mal mein Glück", gibt Elin von sich und krabbelt von ihrem Stuhl runter. Sie legt sich mit dem Bauch auf den Boden, wirft uns einen letzten, unsicheren Blick zu und robbt dann vorsichtig aus dem Versteck.

Ich hebe die Tischdecke an und beobachte die verwunderten Gesichtsausdrücke der anderen Menschen. Die Blondine bewegt sich eilig voran und verschwindet bereits nach wenigen Sekunden hinter einer Ecke. „Sie hat es geschafft", atmet Elayna erleichtert aus und hebt ihren Kopf. Dabei stößt sie gegen die Tischplatte und gibt einen quietschenden Laut von sich. „Shit, sorry", flucht sie stumm und reibt sich den Hinterkopf.

„Die Luft ist rein, Alica." Die Blondhaarige legt sich ebenfalls auf den Bauch und robbt über die polierten Fliesen. Auch sie schafft es ungesehen hinter die Ecke. „Clay wird mich mit den kurzen Haaren sowieso nicht erkennen", meint Sarina und klettert umständlich unter dem Tisch hervor. Sie strafft ihre Schultern und stolziert dann schnellen Schrittes aus dem Raum. Bleiben also nur noch Elayna und ich übrig.

„Hey, bist du nicht der Typ, der uns gestern mit Wasserbomben abgeworfen hat?" Augenblicklich rutscht mir mein Herz in die Hose hinab. Warum zur Hölle spricht Cade mit Dawson? Der Braunhaarige räuspert sich leise und antwortet dann: „Da musst du was falsch verstanden haben, Kumpel. Ich wollte die Mädchen aufhalten."

„Und warum bist du dann auch weggelaufen?"

„Weil ich mir schon gedacht habe, dass ihr mich auch für schuldig befindet", lügt er gelassen. Bitte, Cade, geh einfach wieder. „Aha", gibt mein Ex- Freund nicht gerade überzeugt von sich, „Wo sind denn die Mädchen, mit denen du eben am Tisch saßt? Waren das die Fünf von gestern?"

„Die sind aufs Klo gegangen. Du weißt ja wie Mädchen ticken, die können nichts alleine machen", lacht Dawson humorvoll auf, „Und nein, das sind nicht die Fünf von gestern, sondern meine Cousine und ihre besten Freundinnen." Dawson sollte wirklich überlegen Schauspieler zu werden.

„Wir müssen hier weg", raune ich Elayna panisch zu und versuche vergeblich meinen rasenden Herzschlag zu beruhigen. Cade darf mich auf gar keinen Fall sehen. „Wir können aber nicht", erwidert die Braunäugige hilflos und deutet auf Cades abgetragene Sneaker. Ich presse meine Lippen zu einer schmalen Linie zusammen und überlege fieberhaft.

„Versteckt sich da etwa jemand unter dem Tisch?"

„Äh, nein!", schreit Dawson viel zu schnell und viel zu hysterisch. Schon im nächsten Moment wird die Tischdecke angehoben, sodass Elayna und ich aus unserem Versteck stolpern und geradewegs aus dem Saal stürmen. Ich rempele dabei ausversehen einen Kellner an und werde mit mehreren Getränken überschüttet. „Fuck", fluche ich verzweifelt, renne allerdings weiter. Ich stoße die große Glastür auf und taumele der angenehmen Abendwärme entgegen.

„Nichts wie weg hier." Elin schnappt sich meine Hand und schon rennen wir orientierungslos durch eine fremde Stadt.

Sarinas POV

„Glaubt ihr, dass sie euch erkannt haben?" Romy und Elayna starren gedankenverloren auf das glitzernde Meer und zucken ratlos mit den Schultern. Nachdem wir über zwanzig Minuten durch die Innenstadt gelaufen sind, haben wir uns nun in einer kleinen Bucht niedergelassen und beobachten die schäumenden Wellen.

„Aber wenn sie euch erkannt haben sollten, hätten sie euch schon längst angerufen", versucht Alica die beiden zu beruhigen und lächelt milde. „Genau", stimme ich ihr zu, „Die haben euch nicht gesehen."

„Abwarten." Romy fischt umständlich ihr Handy aus ihrer Hosentasche und entsperrt dieses. Ich beuge mich zu ihr rüber und erstarre. Ein verpasster Anruf von Cade. „Oh mein Gott", haucht die Blauäugige bestürzt und wirft ihr Smartphone vor sich in den Sand. Schimmernde Tränen kullern lautlos über ihre Wangen und perlen an ihrem Kinn ab. „Nicht weinen, Romy", schlingt Elin ihre Arme um ihren Hals, „Alles wird gut. Vertrau mir."

Wir verwickeln die beiden in eine Gruppenumarmung und schweigen. Niemand weiß, was er sagen soll. Wenn Cade sie wirklich erkannt hat, ist es für sie vorbei. Er wird eins und eins zusammenzählen und Romy zur Rede stellen.

„Ich rufe ihn einfach zurück", löst sich Benannte von uns und tippt schniefend auf ihrem Handy herum. Es tutet dreimal, ehe ihr Anruf entgegengenommen wird. „Romy", haucht der Junge am anderen Ende der Leitung. Im Gegensatz zum letzten Mal ist seine Stimme nicht eiskalt, sondern viel eher warm und besorgt. „Cade", erwidert die Braunhaarige verbittert und ballt ihre Hand zu einer Faust. Ich streiche beruhigend über ihren Arm und schenke ihr ein aufmunterndes Lächeln. Hoffentlich hat ihr Ex- Freund wegen eines anderen Grundes angerufen. „Ich habe mit deiner Mutter gesprochen."

„Was?!" Jegliche Farbe weicht aus Romys Gesicht. Ihr Mund klappt einen Spalt auf, wohingegen sich ihre Augen weiten. „Sie hat mir erzählt, dass du momentan auf einer Sprachreise in Spanien bist", Cade hält kurz Inne, „Mit Avery..."

„J- Ja", verhaspelt sich Romy heiser und wischt sich eine Träne aus dem Augenwinkel, „Wir sind heute Morgen gelandet."

„Wirklich?"

„Ja, wirklich."

„In welchem Ort seid ihr denn?"

„Conil de la Frontera. Das liegt an der Costa de la Luz", lügt sie nervös und schließt ihre Augen, „Warum fragst du?"

„Nur so. Es wundert mich, dass ihr Spanisch lernen möchtet."

„Tja, du kennst mich halt nicht mehr", raunt sie emotionslos und beendet das Gespräch. Ohne etwas zu sagen steht sie auf und läuft Richtung Meer. Ich folge ihr. „Romy, warte!", rufe ich ihr nach und verschnellere meine Schritte. Die Braunhaarige bleibt tatsächlich stehen und mustert mich kurz. „Ich will jetzt alleine sein, Sarina."

„Ich lasse dich aber nicht alleine", erwidere ich besorgt und lege meinen Arm um ihre Schulter, „Wenn du reden willst: Ich höre dir immer zu." Sie nickt traurig und schnieft einmal leise. „Ich vermisse Cade."

„Das glaube ich dir. Du kannst wirklich froh sein, dass er dich nicht erkannt und die Lüge geschluckt hat."

„Aber er hat Verdacht geschöpft. Ich muss besser aufpassen." Ich stimme ihr nickend zu. Im Gegensatz zu uns anderen wurde Romy schon zweimal von ihrem Ex- Freund angerufen und gefragt, wo sie sich gerade befindet. Apropos anrufen: Ich greife nach meinem Handy und nehme Dawsons eingehenden Anruf entgegen.

„Wo zur Hölle seid ihr gerade?", möchte er besorgt wissen, „Ich habe schon die ganze Innenstadt nach euch abgesucht." Ich kann nicht verhindern, dass sich ein sanftes Lächeln auf meine Lippen schleicht. Der Braunhaarige ist mir in dieser kurzen Zeit ein wirklich guter Freund geworden. „Um ehrlich zu sein, habe ich keine Ahnung, wo wir gerade sind", gebe ich kleinlaut von mir und zucke mit den Schultern, „Aber wir machen uns gleich auf den Rückweg zum Hotel. Ich schreibe dir, wenn wir angekommen sind."

„Wehe nicht."

„Jaja", lache ich, „Mach's gut." Ich schiebe mein Handy zurück in die Gesäßtasche und gehe dann mit Romy zu den anderen zurück. Elayna, Alica und Elin sitzen unverändert im Sand und starren beinahe hypnotisiert auf das Meer. Wir machen momentan alle eine ziemlich schwere Zeit durch.

„Lasst uns gehen", klatsche ich in die Hände und ziehe Alica hoch. Die Blondine nickt bloß abwesend und klopft sich den Sand von der Kleidung. Wir schlendern schweigend nebeneinander her, jeder hängt seinen eigenen Gedanken nach. Ich wüsste wirklich nicht, was ich machen würde, wenn mich Clay vorhin in dem Restaurant erkannt hätte. Er würde sicherlich reden wollen, aber ob ich dazu bereit wäre, ist eine andere Frage.

„Sarina", wedelt plötzlich jemand mit seiner Hand vor meinem Gesicht rum. Ich zucke zusammen und schüttele die beißenden Gedanken an meinen Ex- Freund ab. „Hm?", mache ich fragend und runzele die Stirn. „Dein Handy klingelt", grinst Elin augenverdrehend und gibt mir einen Klapps auf den Hintern. „Hey!", beschwere ich mich spielerisch, ehe ich nachgucke, wer mich dieses Mal anruft. Dawson.

„Was gibt's schon wieder? Wir sind gleich am Hotel, also musst du dir keine Sorgen machen", murmele ich genervt und erwidere Elaynas neugierigen Blick. „Es gibt ein Problem." Ich entferne sofort das Handy von meinem Ohr und stelle auf Lautsprecher. „Ihr habt euren Rucksack in meinem Hotelzimmer vergessen, oder?"

„Shit, ja", antwortet Elin direkt und haut sich mit der flachen Hand vor die Stirn, „Wir kommen bei dir vorbei. In dem Rucksack sind nämlich unsere Zimmerschlüssel."

„Und genau da liegt das Problem", druckst Dawson unsicher herum, „Ich komme nämlich nicht in mein Zimmer."

„Wie meinst du das?", hake ich skeptisch nach und lege die Stirn in tiefe Furchen. Hat er etwa seinen Schlüssel verloren? „Ich habe meinen Schlüssel im Zimmer liegen gelassen." Es herrscht betretenes Schweigen. „Warte auf uns, wir sind gleich da. Wir treffen uns am Eingang", ergreift Romy das Wort und beendet damit das Gespräch. „Was hast du vor?", frage ich sie neugierig und schenke ihr einen misstrauischen Blick. Die Braunhaarige hat uns gestern Abend offenbart, schon einmal Kontakt mit der Polizei gehabt zu haben. Wer weiß, vielleicht kann sie ja Türen aufknacken?!

„Lass dich überraschen", erwidert sie und grinst frech. Den restlichen Weg umhüllt uns wieder das übliche Schweigen. Meine Gedanken driften zu Clay ab und bleiben dort auch. Ich bin im momentan so nahe, aber dennoch sind wir so weit voneinander entfernt. Unsere Herzen schlagen nicht mehr im identischen Rhythmus.

„Da seid ihr ja endlich", begrüßt uns wenig später ein aufgelöster Dawson. Er rauft sich verzweifelt die Haare und wirft uns ratlose Blicke zu. „Wo sind die ganzen Balkone?", erkundigt sich Romy augenblicklich und legt leicht den Kopf schief. Dawson bedenkt sie mit einem skeptischen Blick, führt uns dann jedoch zur rechten Hotelseite. „Und wo ist dein Zimmer?"

„Dritter Stock, fünfter Balkon von links." Romy nickt verstehend und drückt mir ihr Handy in die Hand. „Was hast du vor?", wiederhole ich meine Frage und halte sie am Handgelenk zurück. Ich verfluche es schon nach dieser kurzen Zeit, dass ich die Blauäugige nicht so einfach durchschauen kann. „Ich werde uns Zutritt zu dem Zimmer verschaffen", zuckt sie lächelnd mit den Schultern und stapft unbeeindruckt durch das Blumenbeet. Sie klettert problemlos auf den Balkon im ersten Stock und sucht sich eine sichere Position auf dem Geländer.

„Spinnst du jetzt total?!", erhebt Alica geschockt ihre Stimme und trampelt ebenfalls durch das Blumenbeet, „Komm da sofort runter!"

„Mach keinen Scheiß, Romy", pflichtet ihr Elayna bei. „Chillt mal eure nicht vorhandenen Eier", seufzt die Angesprochene genervt, „Ich schaffe das schon." Ehe noch jemand etwas erwidern kann, stößt sie sich vom Geländer ab und springt nach oben. Ihre Fingerspitzen krallen sich an dem Balkongeländer des zweiten Stocks fest. „Romy!", schalte ich mich nun unruhig ein und schaue zu ihr hoch, „Lass das! Das ist mega gefährlich!" Sie ignoriert mich geflissentlich und zieht sich kraftvoll nach oben. Sie landet keuchend auf dem Balkon im zweiten Stock. Zum Glück ist es schon so spät, dass sich keine Hotelgäste mehr auf den Balkonen befinden.

„Romy, das ist nicht mehr lustig!", ruft Elin wütend, „Komm runter!"

„Du musst niemandem etwas beweisen!", mischt sich Dawson besorgt ein und positioniert sich für den schlimmsten Fall der Fälle im Blumenbeet. „Ich hab's doch gleich geschafft!" Romy klettert auf das Geländer und drückt sich erneut ab. Sie bekommt die dunkle Eisenstange zu packen und zieht sich auf den Balkon im dritten Stock.

„Oh mein Gott", atme ich erleichtert die angehaltene Luft aus. Das Mädchen ist doch komplett bescheuert! Ich schaue wieder nach oben und beobachte, wie Romy ihren Arm durch das halboffene Fenster streckt. Klick, klick, klick und schon ist das Fenster auf. „Unglaublich", kommentiert auch Dawson ihre Handlung und schüttelt den Kopf.

„Kommt hoch. Ich mache euch die Tür auf!", befiehlt uns Romy lachend und scheucht uns mit einer flinken Handbewegung davon. Der braunhaarige Athlet lotst uns durch das Hotel bis hin zu seinem Apartment und klopft ungeduldig an die Tür. Romy lässt sich extra viel Zeit und öffnet die Tür erst zwei Minuten später.

„Wie kann man nur so lebensmüde sein?!", frage ich sie aufgebracht und schließe sie erleichtert in meine Arme. „Wäre doch langweilig an der Rezeption nach einem Ersatzschlüssel zu fragen." Binnen weniger Sekunden finde ich mich in einer Gruppenumarmung wieder.

Was für liebenswerte Idioten.

Elins POV

Meine Armbanduhr zeigt gerade mal halb sieben an und ich befinde mich schon auf dem Sportplatz. Ich habe mir eine getönte Sonnenbrille und einen Strohhut aufgesetzt, um unerkannt zu bleiben. Zudem trage ich ein altes, verwaschenes Shirt, eine kurze Hose und meine abgetragenen Vans. In diesem Aufzug würde mich Raiden niemals erkennen.

Kaum habe ich einen Gedanken an meinen Ex- Freund verschwendet, betritt er mit anderen Jungen die Laufbahn. Sie unterhalten sich lachend und stellen ihre Wasserflaschen auf einer Bank ab. Dank Alica weiß ich, dass die Fußballer jetzt eine Stunde Lauftraining haben und sich dann erst wieder heute Nachmittag auf dem Sportplatz einfinden müssen. Das ist also die perfekte Gelegenheit Raiden zu beobachten.

„Kommt mal alle her!", klatscht der Bundestrainer euphorisch in die Hände und pustet danach in seine rote Trillerpfeife. Die Fußballer joggen eher etwas unmotiviert zu ihrem Coach und versammeln sich dann in einem Halbkreis vor ihm. Der grauhaarige Mann erklärt etwas, doch ich sitze zu weit weg, um ihn zu verstehen. Ich habe mich ganz oben auf der Tribüne verschanzt und habe somit einen ausgezeichneten Überblick über die Laufbahn.

Der Bundestrainer klatscht erneut in die Hände, woraufhin sich die Jungen in Bewegung setzen. Sie joggen langsam los und unterhalten sich dabei angeregt. Raiden positioniert sich dabei im Mittelfeld und läuft neben einem Jungen, dessen Arme von oben bis unten tätowiert sind.

Nach dem kurzen Einlaufen dehnen sie sich und stellen sich dann an der Startlinie auf. Es ertönt ein schriller Pfiff und schon laufen die Fußballer los. Der dunkelhäutige Junge ganz vorne läuft schnell einen Vorsprung auf die anderen heraus und lässt sich bei seinem Vorhaben nicht aus dem Konzept bringen. Nach der vierten Runde hat er bereits die ersten überrundet. Raiden ist ebenfalls ganz gut unterwegs und beginnt nun seine fünfte Runde. Vor ihm sind nur noch drei andere Jungen, von denen er zwei locker überholen kann.

In seinem alten Verein, war mein Ex- Freund angeblich immer der Schnellste. Ich habe es nicht geschafft, bei einem seiner Spiele zuzugucken, da mir immer etwas Wichtigeres dazwischengekommen ist. Außerdem ist Fußball so ziemlich die langweiligste Sportart, die es gibt.

„Noch eine Minute!", reißt mich die laute Stimme des Bundestrainers in die Realität zurück, „Gebt noch mal alles!" Nicht nur Raiden, sondern auch alle anderen Jungen beschleunigen ein letztes Mal ihr Tempo und legen in dieser Minute mehrere, hundert Meter zurück.

Sobald der erlösende Pfiff ertönt, lassen sich die Sportler erschöpft auf den Boden fallen und wischen sich den Schweiß von der Stirn. Der Bundestrainer geht mit einem Klemmbrett herum und notiert sich bei jedem Jungen etwas.

Die letzte halbe Stunde joggen die Fußballer locker ihre Runden und legen beim Ertönen des Pfiffs einen kurzen Sprint hin. „Gut gekämpft", lobt der Trainer seine Schützlinge, ehe er sie mit einer hastigen Handbewegung zu den Duschen scheucht. Ich warte noch kurz zwei Minuten und verlasse dann ebenfalls das Laufstadion.

„Hat dir gefallen, was du gesehen hast?" Ich zucke unverzüglich zusammen und wirbele mit klopfendem Herzen herum. Vor mir steht ein großgebauter Junge mit schwarzen Locken und karamellfarbenen Augen. Als er meinen starrenden Blick bemerkt, hebt er sein T- Shirt an und wischt sich mit dem Saum den Schweiß aus seinem Gesicht.

„Hab schon bessere Athleten gesehen", murmele ich schulterzuckend und schaue mich möglichst unauffällig um. Wie es scheint, ist Raiden schon unter der Dusche verschwunden. „Das glaube ich dir nicht", erwidert der Braunäugige lachend und wackelt mit den Brauen, „Niemand ist besser als ich." Ich verschränke genervt die Arme vor der Brust und lege meinen Kopf leicht schief. Noch so ein eingebildeter Idiot wie Dawson.

„Ich kann dich auch gerne davon überzeugen, wenn du mir nicht glaubst."

„Tzz", rolle ich mit meinen Augen, „Danke, aber nein danke." Ich möchte mich zum Gehen abwenden, doch er hält mich zurück. „Ich bin Zander", streckt er mir seine Hand entgegen und lächelt charmant, „Und wer bist du?"

„Wenn du mich nicht in Ruhe lässt, bin ich dein schlimmster Albtraum", lächele ich zuckersüß und wickele eine blonde Haarsträhne um meinen Finger. Vielleicht hätte ich mich sogar auf Zander eingelassen, aber heute gilt meine Aufmerksamkeit Raiden. Ich muss wissen, ob er sich hier mit anderen Mädchen vergnügt oder ob wir immer noch eine Chance auf eine gemeinsame Zukunft haben.

Ich lasse den Schwarzhaarigen sprachlos hinter mir und suche mir ein geeignetes Versteck am Ausgang. Es dauert nicht sonderlich lange, da kommt Raiden auch schon mit Zander und dem dunkelhäutigen Wunderläufer vom Sportplatz. Die drei schlendern lachend nebeneinander her und steuern den Strand an.

„Voll die eingebildete Tussi. Was fällt der überhaupt ein, mich einfach stehenzulassen?!", beschwert sich Zander über mich und gestikuliert dabei wild mit seinen Armen. Meine Abfuhr kratzt wahrscheinlich ziemlich an seinem Ego.

Ich folge den Jungs unauffällig zum Strand und setze mich dann mit einem gewissen Sicherheitsabstand in den Sand. Raiden zieht sich sein graues Tanktop über den Kopf und mustert dabei ein braunhaariges Mädchen. Sie lächelt ihn schüchtern an, was er mit einem breiten Grinsen erwidert.

Scheiß Liebe.

Ich kann das brennende Ziehen in meiner Brust nicht ignorieren und stöhne schmerzverzerrt auf. Verschwendet Raiden überhaupt eine einzige Sekunde am Tag an mich? Wie es scheint, kann mich jedes beliebige Mädchen ersetzen.

Mein Ex- Freund fährt sich einmal durch die blonden Haare und steuert dann auf die Brünette zu. Ich kann nicht verstehen, worüber sie reden, aber sie stehen nun gemeinsam auf und laufen Hand in Hand ins Meer. Dieser Anblick schmerzt so sehr, dass mir eine einzige Träne über die Wange kullert. Wie kann man nur so verdammt arschig sein? Ich ärgere mich enorm über mich selber, dass ich auf diesen Idioten reingefallen bin.

Doch was Raiden kann, das kann ich schon lange. Ich muss nur einmal mit dem Finger schnipsen und schon kann ich mir einen von unzähligen Jungs aussuchen. Raiden kommt gut bei Mädchen an, aber dafür komme ich mindestens genauso gut bei Jungen an.

Ich erhebe mich langsam und klopfe mir den Sand von der Kleidung. Ich werde jetzt erstmal zu den anderen Mädels gehen und ihnen von meiner Entdeckung berichten.

„Oh, mein schlimmster Albtraum verfolgt mich anscheinend schon." Ich drehe mich genervt zu Zander um und schenke ihm ein falsches Lächeln. „Ich überlege, wie ich deinen Mord wie einen Unfall aussehen lassen kann", behaupte ich spitz und stapfe wütend durch den warmen Sand. Ich hätte ehrlich gesagt damit gerechnet, dass mich Raiden wenigstens ein bisschen vermisst. Aber ich habe mich geirrt. „Du bist eine richtige Tussi."

„Und du ein Arsch! Geh zu deinem noch viel arschigeren Freund Raiden zurück oder schnapp dir auch irgendein Püppchen, das du dann heute Abend flachlegen kannst", rede ich mich wutverzerrt in Rage und balle meine Hände zu Fäusten. Mein Herz schmerzt so sehr. „Warte mal", unterbricht mich Zander nachdenklich, „Woher kennst du Raiden?" Ich bemerke erst jetzt, dass ich mich verplappert habe.

„Tja, das bleibt wohl mein Geheimnis", erwidere ich kühl und schüttele seine Finger von meinem Handgelenk ab. „Bist du eine kranke Stalkerin?"

„Nein!"

„Was bist du dann?"

„Jemand, der dich gleich schlägt." Ich drängele mich an dem Schwarzhaarigen vorbei und mache mich auf den Rückweg zum Hotel. Ich möchte Rache ausüben. Nicht nur an Raiden, sondern auch an den Ex- Freunden von Elayna, Sarina, Romy und Alica. Jungs sind sowieso alle gleich. Schwanzgesteuert, hirnlos und verblödet.

Kurz bevor ich das Hotel erreiche, werde ich von Dawson abgefangen. Der Junge klebt uns auch wie eine Klette am Arsch. „Guten Morgen", lächelt er mich freundlich an, „Gut geschlafen?" Ich mustere ihn skeptisch und runzele die Stirn. Seit wann ist er denn so nett zu mir? „Das steht dir nicht", murmele ich emotionslos, „Sei einfach wieder so dämlich wie immer."

„So dämlich kann ich ja gar nicht sein, denn ich habe dir schon zweimal den Hintern gerettet." Ich zucke unbeeindruckt mit den Schultern und gebe ein sarkastisches „Toll" von mir. Ich brauche seine Hilfe nicht. „Toll", äfft er mich kindisch nach und verdreht seine braunen Augen. „Was willst du überhaupt hier? Sarina ist doch eine Langschläferin oder nicht?"

„Ich wollte auch eigentlich zu dir." Ich starre ihn perplex an. „Zu mir?", wiederhole ich verblüfft und verschränke die Arme vor der Brust. „Dir ist anscheinend gestern etwas aus der Tasche gefallen." Dawson hält mir ein altes Foto von Raiden und mir vor die Nase, auf dem wir uns küssen. Ich nehme das Bild an mich und zerreiße es zornig. Ich hasse Raiden.

„Du hättest das Foto direkt in der Toilette runterspülen können", säusele ich gekünstelt und werfe die Papierschnipsel in die Luft. Das war es nun endgültig mit unserer Beziehung.

Alicas POV

„Eins... Zwei... Drei... Vier...", zählt Elayna ungläubig und schüttelt kaum merklich mit dem Kopf, „Vier Esslöffel Kakaopulver." Ich zucke unbeeindruckt mit den Schultern und greife nebenbei nach der roten Milchpackung. Die meisten Menschen trinken in meinem Alter bereits Kaffee, aber ich werde wohl ewig meinem geliebten Kakao treu bleiben. „Und das soll schmecken?" Ich ignoriere Elaynas skeptischen Blick und führe stattdessen die gepunktete Tasse zu meinen Lippen. Warum sollte der Kakao auch nicht schmecken?

„Vier Teelöffel könnte ich ja noch verstehen, aber doch nicht vier Esslöffel", führt die Braunhaarige weiterhin Selbstgespräche und seufzt leise. Sie stützt ihren Kopf in ihrer rechten Hand ab und schaut desinteressiert durch den riesigen Speisesaal. Wahrscheinlich hält sie nach Romy, Elin und Sarina Ausschau, aber da wird sie noch lange warten können. Die drei haben bereits gestern Abend angekündigt, dass sie Langschläfer seien.

„Elin! Dawson!", springt Elayna zu meiner Überraschung auf einmal grinsend von ihrem Stuhl auf und winkt überschwänglich Richtung Buffet. Ich folge ihrem Blick und lächele sanft. Obwohl Dawson anfangs Interesse an Sarina gezeigt hat, würde er meiner Meinung nach auch ganz gut zu Elin passen.

Denn wie heißt es so schön? Was sich neckt, das liebt sich.

„Hey, ihr zwei", begrüßt uns der Braunäugige munter, „Seid ihr etwa aus dem Bett gefallen oder was verschafft mir die Ehre, euch so früh anzutreffen?" Elayna kichert leise, wohingegen Elin genervt ihre Augen verdreht. Sie lässt sich gegenüber von Dawson nieder und möchte gerade nach ihrem Käsecroissant greifen, da kommt ihr der Sportler jedoch zuvor. Er reißt das Gebäck besitzergreifend an sich, verankert seinen Blick mit Elins und leckt dann provokant über das Croissant. Die Blondine schnappt hörbar nach Luft und verengt ihre Augen zu schmalen Schlitzen. „Dawson", knurrt sie wütend seinen Namen, „Bei Essen hört der Spaß echt auf!"

Schneller als ich gucken kann, springt sie von ihrem Stuhl auf und positioniert sich neben dem Braunhaarigen. Ein teuflisches Grinsen schleicht sich auf ihre pinken Lippen. „Was hast du vor?", versuche ich ihre Aufmerksamkeit auf mich zu lenken und runzele die Stirn. Elin ist wirklich alles zuzutrauen.

Sie bestätigt meine Gedanken, indem sie ein Spiegelei von Dawsons Teller fischt und es im nächsten Moment auf seine Hose fallen lässt. „Uppsi", kichert sie dümmlich, „Wie ungeschickt von mir." Elin klimpert unschuldig mit den Augen und begibt sich auf ihren ursprünglichen Sitzplatz zurück. Ihre Aktion schreit förmlich nach Rache. Der Sportler neben mir scheint das ebenso zu sehen, denn er greift wütend nach der Milchpackung und schraubt den Verschluss ab. „Du hast dich mit dem Falschen angelegt", knurrt er zornig und schüttelt die Milch. Die weiße Flüssigkeit spritzt direkt in Elins Gesicht und lässt ihr hinterhältiges Grinsen mit einem Schlag verschwinden. Sie streicht sich zornig die nassen Strähnen aus der Stirn und strafft ihre Schultern.

„Das war alles?", lacht sie spöttisch auf, „Wie süß. Ich hätte dir wirklich mehr zugetraut, Schnucki." Ich starre die Blondine mit aufgerissenen Augen an und verfolge jede ihrer Bewegungen. Sie greift lächelnd nach einer Serviette und tupft sich die Milch aus dem Gesicht. Dann knüllt sie das Tuch zusammen und wirft Dawson die Kugel gegen den Kopf.

Spätestens jetzt nehme ich meine Behauptung wieder zurück. Was sich neckt, das liebt sich nicht! Sarina würde eindeutig die bessere Figur neben Dawson abgeben als Elin.

„Unterschätz mich bloß nicht, Hasi", reißt mich der Sportler in die Realität zurück. Er beißt herzhaft in sein trockenes Brötchen und beugt sich über den Tisch zu Elin rüber. Diese hebt auffordernd die Brauen und täuscht ein gelangweiltes Gähnen vor. „Du hast da was auf deinem Shirt, Hasi", behauptet Dawson mit vollem Mund, wobei er extra Speichel und Brötchenreste ausspuckt.

„Ihh! Das ist wirklich widerlich!", mischt sich Elayna ein und verzieht ihr Gesicht zu einer angeekelten Fassade, „Hat dir niemand Tischmanieren beigebracht?" Der Braunhaarige schluckt einmal, ehe er humorlos auflacht. „Ich war nicht derjenige, der angefangen hat. Im Gegensatz zu meinem Hasi habe ich nämlich Tischmanieren." Mir bleibt nichts anderes übrig, als die Augen zu verdrehen. „Sorry, aber du hast angefangen, Dawson", falle ich ihm entschuldigend in den Rücken, „Du hast schließlich Elins Essen geklaut."

„Weil sie mir vorhin am Buffet eine Möhre in die Nase stecken wollte!"

Ich wechsele einen ungläubigen Blick mit Elayna und Elin und schon verfallen wir in einen schallenden Lachanfall. Elin und ihre Ideen sind wirklich unglaublich! Ich wische mir japsend eine Träne aus dem Augenwinkel und halte mir meinen schmerzenden Bauch. „Wie alt bist du? Drei?" Dawson verschränkt beleidigt die Arme vor der Brust und schüttelt fassungslos den Kopf. „Das solltest du besser das gestörte Biest neben dir fragen! Nicht mal ein dreijähriges Kind wäre auf die Idee gekommen, mir eine Möhre in die Nase stecken zu wollen!" Sein eingeschnappter Unterton lässt mich erneut herzhaft auflachen.

„Dafür befinden achtzehnjährige Mädchen diese Idee als äußerst gelungen", ertönt auf einmal Romys Stimme neben mir. Sie steht grinsend hinter Dawson und schenkt uns einen verschwörerischen Blick. „Wie kann man nur so kindisch sein?", seufzt der Athlet verzweifelt und dreht sich zu Romy um.

Das war eindeutig die falsche Entscheidung.

Die Blauäugige hält mit der rechten Hand Dawsons Gesicht fest und schiebt ihm mit der linken Hand eine kleine Möhre in die Nase. Augenblicklich wird unser Lachen lauter. Dieser Anblick ist einfach zu absurd um wahr zu sein. „Spinnst du!" Dawson schlägt Romys Hand weg und wirft die Karotte quer über den Tisch. „Ich bin wirklich für fast jeden Scheiß zu haben, aber irgendwann hört der Spaß auch mal auf", murmelt er wütend und erhebt sich, „Meldet euch, wenn ihr wieder normal tickt." Mit diesen Worten wendet er sich von uns ab und verlässt den Speisesaal.

„Wow", raunt Romy fasziniert, „Ziemlich filmreifer Abgang." Ich stimme ihr grinsend zu und trinke einen Schluck von meinem Kakao. Das Frühstück ist eindeutig anders verlaufen, als gedacht.

„Wieso seid ihr überhaupt zusammen hergekommen, Elin?", wendet sich Elayna nach einigen Minuten fragend an die Blondine und reicht Romy eine Hälfte ihres Käsebrötchens. Jetzt, wo Elayna dieses Thema anspricht, runzele auch ich die Stirn. Elin und Dawson haben von Anfang an keine sonderlich große Sympathie füreinander empfunden. Umso überraschender ist es, dass sie gemeinsam den Speisesaal betreten haben. „Er hat mich vor dem Hotel abgefangen", seufzt Elin augenverdrehend, „Glaubt mir, ich wäre auch glücklicher gewesen, seine Anwesenheit nicht ertragen zu müssen. Er ist so verdammt nervig und arrogant." Ich verkneife mir einen neckenden Kommentar und räume stattdessen das dreckige Geschirr zusammen.

Dawson hat wirklich ein ziemlich ausgeprägtes Selbstbewusstsein, aber das macht ihn nicht gleich zu einem arroganten Idioten. Eigentlich mag ich den Sportler sogar.

„Na ja, ich wollte auch überhaupt nicht über diesen Trottel reden, sondern euch von meinem Plan erzählen." Ich halte in meiner Bewegung inne und mustere Elin neugierig. Wann immer es darum geht, Jonah vom Fußballspielen abzuhalten, bin ich ganz Ohr. „Schieß los, Barbie", klatscht Romy euphorisch in die Hände, „Wie können wir unseren Ex- Freunden am besten eins auswischen?" Ich bin mir nicht sicher, aber ich bilde mir tatsächlich ein, einen Funken Trauer in Elins braunen Augen zu sehen. Als sie meinen skeptischen Blick bemerkt, setzt sie jedoch wieder ihr selbstbewusstes Grinsen auf und versteckt sich hinter einer Maske.

„Die Jungs müssen sich einem Test unterziehen", raunt sie verschwörerisch, „Dem Treuetest."

Was meint sie damit? Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, wie sie ihren Plan in die Tat umsetzen möchte. Außerdem können die Jungs gar kein untreues Verhalten zeigen, da sie sich momentan in keiner Beziehung befinden.

Oder?

Der Gedanke, dass mich Jonah bereits ersetzt haben könnte, zerfrisst mich von innen. Nur weil ich nichts auf seinem Handy gefunden habe, heißt das noch lange nicht, dass er sich in keiner neuen Beziehung befindet.

„Wie stellst du dir das vor, Elin?", spricht Elayna schließlich meine Gedanken laut aus und stützt ihr Gesicht in ihrer linken Hand ab, „Sollen die Jungs etwa wie in einem Supermarkt Treuepunkte sammeln oder was?!"

„Quatsch", winkt die Blondine lachend ab, „Wir gucken einfach, ob sie sich von einem fremden Mädchen küssen lassen würden oder nicht." Für einen kurzen Moment herrscht betretenes Schweigen. Ich bin mir nicht sicher, ob Elins Plan tatsächlich so geeignet ist. Was, wenn Jonah das fremde Mädchen küssen würde? Der Schmerz, der sich dann um mein Herz legen würde, hätte nichts anderes als Folge, als mich in ein wimmerndes Wrack zu verwandeln.

„Okay, los geht's!" Ohne noch einmal Protest einlegen zu können, werde ich von Romy auf die Beine und letztendlich auch aus dem Speisesaal gezogen. Hoffentlich werden wir diese waghalsige Entscheidung nicht bereuen.

Elaynas POV

Keine fünf Minuten später stehen wir vor Sarinas Hotelzimmer und hämmern ungeduldig gegen die Tür. Die Braunhaarige hat wirklich nicht gelogen, als sie meinte, Langschläferin zu sein. „Löckchen!", erhebt Elin genervt die Stimme, „Zeit, aus deinem Schönheitsschlaf aufzuwachen."

„Vielleicht sollten wir Dawson zurückholen, damit er sie wachküssen kann", schlägt Alica schulterzuckend vor und entlockt uns damit ein kehliges Lachen. Sarina scheint diese Bemerkung allerdings nicht so amüsant zu finden, denn sie öffnet uns mit verkniffenem Gesichtsausdruck die Tür und streckt Alica sogleich ihren Mittelfinger entgegen. „Ich hasse euch", murrt sie verschlafen und fährt sich erschöpft über das Gesicht. Tatsächlich liegen tiefe Schatten unter ihren Augen, die eine wahrscheinlich schlaflose und unruhige Nacht widerspiegeln.

„Wir wissen doch alle, dass du uns insgeheim liebst", drückt sich Elin lächelnd an ihr vorbei, „Du musst dich wirklich nicht schämen, diese Tatsache offen zuzugeben." Wir verdrehen allesamt unsere Augen und folgen der Blondine dann in Sarinas Hotelzimmer. Im Gegensatz zu meinem Apartment herrscht hier das reinste Chaos. Überall liegen Klamotten rum, selbst Unterhosen und BHs schmücken den Boden. Ich steige vorsichtig über einen großen Reisekoffer und atme erleichtert auf, als ich mich auf Sarinas Bett niederlasse. Wie kann sie sich bloß in diesem Chaos wohl fühlen?

„Du hast fünf Minuten Zeit, um dich umzuziehen!", klatscht Elin in die Hände und reißt mich somit aus meinen Gedanken. Sie hebt ein türkises Sommerkleid und einen gestreiften BH vom Boden auf, drückt Sarina beide Kleidungsstücke in die Hand und schiebt sie abschließend Richtung Bad. „Wenn du dich nicht beeilst, holen wir wirklich Dawson!", kichert Romy belustigt und lässt sich neben mich auf das Bett fallen. Ihr scheint das ganze Chaos auch nichts auszumachen.

„Wer von uns testet denn gleich welchen Jungen?" Alicas Frage bereitet mir Bauchschmerzen. Ich könnte den Anblick nicht ertragen, wenn Asher jemanden von den Mädels küssen würde. Alleine schon die bloße Vorstellung daran, sendet elektrisierende Stromschläge durch meinen Körper. „Ich bin dafür, dass wir uns fremde Mädchen suchen", teile ich meine Gedanken laut mit, „Glaubt mir, ich würde diejenige, die Asher küsst, auf ewig hassen." Während Alica und Romy verständnisvoll nicken, runzelt Elin nachdenklich die Stirn.

„Okay", haucht sie schließlich tonlos und zwingt sich zu einem unechten Lächeln, „Dann lassen wir jemand anderen die Drecksarbeit für uns erledigen."

„Welche Drecksarbeit?" Sarina tritt neugierig aus dem Badezimmer und verschränkt auffordernd die Arme vor der Brust. Ihre braunen Augen wandern erst zu mir, dann zu Elin. „Wirst du schon sehen, Löckchen", raunt Benannte geheimnisvoll, ehe sie sich wieder an uns alle wendet, „Wir sollten so langsam losgehen. Die nächste Trainingseinheit der Jungs beginnt schon in einer halben Stunde."

Wir verlassen gemeinsam Sarinas Zimmer und folgen den anderen Touristen zum Strand. Obwohl wir noch nicht einmal elf Uhr morgens haben und sich die Sonne hinter einigen, grauen Wolken versteckt, ist der Strand bereits gut besucht.

Ich lasse meinen Blick über die Menschenmenge gleiten und halte dabei nach einem potenziellen Mädchen für unseren Treuetest Ausschau. „Was ist mit dem rothaarigen Mädchen dort drüben?", lenkt Alica unsere Aufmerksamkeit auf sich und deutet unsicher zum Meer. Die Rothaarige trägt einen schwarzen Rüschenbikini und macht ein paar Schnappschüsse von sich selber. Sie ist zwar hübsch und wirkt auf den ersten Blick ganz sympathisch, aber ich kann mich nicht mit dem Gedanken anfreunden, dass sie Asher küssen soll.

„Nein", protestiert glücklicherweise direkt Sarina. Sie mustert das Mädchen aus zusammengekniffenen Augen und gibt einen spöttischen Laut von sich. „Die sieht wie ein verdammtes Model aus", seufzt sie verzweifelt, „Da würde jeder Junge schwach werden." Ob sich Asher wohl auf sie einlassen würde? Sie ist schließlich vom Äußeren das genaue Gegenteil von mir.

„Ah, da ist sie ja", murmelt Elin nach einigen Minuten erfreut und zeigt unauffällig auf ein brünettes Mädchen im knallpinken Bikini, „Sie hatte heute Morgen absolut keine Scheu, sich auf einen schnellen Flirt mit meinem Ex Raiden einzulassen. Sie ist das perfekte Mädchen für unseren Test." Elin wartet erst gar nicht unsere Reaktion ab, sondern stapft entschlossen auf die Brünette zu. Die beiden unterhalten sich kurz angeregt miteinander und kommen dann gemeinsam auf uns zu. Dieses Mädchen wird also versuchen, einen Kuss von Asher zu ergattern? Ich finde sie jetzt schon unsympathisch.

„Leute, das ist Leslie", stellt Elin die Grünäugige vor, „Sie hilft uns bei unserem Treuetest." Ich schaffe es nicht, mir ein schiefes Lächeln auf die Lippen zu quälen und mustere Leslie stattdessen abschätzig. Sie hat volle, pinke Lippen, smaragdgrüne Augen und geschwungene, dichte Wimpern. Zudem tanzen winzige Sommersprossen über ihre Stupsnase, was sie nur noch hübscher aussehen lässt. „Hört auf mich mit euren Blicken zu ermorden", lacht sie spöttisch auf, „Ich will euch nur helfen." Wahrscheinlich kam ihr Elins Angebot sogar mehr als nur Recht. Eigentlich mag ich es nicht, andere Menschen lediglich nach ihrem Äußeren zu beurteilen, aber bei Leslie bleibt mir keine andere Wahl. Sie wirkt zickig und arrogant.

„Wir sollten gehen, bevor wir uns doch noch dazu entschließen, den Plan in letzter Sekunde zu känzeln", murmele ich verbittert und ziehe Alica an ihrem Handgelenk mit mir.

Der Weg zum Sportplatz ist in beißende Stille gehüllt. Jeder hängt seinen eigenen Gedanken nach und malt sich wahrscheinlich die wildesten Fantasien mit Leslie aus. Sie wird diejenige sein, die unsere Ex- Freunde testet. Vielleicht bekommt sie das, was wir nie wiederbekommen werden: Einen Kuss.

„Welche Jungs soll ich denn verführen?", hakt die Brünette interessiert nach, als wir den Sportplatz erreichen und uns im Gebüsch verstecken. Wir zeigen ihr nacheinander ein Foto von den Jungs und vergewissern uns ein letztes Mal, ob sie sich auch wirklich die Namen gemerkt hat. „Wer ist der Junge im türkisen Barcelona- Trikot?", frage ich sie skeptisch und hebe eine Augenbraue. Bis jetzt konnte sie jedem Spieler den richtigen Namen zuordnen. „Clay", seufzt sie gelangweilt und betrachtet ihre schwarzen Fingernägel, „Kann ich jetzt endlich gehen?" Niemandem scheint der Gedanke zu gefallen, dass Leslie eventuell unseren Ex- Freund küssen wird, aber dennoch nicken wir.

Die Grünäugige schleicht sich unbemerkt aus dem Versteck und stolziert dann hüftwackelnd auf den Fußballplatz. Ich kann mir gut vorstellen, dass sie von jedem Jungen dort als attraktiv wahrgenommen wird. Sie scheint die ganzen lüsternen Blicke zu ignorieren und steuert zielstrebig auf Alicas Ex- Freund Jonah zu. Sie zieht ihn nach wenigen Sekunden hinter das Trainerhüttchen und schirmt sie somit von den anderen Jungs ab. Wir können trotzdem alles perfekt beobachten.

„Hoffentlich weist er sie ab", murmelt Alica gedämpft neben mir. Ich drücke aufmunternd ihre Hand und lächele nervös. Jetzt wird sich zeigen, wer noch auf eine gemeinsame Zukunft hoffen kann und wer nicht.

Ich richte meine Aufmerksamkeit wieder auf Leslie und beobachte sie dabei, wie sie ihre Hände in Jonahs Nacken verschränkt. Sie nähert sich zwar seinem Gesicht, aber der Kuss bleibt aus. Jonah schiebt die Braunhaarige nämlich grob von sich und schüttelt empört den Kopf. Ich kann nicht verstehen, was er sagt, aber er scheint ziemlich aufgebracht zu sein. Umso erleichterter ist Alica. Sie atmet hörbar die angehaltene Luft aus und wischt sich eine Freudenträne aus dem Augenwinkel.

Leslies nächstes Opfer ist Cade, Romys Ex- Freund.

Die Grünäugige stellt sich lächelnd auf Zehenspitzen und haucht dem Fußballer einen federleichten Kuss auf den rechten Mundwinkel. Cade rührt sich nicht, er wirkt wie erstarrt.

„Scheiße", höre ich Romy neben mir murmeln und erwidere direkt ihren verzweifelten Blick. „Noch haben sie sich nicht geküsst", versuche ich sie zu besänftigen, doch im selben Moment streifen sich die Lippen der beiden. Es ist zwar nur ein kurzer Augenblick, aber er reicht aus, um Romy zu verdeutlichen, dass sie sich nicht allzu große Hoffnungen machen sollte. „Fuck", murmelt sie tränenerstickt und ballt die Hände zu Fäusten. Der Schmerz steht ihr ins Gesicht geschrieben. „Romy, du-", setzt Sarina vorsichtig an, wird allerdings unterbrochen. „Schon gut. Alles bestens", lügt die Blauäugige, „Cade ist ein Arsch."

Wir belassen es dabei und fokussieren erneut Leslie. Mein Herzschlag setzt für den Bruchteil einer Sekunde aus, nur um gleich darauf doppelt so schnell weiterzuschlagen. Ihre Finger umfassen Ashers Handgelenk und führen ihn hinter das Hüttchen. Einerseits möchte ich Ashers Reaktion nicht sehen, aber andererseits sehne ich mich nach Gewissheit. Bietet sich uns womöglich in naher Zukunft eine zweite Chance? Ich wische mir die schweißnassen Hände an meiner Hose ab und starre verkrampft zu Leslie.

Sie platziert ihre rechte Hand an Ashers Wange und möchte gerade ihre linke Hand heben, da löst sich mein Ex- Freund auch schon von ihr. Er schüttelt abschätzig den Kopf, schenkt ihr einen bitterbösen Blick und joggt zurück auf das Spielfeld.

Ich liebe diesen Jungen!

Ich kann nicht bestreiten, dass ich mich nun mindestens zehn Kilo leichter fühle. Der schmerzhafte Druck, der noch bis eben auf meinem Herzen gelastet hat, ist endlich verschwunden. Ich hätte nie auch nur eine Sekunde an Asher zweifeln dürfen.

„Tu es nicht, Clay", reißt mich Sarinas zittrige Stimme in die Realität zurück. Sobald sich meine Sicht klärt, erkenne ich, dass Leslie auch von Clay eine Abfuhr bekommt. Bleibt nur noch Raiden...

Leslies POV

Dass ich bereits von drei Jungs weggestoßen wurde, kratzt an meinem Ego. Ich bin hübsch und sexy, warum wollten sie mich also nicht küssen? Ich verwerfe meine nervenzerreißenden Gedanken und konzentriere mich stattdessen auf den heißen Fußballspieler im weißen Adidas- Shirt.

Raiden.

Ich habe bereits heute Morgen am Strand Bekanntschaft mit dem Blondhaarigen gemacht, wo er mir mehr als deutlich gezeigt hat, dass er an mir interessiert ist. Aber wer kann es ihm verübeln? Ich bin nun mal unfassbar scharf.

Mit einem verführerischen Lächeln auf den Lippen steuere ich Raiden an und schnurre ihm ein raues „Hey, Babe" ins Ohr. Der Braunäugige dreht sich direkt zu mir und kneift mir sanft in den Hintern. „Hast du mich etwa vermisst, Baby?", schmunzelt er zufrieden und leckt sich genüsslich über die Lippen. Raiden wird mich hundertprozentig küssen! „Komm mit, dann zeige ich dir, wie sehr ich dich vermisst habe, Babe", raune ich heiser und stolziere arschwackelnd hinter die kleine Hütte.

Es ist mir egal, dass mich die anderen Mädchen beobachten. Sie sollten sich wirklich schämen, dass sie ihren Ex- Freunden nachheulen und sogar nachspionieren.

Ich richte meine Aufmerksamkeit wieder auf Raiden und grinse selbstgefällig. Ich kann in seinen lüsternen Augen sehen, dass er mich begehrt. „Gefalle ich dir, Babe?", frage ich ihn zwinkernd und zupfe mein Dekolleté zurecht. Der Blondhaarige befeuchtet seine Lippen, ehe er sich von sich aus zu mir runterbeugt. „Du bist verdammt heiß und sexy, Baby", knurrt er erregt und fährt meine Taille nach, „Aber nur im Bikini hast du mir besser gefallen."

Ich sehe sein verschmitztes Grinsen als Herausforderung und überbrücke den letzten Abstand zwischen uns. Unsere Lippen bewegen sich harmonisch aufeinander und lassen unsere Körper zu Einem verschmelzen. Meine Finger wandern in Raidens Haare und ziehen grob an einzelnen Strähnen. Er stöhnt zufrieden auf und haucht ein leises „Spring" in den Kuss.

Ich komme seiner Aufforderung nach und wickele sogleich meine Beine um seine Hüfte. Der Kuss wird immer intensiver, immer drängender. Ich kann das Feuer der Leidenschaft spüren, das zwischen uns knistert. Unsere Zungen tanzen nicht nur, sie liebkosen einander. Raiden ist seit langem der erste Junge, der mein Interesse geweckt hat.

Kaum denke ich an ihn, löst er sich luftschnappend von mir. „Warte nach dem Training vor dem Stadion. Dann machen wir da weiter, wo wir gerade aufgehört haben, Baby", zwinkert er mir schelmisch zu, ehe er zurück auf den Fußballplatz läuft und mich mit hochroten Wangen stehen lässt.

Romys POV

„Diese Schlampe! Ich bringe sie um!" Elins wutverzerrte Stimme erfüllt die Luft. „Habt ihr gesehen, wie sie mit Raiden rumgemacht hat? Sie sollte ihn küssen und nicht auffressen!"

„Beruhige dich, Elin", versuche ich sie gedämpft zu besänftigen und streichele ihr aufmunternd über den Rücken. Ich weiß genau, wie sie sich gerade fühlt. Als sich Cades und Leslies Lippen berührt haben, ist etwas in mir zerbrochen. Ich kann nicht sagen, ob es meine bisherige Hoffnung war oder doch mein Herz, aber die Scherben rauben mir den Atem. „Ich kann mich nicht beruhigen!" Elins hysterisches Geschrei macht mich so langsam wahnsinnig.

Sie ist enttäuscht und verletzt, aber das bin ich auch.

„Sei endlich leise", zischt nun Alica mahnend und deutet zum Fußballplatz. Tatsächlich schauen einige Jungs verwirrt in unsere Richtung und runzeln die Stirn. Glücklicherweise bieten uns die üppigen Büsche Schutz, sodass wir vorerst nicht gesehen werden können. „Lasst uns endlich verschwinden!" Noch bevor jemand auf Elaynas Bitte reagieren kann, räuspert sich eine tiefe Jungenstimme hinter uns. „Was zum Teufel macht ihr hier?"

Mein Herz rutscht mir augenblicklich in die Hose hinab. Das war's, jetzt ist alles vorbei.

Ich tausche einen panischen Blick mit Sarina, die bereits leichenblass im Gesicht ist, und presse meine Lippen zu einer schmalen Linie zusammen. „Moment mal." Keiner wagt es, auch nur den leisesten Mucks von sich zu geben. „Seid ihr nicht die Mädels, die uns mit Wasserbomben abgeworfen haben?!" Ich öffne schockiert meinen Mund, nur um ihn gleich darauf wieder zu schließen. Wie sollen wir uns bloß aus dieser misslichen Situation retten? „Hallo! Ich rede mit euch!" Wir verharren nach wie vor stocksteif in unserer Position und riskieren es nicht, uns zu dem Jungen umzudrehen. Die Gefahr, von unseren Ex- Freunden erkannt zu werden, ist eindeutig zu groß.

„Ey!", knurrt der Junge plötzlich wütend und rüttelt grob an meinen Schultern, „Ich rufe gleich die anderen!"

„Mach doch", zische ich heiser zurück und ramme dem Fußballer meinen Ellenbogen in den Bauch. Er gibt ein überraschtes Keuchen von sich, ehe er von mir ablässt. „Lauft!", weise ich die anderen zurecht und stolpere einen Schritt nach vorne. Ich reiße Sarina am Handgelenk mit mir, doch wir kommen nicht weit. Der Junge scheint sich von seinem kurzzeitigen Schock erholt zu haben, denn er hält mich erneut fest. „Hab ich dich", lacht er triumphierend und zieht mich energisch gegen seine Brust.

„Ken!", brüllt Elin panisch, „Mach keinen Scheiß!" Die anderen Mädels sind bereits gute zwanzig Meter vor mir und lassen ihre ängstlichen Blicke zwischen dem Fußballfeld und mir hin und her schweifen. So lange mich Cade nicht sieht, ist alles in bester Ordnung. „Haut ab!", befehle ich mit zittriger Stimme, „Ich komme auch alleine klar!" Um meine Worte zu unterstreichen, versuche ich mich gewalttätig aus dem Griff des Fußballers zu lösen, doch es ist vergeblich. Er ist einfach zu stark.

„Lass mich los!", protestiere ich dennoch, „Ich habe nichts gemacht!" Seine Brust vibriert vor lauter Lachen, sodass ich sein amüsiertes Glucksen direkt neben meinem Ohr wahrnehmen kann. „Warum seid ihr denn dann weggelaufen?" Der spöttische Unterton in seiner Stimme ist nicht zu überhören. „Weil wir fangen spielen wollten", antworte ich schließlich genervt und verdrehe die Augen.

„Aha. Cade würde bestimmt gerne mitspielen." Die Erwähnung von Cades Namen lässt sämtliche Sicherungen bei mir durchbrennen. Ich trete und schlage wild um mich und kreische so laut ich kann. Mein Körper zittert schon vor Verdruss, doch ich setze mich weiterhin zur Wehr. Jedenfalls so lange, bis der Fußballer seine Hand auf meinen Mund presst und somit meine Schreie erstickt. Mit der anderen Hand hält er meine Arme zusammen und verschränkt sie schmerzhaft hinter meinem Rücken. Ich möchte erneut schreien, aber es geht nicht. Stattdessen nehme ich all meinen Mut zusammen und beiße dem Jungen in die Hand.

Er lässt mich ruckartig los und taumelt einen Schritt zurück. Ich nutze diesen Überraschungseffekt und verpasse dem Blondhaarigen eine schallende Ohrfeige. Seine grünen Augen weiten sich kurz, ehe er mich zornig anfunkelt. „Das hättest du nicht tun sollen!", faucht er bedrohlich und baut sich in seiner ganzen Größe vor mir auf. Obwohl ich für ein Mädchen ziemlich groß bin, überragt er mich um mehr als einen Kopf.

„Ich mache das, was ich möchte", erwidere ich schulterzuckend und mache auf dem Absatz kehrt. Ich renne gebückt durch das Gebüsch und ignoriere dabei die ganzen Zweige, die mir schmerzhaft ins Gesicht peitschen. Momentan ist mir alles gleichgültig, so lange ich nicht von Cade gesehen werde.

Ich erreiche außer Atem einen Baum, der etwas abgelegen vom Fußballfeld ist, und ziehe mich kraftvoll auf den ersten Ast. Schweißperlen glitzern auf meiner Stirn und rinnen lautlos über meine Wangen. Es ist das Adrenalin, das mich antreibt und mich immer höher klettern lässt.

„Hey!" Ich zucke zusammen und werfe einen panischen Blick nach unten. Der blondhaarige Junge hat bereits den ersten Ast erklommen und kommt mir somit immer näher. Ich schaue mich hastig um, nur um festzustellen, dass ich nicht weiterkann. Die Äste über mir sind viel zu dünn und würden direkt unter meinem Gewicht nachgeben. Ich beiße verkrampft auf meine Unterlippe und überlege fieberhaft, wie ich diesem Dilemma am besten entkommen kann.

„Ich bin gleich bei dir, Romy- Schätzchen, und dann gehen wir gemeinsam zu Cade."

„Gehen wir nicht!" Ich klettere flink um den Baumstamm herum, sodass ich mich gegenüber von dem Fußballer befinde. Er wird mich niemals zu meinem Ex- Freund bringen! Ich setze vorsichtig meinen zweiten Fuß auf einen etwas dünneren Ast, da ertönt auch schon ein lautes Knacken. Ehe ich begreife, wie mir gerade geschieht, falle ich.

„Aaaaahhh!", kreische ich schockiert und versuche mich noch in letzter Sekunde irgendwo festzuhalten. Doch mein Vorhaben gelingt nicht. Ich pralle unsanft auf dem Boden auf und gebe ein ersticktes Keuchen von mir. Mein Kopf hämmert unangenehm, wohingegen meine Arme und Beine etwas aufgeschürft sind. „So eine Scheiße", murmele ich schmerzverzerrt und hieve mich vom dreckigen Boden hoch. Direkt begegne ich einem grünen Paar besorgter Augen.

„Ist alles okay?", fragt er mich vorsichtig und legt einen Arm um meine Schulter. „Lass mich los!", zische ich zornig und spucke abschätzig vor seine Füße. Der Junge lässt sich jedoch nicht beirren und stützt mich weiterhin. „Vielleicht solltest du ein Wörtchen mit Dawson reden."

„Hä?"

Ich schaue verwirrt zu ihm auf und runzele die Stirn. Was hat Dawson mit den Fußballern zu tun? „Schon mal etwas von Rache gehört?" Schlagartig weiten sich meine Augen. Das alles war ein riesengroßer Fake! „Ich hasse ihn!", knurre ich wütend und balle meine Hände zu Fäusten. Ich habe ihm bloß eine Möhre in die Nase gesteckt und was macht er? Er jagt mir den Schrecken meines Lebens ein! „Tust du nicht", erwidert der Blondhaarige lachend und dirigiert mich Richtung Laufbahn.

„Oh, doch! Warum hast du überhaupt bei seinem scheiß Plan mitgemacht?"

„Ich habe ihm noch einen Gefallen geschuldet."

„Das muss dann ja ein ziemlich großer Gefallen gewesen sein. Du-" Ich verstumme mitten im Satz und setze stattdessen mein schönstes Lächeln auf. Ich schiebe den Arm des fremden Jungens von mir und humpele auf Dawson zu. Er steht mit dem Rücken zu mir gewandt und fährt sich erschöpft durch die schweißnassen Haare. Sein Training wird nur halb so schlimm gewesen sein, wie das, was ihm jetzt bevorsteht.

„Hey, Dawson", säusele ich lieblich und tippe ihm sanft auf die Schulter. Er dreht sich ruckartig zu mir und macht sogleich Bekanntschaft mit meiner Hand. Ich möchte zu einer weiteren Ohrfeige ansetzen, doch der Braunhaarige umfasst meine Handgelenke. „Schön dich zu sehen, Romy", lächelt er gekünstelt, „Wie geht es dir?"

„Sei froh, dass ich an keiner Herzkrankheit leide und mir nichts gebrochen habe!" Er runzelt verwirrt die Stirn und mustert mich eindringlich. „Sie ist von einem Baum gefallen", mischt sich der Grünäugige besorgt ein. Sein falsches Mitgefühl kann er sich sparen! „Du bist vom Baum gefallen?!", wiederholt Dawson ungläubig die Worte und starrt mich fassungslos an.

„Also eigentlich habe ich fliegen gelernt." Der Braunäugige wirft belustigt den Kopf in den Nacken und lacht herzhaft auf. Es war vorherzusehen, dass er sich über diese Tatsache köstlich amüsieren würde. „Du bist so ein Arsch, Dawson", fluche ich wütend und ramme ihm meinen Ellenbogen in die Seite. Der Sportler verzieht nicht einmal die Miene, sondern lacht unbekümmert weiter. Ich versuche sein schrilles Gegluckse zu ignorieren und wende mich an den blondhaarigen Jungen. „Was dich angeht", raune ich verbittert, „du bist genau so ein Arsch. Und leider ein ziemlich begnadeter Schauspieler."

Er zwinkert mir kurz entschuldigend zu, ehe er sich zu meinem Ohr beugt. „Ich bin übrigens Casper." Ein humorloses Lachen entflieht meinen Lippen. „Hätte ich mir bei deinem Verhalten auch denken können..."

Sarinas POV

Wir hocken nun schon seit geschlagenen dreiundzwanzig Minuten vor dem Sportplatz, aber von Romy fehlt jede Spur. Wir hätten ihr irgendwie helfen müssen und sie nicht dem Fußballer überlassen dürfen. Die Blauäugige ist zwar taff und clever, aber gegen die Muskeln eines Jungens kommt selbst sie nicht an.

„Ich halte es nicht mehr aus, Leute", atme ich hörbar die angehaltene Luft aus, „Ich suche jetzt Romy." Ich erhebe mich mit rasendem Herzen von den kühlen Treppenstufen und straffe meine Schultern. Elin und Elayna tun es mir augenblicklich gleich, nur Alica zögert einen Moment. „Du kannst auch hier warten", wende ich mich schulterzuckend an die Blondine. Ich kann Alicas Bedenken verstehen, doch sobald ich Romys Gesicht vor meinem inneren Auge sehe, verfliegen sie. Die Braunhaarige ist unsere Freundin. Wir sollten ihr zur Seite stehen und sie unterstützen.

„Ich komme mit", murmelt Alica gedämpft und rückt sich die Sonnenbrille auf der Nase zurecht. Wir schleichen uns gemeinsam zum Eingang und krabbeln dann vorsichtig über den Boden. Ich werfe einen unsicheren Blick zum Fußballfeld, stelle jedoch erleichtert fest, dass sich die Jungs ausschließlich auf ihre Bälle konzentrieren.

„Schaut mal", wispert plötzlich Elayna und deutet verschwörerisch auf den Jungen im neonorangenen Shirt, „Cade trainiert noch und von Romy ist weit und breit nichts zu sehen. Vielleicht konnte sie dem Fußballer entwischen."

„Hoffentlich." Wir pirschen uns wachsam an dem Fußballplatz vorbei und atmen erst dann beruhigt auf, als wir hinter den Büschen Schutz finden. Von hier aus hat man einen perfekten Blick auf die verschwitzten Jungs. Ohne es kontrollieren zu können, suchen meine Augen nach Clay. Der Blondhaarige dribbelt gerade seinen Gegenspieler aus und möchte nun zum Schuss ansetzen, doch er rutscht weg. Ehe er sich wieder aufrappelt und dem Ball nacheilt, schlägt er wütend auf den Boden und flucht leise vor sich hin. Das hat er schon immer gemacht, wenn er von Zorn geleitet wurde.

„Erde an Sarina!"

Ich zucke erschrocken zusammen und wende meinen verträumten Blick von meinem Ex- Freund ab. Elin wedelt ununterbrochen mit ihrer Hand vor meinem Gesicht herum und grinst wissend. Obwohl sie noch vor einigen Minuten einem heruntergekommenen Wrack glich, ist sie jetzt endlich wieder sie selbst. „Schön, dass du wieder auf dem Planeten Erde bist", lacht sie neckend, „Wie hat es dir denn auf dem rosaroten Planeten Dawson gefallen?"

„Was?" Ich schaue sie irritiert an und lege meine Stirn in tiefe Furchen. Wie kommt sie denn auf einmal auf Dawson zu sprechen? „Ich habe gefragt, wie es-"

„Ich habe deine Frage verstanden, Elin, aber ich habe nicht an Dawson gedacht."

„Ja ja ja und jetzt komm." Die Blondine zieht mich schwungvoll auf die Beine und deutet dann verschwörerisch zu den Kabinen auf der anderen Seite. Tatsächlich huschen Romy, Dawson und der blondhaarige Fußballer, der uns verfolgt hat, in den Korridor zu den Umkleiden. Jetzt verstehe ich auch Elins Worte. Sie dachte, dass ich Dawson beobachtet habe und nicht Clay.

„Hör auf zu träumen", ermahnt mich ebendiese kichernd, „Du kannst ihn nachher einfach fragen, ob er sein Shirt auszieht." Ich zeige ihr kopfschüttelnd meinen Mittelfinger und schließe zu Elayna und Alica auf. Es ist äußerst bemerkenswert, dass ich nach dieser kurzen Zeit so gute Freundinnen gefunden habe. Ich bin nach Spanien gereist, um Clay vom Fußballspielen abzuhalten. Niemals hätte ich damit gerechnet, auf Menschen wie Romy, Elin, Alica und Elayna zu treffen.

„Ken!", brüllt Elin direkt erfreut, als wir die Kabinen erreichen und stürmt auf Romy zu. Sie verwickelt die Brünette in eine herzliche Umarmung und tätschelt ihr über den Rücken. Dawson und der blondhaarige Junge stehen bloß amüsiert daneben und schütteln den Kopf. „Gruppenumarmung, Mädels!" Das lassen wir uns nicht zweimal sagen. Alica, Elayna und ich wechseln einen vielsagenden Blick, ehe wir zu Elin und Romy eilen und uns der Umarmung anschließen. Ganz egal, wie es hier in Spanien mit Clay und mir endet, ich werde viele, wunderschöne Erinnerungen in meinem Herzen tragen.

„Da werde ich ja ganz neidisch", ertönt auf einmal Dawsons spöttische Stimme hinter uns, „Gruppenumarmung, Junge!" Wir beobachten den Sportler dabei, wie er dem Grünäugigen in die Arme fällt und wenig später beide keuchend auf dem Boden landen. Sie überspielen den kurzen Schock mit einem frechen Grinsen und umarmen sich dann liegend.

„Du machst deinen Namen wirklich alle Ehre", schmunzelt Romy belustigt und verschränkt die Arme vor der Brust. Erst jetzt fällt mir auf, dass ihre Haut an einigen Stellen blaugefleckt und aufgeschürft ist. „Oh mein Gott!", lenke ich ihre Aufmerksamkeit auf mich, „Was ist passiert, Romy?" Sie möchte gerade zu einer Antwort ansetzen, da übernimmt Dawson auch schon das Reden. „Sie hat fliegen gelernt."

„Pass auf, dass du gleich nicht noch einmal auf die Fresse fliegst, wenn ich den anderen erzähle, was du gemacht hast." Ich runzele aufmerksam die Stirn und wage es nicht, Dawsons und Romys Blickduell zu unterbrechen. Der Braunäugige wendet zuerst den Blick ab, sodass Romy einen triumphierenden Laut ausstößt. „Unser eigentlich hoch geschätzter Freund Dawson hat uns verarscht, Mädels", säuselt sie gespielt freundlich, „Und das kleine Kasperleinchen hat ihm dabei geholfen." Der Blondhaarige kratzt sich verlegen am Nacken und fokussiert seine Schuhe. Nicht nur Romys Worte, sondern auch sein Verhalten lassen mich stutzig werden.

„Wie meinst du das?", spricht Elayna neugierig meine Gedanken aus und legt leicht den Kopf schief. Automatisch wandern alle Blicke zurück zu Romy. „Dieser Junge", sie zeigt auf den grünäugigen Fußballer, „ist ein Freund von Dawson. Er spielt gar kein Fußball und hat uns somit auch nicht wirklich verfolgt. Die beiden haben sich für heute Morgen gerächt."

„Was war denn heute Morgen?", hake ich verwirrt nach. Ich sehe Dawson gerade zum ersten Mal an diesem Tag. „Deine Freundinnen haben mir Möhren in die Nase gesteckt", antwortet der Braunhaarige augenverdrehend, „Da dachte ich mir, dass eine kleine Lektion nicht schaden könnte." Kaum erklingt das letzte Wort, tritt Elin auf den Sportler zu und boxt ihm wütend gegen den Oberarm. „Du Idiot!", zischt sie zornig und wendet sich dann an Dawsons Freund, „Du bist auch ein Idiot!" Sie holt erneut aus und boxt auch den Blondhaarigen gegen den Oberarm.

„Ich schätze, das haben wir wirklich verdient", seufzt er unwohl und tauscht einen Blick mit seinem Kumpel. „Oh ja, das habt ihr verdient!", erhebt nun Alica ihre Stimme und tritt sowohl Dawson, als auch seinem Verbündeten gegen das Schienbein. Beide geben einen fauchenden Laut von sich, setzen sich allerdings nicht zur Wehr. „Du bist dran, Elayna." Die Braunäugige geht unsicher auf die Jungs zu und spuckt beiden vor die Füße. Jetzt fehlen nur noch Romy und ich, aber so wie ich die Brünette kennengelernt habe, wird sie sich sicherlich schon gerächt haben.

„Was macht ihr eigentlich hier bei den Kabinen?", versuche ich unschuldig vom Thema abzulenken und deute auf die verschlossenen Türen. Vor drei Tagen hat an diesem Ort alles angefangen. Und ich bereue nichts.

„Kasperleinchen wollte seine kriminellen Fähigkeiten zur Schau stellen", erklärt Romy mit einem spöttischen Unterton in der Stimme und nickt dem Blondhaarigen auffordernd zu. Er tritt einen Schritt nach vorne und begutachtet die verschlossene Tür. „Hat jemand eine Haarklammer?", fragt er nach einigen Sekunden und lässt seinen Blick über unsere Haare gleiten. Alica seufzt ergeben und zieht eine schwarze Spange aus ihren blonden Strähnen. Kasperleinchen ergreift diese und macht sich dann an der Tür zu schaffen.

„Also professionell sieht das nicht aus", äußert Elin skeptisch ihre Bedenken und hebt eine Braue. Ich stelle mich zu ihr, um besser gucken zu können, und stimme ihr mit einem Nicken zu. Der Grünäugige stochert wahllos in dem Schlüsselloch herum, jedoch ohne Erfolg. „In den ganzen Filmen sieht das immer so leicht aus", murrt er frustriert und tritt gegen die Tür.

„Mit der richtigen Technik ist das bestimmt auch total leicht", behauptet Dawson und schiebt seinen Freund grob zur Seite, „Lass mich mal machen." Er steht ebenso hilflos vor der Tür und stellt sich nicht weniger ungeschickt an. Eins steht fest: Die beiden sind keine geeigneten Einbrecher. „Mit einer Kreditkarte würde das besser gehen."

„Ja ja, ist klar, Dawson. Gib doch einfach zu, dass du nichts draufhast."

„Ich habe ziemlich viel drauf, Elin, mehr als du denkst."

„Und was?"

„Im Gegensatz zu dir werde ich bei der U23- Weltmeisterschaft starten." Ich starre den Sportler aus großen Augen an. Ich habe mich schon von Anfang an gefragt, was Dawson für eine Sportart macht und wie gut er darin ist. Dass er so gut ist, hätte ich wiederum nicht erwartet. „Ach ja? Und in welcher Disziplin? Arrogant sein steht nämlich, soweit ich weiß, nicht auf dem Plan", verdreht Elin genervt die Augen und erwidert Dawsons stechenden Blick. Die beiden werden es vermutlich nie schaffen, eine friedliche Konversation miteinander zu führen.

„Kommt um drei Uhr in Sportsachen zur Laufbahn. Dann werden wir sehen, wer der oder die Beste ist." Der Braunhaarige streckt Elin auffordernd die Hand entgegen. „Deal?"

„Deal!"

Elins POV

„Mädels, wir werden es Dawson so richtig zeigen!", motiviere ich die anderen und klatsche in die Hände, „Er wird niemals so gut sein, wie er behauptet." Sarina, Alica und Elayna bedenken mich mit einem skeptischen Blick, lediglich Romy klatscht ebenfalls in die Hände. „Ganz genau. Der Typ denkt, dass er der Beste ist, aber dem ist nicht so. Fünf sind besser als einer." Ich lege meine Arme um Romys und Elaynas Schultern, ehe wir zu der Laufbahn schlendern.

Dank Alicas bestem Freund Zane wissen wir, dass die Jungs heute Nachmittag kein Training haben. Dementsprechend können wir ganz entspannt über den Sportplatz spazieren, ohne ständiger Angst ausgesetzt zu sein. Aber um ehrlich zu sein, wäre es mir sogar egal, wenn mich Raiden sehen würde. Er hat mich schließlich durch ein beliebiges Mädchen ersetzt und mich bestimmt schon komplett vergessen. Vielleicht sollte ich mich extra an seinen Fußballkollegen Zander ranmachen.

„Da seid ihr ja, Ladies", reißt mich Dawsons nervige Stimme aus meinen Gedanken. Der Braunhaarige grinst uns fröhlich an und umarmt Sarina zur Begrüßung. Wie gut, dass sie nachher sowie so duschen muss. „Spar dir diese Förmlichkeiten, Dawson", zische ich genervt, „Sag uns lieber, was wir machen müssen." Der Sportler erwidert meinen stechenden Blick und wackelt herausfordernd mit den Brauen. „Springen, Laufen und Werfen."

Ich nicke unbeeindruckt, obwohl sich in meinem Inneren alles zusammenzieht. Ich habe Leichtathletik schon immer gehasst, was wohl daran liegen könnte, dass ich nicht sonderlich sportlich bin. Sarina und Elayna haben dieselbe Leidensmiene wie ich aufgesetzt und stöhnen frustriert. Vielleicht hätte ich mich nicht auf diesen Deal einlassen sollen.

„Okay, wir starten mit dem 100- Meter- Lauf", verkündet Dawson feierlich und führt uns zu einer Linie, an der bereits sechs Startblöcke stehen. Ich versuche mich vergeblich an die Mittelstufe zu erinnern, wo wir gelernt haben, wie man Startblöcke richtig einstellt. „Zwei Füße für den dominanten Fuß und drei Füße für den schwächeren Fuß", hilft mir Elayna auf die Sprünge. Ich setze ihre Worte in die Tat um und stelle den Block passend ein. Die anderen sind bereits fertig. „Wer gibt das Startsignal?"

„Ich!", melde ich mich direkt freiwillig und grinse teuflisch. Dawson hat nicht gesagt, dass es mit fairen Mitteln zugehen muss. „Na schön", seufzt Benannter ergeben, „Das Ziel ist hinten bei den Zahlen." Wir nicken verstehend und positionieren uns hinter den Blöcken. „Auf die Plätze..."

Während sich die anderen in Startposition begeben, sprinte ich los. Ich weiß, dass ich nicht schnell bin, weshalb ich diesen Vorsprung gut brauchen kann. „Eliiiiin!" Ich kann die Schritte und den lauten Atem der anderen hören. „Das war nicht nett", grinst plötzlich Dawson links neben mir. Obwohl ich mindestens fünfzehn Meter vor ihm gestartet bin, hat er mich schon eingeholt. Im Gegensatz zu mir ist er nicht mal am Hecheln oder anderweitig am Schwitzen.

Der Angeber erreicht leider als Erster das Ziel, gefolgt von Romy, Alica, Sarina, mir und letztendlich auch Elayna.

Ich lasse mich erschöpft auf die Bahn fallen und schnappe hektisch nach Luft. Spätestens jetzt bereue ich diesen Deal. „Keine Zeit für Pausen, Mädels, es geht weiter", klatscht Dawson übermotiviert in die Hände und dirigiert uns zur Sandgrube. Im Weitsprung war ich immer die Schlechteste aus meiner Klasse. „Jeder von euch darf einmal gegen mich antreten", grinst der Braunhaarige selbstgefällig und zieht mich am Handgelenk neben sich, „Du darfst anfangen, Elin." Ich starre ihn aus verkniffenen Augen an und sprinte los. Kurz vor dem weißen Balken springe ich ab und lande unsanft im Sand.

Ich drehe mich schlecht gelaunt um und beobachte Dawson dabei, wie er perfekt das weiße Brett trifft und seine langen Beine nach vorne schmeißt. Wenn mich nicht alles täuscht, ist er mindestens fünf Meter weiter gesprungen als ich.

Romy, Alica, Sarina und Elayna können ihm ebenfalls keineswegs das Wasser reichen. Vielleicht hatte ich Unrecht und Dawson ist doch ganz gut in dem, was er macht. Zugeben würde ich das aber niemals!

„Auf zum Kugelstoßen!"

„Och nöö, ich habe keine Lust mehr", protestiere ich bockig und setze mich zurück in die Sandgrube. So viel Sport habe ich schon lange nicht mehr gemacht. „Gibt da etwa jemand auf?", neckt mich der Braunäugige grinsend und streckt mir die Zunge entgegen, „Ihr dürft auch leichtere Kugeln benutzen als ich."

„Wie gnädig von dir", knirsche ich und trotte den anderen lustlos hinter her. Romy hält bereits eine bronzefarbene Kugel in der Hand und positioniert diese in ihrer Halskuhle. „Seht zu und staunt", kichert sie mädchenhaft und stößt die Kugel von sich. Tatsächlich kommt sie erst gute zehn Meter von uns entfernt wieder auf dem Boden auf. „Nicht schlecht", lobt Dawson anerkennend und hilft dann Sarina dabei, die richtige Position einzunehmen. So oft, wie er sie heute schon betatscht hat, muss sie nachher wirklich ziemlich gründlich duschen gehen. Das Schlimmste an der ganzen Sache ist allerdings, dass Sarina total auf Dawsons Annäherungsversuche eingeht. Natürlich kann der Braunhaarige ab und zu mal ganz nett sein, aber im Großen und Ganzen ist er ein verdammt eingebildeter Idiot.

„Aaaahhh, fuck!"

Elaynas schmerzverzerrter Schrei lässt mich unverzüglich zusammenzucken. Sie hockt mit zusammengebissenen Zähnen auf dem Boden und hält sich die Schulter. „Fuck, Fuck, Fuck", flucht sie zischend und blinzelt sich eine Träne aus dem Augenwinkel. „Oh Gott, ist alles gut?", fragt Alica überflüssigerweise nach und kauert sich ebenfalls auf den Boden. „Nein! Ich glaube ich habe mir die Schulter ausgerenkt oder so!"

„Soll ich sie wieder einrenken?" Alle Blicke schießen wie messerscharfe Pfeile zu Dawson. Der Sportler steht besorgt neben Sarina und blickt nachdenklich auf Elaynas Schulter hinab. „Es kommt ziemlich oft zu einer Schulterluxation. Ich habe mir auch schon des Öfteren die Schulter ausgekugelt", erzählt er ruhig und streift sich sein verschwitztes Shirt über den Kopf. Eins muss man ihm lassen: Sein Körper ist göttlich.

Ich versuche krampfhaft, Dawson nicht allzu offensichtlich anzustarren und fixiere deshalb Elayna. Ihr Gesicht ist ganz rot angelaufen, die Zähne sind immer noch zusammengepresst. „Du musst dich jetzt auf den Rücken legen und deinen schmerzenden Arm von deinem Körper wegspreizen", befiehlt Dawson mit rauer Stimme und hilft Elayna dabei, sich hinzulegen, „Jemand muss sich zu Elaynas Füßen setzen, damit sie gleich Druck aufbauen kann." Alica springt hastig auf und positioniert sich dann wie befohlen. „Ich werde gleich langsam und gleichmäßig an deinem Arm ziehen. Du kannst dich dabei am besten an Alicas Rumpf pressen." Elayna nickt wehmütig und schließt ihre Augen.

Romy nimmt zu ihrer rechten Seite Platz und streichelt aufmunternd über ihren Handrücken. „Wenn es zu sehr weh tut, kannst du gerne meine Hand drücken", gibt sie in einem viel zu hohen Quietschton von sich und ringt sich ein schiefes Lächeln ab. „Okay, ich ziehe auf drei", warnt Dawson die Braunäugige vor, „Eins! Zwei!"

„Ahhh, scheiße!", kreischt Elayna schmerzhaft und bäumt ihren Rücken auf. Wie zu erwarten hat Dawson nicht auf „Drei", sondern schon auf „Zwei" gezogen. Der Sportler zieht Elaynas Arm weiterhin in langsamen und gleichmäßigen Zügen direkt von ihrem Körper weg, bis ein dumpfes Geräusch zu hören ist. Wenn mich nicht alles täuscht, ist ihre Schulter nun wieder eingerenkt.

„Hat der Schmerz nachgelassen?" Die Braunäugige nickt erschöpft und möchte sich aufsetzen, wird jedoch von Dawson zurückgehalten. „Bleib noch kurz liegen. Ich bastele dir schnell aus meinem Shirt eine Schlinge, damit du deinen Arm besser fixieren kannst." Wir schauen dem Braunhaarigen gespannt zu, wie er sein Sportshirt zu einer Schlinge formt und Elaynas Arm darin bettet. Er hilft ihr vorsichtig beim Aufsetzen und stützt ihren Rücken. „Deine Schulter wird noch ziemlich instabil sein", meint er nachdenklich, „Außerdem sollten wir zur Sicherheit einen Arzt aufsuchen."

„Du hast dich doch so eben als angehender Facharzt erwiesen", lächelt Alica sanft und klopft Dawson freundschaftlich auf die Schultern. „Wo hast du das überhaupt gelernt?", hake ich interessiert nach und runzele die Stirn. Der vermeintlich eingebildete Idiot steckt scheinbar voller Überraschungen. „Nicht alle sind davon begeistert, dass ich für den Zehnkampf lebe", seufzt der Sportler verbittert, „Mein Vater hat mich dazu gezwungen, neben der Leichtathletik Medizin zu studieren. Na ja, ich habe das Studium nach meinem dritten Semester abgebrochen."

„Wie alt bist du denn, wenn man fragen darf?" Ich muss über Sarinas Frage den Kopf schütteln. Sie hat absolut Interesse an dem Sportler, das kann sie nicht bestreiten. Wer weiß, vielleicht finden die beiden tatsächlich noch zueinander?! „Ich werde im November zweiundzwanzig Jahre alt."

„Vier Jahre Unterschied sind gar nichts", zwinkere ich Löckchen vielsagend zu und beobachte amüsiert, wie sich ihre Wangen rot färben. „Wie dem auch sei, Mädels, wir sollten jetzt wirklich zum Krankenhaus gehen", drängt Dawson und deutet auf Elayna. Er positioniert seine Hand auf ihrem Rücken und gibt ihr somit Stabilität.

„Wäre es nicht sinnvoller, erst zu duschen?", werfe ich kleinlaut meine Frage ein. Im Gegensatz zu den anderen bin ich komplett verschwitzt und stinke. „Nein!", erhalte ich eine einstimmige Antwort und böse Blicke. „Okay, okay", hebe ich abwehrend die Hände, „War ja nur eine Frage. Dann stinken wir halt alles voll. Kein Problem." Romy schüttelt lachend den Kopf, ehe sie sich bei mir unterhakt. 

Alicas POV

Das Krankenhaus ist glücklicherweise nur fünfzehn Minuten zu Fuß entfernt und relativ leer. Die Dame am Empfang mustert uns kurz, ehe sie sich mit Dawson auf Spanisch unterhält. Elin und Elayna geben zwischendurch auch mal einen Kommentar ab, aber eigentlich übernimmt der Braunäugige das Reden.

„Wir müssen noch kurz im Wartezimmer Platz nehmen", teilt er uns seufzend mit und deutet auf einen leerstehenden Raum. Über der großen Glastür ist ein Schild mit der Aufschrift „Sala de espera" angebracht. Wir betreten gemeinsam das Wartezimmer und lassen uns erleichtert auf die gepolsterten Stühle fallen. Dieser Tag hat bis jetzt eindeutig zu viel Aufruhr mit sich gebracht.

„Übrigens, Dawson", durchforstet Elayna schüchtern die beißende Stille, „Danke nochmal." Sie zwingt sich ein schwaches Lächeln auf die Lippen, doch es erreicht nicht ihre Augen. Die Brünette wirkt auf einmal total müde und erschöpft. „Kein Problem", winkt der Sportler ab und zwinkert Elin teuflisch zu, „Ich hätte selbst unserer kleinen Barbie in so einer Situation geholfen."

„Du Charmeur", erwidert die Blondine augenverdrehend und beißt sich auf die Unterlippe, um ein Grinsen zu unterdrücken. Sie scheint Dawson gar nicht so doof zu finden, wie sie immer behauptet.

„Oh oh."

Ich schaue hektisch zu Elayna und mustere ihr blasses Gesicht. „Was ist los?", frage ich alarmiert, „Tut deine Schulter wieder weh?" Die anderen wenden sich nun ebenfalls zu Elayna und bedenken sie mit einem besorgten Blick. So, wie sie da gerade vor uns sitzt, erinnert sie mich an ein eingeschüchtertes Schulkind. „Schön wär‘s", gibt sie emotionslos von sich, „Jonah steht gerade mit einem anderen Fußballer an der Rezeption."

Ich verschlucke mich an meiner eigenen Spucke und huste lauthals. „Was?", krächze ich benommen und wage es nicht, zum Eingang zu schauen. Wie wahrscheinlich ist es bitteschön, dass mein Ex- Freund ausgerechnet jetzt dieses Krankenhaus betritt?! „Wo kann ich mich denn verstecken?", frage ich hilflos und schaue mich panisch in dem kleinen Wartezimmer um. Die Garderobe ist eindeutig zu klein und unter dem Glastisch würde mich Jonah direkt sehen können. „Komm auf meinen Schoß", fordert Dawson auf einmal und greift hektisch nach meinem Handgelenk, „Schnell!"

Ich springe von meinem Stuhl auf und klettere umständlich auf Dawsons Schoß. Seine Finger gleiten zu meinem Zopfgummi und lösen dieses. Sofort fallen mir meine blonden Haare ins Gesicht und bieten mir seitlich etwas Schutz. Mein Herz hämmert unkontrolliert gegen meine Brust und schickt elektrisierende Stiche durch meinen Körper. „Achtung, er kommt", raunt Sarina verschwörerisch und legt einen Finger auf ihre Lippen. Im nächsten Moment greift sie nach einer Zeitschrift und versteckt ihren Lockenkopf dahinter. Romy, Elin und Elayna tun es ihr gleich.

Für einige Sekunden herrscht absolute Stille im Raum und ich spiele mit dem Gedanken, ob sie mich eventuell nur hereingelegt haben, doch da öffnet sich die Tür mit einem leisen Knarren. „¡Buenos días!" Jonahs raue Stimme lässt eine wohlige Gänsehaut über mein Rückgrat tanzen. Es ist schon viel zu lange her, als wir uns das letzte Mal so nah waren. „¡Hola!", erwidern Dawson und Elin knapp die Begrüßung, ehe uns wieder angespanntes Schweigen umhüllt.

Ich würde mich wirklich gerne zu Jonah umdrehen, um in seinen schokoladenbraunen Augen zu versinken, aber meine Vernunft siegt. Ich bin erst seit drei Tagen hier und möchte es ungerne darauf anlegen, von meinem Ex- Freund erkannt zu werden.

„Warum musstest du auch unbedingt einen Salto im Wasser machen?!", erklingt erneut seine anklagende Stimme. Ich kann mir nur allzu gut vorstellen, dass er gerade seine Augen verdreht und die Stirn runzelt. Jonah ist im Gegensatz zu anderen Jungs ziemlich gefühlvoll und einfühlsam. Manchmal hat er bei Schnulzenfilmen sogar mehr geweint, als ich. „Ich wollte die ganzen chicas beeindrucken", erwidert ein anderer Junge gleichgültig und zuckt wahrscheinlich mit den Schultern. Warum haben es Jungs immer nötig, Bewunderung und Achtung hervorzurufen?

„Hat ja super geklappt. Glaub mir, Kumpel, nicht alle Mädels stehen auf Aufreißer." Ich bilde mir ein, einen traurigen Unterton in Jonahs Stimme zu hören. Ich muss mich wirklich zusammenreißen, um nicht einfach aufzustehen und zu ihm zu gehen. Uns trennen nur so wenige Meter und trotzdem fühlt es sich wie eine meilenweite Entfernung an.

„Elayna Turner." Ich zucke unweigerlich zusammen und öffne meine Augen. Direkt begegne ich dem besorgten Blick von Dawson. „Wir warten hier", wendet er sich an die anderen und lächelt aufmunternd. Ich kann aus dem Augenwinkel sehen, wie Sarina, Elin, Romy und Elayna den Raum verlassen und einer jungen Arzthelferin folgen.

„Hieß die Ex- Freundin von diesem Asher nicht auch Elayna?" Jonahs Frage lässt mich erstarren. Ich habe gar nicht darüber nachgedacht, dass die Fußballer ebenfalls miteinander reden und sich näher kennenlernen. Wer weiß, mit wem Jonah schon über mich gesprochen hat?! „Keine Ahnung. Ellena, Elayna, Aleyna... Ist doch alles das Gleiche." Ich presse meine Lippen zu einer schmalen Linie zusammen und rutsche unruhig auf Dawsons Schoß hin und her. Jonahs Anwesenheit macht mich ganz verrückt.

„Hör auf, dich zu bewegen, Alice", raunt der Braunhaarige plötzlich mit rauer Stimme und platziert seine Hände an meiner Taille, „Ich bin auch nur ein Junge und kann leider für nichts garantieren." Ich möchte den Mund öffnen und ihn fragen, was er damit meint, doch der Sportler reagiert schneller und presst seine Hand auf meine Lippen. Ich muss wirklich vorsichtiger sein. „Bleib einfach ruhig sitzen, dann bleibt da unten bei mir auch alles ruhig."

Als wäre es nicht schon schlimm genug, dass meine Wangen hochrot anlaufen, dringt zusätzlich Jonahs schallendes Lachen zu meinen Ohren hindurch. Er konnte noch nie unauffällig andere Leute belauschen. „Ist was?", wendet sich Dawson unfreundlich an meinen Ex- Freund und späht über meine Schulter zu ihm. Sein Killerblick lässt einem wirklich für kurze Zeit das Blut in den Adern gefrieren. „Ne ne, sorry", winkt Jonah immer noch lachend ab, „Ich musste gerade nur an meine Freundin denken. Sie rutscht auch immer so zappelig auf meinem Schoß hin und her."

Ein ungewolltes Lächeln überkommt mich. Anfangs bin ich unbewusst auf seinem Schoß herumgerutscht, später um ihn zu provozieren. „Ich dachte du hast keine Freundin?!", mischt sich der verletzte Fußballer skeptisch in das Gespräch ein. Erst jetzt realisiere ich Jonahs Worte. Er hat „Freundin" gesagt und nicht „Ex- Freundin". Mein Herz wird auf einmal schwer wie Blei und rutsch in meine Hose hinab.

„Danke, dass du mich daran erinnerst, Mace", brummt Jonah zwischen zusammengebissenen Zähnen, „Dann halt Ex- Freundin." Eine Träne, gefüllt mit Trauer und Sehnsucht, kullert über meine Wange. Ich erwidere Dawsons mitleidigen Blick und lasse ihn die brennende Glasperle von meiner Haut streichen. Ohne den Braunhaarigen wäre ich absolut aufgeschmissen. Ich glaube, dass wären wir alle.

„Mace Allen." Die beiden Jungs erheben sich von ihren Stühlen und verlassen mit schlurfenden Schritten das Wartezimmer. Erst als die Glastür geräuschvoll zu schwingt, kann ich wieder befreit aufatmen.

Ich lasse all die angestauten Emotionen frei und weine hemmungslos. Dawson streichelt unbeholfen über meinen Rücken, ehe er seufzt und mich in seine muskulösen Arme zieht. Dass er immer noch oberkörperfrei ist, schien weder die anderen zu interessieren, noch nimmt es gerade eine tragende Rolle für mich ein. Er ist bei mir und das ist die Hauptsache.

„Ich bin echt schlecht darin, weinende Mädchen zu trösten", murmelt er gedämpft und zwirbelt eine meiner Haarsträhnen zwischen den Fingerspitzen, „Mach es mir nicht so schwer, Alica." Ich zwinge mir ein schiefes Lächeln auf die Lippen und wische mir schniefend über die brennenden Wangen. Ich würde wirklich gerne aufhören zu weinen, aber ich habe derzeit keine Kontrolle über meine Gefühle. „Es ist positiv, dass er dich immer noch als seine Freundin bezeichnet. Jonah hängt an dir, Alica. Du hättest seinen sehnsuchtsvollen Blick sehen müssen."

„Warum hat er dann Schluss gemacht?", frage ich zwischen mehreren Schluchzern und starre Dawson aus verweinten Augen an. Er überlegt kurz, muss dann jedoch mit den Schultern zucken. „Ich weiß es nicht", gibt er kleinlaut zu, „Wir Jungs ticken nun mal anders als ihr Mädchen."

„Jonah ist aber nicht so ein schwanzgesteuerter Idiot!"

„Hey!", beschwert sich Dawson spielerisch und zwickt mir in die Seite, „Ich bin auch kein schwanzgesteuerter Idiot!" Seine Aussage zaubert mir tatsächlich ein ehrliches Lächeln ins Gesicht. „Schwanzgesteuert vielleicht nicht", überlege ich neckend, „Aber ein Idiot schon."

„Dem kann ich nur zustimmen", mischt sich plötzlich Elin ein. Ich drehe mich hastig zu der Glastür und schüttele den Kopf. Elayna, Sarina und Romy kichern bloß amüsiert, ehe sie ein synchrones „Wir auch" von sich geben. Der Sportler schnaubt verächtlich und schiebt mich vorsichtig von seinem Schoß. Er versucht einen zornigen Gesichtsausdruck aufzusetzen, doch seine zuckenden Mundwinkel verraten ihn.

„Das werde ich mir merken, Mädels", droht er uns und stolziert hochnäsig aus der Tür. Wir verfallen direkt in einen schallenden Lachanfall und folgen ihm. Dawson ist eindeutig ein Idiot. Ein ziemlich liebenswürdiger Idiot.

Elaynas POV

Als ich an diesem Abend in meinem Bett liege, überschlagen sich meine Gedanken. Die letzten Tage haben so viele Ereignisse mit sich gebracht, dass es fast unmöglich scheint, all das zu realisieren. Ich bin tatsächlich nach Spanien geflogen, um meinem Ex- Freund Asher den Spaß am Fußball zu nehmen und ihn irgendwie wieder zurückzugewinnen. Dabei habe ich Romy, Sarina, Elin und Alica getroffen, die ironischerweise dasselbe Schicksal teilen wie ich. Obwohl die vier von Grund auf verschieden sind, habe ich sie gleichermaßen in mein Herz geschlossen.

Und dann ist da noch Dawson. Elin würde ihn jetzt als arroganten Idioten bezeichnen, aber ich sehe ihn mehr als einen Freund an. Unglaublich, dass ich mich nach meinem ersten, richtigen Absturz nicht mehr an ihn erinnern konnte. Dazu kommt leider auch noch, dass ich ihn bereits unfreiwillig nackt gesehen habe.

Ich wälze mich unruhig auf die andere Seite und stoße ein schmerzverzerrtes Keuchen aus. Meine linke Schulter sendet stechende Hiebe durch meinen Körper und lässt mich das Gesicht verziehen. Bei meiner Unsportlichkeit war es auch eigentlich nur eine Frage der Zeit, bis ich mich ernsthaft verletze.

Ich seufze erschöpft und setze mich in meinem Bett auf. Das sanfte Mondlicht bahnt sich seinen Weg durch die hellen Gardinen und wirft verzerrte Muster auf meine dünne Decke. Der cremige Braunton erinnert mich direkt an Ashers Augen. Wann immer ich traurig war, haben mir seine Augen Trost gespendet. Warum hat er mich verlassen? Es gibt so viele Jungs, die von einer Karriere als Fußballprofi träumen und trotzdem eine glückliche Beziehung führen.

Wie von selbst schwinge ich meine Beine über die Bettkante und tapse vorsichtig durch das dunkle Zimmer. Ich ziehe mir eine weiße Strickjacke über, schlüpfe in meine Flip-Flops und verlasse dann mit meinem Zimmerschlüssel den Raum. Ich habe das Gefühl zwischen diesen Wänden zu ersticken. Meine Emotionen übermannen und erdrücken mich.

Sobald ich den kühlen Sand unter meinen nackten Füßen spüre, strecke ich meine Arme von mir und drehe mich im Kreis. Meine Augenlider flattern automatisch zu, sodass ich die Empfindung verspüre, fliegen zu können. All die Zweifel, all die Sorgen, all die negativen Gedanken fallen mit einem Schlag von mir ab. Ich bin frei. Frei von Kummer. Ich lasse meine Flip- Flops und den Zimmerschlüssel achtlos im Sand liegen und laufe stattdessen auf das nachtfarbene Meer zu. Das kalte Wasser spritzt mir entgegen und durchnässt meinen Schlafanzug. Es ist ein Gefühl der Freiheit.

Ich lege den Kopf in den Nacken und starre verträumt in den Himmel. Millionen, kleine Lichter funkeln am Horizont. Als Asher und ich noch klein waren, hat mir der Braunäugige versprochen, mich so lange zu lieben, bis ich jeden einzelnen Stern am Himmelszelt gezählt habe. „Eins, zwei, drei", murmele ich lächelnd und blinzele mir eine Träne aus dem Augenwinkel, „Vier, fünf, sechs." Es ist unmöglich, alle Sterne zu zählen und trotzdem liebt mich Asher nicht mehr. Er hat sein Versprechen gebrochen und somit auch mein Herz.

Meine Fingerspitzen fahren durch das kalte Wasser und zeichnen wirre Muster auf die Oberfläche. Doch das atemberaubende Gefühl der Freiheit bleibt dieses Mal aus.

Ich watte bedrückt aus dem Meer und lasse mich seufzend in den Sand fallen. Alles um mich herum ist so still, dass ich meine Gedanken hören kann.

Sie schreien einen Namen.

Asher.

Ich drehe meinen Kopf nach rechts und lächele. Mehrere, hundert Meter von mir entfernt sitzt eine Gruppe von Jugendlichen um ein Lagerfeuer herum. Wie es scheint, braten sie Marshmallows über dem Feuer und unterhalten sich angeregt. Sie vergessen für einen Abend alles und genießen die Freiheit. Genau so erging es Romy, Sarina, Elin, Alica und mir vor zwei Tagen. Ehe ich überhaupt richtig realisiere, was ich gerade mache, steuern meine Füße wie von selbst auf das Lagerfeuer zu. Je näher ich der Gruppe komme, desto lauter wird ihr Gelächter. Mittlerweile sind einige von ihnen aufgestanden und tanzen munter im Sand. Ich kann das geheimnisvolle Funkeln in ihren Augen sehen und wünsche mir einmal mehr, dass ebendieses Glitzern bald auch wieder meinen Blick säumen kann.

„¡Hola, chica!" Ich schrecke abrupt aus meinen Gedanken und hebe hastig den Blick. Vor mir steht ein grinsender Junge, der mir auffordernd eine Flasche Bier entgegenstreckt. „Gracias", nuschele ich mit roten Wangen und führe die Flasche direkt zu meinen Lippen. So viel zum Thema „Nie wieder Alkohol". Die kühle Flüssigkeit rinnt meinen Rachen hinab und hinterlässt ein bitteres Gefühl auf meiner Zunge.

„¿De dónde eres?", erkundigt sich der Junge fragend bei mir und deutet dabei auf meinen Schlafanzug. Im Gegensatz zu mir trägt der Schwarzhaarige ein weißes Hemd und eine kurze Jeans. Er sieht zwar attraktiv aus, ist jedoch kein Vergleich zu Asher. „Soy de Inglaterra", antworte ich ihm schulterzuckend und trinke einen weiteren Schluck von dem Bier. Ich verziehe angeekelt das Gesicht und rümpfe die Nase. Ich bevorzuge eindeutig süßen Schnaps.

„¿Y cómo te llamas?"

„Me llamo Elayna, ¿y tu?" Jetzt gerade bin ich wirklich froh, dass ich in der Schule Spanisch gelernt habe und die Sprache beinahe fließend sprechen kann. „Me llamo Alejandro."

Ich kann nicht genau sagen, wie viel Zeit vergangen ist, aber mittlerweile sitze ich mit Alejandro und seinen beiden Freunden Ivan und Rubén im Sand und erzähle ihnen von Asher. Die drei hören mir aufmerksam zu, wissen aber auch nicht so recht, wie sie mir helfen können.

„¿Qué hora es?", erkundige ich mich irgendwann nach der Uhrzeit und stelle meine bereits vierte, leere Bierflasche zurück in den Kasten. Der Alkohol zeigt noch keinerlei Wirkung, was mich einerseits traurig macht, aber andererseits erleichtern sollte. So verringert sich immerhin das Risiko, morgen erneut mit einem Filmriss aufzuwachen. „Son las tres y media." Ich reiße überrascht die Augen auf und taumele einen Schritt nach hinten. Die Zeit verging rasend schnell.

„Lo siento, pero me tengo que ir", verabschiede ich mich entschuldigend und umarme die drei Jungs zum Abschied. Es tat wirklich gut, mit ihnen über Asher zu reden. Alejandro, Ivan und Rubén kennen mich nicht, weshalb sie eine unvoreingenommene Position einnehmen konnten. Und dafür danke ich ihnen wirklich. „¡No, por favor, quédate!", versucht mich Alejandro vom Gehen abzuhalten, indem er sich vor mir in den Sand kniet und mich bettelnd aus seinen karamellfarbenen Augen ansieht. „No", wimmele ich ihn lächelnd ab und winke zum Abschied.

Der Rückweg zum Hotel zieht sich enorm in die Länge. Das könnte allerdings daran liegen, dass ich extra langsam gehe, um diesen Moment der Freiheit ein bisschen länger zu genießen. Ich habe diesen Abend wirklich dringend gebraucht. Einmal abschalten und über nichts nachdenken. Alejandro, Ivan und Rubén sind wirklich sehr nette Jungs, die mir heute beim Vergessen geholfen haben, aber das war es auch schon. Eine einmalige Sache.

Ich öffne kopfschüttelnd die Tür von meinem Hotelzimmer und schlüpfe aus meinem immer noch feuchten Schlafanzug. Anstatt mir frische Kleidung überzuziehen, greife ich nach meinem Handy und wähle instinktiv Ashers Nummer. Mein Daumen verharrt mehrere Sekunden über dem grünen Hörer. Soll ich ihn anrufen oder nicht? Ich entscheide mich dagegen und rufe als Ersatz meine Mutter an. Es tutet und tutet, doch sie nimmt den Anruf nicht entgegen.

„Das ist die Mailbox von Familie Turner. Wir sind zurzeit leider nicht erreichbar. Hinterlass uns doch eine Nachricht nach dem Piepton", ertönt die hohe Quietschstimme von meinem elfjährigen Ich. Piep. Ich räuspere mich kurz, ehe ich zu sprechen beginne. „Hey, Mum. Hey, Dad", murmele ich leise, „Hier ist Elayna. Ich vermisse euch wirklich sehr. Meldet euch doch einfach bei mir, dann kann ich euch von Spanien berichten." Ich klemme das Handy zwischen meine rechte Schulter und mein Ohr und versuche dabei, eine neue Schlafanzughose anzuziehen.

„Ich habe euch lieb." Mit diesen Worten beende ich meine Nachricht und kuschele mich wieder unter die Bettdecke. Ich bin zwar immer noch nicht sonderlich müde, aber es wäre bestimmt von Vorteil, die Augen zu schließen und insgeheim zu beten, in den nächsten zwanzig Minuten einzuschlafen. Um meinen Einschlafprozess zu beschleunigen, stöpsele ich mir Kopfhörer in die Ohren und drücke auf zufällige Widergabe.

„I believe in starting over, I can see that your heart is true, I believe in good things coming back to you. You're the light that lifts me higher, so bright, you guide me through. I believe in you", ertönt Michael Bubles emotionale Stimme. Es sind nicht nur seine Stimme und der Text, die mir Tränen in die Augen treiben, sondern viel mehr die damit verbundenen Erinnerungen. Asher hat das Lied geliebt und es mir jedes Mal vorgesungen, wenn ich traurig war oder an mir gezweifelt habe.

Und obwohl er nicht singen kann, wünsche ich mir nichts sehnlicher, als seine Stimme zu hören.

Ashers POV

Da ist dieses schmerzhafte Stechen in meinem Herzen, das sich schon seit mehreren Tagen bemerkbar macht. Eigentlich immer dann, wenn ich an Elayna denke. Was sie wohl gerade macht und wie es ihr geht?

Ich starre perplex auf mein Handy und ziehe meinen Finger im letzten Moment von der grünen Taste weg. Ich kann sie nicht einfach anrufen. Elayna war so verletzt und gebrochen, als ich mich von ihr getrennt habe, da sollte ich ihr jetzt nicht mit einem Anruf unnötig Hoffnung machen. Vielleicht ist sie ja schon wieder glücklich?! Glücklich ohne mich...

Ich klettere seufzend aus meinem Bett und stelle mich an die große Fensterfront. Der dunkle Nachthimmel wird von unzähligen Sternen gesäumt, die sich allesamt auf der schillernden Wasseroberfläche widerspiegeln. Von meinem Hotelzimmer aus habe ich einen perfekten Ausblick auf den Strand. Ich bilde mir ein, die weißen Schaumkronen der Wellen sehen zu können und Elaynas Lachen zu hören. Sie verdient jemanden, der sie glücklich macht.

Ich seufze erneut und öffne die Musikapp auf meinem Handy. „I believe in starting over, I can see that your heart is true, I believe in good things coming back to you. You're the light that lifts me higher, so bright, you guide me through. I believe in you", singe ich Michael Bubles Worte mit und lächele sanft. Wann immer Elayna traurig war oder von Selbstzweifeln zerfressen wurde, habe ich ihr genau dieses Lied vorgesungen. Denn es stimmt: Ich glaube an sie.

„Eyy", knurrt mein Zimmergenosse plötzlich verschlafen, „Mach die scheiß Musik aus!" Ich verdrehe genervt die Augen, komme seiner Aufforderung jedoch nach. So wie ich den Braunhaarigen einschätze, hatte er bestimmt noch nie eine Freundin und weiß somit auch nicht, wie sich Liebeskummer anfühlt.

Ich scrolle durch meine Kontaktliste und bleibe wieder einmal bei Elaynas Namen hängen. Ich könnte sie jetzt einfach anrufen und mich bei ihr entschuldigen. Es wäre so einfach und trotzdem würde es alles nur noch komplizierter machen. Wenn ich für die Jugendnationalmannschaft ausgewählt werde, hätte ich gar keine Zeit mehr für Elayna. Ich möchte sie bloß vor diesem Schmerz bewahren.

Wenn es das Schicksal gut mit uns meint, werden wir irgendwann wieder zusammenfinden. Egal wo und egal wie.

„Ich liebe dich, mein Engel", hauche ich tonlos und streiche verträumt über mein Hintergrundbild. Ich bin wirklich ein Idiot, dass ich sie laufen lasse. Aber es muss so sein! Ich verwerfe meine nervenzerreißenden Gedanken und lege mich wieder in mein Bett. Während ich mir meinen Kopf über Elayna zerbreche, sitzt sie wahrscheinlich zu Hause im verregneten England und ist dabei mich zu vergessen.

Denn wie sagt man immer so schön? Der eine vermisst, der andere vergisst.

Romys POV

„Wie bist du an die Schlüssel gekommen?" Ich kneife meine Augenbrauen zusammen und bedenke Dawson mit einem skeptischen Blick. Er erwidert meine Unsicherheit bloß mit einem frechen Grinsen und öffnet den riesigen Schrank vor uns. Überall liegen bunte Leibchen, große und kleine Hütchen und Koordinationsleitern. Doch so richtig interessant sind die drei schwarzen Ballsäcke. Ich ziehe den ersten Sack aus dem Schrank und öffne ihn.

„Bedient euch, Mädels", raune ich verschwörerisch und mache eine einladende Geste zu den Bällen. „Sicher, dass hier keine Überwachungskameras sind?", hakt Alica unsicher nach und schaut sich zum wiederholten Male panisch um, „Ich bin nämlich eindeutig zu jung, um hinter Gitter zu wandern." Ich verkneife mir einen gemeinen Kommentar und nicke stattdessen. „Hier sind keine Kameras." Die Blondine erwidert meinen stechenden Blick und seufzt ergeben.

Sie schnappt sich einen Ball und mustert dann argwöhnisch das glänzende Taschenmesser in ihrer Hand. Natürlich ist unser Vorhaben alles andere als akzeptabel, aber unsere Ex- Freunde haben es verdient, zu leiden. Erst recht, nach dem Cade Leslie geküsst hat.

„Stell dich nicht so an, Ally", verdreht Elin ihre getuschten Augen und sticht mit ihrem eigenen Messer in den Fußball. Sogleich ertönt ein zischendes Geräusch, das mich lächeln lässt. Die Jungs können sich schon mal auf ein schönes Lauftraining freuen, denn Bälle wird es heute leider nicht für sie geben. „Los geht's", klatsche ich motiviert in die Hände und drücke Elayna einen Ball gegen die Brust, „Wir haben schließlich nicht ewig Zeit." Ich fische mir ebenfalls einen Ball aus dem Sack und schlitze das Leder mit meinem Messer auf. Ich kann hören, wie die Luft aus dem Ball weicht und lege die platte Kugel zurück auf den Boden.

Meine Fingerspitzen erhaschen gerade den nächsten Ball, da ertönt auch schon Dawsons panische Stimme. „Achtung! Da kommt jemand!" Ohne auch nur eine Sekunde zu zögern, stecken wir die Bälle zurück in die Säcke und sperren diese in Rekordgeschwindigkeit in den Schrank.

„Scheiße, wo sollen wir uns verstecken?" Ich ziehe Sarina am Handgelenk mit mir unter die verstaubte Treppe. Elayna quetscht sich ebenfalls zu uns und schließt ängstlich die Augen. Elin versteckt sich hinter einem Stapel Yogamatten, wohingegen sich Alica in einen der Schränke zwängt. Ich wage es nicht, mich zu bewegen und halte mir vorsichtshalber die Hand vor den Mund, um meine leisen Atemzüge zu dämpfen.

Schwere Schritte poltern die Treppe hinab und ehe ich mich versehe, leuchtet uns ein greller Taschenlampenstrahl mitten ins Gesicht. Wir stoßen einen schockierten Schrei aus und versuchen zu flüchten, doch die Person vor uns versperrt uns den Weg. Bitte lass es niemanden von den Fußballern oder den Platzwart sein. Ich kneife meine Augen zusammen und warte, dass etwas passiert, doch es bleibt mucksmäuschenstill.

„Schön euch wiederzusehen." Diese Stimme kenne ich. Ich lasse meine Lider aufflattern und mustere den Schatten vor uns. Groß, sportlich, blonde, verwuschelte Haare. „Casper!", schreie ich wütend seinen Namen und boxe ihm halbherzig gegen den Oberarm. Vor lauter Überraschung lässt er sein Handy fallen, fängt es jedoch kurz vor dem Boden wieder auf. Das nenne ich mal gute Reflexe. „Romy", erwidert der Grünäugige schließlich amüsiert und zieht mich gegen meinen Willen in seine Arme, „Fangenspielen liegt dir anscheinend besser als Versteckenspielen." Für diesen Kommentar fängt er sich einen weiteren Hieb gegen den Oberarm ein.

„Warum bist du bloß immer so gewalttätig?", schaltet sich Dawson kopfschüttelnd ein und zwinkert mir schelmisch zu. Meine Rache für ihn wird fürchterlich sein! „Sei froh, dass du noch nicht dein Fett wegbekommen hast", knurre ich leise und drängele mich an den beiden Jungs vorbei. Ich öffne wieder den Sportschrank und fahre unbeirrt damit fort, die Fußbälle aufzuschlitzen. Nach einigen Sekunden gesellen sich auch Sarina und Elayna zu mir.

„Wir sollten die Jungs ignorieren", schlägt die Braunhaarige vor und wechselt einen vielsagenden Blick mit uns, „Das wird sie am meisten provozieren." Ich nicke zustimmend und schaue abwartend zu Sarina. Soweit ich das beurteilen kann, hat Dawson ihr Interesse geweckt. Sie hängt sicherlich noch an ihrem Ex Clay, aber der Leichtathlet wäre eine gute Alternative. „Okay", gibt sie sich schließlich geschlagen und sticht mit ihrem Messer in den Ball. Ich grinse zufrieden und hole dann Elin und Alica aus ihren Verstecken. Anstatt dass die beiden wütend auf die Jungs zustürmen, lächeln sie selig und helfen uns mit den Fußbällen.

„Seid nicht sauer, Mädels", säuselt Dawson lieblich und schlingt seine Arme um Sarinas Bauch, „Ein bisschen Spaß muss sein." Ich beiße mir krampfhaft auf die Zunge, um keinen Kommentar von mir zu geben und sehe, dass es Elin ähnlich wie mir geht. Ihre rechte Hand ist zu einer Faust geballt, während sie mit der linken Hand immer und immer wieder auf den Fußball einsticht. „Genau, seid nicht sauer", wiederholt Casper die Worte seines Freundes und umarmt mich von hinten. Ich versteife mich direkt und ramme ihm meinen Ellenbogen in die Rippen. Der Blondhaarige lässt zischend von mir ab und grummelt unverständliche Worte vor sich hin.

Was macht er überhaupt hier? Ich habe ihn gestern zum ersten Mal gesehen und ehrlich gesagt nicht damit gerechnet, ihn von nun an öfter anzutreffen.

„Das war der letzte Ball", seufzt Alica nach einer Weile erschöpft und klappt ihr Taschenmesser zusammen. Ich tue es ihr augenblicklich gleich und schmunzele zufrieden über unser Meisterwerk. Den Fußballern und ihrem Trainer wird das Lachen heute eindeutig entgehen.

Ich werfe einen flüchtigen Blick auf mein Handy und stelle erschrocken fest, dass wir bereits halb vier am Nachmittag haben. „Wir sollten uns beeilen", nuschele ich unverständlich und räume den ersten Ballsack zurück in den Schrank, „Das Training der Jungs beginnt in einer halben Stunde." Elin und Sarina quetschen die anderen beiden Säcke in den Schrank, sodass Dawson diesen wieder abschließen kann. „Höre ich etwa ein Danke?!", fragt er uns mit gehobenen Augenbrauen und setzt ein selbstgefälliges Grinsen auf. Eigentlich wollten wir den Sportler ignorieren, aber ich kann es nicht verhindern, ihm meinen Mittelfinger zu zeigen.

„Nett wie eh und je", spuckt er spöttisch und schüttelt den Kopf, „Sicher, dass du mit ihr die richtige Entscheidung getroffen hast, Casper?" Ich verschlucke mich an meiner eigenen Spucke und stoße ein gekrächztes „Wie bitte?!" hervor. Die Jungs grinsen sich teuflisch an und klatschen dann ab. „Du kannst ja doch noch reden", schmunzelt der Braunäugige belustigt und kneift mir in die Wangen.

„Fass sie nicht an, du Idiot", meckert Elin sogleich los und verpasst dem Sportler einen kräftigen Schubser nach vorne, „Du musst uns nicht alle antatschen, nur weil du extrem notgeil bist." Der Braunhaarige zieht hörbar die Luft ein und setzt eine emotionslose Maske auf. Elins Worte scheinen ihn tatsächlich getroffen zu haben. Das scheint auch Elayna zu bemerken. „Es reicht, Leute", haucht sie verbittert, „Lasst uns einfach zu unserem Versteck gehen und das Training der Fußballer beobachten." Ich stimme ihr nickend zu, doch bleibe abrupt stehen.

Sarina läuft fluchend in mich hinein, sodass ich einen Schritt nach vorne stolpere. Ich drehe mich hastig zur Seite und bete inständig, dass er mich nicht gesehen hat. Cade betritt nämlich gerade mit seinen Fußballkollegen den Sportplatz und hat somit freien Blick auf mich. „Oh, shit", nehme ich Elins Worte wie durch Watte wahr, „Da ist Romys Ex- Freund." Ich spüre warme Finger an meinem Handgelenk.

„Romy?" Das ist eindeutig Cades Stimme. „Romy!"

Ehe ich realisieren kann, was hier gerade geschieht, stiehlt sich Casper in mein Blickfeld. Er schenkt mir einen entschuldigenden Blick und platziert seine Hände an meinen Wangen.

„Romy, bist du das?" Cades Stimme wird von Unsicherheit und Zweifeln gesäumt. Er soll einfach weitergehen!

Im nächsten Moment spüre ich weiche Lippen auf meinen. Ich reiße schockiert meine Augen auf und möchte Casper grob von mir stoßen, doch er reagiert schneller und hält mich an der Hüfte fest. „Spiel einfach mit", knurrt er gegen meine Lippen und schließt erneut den Abstand zwischen uns.

„Cade, komm schon, das ist nicht deine Ex- Freundin. Du siehst doch, dass das Mädchen da gerade hemmungslos mit einem anderen rumknutscht." Ich spüre Cades messerscharfe Blicke in meinem Rücken, weshalb ich Caspers Kuss erwidere.

Unsere Lippen bewegen sich erst langsam und sanft aufeinander, bis der Kuss immer fordernder und feuriger wird. Caspers Zunge dringt in meinen Mund und sucht sofort den Tanz mit meiner eigenen Zunge. Ich keuche überrascht auf und ziehe leicht an seinen blonden Haaren. „Sie sind weg. Ihr könnt euren Live- Porno unterbrechen." Ich löse mich luftschnappend von dem Grünäugigen und starre peinlich berührt zu Boden. Das war alles, aber kein harmloser Kuss.

„Äh", kratze ich mich verlegen am Nacken, „Danke. Ohne dich hätte mich Cade sicherlich erkannt."

„Kein Problem", winkt Casper mit roten Wangen ab und wirft einen flüchtigen Blick auf seine Sportuhr, „Ähm, also, ich muss dann auch los. Wir, äh, sehen uns bestimmt nochmal." Mit diesen Worten eilt er davon und lässt ein inneres Chaos in meinem Kopf zurück.

Sarinas POV

Nachdem Casper endgültig aus unserem Blickfeld verschwindet, herrscht eine komische Anspannung zwischen uns. Einerseits, weil Romy beinahe von ihrem Ex- Freund erkannt worden wäre und andererseits, weil der Kuss zwischen ihr und Casper nicht gerade unschuldig war.

„Ich bringe mal kurz den Schlüssel weg", durchforstet Dawsons unsichere Stimme die Stille, „Geht schon mal vor. Ich komme gleich nach." Wir nicken benommen und schauen uns prüfend um. Wir müssen vorsichtiger sein und mit Bedacht handeln. „Die Luft ist rein", flüstert Alica gedämpft und rennt los. Ich folge ihr mit rasendem Herzen auf die andere Seite und suche kauernd hinter den Büschen Schutz. Elin und Elayna lassen sich kurze Zeit später neben mir nieder, nur Romy steht immer noch wie angewurzelt an Ort und Stelle.

„Ken!", erhebt die Blondine neben mir ihre Stimme, „Komm rüber!" Die Angesprochene reagiert nicht und starrt benommen auf ihre Füße. Der Schock scheint tiefer zu sitzen, als angenommen. „Ich hole sie", teilt uns Alica besorgt mit und stürmt aus unserem Versteck. Dabei rempelt sie ausversehen einen Fußballer an und stolpert ungeschickt über ihre eigenen Füße. Die Blondhaarige taumelt direkt in Romy und schon liegen beide keuchend auf dem Boden.

„Das hätte man wirklich filmen sollen", amüsiert sich Elin kichernd neben mir und wischt sich eine Lachträne aus dem Augenwinkel, „Mit dem Video wären wir reich geworden."

„Ja ja, ist klar", verdrehe ich die Augen und erstarre. Irgendwie scheint es das Schicksal heute total auf uns abgesehen zu haben. Jonah, Alicas Ex- Freund, schlürft gerade auf den Sportplatz und schaut vertieft auf sein Handydisplay. Wenn er jetzt den Blick hebt, erkennt er Alica direkt.

Ich atme einmal tief durch und renne auf den Schwarzhaarigen zu. Als ich direkt vor ihm stehe, reiße ich ihm sein Smartphone aus der Hand und sprinte wieder vom Sportplatz runter. „Hey!", nehme ich seine aufgebrachte Stimme dicht hinter mir wahr. Hoffentlich nutzen Alica und Romy die Chance und verstecken sich im Gebüsch. „Gib mir sofort mein Handy wieder!", fordert Jonah lautstark und hält mich grob an der Schulter zurück. Er dreht mich in seinen Armen zu sich um und funkelt mich zornig an.

„Was sollte der Scheiß?", blafft er mich an und hebt eine Augenbraue. „Ich, ähm...", verhaspele ich mich überfordert, „Das war für eine Studie." Der Dunkelhäutige bedenkt mich mit einem skeptischen Blick, ehe sich seine Augen weiten. „Du warst doch gestern auch im Krankenhaus, oder?" Mein Herzschlag setzt für den Bruchteil einer Sekunde aus, nur um gleich darauf dreimal so schnell weiter zu schlagen. Ich habe total vergessen, dass ich Jonah bereits gestern begegnet bin. „Ja", antworte ich schließlich nervös, „Da musste ich ebenfalls an meiner Studie weiterarbeiten."

„Und was soll das für eine Studie sein, wenn man fragen darf?"

„Äh, also, es geht um Handyabhängigkeit", lüge ich möglichst überzeugend und setze ein unschuldiges Lächeln auf, „Danke, dass du mitgemacht hast."

„Hatte ich denn eine andere Wahl?" Ich schmunzele. „Eigentlich nicht", grinse ich belustigt und erwidere Jonahs amüsierten Blick. Alica kann sich wirklich glücklich mit ihm schätzen, denn Jonah macht einen ziemlich sympathischen Eindruck auf mich. „Na dann. Man sieht sich. Ich muss los", verabschiedet er sich lachend von mir und deutet auf seine große Sporttasche. „Ja, bis bald", winke ich zum Abschied und bete innerlich, dass ich ihm in den nächsten Tagen nicht noch einmal über den Weg laufe.

Ich bleibe sicherheitshalber noch fünf Minuten vor dem Stadion stehen, ehe ich mich zurück auf den Sportplatz schleiche und hinter den Büschen verschwinde. Glücklicherweise hocken die anderen Mädels und Dawson in einem Kreis auf dem Boden und unterhalten sich angeregt. „Da ist sie!", bemerkt mich Elayna als Erste. Sofort schießen vier weitere Augenpaare zu mir und mustern mich besorgt. „Ist alles okay?", hakt Dawson unsicher nach und zieht mich kurz in seine Arme. „Alles bestens", lächele ich erschöpft, „Aber ich sollte mich von jetzt an von Clay und von Jonah fernhalten."

Alica schenkt mir einen entschuldigenden Blick, obwohl sie keinerlei Schuld betrifft. Ich hätte bei jedem anderen genauso gehandelt und bereue mein Verhalten daher auch nicht. Ich bin mir sicher, dass Alica und Romy das Selbe auch für mich tun würden.

„Seht mal, die ersten Fußballer kommen auf den Platz", lenkt Elin geschickt vom Thema ab und deutet verschwörerisch durch die Äste. Tatsächlich schlendern mehrere Jungs auf den Fußballplatz und werfen ihre Wasserflaschen achtlos an den Rand. Unter ihnen befinden sich auch Cade und Jonah. Ausgerechnet die beiden Jungs, vor denen wir uns momentan am meisten in Acht nehmen sollten. „Da ist der Bundestrainer." Der grauhaarige Mann krempelt die Ärmel seines weißen Hemdes nach oben und richtet seinen Kragen. Dann versammelt er die Jungs in einem Kreis und zeigt ihnen eine vollgekritzelte Tafel.

„Jetzt mal ehrlich, Sarina, ich bin doch wohl tausendmal heißer als Clay, oder?", reißt mich Dawsons eingebildete Stimme von den Fußballern los. Seine braunen Augen funkeln geheimnisvoll und bohren sich schmerzhaft in meine. Natürlich sieht Dawson gut aus, aber das Aussehen alleine reicht nicht aus. „Man kann euch nicht miteinander vergleichen", weiche ich einer konkreten Antwort aus und senke den Blick. Ich kenne Clay fast mein ganzes Leben, wohingegen ich Dawson erst vor wenigen Tagen begegnet bin. „Und trotzdem gehst du mit mir auf ein Date aus und nicht mit ihm."

Meine Muskeln verkrampfen sich kurzzeitig. Ich dachte wirklich, dass er das Date bereits vergessen hat oder lieber mit einer anderen ausgehen würde. Doch wie es scheint, habe ich mich getäuscht.

„Hopp, hopp, Jungs!" Ich schaue auf den Fußballplatz und beobachte, wie sich die Jungs drei Runden warmlaufen. Es ist wirklich faszinierend mitanzusehen, wie unterschiedlich sie alle sind. Einige hecheln bereits nach einer halben Runde, während andere nicht einmal nach drei Runden schwitzen.

„It's showtime", wispert Elin plötzlich verschwörerisch und reibt teuflisch die Hände aneinander. Die Fußballer schnappen sich motiviert einen Ball, ehe sie verwirrt feststellen müssen, dass ihr Ball keine Luft mehr hat. Binnen weniger Sekunden liegen alle Bälle auf dem Platz verteilt. Das unruhige Gemurmel nimmt stetig an Lautstärke zu und überträgt sich auf den Bundestrainer. Er überprüft nacheinander die Bälle und rauft sich dann wütend die Haare. Er flucht etwas, aber ich kann nicht verstehen, was er sagt.

„Unsere Aktion beschert ihm nur noch mehr graue Haare", amüsiert sich Elin köstlich über den Trainer und wirft lachend den Kopf in den Nacken. Das Lachen vergeht ihr allerdings direkt, als der Grauhaarige wütend gegen einen Ball tritt und dieser in unsere Richtung fliegt. „Ahhh, scheiße!", jault Elayna schmerzverzerrt auf und hält sich die linke Schulter. Der Ball hat sie tatsächlich an ihrer verletzten Schulter getroffen.

„Psst", mahnt Dawson und presst seine Hand auf ihren Mund. Jegliche Schmerzensschreie werden nun erstickt.

„Zander, geh und hol endlich den Ball wieder!" Ein schwarzhaariger Lockenkopf joggt in unsere Richtung und wischt sich kurz mit dem Saum seines Shirts den Schweiß von der Stirn. Warum sehen hier eigentlich alle Jungs so verboten gut aus? Noch bevor ich eine Antwort auf meine Frage erlange, greift Elin nach dem Fußball und wirft ihn zurück auf den Platz. „Bist du bescheuert?!", fauche ich sie wütend an, „Jetzt wird dieser Zander bestimmt nachgucken, wer hier im Gebüsch sitzt!"

„Das war der Plan", erwidert die Braunäugige trocken und zuckt teilnahmslos mit den Schultern, „Geht weg, ich regele das schon." Ohne noch eine Sekunde zu zögern laufe ich gebückt hinter den Büschen her und verstecke mich letztendlich hinter einem dicken Baumstamm. Von hier aus kann ich sowohl den Fußballplatz, als auch Elin beobachten. Romy, Alica, Elayna und Dawson stehen jeweils einen Baumstamm weiter und lugen ebenfalls verstohlen zu Elin.

Sie hockt immer noch selenruhig hinter den Büschen und scheint regelrecht auf Zander zu warten. Kaum habe ich diesen Gedankengang vollendet, bückt sich der Lockenkopf zu Elin runter und verschränkt die Arme vor der Brust. Die beiden unterhalten sich angeregt, wobei mir das spöttische Funkeln in Elins Augen nicht entgeht. Ich frage mich wirklich, was sie mit ihrem Verhalten bezwecken möchte. Ist ihr das Risiko nicht zu groß, von ihrem Ex- Freund erkannt zu werden? Elin und Zander sprechen noch mindestens drei Minuten miteinander, ehe der Fußballer von seinem Trainer zurück auf den Platz beordert wird. Er joggt lässig zu seinen Teamkollegen und stellt seinen Fuß auf den platten Ball.

„Du guckst den falschen Typen an, Löckchen." Ich zucke erschrocken zusammen und wirbele zu Elin herum. Sie steht mit einem verschmitzten Grinsen neben mir und deutet augenbrauenwackelnd zu Dawson. Ihre ganzen Andeutungen nerven so langsam. Ich mag Dawson als Freund, aber mehr ist da nicht und mehr wird da auch nicht sein. „Komm schon", grinst mich die Braunäugige vielsagend an und umgreift mein Handgelenk, „Lass uns verschwinden. Hier passiert sowie so nichts Spannendes mehr."

Elins POV

„Hältst du das wirklich für eine gute Idee, Elin?", fragt mich Sarina skeptisch und runzelt ihre Stirn. Ich tue kurz so, als würde ich ernsthaft überlegen, ehe ich ein raues „Nein" von mir gebe. Die Braunhaarige starrt mich perplex an und zupft unwohl an ihrem schwarzen Minirock. Sie ist kaum wiederzuerkennen. Das silberne Paillettentop und die weißen High Heels bilden einen schönen Kontrast zu ihrer gebräunten Haut und lassen ihre Beine noch länger erscheinen. Es ist das erste Mal, dass ich Sarina nicht als „süß", sondern als „sexy" bezeichnen würde.

„Meine Idee ist nicht nur gut, Löckchen", schmunzele ich schließlich, „Sie ist sehr gut." Die Brünette verdreht ihre getuschten Augen und stößt einen zittrigen Seufzer aus. „Ich weiß ja nicht so recht", murmelt sie unsicher, „Was-" Ich unterbreche sie direkt. „Schieb deine ganzen Bedenken bei Seite. Dieser Abend gehört uns, nur uns. Keine nervigen Ex- Freunde und keine Probleme." Ich verschränke meine Finger mit ihren und ziehe sie bestimmend aus meinem Hotelzimmer.

Ich habe mich erbarmt und Sarina beim Schminken geholfen und ich muss sagen, dass sich das Endergebnis verdammt gut sehen lässt.

„Jetzt mach dich mal locker", weise ich sie genervt zurecht, „Du siehst rattenscharf aus." Die Fahrstuhltüren öffnen sich und geben somit den Blick auf einen Spiegel frei. „Sieh dich nur an", rede ich ihr Mut zu und deute auf ihr Spiegelbild, „Du bist wunderschön, Löckchen.

„Neben dir kann man gar nicht schön aussehen." Ich grinse frech und recke eingebildet das Kinn in die Höhe. Es war tatsächlich meine Absicht, diesen Abend heiß und sexy auszusehen. Ich habe vor wenigen Stunden mit Zander auf dem Fußballplatz vereinbart, dass wir uns heute Abend um elf Uhr in einer Karaokebar treffen. Mein Ziel ist es, Zander um den kleinen Finger zu wickeln und dafür muss ich nun mal gut aussehen.

„Danke, aber das weiß ich eigentlich schon", zwinkere ich spielerisch und betrachte mich kurz in dem Spiegel. Ich trage ein schwarzes Kleid, das mir nur knapp über den Hintern reicht und dessen Ärmel und Dekolleté aus Spitze bestehen. Meine blonden Haare trage ich seit langem mal wieder offen und glatt. „Selbstlob stinkt."

„Ja ja." Wir verlassen gemeinsam den Aufzug und treffen in der Hotellobby auf Alica. Sie trägt ein weißes Kleid, das sich locker um ihre Hüfte schmiegt, und ihre gebräunte Haut betont. Im Gegensatz zu Sarina und mir werden ihre Füße von cremefarbenen Sneaker versteckt. „¡Hola, chicas!", begrüßt sie uns gut gelaunt und zieht uns in eine kurze Umarmung. Erst jetzt fällt mir auf, dass sie sich gar nicht geschminkt hat. Ich gebe es wirklich ungerne zu, aber Alica ist einfach eine Naturschönheit. Ich muss aufpassen, dass sie mir heute Abend nicht die Show stiehlt.

„Wer soll sich denn gleich alles an dir verbrennen?", frage ich sie lachend und gebe einen zischenden Laut von mir, als ich mit dem Finger über ihren Arm streiche. Alica wirft den Kopf in den Nacken und kneift belustigt die Augen zusammen.

„Also ich verbrenne mich an jedem von euch." Ich wirbele grinsend herum und umarme Romy. Es mag gemein klingen, aber sie ist mir von allen am meisten ins Herz gewachsen. Sie ist mindestens genau so verrückt wie ich und hat ein ziemlich vorlautes Mundwerk. „Sagst ausgerechnet du, Ken", erwidere ich augenverdrehend und mustere sie von oben bis unten. Romy hat sich wirklich selber übertroffen. Sie trägt eine verdammt kurze, schwarze Lederhose, eine dunkelfarbene Strumpfhose und ebenso nachtfarbene Strümpfe, die ihr bis zur Mitte des Oberschenkels reichen. Dazu hat sie ein weinrotes T- Shirt mit einer Kreuzkette und schwarze Biker Boots kombiniert.

„Wäre ich ein Kerl, würde ich mich direkt in dich verlieben", wackele ich mit den Augenbrauen und forme meine Hände zu einem Herzen. Romy wird heute diejenige sein, die alle Blicke auf sich zieht.

„Wo bleibt eigentlich, Elayna?", spricht Sarina ein neues Thema an und schaut sich suchend in der Lobby um. Außer den beiden Damen an der Hotelrezeption befindet sich niemand in dem großen Saal. „Sie kommt bestimmt gleich." Elayna war immerhin die Erste, die von meiner Idee, heute Abend rauszugehen, begeistert war. Was jedoch noch keiner von den Mädels weiß, ist, dass Zander und ein paar seiner Fußballkollegen zu uns stoßen werden. Ich habe ihm jedoch ausdrücklich gesagt, wen er nicht mitbringen darf.

„Sorry, dass ich zu spät bin", reißt mich Elaynas prustende Stimme aus den Gedanken. Sie streicht sich eine braune Haarsträhne hinter das Ohr und schenkt uns ein entschuldigendes Lächeln. Sie ist die Einzige, die sich nicht so extrem aufgetakelt hat wie wir. Elayna trägt lediglich eine zerrissene Jeans, weiße Sneaker und ein bauchfreies Shirt. Ihre Haare sind zu einem unordentlichen Dutt nach oben gebunden, was mich schmunzeln lässt. „Dann kann es ja endlich losgehen", klatsche ich begeistert in die Hände und hake mich bei Romy und Alica unter. Dieser Abend wird mit Sicherheit unvergesslich!

„Und was ist mit Dawson?", lässt mich Sarina mitten in der Bewegung innehalten, „Er wollte doch auch mitkommen."

„Keine Sorge, Löckchen", necke ich sie, „Wir treffen deinen Lover draußen vorm Hotel."

„Er ist nicht mein Lover!", protestiert sie sogleich, jedoch ohne Erfolg. Jeder, wirklich jeder, sieht, dass sie den Braunhaarigen attraktiv und interessant findet. Spätestens wenn die beiden heute Abend genug Alkoholintus haben, startet mein Verkupplungsplan.

Ich bin so in meine Gedanken vertieft, dass ich beinahe in jemanden reinlaufe. Ich blinzele kurz mit den getuschten Augen, ehe sich meine Sicht wieder klärt. Vor mir stehen Dawson und Casper. „Casper?", fragen Romy, Alica und ich gleichzeitig und runzeln die Stirn. Was macht er hier? Der Grünäugige fährt sich nervös mit der Hand durch die blonden Haare und grinst dann frech. „Das ist mein Name."

„Müsstest du nicht schon längst in deinem Bettchen liegen und schlafen?", provoziere ich ihn lachend und lege leicht den Kopf schief. Der Sportler scheint ganz okay zu sein, immerhin ist er nicht so ein mega eingebildeter Arsch wie Dawson. „Um einen geilen Abend zu verpassen? Sicherlich nicht!"

„Deine Einstellung gefällt mir", grinse ich zufrieden und hebe meine Hand zu einem High- Five. Der Blondhaarige schlägt schmunzelnd ein und legt dann einen Arm um meine Hüfte. Somit hat er sich geschickt zwischen Romy und mich gemogelt. Ob er wohl Interesse an der Brünetten gefunden hat? Der Kuss heute Morgen hat jedenfalls gezeigt, dass er nicht abgeneigt ist.

„Wohin entführst du uns überhaupt?", wendet sich Elayna nach einer Weile an mich und hebt die Brauen. Wir irren nun schon seit mehreren Minuten planlos durch die Innenstadt, ohne die Karaokebar zu finden, von der mir Zander erzählt hat. „Lass dich überraschen", murmele ich daher geheimnisvoll und schaue auf das nächste Straßenschild. Calle Hinojo. Ich grinse zufrieden und ziehe die anderen hinter mir her.

Obwohl die Bar am unteren Ende der Straße liegt und wir uns noch am Anfang befinden, dröhnt die laute Musik bereits jetzt zu unseren Ohren hindurch. „Da ist es", deute ich auf die bunten Lichter und halte nebenbei nach Zander Ausschau. Der Schwarzhaarige ist jedoch nirgends zu sehen. „Eine Karaokebar?!"

„Jap", zucke ich unbeeindruckt mit den Schultern, „Die richtigen Discos machen erst gegen Morgen auf."

„Ich kann aber nicht singen!" Ich verdrehe meine Augen und versuche Sarina mit meinem stechenden Blick zu erdolchen. In der Bar wird es niemanden interessieren, ob man singen kann oder nicht. Der Spaß steht eindeutig im Vordergrund. „Stell dich nicht so an", schlägt sich überraschenderweise Dawson auf meine Seite und streckt Sarina die Zunge raus. Ich verkneife mir einen spöttischen Kommentar und ziehe stattdessen Alica am Handgelenk mit mir in die Bar.

Überall sitzen betrunkene Menschen, die lauthals herumgrölen oder tanzen. Es riecht nicht nur nach süßem Alkohol, sondern gleichermaßen nach Zigarettenrauch. „¡Hola!", begrüße ich einen jungen Kellner und zwinkere ihm verführerisch zu. Was Raiden kann, kann ich schon lange. Heute Abend werde ich sicherlich nichts anbrennen lassen. „Da hinten ist noch ein Tisch frei!", brüllt Alica über die Musik hinweg und verweist auf die hinterste Ecke der Bar. Wir bahnen uns gemeinsam einen Weg durch die tanzenden Menschen und lassen uns erschöpft auf die Sitzbank fallen. Bei dieser Hitze beneide ich Alica wirklich um ihr kurzärmeliges Kleid.

„So, Ladies, die erste Runde geht auf mich!", erhebt Dawson grinsend die Stimme, als wir alle zusammensitzen, „Also, was darf es sein?"

„Wie wäre es, wenn wir mit Baileys starten?" Wir nicken zustimmend und verfolgen Dawson mit den Augen bis zur Bar. Im selben Moment fixiert mein Braun ein anderes Braun. Zander. Ich grinse zufrieden und streiche mein Kleid glatt. „Wir sehen uns nachher, Mädels", raune ich verschwörerisch und stöckele selbstbewusst auf den Fußballer zu.

Er gehört heute Abend nur mir!

Alicas POV

Ich schaue Elin verwirrt hinter her und beobachte sie dabei, wie sie auf den Eingang zusteuert. Tatsächlich bleibt sie wenig später neben Zander stehen und umarmt ihn. „Was zur Hölle?!", murmele ich leise und kneife die Augenbrauen zusammen. Soweit ich weiß, hat Elin nur heute Morgen mit dem Lockenkopf gesprochen, aber jetzt gerade wirken sie relativ vertraut miteinander. Zander hat seinen Arm locker um Elins Taille gelegt und flüstert ihr etwas ins Ohr. Die Blondine wirft gleich darauf ihren Kopf in den Nacken und lacht herzhaft auf.

„Ich glaube Elin hat ganz besondere Pläne für heute Abend", raunt Romy grinsend und schüttelt belustigt den Kopf. Ich stimme ihr nickend zu und wandere dann mit meinem Blick weiter zu Casper. Er sitzt neben Romy und starrt nicht gerade unauffällig in ihren Ausschnitt. Ich greife instinktiv nach dem kleinen Holzklotz, in dem die Getränkeliste angebracht ist, und werfe den Grünäugigen damit ab. Er zuckt kurz zusammen und kratzt sich peinlich berührt am Nacken. Wahrscheinlich dachte er, dass sein Starren nicht auffallen würde.

„Hier bin ich wieder", gesellt sich Dawson gut gelaunt zu uns und stellt das Tablett in der Mitte des Tisches ab. Jeder greift nach einem Pinnchen und streckt es dann in die Höhe. „Auf einen unvergesslichen Abend", wackelt Romy spielerisch mit den Brauen, „Prost!" Wir stoßen gemeinsam an, ehe wir den Alkohol unseren Rachen hinabrinnen lassen. Sofort durchzuckt mich ein elektrisierender Schlag, der angenehme Wärme in meinem Körper verbreitet.

„Tanzen oder singen?" Dass diese Frage ausgerechnet von Elayna kommt, überrascht mich etwas. „Tanzen", antworte ich ihr lächelnd und ziehe sie vorsichtig auf die Beine. Die Brünette hat ihre Armschlinge abgelassen, weshalb sie noch mehr aufpassen muss als ohnehin schon. Wir schlängeln uns gemeinsam auf die Tanzfläche und bewegen unsere Körper zur Musik. Gerade singt ein etwa 30- jähriger Mann „She doesn't mind" von Sean Paul. Und was soll ich sagen, er kann wirklich ziemlich gut singen.

Ich strecke meine Arme nach oben und drehe mich einmal um mich selbst. Dabei bleiben meine Augen erneut an Elin und Zander hängen. Sie tanzen eng umschlungen auf der Tanzfläche und scheinen jeden Moment übereinander herzufallen.

„Girl I got you so high and I know you like, so come and push it on me, if it feels alright", singe ich lauthals mit und genieße den Moment. Vielleicht war es wirklich eine gute Idee, für einen Abend komplett abschalten zu können. Ich kichere mädchenhaft und drehe mich noch einmal um meine eigene Achse. Ich fühle mich zwar frei, aber mit ein bisschen mehr Alkohol im Blut, würde ich auch die letzten Zwänge ablegen.

Ich ziehe Elayna mit zur Bar und bestelle zwei 151 ways to die. Wir stoßen an, kippen den Alkohol hinunter und bestellen direkt zwei neue Shots. Aus vier Shots werden ganz schnell acht und ehe ich mich versehe, sind wir angetrunken. Elayna und ich taumeln zurück auf die überfüllte Tanzfläche und lassen unsere Hüften kreisen.

Ich halte stets Blickkontakt mit einem braunhaarigen Schönling und lecke mir verführerisch über die Lippen. Der Junge scheint das als stumme Aufforderung anzusehen, denn er tanzt zu mir und platziert sofort seine Hände auf meiner Taille. Ich wackele extra mit dem Hintern und reibe mich somit an seinem Schritt. Der Junge zieht hörbar die Luft ein und dreht mich mit einem Schwung in seinen Armen um. „¿Cómo te llamas?", fragt er mich, doch ich verstehe ihn nicht. Ich schenke ihm bloß ein anzügliches Grinsen und lasse meine Hände über seine Brust gleiten. Schlagartig verdunkeln sich seine eisblauen Augen.

„¡Ven conmigo!" Er zieht mich an meinem Handgelenk durch die Menschenmasse und presst mich draußen gegen die Steinwand. Er stützt seine Hände rechts und links neben meinem Gesicht ab und mustert mich eindringlich. „Eres guapa." Ich habe zwar keine Ahnung, was er da sagt, aber das geheimnisvolle Funkeln in seinen Augen verrät mir, dass es etwas Positives war. Der Braunhaarige beugt sich langsam zu mir, sodass ich seinen warmen Atem auf meinen Lippen spüren kann. Kurz bevor sich unsere Lippen treffen, neige ich meinen Kopf zur Seite, weshalb mir der Spanier nur einen sanften Kuss auf die Wange haucht.

„Alicaaaaa!"

Ich zucke unweigerlich zusammen und begegne den rotunterlaufenen Augen von Sarina. Sie taumelt benommen auf mich zu und schiebt den Braunhaarigen grob zur Seite. Dieser flucht etwas Unverständliches und verschwindet dann wieder in der Karaokebar. „Ich habe dich gesucht", nuschelt sie leise und legt einen Arm um meine Schulter, „Wir wollen zusammen singen." Diese Worte reichen vollkommen aus, um mir ein zufriedenes Lächeln auf die Lippen zu zaubern.

Ich nicke strahlend und lasse mich von Sarina auf die große Bühne führen. Romy, Elayna und Elin stehen bereits vor dem flackernden Bildschirm und spielen mit den Mikrofonen in ihrer Hand. Sie scheinen noch betrunkener zu sein als ich vor einigen Stunden. Das Tanzen mit dem braunhaarigen Schönling hat mich ziemlich ausgenüchtert.

„Hier", lallt Romy grinsend und drückt mir ein pinkes Mikro in die Hand. In der nächsten Sekunde erklingen auch schon die ersten Musiktöne und das Gejubel der Menschen wird lauter. „Ha ha ha ha ha." Ich schüttele lachend den Kopf und konzentriere mich dann auf den Songtext. Eigentlich kenne ich die Wörter selbst im Schlaf auswendig, aber bei so vielen Menschen lese ich den Text dann doch lieber ab.

„Yo, I'll tell you what I want, what I really, really want. So tell me what you want, what you really, really want", singe ich heiser und deute auffordernd auf Elayna, damit sie den nächsten Part übernimmt. Sie versteht meinen stummen Appell und führt das Mikrofon zu ihren Lippen. „I'll tell you what I want, what I really, really want. So tell me what you want, what you really, really want", wiederholt sie meinen Part und gibt an Elin ab. Diese fährt sich einmal mit der Hand durch die geglätteten Haare und dreht eine Pirouette. Es ertönt ein lautes Pfeifen aus dem Publikum, was sich Zander zuordnen lässt.

„I wanna, I wanna, I wanna, I wanna, I wanna really, really, really." Wir singen das Lied zu Ende und tanzen dabei munter über die Bühne. Es interessiert niemanden, ob wir die Töne treffen oder nicht. Alle jubeln und feiern.

„Huch, die Welt dreht sich", stöhnt Sarina, als sie ihr Mikro abgibt und von der Bühne springt. Dabei stolpert sie zwei Schritte nach vorne und rempelt unglücklicherweise ein rothaariges Mädchen an, das ihren Drink verschüttet. Sie beschimpft Sarina auf Spanisch und fuchtelt wild mit den Armen herum. Ich ziehe die Brünette von der keifenden Furie weg und führe sie nach draußen. Sie hat eindeutig zu viel Alkohol getrunken.

„Wo ist Dawson?", frage ich sie nachdenklich und helfe ihr dabei, sich auf den Boden zu setzen. Ich hole ein Taschentuch aus meiner Clutch und tupfe Sarinas verwischte Wimperntusche weg. „Weiß nicht", antwortet sie schließlich und lehnt den Kopf gegen die Steinwand. „Wie viel hast du denn getrunken?"

„Nicht genug. Es tut immer noch weh."

„Was tut noch weh?"

„Mein Herz." Eine einzige Träne kullert über ihre Wange. Wenn mich nicht alles täuscht, war es Sarinas Intension, den Schmerz im Alkohol zu ertränken. „Warte hier auf mich", murmele ich eindringlich und betone extra jedes Wort, „Ich suche Dawson." Ich lasse die Brünette alleine zurück und mische mich wieder unter die tanzenden Menschen. Der Club wird immer voller, falls das überhaupt noch möglich ist.

Die Menschen tanzen nicht nur auf der Tanzfläche, sondern bereits auf der Bühne und auf Tischen. Elin und Zandern ebenfalls. Zanders Hände liegen auf Elins Hintern, während sie ihren Kopf in seiner Halsbeuge bettet. Zu meiner Überraschung finde ich Romy und Casper in einer ähnlichen Position vor. Ich lasse die beiden ungestört weitertanzen und suche vergeblich nach Dawson. Er kann sich doch nicht einfach so in Luft aufgelöst haben.

Ich raufe mir verzweifelt die Haare und setze mich auf einen Barhocker. Ohne etwas sagen zu müssen, schiebt mir der Barkeeper zwinkernd einen Shot zu, den ich direkt runterkippe. Mein Rachen brennt wie Feuer, aber das Gefühl ist keineswegs unangenehm.

„We're soarin', flyin', there's not a star in heaven that we can't reach", ertönt plötzlich Dawsons angeheiterte Stimme. Er steht mit Sarina auf der Bühne und streichelt zärtlich über ihren Handrücken. Mich überkommt direkt ein schlechtes Gefühl, weil ich Sarina draußen vergessen habe und stattdessen einen Shot nach dem anderen genossen habe. So langsam spüre ich auch wieder die Wirkung des Alkohols und seufze zufrieden.

Beim letzten Mal hatte ich keinen Filmriss, also wird heute bestimmt auch wieder alles gut gehen. Mit diesem Gedanken im Hinterkopf bestelle ich den nächsten Shot.

Elaynas POV

Halb eins. Mein Herzschlag wird von dem wummernden Beat der Musik kontrolliert.

Ein Uhr. Ein rothaariger Junge zieht mich auf die Bühne und singt mit mir.

Halb zwei. Elin und Zander stehen küssend auf der Tanzfläche.

Zwei Uhr. Ich setze mich an die Bar und lasse mir Tequila- Shots spendieren.

Halb drei. Der rothaarige Junge fordert mich zum Tanzen auf.

Drei Uhr. Dawson trägt Sarina aus dem überfüllten Club.

Halb vier. Der Alkohol macht sich bemerkbar.

„Können wir kurz raus gehen, Royce?", wende ich mich lallend an meinen Tanzpartner und lasse mich kraftlos gegen seine Schulter fallen. Der Blauäugige legt sorgsam seinen Arm um meine Taille und führt mich langsam aus der Karaokebar. Meine Umgebung dreht sich und verschwimmt zu einem bunten Farbklecks. Ich taumele orientierungslos einen Schritt nach hinten und stolpere über einen Stein. Royce hält mich sofort am Handgelenk fest und verhindert somit einen unangenehmen Aufprall.

„Du hast viel zu viel getrunken", stellt er besorgt fest und hilft mir dabei, mich hinzusetzen. Ich lasse meine schweren Augenlider zuflattern und nicke benommen. Ich bin wegen Asher nach Spanien gereist, aber irgendwie hat sich dieser Trip zu einem Saufurlaub entwickelt.

„Ah, Royce, hier bist du", ertönt auf einmal eine erleichterte Jungenstimme, „Ich habe dich schon überall gesucht." Ich schaue mit pochendem Kopf auf und begegne einem Paar braune Augen. Der Junge mustert mich kurz abschätzig, ehe er sich wieder seinem Freund zuwendet. „Bist du etwa so ein Typ, der heimlich Mädels abfüllt, um sie dann abzuschleppen?"

„Spinnst du?!", erhebt Royce aufgebracht seine Stimme, was mich unwohl zusammenzucken lässt, „Ich helfe ihr dabei, wieder nüchtern zu werden." Ich fasse mir automatisch an die schmerzenden Schläfen und keuche müde. Vielleicht habe ich es heute tatsächlich ein wenig übertrieben. „Schon gut, schon gut", hebt der Braunhaarige abwehrend die Hände in die Luft und lacht trocken auf, „Vielleicht sollte ich mir auch irgendein Mädel schnappen, um Romy zu vergessen." Plötzlich bin ich wieder hellwach und beinahe nüchtern.

Ich schaue den Jungen vor mir sprachlos an und bemerke dabei erst viel zu spät, dass ich sabbere. „Du hast da etwas", macht mich Royce unsicher auf meinen Speichel aufmerksam und reicht mir ein Taschentuch. Ich ignoriere ihn jedoch und wische mir stattdessen mit der Hand über den Mund. „Du bist Cade, oder?" Die Worte kommen einfach so über meine Lippen, ohne dass ich noch Zeit habe, darüber nachzudenken. Ich habe Romys Ex- Freund zwar schon des Öfteren gesehen, aber in der Dunkelheit ist er doch ziemlich schwer wiederzuerkennen.

„Woher kennst du meinen Namen?" Ich beiße mir krampfhaft auf die Zunge, damit ich nicht erneut etwas Unüberlegtes von mir gebe. „Geraten." Cade runzelt misstrauisch die Stirn und lässt seinen nachdenklichen Blick über meinen Körper wandern. Er scheint im Gegensatz zu mir relativ nüchtern zu sein. „Das glaube ich dir nicht."

„Können diese Augen lügen?", frage ich und lege meinen Kopf leicht schief. Dabei schiebe ich die Unterlippe über die Oberlippe und reiße meine Augen weit auf. „Ich denke schon", erwidert der Braunhaarige kühl und geht vor mir in die Hocke, „Ich frage dich jetzt noch einmal: Woher kennst du meinen Namen?"

„Royce hat ihn mir verraten."

„Habe ich nicht."

„Danke, dass du mir in den Rücken fällst." Ich versuche mich langsam aufzuraffen, scheitere allerdings kläglich. Meine Kopfschmerzen bringen mich jeden Moment um. „Woher kennst du meinen Namen?", wiederholt Cade wütend seine Stimme und rüttelt grob an meinen Schultern. Trotz des vielen Alkohols zuckt ein bestialischer Schmerz durch meine linke Schulter. „Aaahh!", winde ich mich kreischend unter seiner Berührung und schiebe seine großen Hände von mir, „Fass mich verdammt noch mal nicht an!" Romys Ex- Freund lässt mich abrupt los und starrt mich verkniffen an. Auch Royce' Blick ist fragend und zu allem Überfluss auf mich gerichtet.

„Woher kennst du ihn wirklich, Evie?" Ich runzele kurz verwirrt die Stirn, ehe mir wieder einfällt, dass ich Royce nicht meinen richtigen Namen gesagt habe. Nachdem er mir erzählt hat, dass er hier im Fußballtrainingslager ist, habe ich es für sinnvoller gehalten, bezüglich meines Namens zu lügen. „Na schön", seufze ich gespielt ergeben, „Ich habe dich auf dem Fußballplatz beobachtet, Cade." Das ist immerhin die halbe Wahrheit.

„Echt?", stößt er einen verwunderten Laut aus und lockert seine verhärteten Gesichtszüge. Ich nicke kaum merklich und senke den Blick. Nicht vor Scham, sondern wegen der höllischen Kopfschmerzen. „Findest du mich etwa attraktiv?" Ich reiße schockiert die Augen auf und verschlucke mich beinahe an meiner eigenen Spucke. Cade reimt sich da eindeutig etwas Falsches zusammen. „Spendiere mir ein paar Wodka- Shots, dann bekommst du deine Antwort", lächele ich zuckersüß und hieve mich mit letzter Kraft vom Boden auf. Die ruckartige Bewegung lässt mich kurz verschwommen sehen und einen Schritt nach vorne taumeln.

Ich pralle gegen Royce' Brust und stoße einen dumpfen Ton aus. „Du hast genug Alkohol getrunken", meint er besorgt und stützt mich. „Du bist nicht meine Mum", fauche ich unfreundlich und reiße mich von ihm los. Ich taumele auf Cade zu und hake mich bei ihm unter. „Los geht's!", rufe ich euphorisch aus und ziehe ihn mit mir in den überfüllten Club. Der Braunhaarige bestellt mir tatsächlich mehrere Wodka- Shots, sodass ich nach einer Weile gar nichts mehr um mich herum wahrnehmen kann. Alles dreht sich und verschwimmt zu einer trüben Masse. Dann wird die Welt um mich herum schwarz.

***

„Du bist so ein Idiot, Cade! Wie kann man nur so doof sein und einem betrunkenen Mädchen noch mehr Alkohol andrehen!"

„Sie wollte es doch so!"

„Weil sie nicht mehr klar denken konnte! Sieh, was du angerichtet hast." Ich stöhne leise und drehe mich auf die andere Seite. Mein Gesicht landet augenblicklich in einer nassen Flüssigkeit. „Evie!" Jemand rüttelt grob an mir. „Evie!" Ich hebe kraftlos meinen Arm und versuche die nervtötende Stimme zum Schweigen zu bringen. Ich möchte weiterhin ungestört auf meiner weichen Wolke liegen und den nassen Regen in meinem Gesicht genießen. „Toll, ganz toll. Jetzt liegt sie auch noch in ihrer eigenen Kotze." Die Stimme wird nicht nur lauter, sondern auch zorniger.

„Heul nicht rum. Sie kotzt schließlich mein Bett voll und nicht deins!" Ich spüre warme Hände an meinen Wangen, die mein Gesicht grob auf die andere Seite drehen. Gleich danach wischt jemand mit einem Taschentuch über meine feuchte Haut. Ich brumme unzufrieden und drehe mich zurück in den nassen Regen. „Wir sollten sie am besten unter die kalte Dusche stellen!"

„Es hat schon eine ganze Stunde gedauert, sie hier her zu bringen!" Die Stimmen werden so laut, dass mir ganz übel wird. Ich gebe einen würgenden Laut von mir und öffne den Mund. „Scheiße! Hilf mir, sie aufzusetzen, sonst erstickt sie noch!" Mein Oberkörper wird mit einem Ruck nach oben gerissen und von einer Hand gestützt. Die Bewegung war eindeutig zu schnell. Mein Magen dreht sich erneut um und ehe ich mich versehe, übergebe ich mich.

Ein plötzlicher Kälteschauer durchzuckt mich und veranlasst meinen Körper zum Zittern. Ich kann genau hören, wie meine Zähne geräuschvoll aufeinandertreffen und das stechende Pochen in meinem Kopf verstärken. „Sie friert."

„Ich sehe es, Cade! Steh verdammt noch mal auf und hol einen Pullover!" Jemand verlässt meine Wolke, denn sie wird sogleich leichter. Der fehlende Druck überträgt sich irgendwie auf meine Statur und weckt zum wiederholten Male die Übelkeit in mir. Ich erbreche mich auf meine Hose. „Sie wird meinen ganzen Pullover vollreihern!"

„Pech gehabt! Du musstest sie ja unbedingt abfüllen!" Meine Arme werden sanft angehoben, mein Kopf festgehalten. „Halt still, Evie." Die beiden Stimmen fummeln an meinem Körper herum, bis mich irgendwann eine wohlige Wärme umgibt. Ich seufze zufrieden und kuschele meinen Kopf mehr in den Regen. „Jetzt liegt sie wieder in ihrer Kotze!"

„Warte, ich nehme sie auf den Schoß. Dann kannst du das Bett sauber machen!" Kaum verklingt das letzte Wort, legen sich Hände unter meinen Rücken und meine Kniekehlen. Die Wolke hat mir zwar ganz gut gefallen, aber die Schwerelosigkeit gefällt mir mindestens genauso gut. „Mach schon, Cade!"

„Bleib ruhig, ich beeile mich!"

„Wie soll ich bitteschön ruhig bleiben?! Wir haben in fünf Stunden Training und ein fremdes, besoffenes Mädchen in unserem Zimmer liegen!"

„Während wir beim Training sind, wird sie noch schlafen. Alles bestens, Royce." Ich werde wieder auf der Wolke abgelegt und mit einem weichen Tuch zugedeckt. So lässt es sich sicherlich gut schlafen. „Okay, wir sollten uns jetzt auch bettfertig machen."

„Lohnt es sich denn überhaupt noch, für vier Stunden zu schlafen?"

„Memm nicht rum und zieh dich um! Ich schlafe auch freiwillig auf dem Boden!"

„Du warst ja auch derjenige, der Evie so abgefüllt hat. Da ist es doch selbstverständlich, dass du auf dem Boden schläfst!"

„Ja ja, jetzt halt die Klappe."

Und wieder wird alles schwarz.

Caspers POV

Es ist mittlerweile sechs Uhr morgens und Romy und ich verlassen lachend die Karaokebar. Wir haben die letzten zwei Stunden singend und tanzend verbracht, sodass wir jetzt wieder halbwegs nüchtern sind.

„Ich glaube, du wirst der neue Michael Jackson!", kichert die Brünette amüsiert und stößt mich sanft in die Seite. Ich gebe bloß einen glucksenden Laut von mir und ziehe eine Braue in die Höhe. Ich kann mich zwar ganz gut bewegen, aber meine musikalischen Fähigkeiten lassen wirklich zu wünschen übrig. „Versuch mal den Moonwalk zu machen!", fordert mich Romy begeistert auf und klatscht fasziniert in die Hände. Ihre Augen funkeln wie winzige Smaragde, weshalb es mir unglaublich schwerfällt, ihr diese Bitte abzuschlagen.

„Ne ne", lächele ich entschuldigend, „Das würde total albern aussehen. Aber ich kann breakdancen."

Ich beginne mit dem „Top Rock" und überkreuze meine Beine. „Mach mit", grinse ich die Blauäugige auffordernd an und greife nach ihrem Handgelenk. Sie verschränkt ihre Finger mit meinen und ahmt dann meine Bewegung nach. „Sieht gut aus", lobe ich sie, „Du bist ein Naturtalent." Ich beobachte Romy von der Seite und stelle erneut fest, wie hübsch sie ist. Es ist wirklich schade, dass wir uns hier in Spanien und nicht in meiner Heimatstadt Bradford kennenlernen.

„Hör auf, mich so anzustarren", knurrt Benannte verkniffen und übt einen leichten Druck auf meine Hand aus, „Zeig mir lieber einen anderen Tanzschritt." Ich nicke ergeben und löse meine Finger aus ihren. „Pass gut auf." Ich kicke mein rechtes Bein nach vorne und setze den Fuß dann wieder auf dem Boden auf. Ich verschränke meine Hände blitzschnell hinter dem Rücken und falle mit vorgeschobener Hüfte auf die Knie. Sobald meine Hände den Boden berühren, richte ich mich auf und verschränke die Arme lässig vor der Brust.

„Soll ich dir den Schritt noch einmal langsam zeigen?", frage ich Romy zwinkern und fahre mir mit der Hand durch die Haare. Die Blauäugige schüttelt bloß den Kopf und schenkt mir ein freches Grinsen. „Ich weiß, wie man einen Uprock ausführt." Ohne noch einmal mit der Wimper zucken zu können, wiederholt sie meine Bewegung. Die Brünette baut jedoch eine Variation ein und stützt sich lediglich mit einer Hand ab. Mir bleibt nichts anderes übrig, als sie mit großen Augen anzustarren.

„Wieso kannst du breakdancen?", hake ich interessiert nach. Dawson meinte, dass Romy generell sportlich ziemlich fit sei, aber ich habe ihm nicht so recht geglaubt. Jetzt wurde ich eines Besseren belehrt. „Das könnte ich dich auch fragen!", schießt sie keck zurück und hakt sich bei mir unter. Ich lege meinen Arm um ihre Taille und ziehe sie näher zu mir.

„Wie es scheint, hat jeder von uns Geheimnisse", raune ich verschwörerisch und wackele spielerisch mit den Augenbrauen, „Aber ich mag deine Geheimnisse. Ich mag dich, Romy."

Romys POV

„Hey, wach auf!", rüttelt jemand sanft an meinen Schultern. Ich gebe ein unzufriedenes Brummen von mir und drehe mich auf die andere Seite. „Ich meine es ernst, Romy."

„Mhm", erwidere ich im Halbschlaf und ziehe die Decke über meinen Kopf. Es ist eindeutig zu früh. Casper und ich sind erst gegen halb sieben morgens an seinem Hotelzimmer angekommen und fühlt es sich so an, als hätte ich erst eine Stunde geschlafen. „Romy!"

„Lass mich!", zicke ich wütend zurück und verpasse dem Blondhaarigen einen leichten Tritt. Da sein Zimmer nur ein einfaches Einzelbett besitzt, liegen wir gequetscht aneinander, wobei Casper einen Arm um mich geschlungen hat. Ich fühle mich in seiner Gegenwart wohl, aber er wird Cade niemals ersetzen können. „Na schön", seufzt der Grünäugige einsichtig, „Dann werde ich halt mit deinem Ex- Freund reden." Ich höre seine Stimme, kann die Worte allerdings nicht richtig verarbeiten. „Mach das." Sobald meine eigene Stimme verebbt, hört auch das leise Klingeln im Hintergrund auf. Ich lächele zufrieden und kuschele mich in das weiche Kissen.

„Ich bin nicht Romy, sondern ein Freund von ihr... Nein... Sie wollte nicht mit dir reden..." So langsam werde ich stutzig und setze mich schlaftrunken auf. Ich mustere Casper von der Seite und ziehe eine Augenbraue hoch. Er versteht meine Anspielung und schaltet den Lautsprecher ein. „Ich muss aber mit Romy sprechen!"

Seine Stimme raubt mir den Atem. Warum zur Hölle ruft mich Cade an?

Ich erhasche einen flüchtigen Blick auf mein Handydisplay und stelle fest, dass es gerade mal halb elf ist. Somit habe ich zwar mehr als eine Stunde geschlafen, aber fit und ausgeglichen fühle ich mich keineswegs. „Warum denn?"

„Das geht dich nichts an!"

„Oh, doch! Immerhin liegt sie gerade in meinem Bett und nicht in deinem!" Ich kann hören, wie Cade lautstark die Luft einzieht und ein aggressives Knurren von sich gibt. „Fass sie bloß nicht an!"

„Zu spät", grinst Casper teuflisch und leckt sich genüsslich über die Lippen. Würden sich die beiden Jungs von Angesicht zu Angesicht gegenüberstehen, wäre spätestens jetzt die erste Faust geflogen. „Romy ist nicht so ein Mädchen, das sich auf jeden dahergelaufenen Typen einlässt", murrt Cade aufgebracht, „Was hast du ihr ins Getränk gemischt?!"

„Gar nichts! Sie ist freiwillig mitgekommen." Das Gespräch ist so absurd, doch ich bin immer noch zu benommen, um einzugreifen. „Habt ihr miteinander geschlafen?" Ich kann mir vorstellen, dass Cade gerade seine Hände zu Fäusten ballt und seine Augenlider zuschwingen lässt. Er versucht ruhig zu bleiben, allerdings ist der hitzige Unterton in seiner Stimme nicht zu überhören. „Die Nacht war wunderschön", provoziert Casper amüsiert weiter, „Mehr musst du gar nicht wissen."

„Ich bringe dich um!" Cades wutverzerrter Schrei jagt mir eine eisige Gänsehaut über das Rückgrat. Ich verstehe nicht, warum er sich gerade so aufregt. Er hat immerhin auch ein fremdes Mädchen geküsst, ohne dabei einen Gedanken an mich zu verschwenden. „Cade", kommt sein Name wie brennendes Gift über meine Lippen. Ich nehme Casper vorsichtig das Handy aus der Hand und seufze. „Oh mein Gott, Romy!", stößt mein Ex- Freund einen erleichterten Laut aus, „Wie geht es dir? Ist alles gut? Hat dieser Typ etwas mit dir gemacht, was du nicht wolltest? Wo-"

Ich schneide dem Braunäugigen taktlos das Wort ab. „Ich wüsste nicht, was dich das angeht, Cade. Du hast dich dazu entschlossen, mein Leben zu verlassen, also hast du kein Recht dazu, mir solche Fragen zu stellen."

„Wo ist Avery? Ich möchte mit ihr reden!" Ich runzele verwirrt die Stirn und grübele, warum er denkt, dass meine beste Freundin bei mir sei. Es dauert einen kurzen Moment, bis mir wieder einfällt, dass ich meiner Mum und ihm erzählt habe, eine Sprachreise mit Avery zu machen. „Sie hat die Nacht bei einem heißen Spanier verbracht", lüge ich, „Er hatte schön braungebrannte Haut, karamellfarbene Augen und-"

„Es reicht, Romy!", unterbricht mich Cade wütend, „Ich will und kann deine Lügen nicht mehr hören. Ich habe dich gestern gesehen." Mein Herz rutscht mir augenblicklich in die Hose hinab und entfacht ein loderndes Feuer unter meiner Haut. Ich dachte wirklich, dass Caspers Ablenkungsmanöver mit dem Kuss funktioniert hätte. „Du... Du...", verhaspele ich mich unsicher, „Du hast mich gestern gesehen?"

„Ja, Romy, sogar mehrfach." Ich schlucke schwer und blinzele mir eine Träne aus dem Augenwinkel. Das kann einfach nicht sein! Casper drückt mitleidig meine Hand und streicht mir vorsichtig die Glasperle von der Wange. „Wo denn?", hake ich leise nach und lehne mich mit dem Kopf an der Bettstütze an. Die letzten Tage waren so friedlich und harmonisch, dabei waren sie bloß die Ruhe vor dem Sturm. „Erst auf dem Sportplatz und nachher in einer Karaokebar." Wenn Cade ebenfalls in der Bar war, warum habe ich ihn dann nicht gesehen? Ich bin viel zu schockiert, um ihm zu antworten.

„Das kann nicht sein", übernimmt glücklicherweise Casper das Reden für mich, „Wir waren gestern den ganzen Tag gemeinsam am Strand."

„Und was war mit Romys Sprachschule?" Es ist nicht zu überhören, dass uns Cade nicht glaubt. „Meine Güte, wenn du es so genau wissen willst, war Romy erst in der Sprachschule und hat den Nachmittag mit mir am Strand verbracht", verdreht der Sportler die Wahrheit und rollt mit den Augen. Sein Schauspieltalent überzeugt mich nun schon zum zweiten Mal. „In welchem Ort seid ihr denn nochmal?"

„Conil de la Frontera", binde ich mich wieder ins Gespräch ein und erwidere Caspers unsicheren Blick. Es ist nicht so einfach, Cade abzuschütteln. „Irgendetwas sagt mir, dass du lügst."

„Schön, dass du mir nicht mehr vertrauen kannst, Cade", spucke ich verächtlich, „Aber soll ich dir was sagen? Ich kann dir auch nicht mehr vertrauen!" Mein Herz zieht sich bei diesen hasstriefenden Worten schmerzhaft zusammen. „Ich weiß wirklich nicht, was du gestern für Gespenster gesehen hast, aber das war ich nicht!"

„Verarsch mich nicht! Ich kenne deine kurze, schwarze Lederhose und das weinrote Shirt. Das Outfit hast du fast jedes Mal an, wenn du feiern gehst." Cade kennt mich einfach viel zu gut. „Also jetzt gerade hat Romy gar nichts an." Ich starre Casper fassungslos an und hebe die Decke an. Ein Blick genügt, um festzustellen, dass ich ein viel zu großes T- Shirt trage, das mir bis zur Hälfte des Oberschenkels reicht. „Hör auf, mich zu provozieren", knurrt mein Ex- Freund zornig, „Lass mich gefälligst alleine mit meiner Freundin reden."

„Ich bin nicht mehr deine Freundin", erwidere ich kühl und schüttele verbittert den Kopf. Als sich Cade von mir getrennt hat, ist mein Herz zerrissen. Mittlerweile sind die Wunden wieder verheilt, aber ich kann immer noch die blutigen Narben spüren. „Können wir uns heute treffen, Romy?", ignoriert er geflissentlich meine vorherige Aussage und klingt beinahe flehend, „Bitte." Ich hadere kurz mit mir selber. „Ich kann nicht so einfach mehrere, hundert Kilometer durch Spanien fahren, nur um dich zu treffen."

„Ich weiß, dass du hier bist."

„Rede dir das ruhig weiter ein", zische ich genervt, „Aber insgeheim weißt du genau so gut wie ich, dass das nicht die Wahrheit ist."

„Oh doch, Romy, das ist die Wahrheit. Ich werde den ganzen Ort nach dir absuchen."

„Viel Erfolg", gebe ich sarkastisch von mir und verdrehe die Augen, „War's das jetzt? Ich möchte den jungen Herren neben mir nicht so lange warten lassen."

„Wir sehen uns, Romy." Damit beendet Cade das Telefonat und lässt ein Gefühlschaos in meinem Inneren zurück. Von jetzt an muss ich deutlich vorsichtiger sein. Wenn sich mein Ex- Freund etwas in den Kopf setzt, wird er alles dafür tun, um sein Ziel zu erreichen. In diesem Fall bin ich sein Ziel.

„Alles okay, Romy?" Casper streichelt zärtlich über meine Wange und zwirbelt eine meiner Haarsträhnen zwischen seinen Fingerspitzen. Seine grünen Augen bohren sich in mein Blau und versuchen bis in meine Seele zu schauen. Ich bemühe mich jedoch um eine emotionslose Maske und verschließe meine Gefühle vor ihm. „Klar, alles bestens", winke ich gekünstelt ab, „Lass uns frühstücken gehen." Er mustert mich besorgt und zieht die Brauen in die Höhe. „Sicher?"

„Sicher!" Ich schwinge meine Beine über die Bettkante und strecke mich ausgiebig. Dabei rutscht das T- Shirt hoch und gibt den Blick auf meinen roten Slip frei. Casper zieht hörbar die Luft ein, ehe er sich räuspert. „Mach das nicht noch mal", mahnt er mich und klettert ebenfalls aus dem Bett. Er schlingt seine Arme um meine Taille und dreht mich zu sich um. „Sonst was?", frage ich ihn neckend und lege den Kopf schief.

„Sonst garantiere ich für nichts mehr." Ich lächele bloß unschuldig und hauche ihm einen federleichten Kuss in die Halskuhle. Cade hat sich getäuscht. Wenn er sich direkt an andere Mädchen ranmacht, kann ich mich gleichermaßen auf andere Jungs einlassen. Er wird schon noch sehen, was er alles ohne mich verpasst!

Sarinas POV

Kalter Schweiß rinnt über meine Stirn und perlt an meinem Kinn ab. Ich zittere. „Geht es dir besser?" Ich schüttele schwach mit dem Kopf und kralle mich panisch an die Toilettenschüssel. Ich nehme alles wie durch Watte wahr und erliege spätestens in ein paar Minuten meinen höllischen Kopfschmerzen. „Musst du dich noch einmal übergeben?" Als Antwort würge ich und beuge mich hektisch über die Toilette. Dawson hält meine Haare zurück und streichelt mir beruhigend über den Rücken.

„Es ist gut, wenn das ganze Gift aus deinem Körper kommt", haucht er gedämpft und malt kleine Kreise auf meine Haut. Seine Zärtlichkeit beruhigt leider nicht meinen Magen, weshalb ich mich keuchend übergebe. In den letzten beiden Stunden habe ich das Abendessen vom Vortag erbrochen, aber mittlerweile kommt nur noch Galle raus. Ich fühle mich so schmutzig wie schon lange nicht mehr. Eigentlich wollte ich gestern Abend nur den angetrunkenen Zustand erreichen, aber irgendwie habe ich immer mehr Alkohol getrunken, bis ich nicht mehr stehen konnte.

Ich kann mich nur noch wage daran erinnern, wie mich Dawson aus dem Club und letztendlich zu seinem Hotel getragen hat.

„G- Geht schon wi- ieder", raune ich mit gebrochener Stimme und betätige die Klospülung. Dawson hilft mir vorsichtig auf die Beine und stützt mich. „Du solltest duschen", meint er fürsorglich, „Ich kann dir auch helfen." Ich nicke erschöpft und strecke meine Arme nach oben. Der Braunäugige zieht mir den Pullover, den er mir geliehen hat, aus und schmeißt ihn achtlos auf den Boden. Dann befreit er mich wachsam aus der großen Jogginghose und den dicken Wollsocken. Ich stehe nur noch in Unterwäsche vor ihm und schaue ihn hilflos an.

„Kannst du alleine stehen?", fragt er mich besorgt, was ich direkt verneine. Meine Beine sind weich wie Wackelpudding und geben jeden Moment unter mir nach. Dawson seufzt und verfrachtet mich sorgsam auf den Toilettendeckel. Mein Kopf sackt auf meine Brust, sodass ich nur noch aus dem Augenwinkel sehen kann, wie er sich seiner Kleidung entledigt. Die dunkelblaue Boxershorts lässt er aber glücklicherweise an.

„Okay", raunt er zu sich selber und legt einen Arm um meine Schulter. Er zieht mich wieder auf die Beine und führt mich zu der Dusche. „Kalt oder warm?", fragt er mich lachend und hält seine Hand unter den Wasserstrahl. „W- Warm", antworte ich japsend und kralle mich hilfesuchend an seinem Arm fest. Wenn er mich jetzt loslässt, falle ich. „Achtung", warnt mich der Braunäugige vor, ehe er den Duschkopf über mich hält. Das warme Wasser prasselt beruhigend auf mich nieder und massiert meine verspannten Muskeln. Ich seufze wohlig und lehne mich gegen Dawsons muskulöse Brust.

Was würde ich nur ohne ihn machen?

Obwohl ich den Sportler erst seit fünf Tagen kenne, sorgt er sich um mich, als wären wir schon unser ganzes Leben miteinander befreundet. Und um ehrlich zu sein, hat mir so eine Person in den letzten Wochen enorm gefehlt.

„Ich habe leider nur Männershampoo hier", reißt mich Benannter entschuldigend aus meinen Gedanken und stellt kurz das Wasser ab. Ich zucke gleichgültig mit den Schultern und beobachte fasziniert, wie das blaue Shampoo in Dawsons linke Hand fällt. Er stellt das Duschgel wieder auf dem Boden ab und macht sich schließlich an meinen verknoteten Haaren zu schaffen. Er massiert das Shampoo gleichmäßig ein und zwirbelt zwischendurch einzelne Haarsträhnen zwischen seinen Fingerspitzen.

„Gab es eigentlich einen Grund, warum du dich so abgeschossen hast?" Seine Frage überrascht mich. „Nein." Es gab tatsächlich keinen Grund, denn mein Absturz war definitiv nicht geplant. Dawson nickt unsicher und betätigt den Wasserhahn. „Augen zu und Kopf nach hinten", befiehlt er leise und legt seine Hand auf meine Stirn. Ich komme seiner Anweisung nach und erleichtere ihm somit, das Shampoo aus meinen Haaren zu spülen.

Nach einigen Minuten fühle ich mich endlich wieder sauber und taumele vorsichtig aus der Dusche. Die Welt dreht sich glücklicherweise nicht mehr, sondern steht still. Auf einmal schleicht sich Dawson in mein Blickfeld und wickelt mir ein weißes Handtuch um die Hüfte. Während dieser Prozedur schaut er mir lächelnd in die Augen. Sein Blick wandert kein einziges Mal tiefer. „Danke", hauche ich schuldbewusst und ziehe ihn in eine sanfte Umarmung. Er weiß gar nicht, wie viel er bereits für mich getan hat. „Gerne", erwidert er gedämpft und vergräbt sein Gesicht in meiner Halsbeuge. Er saugt hörbar meinen Geruch ein und seufzt wohlig.

„Mein Shampoo riecht wirklich himmlisch", grinst er frech und streicht mir die Haare hinter das Ohr. Ich lege meine Hand auf seine und fange seinen liebevollen Blick auf. Seine braunen Augen funkeln geheimnisvoll und spenden mir Wärme. Ohne richtig zu realisieren, was ich gerade mache, nähere ich mich seinem Gesicht. Ich fahre vorsichtig seine markanten Wangenknochen nach und streiche dann langsam über seine vollen Lippen. Dawson fasziniert mich. Kurz bevor ich meine Lippen auf seine drücken kann, schiebt er mich sanft von sich.

„Tu nichts, was du später bereuen würdest, Sarina", murmelt er ehrfürchtig und zwingt sich zu einem schiefen Lächeln, „Du musst bedenken, dass wir uns noch gar nicht richtig kennen und wir noch nicht auf unserem Date waren."

„Du möchtest immer noch mit mir ausgehen?!", frage ich ihn überrascht und lege den Kopf leicht schief. Spätestens nachdem ich ihn die ganze Nacht wegen meiner Kotzerei wachgehalten habe, muss bei ihm doch das Interesse verflogen sein. „Natürlich", erwidert er zu meiner Verwunderung, „Aber das hat noch Zeit. Lass uns erstmal etwas Essen gehen." Ich nicke benommen und folge Dawson zurück in sein Zimmer. Er beugt sich zu seinem Koffer und reicht mir ein paar Sekunden später frische Kleidung. „Mit einem BH kann ich leider nicht dienen", zwinkert er mir amüsiert zu und spannt seine Brustmuskeln an. Ich kichere mädchenhaft und schüttele belustigt den Kopf.

„Macht nichts."

Ich mache auf dem Absatz kehrt und schließe mich in dem stinkenden Badezimmer ein. Der Geruch von meinem Erbrochenen liegt immer noch in der Luft und wird wohl so schnell nicht verschwinden. Das Bad hat nämlich kein Fenster. „Beeil dich, Sarina!" Ich zucke zusammen und tausche dann eilig meinen nassen Slip gegen Dawsons Boxershorts ein. Den BH ziehe ich ebenfalls aus und schlüpfe stattdessen in den großen Pullover. „Hast du hier irgendwo eine Bürste?", wende ich mich fragend an den Sportler und strecke meinen Kopf aus der Tür. „Nein und jetzt komm."

Ich seufze ergeben und tapse auf wackeligen Beinen zu ihm. Der Braunhaarige legt direkt seinen Arm um meine Taille und gibt mir somit Stabilität. „Du hast jetzt drei Möglichkeiten", schmunzelt er vergnügt, „Du kannst barfuß gehen oder dir deine High Heels anziehen oder aber meine Adiletten bekommen."

„Auch wenn ich Adiletten hasse, klingt das nach der besten Variante", gebe ich zögernd zu und nehme Dawson die schwarzen Schlappen ab. „Jetzt siehst du verdammt heiß aus", zwinkert er mir anzüglich zu und pfeift anerkennend. Ich boxe ihm lachend gegen den Oberarm und stoße die Zimmertür auf.

Hätte ich das doch lieber nicht getan...

Vor uns im Gang stehen vier Fußballer, die sich angeregt unterhalten. Unter ihnen sind auch Cade und Asher. „Ihr habt wirklich ein besoffenes Mädchen in eurem Zimmer liegen?!" Meine Augen weiten sich und ich bedeute Dawson mit einer Handbewegung, leise zu sein. Es ist ziemlich unwahrscheinlich, aber vielleicht liegt eine meiner Freundinnen in dem angesprochenen Zimmer.

„Ja. Sie heißt Evie." Ich beobachte Asher, dem alle Gesichtszüge entgleisen. „Wie heißt sie?", hakt er heiser nach und reißt seine Augen auf. Sein Verhalten lässt mich stutzig werden. „Evie", wiederholt Cade skeptisch, „Wieso?"

„Elayna hat sich auch immer Evie genannt, wenn sie ihren richtigen Namen nicht preisgeben wollte." Seine Worte lassen mich erstarren. Ich spüre, wie sich Dawson ebenfalls anspannt und seine Hände zu Fäusten ballt. Er hat einen wirklich stark ausgeprägten Beschützerinstinkt. „Könnt ihr mir das Mädchen zeigen?"

„Wir haben gleich Training, Asher!"

„Kommt schon, Jungs, bitte!" Der rothaarige Fußballer nickt ergeben und deutet Richtung Fahrstuhl. Ich ziehe Dawson am Handgelenk mit mir und halte den Aufzug in letzter Sekunde an. Wir quetschen uns zu Elaynas Ex- Freund und schweigen. „Mach etwas", raune ich Dawson beinahe tonlos zu und zeige auf den Zimmerschlüssel, mit dem der Rothaarige herumspielt. Noch bevor der Braunäugige irgendwie aktiv werden kann, öffnen sich die Fahrstuhltüren.

Zu meiner großen Verwunderung stehen Elin und Zander davor. „Falsche Richtung, Leute, das Training findet draußen statt", lacht Zander belustigt und legt den Kopf schief. Elin steht angewurzelt neben ihm und starrt mich hilflos an. Zum Glück klärt Asher die bizarre Situation auf. Dabei scheint er nicht zu bemerken, dass Dawson und ich immer noch hinter ihm stehen. „Meine Ex- Freundin ist vielleicht in Royce' Zimmer. Ich muss unbedingt nachgucken, ob sie das wirklich ist." 

Elins POV

Ich brauche einen Moment, um Ashers Worte zu verarbeiten. Wenn Elayna wirklich in Royce' Zimmer ist, darf ihr Ex- Freund sie auf keinen Fall sehen.

„Sie wird nach dem Training auch noch da sein", lächele ich möglichst überzeugend und lenke die Aufmerksamkeit der Jungs somit auf mich, „Ihr solltet jetzt trainieren gehen und später nach dem Mädchen gucken." Asher kneift seine Augenbrauen zusammen und mustert mich misstrauisch. Ich halte seinem stechenden Blick stand und setze eine unschuldige Miene auf. „Nein!" Er versucht sich grob an mir vorbeizudrängeln, doch ich halte ihn am Handgelenk zurück.

„Du kommst zu spät zum Training! Sei vernünftig und geh mit Zander mit!" Asher reißt sich wütend von mir los und taumelt einen Schritt nach vorne. „Komm schon, Royce", knurrt er den Rothaarigen an und macht eine nickende Kopfbewegung Richtung Flurende. Sein Kumpel setzt sich in Bewegung und klimpert gelassen mit dem Schlüssel. Das glänzende Metall ist unsere einzige Hoffnung. Ich wechsele einen vielsagenden Blick mit Sarina und Dawson und reiße dem Jungen den Schlüssel aus der Hand.

Ohne mich noch einmal umzugucken, sprinte ich los. 604. „Was soll der Scheiß? Bleib stehen!" Ich beschleunige meine Schritte und hechte an den Zimmertüren vorbei. 589. 590. 591. „Fuck!" Ich nehme aus dem Augenwinkel eine Gestalt neben mir wahr und zucke unweigerlich zusammen. Asher ist nun auf der gleichen Höhe wie ich und streckt seinen Arm nach mir aus. „Gib mir den verdammten Schlüssel!" Ich schüttele mit dem Kopf und bleibe abrupt stehen. Der Braunäugige läuft einige Meter weiter, bevor er sich wütend zu mir dreht.

„Das ist nicht lustig!", knurrt er und visiert den Schlüssel. Der lodernde Zorn, der sich auf seinem Gesicht ausbreitet, macht mir wirklich Angst. „Dawson!", schreie ich panisch den Namen des Sportlers und weiche einen Schritt zurück. Asher kommt mir immer näher, bis ich mit dem Rücken an die Wand stoße. „Shit", fluche ich verzweifelt und drehe den Kopf nach rechts. Dawson schiebt gerade Zander und Royce gewalttätig in den Fahrstuhl und drückt den Knopf zum Runterfahren. Die beiden Jungs hämmern wild gegen die Türen, doch der Aufzug öffnet sich nicht mehr.

„Gib mir den Schlüssel." Ich zucke zusammen und umschließe das Metall fest mit meinen Fingern. So leicht werde ich es Asher sicherlich nicht machen. „Ich warne dich", raunt er wutverzerrt und greift nach meinem Handgelenk. Ich versuche mich vergeblich aus seinem eisernen Griff zu lösen, doch jeder Versuch scheitert. Stattdessen kommt mir eine Idee.

„Warte", lasse ich Asher in seiner Bewegung innehalten, „Ich wollte dich nur ein bisschen provozieren. Ich gebe dir den Schlüssel sofort." Ich warte bis der Braunhaarige einen Schritt zurücktritt und greife dann in meine, beziehungsweise Zanders, Hosentasche. Anstatt Royce' Zimmerschlüssel herauszuziehen, drücke ich Asher Zanders Schlüssel in die Hand. Der schwarzhaarige Lockenkopf hat mir das silberne Metall gegeben, damit wir nach seinem Training da weitermachen können, wo wir zeitbedingt aufhören mussten.

„Tut mir leid, dass ich weggelaufen bin und so", nuschele ich gespielt beschämt und wickele mir eine Haarsträhne um den Zeigefinger, „Das sollte nur ein doofer Scherz sein." Asher nickt skeptisch und wendet sich zum Gehen ab. Er schließt Zanders Hotelzimmer auf und lässt die Tür geräuschvoll ins Schloss fallen.

„Pass auf, dass er nicht rauskommt", weise ich Dawson zurecht, der mittlerweile bei mir steht, und deute auf die verschlossene Tür, „Sarina und ich holen Elayna." Der Braunhaarige nickt verstehend und stemmt sich mit seiner ganzen Kraft gegen die Tür. Ich eile hingegen drei Zimmer weiter und sperre die Tür auf. Sarina folgt mir auf wackeligen Beinen.

„Da ist sie!", stößt sie sogleich einen schockierten Schrei aus und taumelt auf das Bett zu, in dem Elayna liegt. Sie ist leichenblass im Gesicht und zittert unaufhörlich. „Wir müssen uns beeilen", raune ich hektisch und ziehe Elayna die Decke weg. Erst jetzt fällt mir auf, dass sie in ihrer eigenen Kotze liegt. „Elayna! Wach auf!" Ich rüttele vorsichtig an ihrem unterkühlten Körper und schnipse zweimal gegen ihre Wangen. „Verdammt!", fluche ich verzweifelt und raufe mir die Haare, „So wird das nichts!"

Ich lege Elaynas linken Arm wachsam um meine Schulter und den rechten Arm um Sarinas Schulter. Wir ziehen die Brünette kraftvoll auf die Beine und tragen sie aus dem Zimmer. Ihr Kopf sackt immer wieder nach unten. „Sie ist zu schwer, Dawson", wende ich mich hilflos an den Sportler und beobachte, wie er mit angespannten Muskeln die Tür zuhält. Asher hämmert wild gegen das Holz und wirft zornig mit Beleidigungen um sich.

„Kommt hier hin", lotst er uns zu sich, „Ich bringe sie in mein Zimmer. Passt auf, dass mir Asher nicht folgt. Außerdem müssten Zander und Royce jeden Moment wieder hier sein." Ich nicke panisch und drücke Dawson die beinahe leblose Elayna in die Arme. Er trägt sie im Brautstyle und rennt dann so schnell er kann zu den Treppen. Sarina und ich stemmen uns gegen die Tür, werden aber direkt weggedrückt.

Ein wutgeladener Asher kommt zum Vorschein und schaut sich hektisch um. Er sieht gerade noch, wie Dawson im Treppenhaus verschwindet. „Fuck! Geht mir aus dem Weg oder ich bringe euch um!", wütet er hysterisch und tritt gegen die Wand, „War das Elayna?" Er wirkt so gebrochen und verletzlich, dass es mir schon leidtut, ihn anzulügen. „Nein. Da war kein Mädchen in dem Zimmer", raune ich gedämpft und gebe Asher den Zimmerschlüssel, „Ich wollte nur zuerst nachgucken, deshalb habe ich dir den falschen Schlüssel gegeben." Der Braunhaarige sackt erschöpft an der Wand hinab und bettet sein Gesicht in seinen Händen. Ich traue meinen Augen nicht, aber sein Körper wird tatsächlich von herzzerreißenden Schluchzern geschüttelt.

„Ähm", kratze ich mich unwohl am Nacken, „Es tut mir leid. Du hättest zuerst nachgucken sollen." Der Fußballer spannt sich an und schnieft leise. „Kennt ihr denn eine Elayna?" Ich wechsele einen mitleidigen Blick mit Sarina und schlucke schwer. „Nein." Ich kann sehen, wie Asher auch das letzte Fünkchen Hoffnung verlässt. Er nickt benommen und richtet sich stöhnend auf. Seine Augen und Wangen sind vom Weinen gerötet.

„Asher!"

Ich wirbele herum und fange Zanders Blick auf. Er steht mit Royce am Fahrstuhl und schüttelt enttäuscht den Kopf. „Ich muss kurz mit ihm reden", raune ich Sarina kaum hörbar zu und gehe unsicher zu dem Schwarzhaarigen. Er mustert mich emotionslos und verschränkt die Arme vor der Brust.

„Ich kann das erklären. Ich-", setze ich hilflos an, werde allerdings direkt unterbrochen. „Lass gut sein", winkt Zander ab, „Der One- Night- Stand war echt verdammt gut, aber das war es auch schon. Zwischen uns ist nichts und wird auch niemals etwas sein. Verpiss dich einfach! Ich hab kein Bock auf solche kranken Spielchen." Ich straffe verletzt die Schultern und zwinge mich zu einem unechten Lächeln. „Sister before Mister", raune ich verschwörerisch, ehe ich mich an Royce wende, „Und nur damit du es weißt, in eurem Zimmer war kein Mädchen." Ich gehe in den Aufzug und betätige die Taste für das Erdgeschoss. Ich muss hier raus. Dawson und Sarina kommen auch alleine mit Elayna klar.

„Warte!" Zander stellt seinen Fuß zwischen die Fahrstuhltüren und mustert mich eindringlich. „Du hast etwas vergessen."

„Deinen Abschiedskuss kannst du dir in den Arsch schieben!", knurre ich wütend und setze einen arroganten Gesichtsausdruck auf. Der Braunäugige erwidert meinen kalten Blick und streckt seine Hand aus. „Auf den Kuss verzichte ich mit Vergnügen, aber meinen Zimmerschlüssel hätte ich gerne wieder." Ich schmeiße ihm den Schlüssel vor die Füße und fahre mir frustriert durch die Haare. Zander war eine perfekte Ablenkung von Raiden. Er ist heiß, frech und gut im Bett. Ich kann wirklich von Glück reden, dass ich ihm meinen Namen nicht verraten habe, denn sonst hätte ich jetzt große Schwierigkeiten.

Die Fahrstuhltüren öffnen sich geräuschvoll und geben den Blick auf eine gigantische Hotellobby frei. Ich gehe an all den Menschen vorbei und verlasse das Hotel. Ich brauche jetzt erstmal Zeit für mich. Sobald ich den Strand sehen kann, schlüpfe ich aus meinen Socken und schlendere barfuß durch den warmen Sand. Mein Kleid und meine High Heels liegen immer noch in Zanders Zimmer. Dafür trage ich einen grauen Pullover und eine schwarze Jogginghose von ihm.

Ich krempele beide Kleidungsstücke nach oben und seufze. Es ist viel zu heiß für lange Kleidung. Ich ignoriere die neugierigen Blicke der Strandbesucher und setze meinen Weg zum Meer fort. Das lauwarme Wasser umspielt meine nackten Füße und trägt den Schmutz mit sich hinfort. Neben mir spielen zwei kleine Zwillingsmädchen Fangen im Meer, die dabei glucksende Laute von sich geben. Die beiden sind wirklich zu beneiden. Sie werden noch nicht von ihren Gedanken zerfressen und müssen sich nicht um alles und jeden den Kopf zerbrechen. Sie haben noch ihr ganzes Leben vor sich.

Ich versinke vollends in Gedanken und blende meine Umwelt aus. Ab jetzt kann es nur noch bergauf gehen. Zumindestens für mich. Raiden wird noch sein blaues Wunder erleben.

Alicas POV

Die leuchtende Sonnenscheibe verschwindet nun endgültig hinter dem Ozean und taucht unsere Umgebung somit in ein fahles Licht. Romy, Sarina, Elin, Elayna und ich sitzen gemeinsam am Strand und starren fasziniert auf das glitzernde Meer. Wir haben uns per WhatsApp zu diesem Treffen verabredet, aber bis jetzt hat noch niemand ein Wort gesagt. Die Stimmung ist im Gegensatz zu den Vortagen angespannt und bedrückt. Mir ist bewusst, dass das mit gestern zu tun hat. Soweit ich das mitbekommen habe, hatten Sarina und Elayna einen totalen Absturz, wohingegen sich Romy und Elin mit Casper und Zander vergnügt haben. Ich habe zwar auch mit mehreren Jungs getanzt, jedoch keinen von ihnen geküsst oder mich auf ihre Shirts erbrochen. Zudem habe ich keinen Kater und das, obwohl ich gegen Ende recht viel Alkohol durcheinander getrunken habe.

„Wir müssen besser aufpassen", durchforstet schließlich Elin die unangenehme Stille. Sie wendet ihren Blick nicht vom Meer ab und beobachtet konzentriert die weißen Schaumkronen, die auf jeder Welle schwimmen. „Wie meinst du das?", frage ich sie neugierig und runzele die Stirn. Bis jetzt wurde niemand von seinem Ex- Freund erkannt. Es gab zwar mehrere, kritische Zwischenfälle, aber letztendlich ist nichts passiert.

„So wie ich es gesagt habe", seufzt die Blondine gereizt, „Wir haben schon viel zu viel Aufmerksamkeit der Fußballer auf uns gezogen." Ich räuspere mich leise. „Bis jetzt ist immer alles gut gegangen", zucke ich mit den Schultern und lege den Kopf leicht schief. Es war doch eigentlich von Anfang an klar, dass das Risiko, erkannt zu werden, relativ hoch ist.

„Nichts ist bis jetzt gut gegangen!", widerspricht sie mir wütend und springt auf, „Romys Ex- Freund hat Verdacht geschöpft und möchte sie jetzt suchen. Sarina muss sich nicht nur von Clay fernhalten, sondern zu allem Überfluss auch noch von Royce, Asher und Jonah. Elayna hat heute Nacht komplett besoffen bei Cade und Royce übernachtet. Außerdem ist ihr Asher auf die Spur gekommen. Was mich angeht, ich muss mich sowieso von jedem fernhalten!" Ich starre Elin aus großen Augen an und schlucke schwer. Ich wusste nicht, wie verzwickt unsere Situation wirklich ist. „Bei dir ist vielleicht alles gut, Alica, aber bei uns nicht." Ich beiße mir krampfhaft auf die Zunge und vergrabe meine Fingernägel im lauwarmen Sand.

Ich habe zwar nicht so große Probleme wie die anderen, aber Jonah macht mir trotzdem schwer zu schaffen. Wann immer ich alleine bin, gelten meine Gedanken nur ihm. „Beruhige dich, Elin", mischt sich Sarina kleinlaut ein, „Alica hat es sicherlich nicht so gemeint." Ich nicke bloß und schweige. Elin kann ziemlich schnell ausrasten und das möchte ich ungerne miterleben. „Ich weiß", gibt sie seufzend nach und schenkt mir einen entschuldigenden Blick, „Wir müssen uns einfach wieder auf das Wichtige konzentrieren."

„Und was ist deiner Meinung nach das Wichtige?", hakt Elayna skeptisch nach und legt ihre Stirn in tiefe Furchen. Sie ist total blass und sieht allgemein wie eine Leiche aus. Ich möchte gar nicht erst wissen, wie es dazu gekommen ist, dass sie bei Cade und Royce übernachtet hat. „Warum sind wir hierhergekommen?", fragt uns Elin streng und verschränkt die Arme vor der Brust. Sie steht immer noch vor uns und denkt gar nicht erst daran, sich wieder hinzusetzen. „Um unsere Ex- Freunde vom Fußballspielen abzuhalten", antwortet Romy betrübt.

„Wir sind morgen schon seit einer Woche hier und die Jungs eifern immer noch ihrem Traum nach", erhebt Elin ihre Stimme, „Und was haben wir in der Zwischenzeit gemacht? Wir haben uns mit anderen Jungs abgelenkt oder uns zur Besinnlosigkeit gesoffen. Das war definitiv nicht unser Plan!" Wenn ich so über ihre Worte nachdenke, dann hat sie Recht. Wir wollten Rache ausüben, aber stattdessen haben wir uns auf andere Sachen konzentriert. Party machen, Spaß haben, herumalbern... Wir müssen die Zeit hier in Spanien effektiv nutzen, sonst verlieren wir unsere Ex- Freunde womöglich für immer.

„Alles, was du gesagt hast, stimmt", gebe ich beschämt zu und schaue zu Elin auf, „Ab morgen müssen wir wirklich unseren Fokus auf die Fußballer richten." Romy und Elayna nicken zustimmend, nur Sarina schweigt. Sie malt winzige Muster in den Sand und starrt verträumt auf das Meer. An wen sie wohl gerade denkt? Clay oder Dawson? „Bist du dabei, Löckchen?", reißt Elin die Benannte aus ihren Gedanken und hebt eine Augenbraue, „Unsere Ex- Freunde müssen für unseren Schmerz bezahlen!"

„Mhm", murmelt sie geistesabwesend und schließt die Augen. Sarina befindet sich gerade in einer völlig anderen Welt. Elin schüttelt über ihr Verhalten genervt mit dem Kopf und lässt sich rücklings in den Sand fallen. „Hat jemand eine Idee, wie wir die Jungs vom Fußballspielen abhalten können?" Ich überlege fieberhaft, komme allerdings zu keinem Entschluss. Da niemand von uns erkannt werden darf, sind wir ziemlich eingeschränkt.

„Wir könnten Bälle auf den Platz werfen und somit das Training stören", schlägt Elayna schulterzuckend vor und wartet auf unsere Antwort. „Finde ich gut", lächele ich schwach. Unser Gespräch wirkt einfach nur verdammt gezwungen. Ich erkenne die vier Mädels, die mir in dieser kurzen Zeit unglaublich schnell ins Herz gewachsen sind, kaum wieder. „Oder wir beauftragen Leslie und ihre Freunde, dass sie immer wieder über den Fußballplatz laufen sollen", grinst Romy teuflisch und leckt sich über die Lippen. Die Blauäugige ist für ihre Verhältnisse recht still und zurückhaltend. Ich bin mir nicht sicher, ob das etwas mit Casper oder Cade zu tun hat.

„Na gut", klatsche ich in die Hände, „Dann ist es wohl beschlossene Sache, dass wir uns ab morgen den Fußballern widmen." Die anderen nicken synchron und stimmen mir somit zu. „Vielleicht ist es sinnvoll, wenn wir unsere Masken auf dem Sportplatz tragen", schlägt Sarina vor und zögert kurz, „Immerhin kennen uns dort mittlerweile zu viele Jungs." Anfangs mussten wir uns nur vor fünf Jungs in Acht nehmen, aber inzwischen sind schon zwei weitere dazugekommen. Wenn das so weiter geht, müssen wir uns bald vor der gesamten Mannschaft verstecken.

„Gut, dann treffen wir uns morgen um halb elf mit den Masken am Stadion", fasst Romy zusammen und erhebt sich. Sie streckt sich kurz und schenkt uns dann ein müdes Lächeln. „Ich gehe jetzt schlafen. Morgen wird ein langer Tag", gähnt sie herzhaft und reibt sich erschöpft über die Augen. „Bis morgen", nuscheln wir im Einklang und beobachten sie dabei, wie sie den Strand verlässt.

„Ich wette mit euch, dass sie sich mit Casper trifft", raunt Elin verschwörerisch, „Wettet jemand um fünf Mäuse dagegen?"

„Ja, ich wette dagegen", erwidert Sarina und schüttelt Elins Hand. Die beiden stehen ebenfalls auf und laufen Romy hinter her. Ein bisschen Privatsphäre wäre auch ganz nett gewesen.

Ich seufze und schaue zu Elayna rüber. Sie erwidert meinen Blick und lächelt schwach. Ich würde sie wirklich gerne fragen, was gestern Abend vorgefallen ist, aber wenn sie so weit ist, wird sie mir selber davon erzählen. Ich möchte sie immerhin zu nichts zwingen. „Sollen wir auch zurück ins Hotel gehen?", fragt sie mich ausgelaugt und klopft sich den Sand von der Hose. Ich kann sehen, dass ihr jeden Moment die Augen zufallen und nicke deshalb.

Wir trotten schweigend am Strand entlang, jeder hängt seinen eigenen Gedanken nach. Ich erinnere mich an die Zeit mit Jonah zurück, in der wir den Spaß unseres Lebens hatten. Wir haben so viel zusammen erlebt und so viele Erinnerungen geschaffen, dass es schmerzt zu wissen, dass es diese Zeiten nicht mehr gibt. „Woran denkst du?", reißt mich Elayna neugierig in die Realität zurück. Ich blinzele kurz perplex, ehe ich ihr ein trauriges Lächeln schenke. „An Jonah." Sie nickt verständnisvoll und legt einen Arm um meine Schulter.

„Vielleicht ändert sich ab morgen alles", philosophiert sie schwärmerisch, „Vielleicht wird dann alles besser." Ich wünschte, ich hätte ihren Optimismus. Zwischen Jonah und mir wird es sicherlich nicht besser. Er hat seine Entscheidung getroffen und sich darauf festgelegt, die Zukunft ohne mich zu verbringen. Auch wenn es schmerzt, muss ich das akzeptieren. „Mal abwarten", lächele ich träge und umarme Elayna zum Abschied, „Bis morgen."

„Bis morgen", erwidert sie leise und betritt ihr Zimmer. Ich fahre eine Etage höher und schließe erschöpft die Tür auf. Alles, was ich jetzt brauche, ist mein Bett.

Ich ziehe mir schnell meinen Schlafanzug an, putze die Zähne und kuschele mich wenig später unter die warme Bettdecke. Ich werfe einen prüfenden Blick auf mein Handy und stelle fest, dass mir Zane geschrieben hat. In den letzten Tagen habe ich kaum mit meinem besten Freund geschrieben, was sich schleunigst ändern muss. Ich tippe auf seinen Kontakt und rufe ihn an. Es tutet ein paar Mal, ehe er abnimmt.

„Ohh", lacht er gespielt spöttisch, „Prinzessin Ally gibt sich auch mal die Ehre, ihren Hofdiener Zane anzurufen." Ich schmunzele amüsiert und schüttele den Kopf. Für genau solche albernen Kommentare liebe ich Zane.

Elaynas POV

Pünktlich um halb elf stehe ich mit meiner Schafsmaske in der Hand vor dem Sportplatz und halte nach Romy, Sarina, Elin und Alica Ausschau. Ich bin immer noch ziemlich ausgelaugt und erschöpft vom Vortag, aber ich möchte die anderen Mädels ungerne hängen lassen.

Als hätten sie meine Gedanken gehört, kommen Romy, Sarina und Elin auf mich zu geschlendert. Sie unterhalten sich angeregt und stoppen ihr Gespräch auch dann nicht, als ich ein müdes „Hi" von mir gebe. „Ich kann nicht fassen, dass ihr mich wirklich verfolgt habt!", schüttelt Romy fassungslos den Kopf und verschränkt die Arme vor der Brust, „Das ist echt das Allerletzte!" Um ehrlich zu sein, kann ich ihre Wut absolut nachvollziehen. Elin und Sarina hätten ihr gestern Abend nicht nachspionieren dürfen. „Beruhig dich mal wieder, Ken", versucht die Blondine gelangweilt die Situation zu retten, „Wir haben doch eh nichts Spannendes gesehen. Uns oder eher gesagt mir war von vornerein klar, dass du dich mit Casper triffst."

„Es geht um das Prinzip, Elin!", erhebt Romy zornig ihre Stimme, „Niemand hat euch das Recht gegeben, mir zu folgen. Ihr seid zwar meine Freundinnen, aber etwas mehr Privatsphäre wäre auch ganz schön!"

„Nachdem dich Casper küssen wollte, du aber abgeblockt hast, sind wir wieder gegangen."

„Super", lacht die Blauäugige sarkastisch auf, „Soll ich mich jetzt freuen oder was?"

„Ich verstehe nur nicht, warum du dich so aufregst?!"

„Weil ich es verdammt noch mal hasse, wenn mir Leute misstrauen und mir deshalb nachspionieren!"

„Eigentlich war unser Misstrauen sogar berechtigt. Immerhin bist du nicht in dein Bett gegangen."

„Aber dafür in Caspers Bett!" Romy atmet einmal tief durch und lässt ihre Augenlider zuschwingen. Sie rast förmlich vor Zorn. „Es tut uns leid", meldet sich Sarina zum ersten Mal zu Wort und legt ihre Hand auf Romys Schulter, „Das war eine blöde Idee."

„Oh ja", bestätigt diese verbittert, „Eine verdammt blöde Idee!" Ich räuspere mich lautstark und ziehe somit die Aufmerksamkeit der drei Mädels auf mich. Sie lächeln mich entschuldigend an und umarmen mich kurz zur Begrüßung. Romy bleibt neben mir stehen, wohingegen sich Elin und Sarina mit einem gewissen Sicherheitsabstand gegenüber von uns positionieren. Zickenkrieg ist gerade wirklich das Letzte, das wir brauchen.

„Ich bin zu spät, ich weiß", reißt mich eine japsende Alica aus den Gedanken, „Aber ich habe verschlafen." Ich mustere sie aus zusammengekniffenen Augen und schmunzele. Sie trägt eine kurze Sporthose, ein bauchfreies Top und Sneaker. Ihre blonden Haare stehen in alle Richtungen ab und lassen darauf schließen, dass sie keine Zeit mehr hatte, sich ebendiese zu kämmen. „Ähm", murmelt Sarina unwohl und zupft vorsichtig an Alicas Shirt, „Dein Top ist auf links gedreht."

Die Grünäugige seufzt erschöpft und schüttelt kurz den Kopf. „Es ist eindeutig zu früh", brummt sie leise und zieht sich das Shirt über den Kopf. Ich beobachte sie dabei, wie sie das Top wieder auf rechts dreht und es sich danach überstreift. „Dann wäre ja alles geklärt", klatsche ich motiviert in die Hände und setze meine Schafsmaske auf. Ohne auf die anderen zu warten betrete ich den Sportplatz und pralle direkt mit einer Person zusammen. Ich taumele benommen nach hinten und blinzele perplex.

Vor mir steht niemand Geringeres als der Bundestrainer. Er mustert mich eindringlich und legt seine Stirn in Falten. Wahrscheinlich überlegt er gerade, wann er diese Maske schon einmal gesehen hat. „'Tschuldigung", nuschele ich undeutlich und flüchte zu den Mädchentoiletten. Hätte mich der grauhaarige Mann festgehalten oder so, wäre das mein persönliches Todesurteil gewesen.

Ich nehme mir mit rasendem Herzen die Maske ab und spritze mir kaltes Wasser ins Gesicht. In den letzten Tagen ging es bereits steil abwärts, so langsam muss es doch mal wieder bergauf gehen. „Elayna." Ich zucke erschrocken zusammen und fange Sarinas besorgten Blick im Spiegel auf. Die Braunhaarige kommt langsam auf mich zu und schenkt mir ein halbherziges Lächeln. „Alles okay?", möchte sie wissen, sodass ich stumm nicke. Ich straffe meine Schultern, recke das Kinn in die Höhe und greife nach Sarinas Handgelenk. Ich ziehe sie mit mir aus der Toilette und vergewissere mich mehrmals, ob die Luft rein ist. Als ich kein mir bekanntes Gesicht erkenne, ducke ich mich und eile zu den Büschen auf die andere Seite.

Romy und Elin zicken sich gegenseitig an, während Alica hilflos versucht, irgendwie einzuschreiten. „Nur weil ich mit Zander geschlafen habe, bin ich deiner Meinung nach eine Schlampe?" Romys Nicken ist Antwort genug. Schneller als ich gucken kann, überbrückt Elin den kleinen Abstand zwischen den beiden und verpasst ihr eine schallende Ohrfeige. Romys Kopf fliegt sogleich zur Seite und verharrt dort für ein paar Sekunden. Ich schlage mir geschockt die Hand vor den Mund und bin unfähig zu handeln.

„Du bist nicht besser als ich, Romy", haucht Elin verbittert und bohrt ihren Zeigefinger in ihre Haut, „Ich habe doch gesehen, wie du mit Casper getanzt hast. Wie du dich an seinem Schritt gerieben hast."

„Im Gegensatz zu dir hatte ich aber keinen One- Night- Stand!"

„Tu doch nicht so unschuldig! Du bist genau so ein Luder wie ich! Hast du den anderen auch davon erzählt, dass du deinen heißgeliebten Cade bereits zweimal betrogen hast?!" Ich ziehe hörbar die Luft ein und starre Romy fassungslos an. Ich kann nicht glauben, was ich da gerade gehört habe. Sie soll Cade tatsächlich fremdgegangen sein? „Lass es einfach, Elin."

„Warum?", provoziert diese trocken weiter, „Schämst du dich etwa für deine Tat? Dein Verhalten ist echt erbärmlich!"

„Es reicht!", finde ich endlich meine Stimme wieder und stampfe wütend mit dem Fuß auf den Boden. Das Angezicke der beiden geht mir gewaltig auf die Nerven! „Wenn ihr wirklich so scharf darauf seid, euch gegenseitig fertig zu machen, dann geht einfach vom Sportplatz runter und klärt das wo anders!"

„Halt dich da raus!"

Ich schüttele enttäuscht mit dem Kopf und entferne mich von den Streithähnen. Wenn sie weiterhin so laut herumschreien, werden die Jungs schneller auf sie aufmerksam, als ihnen wahrscheinlich lieb ist. Aber mein Problem soll es dann nicht sein. Ich setze mir vorsichtshalber die Maske auf und trete erst dann hinter dem Gebüsch hervor. Wie bereits angenommen, schlendern die ersten Fußballer auf den Platz und bedenken mich mit skeptischen Blicken. Glücklicherweise scheinen sie sich nicht an mich und meine Maske zu erinnern.

„Habe ich irgendetwas verpasst oder ist heute in Spanien Karneval?" Ich wirbele panisch herum und fokussiere Zander. Er grinst mich breit an und hebt eine Braue. Ich verstehe wirklich nicht, warum Elin mit ihm geschlafen hat. Ich ignoriere die Frage des Schwarzhaarigen und verlasse stattdessen das Stadion. Elin und Romy haben sowieso nichts Besseres zu tun, als sich gegenseitig zu erniedrigen, weshalb mein Fehlen gar nicht erst auffallen sollte.

„Hey, warte!", nehme ich auf einmal Alicas Stimme hinter mir wahr und verharre in meiner Position. Wenig später steht die Blondine neben mir und stemmt die Hände in die Hüften. „Wenn wir schon mal hier sind, sollten wir unseren Plan auch in die Tat umsetzen", keucht sie außer Atem und wischt sich mit dem Handrücken über die glänzende Stirn, „Scheiß drauf, was die anderen machen."

„Okay", gebe ich seufzend nach und betrete wieder den Sportplatz, „Wie sieht unser Plan denn aus?" Alica schweigt kurz, ehe sie begeistert auf und abspringt. „Die Jungs wurden schon ziemlich lange nicht mehr nass."

„Das ist so langsam ziemlich ausgelutscht", äußere ich meine Bedenken und runzele die Stirn, „Wir können sie nicht jedes Mal nass machen."

„Dann laufen wir halt über den Platz", zuckt die Blondine teilnahmslos mit den Schultern und umgreift mein Handgelenk. Ich reiße mich augenblicklich von ihr los und gebe ein schrilles „Spinnst du?!" von mir. Wir können doch nicht einfach zu zweit über den Fußballplatz laufen. Die Jungs würden uns schneller in die Finger bekommen, als dass wir bis drei gezählt haben. „Du bist heute echt schwer zu beeindrucken", legt die Grünäugige frustriert ihren Kopf schief, „Aber was hältst du davon, wenn wir die Trinkflaschen klauen?" Diese Idee klingt zwar machbar, aber ich verstehe den Sinn dahinter nicht so ganz.

„Und dann? Was soll das bezwecken?", spreche ich meine Gedanken laut aus, „Willst du ihnen Abführmittel einflößen oder was?"

„Nein, nein", winkt Alica hastig ab und streicht sich eine verirrte Haarsträhne aus dem Gesicht, „Wir könnten die Flaschen irgendwo verstecken."

„Meinetwegen." Mit unserem Vorhaben werden wir niemandem schaden, aber leider auch selber keinen Gewinn daraus ziehen. Die Zeit läuft uns langsam aber sicher davon. Asher steht immer noch jeden Morgen mit dem Wunsch auf, Fußballprofi zu werden. Es muss doch irgendeinen Weg geben, um das zu verhindern. Natürlich möchte ich, dass der Braunäugige seine Träume lebt, aber ich möchte dennoch Teil seines Lebens sein.

Koste es, was es wolle.

Royce' POV

So langsam drehe ich hier wirklich durch. Erst erzählt mir Cade von seiner Ex- Freundin und dann auch noch Asher. Und zu allem Überfluss vertreten beide die Ansicht, dass die Mädchen irgendwo hier in der Nähe sein müssen. Wahrscheinlich irren sich die Jungs und sind vor lauter Liebeskummer ganz blind.

„Kann ich dir ein Foto von ihr zeigen?", reißt mich Asher in die Realität zurück und legt seine Stirn in Falten. Ich stoße einen frustrierten Seufzer aus, nicke dann aber. Die beiden Jungs sind eigentlich schwer in Ordnung. „Das ist sie." Ich betrachte das Foto für einige Sekunden und schweige. Diese braunen Augen und das rotbräunliche Haar kommen mir bekannt vor. Soll ich Asher die Wahrheit sagen oder nicht?

„Das ist Evie."

„Elayna", verbessert er mich verträumt und streichelt lächelnd über sein Handydisplay. Ich wünsche mir wirklich, dass ich irgendwann auch mal eine Person so sehr lieben kann, wie Asher seine Elayna liebt. „Das Mädchen war zwar gestern Morgen nicht mehr in unserem Zimmer, aber sie ist hier", murmele ich nachdenklich, „Deine Ex- Freundin ist wirklich hier in Spanien."

„Und sie hat in mein Bett gekotzt", fügt Cade verbittert zu und rümpft angeekelt die Nase. Es hat mehrere Stunden Stoßlüften und Deosprühen gebraucht, bis der widerliche Kotzgeruch aus unserem Zimmer verschwunden ist. „Ich verstehe wirklich nicht, was sie hier macht", kratzt sich Asher grübelnd am Kinn und hebt seine Sporttasche vom Boden auf. Wir verlassen gemeinsam das Hotel und machen uns auf den Weg zum Stadion. Im Gegensatz zu gestern sind wir ausgeschlafen und erholt.

„Scheint so, als würden uns unsere Mädchen vermissen", lächelt Cade schmallippig und seufzt. Er ist einer der Wenigen, der beim Training durchgängig abgelenkt und unkonzentriert ist. Wenn er sich nicht schleunigst zusammenreißt, wird ihn der Bundestrainer auf keinen Fall für die Nationalmannschaft auswählen. „Aber wie finden wir die beiden?"

„Ruft sie doch einfach an", schlage ich schulterzuckend vor und lege leicht den Kopf schief, „Oder klappert die nahegelegenen Hotels ab. Weit weg können sie ja nicht sein." Asher lässt sich meine Worte einige Minuten durch den Kopf gehen und auch Cade schweigt.

Ich verstehe nicht, warum sie sich das Leben selber so schwer machen?! Beide haben mir erzählt, dass sie sich von ihrer Freundin getrennt haben, um diese nicht zu verletzen, falls sie ständig mit der Nationalmannschaft unterwegs sein sollten, aber das stellt in meinen Augen kein Hindernis dar. Sie sollen sich endlich mal wie echte Männer benehmen und sich entschuldigen.

„Vielleicht hast du Recht", murmelt Cade nach einer Weile des Schweigens und öffnet die Tür der Umkleidekabine, „Wenn sich die Mädels nicht freiwillig zeigen, dann müssen wir sie halt dazu zwingen. Sprich: Wir fangen heute Nachmittag damit an, den Strand abzusuchen."

„Wen meinst du mit wir?", frage ich ihn unsicher und ziehe mir mein Sportshirt über. „Asher, dich und mich." Mitgefangen, mitgehangen würde ich mal sagen.

Romys POV

Ich fasse es nicht. Ich dachte wirklich, in Elin eine Freundin fürs Leben gefunden zu haben, aber ich habe mich in ihr getäuscht. Sie ist ein wahrhaftiges Biest, das nur auf ihren eigenen Vorteil bedacht ist. Aber wenn sie meint, dass sie scheiße zu mir sein muss, dann kann ich genauso scheiße zu ihr sein.

„Ach, da kommt ja der liebe Raiden auf den Fußballplatz", säusele ich spöttisch und zeige zum Eingang, „Ein Kuss vor dem Training würde ihm bestimmt nicht schaden." Ich funkele Elin hinterhältig an und erhebe mich. Ich möchte gerade einen Schritt nach vorne gehen, da werde ich am Handgelenk zurückgehalten. „Lass den Scheiß", faucht mich Sarina wütend an. Bis jetzt hat sie sich das Wortgefecht zwischen Elin und mir nur schweigend angeguckt.

„Warum? Raiden ist doch ein ganz schnuckeliges Kerlchen", lächele ich unschuldig und erwidere Elins stechenden Blick. Sie rast vor Wut, aber das ist mir egal. Ich habe ihr vertraut und sie hat ebendieses Vertrauen schamlos ausgenutzt. Ich reiße mich grob von Sarina los und straffe meine Schultern. „Raiden!", rufe ich den Blondhaarigen und winke überschwänglich. Der Angesprochene bleibt verwundert stehen und mustert mich von oben bis unten. Er leckt sich einmal über die Lippen und setzt dann ein freches Grinsen auf.

„Was kann ich für dich tun, Baby?" Ich würde mich am liebsten auf der Stelle übergeben, behalte aber mein verführerisches Lächeln bei. „Ich möchte etwas für dich tun", raune ich verschwörerisch und platziere meine Hand auf seiner muskulösen Brust. Der Braunäugige umklammert direkt meine Taille und zieht mich näher an sich heran. Was für ein Fuckboy... „Du hast so schöne, volle Lippen", komplimentiere ich ihm und stelle mich vorsichtig auf Zehenspitzen. Raiden befeuchtet erneut seine Lippen und wandert mit seinen Händen zu meinem Hintern. Normalerweise hätte ich ihm spätestens jetzt meine Faust in den Magen gerammt. Ich bemühe mich krampfhaft mein Lächeln aufrecht zu erhalten und hauche ihm einen sanften Kuss auf den rechten Mundwinkel.

Der Blondhaarige knurrt unruhig und kneift sanft in meinen Hintern. Ich unterdrücke mir ein leises Stöhnen und schiebe meine Hände unter sein Sportshirt. Ich zeichne wachsam seine Bauchmuskeln nach und platziere nebenbei einen harmlosen Kuss auf seinem linken Mundwinkel. „Du machst mich ganz heiß, Baby", knurrt Raiden ungeduldig und nähert sich meinem Gesicht. Bevor unsere Lippen jedoch aufeinandertreffen, werde ich brutal zur Seite geschubst.

Ich versuche mein Gleichgewicht zu halten, lande jedoch wenige Sekunden später keuchend auf dem Boden. Ich drehe meinen Kopf zur Seite und erkenne Elin. Sie hat sich ihre alberne Froschmaske aufgesetzt und ihre wasserstoffblonden Haare unter einer schwarzen Cap versteckt. Ihre Brust hebt und senkt sich in unregelmäßigen Abständen, was darauf schließen lässt, dass sie vor Wut tobt. Ich rappele mich stöhnend vom Boden auf und wische mir verächtlich über das blutige Knie.

„Na vielen Dank auch", murmele ich sauer und balle meine Hände zu Fäusten. Dafür wird Elin büßen. Kaum habe ich einen Gedanken an die Blondine verschwendet, sehe ich, wie sie ihrem Ex- Freund eine saftige Ohrfeige verpasst. Seine Augen weiten sich vor Schock. „Du mieses Arschloch!", keift Elin mit verstellter Stimme und tritt ihm mit voller Wucht gegen das Schienbein. Raiden verzieht keine Miene und starrt Elin lediglich ausdruckslos an.

„Danke", haucht er schließlich verbittert und schüttelt mit dem Kopf. „Wofür?" Ich starre die beiden perplex an und wage es nicht, ihr Blickduell zu unterbrechen. „Dass du mir die heiße Brünette vertrieben hast." Ich grinse siegessicher und trete einen Schritt auf den Blondhaarigen zu. „Ich bin noch hier", lächele ich behutsam und streiche mir eine Haarsträhne hinter das Ohr. „Wehe!", zischt Elin mahnend, doch ich ignoriere sie. Ich verschränke meine Hände in Raidens Nacken und ziehe ihn langsam zu mir runter. Seine braunen Augen glänzen vor Erregung und scheinen mich am liebsten ausziehen zu wollen.

Ich seufze ein letztes Mal und presse dann meine Lippen auf Raidens. Er erwidert den Kuss sofort und schiebt seine Zunge in meinen Mund. Im Gegensatz zu Casper küsst er verdammt schlecht. Das ist auch der Grund, weshalb ich mich direkt wieder von ihm löse.

„Sorry, aber du bist ein miserabler Küsser", murmele ich angeekelt und wische mir mit dem Handrücken über den Mund, „Keine Ahnung, wie du damit deine Ex- Freundin glücklich machen konntest." Raiden starrt mich bloß fassungslos an, ehe er enttäuscht den Kopf schüttelt und kommentarlos Richtung Fußballplatz verschwindet.

„Ich hasse dich Romy!" Ich wirbele herum und zucke desinteressiert mit den Schultern. Elin geht mir wortwörtlich am Arsch vorbei. „Ich hasse dich auch", erwidere ich schließlich trocken und spucke abschätzig vor ihre Füße. Die Blondine schnaubt verächtlich und schubst mich wütend nach hinten. „Leg dich lieber nicht mit mir an", knurre ich zornig und ziehe die Schweinchenmaske unter meinem Shirt hervor. Ich setze die Maske auf und binde meine Haare zu einem unordentlichen Knoten zusammen. Elin hat es nicht anders gewollt.

Ich stürze mich auf sie und reiße sie mit mir zu Boden. Sie gibt einen erstickten Laut von sich und beißt mir in den Arm. „Bist du bescheuert?!", keife ich sie lautstark an und drücke ihr Gesicht von mir. Ich fixiere sie wütend auf dem Boden und ziehe an ihren Haaren. Elin tritt wild um sich, kann sich allerdings nicht aus meinem Griff befreien. „Mädels!" Ich ignoriere Sarinas hysterisches Kreischen und verstärke meinen Handgriff. „Du bist diejenige, die erbärmlich ist", spucke ich Elin an und verfinstere meinen Blick.

„Du hast meinen Ex- Freund geküsst, du miese Schlampe! Ich hasse dich, ich hasse dich so sehr!"

„Schön für dich", zucke ich teilnahmslos mit den Schultern und werfe einen verstohlenen Blick zum Sportplatz. Die Fußballer haben sich in einem Kreis versammelt und hören scheinbar ihrem Trainer zu. An der linken Eckfahne, wo sie ihre Trinkflaschen gebunkert haben, hocken Elayna und Alica auf dem Boden.

Ich bin abgelenkt und realisiere deshalb erst zu spät, dass sich Elin von mir losgerissen hat. Sie rennt auf den Fußballplatz zu und wirft immer wieder flüchtige Blicke über ihre Schulter. „Lass sie, Romy", bittet mich Sarina verzweifelt und legt ihre Hand auf meinen Rücken. Ich schüttele sie ab und hechte Elin hinter her. Die Blondine ist nicht mal ansatzweise so sportlich wie ich, weshalb ich sie schnell eingeholt habe. „Ich bin wirklich gespannt, was Raiden dazu sagen wird, wenn er erfährt, dass du hier in Spanien bist und bereits mit Zander geschlafen hast", raune ich teuflisch und springe über den kleinen Zaun. Ich komme sanft auf dem Rasen auf und schenke Elin ein hinterhältiges Zwinkern. „Das wagst du nicht!"

„Und ob!" Die Braunhaarige klettert umständlich über den Zaun und hastet mir hinter her. Ich steuere zielstrebig die Fußballer an, die immer noch in einem Kreis versammelt sind. Ich könnte einfach Raidens Namen rufen, aber dann würde Cade sofort meine Stimme erkennen. „Bleib stehen, Ken!" Ich schüttele wild mit dem Kopf und schlage einen Haken nach links. Dabei rutsche ich weg und lande röchelnd auf dem Boden. Noch bevor ich wieder aufstehen kann, setzt sich Elin auf meine Hüfte und drückt mich nach unten. Ich kann den Hass in ihren dunklen Augen lodern sehen.

„Hey!" Wir zucken beide zusammen. „Was soll der Scheiß? Sofort runter von dem Platz!", wütet der Bundestrainer zornig und kommt mit großen Schritten auf uns zu. Die Fußballer folgen ihm neugierig.

„Geh endlich runter!", zische ich Elin verbissen zu und kratze über ihre Hände. Sie lässt ruckartig von mir ab und landet neben mir auf dem Boden. „Hey, seid ihr taub?!" Ich springe blitzschnell auf die Beine und haste vom Rasenplatz runter. Mein Herz hämmert unkontrolliert gegen meine Brust, während das Adrenalin wie Feuer unter meiner Haut brennt. Ich komme neben Sarina zum Stehen und drehe mich um.

Elin humpelt langsam vom Platz, ist jedoch nicht schnell genug. Raiden hält sie an der Hüfte fest und zieht sie gegen seine Brust. „Scheiße!", fluche ich und renne zurück. Auch wenn ich verdammt sauer auf Elin bin, kann ich nicht zulassen, dass sie von ihrem Ex- Freund erkannt wird. Kurz bevor ich den Zaun erreiche, sprintet Alica auf den Platz. Sie hat ihre Kuhmaske aufgesetzt und umklammert einen Stein. „Lass sie los!", brüllt sie mit verstellter Stimme und streckt Elin die Hand entgegen. Die Blondine ergreift diese und windet sich zappelnd unter Raidens Griff.

Zum Glück stehen die anderen Fußballer tatenlos daneben und kommen nicht auf den Gedanken, Alica ebenfalls festzuhalten. „Du sollst sie loslassen!", wiederholt die Grünäugige wütend ihre Worte und zieht an Elins Arm. Ihr Ex- Freund denkt jedoch erst gar nicht daran, seinen Griff zu lockern.

Ich springe über den Zaun und renne zu Alica. Diese schaut kurz auf ihren Stein, ehe sie damit auf Raidens Finger haut. „Ahh, fuck!", stößt dieser einen schrillen Schrei aus und lässt Elin los. Wir nutzen die Situation aus und flüchten mit der Blondine vom Platz. Obwohl die Angst in meinen Ohren rauscht, kann ich das laute Gemurmel der Fußballer hören. Am lautesten ist jedoch der Bundestrainer.

„Lasst euch hier nie wieder blicken!"

Sarinas POV

„Ihr seid doch komplett bescheuert!", schreie ich Romy und Elin wütend an und verschränke die Arme vor der Brust, „Das hätte verdammt noch mal echt schief gehen können!" Alica und Elayna stimmen mir mit einem stummen Nicken zu und bedenken die beiden Streithähne ebenfalls mit einem zornigen Blick. „Was habt ihr euch eigentlich dabei gedacht?"

Stille.

Ich rolle genervt mit den Augen und raufe mir die Haare. Entweder vertragen sie sich wieder oder unsere Fünfergruppe wird es nicht mehr länger geben. „Das wird mir echt zu albern mit euch", seufze ich frustriert, „Sprecht euch aus oder geht von jetzt an getrennte Wege. Ich bin jedenfalls weg." Ohne auf einen Kommentar der anderen zu warten mache ich auf dem Absatz kehrt und gehe zurück zum Sportstadion. Vielleicht treffe ich dort auf Dawson.

Ich schleiche mich unauffällig am Fußballplatz vorbei und suche mir einen geeigneten Platz auf der Tribüne im Leichtathletikstadion. Die Laufbahn ist relativ leer, lediglich zwei junge Mädchen joggen locker ihre Runden. Ich halte neugierig nach Dawson Ausschau und finde ihn schließlich bei den Hochsprungmatten vor. Er läuft bogenförmig auf die Matte zu, springt ab und reißt die Latte. Ich kann zwar nicht hören, was er sagt, aber er schlägt fluchend auf die Matte.

Der Braunhaarige ist ein ziemlich disziplinierter und ehrgeiziger Sportler. Er trainiert jeden Tag bis zum Anschlag, damit er sich seine Träume erfüllen kann. Und trotzdem nimmt er sich Zeit für mich. Ich wäre wirklich unfassbar dankbar, wenn Clay ebenso handeln könnte.

„Sarina!" Ich schrecke aus meinen Gedanken hoch und erwidere Dawsons übertriebenes Winken mit einem breiten Grinsen. Der Braunäugige setzt ebenfalls ein sanftes Lächeln auf, ehe er die Latte vom Boden aufhebt und diese wieder in die richtige Position bringt. Ich beobachte ihn dabei fasziniert und seufze sehnsüchtig. Warum kann mir Clay nicht das geben, was mir Dawson momentan gibt? Nähe, Zuneigung, Geborgenheit...

Ich schüttele den Kopf und mache mich stattdessen auf den Weg zur Hochsprungmatte. Dawson läuft erneut in einem Bogen auf die Matte zu, drückt sich ab und fliegt elegant über die Latte. Er federt den Sprung mit einer Rückwärtsrolle ab und klatscht zufrieden in die Hände. „Ich glaube, du bist mein persönlicher Glücksbringer", lächelt er mir schelmisch zu und umarmt mich kurz zur Begrüßung. „Ja ja", winke ich lachend ab, „Ich bringe höchstens Unglück, aber kein Glück."

„Ich werde dir das Gegenteil beweisen."

Ich ziehe meine Augenbrauen in die Höhe und verschränke skeptisch die Arme vor der Brust. Es ist unmöglich, zu beweisen, dass ich jemandem Glück bringe. „Wie willst du das denn anstellen?", hake ich neugierig nach und lege den Kopf leicht schief. Dawson ignoriert meine Frage und macht sich an den Hochsprungständern zu schaffen. Er schiebt die Latte immer höher und höher.

„Zwei Meter und einen Zentimeter?!", frage ich ihn schockiert und reiße die Augen auf. Kein normaler Mensch kann diese Höhe überspringen. „Meine Bestleistung liegt bei einem Meter und neunundneunzig Zentimetern. Aber jetzt, wo du bei mir bist, werde ich die zwei Meter locker überspringen können", erklärt Dawson zufrieden und zwinkert mir zu. Ich verharre stocksteif in meiner Position und wage es nicht, mich zu bewegen. Der Braunäugige ist zwar total sportlich, aber das wird er niemals schaffen. Ich frage mich, wer überhaupt so hoch springen kann?!

„Wo liegt denn der Weltrekord im Hochsprung?", finde ich schließlich meine Stimme wieder und schaue Dawson abwartend an. Er hat sich bereits neben seiner Wasserflasche positioniert und fokussiert konzentriert die Hochsprunganlage. „Bei zwei Metern und fünfundvierzig Zentimetern." Ich nicke überrascht und drehe meinen Kopf zu der Latte. Es gibt also tatsächlich Athleten, die beinahe über den größten Menschen der Welt springen können.

Mir bleibt nichts anderes übrig, als fassungslos mit dem Kopf zu schütteln. Ich selber bin relativ unsportlich und habe mich in der Schule darüber gefreut, wenn ich einen Meter überspringen konnte.

„Okay", reißt mich Dawsons leise Stimme in die Realität zurück, „Ich schaffe das." Er wirft mir einen letzten Blick zu, bevor er bogenförmig auf die Matte zu läuft. Ich halte reflexartig die Luft an und drücke beide Daumen. Der Sportler springt ab, wölbt seinen Rücken und landet sanft auf der Matte. Meine Augen schweifen zu der gelben Latte, die gefährlich wackelt. Zu meinem Erstaunen bleibt sie jedoch liegen.

„Oh mein Gott, Dawson!", kreische ich fasziniert und ziehe Benannten am Handgelenk von der Matte, „Du hast es wirklich geschafft!" Ich verwickele ihn in eine stürmische Umarmung und bette mein Gesicht in seiner verschwitzten Halsbeuge. Ich kann nicht glauben, dass er über zwei Meter gesprungen ist. „Natürlich habe ich es geschafft. Du warst ja auch mein Glücksbringer." Er löst sich langsam von mir und hält mich mit einer Armlänge Abstand fest. Seine Augen funkeln und bahnen sich ihren Weg zu meiner Seele. Er kann all meine Emotionen lesen und wahrscheinlich meinen schnellen Herzschlag hören.

„Vielleicht bringst du anderen Leuten Unglück, aber mir bringst du Glück", haucht er verträumt und streichelt zärtlich über meine erhitzte Wange. Ich wende peinlich berührt den Blick ab und räuspere mich. „Das war nur Zufall." Dawson wirft seinen Kopf in den Nacken und lacht herzhaft auf. „Das war kein Zufall, meine Liebe", erwidert er grinsend und fährt sich durch die verwuschelten Haare. Ich beiße mir auf die Zunge und verkneife mir somit einen frechen Kommentar. Egal wie gut meine Argumente auch wären, Dawson würde jede Diskussion gegen mich gewinnen.

„Was machst du überhaupt hier?", möchte er schließlich wissen, „Und wo hast du dein Anhängsel gelassen?" Sofort sinkt meine Laune wieder. Romy und Elin haben sich absolut bescheuert benommen und sich wie kleine Kinder aufgeführt. Dass sie uns alle dabei in Gefahr gebracht haben, scheint ihnen nicht bewusst gewesen zu sein. Um ehrlich zu sein, verstehe ich ihren Streit nicht einmal.

„Ich habe es nicht mehr bei den anderen ausgehalten", offenbare ich Dawson die Wahrheit und weiche seinem wissensdurstigen Blick aus, „Die benehmen sich gerade wie Kleinkinder." Der Braunhaarige öffnet seinen Mund, schließt ihn kurz darauf jedoch wieder. Stattdessen nickt er einfach nur. Ich bin ihm wirklich dankbar, dass er nicht weiter nachhakt und es bei meiner ungenauen Angabe belässt.

„Also ich hätte auch Lust, mich mal wieder wie ein Kleinkind zu benehmen", raunt er einige Minuten später verschwörerisch und wackelt spielerisch mit den Brauen, „Ich habe gehört, dass heute ein neuer Aquapark im Meer eröffnet. Wie sieht's aus, hast du Lust?" Ich muss gar nicht lange überlegen und nicke wild mit dem Kopf. Ich liebe so gut wie alles, das mit Wasser zu tun hat.

„Dann mal los", klatscht Dawson motiviert in die Hände und schultert seine Sporttasche. Ich lächele bloß zufrieden und folge ihm aus dem Stadion.

Erst als wir den Strand erreichen, fällt mir auf, dass ich gar keine Schwimmsachen mitgenommen habe. „Äh, Dawson", lenke ich seine Aufmerksamkeit auf mich, „Ich muss nochmal zurück zum Hotel und meinen Bikini holen." Der Sportler schüttelt den Kopf und drückt mir sein verschwitztes Sportshirt in die Hand. Ich schaue verwirrt zwischen ihm und dem Shirt hin und her und lege die Stirn in tiefe Furchen. „Zieh einfach mein T- Shirt an", zuckt er teilnahmslos mit den Schultern und grinst. Ich muss mich wohl verhört haben. „Ich soll was?!"

„Mein T- Shirt anziehen."

„Niemals!"

„Warum nicht? Es ist immerhin lang genug und reicht dir bestimmt bis über den Hintern."

Ich seufze ergeben und ziehe mir das weinrote Sommerkleid über den Kopf. Ich bemühe mich Dawson hastig das Shirt abzunehmen, doch er streckt es extra in die Höhe. „Gib schon her!", knurre ich wütend und halte mir schützend die Arme vor den Oberkörper. In meiner weißen Spitzenunterwäsche fühle ich mich gerade doch etwas nackt und unwohl. „Dawson!", jammere ich verzweifelt und starte einen kläglichen Versuch, ihm das Kleidungsstück abzunehmen, „Wenn du mir nicht sofort das Shirt gibst, gehe ich wieder!" Meine Worte scheinen Wunder zu bewirken, denn schon im nächsten Moment reicht er mir freiwillig das T- Shirt. Ich ziehe es rasch über und binde meine Haare zu einem hohen Pferdeschwanz zurück.

Ohne noch ein weiteres Wort mit Dawson zu wechseln, stolziere ich geradewegs auf das Meer zu und wackele dabei übertrieben mit der Hüfte. Es dauert keine zehn Sekunden, da erscheint der Braunhaarige auch schon neben mir. „Du siehst heiß aus", raunt er geheimnisvoll und beißt sich möglichst verführerisch auf die Unterlippe. Ich boxe ihm halbherzig gegen den Arm und verdrehe die Augen. Ich kann trotzdem nicht verhindern, dass sich meine Wangen rosarot färben.

„Idiot."

„Das hättest du nicht sagen sollen!" Seine muskulösen Arme legen sich unter meinen Rücken und meine Kniekehlen, sodass er mich im Brautstyle ins Meer trägt. Ich winde mich unter seinen Berührungen und versuche vergeblich meine unregelmäßige Atmung zu kontrollieren. Dawson hat eine ganz besondere Auswirkung auf mich, die ich noch nicht so ganz verstehe.

Kaum ist dieser Gedankengang vollendet, lässt mich der Benannte achtlos ins Wasser fallen. Ich tauche kurz unter, ehe ich luftschnappend an die Wasseroberfläche schwimme. Dawson steht lachend vor mir und streckt mir kindisch die Zunge entgegen. „Idiot", wiederhole ich mich und bespritze ihn mit Wasser. Er lacht unbekümmert weiter und tunkt mich erneut unter Wasser.

„Schön, dass wir das geklärt haben", schmunzelt er amüsiert, als ich ihn wütend anfunkele und mir nasse Haarsträhnen aus dem Gesicht streiche, „Du bist mein Glücksbringer und ich bin dein Lieblingsidiot."

Wie Recht er doch hat...

Elins POV

Wut...

Die einzige Emotion, die mich momentan leitet ist Wut. Ich bin wütend auf Romy. Wütend auf Raiden. Wütend auf mich...

Ich war mal wieder viel zu naiv und habe Romy vertraut. Die Braunhaarige hat mein Vertrauen schamlos ausgenutzt und sich stattdessen an meinem Ex- Freund vergriffen. Sie hat ihn einfach geküsst. Direkt vor meinen Augen. Und dann, dann hat sie ihn fallengelassen und zu allem Überfluss noch beschimpft.

„Sorry, aber du bist ein miserabler Küsser. Keine Ahnung, wie du damit deine Ex- Freundin glücklich machen konntest", hallen ihre Worte in meinem Kopf wider. Romy hat doch gar keinen blassen Schimmer, wie gut Raiden küssen kann. Obwohl mich ihre Aussage eigentlich nur provozieren sollte, verletzt sie mich auch gleichermaßen. Denn mit einem Punkt hat sie Recht: Raiden konnte mich nicht immer glücklich machen.

Ich seufze frustriert und lasse meinen sehnsüchtigen Blick zum Meer wandern. Überall tummeln sich Menschen, die sich in dem kalten Nass abkühlen. Zwischen den ganzen Leuten kann ich Sarina und Dawson ausfindig machen. Die beiden rennen über den neu eröffneten Aquapark und versuchen sich gegenseitig ins Wasser zu schubsen. Sie sehen so glücklich aus. Vielleicht ist es manchmal wirklich besser, die Vergangenheit ruhen zu lassen und einen Schritt in die Zukunft zu wagen. Ich weiß, dass ich Raiden verloren habe, kann ihn aber trotzdem nicht loslassen. Mein Herz kann und will einfach nicht begreifen, was mein Gehirn schon längst zur Kenntnis genommen hat: Raiden liebt mich nicht mehr.

„Hey, Blondie!" Ich zucke unweigerlich zusammen und drehe meinen Kopf zur Seite. Augenblicklich muss ich schwer schlucken. Royce, Asher und Cade kommen geradewegs auf mich zu und sehen alles andere als glücklich aus. Die Drei sind gerade die Letzten, mit denen ich eine Konversation führen möchte. Da wäre mir selbst Romys Anwesenheit lieber.

„Was wollt ihr?", frage ich die Jungs genervt und verschränke die Arme vor der Brust. Ich darf mir auf gar keinen Fall meine Nervosität anmerken lassen. „Wo ist Elayna?"

„Wer?", stelle ich mich dumm und runzele die Stirn. Ashers Blick verdunkelt sich. „Elayna", wiederholt er ihren Namen, während er vor mir in die Hocke geht, „Das Mädchen, das ihr gestern aus Royce' Zimmer verschwinden lassen habt."

„Denkst du wirklich, dass ich eine Zauberin bin? Ich kann keine Mädchen verschwinden lassen."

„Wir sind nicht blöd", mischt sich Cade verbissen ein, „Wir wissen genau, dass du etwas mit ihrem Verschwinden zu tun hast." Ich hebe unschuldig die Hände und schüttele mit dem Kopf. „Euer Zimmer war leer. Da war kein Mädchen."

„Hör auf, uns anzulügen!"

„Hör du auf, mich anzuschreien", zische ich gereizt und schubse Asher unsanft von mir. Er landet rücklings im Sand und knurrt aufgebracht. „Sag mir jetzt sofort, wo Elayna ist!"

„Ich kenne keine Elayna!", erhebe ich zornig meine Stimme, „Checkst du es nicht? Ich habe keine Ahnung, wovon du redest!" Der Braunäugige fährt sich deprimiert durch die Haare, ehe er sein Handy aus der Hosentasche zieht und mir ein Bild von Elayna zeigt. Ich bemühe mich um einen möglichst neutralen Gesichtsausdruck und zucke mit den Schultern. „Noch nie gesehen", gebe ich knapp von mir und betrachte desinteressiert meine Fingernägel. Eine Maniküre ist schon längst überfällig.

„Kennst du denn vielleicht dieses Mädchen?", lenkt nun Cade meine Aufmerksamkeit auf sich. Ich hebe den Kopf und begegne direkt Romys eisblauen Augen. Ich dachte, sie wäre meine Freundin, aber das ist sie nicht. Ich habe noch nie einen Menschen getroffen, der so verlogen und hinterhältig ist wie sie. „Sie muss hier irgendwo in der Nähe sein", fügt Cade gedämpft hinzu und mustert mich eindringlich. Sein intensiver Blick lässt mich verkrampfen. Ich bin wirklich verdammt wütend auf Romy, aber reicht diese Wut aus, um sie an ihren Ex- Freund zu verraten? Verdient hätte sie es auf jeden Fall!

„Ich bin froh, dieses komische Weib noch nie gesehen zu haben", spucke ich schließlich verächtlich, „Die sieht echt wie 'ne Schlampe aus. Hinterhältig, verlogen, falsch, rachsüchtig, arro-"

„Es reicht! Urteile nicht über sie, wenn du sie gar nicht kennst!"

„Sie sieht so aus, als hätte sie dich bereits zweimal betrogen!"

„Was?"

„Ich sagte, dass sie so aussieht, als-"

„Ich habe dich schon verstanden", raunt Cade wütend und ballt seine Hände zu Fäusten, „Aber woher weißt du das?"

„Ich bin einfach nur gut im Raten", grinse ich triumphierend und verschränke die Hände hinter dem Kopf. Ich kann die Verwirrung auf den Gesichtern der Jungs sehen und genieße meine Überlegenheit. „Du willst uns also weißmachen, dass du weder Elayna noch Romy kennst?", schlussfolgert Royce mit geweiteten Augen und fängt meinen Blick auf. Ich nicke langsam und präsentiere ihm mein schönstes Grinsen. „Meine Güte, ich sehe doch ganz genau, dass du lügst!"

Ich hebe meine Brauen und neige den Kopf nach rechts. Asher rauft sich verzweifelt die Haare und spannt seinen Unterkiefer an. Ich bin mir nicht sicher, ob ich mich täusche, aber sein Verhalten erweckt den Anschein, als würde er Elayna immer noch abgöttisch lieben. „Ich lüge nicht", erwidere ich schließlich mit fester Stimme und erhebe mich schwerfällig. Ich bin zum Strand gekommen, damit ich nachdenken kann und nicht, um sinnlose Gespräche mit testosterongesteuerten Jungs zu führen.

„Wo willst du hin?", hält mich Royce' fragende Stimme vom Gehen ab. Ich verharre kurz in meiner Position, ehe ich ihm einen flüchtigen Blick über die Schulter zuwerfe. „Irgendwo hin, wo ich meine Ruhe habe." Ich wende mich endgültig von den Fußballern ab und stapfe in mich gekehrt durch den warmen Sand.

Ich hätte Romy verraten können, habe es aber nicht getan. Sie ist bereits ganz unten angekommen, weshalb ich mich auf gar keinen Fall auf ihr niedriges Niveau hinablassen möchte. Früher oder später wird Karma sowieso zurückschlagen.

Ich bin so sehr in meine Gedanken vertieft, dass ich nicht rechtzeitig bemerke, dass sich mir jemand in den Weg stellt. Ich pralle gegen die fremde Person und taumele benommen einen Schritt nach hinten. „Pass mal besser auf!", keife ich direkt und hebe den Kopf. Vor mir steht niemand geringeres als der Teufel höchstpersönlich. In diesem Fall ist der Teufel jedoch weiblich.

„Was willst du?", fahre ich Romy wütend an und werfe ihr vernichtende Blicke zu. Sie kann ruhig spüren, wie sehr ich sie momentan verachte. „Nichts", entgegnet sie trocken, „Du bist schließlich in mich reingelaufen."

„Dann solltest du lieber aufpassen, dass du nicht gleich in die Arme von deinem Ex reinläufst." Ihre blauen Augen weiten sich schlagartig. „Was?!", krächzt sie heiser und schaut sich panisch um. Ihre derzeitige Angst lässt mich ein Gefühl der Befriedigung verspüren. Ich bin ihr haushoch überlegen und das weiß sie auch. „Du hast richtig gehört", lache ich gehässig, „Dein Ex- Freund läuft hier am Strand rum und sucht dich. Er scheut auch nicht davor zurück, andere Leute auszufragen."

„Hast du ihm gesagt, dass ich hier bin?!"

„Wer weiß", zucke ich frech mit den Schultern und setze ein unschuldiges Lächeln auf. Romy hat es verdient, zu leiden. Wie konnte ich mich nur so sehr in ihr täuschen? „Elin", haucht sie beinahe tonlos meinen Namen, „Was hast du ihm gesagt?" Ich seufze und rolle mit den Augen. „Nichts", gebe ich schließlich zu, „Ich habe ihm gesagt, dass ich dich nicht kenne." Erleichterung breitet sich auf ihrem Gesicht aus. „Danke."

Ohne noch einmal mit der Wimper zucken zu können, schlingt die Braunhaarige ihre Arme um meinen Hals und zieht mich somit in eine Umarmung. Normalerweise hätte ich diese freundliche Geste sofort erwidert, aber in Anbetracht auf die vergangenen Stunden ist das schier unmöglich. Die Wut und die Enttäuschung sind einfach noch zu groß.

„Lass das, Romy", schiebe ich sie emotionslos von mir, „Es ist besser, wenn wir getrennte Wege gehen." Mit diesen Worten lasse ich sie verdattert im Sand stehen und beeile mich zurück zum Hotel zu kommen. Der Tag ist sowieso gelaufen. Die anderen Mädels sind bestimmt sauer auf mich, obwohl sie Romy verachten sollten. Dieser ganze Streit hat doch bloß mit ihrer Pingelichkeit angefangen. Was ist so schlimm daran, dass Sarina und ich sie gestern Abend kurz verfolgt haben? Wir hatten keine bösen Absichten, aber das glaubt sie uns ja nicht.

Kurz bevor ich endlich das Hotel erreicht habe, begegne ich Alica und Elayna. Die Blondhaarige hat sich einen Fußball unter den Arm geklemmt, wohingegen die Brünette lachend in eine Trillerpfeife pustet. „Hey", lenke ich ihre Aufmerksamkeit auf mich, „Was habt ihr vor?" Sie halten in ihrer Bewegung inne und tauschen einen geheimnisvollen Blick miteinander aus. „Wir werden die Jungs vom Fußballspielen abhalten, was auch sonst?!", erklärt Elayna schulterzuckend und pustet erneut in ihre Pfeife.

Ich bin wirklich neugierig, was die beiden geplant haben, wage es aber nicht, nachzufragen. Es ist besser, vorerst Abstand zu den anderen zu halten.

Alicas POV

„Und du bist sicher, dass das klappt?", wendet sich Elayna misstrauisch an mich und zupft ihr schwarzes Sportshirt zurecht, „Immerhin setzt Asher momentan alles daran, mich ausfindig zu machen." Ich nicke nachdenklich und streiche beruhigend über ihren Arm. Asher wird sie nicht erkennen. „Bei diesem Plan kann absolut nichts schief gehen", lächele ich aufmunternd und deute auf den Spiegel vor uns, „Sieh uns nur mal an."

Elayna hebt den Blick und mustert eindringlich unsere Spiegelbilder. Wir tragen enganliegende Sportsachen, die unsere Figur betonen, und dunkle Sonnenbrillen. Zusätzlich haben wir uns Perücken in der Stadt gekauft und diese aufgesetzt. Elayna ist mit ihren feuerroten Haaren kaum wiederzuerkennen. Ich hingegen trage eine schwarze Kurzhaar- Perücke.

„Wir sehen total anders aus", stellt Elayna erleichtert fest und setzt sich eine Adidas Cap auf. Die Brünette sieht in ihrem Outfit verdammt sportlich aus und könnte damit die perfekte Spielerfrau abgeben. Nur schade, dass Asher das nicht zu sehen scheint.

„Dann kann es ja losgehen", klatsche ich vorfreudig in die Hände und klemme mir den Fußball unter den Arm. Wir verlassen gemeinsam die Mädchentoilette und stellen uns an den Zaun vom Trainingsplatz. Die Fußballer haben sich mal wieder in einem Kreis versammelt und lauschen konzentriert der Ansprache ihres Trainers. Jonah steht mit dem Rücken zu mir und ballt zwischenzeitlich seine rechte Hand zu einer Faust. Ich würde wirklich gerne wissen, worum es in dem Gespräch geht.

„Los geht's! Drei Runden warmlaufen!" Die Jungs setzen sich mürrisch in Bewegung und traben langsam um den Platz. Einige werfen uns schmachtende Blicke zu, aber der Großteil ignoriert uns. Jonah und Asher beachten uns ebenfalls nicht.

„Wie sollen wir unseren Plan überhaupt in die Tat umsetzen?", reißt mich Elaynas zweifelnde Stimme von den Fußballern los, „Wir können schließlich nicht einfach so auf den Platz laufen und ein Tor blockieren." Ich beiße mir krampfhaft auf die Unterlippe und überlege fieberhaft. Am besten wäre eine Art Bescheinigung. „Wir könnten den Platzwart um einen kleinen Gefallen bitten", schmunzele ich verschwörerisch und ziehe einen Fünfziger aus meiner Hosentasche. Elayna starrt mich einen kurzen Moment ungläubig an, ehe sie meine Hintergedanken versteht. „Kein Problem", grinst sie, „Ich regele das." Sie nimmt mir den Geldschein aus der Hand und marschiert Richtung Umkleiden.

Ich bleibe weiterhin am Fußballfeld stehen und beobachte die Jungs beim Dehnen. Der Trainer gibt einzelne Übungen vor, die seine Schützlinge nachahmen sollen. Ganz zu meinem Erstaunen sind die meisten Jungs relativ beweglich, weshalb die Bewältigung der Dehnübungen keine große Herausforderung darstellt. Ich erwische mich selber dabei, wie mein Blick immer wieder zu Jonah schweift. Er sieht in seinen Sportsachen verboten gut aus. Eigentlich sehen hier alle Jungs verboten gut aus.

Ich seufze und halte nach Elayna Ausschau. Hoffentlich kann sie den alten Platzwart um den Finger wickeln und ihn erneut mit Geld bestechen. Jetzt gerade bin ich wirklich froh, dass ich in meiner Heimatstadt einen Nebenjob in einer kleinen Eisdiele habe und es mir somit nicht an Geld fehlt. Ich lege jeden Monat etwas Geld zur Seite, um mir mein Studium finanzieren zu können. Als Jonah und ich noch ein Paar waren, haben wir uns für die selbe Universität eingeschrieben, aber wenn mein Ex- Freund tatsächlich für die Nationalmannschaft ausgewählt werden sollte, wird er sein Studium sicherlich schmeißen.

„Es hat alles geklappt!" Ich zucke erschrocken zusammen und werfe Elayna einen mahnenden Blick durch meine Sonnenbrille zu. „Schau mal", grinst sie vergnügt und deutet auf ein beschriebenes Blatt Papier in ihrer Hand, „Der Platzwart hat uns sogar schriftlich erlaubt eine Hälfte des Fußballfeldes zu nutzen." Sogleich erwidere ich ihr breites Grinsen und gebe einen erfreuten Laut von mir. Die Jungs können sich schon mal auf ein chaotisches Training freuen.

Vollgepumpt mit Schadenfreude klettern Elayna und ich über den niedrigen Zaun und steuern das Fußballtor an. „Auf der anderen Seite würde das Tor bestimmt schöner aussehen", zwinkere ich vielsagend und hebe den rechten Torpfosten hoch. Elayna macht sich an der anderen Seite zu schaffen, sodass wir wenig später das Tor zur Mittellinie tragen.

„Hey!", ertönt endlich die wütende Stimme des Bundestrainers. In gewisser Weise tut er mir sogar leid. Er plant jedes Training von vorne bis hinten durch, doch wir bringen jedes Mal Chaos in seine Strukturen rein. „Was macht ihr da?!" Der Grauhaarige kommt mit schnellen Schritten zu uns geeilt und verschränkt die Arme vor der Brust. „Könnt ihr mir mal verraten, was dieses Theater soll?", fragt er uns mit bemüht ruhiger Stimme und lässt seinen verkniffenen Blick zwischen Elayna und mir hin und her schweifen.

Die Brünette reicht ihm wortlos den Papierfetzen und setzt ein triumphierendes Grinsen auf. „Das darf doch wohl nicht wahr sein", knurrt der Trainer verärgert und stampft auf den Boden. Er zerreißt das Papier in der Luft und entfernt sich wieder von uns. Kurz bevor er bei seinen Schützlingen ankommt, dreht er sich noch einmal zu uns und ruft: „Bleibt gefälligst auf eurer Seite!" Wir nicken brav und passen uns den Ball unschuldig zu. Der Bundestrainer erklärt den Jungs gerade die erste Übungsform, weshalb wir noch nicht in ihr Training eingreifen können.

„Es geht los", raune ich nach einigen Minuten verschwörerisch und stoppe den Ball. Die Fußballer haben sich in mehrere Gruppen unterteilt und spielen sich den Ball nun im Viereck zu. „Tu, was du nicht lassen kannst, Ally", stachelt mich Elayna grinsend an und deutet auf unsere Ex- Freunde, die zufälligerweise in derselben Gruppe sind. Ich atme noch einmal tief durch und schieße den Ball dann auf die andere Spielfeldhälfte. Er kullert direkt vor Raidens Füße, welcher sich verwirrt umschaut. „Uppsi, sorry!", quietsche ich mit verstellter Stimme und winke überschwänglich, „Kommt nicht noch mal vor!"

Der Blondhaarige grinst amüsiert, ehe er mir die runde Kugel zurückschießt. Ich stoppe den Ball einigermaßen professionell ab. „It's your turn, Turner", hauche ich verschmitzt und werfe Elayna den Ball zu. Sie lässt ihn einmal auf den Boden ticken und schießt ihn dann mit voller Wucht gegen Ashers Rücken. Ob das geplant war oder nicht lässt sich schwer sagen. „Hihi, tut mir leid", kichert sie dümmlich und streicht sich eine rote Haarsträhne aus dem Gesicht. Ihr Ex- Freund nickt bloß genervt und kickt das Leder in unsere Richtung.

Ich kann nicht genau sagen, wie viele Bälle bereits zu den Fußballern rüber geflogen sind, aber irgendwann beendet der Bundestrainer sichtlich gereizt die erste Übungsform. Er wirft uns zwar giftige Blicke zu, lässt allerdings keine Taten sprechen.

„Ich kann nicht glauben, dass uns Jonah und Asher noch nicht erkannt haben." Ich wende meinen Blick von den verschwitzten Jungs ab und fokussiere stattdessen Elayna. Sie trägt ein zufriedenes Lächeln auf den Lippen und schüttet sich den halben Inhalt ihrer Wasserflasche über den Kopf. „Ich habe doch gesagt, dass bei diesem Plan nichts schieflaufen kann", zwinkere ich belustigt und nicke zu den Fußballern, „Es geht weiter."

Die Jungs stehen verteilt auf dem Platz und schauen abwartend zu ihrem Trainer. Sobald dieser in seine Trillerpfeife pustet, schießt ein schwarzhaariger Junge den Ball quer über den Platz. Cade nimmt den Ball mit der Brust an und schlägt eine Flanke zum Strafraum. Dort tummeln sich fünf weitere Jungs, die versuchen müssen, die Kugel irgendwie ins Tor zu befördern. Hört sich kompliziert an, sieht aber eigentlich relativ einfach aus.

„Jetzt kann endlich deine Pfeife zum Einsatz kommen", klatsche ich begeistert in die Hände und hänge mir das blaue Band um den Hals, „Wir passen uns den Ball einfach normal zu, nur dass ich bei jedem Ballkontakt pfeifen werde." Elayna runzelt die Stirn. „Und was soll das bringen?"

„Ganz einfach: Die Jungs starten beim Pfiff. Aber wenn die ganze Zeit gepfiffen wird, kommen sie durcheinander." Die Braunäugige nickt verstehend und spielt mir den Ball zu.

Ein Pfiff.

Zwei Pfiffe.

Drei Pfiffe.

Vier Pfiffe.

„Konzentriert euch, Jungs! Achtet auf mein Signal!"

Fünf Pfiffe.

Sechs Pfiffe.

Sieben Pfiffe.

„Verdammte Scheiße! Ignoriert die Weiber!"

Acht Pfiffe.

Neun Pfiffe.

Zehn Pfiffe.

Elf Pfiffe.

„Es reicht!" Ich wage einen kurzen Blick zu den Fußballern, nur um festzustellen, dass sie ihre Übungsform unterbrochen haben und stattdessen allesamt zu Elayna und mir schauen. „Was soll das?!" Ich zucke unweigerlich zusammen und senke den Blick. Der Bundestrainer schüchtert mich wahrlich ein. „Wir trainieren hier", übernimmt Elayna glücklicherweise das Wort und verschränkt patzig die Arme vor der Brust. Der grauhaarige Mann atmet hörbar aus und murmelt etwas Undeutliches vor sich hin.

„Wir haben eine Berechtigung dazu, diesen Platz zu nutzen", vertrete ich unseren Standpunkt und deute auf einzelne Papierfetzen, die immer noch im Gras liegen. „Ich mache euch einen Vorschlag, Mädels." Der Trainer schaut uns abwartend an und redet erst dann weiter, als wir unsere Augenbrauen in die Höhe ziehen: „Ich habe euch beobachtet und ihr habt einen guten Schuss. Wie wäre es mit einem kleinen Elfmeterturnier? Das Training ist dank euch sowie so gelaufen. Jedes Team hat zwanzig Schüsse. Der Gewinner darf den Fußballplatz für den Rest des Tages ungestört benutzen."

Obwohl sein Angebot mehr als nur unfair ist, stimme ich zu. „Einverstanden!"

Elaynas POV

Ich starre Alica ungläubig an. Das kann sie nicht ernst meinen! Die Fußballer sind zehnmal besser als wir und werden sich bloß über uns lustig machen. Außerdem steigt das Risiko, von Cade, Royce, Zander, Jonah und Asher erkannt zu werden.

„Hältst du das wirklich für eine gute Idee?", frage ich Alica missmutig und schlucke schwer. Unsere Arbeit ist eigentlich getan. Der Bundestrainer meinte selber, dass wir sein Training durcheinandergebracht haben, weshalb wir jetzt gut gelaunt den Sportplatz verlassen könnten. „Natürlich ist das keine gute Idee", erwidert die Grünäugige nervös, „Aber stell dir mal die doofen Gesichter der Jungs vor, falls wir gewinnen sollten."

„Ziemlich weit hergeholt. Wir werden niemals gewinnen." Sie zuckt teilnahmslos mit den Schultern und hebt ihre Wasserflasche vom Boden auf. „Lass uns einfach abhauen", schlage ich vor und trete einen Schritt zurück. Dieses Elfmeterturnier kann nicht gut ausgehen. Irgendjemand wird uns mit Sicherheit erkennen. „Diese Genugtuung kann ich dem Bundestrainer nicht geben."

„Und was, wenn sie uns erkennen? Was wenn wir vergessen, unsere Stimme zu verstellen?"

„Wir müssen einfach gut aufpassen." Alica umgreift selbstbewusst mein Handgelenk und zieht mich dann hinter sich her. Je näher wir den Fußballern kommen, desto schneller schlägt mein Herz. Asher hat mich aus der Entfernung nicht erkannt, aber vielleicht entdeckt er meine wahre Identität aus der Nähe. „Alles wird gut", haucht Alica gedämpft, als wir bei den Jungs ankommen und uns mit in den Kreis stellen. Ich stehe direkt neben Royce und gegenüber von Zander. Schlimmer kann es gar nicht mehr kommen.

„Sooo", klatscht der Bundestrainier euphorisch in die Hände und lenkt die Aufmerksamkeit auf sich, „Willkommen zum diesjährigen Elfmeterturnier." Die ersten Jungs tuscheln leise. „Die beiden Damen", er deutet grinsend auf uns, „fordern euch heraus. Jedes Team hat zwanzig Schüsse. Die Mädels schießen also zehnmal und ihr einmal."

„Ist das nicht ein bisschen unfair?", hakt ein blonder Junge mit Sommersprossen nach. Er erwidert meinen überraschten Blick und lächelt sanft. Er ist mir auf Anhieb sympathisch.

„Wir brauchen kein Mitleid. Wir schaffen das auch alleine", faucht Alica mit verstellter Stimme und verschränkt die Arme vor der Brust. Ich würde sie für diese Aussage am liebsten erwürgen. Natürlich schaffen wir das nicht alleine. Wie sollen zwei Mädchen, die nicht einmal alle Regeln vom Fußball kennen, gegen angehende Nationalspieler gewinnen? „Da hast du deine Antwort, Charlie", grinst der Bundestrainer selbstgefällig, „Gibt es sonst noch Fragen?"

„Was ist mit dem Torwart?", mische ich mich kleinlaut ein und senke den Blick. Es wäre nicht gerecht, wenn einer von den Jungs für beide Mannschaften im Tor stehen würde. Es liegt auf der Hand, dass er unsere Schüsse halten und die seiner Teamkollegen reinlassen würde. Der grauhaarige Mann seufzt. Anscheinend hat er sich das alles unkomplizierter vorgestellt. „Skyler, Corey?", wendet er sich an zwei großgewachsene Jungs, „Spielt jemand freiwillig mit den Mädels zusammen?"

Die beiden Fußballer bedenken uns mit einem nachdenklichen Blick und flüstern leise. Mit jeder weiteren, verstrichenen Sekunde fühle ich mich zunehmend unwohler. Die Angst, dass mich Asher jeden Moment erkennen könnte, ist eindeutig zu groß. „Ich helfe den Mädchen", seufzt schließlich der Größere der beiden und kommt langsam auf uns zu. Er hat braune, lockige Haare, dunkelgrüne Augen und ein markantes Kinn. Sein Körperbau verrät, dass er ziemlich sportlich ist.

„Danke, Corey", lächelt der Bundestrainer matt und klatscht zweimal in die Hände, „Teambesprechung. In fünf Minuten geht es los." Die Fußballer entfernen sich glücklicherweise von uns und setzen sich zehn Meter weiter auf den Boden. Sie schauen abwartend zu ihrem Trainer auf und nicken zwischenzeitlich.

„Hier spielt die Musik, Feuerkopf!" Ich zucke zusammen und wirbele zu dem Grünäugigen herum. Seine Lippen sind zu einem spöttischen Grinsen verzogen, wohingegen sein Blick etwas Geheimnisvolles ausstrahlt. „Habt ihr überhaupt schon einmal richtig Fußball gespielt?"

„Natürlich!", keift Alica direkt und zieht eine beleidigte Schnute, „Nur weil wir Mädchen sind, heißt das nicht, dass wir kein Fußball spielen können!" Ich stimme ihren Worten mit einem stummen Nicken zu. „Ganz ruhig, Blacki", hebt Corey abwehrend die Hände, „Dann wisst ihr sicherlich was der Winkel am Tor ist, oder?" Auch wenn ich nicht so viel Ahnung von Fußball habe, ist seine Frage fast schon respektlos. Er denkt wirklich, dass wir gar nichts können. „Sag uns einfach, wie wir die anderen Jungs fertigmachen können", seufze ich genervt und tippe abwartend gegen meine Wange.

„Erstmal solltet ihr eure Sonnenbrillen absetzen."

„Kannst du vergessen!"

„Ich glaube Hitzkopf passt besser als Feuerkopf", amüsiert sich der Fußballer über mich und klopft sich lachend auf die Oberschenkel. Ich muss mich wirklich beherrschen, um nicht meine Fassung zu verlieren. „Sagst du uns jetzt, wie wir gewinnen können oder nicht?", mischt sich Alica ungeduldig ein und verdreht wahrscheinlich die Augen hinter der Sonnenbrille. „Schon gut, schon gut", seufzt Corey ergeben, „Ihr müsst die Bälle im linken Winkel platzieren. Das ist Skylers Schwachstelle." Obwohl ich ganz genau weiß, dass ich einfach nur ziellos auf das Tor schießen werde, nicke ich.

„Und wehe du hältst die Bälle extra nicht", warne ich den Lockenkopf, „Wir werden dich finden und fertig machen."

„Alles klar, Hitzkopf", lacht er trocken und klopft mir freundschaftlich auf die Schulter, „Spar dir deine Energie lieber fürs Tore schießen." Mit diesen Worten dreht er sich von uns und marschiert zu seinen Teamkollegen zurück. Ich weiche all den stechenden Blicken aus und fokussiere stumm meine dreckigen Sportschuhe.

„Ladies first", schmunzelt der Bundestrainer und drückt Alica den Ball in die Hand. Sie geht selbstbewusst auf den Elfmeterpunkt zu und platziert den Ball auf dem weißen Kreis. Ich drücke die Daumen und verfolge ihre Bewegungen. Sie nimmt Anlauf, tritt gegen den Ball und beobachtet, wie die Kugel im Netz landet. „Yes! Das war die Eins!", atme ich erleichtert aus und verwickele Alica in eine stürmische Umarmung. Sie grinst zufrieden und nuschelt ein „Wir machen die fertig" in meine Halsbeuge.

„Mace, du bist dran!" Der Junge, der vor drei Tagen mit Jonah im Krankenhaus war, joggt auf den Elfmeterpunkt zu. Ehe ich noch einmal mit der Wimper zucken kann, hat Corey den Ball auch schon gefangen. Ich verkneife mir einen lauten Jubelschrei und schreite stattdessen zu dem weißen Punkt.

Ich platziere den Ball vor meinen Füßen und visiere den linken Winkel an. Vielleicht haben wir wirklich eine Chance zu gewinnen. Ich nehme Anlauf und schieße den Ball Richtung Tor. Er prallt gegen die Latte, auf den Boden und landet schließlich im Tor. „Oh mein Gott, oh mein Gott!", kreische ich mit verstellter Stimme und springe freudig auf und ab. Das war Tor Nummer zwei. Ich geselle mich grinsend zu Alica zurück und lege meinen Arm um ihre Schulter. „Schade, dass wir unsere Handys nicht mitgenommen haben. Ansonsten könnten wir die Niederlage der Jungs filmen."

Das Elfmeterturnier nimmt irgendwie seinen Lauf. Bälle fliegen am Tor vorbei, Bälle prallen gegen den Pfosten, Bälle landen im Netz. Es steht mittlerweile neun zu neun und jede Mannschaft hat noch vier Schüsse.

„Jetzt geht es um alles oder nichts", raune ich Alica leise zu und gebe ihr einen leichten Schubs zum Elfmeterpunkt. Sie konzentriert sich und schießt den Ball fast perfekt in den linken Winkel, aber Skyler ist schneller und faustet den Ball weg. Asher ist der Nächste. Er verwandelt den Elfmeter mit Leichtigkeit und lässt sich von seinen Teamkollegen feiern.

Neun zu zehn.

Ich versuche Ashers Schuss nachzuahmen, scheitere jedoch kläglich. Der Ball fliegt nicht in den rechten Winkel, sondern in die rechte, untere Ecke. Trotzdem kann Skyler den Ball nicht halten.

Zehn zu zehn.

Royce verschießt, Alica verschießt, Charlie verschießt, ich verschieße.

„Braylen, Junge, mach das Ding rein und wir haben gewonnen!" Ein schwarzhaariger Schönling stolziert zu dem Elfmeterpunkt und fixiert das Tor vor sich. Er fährt sich kurz durch das dichte Haar und befeuchtet seine Lippen. „Achtung!", schreie ich lauthals, „Hose rutscht!" Alle Köpfe drehen sich in meine Richtung. Kurz darauf ertönt schallendes Gelächter. „Süße", wendet sich Zander schmunzelnd an mich, „Wir sind Profis und keine kleinen Kinder. Du kannst uns damit nicht aus der Fassung bringen." Ich senke peinlich berührt den Kopf und versuche meine roten Wangen zu verstecken. Hätte ich doch besser nichts gesagt...

Braylen nimmt Anlauf und setzt zum Schuss an. Er trifft den Ball und verfolgt ebenso gespannt wie wir die Flugkurve. „Komm schon, Corey", wispere ich beinahe tonlos und drücke die Daumen. Wenn er den Ball hält, kommt es zu einem Stechen. Corey fliegt in die rechte Ecke und berührt das Leder mit den Fingerspitzen. Es fehlen nur ein paar Zentimeter, dann hätte er den Ball gehalten.

„Toooooor!" Ich balle meine Hand zu einer Faust und trete wütend auf den Boden.

Zehn zu elf.

Wir haben verloren.

Coreys POV

Ich kann es nicht fassen. Wir haben uns so gut geschlagen und jetzt haben wir tatsächlich noch verloren. Ich habe den Ball mit meinen Fingerspitzen berührt... Hätte ich nicht etwas schneller reagieren können?

Mein verbissener Blick wandert zu meinen Trainingskollegen. Sie feiern Braylen wie einen Helden und tanzen triumphierend. „So seh'n Sieger aus, Schalalalala!" Ich erhebe mich wütend vom Boden und trotte zu den beiden Mädchen rüber. Sie haben irgendetwas eigenartiges an sich. Ich weiß nicht, ob es an den Sonnenbrillen, den Perücken oder den verstellten Stimmen liegt.

„Sorry, Ladies", murmele ich betreten und zwinge mir ein gequältes Lächeln auf die Lippen. Ich war noch nie ein anständiger Verlierer. „Schon gut", winkt die Schwarzhaarige ab und boxt mir halbherzig gegen den Oberarm, „Gönn den anderen ruhig ihren Triumph. Für Mädchen haben wir uns nämlich ziemlich gut geschlagen."

„Das stimmt", bekräftige ich sie sofort und schmunzele, „Wie es scheint, habt ihr doch etwas drauf. Ich habe euch echt unterschätzt."

„Du wärst überrascht, was wir noch so alles im Petto haben." Das ist meine Gelegenheit die beiden auf ihre Verkleidung anzusprechen. „Mehr Sonnenbrillen und mehr Perücken?", frage ich unschuldig. Ich kann sehen, wie den Mädchen die Gesichtszüge entgleisen und sie sich panisch umschauen. Ihre Reaktion unterstreicht meine Vermutung, dass sie etwas zu verbergen haben. „Äh, also, ähm, es...", stottert die Rothaarige unbeholfen und nestelt nervös an ihrem Sportshirt herum, „Ähh."

„Eben konntest du noch fehlerfrei sprechen. Was ist in der Zwischenzeit passiert?", ärgere ich sie grinsend und verschränke die Arme vor der Brust. Es ist wirklich lustig mitanzusehen, wie die Mädchen immer mehr in Panik geraten, allerdings krampfhaft versuchen, sich nichts anmerken zu lassen. „Wir haben eine Wette verloren und mussten deshalb in diesem Aufzug auf den Fußballplatz."

„Aha", zucke ich teilnahmslos mit den Schultern, „Klingt zwar interessant, aber nicht glaubwürdig. Ihr-"

„Coreeeey!", fällt mir Jonah mitten ins Wort. Der Schwarzhaarige klopft mir anerkennend auf die Schulter und grinst vielsagend. „Die Herzen der beiden Damen hast du sicherlich im Sturme erobert." Ich schüttele belustigt den Kopf und stelle dabei fest, dass die Mädchen langsam einen Schritt zurücktreten. Sie scheinen tatsächlich immer mehr Panik zu bekommen. „Hey, ist alles gut bei euch?", wende ich mich besorgt an die beiden und strecke meine Hand nach ihnen aus.

Meine Geste lässt die Mädels zusammenzucken und vom Fußballplatz sprinten. „Blacki, Hitzkopf!", schreie ich ihnen nach, jedoch ohne Erfolg. Die Mädchen klettern über den niedrigen Zaun und rennen zum Ausgang.

Verstehen muss man das hoffentlich nicht...

Romys POV

„Wow", raune ich verträumt und lege meinen Kopf auf Caspers Schulter ab, „Das ist wunderschön." Ich starre gedankenversunken auf das schillernde Meer und beobachte den Sonnenaufgang. Es scheint, als würde sich die leuchtende Scheibe ihren Weg hinter der Wasseroberfläche bis hin zum Horizont suchen.

„Ich wusste, dass es dir gefallen würde", haucht der Blondhaarige neben mir leise und zieht mich näher an sich heran. Ich kann sein herbes Parfüm riechen und bilde mir ein, seinen gleichmäßigen Herzschlag zu spüren. Ich mag Casper, daran gibt es keine Zweifel, aber ich mag ihn nicht auf dieselbe Art und Weise, wie ich Cade mag. Das war mir eigentlich von Anfang an klar, aber als mich der Grünäugige vor zwei Tagen erneut küssen wollte, wurde mir erst so richtig bewusst, dass niemand meinen Ex- Freund ersetzen kann.

„Du wirkst so nachdenklich", reißt mich der Sportler vorsichtig aus meinen Gedanken und legt zwei Finger unter mein Kinn, „So kenne ich dich gar nicht." Ich schmunzele und schüttele nebenbei den Kopf. „Wir kennen uns auch erst seit vier Tagen", kichere ich mädchenhaft und erwidere seinen intensiven Blick. Casper hat wirklich wunderschöne Augen. Es ist kein langweiliges Grün, sondern ein saftiges Moosgrün vermischt mit hellen Sprinklern. „Na und?", zuckt er unbeschwert mit den Schultern, „So wie du mich gerade ansiehst, habe ich das Gefühl dich schon ewig zu kennen."

„Wie schaue ich dich denn gerade an?", hake ich neugierig nach und lege den Kopf leicht schief. Dieses Gespräch ist irgendwie anders. Sonst haben Casper und ich immer herumgealbert, doch jetzt gerade werden wir von unseren Emotionen geleitet. „Du siehst mich so an, als würdest du Cade in mir sehen. Deine blauen Augen funkeln und sprühen vor Lebensfreude. Und obwohl du es zu verstecken versuchst, flimmert ein Funken Sehnsucht in ihnen."

Ich öffne meinen Mund, nur um ihn gleich darauf wieder zu schließen. Ich weiß beim besten Willen nicht, was ich auf seine Worte erwidern soll. Das ist auch der Grund, weshalb ich meinen Blick von ihm abwende und stattdessen die orangene Sonnenscheibe beobachte. Als kleines Mädchen war ich im Sommer oft mit meinen Großeltern campen. Mein Opa hat mich dann immer früh am Morgen geweckt und ist mit mir auf den See rausgefahren. Von dort aus haben wir beinahe täglich den Sonnenaufgang beobachtet.

„Denkst du, dass ich ein schlechter Mensch bin?" Ohne es kontrollieren zu können, gleiten die Worte wie kochendes Gift über meine Lippen. „Nein, natürlich nicht", beeilt sich Casper schnell zu sagen, „Warum sollte ich das denken?" Ich sehe aus dem Augenwinkel, dass er die Stirn runzelt und mich mit einem fragenden Blick bedenkt. Ich seufze. „Du glaubst gar nicht, wie oft ich schon mit einem Filmriss aufgewacht bin."

„Da bist du bestimmt nicht die Einzige. Wahrscheinlich kannst du einfach noch nicht richtig einschätzen, wann es genug ist." Ich nicke, obwohl ich weiß, dass das gelogen ist. Ich kenne meine Grenzen, überschreite sie aber meistens extra. „Ich habe mal Drogen genommen", murmele ich kleinlaut und knete nervös meine Finger, „Zwar nur einmal, aber ich habe es getan."

„Viele Teenager probieren so etwas mal aus. Das macht dich nicht automatisch zu einem schlechten Menschen."

„Aber, dass ich mal Probleme mit der Polizei hatte schon", erwidere ich verbissen und beiße mir krampfhaft auf die Unterlippe. Casper erscheint mir gerade als ein ziemlich guter Zuhörer, weshalb ich ihm von meiner nicht ganz so rosigen Vergangenheit erzählen möchte. „Warum hattest du mal Probleme mit der Polizei? Bist du ohne Licht gefahren oder was?" Ich ignoriere sein gekünsteltes Lachen und fahre mir durch die langen Haare. Ich wünschte, es wäre so etwas Banales gewesen. „Nein", gebe ich trocken von mir, „Schlimmer. Viel schlimmer."

Anstatt mich von sich wegzustoßen, zieht mich Casper noch näher an sich heran. Er streicht beruhigend über meinen Rücken und malt winzige Muster auf meine Haut. „Ich hatte falsche Freunde, aber das rechtfertigt unsere Taten trotzdem nicht", beginne ich zögerlich, „Wir haben geklaut, Wände besprüht und teilweise auch randaliert." Der Blondhaarige schluckt hörbar. „Ich wollte aufhören, das wollte ich wirklich, aber die anderen konnten das nicht zulassen. Eins führte zum anderen und ehe ich mich versah, stand die Polizei bei mir zu Hause auf der Fußmatte."

„Wie alt warst du da?"

„Fünfzehn. Es ist erst drei Jahre her." Ich bin absolut nicht stolz auf das, was ich getan habe, aber leider lässt sich die Vergangenheit nicht rückgängig machen. Wenn ich könnte, hätte ich alles anders gemacht. „Drei Jahre sind eine lange Zeit, Romy", wispert Casper sanft und wischt mir eine Träne der Schwäche von der Wange, „Menschen ändern sich. Du hast dich geändert."

Habe ich das tatsächlich getan?

Ich habe Elins Ex- Freund geküsst, nur um sie zu provozieren. Als Freundin macht man so etwas nicht, aber in dem Moment sind alle Sicherungen bei mir durchgebrannt. Meine alten Freunde haben mir damals auch heimlich nachspioniert, um mir letztendlich die Polizei auf den Hals hetzen zu können. Vielleicht sollte ich mich bei Elin entschuldigen.

„Hey." Casper dreht mein Gesicht in seine Richtung und zwingt mich somit ihn anzusehen. „Du hast dich wirklich geändert, Romy. Ich bewundere dich. Du bist stark, clever, wunderschön, selbstbewusst, talentiert, sportl-"

„Hör auf", unterbreche ich ihn lächelnd und boxe ihm halbherzig gegen den Oberarm, „Du musst dich nicht einschleimen. Ich mag dich auch irgendwie." Seine Lippen verziehen sich zu einem breiten Grinsen. „Jeder mag mich."

„Ja ja und Einbildung ist auch eine Bildung."

„Ganz genau."

Für einen kurzen Moment herrscht wieder betretenes Schweigen, in dem jeder seinen eigenen Gedanken nachhängt. Ich bin Casper unglaublich dankbar, dass er mich nicht verurteilt. Wir kennen uns eigentlich so gut wie gar nicht, aber vielleicht ist es auch genau das, was unsere Freundschaft prägt. „Danke", wispere ich schließlich beinahe tonlos und hauche dem Grünäugigen einen federleichten Kuss auf die Wange. Er lächelt zufrieden und nickt stumm.

„So gefühlvoll kenne ich dich auch noch nicht. Du steckst voller Überraschungen."

„Es wäre ja auch langweilig, wenn du mich wie ein offenes Buch lesen könntest." Mit diesen Worten löse ich mich aus seinen Armen und streife mir das dünne Langarmshirt über den Kopf. Ich schlüpfe aus meinen Sandaletten und ziehe mir letztendlich noch die Jogginghose aus. „Was zur Hölle machst du da?", fragt mich Casper entgeistert, während er mich mit aufgerissenen Augen anstarrt, „Soll das hier etwa eine Stripp- Show werden oder was?" Ich werfe den Kopf in den Nacken und lache herzhaft.

„Ich würde niemals strippen, Kasperleinchen, und erst recht nicht für dich", mache ich meinen Standpunkt klar und binde mir die Haare zu einem hohen Pferdeschwanz zurück, „Aber ich würde hier und jetzt mit dir schwimmen gehen." Ich deute auffordernd Richtung Meer und zwinkere verschwörerisch. Ein Punkt auf meiner eigentlich nicht vorhandenen To- Do- Liste ist es, nur in Unterwäsche im Meer zu schwimmen.

„Du bist doch verrückt", murmelt der Sportler leise und entledigt sich langsam seiner Kleidung. „Nicht verrückt", korrigiere ich ihn belustigt, „Nur für eine Überraschung gut." Ich verflechte meine Finger mit seinen und renne los. Meine Füße versinken im kühlen Sand, bis sie von glänzenden Wellen umspielt werden. „Huch", stoße ich einen überraschten Ton aus, „Ganz schön kalt." Casper steht zitternd neben mir und nickt mit großen Augen. Seine gebräunte Haut ist bereits mit einer feinen Gänsehaut überzogen.

„Komm schon", ziehe ich ihn weiter ins Wasser, „Wie oft wirst du noch die Chance haben, während dem Sonnenaufgang im Meer zu schwimmen?"

„Um ehrlich zu sein noch die nächsten drei Wochen." Ich lege meine Stirn in tiefe Furchen und mustere ihn neugierig von der Seite. Was macht er denn noch so lange in Spanien? Casper scheint meinen fragenden Blick zu bemerken, sodass er mich lächelnd aufklärt: „Dawson und ich sind hier für einen Monat im Trainingslager. Wir machen beide Zehnkampf, wobei ich eindeutig der Schlechtere bin."

„Ich sehe euch aber fast nie zusammen."

„Wir sind Jungs. Wir hängen nicht so wie ihr Mädchen den ganzen Tag aufeinander. Wenn wir uns kurz abends treffen, reicht das völlig aus." Ich nicke verstehend, ehe ich Casper mit Wasser nass spritze. Er quietsch unmännlich und möchte zum Strand zurückrennen, stolpert jedoch und landet mit einem lauten Platsch im Wasser. „Oh Gott", lache ich herzhaft auf und halte mir den Bauch, „Das war absolut filmreif. Du solltest echt Schauspieler werden." Der Sportler gibt ein undefinierbares Brummen von sich und streicht sich nasse Haarsträhnen aus dem Gesicht.

„Ich hasse Wasser", bibbert er genervt und schlingt fröstelnd die Arme um seinen Oberkörper. „Soll ich dich aufwärmen?"

„Jaaa, bitte!" Ich gehe langsam auf ihn zu, nur um direkt vor ihm stehen zu bleiben und ihn erneut mit Wasser nass zu spritzen. „Ich muss mich korrigieren!", kreischt er schrill und tunkt mich unter Wasser, „Ich möchte nie wieder von dir aufgewärmt werden!"

Sarinas POV

„Ok, wow, stopp", verhaspele ich mich überrascht, als Romy und Elin gemeinsam den Speisesaal betreten. Die beiden setzen sich gut gelaunt zu uns an den Tisch und stibitzen sich Gurken von meinem Teller.

„Wurdet ihr vom Blitz getroffen?"

„Habt ihr euch einer Hypnose unterzogen?"

„Schlafwandelt ihr noch?"

„Habt ihr über Nacht Amnesie bekommen?"

Alica, Elayna und ich starren uns ratlos an. Gestern haben sich Romy und Elin noch abgrundtief gehasst und jetzt sitzen sie auf einmal friedlich nebeneinander ohne sich gegenseitig die Augen auszukratzen? Da ist doch irgendetwas faul.

„Chillt mal, Leute", beendet die Blondine unsere Ungewissheit, „Barbie und Ken sind wieder vereint."

„Wie jetzt?", gebe ich unintelligent von mir und beiße von meinem Nutellabrötchen ab. Träume ich etwa noch? „Wir haben uns mehr oder weniger ausgesprochen", zuckt nun Romy lächelnd mit den Schultern und schnappt sich eine Tomate von Alicas Teller. „Wie jetzt?", wiederhole ich meine Frage ungläubig und bemerke dabei erst viel zu spät, dass ein Teil meines Brötchens aus meinem Mund fällt. Ich überspiele die peinliche Situation mit einem breiten Lächeln und murmele ein leises „Passiert".

Romy grinst kopfschüttelnd und kneift mir sanft in die Wange. „Ja ja, unser kleines Baby", gluckst sie vergnügt, „Mami und Papi haben sich wieder vertragen. Sie haben eingesehen, dass beide Fehler gemacht haben und möchten es nun noch einmal miteinander versuchen." Ich verschlucke mich an meiner eigenen Spucke und huste lautstark. „Das war echt verstörend", äußert Elayna meine Gedanken und klopft mir wachsam auf den Rücken. „Absolut", unterstreiche ich ihre Worte und schiebe meinen Teller angeekelt von mir. Der Appetit ist mir eindeutig vergangen.

Stattdessen krallt sich Romy mein Gedeck und isst mein angebissenes Brötchen zu Ende. Ich kann immer noch nicht realisieren, dass sie und Elin Frieden geschlossen haben. Gestern ist beinahe der dritte Weltkrieg ausgebrochen... Es ist generell ziemlich ungewöhnlich, dass sich Mädchen nach einem Streit so schnell wieder vertragen.

„Mir ist übrigens eine Idee gekommen", lenkt Romy meine Aufmerksamkeit wieder auf sich, „Oder eher gesagt hat mich Casper auf die Idee gebracht." Ich spitze hellhörig die Ohren und mustere Romy neugierig. Anstatt ihre Erzählung weiter auszuführen, kaut sie genüsslich auf dem Brötchen herum und schluckt das Gebäck langsam hinunter. „Wir fragen Leslie und ein paar ihrer Freundinnen, ob sie auf den Fußballplatz gehen und dort strippen können."

„Dann können sich die Jungs nämlich garantiert nicht mehr aufs Training konzentrieren", fügt Elin verschwörerisch hinzu. Eigentlich hört sich der Plan nicht schlecht an, aber als wir das letzte Mal auf Leslies Hilfe vertraut haben, hätte Elin diese am liebsten mit ihren bloßen Händen erwürgt. „So lange die Mädels nicht nackt herumtanzen, finde ich die Idee gut", gibt Alica ihre Meinung von sich und tupft mit einer Serviette über ihren Mund.

„Perfekt", klatscht Romy in die Hände, „Dann sollten wir schleunigst Leslie suchen." Ohne noch einmal mit der Wimper zucken zu können, zieht sie mich am Handgelenk auf die Beine und letztendlich aus dem Speisesaal raus. Die anderen Mädels folgen uns lachend und haken sich zu meiner Linken bei mir ein. In diesem Moment bin ich wirklich froh, dass sich Romy und Elin so schnell wieder vertragen haben. Die Mädchen sind mir nämlich allesamt ins Herz gewachsen und werden dort auf ewig verweilen.

„Sollen wir uns aufteilen?", frage ich mit gerunzelter Stirn, als wir den Strand erreichen, und schaue mich suchend um. Wir können wohl kaum erneut so viel Glück haben und Leslie direkt zwischen den ganzen anderen Menschen erkennen. „Nicht nötig", belehrt mich Alica eines Besseren und zeigt verschwörerisch zum Meer. Tatsächlich sitzt die Brünette auf einem riesigen Flamingo und lässt sich von den Wellen treiben. Somit bietet sie den drei jugendlichen Jungs, die etwa fünf Meter weiter Wasserball spielen, einen perfekten Anblick.

Obwohl ich es nicht wahrhaben möchte, muss ich zugeben, dass Leslie wunderschön ist. Ihr Charakter zerstört jedoch alles.

„Ich hole sie", seufzt Romy leise und wattet Richtung Meer. Ich beobachte sie dabei, wie sie den Flamingo am Hals packt und langsam aus dem Wasser zieht. Dann folgt eine hitzige Diskussion mit Leslie, die alles andere als zufrieden aussieht.

„Meint ihr, dass sie es machen wird?", spricht Elayna heute schon zum zweiten Mal meine Gedanken laut aus und runzelt die Stirn. Alica und ich zucken bloß unwissend mit den Schultern, wohingegen Elin überzeugt nickt. „Sie ist 'ne Schlampe. Natürlich wird sie es machen."

Elin behält Recht.

Eine gute Dreiviertelstunde später stehen wir mit Leslie und ihren drei Freundinnen Nylah, Lillian und Camille vor dem riesigen Sportstadion. Die Fußballer haben bereits seit zehn Minuten Training, weshalb wir genau passend kommen. „Okay", grinst Leslie überheblich und zieht ihren knallroten Lippenstift nach, „Wir brauchen nur noch passende Musik, dann kann es losgehen." Da ich absolut keine Ahnung habe, zu welchen Liedern man am besten Strippen kann, überlasse ich die Musikauswahl den anderen.

Ich stelle mich stattdessen auf Zehenspitzen und versuche einen Blick auf den Fußballplatz zu erhaschen. Sehen kann ich nichts, dafür höre ich jedoch ihre lauten Stimmen. Normalerweise würde ich direkt auf Clays Stimme achten, aber irgendwie interessiert er mich heute gar nicht. Ich lerne nicht nur mit dem Schmerz umzugehen, den er in meiner Brust hinterlassen hat, sondern gleichermaßen ihn loszulassen und zu vergessen.

„Kommst du, Sarina?" Ich schrecke aus meinen Gedanken und blinzele perplex. Alica hält mir auffordernd ihre Hand entgegen, während sich die anderen Mädels bereits auf den Sportplatz schleichen. „Klar", murmele ich immer noch ein wenig benommen und folge der Blondine. Wir schleichen uns wie gewohnt an den Fußballern vorbei und hocken uns hinter die Büsche.

„Ich fasse es nicht, dass die das wirklich durchziehen", raune ich ungläubig und deute auf Leslie und ihre Freundinnen. Die Vier stellen gerade ihre Musikbox auf dem Boden ab und verbinden diese mit Lillians Handy. Keine zwei Sekunden später dröhnt ohrenzerreißende Musik aus den Boxen, die das ganze Sportstadion erfüllt. „Whoaa whoaa."

Die Fußballer halten zwar ihre Dehnposition ein, drehen ihre Köpfe allerdings zum Zaun. Nylah, ein dunkelhäutiges Mädchen mit einem schwarzen Afro, klettert in ihren roten High Heels auf die Musikbox und klatscht grinsend in die Hände. „Whoaa whoaa", singt sie mit und lässt ihre Hüften kreisen. „If you're alone and you need a friend, someone to make you forget your problems." Lillian und Camille positionieren sich neben der Box und bewegen sich anzüglich zur Musik. Sie räkeln ihre Körper und krallen sich an dem Zaun fest.

„Whoaa whoaa, Let's have some fun." Das ist der Part, wo sich die Mädels ihre T- Shirts über den Kopf ziehen und im Bikinioberteil weitertanzen. Zudem ist das auch der Part, in dem der Bundestrainer die Geduld verliert. Er stampft wutentbrannt auf die Mädels zu und redet wie wild auf sie ein.

Camille macht sich einen Spaß aus seinem Zorn und fährt andächtig über seine Brust. Sie knöpft langsam sein weißes Hemd auf und schmeißt es achtlos zu Boden. Während der Bundestrainer vor Scham und Wut hochrot anläuft, grölen die Fußballer begeistert.

Raiden und Zander joggen zu Leslie und lassen sich von ihr betatschen. Sie helfen ihr sogar dabei den hautengen Rock auszuziehen.

„Oh mein Gott", raunt Romy prustend neben mir und deutet auf Camille. Sie hat den Bundestrainer mit pinken Plüschhandschellen an dem Zaunpfahl angekettet und fährt nun mit ihren Händen über seinen entblößten Oberkörper. Wenn das keine Anzeige gibt, dann weiß ich es auch nicht...

„Whoaa whoaa, everybody get on down." Die Mädels gehen arschwackelnd in die Hocke und räkeln sich auf dem Boden. Ihre braungebrannten Körper werden nur noch von knappen Bikinis und roten High Heels geziert. „Boom boom boom boom, I want you in my room, let's spend the night together from now until forever", ertönen erneut die Stimmen der Vengaboys. Zu meiner Verwunderung singen auch die ersten Fußballer mit und streifen sich ihre Sportshirts über den Kopf. Die meisten ignorieren Leslie und ihre Freundinnen und tanzen unbekümmert auf dem Fußballplatz.

Nur Raiden und Zander amüsieren sich zusammen mit der grünäugigen Schönheit. Dabei kommt es erneut zu einem Kuss zwischen Elins Ex- Freund und der Brünetten.

„Es reicht!" Die wutverzerrte Stimme des Bundestrainers hallt durch die Luft und fegt eine eisige Gänsehaut über mein Rückgrat. „Verschwindet oder ich rufe die Polizei!" Ohne jegliche Umschweife sammeln Leslie, Nylah, Lillian und Camille ihre Sachen ein und hasten mit der riesigen Musikbox vom Sportplatz. Den Trainer lassen sie jedoch angekettet zurück.

„Ich kann nicht mehr", hält sich Elin lachend den Bauch, „Das war besser als Kino."

„Oh ja, das war es", kichert Romy zufrieden und wischt sich eine Lachträne aus dem Auge. Um ehrlich zu sein, fand ich das Szenario auch ziemlich amüsant, aber die lodernde Wut des grauhaarigen Mannes dimmt meine gute Laune. „Befreit mich endlich von diesen scheiß Handschellen!" Wir verfallen erneut in einen Lachanfall, ehe wir uns ungesehen aus dem Stadion schleichen.

Elins POV

Das Bild von dem angeketteten Bundestrainer wird wahrscheinlich für immer in meinem Gedächtnis eingebrannt sein. Wie hilflos und machtlos er am Boden saß... Einfach nur göttlich mitanzusehen.

Ich kann mir ein leises Lachen nicht verkneifen und werfe den Kopf in den Nacken. Heute ist ein fantastischer Tag. Die Sonne scheint, ich habe mich mit Romy ausgesprochen, alle sind gut gelaunt und zu allem Überfluss haben wir es geschafft, dass die Fußballer ihr Training abbrechen mussten. Nichts und niemand kann uns diesen Triumph nehmen.

„Elin!" Noch bevor ich reagieren kann, pralle ich gegen etwas Hartes. Ich blinzele perplex und reibe mir über die pochende Stirn. „Was zur Hölle...", raune ich benommen und fokussiere den großen Gegenstand vor mir. Ich bin doch tatsächlich gegen eine Straßenlaterne gelaufen. „Warum habt ihr mich nicht gewarnt?"

„Wir haben es versucht", hebt Alica verteidigend die Hände in die Höhe, wobei sie sich krampfhaft auf die Unterlippe beißt, um ein freches Grinsen zu vermeiden. Unter anderen Umständen wäre ich spätestens jetzt genervt, aber in Anbetracht auf die vergangenen Minuten bleibt mir nichts anderes übrig, als ihr Grinsen zu erwidern. Die pinken Plüschhandschellen waren der Oberhammer. Damit hätten weder ich noch der Bundestrainer gerechnet. Wie es scheint, kann ich noch ziemlich viel von Camille lernen.

„Nicht wieder in Gedanken abdriften, Barbie." Ich funkele Romy gespielt wütend an und werfe meine blonden Haare schwungvoll über meine Schulter. „So etwas würde ich niemals tun", erwidere ich keck und recke mein Kinn in die Höhe. Seit ich mit den anderen Mädels Zeit verbringe, habe ich ein bisschen von meiner Coolness verloren. Diese Tatsache schockt mich so sehr, dass ich abrupt stehenbleibe und an mir herabschaue. Ich trage meine schwarzen Vans, eine beige kurze Hose und ein schlichtes weißes T- Shirt. Seit wann laufe ich bloß so stillos in der Öffentlichkeit herum?

Ich schnaube frustriert und rücke die Sonnenbrille auf meiner Nasenspitze zurecht. „Leute", erhebe ich meine Stimme, „Ich habe ein Problem."

„Deine Stirn tut weh?", rät Elayna kichernd und zwinkert mir schelmisch zu. „Nein", verdrehe ich die Augen, „Ich sehe seit einigen Tagen wie der letzte Penner aus. Irgendwie habt ihr mich dazu gebracht, dass mir mein Aussehen egal ist. Aber das sollte es nicht sein. Deshalb schlage ich vor, dass wir auf direktem Wege in die Stadt gehen und neue Klamotten kaufen." Sarina, Alica und Elayna schauen mich entgeistert an, wohingegen Romy lachend losprustet. Sie krümmt sich mit Lachtränen in den Augen auf dem Boden und japst verzweifelt nach Luft.

„Was ist so witzig?", frage ich sie genervt und verschränke abwartend die Arme vor der Brust. Es ist in gewisser Weise ziemlich respektlos über meine Probleme zu lachen. „Du zeigst uns gerade mal wieder, warum der Name Barbie so gut zu dir passt", keucht die Brünette immer noch glucksend und rappelt sich langsam vom Boden auf, „Scheiß doch drauf, wie du aussiehst. Mein Gott, das Leben ist doch keine Modenschau!" Dass Romy davon keine Ahnung hat, war mir von vornerein schon bewusst. Sie zieht wahrscheinlich jeden Morgen wahllos irgendwelche Klamotten aus dem Kleiderschrank und gibt sich direkt mit ihrer Auswahl zufrieden. Aber so bin ich nicht und so werde ich auch niemals sein.

„Also, ich brauche neue Anziehsachen, eine Pediküre und eine Maniküre und ein Besuch beim Friseur könnte auch nicht schaden", fahre ich unbeirrt fort und stemme die Hände in die Hüften. Es macht tatsächlich den Anschein, als ob ich ein paar Kilo zugenommen hätte. „Findet ihr mich fett?" Alicas Antwort besteht aus einem heftigen Kopfschütteln, während sich Romy seufzend mit der Handfläche gegen die Stirn schlägt. „Wir können bei unserer Shoppingtour auch nach einem Fitnessstudio Ausschau halten", schlage ich begeistert vor und setze mich wieder in Bewegung. Ich bin voller Tatendrang und Energie.

„Elin!", lässt mich Sarina innehalten. Ich wirbele herum und ziehe meine gezupften Brauen in die Höhe. „Was?", frage ich sie gereizt und tippe ungeduldig mit dem Zeigefinger auf meinen Handrücken. Je länger wir hier sinnlos herumstehen, desto kürzer wird die Zeit fürs Shoppen. „Von uns kommt keiner mit in die Stadt."

„Wie bitte?!"

„Wir gehen zum Hotel der Fußballer und gucken, wie wir die Jungs nerven können." Ich blinzele zweimal erstaunt, ehe ich mich räuspere. Das kann nicht deren Ernst sein. „Ihr wollt also lieber zu euren behinderten Ex- Freunden, als neue Klamotten zu kaufen?" Die vier Mädels nicken synchron und schenken mir entschuldigende Blicke.

Das ist wieder so ein Moment, in dem ich mich frage, warum ich überhaupt mit den Mädels befreundet bin. Sie sind zwar cool drauf und verfolgen dasselbe Ziel wie ich, aber sie haben komplett andere Prioritäten. Meine beste Freundin Annie wäre entsetzt, wenn sie sehen könnte, wie sich die Vier manchmal kleiden. Stillos und geschmacklos.

„Warum ist dir dein äußeres Erscheinungsbild so verdammt wichtig, Barbie?" Romys harscher Unterton lässt mich zusammenzucken. „Du hast das ganze Make- Up gar nicht nötig. Fühlst du dich mit der Schminke im Gesicht hübscher und selbstbewusster oder was?" Ich schlucke. Die Blauäugige scheint gar nicht zu wissen, wie sehr sie mit ihren Worten ins Schwarze trifft. „Versteck dich nicht, Elin, dazu gibt es keinen Grund. Zeig uns das Gesicht, dass hinter der perfekten und vermeintlich makellosen Barbiepuppe steckt."

„Du willst mein wahres Gesicht sehen?", spucke ich spöttisch und balle meine Hände zu Fäusten, „Dann werde ich es dir zeigen! Aber sag nachher nicht, dass ich dich nicht gewarnt hätte." Für einen kurzen Moment ist es mucksmäuschenstill. Das Adrenalin rauscht in meinen Ohren und setzt mich unter Strom. Romy weiß ganz genau, wie sie mich mit Worten manipulieren kann.

Der gesamte Weg zu meinem Hotelzimmer ist in bedrücktes Schweigen gehüllt. Niemand wagt es, diese Ruhe zu durchforsten und hängt stattdessen seinen eigenen Gedanken nach.

„Jetzt sieh dich nur an, Elin", wispert Romy gedämpft, als ich vor dem riesigen Spiegel im Badezimmer stehe, „Normalerweise sollten Augen glänzen, aber deine Augen leuchten nicht einmal. Sie sind leer." Ich erwidere nichts und greife stumm nach dem ersten Abschminktuch. Ich wische mir das ganze Make- Up vom Gesicht und drehe mich unwohl zur Seite. Ich kann mein ungeschminktes Spiegelbild einfach nicht ertragen. Meine Haut ist nicht nur gerötet und fettig, sondern darüber hinaus verunstaltet. Eine riesige, feuerrote Narbe erstreckt sich über meine linke Gesichtshälfte.

„Hey", haucht plötzlich Alica leise und platziert ihre Hand auf meiner Schulter, „Es gibt keinen Grund, sich zu verstecken oder gar zu schämen. Du bist wirklich wunderschön, Elin." Ich weiß, dass sie das nur sagt, damit ich mich besser fühle. Ich habe es damals wirklich versucht. Ich bin ungeschminkt aus dem Haus gegangen und wollte trotzdem selbstbewusst auftreten. Es ging nicht, es war schier unmöglich. Die stechenden Blicke meiner Mitmenschen verfolgen mich selbst heute noch in meinen Träumen.

„Möchtest du uns erzählen, wie das passiert ist?", hakt nun Elayna unsicher nach und legt ihre Hand auf meiner anderen Schulter ab. Bis jetzt habe ich mit niemandem darüber gesprochen. Meine Freunde kennen mich nur geschminkt, niemand hat sich je die Mühe gemacht hinter meine Fassade zu schauen. Romy, Sarina, Alica und Elayna sind die Ersten. „Es ist bei einem Brand passiert", schlucke ich verkrampft, „Mehr möchte ich dazu nicht sagen."

Die Mädels nicken verständnisvoll und verwickeln mich in eine Gruppenumarmung. Ich hätte nicht erwartet, dass sie so locker damit umgehen würden. Ich dachte, sie würden mich anstarren und eventuell sogar auslachen. „Du solltest die Narbe nicht verstecken, Elin." Ich starre Romy aus großen Augen an. „Sie ist ein Teil von dir. Sie zeigt, wie stark du bist und dass du kämpfst. Denk bloß nicht, dass sie dich hässlich macht, denn das genaue Gegenteil trifft zu. Die Narbe macht dich noch viel schöner."

Ich beiße mir auf die Unterlippe, doch die Tränen kullern trotzdem wie glitzernde Glasperlen über meine Wangen. Es ist schon verdammt lange her, dass ich so schwach war. Ich sollte mich schämen, aber das tue ich irgendwie nicht. Stattdessen fühle ich mich akzeptiert und anerkannt. „Trockne deine Tränen und dann gehen wir zum Hotel der Jungs. Sie haben sich nämlich die falschen Ex- Freundinnen zum Feind gemacht."

„Ich muss mich erst schminken", widerspreche ich eilig und möchte nach dem Schminkpinsel greifen, doch Sarina hält mich lächelnd davon ab. „Du brauchst die Schminke nicht. Wenn dich irgendjemand dumm anguckt, bekommt er es mit uns zu tun. Versprochen." Ich nicke unsicher und werfe einen ängstlichen Blick in den Spiegel. Das, was ich sehe ist alles andere als schön, aber das bin nun einmal ich. Wahrscheinlich ist es wirklich an der Zeit, mich mit meinem wahren Gesicht abzufinden und auf die Meinung anderer zu scheißen. Das ist mein Leben!

„Okay", hauche ich nervös und verflechte meine Finger mit Romys und Elaynas Fingern, „Los geht's."

Alicas POV

Ich bewundere Elin wirklich für ihre Stärke. Man kann ihr ansehen, dass sie sich verdammt unwohl fühlt, aber dafür gibt es keinen Grund. Sie ist eine hübsche, junge Frau, die eigentlich vor Selbstbewusstsein strotzen sollte. Doch das tut sie nicht. Die Blondine hat ein geringes Selbstwertgefühl und stellt sich somit niedriger, als sie eigentlich ist. All die frechen Bemerkungen und ihr Stolz sind Teil ihrer Maske.

Ich schwelge mehrere Minuten in meinen Gedanken, bis mich jemand ruckartig am Arm nach unten zieht. Ich stoße ein überraschtes Keuchen aus und beäuge skeptisch meine Umgebung. Wir befinden uns an einer riesigen Poolanlage, die den Ausblick auf den Strand freigibt. „Okay, Mädels, Lagebesprechung", flüstert Romy verschwörerisch und lugt hinter dem dicken Palmenstamm hervor, „Cade und Asher sind im Pool und Clay liegt dort drüben auf einer Liege. Von Raiden und Jonah fehlt jegliche Spur." Ich verschaffe mir einen groben Überblick über die Situation und schmunzele.

Cade und Asher kämpfen gerade um eine Luftmatratze und tunken sich dabei gegenseitig die ganze Zeit unter Wasser. Wenn man die beiden so sieht, würde man niemals auf die Idee kommen, dass die Jungs Leistungssportler sind. Ihre Körper sprechen vielleicht dafür, ihr Verhalten jedoch dagegen.

„Alica", ich richte mein Augenmerk wieder auf Romy, „Du bist die Einzige, die Asher und Cade noch nicht kennen. Du bist wohl oder übel gezwungen, den Tag mit den beiden zu verbringen."

„Und was soll ich machen?"

„Keine Ahnung. Lass dir etwas einfallen." Ich seufze frustriert. Mir fällt auf Anhieb nichts ein, womit ich Asher und Cade den Tag versauen könnte. „Ich kümmere mich um Clay und lotse ihn irgendwie an den Strand. Sarina, Elayna, Elin: Ihr sucht Jonah und Raiden", befiehlt Romy und erhebt sich, bevor jemand Widerspruch einlegen kann. Schneller als ich gucken kann, verstreuen sich die Vier und lassen mich alleine hinter den Palmen zurück. Wirklich lustig...

Ich sitze noch mindestens zehn Minuten planlos auf dem Boden, ehe ich unsicher den Pool ansteuere. Mir kommt einfach kein geeigneter Streich in den Sinn, weshalb ich mich dazu entschlossen habe, die Jungs einfach ein wenig zu nerven.

„Hey, ihr zwei Muskelprotze!", lächele ich übertrieben falsch und wickele mir eine blonde Haarsträhne um den Zeigefinger, „Ich meine euch auf der Luftmatratze!" Cade und Asher wechseln einen verwirrten Blick miteinander aus und schwimmen langsam zum Beckenrand. Als sie direkt vor mir stehen, fange ich lauthals an, sie auszulachen. „Oh Gott", japse ich gekünstelt, „Ich wusste, dass dieser Tag hässlich wird, aber mit euch beiden habe ich echt nicht gerechnet."

Ich klopfe mir innerlich selber auf die Schulter und grinse provozierend. Endlich kommen mir Zanes nervige Sprüche auch mal zu Gute.

„Warum hast du uns dann gerufen?", lässt sich Cade nicht aus der Fassung bringen und fährt sich mit der Hand durch die nassen Haare. Ich runzele die Stirn, da ich nicht mit dieser Frage gerechnet hätte. Wie es scheint, ist Romys Ex- Freund absolut unberechenbar. „Ich wollte euch fragen, ob ihr Fußball spielt."

„Ja", antwortet dieses Mal Asher und mustert mich aus zusammengekniffenen Augen, „Warum möchtest du das wissen?"

„Ach", winke ich lächelnd ab, „Ich wollte eigentlich nur wissen, auf welcher Position ihr spielt? Vielleicht Pfosten?"

„Denkst du wirklich, dass uns deine albernen Sprüche etwas ausmachen?" Ich zucke desinteressiert mit den Schultern und lege eine Hand um mein Ohr. „Ich höre Stimmen. Und die mögen euch nicht!"

„Wow", klatscht Cade sarkastisch in die Hände, „Was du kannst, kann ich schon lange." Ich hebe auffordernd eine Augenbraue und schaue gelangweilt auf meine Fingernägel. Das habe ich mir eindeutig von Elin abgeguckt. „Ich höre nichts, Muskelprotz."

„Ich habe mir auch gerade überlegt, mich doch nicht auf dein Niveau hinabzulassen."

„Wie lustig du doch bist", lache ich hysterisch auf, „Gleich klatscht es hier, aber bestimmt keinen Beifall."

„Was möchtest du mit diesem Gespräch bezwecken?", fragt mich Asher forschend und bedenkt mich mit einem intensiven Blick. Er ist die Ruhe in Person und lässt sich nicht von mir provozieren. Jetzt verstehe ich auch, warum er so gut zu Elayna passt. Oder eher gesagt gepasst hat. „Oh, eigentlich nichts", stelle ich mich dumm, „Ich habe nur von deiner Freundin gehört." Der Braunäugige spannt sich direkt an und setzt eine emotionslose Miene auf. „Was hast du denn gehört?" Meine nächsten Worte tun mir sogar ein bisschen leid. „Ich hab gehört, dass du deine Freundin verloren hast", schlucke ich unwohl, „Bei der letzten Hexenverbrennung."

Kaum verklingt das letzte Wort, hievt sich Asher wütend aus dem Pool und baut sich in seiner ganzen Größe vor mir auf. Er ist einen guten Kopf größer als ich, weshalb ich zu ihm aufschauen muss. „Eigentlich lasse ich mich nicht mit so albernen Kindergartensprüchen provozieren, aber du hast absolut keine Ahnung, was du mit deinen Worten angerichtet hast. Es gibt Menschen, die Gefühle haben und die du mit solchen Sprüchen verletzen kannst." Der Braunhaarige schüttelt enttäuscht den Kopf und rempelt mich grob an.

„Junge!", rufe ich genervt aus und schaue den Fußballer arrogant an, „Schnall dir deine Schlampe unter'n Arm und verpiss dich!"

Ich ignoriere die schaulustigen Blicke der anderen Touristen und fokussiere lediglich Ashers brodelnde Augen. Sein Zorn ist nicht zu übersehen. Wüsste ich es nicht besser, würde ich der Annahme folgen, dass er mir gleich an die Gurgel springt. „Du stehst also wirklich auf diese bescheuerten Sprüche?", lacht er gehässig und macht zwei große Schritte auf mich zu, „Dann hör mir jetzt gut zu, Kleine." Asher senkt seinen Kopf zu meinem Ohr und atmet einmal tief durch. „Noch so ein Spruch, Kieferbruch", knurrt er bedrohlich und schenkt mir ein falsches Grinsen. Ich würde gerne etwas erwidern, aber die Worte bleiben mir im Hals stecken. Elaynas Ex- Freund schüchtert mich gerade wahrlich ein.

„Du verwechselst mich mit jemandem, den das interessiert!", brülle ich ihm hinter her, bevor er im Hotel verschwindet. Damit habe ich den Ersten schon einmal verärgert und ihm wahrscheinlich auch den Tag versaut. Mein schlechtes Gewissen macht sich sofort bemerkbar, aber ich versuche es zu ignorieren. Ich werde Asher sowie so nicht wiedersehen und in gewisser Weise hat er es sogar verdient.

„Bist du scharf darauf, dein eigenes Todesurteil zu unterschreiben oder wie sieht's aus?", reißt mich Cade amüsiert aus meinen Gedanken. Ihn hätte ich beinahe vergessen. „Es ist Zeit, kreischend im Kreis zu laufen", teile ich dem Braunhaarigen schulterzuckend mit und strecke ihm meine Hand entgegen. Der Fußballer klettert weniger elegant aus dem Pool und ergreift schließlich meine Hand. „Was soll das alles?", wiederholt er seine Frage und mustert mich eindringlich. „Ich verlasse mich einfach nur auf meine Sinne."

„Auf welche Sinne?"

„Irrsinn, Blödsinn, Wahnsinn..."

„Wolltest du nicht kreischend im Kreis laufen?" Cade ist viel hartnäckiger als Asher und wahrscheinlich auch schwerer zu verärgern. Aber jeder Mensch hat eine Schwachstelle. „Nee. Ich habe da mal eine Frage an dich."

„Und die wäre?"

„Wo ist mein Balkon? Ich muss zu meinem Volk sprechen!" Der Braunäugige wirft lachend den Kopf in den Nacken und taumelt dabei einen Schritt nach hinten. Ich nutze die Situation aus und schubse ihn zurück in den Pool. Cade rudert wild mit den Armen, ehe er einen kreischenden Laut von sich gibt und unter der Wasseroberfläche verschwindet. Kurz darauf taucht er wieder auf und schüttelt sich. „Du spielst diese Rolle nur."

„Was?"

„Ich sehe doch, dass du in echt ganz anders bist. Warum wirfst du mit all diesen kindischen Sprüchen um dich?"

„Um dich zu provozieren", gebe ich ehrlich zu, da mir kein guter Konter einfällt. Außerdem ist es sowie so hoffnungslos, Cade zu verärgern. Er hat immer einen frechen Spruch auf den Lippen und weiß ganz genau, wie er seine Mitmenschen ausspielen kann. „Bei Asher mag das vielleicht funktioniert haben, aber bei mir nicht", verdeutlicht der Sportler seinen Standpunkt und setzt sich an den Beckenrand. Er lässt seine Beine im Wasser baumeln und streckt sein Gesicht der Sonne entgegen. „Wie kann ich dir denn den Tag versauen?" Ich setze mich neben Cade und fahre wachsam mit den Fingerspitzen durch das warme Wasser.

„Warum möchtest du mir denn den Tag vermiesen?"

„Weil ich jemanden kenne, der wegen dir gelitten hat."

„Romy?" Ich erstarre. Ich darf mir auf keinen Fall anmerken lassen, dass ich die Blauäugige kenne und sie sogar zu meinen Freunden zähle. „Wusstest du, dass mein Leben wie eine Party ist und du nicht eingeladen bist?"

„Lenk nicht vom Thema ab! Meinst du Romy?"

„Sag mal klauen deine Eltern? Du siehst gerade ziemlich mitgenommen aus."

„Kennst du Romy?" Cades Stimme wird immer dunkler und rauchiger. Ich habe seine Schwachstelle gefunden: Romy. „Ich spreche fließend Ironisch und das mit sarkastischem Akzent."

„Wo ist Romy? Ich weiß, dass sie irgendwo hier in der Nähe sein muss!"

„Meine Sprüche zerstören dich, oder?"

„Bist du mit Romy befreundet?"

„Mein bester Freund hat immer solche Disssprüche gegoogelt und ist mir damit den ganzen Tag auf die Nerven gegangen. Gerade bin ich ihm wirklich dankbar dafür."

„Wo kann ich Romy finden?"

„Du würdest dich bestimmt gut mit ihm verstehen."

„Ich will zu Romy!"

„Ich will auch so viel und bekomme es nicht", seufze ich enttäuscht und erhebe mich. Cade ist an dem Punkt angekommen, an dem ich ihn die ganze Zeit haben wollte: Er steht kurz vorm Explodieren. „Sag mir jetzt sofort, wann und wo ich Romy treffen kann!" Ich schmunzele und schubse ihn erneut ins Wasser. „In deinen Träumen." Mit diesen Worten entferne ich mich hastig von der Poolanlage und lasse einen frustrierten Cade zurück.

Elaynas POV

Ich beobachte fasziniert die goldenen Zeiger meiner Armbanduhr. Nur noch fünfundzwanzig Sekunden, dann ist es bereits Mitternacht. Ich sitze mit Romy, Sarina, Elin und Alica am Strand und lasse den kühlen Wind durch meine zerzausten Haare fahren. Der heutige Tag war ziemlich ereignisreich.

„Wie habt ihr den Jungs eigentlich den Tag versaut?", durchforste ich pünktlich um Mitternacht die Stille. Wir sitzen mittlerweile seit knappen zwanzig Minuten am Strand, haben aber immer noch kein einziges Wort miteinander gewechselt. Jeder schwelgt in seinen eigenen Gedanken und starrt dabei in sich gekehrt auf das dunkle Meer. „Ich war nicht besonders einfallsreich", seufzt Alica als Erste und lächelt schmallippig, „Ich habe Asher und Cade mit Worten provoziert."

Ich runzele die Stirn und kaue nachdenklich auf meiner Unterlippe. Alica muss wohl ziemlich verletzende Worte gewählt haben, denn gewöhnlich lässt sich Asher nicht so einfach aus der Fassung bringen. Einerseits würde ich gerne wissen, was sie gesagt hat, aber andererseits schadet ein bisschen Ungewissheit nie.

„Ich habe den Tag mit Clay am Strand verbracht", lenkt Romy meine Aufmerksamkeit auf sich, „Er wollte sich unbedingt sonnen, also habe ich die Situation ausgenutzt und ihm mit Sonnencreme einen Mittelfinger auf den Rücken gesprüht." Unwillkürlich breitet sich ein schadenfrohes Grinsen auf meinen Lippen aus. „Der Abdruck steht ihm jedenfalls richtig gut." Ich schüttele belustigt den Kopf und wische mir eine Lachträne aus dem Augenwinkel. Clay kann einem echt leidtun. Er wird sich wohl kaum noch oberkörperfrei an den Strand trauen und das ist bei diesen heißen Temperaturen ziemlich bedauernswert.

„Also ich habe Jonah ein paar kindische Streiche am Strand gespielt."

„Wo war er überhaupt?"

„Er war an einer Imbissbude am Strand", zuckt Elin desinteressiert mit den Schultern, „Na ja, jedenfalls habe ich zuerst sein Handtuch zusammengenäht. Ihr hättet sein verdutztes Gesicht sehen müssen, zum Schreien komisch." Ich hätte wahrscheinlich ebenso verwirrt geschaut, wenn ich mein Strandtuch plötzlich nicht mehr auseinanderfalten könnte. „Dann habe ich Spielzeugkäfer in seine Jeanstaschen gelegt", erzählt Elin stolz weiter und grinst triumphierend, „Glaubt mir, Jonah kann zehnmal lauter als ein Mädchen schreien." Wir kichern leise und hängen gespannt an Elins Lippen. Wie es scheint, hatte sie sehr viel Spaß dabei, Alicas Ex- Freund Streiche zu spielen.

„Aber am besten war sowieso der Sonnenbrillenstreich."

„Was hast du gemacht?"

„Ich habe Mascara auf die Nasenauflage seiner Brille aufgetragen", japst die Blondine lachend, „Eine Monobraue steht ihm ausgezeichnet gut." Mein Grinsen wird von Sekunde zu Sekunde breiter, sodass ich fast schon Angst haben muss, dass meine Mundwinkel jeden Moment reißen. Elin hat wirklich verdammt gute Tricks auf Lager. „Wie kommst du bloß auf so gute Ideen?", spricht Sarina amüsiert meine Gedanken aus und streicht sich eine Haarsträhne aus der Stirn. Ihre braunen Augen ruhen erwartungsvoll auf Elin, welche eine dramatische Kunstpause einlegt.

„Sag schon", fordere ich sie ungeduldig auf und pieke ihr sanft in die Seite. Die Blondine reckt arrogant das Kinn in die Höhe und gibt dabei ein „Ich kann's einfach" von sich. Ich kann über ihre Antwort nur den Kopf schütteln und rolle mit den Augen. Manchmal bin ich mir nicht sicher, ob Elin wirklich so arrogant ist oder ob sie ihre Überheblichkeit lediglich spielt. „Abschließend habe ich ihm Rasierschaum auf die Hand gesprüht."

„Einfach so oder hat er geschlafen?"

„Natürlich hat er geschlafen. Aber ich musste ihn leider ziemlich zeitnah aufwecken." Ich wäre wirklich gerne dabei gewesen und hätte mir das Schauspiel mit eigenen Augen angesehen. Was für Jonah der reinste Horror war, hat Elin mehr als nur Freude bereitet. „Du bist echt der Hammer, Barbie", grinst Romy gut gelaunt und legt einen Arm um Elins Schulter. Die Blondine erwidert das freche Grinsen mit einem schelmischen Zwinkern und raunt überheblich: „Also eigentlich ist der Hammer ein Werkzeug, Ken. Das weiß doch jedes kleine Kind." Wir brauchen alle einen kurzen Moment, um ihre Worte zu verarbeiten, ehe wir in einen schallenden Lachanfall verfallen.

Mein Bauch schmerzt bereits und meine Wangen fühlen sich vom ganzen Lachen taub an. Irgendwie ist Elin gerade anders. So sorglos und befreit. Wahrscheinlich liegt das daran, dass sie ihre Maske fallengelassen hat und sich jetzt nicht mehr verstellen muss. Natürlich fühlt sie sich mit der Narbe im Gesicht nicht wohl, aber sie muss wohl oder übel lernen, damit zu leben. Ob sie will oder nicht, die Narbe ist ein Teil von ihr.

„Und wie habt ihr Raidens Tag versüßt?" Ich schrecke aus meinen Gedanken und schaue abwechselnd zwischen Romy, Alica und Elin hin und her. Die Drei erwidern meinen Blick und runzeln neugierig die Stirn. „Wir waren auch nicht so kreativ", druckst Sarina leise herum und kratzt sich verlegen am Hinterkopf, „Wir sind ihm einfach durch die Innenstadt gefolgt und haben jedes Mal dazwischengefunkt, wenn er sich mit einem Mädchen unterhalten hat." Ich nicke zustimmend und rufe mir Raidens entrüstetes Gesicht in Erinnerung. Seine Augen haben gefährlich aufgeblitzt, wohingegen er seine Lippen zu einer schmalen Linie gepresst und seinen Unterkiefer krampfhaft angespannt hat. Außerdem hat eine feine Ader, oberhalb seiner linken Augenbraue, unaufhörlich gezuckt.

„Gute Laune hatte am Ende des Tages wohl keiner mehr", kichert Alica sichtlich zufrieden und reibt sich fröstelnd über die Oberarme. Ich ziehe direkt meine dünne Strickjacke aus und drücke sie ihr in die Hand. „Ich bin zwar kein Junge, aber du kannst meine Jacke trotzdem anziehen", strecke ich ihr die Zunge entgegen, „Mir ist nämlich warm." Die Blondhaarige nickt dankend und legt sich den Cardigan über die Schultern.

Es herrscht erneut Stille. Ich beobachte die tobenden Wellen und die tanzenden Schaumkronen. Ich vergesse für einen kurzen Moment, warum ich überhaupt hier bin und verliere mich in der Unendlichkeit des dunklen Meeres. Obwohl Ashers Augen nicht ozeanblau, sondern schokoladenbraun sind, habe ich mich oft in seinen Blicken verloren. Ich würde am liebsten zu seinem Hotelzimmer laufen, die Tür aufreißen und mich in seine muskulösen Arme werfen. Es ist unmöglich, dieses zerreißende Gefühl von Sehnsucht zu ignorieren.

Ich seufze und werfe einen prüfenden Blick auf meine Armbanduhr. Halb eins. So langsam macht sich auch die Müdigkeit bemerkbar. Ich schließe die Augen, öffne sie jedoch einen Wimpernschlag später wieder, da ein Handy klingelt. Alica zieht ihr Smartphone aus ihrer Hosentasche und nimmt grinsend den Anruf entgegen. „Hofdiener Zane, schön von dir zu hören", verstellt sie lachend ihre Stimme, „Was kann deine geliebte Prinzessin Ally für dich tun?"

Ich schaue die Grünäugige etwas verstört an, doch sie beachtet meine stechenden Blicke erst gar nicht. Sie lauscht konzentriert den Worten ihres besten Freundes und runzelt dabei grübelnd die Stirn. „Du bist ein Schatz", murmelt sie irgendwann aufgedreht und springt euphorisch auf, „Prinzessin Ally wird dir auf ewig dankbar sein." Mit diesen Worten beendet sie das Telefonat und steckt ihr Handy zurück in ihre Gesäßtasche.

Romy ist die Erste, die die Stille bricht und neugierig fragt: „Was wollte dein Nicht- Lover von dir?"

„Er hat mir Informationen geliefert. Äußerst interessante Informationen."

„Und welche? Lass dir nicht alles aus der Nase ziehen!" Alica seufzt ergeben. „Die Fußballer haben morgen ein Testspiel", beginnt sie zögerlich, „Zwar nicht hier, aber dafür im Nachbarort. Anstoß ist um zehn Uhr. Der Trainer hat die Jungs ausdrücklich darauf hingewiesen, ausgeschlafen und erholt zum Treffpunkt zu kommen. Aber da scheint er die Rechnung ohne uns gemacht zu haben." Was möchte sie uns damit sagen? Ich lege meine Stirn in tiefe Furchen und mustere Alica eindringlich. Sie trägt ein teuflisches Grinsen auf den Lippen, wohingegen ihr Blick von einem geheimnisvollen Glitzern gesäumt wird.

„Lass mich raten", grinst Romy begeistert, „Wir werden den Jungs eine schlaflose Nacht bescheren, oder?"

„Das ist der Plan." Sarina, Elin und ich erheben uns ebenfalls und lassen uns von Alica und Romy durch den kühlen Sand ziehen. Die beiden scheinen bereits einen Plan zu haben, von dem sie uns allerdings nichts erzählen. „Am besten geht ihr schon mal zum Hotel der Fußballer. Ich hole schnell meine Musikbox." Ehe jemand reagieren kann, schlägt Romy den Weg zu unserem Hotel ein und verschwindet somit wie ein dunkler Schatten in der Finsternis. „Wozu braucht sie eine Musikbox?", wende ich mich unsicher an Alica und unterdrücke mir ein herzhaftes Gähnen. Alles, wonach ich mich derzeit sehne, ist mein warmes Bett.

„Ohne Musik können wir wohl kaum eine Party feiern."

„Party?"

Ich reibe mir verzweifelt über die erschöpften Lider und seufze. Ich bin viel zu müde, um irgendetwas zu verstehen. „Ja, Party. Wir werden das Hotel ein bisschen aufmischen und die Fußballer damit vom Schlafen abhalten." Ich verstehe immer noch nicht, worauf die Blondine hinaus möchte, aber belasse es dabei. So lange ich nicht von Asher erkannt werde, setze ich jeden Plan mit in die Tat um.

Clays POV

Ein lautes Klopfen an der Zimmertür lässt mich aus meinem unruhigen Schlaf aufschrecken. Ich reibe mir müde über die Augenlider und werfe einen flüchtigen Blick auf mein Handy.

Ein Uhr. Mir bleiben also noch knappe sechs Stunden, bis ich schon wieder aufstehen muss.

Ich seufze unzufrieden und drehe mich auf die andere Seite. Ich bin kurz davor, erneut einzuschlafen, da hämmert es für mehrere Sekunden lautstark an der Tür. „Ey", brumme ich verschlafen und schwinge die Beine über die Bettkante. Ich taumele benommen zur Zimmertür und strecke meinen Kopf in den schummrig beleuchteten Flur. Weit und breit ist niemand zu sehen. Entweder spielen mir meine Ohren einen schlechten Streich oder die Übeltäter haben sich rechtzeitig in ein Versteck gerettet.

Ich schließe die Tür und tapse zu meinem Bett. Zum wiederholten Male trommelt jemand gegen das Holz. Meine anfängliche Müdigkeit ist verflogen, weshalb ich schnell herumwirbele und die Tür aufreiße. „Was soll der Scheiß?", erhebe ich wütend die Stimme und schaue mich um. Der Flur ist leer.

Ich verweile für einige Minuten im Türrahmen, ehe ich die Tür zuziehe und neugierig durch das Schlüsselloch spähe. Es dauert keine zehn Sekunden, da huscht auch schon ein dunkler Schatten durch den Gang. Dieses Mal klopft es nicht an meiner Zimmertür, sondern nebenan. Irgendjemand erlaubt sich hier einen ganz üblen Streich.

„Was ist das für ein Lärm?" Ich löse mich vom Schlüsselloch und drehe meinen Kopf stattdessen zu Charlie. Der Blondhaarige reibt sich verschlafen über die Augen und setzt sich langsam auf. „Keine Ahnung", zucke ich genervt mit den Schultern, „Wahrscheinlich ein doofer Streich von den Jungs oder so." Mein Zimmerkollege nickt erschöpft und trinkt einen Schluck aus seiner Wasserflasche.

Ich sollte mich auch wieder hinlegen und weiterschlafen. Wir haben morgen unser erstes Testspiel und da möchte ich meine Leistung abrufen können. Ich strecke mich ausgiebig, halte jedoch abrupt inne. Ohrenzerreißende Gitarrentöne erfüllen die Luft und lassen die dünnen Wände beben. Wer bis eben noch geschlafen hat, ist spätestens jetzt hellwach.

„Das ist echt nicht mehr lustig", knurre ich zornig und reiße die Zimmertür auf. Die anderen Fußballer haben ebenfalls ihre Türen geöffnet und schauen sich verwirrt im Flur um. Es ist keine Menschenseele zu sehen, nur der laute Bass zerschneidet die Stille. So langsam muss sich doch mal ein Hotelmitarbeiter blicken lassen und die Störenfriede rauswerfen.

Zu meinem Bedauern wird die Musik nur noch lauter. Mein Herz wummert, mein Kopf explodiert gleich. Ich fange Zanders wütenden Blick auf und zucke unwissend mit den Schultern. Ich weiß nicht, wer für diesen Krach verantwortlich ist, aber was ich weiß, ist, dass uns diese Person den letzten Nerv und wahrscheinlich auch den letzten Schlaf rauben wird.

Romys POV

„Wir haben uns verlaufen", stelle ich frustriert fest und lasse mich auf eine Bank fallen. Wir irren nun schon seit einer halben Ewigkeit durch eine fremde Stadt, ohne auch nur den kleinsten Hinweis auf die Lage des Sportplatzes zu erhaschen. Alica und Sarina setzen sich zu mir auf die Bank und teilen meine Leidensmiene.

Obwohl es noch so früh am Morgen ist, knallt die Sonne in ihrer vollen Pracht auf uns nieder und lässt vereinzelte Schweißperlen über meine Stirn tanzen. Hitze und Müdigkeit vertragen sich nicht sonderlich gut.

Wir haben uns gestern noch bis halb vier im Hotel der Fußballer aufgehalten und sie vom Schlafen abgehalten. Dabei mussten wir uns nicht nur einmal vor wütenden Gästen und der Security verstecken.

„Ich verdurste gleich", jammere ich kläglich und lege den Kopf in den Nacken. Der Himmel ist strahlendblau und wolkenlos. Eigentlich ein perfekter Tag für den Strand, doch was machen wir? Wir wandeln durch eine fremde Stadt und zerfließen dabei in unserem eigenen Schweiß. „Und ich bin müde", klage ich erschöpft, während ich mich bei Alica anlehne. Sie ist ebenso ausgelaugt wie ich. Das kann ich daran erkennen, weil ihre Augen immer mal wieder für einige Sekunden zuflattern.

„Können wir nicht einfach den nächsten Bus zurücknehmen?" Ich blinzele zu Sarina hinüber und beobachte sie dabei, wie sie sich den Schweiß von der Stirn wischt. Gut, dass Dawson sie nicht so zu Gesicht bekommt.

„Aufstehen, Leute!", klatscht plötzlich Elayna motiviert in die Hände, „Es geht weiter!" Ich stoße einen ächzenden Seufzer aus und lasse mir von der Brünetten auf die Beine helfen. Ich taumele einen Schritt nach vorne und stütze mich hilfesuchend an einem Mülleimer ab. „Schwächelst du etwa schon, Ken?" Wenn Blicke töten könnten, würde Elin spätestens jetzt unter der Erde liegen. Die Blondine wirkt ausgeschlafen und ausgeglichen und scheint als Einzige nicht zu schwitzen. Auch wenn wir ihr gestern mehrmals gesagt haben, dass sie sich nicht hinter einer Maske verstecken muss, hat sie sich heute wieder viel zu viel Make- Up aufgetragen.

Ich versinke in einem tobenden Strudel aus wirren Gedanken und blende meine Umgebung komplett aus. Meine Füße setzen automatisch einen Schritt vor den anderen und folgen somit Elin und Elayna. Die beiden spielen unsere Reiseleiter und führen uns durch enge Gassen.

„Sicher, dass wir auf dem richtigen Weg sind?", äußert Sarina irgendwann ihre Bedenken und bleibt einfach stehen. Sie stemmt ihre Hände in die Hüften und schließt für einen kurzen Augenblick ihre Lider. „Wir haben uns ganz bestimmt verlaufen", mische ich mich genervt ein und fächele mir mit der Hand Luft zu. Die Hitze steht praktisch zwischen den ganzen Häusermauern, weshalb mittlerweile selbst Elin schwitzt.

„Wir haben uns ganz bestimmt nicht verlaufen", erwidert Elayna beleidigt und studiert ihre Stadtkarte, „Außerdem haben wir extra Einheimische nach dem Weg gefragt." Plötzlich wirkt sie nicht mehr so entschlossen und dreht die Karte unschlüssig hin und her. „Theoretisch könnte es sein, dass wir in die falsche Richtung gelaufen sind." Das darf doch wohl nicht wahr sein. Ich werfe meine Arme in die Luft und stöhne unzufrieden. Wir sind mindestens zehn Minuten in diese Richtung gelaufen und jetzt soll das auch noch der falsche Weg gewesen sein? Ich fasse es nicht.

„Gib mal her", murrt Alica gereizt und reißt Elayna die Karte aus der Hand. Sie starrt mehrere Minuten auf den Stadtplan, ehe sie auf dem Absatz kehrt macht und in die entgegengesetzte Richtung weiterläuft. Ich verkneife mir einen bissigen Kommentar und folge der Blondine stattdessen schweigend. Hoffentlich kann sie uns ohne weitere Zwischenfälle zu unserem Ziel führen.

Es dauert fast eine halbe Stunde, bis wir endlich vor dem riesigen Sportstadion ankommen. Schon hier draußen kann ich wirres Stimmengewirr wahrnehmen und einzelne Fußballer über den Platz huschen sehen. Die zweite Halbzeit wurde vor fünf Minuten angepfiffen, weshalb uns noch genügend Zeit bleibt, um die Jungs aus dem Konzept zu bringen.

„Da vorne sind Toiletten." Ich folge Elaynas Zeigefinger und marschiere los. „Wir sollten uns beeilen", raune ich verschwörerisch und öffne meinen Rucksack. Ich ziehe die Tiermasken und ein Megaphon hervor. Richtig interessant ist jedoch erst der Inhalt aus Elins Rucksack. Sie zieht fünf knallpinke Röcke und bauchfreie Tops hervor, die mehr als nur kitschig aussehen. Wir schnappen uns alle jeweils ein Outfit und ziehen uns schnell um. Zusätzlich binden wir unsere Haare mit einer pinken Schleife zurück, setzen die Tiermasken auf und nehmen zwei Pompoms in die Hand.

„Oh Gott, sehen wir albern aus", kichert Alica kopfschüttelnd, als wir die Toiletten verlassen und auf das Spielfeld zusteuern. Die Fußballer hasten über den Platz und schreien sich gegenseitig an. Ihre Schreie vermengen sich mit dem Gejubel der Zuschauer und den Anweisungen der Trainer. Ich halte nach Cade Ausschau, sehe ihn allerdings nicht auf dem Feld. Der Braunhaarige sitzt mit Clay auf der Auswechselbank und verfolgt jede Bewegung seiner Teamkollegen.

„Auf der anderen Seite ist noch etwas Platz", flüstert Sarina verschwörerisch und deutet auf die Gegengerade. Wir bahnen uns also unseren Weg durch die ganzen Zuschauer und positionieren uns schließlich am Rand des Fußballfeldes. Wenn man von den Tiermasken absieht, sehen wir vielleicht wie echte Cheerleader aus, aber das heißt keineswegs, dass wir uns auch so wie welche bewegen können.

„Schaut mal!", reißt mich Elin aufgeregt in die Realität zurück, „Mein geliebter Ex- Freund hat die Ehre, einen Freistoß zu schießen." Wir werfen uns einen vielsagenden Blick zu, ehe ich das Megaphon einschalte und zu meinen Lippen führe.

„Gebt mir ein R!"

„R!"

„Gebt mir ein A!"

„A!"

„Gebt mir ein I!"

„I!"

„Gebt mir ein D!"

„D!"

„Gebt mir ein E!"

„E!"

„Gebt mir ein N!"

„N!"

„Und was kommt raus?"

„Looser!"

Wir springen kreischend auf und ab und versuchen dabei den Blondhaarigen aus dem Konzept zu bringen. Sein verkniffener Gesichtsausdruck verdeutlicht, dass er uns gehört hat und ihn unsere Worte verärgert haben. Raiden wartet dennoch ungeduldig auf den Pfiff des Schiedsrichters, ehe er gegen das Leder tritt und sein Ziel um mehrere Meter verfehlt. Der Ball fliegt mindestens fünf Meter über das Tor und landet direkt vor den Füßen von einem kleinen Jungen.

„Schleeeeecht!", brülle ich in das Megaphon und übertöne damit die Stimmen der anderen. Elins Ex- Freund ballt wütend die Hand zu einer Faust und schenkt mir einen vernichtenden Blick. Ziemlich lustig, wenn man bedenkt, dass er mich noch vor zwei Tagen geküsst hat.

Das Spielt nimmt seinen Lauf und verlangt uns die übelsten Beschimpfungen ab. Wir rufen ständig etwas dazwischen, stimmen feindliche Lieder gegen England an und beleidigen unsere Ex- Freunde. Wir bekommen immer mal wieder böse Blicke zugeworfen, ignorieren diese jedoch gekonnt. „Foul!", schreie ich aufgebracht und strecke meine Faust in die Höhe, „Das muss man doch sehen, Schiri! Rote Karte! Elfmeter!" Natürlich versteht mich der Schiedsrichter nicht, aber es macht trotzdem Spaß, mit willkürlichen Ausrufen um sich zu werfen.

„Wir sind doch alle sportlich oder?" Ich drehe mich perplex zu Elin und blinzele zweimal. Worauf möchte sie hinaus? „Wie wäre es mit einer typischen Cheerleader Pyramide?" Ich nicke begeistert und werfe das Megaphon achtlos zu Boden. „Aber wir sind nur fünf und nicht sechs", runzelt Sarina skeptisch die Stirn. „Ich kann eh nicht mitmachen", schaltet sich Elayna entschuldigend ein und deutet auf ihre linke Schulter, „Es tut zwar nicht mehr weh, aber mit einer ausgekugelten Schulter ist nicht zu spaßen."

„Wir müssen auch keine Pyramide machen. Wie wäre es, wenn sich stattdessen jemand auf unsere Hände stellt und wir diese Person in die Höhe strecken?" Trotz Alicas ungenauen Beschreibung weiß ich genau, was sie meint. „Ich erkläre mich freiwillig dazu bereit", zucke ich teilnahmslos mit den Schultern und grinse selbstsicher. Ich habe eine gute Körperspannung, also sollte das nicht allzu schwer sein.

Sarina, Elin, Alica und Elayna gehen in die Hocke und strecken mir ihre Hände aus. Ich setze meinen ersten Fuß auf ihre Handflächen, drücke mich vom Boden ab und ziehe mein anderes Bein nach. Die Mädels reagieren zum Glück schnell genug und umfassen meine Knöchel. Ich richte mich langsam auf und strecke meine Arme in die Höhe. „Zappele nicht so viel herum!" Ich bemühe mich Elaynas Aufforderung nachzukommen und verfolge möglichst starr das Fußballspiel.

Wie es das Schicksal so will, kullert der Ball direkt vor Sarinas Füße ins Aus. Asher joggt verschwitzt in unsere Richtung und fährt sich einmal durch die Haare. Direkt verstärkt sich Elaynas Griff um meinem Fußgelenk. Ihr Ex- Freund schenkt uns einen misstrauischen Blick, ehe er nach dem Ball greift.

Im selben Moment fliegt eine Biene neben Alicas Ohr her, sodass diese panisch um sich schlägt. „Leute!", keife ich wütend, doch es ist bereits zu spät. Die Mädels lassen mich los und treten panisch einen Schritt zur Seite.

„Aaahhh!"

Ich falle und suche hilflos nach Halt. Meine Fingerspitzen krallen sich in einen samtigen Stoff und ehe ich realisiere, was hier gerade geschieht, steht Asher nur noch in Boxershorts auf dem Platz.

Sarinas POV

Ich halte schockiert die Luft an. Es ist schon schlimm genug, dass wir Romy fallengelassen haben, aber dass sie ausversehen Ashers Hose runtergezogen hat, übertrifft wirklich alles.

Der Braunäugige steht stocksteif vor uns und lässt den Ball aus seinen Händen gleiten. „Bist du komplett bescheuert?" Er dreht sich schwungvoll zu Romy und durchlöchert diese mit seinem stechenden Blick. Er schiebt ihre Hände von seiner Hose und schubst sie unsanft nach hinten. „Hey!", beschwert sich Romy wütend und richtet sich langsam wieder auf. Obwohl sie immer noch ihre Schweinchenmaske trägt, kann ich den Zorn in ihren hellen Augen lodern sehen.

„Sei froh, dass ich so gnädig war und nicht auch noch deine Boxershorts runtergezogen habe."

Asher schnaubt verächtlich, ehe er seine weiße Sporthose hochzieht und nach dem Ball greift. Er führt den Einwurf aus und joggt zurück auf das Spielfeld. Er versucht sicherlich das Geschehene zu verdrängen, aber das ist unmöglich. Er wird beim besten Willen nicht vergessen können, wie ruhig es auf einmal war.

„Irgendwie tut er mir leid", hauche ich leise und erwidere Elaynas ungläubigen Blick. Sie scheint wohl immer noch nicht realisieren zu können, was sich gerade vor unseren Augen zugetragen hat. „Und ich tue dir nicht leid?", lacht Romy verbissen und deutet an sich herab, „Ihr habt mich einfach fallengelassen." Sofort meldet sich mein schlechtes Gewissen zurück. Die Brünette hätte sich ernsthaft verletzen können. „Sorry", murmele ich kleinlaut, obwohl ich genau weiß, dass es mit diesem Wort nicht getan ist.

Die Blauäugige seufzt genervt und murmelt leise: „Vielleicht ist es besser, wenn wir jetzt gehen." Alica stimmt ihr direkt mit einem Nicken zu und auch Elayna wirkt erleichtert. Wir haben zwar nicht sonderlich viel von dem Spiel mitbekommen, aber das, was sich in der Zwischenzeit alles ereignet hat, reicht vollkommen aus. „Dann würde ich mal sagen ab über's Spielfeld!"

„Was?!" Ich versuche erst gar nicht mein Entsetzen zu verbergen, sondern starre Elin fassungslos an. „Kennt ihr nicht die Flitzer, die einfach so über den Platz laufen und damit das Spiel stören?", möchte sie grinsend wissen und legt den Kopf schief. Ich weiß genau, wovon sie spricht, aber dieser Plan gefällt mir nicht. „Du bist genial, Barbie."

„Ich weiß, Ken." Elin und Romy nehmen sich an die Hand und schauen uns erwartungsvoll an. „Was ist?", wispert die Blondine provokant, „Habt ihr etwa Schiss?" Meine Hände werden ganz schwitzig, wohingegen sich ein schwerer Kloß in meinem Hals bildet. Wir haben schon genug Chaos angerichtet. „Das ist doch verrückt", murmelt Alica neben mir und greift nach Romys ausgestreckter Hand. Bleiben nur noch Elayna und ich, die unschlüssig zwischen den Mädels und den Fußballern hin und herschauen. „Kommt schon." Ich gebe mir einen Ruck und stelle mich zu Elin. Elayna positioniert sich zu meiner Rechten und verflechtet meine Finger mit ihren. Ich atme nervös ein und wieder aus.

„Okay, Leute", raunt Elin verschwörerisch, „Einfach rennen und bloß nicht loslassen." Ich nicke hypnotisiert und schlucke schwer. Alica hat es gänzlich auf den Punkt gebracht. Das ist doch verrückt.

Bevor ich mich doch noch dazu entscheiden kann, einen Rückzieher zu machen, sprintet Elin los. Sie reißt uns regelrecht hinter sich her, sodass wir die ersten Schritte stolpern und erst dann normal weiterrennen können. Ich blende alles um mich herum aus und konzentriere mich lediglich auf meinen lauten Herzschlag. Das Blut rauscht in meinen Ohren, das Adrenalin hingegen in meinen Venen.

Das ist nicht nur verrückt, sondern krank.

Wir sind krank.

Absolut geisteskrank.

Ich bin so sehr in meinen Gedanken versunken, dass ich gar nicht richtig merke, wie ich über meine eigenen Füße stolpere und die anderen Mädels mit mir zu Boden reiße. „Fuck!" Ich zucke erschrocken zusammen und hebe den Kopf. Das Spiel ist unterbrochen, stattdessen stehen die Fußballer und der Schiedsrichter mit verschränkten Armen vor uns. Die Zuschauer reden aufgeregt durcheinander und recken ihre Köpfe in die Höhe, um unser Schauspiel besser betrachten zu können.

„¿A qué viene esto?" Ich starre den Schiedsrichter sprachlos an und zucke bei dem harten Unterton in seiner Stimme zusammen. Ich verstehe nicht, was er sagt, aber die Wut ist deutlich herauszuhören. Ich setze mich unwohl auf und taste vorsichtig über mein Fußgelenk. Ein stechender Schmerz durchzuckt meinen Körper. Ich beiße die Zähne zusammen und weiche den schaulustigen Blicken der Fußballer aus. Clay steht direkt gegenüber von mir und mustert mich neugierig. Ob er mich wohl erkennt?

„Komm schon, Sarina, wir müssen hier verschwinden", flüstert mir Elayna gedämpft ins Ohr und zieht mich ruckartig auf die Beine. Natürlich sollten wir schnellstmöglich fliehen, aber es gibt keinen Ausweg. Die Fußballer und der Schiedsrichter haben sich in einem Kreis um uns herum versammelt und lassen somit jede Fluchtmöglichkeit direkt vor meinen Augen zerplatzen.

„Was ist hier los?!" Ich zucke erneut zusammen. Der grauhaarige Mann schiebt sich an den Spielern vorbei und betrachtet uns skeptisch. Für den Bruchteil einer Sekunde wirkt es so, als würden ihm alle Gesichtszüge entgleisen, doch er fängt sich schnell und legt eine emotionslose Miene auf. „¡Illamen a la policía!", wendet er sich an den Schiedsrichter und tippt abwartend auf seine goldene Armbanduhr.

Policía. Polizei.

Ich spüre, wie die Farbe aus meinem Gesicht weicht und sich mein Magen umdreht. Er möchte tatsächlich die Polizei rufen. „Ach du Scheiße", hauche ich heiser und schaue mich panisch um. Das nervöse Gemurmel um uns herum wird immer lauter. „¡No!", lenkt Elin meine Aufmerksamkeit auf sich. Sie macht einen großen Schritt auf den Schiedsrichter zu und flüstert ihm etwas ins Ohr. Der braunhaarige Mann zeigt keinerlei Regung und schiebt die Blondine bloß grob von sich weg.

Das muss alles ein schlechter Witz sein. Der Schiedsrichter greift nach seinem Tastenhandy und wählt eine Nummer. Mir wird ganz schlecht. Wie soll ich bloß meinen Eltern erklären, warum ich plötzlich in Spanien im Gefängnis sitze?

Ich raufe mir verzweifelt die Haare und lasse meinen Blick über die Fußballer schweifen. Natürlich erkennen uns die Engländer wieder, aber sie bleiben dennoch reglos in dem Kreis stehen. Meine Augen wandern weiter, bis sie auf Clay treffen. Der Blondhaarige kratzt sich nachdenklich am Kinn und starrt beinahe durch mich hindurch.

„Wir müssen rennen." Ich tippe mir mit dem Zeigefinger gegen die Stirn und keife wütend: „Spinnst du? Wir können nicht einfach wegrennen! Hier sind viel zu viele Leute!" Elin verstummt. Erst verstehe ich nicht, warum sie nichts erwidert, aber spätestens als sich jemand vor mir räuspert, wird mir klar warum. Clay steht direkt vor mir und bedenkt mich mit einem undefinierbaren Blick. „Setz die Maske ab", fordert er mich ruhig auf. Ich presse die Lippen zusammen und schüttele hektisch mit dem Kopf. Ich bin nicht bereit dazu, meine Verkleidung fallen zu lassen.

Mein Ex- Freund tritt noch einen Schritt näher an mich heran und berührt mich sanft am Oberarm. Mein Körper überzieht sich direkt mit einer feinen Gänsehaut, die einen schauernden Wirbelsturm über mein Rückgrat fegt. Ich halte unbewusst die Luft an und weiche den braunen Augen aus. Clay ist mir so verdammt nahe. „Setz die Maske ab", wiederholt er sich leise und wandert mit seinen Händen zu meinem Gesicht. Ich weiß nicht, was ich machen soll, also handele ich impulsiv. Ich schubse Clay mit all meiner Kraft von mir und verstecke mich hinter Elin.

„Wir müssen hier weg", japse ich mit zittriger Stimme und blinzele mir die ersten Tränen aus den Augen. Meinetwegen können wir auch rennen, Hauptsache ich muss nicht länger in das verwirrte Gesicht meines Ex- Freundes schauen. „Ich habe eine Idee." Mein Kopf schnellt zu Romy. Die Brünette fischt eilig das Megaphon aus ihrem Rucksack und schaltet es an. „Haltet euch die Ohren zu." Ich komme ihrer Aufforderung direkt nach und presse meine Hände auf meine Ohren.

Keine Sekunde später erfüllt ein gellender Schrei die Luft. Die Fußballer zucken allesamt zusammen und sind für einen kurzen Augenblick unaufmerksam. Wir nutzen die Situation aus und sprinten so schnell wir können über den Platz. Romy kreischt durchgängig in das Megaphon, sodass auch die Zuschauer abgelenkt sind. Wir rennen durch das Sportstadion, geradewegs auf den Ausgang zu, als aus weiterer Entfernung Polizeisirenen zu unseren Ohren durchdringen.

„Fuck!" Wir machen auf dem Absatz kehrt und rennen an den Hockeyfeldern entlang. Ich wage es nicht, mich umzudrehen, höre allerdings das rasselnde Atmen und die schnellen Schritte der Fußballer und Zuschauer. Sie verfolgen uns. „Schneller, Leute!" Wir erreichen einen hohen Zaun, in dem ein Tor angebracht ist. Alica drückt verzweifelt die Klinke nach unten, doch es ist abgeschlossen. Wir sitzen in der Falle.

„Geht zur Seite!" Ich mache einen Schritt nach links und beobachte Romy. Sie nimmt Anlauf und tritt mit voller Wucht gegen das Tor. Nichts regt sich. „Beeil dich", hauche ich nervös und werfe einen Blick über meine Schulter. Die Fußballer haben uns jeden Moment erreicht.

Ich kann nicht länger warten und hoffen, dass Romy das Tor irgendwie aufbekommt, weshalb ich den Zaun hochklettere. Alica und Elin folgen mir sofort. „Bleibt stehen!" Die zornige Stimme des Bundestrainers schiebt sich über meine kreisenden Gedanken und macht mir wahrlich Angst. Dennoch kann ich seiner Aufforderung nicht nachkommen und klettere immer höher. 

Elins POV

Meine Finger krallen sich panisch an dem Zaun fest. Wir müssen schleunigst verschwinden. Ich erreiche das Ende des Zaunes und schwinge mein Bein auf die andere Seite. Sarina ist fast bei mir angekommen und auch Romy, die das Tor nicht mehr aufbekommen hat, klettert bereits auf die andere Seite. Elayna ist noch ziemlich weit unten, was sehr beunruhigend ist. Die ersten Fußballer erreichen ebenfalls den Zaun und klettern uns hinter her.

Ich habe keine Zeit mehr über die anderen Mädels nachzudenken und hangele mich möglichst schnell an dem Zaun hinab. Der Boden ist noch mehrere Meter von mir entfernt und mit jeder verstrichenen Sekunde schlägt mein Herz schneller. Die Polizeisirenen werden immer lauter und lauter. Mein Körper zittert und sendet elektrisierende Hiebe durch meine Statur. Das ist eindeutig zu viel Adrenalin, das gerade durch meine Venen gepumpt wird.

Ich kneife meine Augen zusammen und springe ab. Ich lande unsanft auf dem Boden und kralle meine Finger panisch in Romys Haut. „Elayna wird es nicht schaffen", wispere ich aufgelöst und deute auf den Zaun. Ein spanischer Fußballer ist ihr dicht auf den Fersen und kann jeden Moment nach ihrem Fuß greifen.

„Scheiße, Scheiße, Scheiße!" Ehe ich reagieren kann, rennt Romy zurück zu dem Zaun und klettert anmutig nach oben. Dabei tritt sie den Fußballern auf der anderen Seite extra auf die Finger, sodass diese für einen kurzen Moment gehemmt sind und nicht weiterklettern können. Elayna ist endlich ganz oben angekommen und schwingt ihr Bein auf die andere Seite. Der schwarzhaarige Junge folgt ihr.

„Oh Gott", raune ich ängstlich und kaue nervös auf meinen Fingernägeln. Elayna muss es einfach schaffen.

Ich fokussiere wieder Romy und beobachte sie dabei, wie sie dem Fußballer auf die rechte Hand tritt. Nicht leicht, sondern mit voller Kraft. Obwohl der Junge mindestens fünf Meter über mir ist, kann ich sein Jaulen bis hier unten hören.

Ich kann nicht genau sagen, wie viele Sekunden verstreichen, aber irgendwann stehen Romy und Elayna neben mir und reißen mich an meinem Handgelenk mit sich. Wir rennen und schauen uns nicht um. Die Fußballer beschimpfen uns, doch die Worte gehen in dem hektischen Geschrei unter. „Da ist ein Taxi!" Wir beschleunigen ein letztes Mal unsere Schritte und reißen hastig die Türen auf. Elayna setzt sich auf den Beifahrersitz, wohingegen sich Romy, Sarina, Alica und ich zu viert nach hinten quetschen.

Die Taxifahrerin starrt uns entgeistert an und denkt erst gar nicht daran loszufahren. Ich werde erneut panisch und schaue aus dem kleinen Fenster. Die ersten Fußballer haben den Zaun überquert und steuern geradewegs auf das Taxi zu. „¡Vamos!", kreische ich schrill und trommele aufgeregt gegen den Sitz, „¡Vamos, vamos, vamos!" Die Frau blinzelt einmal perplex, ehe sie endlich auf das Gaspedal tritt und mit quietschenden Reifen davonbraust. Gerade noch rechtzeitig, denn die Fußballer waren nur noch wenige Meter von dem Taxi entfernt.

Ich atme erleichtert aus und setze die Maske ab. Ich wische mir die schweißnasse Stirn und seufze. Das war verdammt knapp.

„Stop", haucht Elayna irgendwann, als wir an einem kleinen Wald vorbeifahren. Die Taxifahrerin bremst ab und zeigt uns den zu zahlenden Betrag. Zum Glück habe ich genug Geld mitgenommen und überreiche der Frau großzügiger Weise einen Zwanzigeuroschein. Sie hat uns auf gut Deutsch den Arsch gerettet.

Wir taumeln nacheinander aus dem kleinen Auto und rennen geradewegs in den Wald. Obwohl uns niemand gefolgt sein kann, blicke ich mich alle drei Meter paranoid um. „Wir müssen die Sachen loswerden", meint Alica gedämpft und deutet auf unsere pinken Cheerleader Kostüme. Wir sind heute Morgen extra früh aufgestanden, um die Outfits zu kaufen und jetzt, ein paar Stunden später, müssen wir diese schon wieder loswerden. „Du hast Recht", stimme ich der Blondine zu und öffne meinen Rucksack. Jeder sucht sich seine normale Alltagskleidung heraus und zieht sich dann um. Ich habe mich in diesem stillosen, grauen Jumpsuit noch nie so wohl gefühlt wie gerade.

„Wo sollen wir die Kostüme entsorgen?" Ich schaue mich suchend um und bleibe mit den Augen an einem Mülleimer hängen. Die anderen folgen meinem Blick und nicken zufrieden. Wir stopfen die pinken Kleidungsstücke in den Mülleimer und quetschen die Tiermasken schweren Herzens ebenfalls dazu. Wir hätten uns sowie so nie wieder mit diesen Masken auf dem Sportplatz blicken lassen können.

Ich stoße einen zittrigen Seufzer aus und lehne mich erschöpft gegen einen Baumstamm. So langsam reguliert sich mein rasender Herzschlag wieder. „Sorry, Leute, aber ich möchte nur noch zurück ins Hotel." Ich drehe meinen Kopf zu Elayna und erwische sie dabei, wie sie sich eine brennende Glasperle von der Wange streicht. Wir sind alle fix und fertig und müssen die vergangenen Minuten erst einmal verdauen.

Uns wurde tatsächlich die Polizei auf den Hals gehetzt!

„Die Frage ist nur, wie wir zum Hotel zurückkommen sollen", seufzt Alica frustriert, „Wir haben doch alle absolut keine Ahnung, wo wir gerade sind." Erst jetzt wird mir bewusst, wie tief wir eigentlich wirklich in der Scheiße sitzen. Unsere Situation erscheint irgendwie ausweglos. „Ich rufe Dawson an." Ich könnte Sarina für ihren grandiosen Einfall die Füße küssen. Auch wenn Dawson ein eingebildeter Idiot ist, so ist er momentan unsere letzte Hoffnung.

„Hey, was gibt's?", meldet sich der Benannte wenig später zu Wort. Wir schweigen einen Moment, ehe ich ein verzweifeltes „Wir brauchen deine Hilfe" hervorpresse. Dass diese Worte ausgerechnet aus meinem Mund kommen, scheint den Sportler wahrlich zu irritieren. „Ihr braucht meine Hilfe?" Romy nickt, ehe ihr einfällt, dass er sie gar nicht sehen kann. „Ja", haucht sie flehend, „Bitte, Dawson."

„Wobei braucht ihr denn meine Hilfe?" Wir schweigen erneut. Wie soll man auch so eine bizarre Situation erklären? „Du musst dir einen Mietwagen besorgen und uns abholen. Das Geld bekommst du nachher auch zurück", reißt Alica das Wort an sich. Sie ist immer noch ziemlich aufgelöst und droht jeden Moment ungehalten in Tränen zu zerfließen. „Bitte, Dawson", schiebe ich bittend hinter her und lasse meine Augenlider zuflattern. Ohne ihn sind wir komplett aufgeschmissen. „Wo seid ihr denn?"

„Keine Ahnung."

„Wie? Ihr müsst doch wissen, wo ihr gerade seid?!"

„Warte kurz." Wir gehen aus dem Wald und halten nach einem Straßenschild Ausschau. Glücklicherweise werden wir relativ schnell fündig und können Dawson somit die Adresse nennen. „Und ihr könnt wirklich nicht Google Maps auf eurem Handy anmachen?", vergewissert er sich erneut und runzelt wahrscheinlich gerade die Stirn. Schön wär's. „Wir sind im Nachbarort, du Idiot", zische ich genervt und rolle mit den Augen. Er soll einfach nach einem Autoverleih suchen und uns abholen kommen.

„Dafür schuldet mir Sarina nicht nur ein Date, sondern ein absolutes Traumdate." Es raschelt auf der anderen Leitung. „Bleibt, wo ihr seid. Ich komme so schnell, ich kann." Mit diesen Worten beendet er das Telefonat und spendet uns einen winzigen Hoffnungsschimmer.

Ich setze mich ausgelaugt auf die Straße und ziehe meine Beine an meinen Körper heran. Meine Arme schlingen sich wie von selbst um meine Knie, sodass ich meinen Kopf darin betten kann. „Das dürfen wir niemandem erzählen", durchforstet Elayna nach einer Weile die angespannte Stille, „Wirklich niemandem." Ich nicke benommen und halte inne. „Hört ihr das?"

„Was?"

„Da sind Motorengeräusche." Wir springen hastig vom Boden auf und halten nach einem Auto Ausschau. Ganz zu unserem Bedauern braust ein Taxi an uns vorbei. „Dawson wird uns doch finden oder?" Die Unsicherheit in Sarinas Stimme ist nicht zu überhören. Ich sollte kräftig nicken, um uns alle ein wenig zu beruhigen, aber stattdessen zucke ich ahnungslos mit den Schultern. „Ich weiß es nicht", flüstere ich beinahe tonlos und balle die Hand zu einer Faust. Es ist verrückt, dass wir gerade von einem Jungen, den wir gar nicht richtig kennen, abhängig sind. Eigentlich kennen wir uns alle nicht richtig.

„Wo wohnt ihr überhaupt?", frage ich deshalb, „Also in England meine ich."

„Sheffield", antwortet Sarina als Erste.

„Bristol", lächelt Elayna matt.

„Nottingham", zuckt Alica mit den Schultern.

„Lancaster", gibt Romy schließlich von sich, „Und du, Barbie?"

„Plymouth."

Wie es scheint, sind wir in ganz England verteilt. Wöchentliche Treffen fallen also schon mal weg. „Meint ihr, dass wir uns irgendwann mal wiedersehen?" Ich kann nicht verhindern, dass diese Frage ein schmerzhaftes Ziehen in meiner Brust hinterlässt. Wir haben in diesen Tagen so viel gemeinsam erlebt. Eine Zeit ohne die vier Chaotinnen ist fast schon undenkbar. Romy möchte gerade zu einer Antwort ansetzen, da ertönt auf einmal ein lautes Hupen.

Wir zucken gleichermaßen zusammen und wirbeln herum. Tatsächlich kommt ein gelber Volvo vor uns zum Stehen. Dawson kurbelt das Fenster herunter und lässt seinen misstrauischen Blick über uns gleiten. Seine harten Gesichtszüge lockern sich schnell wieder und schaffen sogar Platz für ein sanftes Lächeln.

„Alle einsteigen!"

Alicas POV

Es herrscht eine angespannte Stille im Auto. Wir starren stumm aus dem dreckigen Fenster und hoffen inständig, dass sich Dawson mit seinen Fragen zurückhalten wird. Natürlich ist er neugierig und gleichermaßen auch verwirrt, aber wir sind noch nicht bereit über die vergangenen Stunden zu erzählen.

„Achtung, duckt euch!", weist uns der Sportler plötzlich hektisch zurecht, „Da vorne ist die Polizei!" Mein Herzschlag setzt für den Bruchteil einer Sekunde aus, nur um gleich darauf doppelt so schnell weiterzuschlagen. Das darf doch wohl nicht wahr sein. Was, wenn die Polizei jedes Auto anhält, um uns zu finden? Wir haben zwar die Cheerleader Kostüme und die Tiermasken entsorgt, aber fünf verschreckte Mädchen in einem Auto können auch kein Zufall sein.

Ich bette meinen Kopf auf meinen Knien und halte die Luft an. Selbst Elayna, die wegen ihrer verletzten Schulter vorne sitzt, hockt nur noch geduckt auf ihrem Platz. „Es hätte auch gereicht, wenn sich Eine von euch auf der Rückbank geduckt hätte", lacht Dawson belustigt auf, „Ihr benehmt euch beinahe so, als würdet ihr von der Polizei verfolgt werden." Er scheint gar nicht zu begreifen, wie goldrichtig er mit seinen Worten liegt.

Damit er keinen Verdacht schöpft, zwinge ich mich zu einem nervösen Lachen und quietsche mit viel zu hoher Stimme: „Wir sollen von der Polizei verfolgt werden? Haha, nein. Wir doch nicht." Die schrillen Sirenen werden immer leiser, doch mein rasender Herzschlag bleibt. Wahrscheinlich fühle ich mich erst wieder sicher, wenn wir das Hotel erreicht haben. „Du bist eine schlechte Lügnerin, Alica." Ich zucke unweigerlich zusammen und senke peinlich berührt den Blick. Aus dem Augenwinkel nehme ich wahr, wie Dawson frustriert seufzt und sich mit der rechten Hand durch die verwuschelten Haare fährt. Er ist verdammt schlau und lässt sich nicht leicht hinter das Licht führen. „Ihr wurdet also wirklich von der Polizei verfolgt oder?", schlussfolgert er nach einigen Minuten und runzelt die Stirn. Ich würde zu gerne wissen, welche Gedanken ihm gerade durch den Kopf gehen.

„Na ja", räuspert sich Romy unwohl, „Indirekt irgendwie schon."

„Ganz ehrlich, ihr seid absolut verrückt. Genießt doch einfach die schöne Zeit hier in Spanien, anstatt euch täglich Ärger einzubrocken."

„Wir sind aber nicht hergekommen, um die schöne Zeit in Spanien zu genießen", erwidert Elin direkt trotzig und verschränkt die Arme vor der Brust, „Wir sind hergekommen, um uns an unseren Ex- Freunden zu rächen."

Es ist das erste Mal in diesen neun Tagen, dass ich mich richtig unwohl fühle und mich fast schon für mein Verhalten schäme. Ich bin schließlich achtzehn und nicht mehr acht Jahre alt. Habe ich es wirklich nötig, mich an Jonah zu rächen? Wofür überhaupt? Weil er beschlossen hat, seine Träume zu leben? Mir wird bewusst, dass ich mich wirklich schämen sollte. Jonah kämpft hart für seine Ziele und nur weil ich ihm nicht mehr dabei helfen kann, lege ich ihm unnötig Steine in den Weg? Ich bin mit Abstand die schlimmste Ex- Freundin, die ein Junge nur haben kann.

„Oder Alica?" Bei dem Klang meines Namens schrecke ich aus meinen Gedanken und blinzele einmal perplex. Die anderen schauen mich erwartungsvoll an, so als würden sie auf eine Antwort warten, doch ich kann ihnen momentan keine geben. „Was?", krächze ich heiser, „Ich habe gerade nicht zugehört. Sorry." Meine eigenen Gedanken schockieren mich. Wie konnte ich die ganze Zeit über so blind sein?

„Ich habe gesagt, dass uns der heutige Tag nicht zurückwirft und wir morgen trotzdem wieder auf den Sportplatz gehen werden", klärt mich Elin grinsend auf. Ich erwidere ihren schadenfrohen Blick, gebe allerdings keine Antwort von mir. Ich bin noch fünf Tage in Spanien. Fünf Tage, in denen ich mich irgendwie bei Jonah entschuldigen sollte. „Hey", stößt mir die Blondine sanft in die Seite, „Ist alles okay? Du bist so blass." Ich wage einen kurzen Blick in den Innenspiegel und erstarre. Jegliche Farbe ist aus meinem Gesicht gewichen, selbst meine grünen Augen wirken matt und trostlos.

Ich hatte nie ein Problem damit, mich im Spiegel zu betrachten, aber jetzt gerade muss ich einfach den Kopf zur Seite drehen. Ich ertrage mein eigenes Spiegelbild nicht mehr. „Nein", hauche ich deshalb leise und raufe mir verzweifelt die Haare, „Nichts ist okay."

„Die Polizei kann uns nichts antun", versucht mich Romy zu beruhigen. Sie streicht vorsichtig über meinen Unterarm und drückt aufmunternd meine Hand. Denkt sie wirklich, dass meine Verzweiflung der Polizei zu schulden ist? „Darum geht es nicht", erwidere ich verbissen und schüttele mit dem Kopf, „Es geht um so viel mehr, Romy." Eine einzige Träne kullert über meine Wange.

„Es geht um Vertrauen, das ich gebrochen habe." Eine weitere Glasperle bahnt sich ihren Weg an die Freiheit.

„Es geht darum, dass ich mir selbst nicht treu geblieben bin." Augenblicklich muss ich an den Abend in der Karaokebar zurückdenken. Ich habe einem anderen Jungen schöne Augen gemacht, mich von ihm berühren und fast küssen lassen. Das bin ich nicht. Das wollte ich niemals werden.

„Es geht darum, dass ich die Träume von einer Person zerstöre, die ich eigentlich über alles liebe." Jonah hat das nicht verdient. Er wollte schon immer Fußballprofi werden und jetzt, wo er endlich die Chance dazu hat, bin ich so blöd und vermassele ihm diese einmalige Möglichkeit.

„Es geht um Schuldgefühle, die viel zu spät einsetzen." Ich wische mir über die tränenbenetzten Augen und schniefe leise.

„Es geht um Enttäuschung, die ich in seinen braunen Augen sehen werde." Er kann mir mein Verhalten nicht verzeihen.

„Es geht darum, dass ich das alles bereue, es aber bereits zu spät ist." Für einen kurzen Moment ist es mucksmäuschenstill im Auto.

„Darum geht es mir, Romy, nur darum."

Die Angesprochene schluckt schwer und weicht meinem Blick aus. Vielleicht habe ich sie mit meinen Worten erreicht, vielleicht auch nicht. Im Endeffekt muss jeder selber entscheiden, wie er handelt. Ich stoße einen zittrigen Seufzer aus und hefte meine Augen an die vorbeirauschende Landschaft. Die Rückfahrt in diesem engen Auto kommt mir deutlich länger vor als die Hinfahrt mit dem klapprigen Bus.

„Ich will ja nichts sagen, aber mit eurem schadenfrohen Grinsen im Gesicht gefallt ihr mir eindeutig alle besser", bemüht sich Dawson die angespannte Stimmung aufzulockern. Ich ignoriere seinen Kommentar und lasse meine Lider zuflattern. Wie soll ich mich bloß bei Jonah für das entschuldigen, was ich ihm alles angetan habe? Ein heftiges Ziehen macht sich in meiner Brust breit. So fühlt es sich also an, wenn man nicht nur andere Personen, sondern vor allem sich selbst enttäuscht hat. „Ich werde mit Jonah reden."

Sarina und Romy unterbrechen ihr Gespräch, Elayna dreht entgeistert ihren Kopf zu mir und selbst Elin starrt mich sprachlos an. Der Einzige, der ein zufriedenes Lächeln auf den Lippen trägt, ist Dawson. „Gott hat Hirn regnen lassen", kommentiert er meine Aussage amüsiert und schenkt mir durch den Innenspiegel ein freches Zwinkern. In diesem Moment erinnert er mich ein bisschen an Zane.

„Du willst also mit Jonah reden", lenkt Elin meine Aufmerksamkeit auf sich, sodass ich stumm nicke. Meine Taten haben so viel Schaden angerichtet, dass ich diesen nur noch mit Worten lindern könnte. „Und was willst du ihm sagen?"

„Ich werde mich entschuldigen", sage ich entschlossen und straffe meine Schultern, „Für alles." Das bin ich Jonah schuldig. „Wirst du uns verraten?" Romys Frage enttäuscht mich. Denkt sie wirklich so von mir? Folgt sie der Annahme, dass ich sie ins offene Messer laufen lassen würde? „Ihr seid meine Freundinnen", hauche ich mit einem sanften Lächeln, „Ich würde euch niemals verraten. Ihr seid mir in dieser kurzen Zeit verdammt wichtig geworden. Und glaubt mir, ich werde diese Zeit niemals vergessen können."

„Und was ist mit mir?", beschwert sich Dawson gespielt beleidigt und zieht eine Schnute, „Bin ich dir etwa nicht wichtig geworden?" Er schafft es tatsächlich, mir ein herzhaftes Lachen zu entlocken. „Natürlich bist du mir auch verdammt wichtig geworden. Außerdem wäre es nicht von Vorteil, dich als Feind zu haben."

„Warum nicht?"

„Du weißt viel zu viel über mich." Der Braunäugige schnaubt amüsiert und wirft mir einen Luftkuss zu. Ich habe mich im Krankenhaus eindeutig nicht getäuscht. Dawson ist und bleibt ein liebenswürdiger Idiot. „Ich weiß aber etwas, das ihr noch nicht wisst."

„Raus mit der Sprache", fordert Elin sofort und spitzt ihre Ohren. Ich schaue den Sportler ebenfalls abwartend an, doch er denkt gar nicht erst daran, uns von unserer Ungewissheit zu befreien. „Sag schon", drängelt Romy ungeduldig, „Spann uns nicht länger auf die Folter."

„Heute Abend wird in der Innenstadt ein Maskenball veranstaltet. Ich habe die Fußballer heute Morgen beim Frühstück belauscht. Sie werden ebenfalls kommen."

Elaynas POV

Ich mustere mich skeptisch im Badezimmerspiegel. Ich trage ein schlichtes, schwarzes Kleid, das mir bis zur Hälfte der Oberschenkel reicht und ebenso nachtfarbene Sneaker. Meine Haare sind zu einer halboffenen Flechtfrisur, dem Wasserfallzopf, zurückgesteckt und richten somit den Fokus auf meine dunkel geschminkten Augen.

Ich seufze, ehe ich mir die schwarze Maske, die mit silbernen Steinchen verziert ist, aufsetze. Obwohl mein Spiegelbild sagt, dass ich hübsch aussehe, fühle ich mich nicht so. Alicas Worte haben mir zu denken gegeben. Und irgendwie hat sie sogar Recht. Ich schüttele den Kopf und verbanne damit meine nervenzerreißenden Gedanken in die hintersten Tiefen meines Gedächtnisses.

Heute Abend wird noch einmal richtig gefeiert. Natürlich kann man den Maskenball nicht mit der Karaokebar vergleichen, aber der Spaßfaktor wird der Identische sein. Mit dem kleinen Unterschied, dass ich heute Abend so gut wie keinen Alkohol trinken werde.

Ich schnappe mir meine Clutch und verlasse dann das Hotelzimmer. Die anderen Mädels warten bereits in der Hotellobby auf mich und unterhalten sich angeregt. Im Gegensatz zu mir haben sie sich heute Nachmittag noch pompöse Ballkleider und elegante Masken gekauft. Dementsprechend sehen sie auch wunderschön aus.

„Kann es losgehen, Girls?", lenke ich ihre Aufmerksamkeit auf mich und zwinge mir ein breites Grinsen auf die Lippen. Morgen habe ich genug Zeit, um über Alicas Worte nachzudenken, doch jetzt bleibt kein Platz dafür. Ich hake mich fröhlich bei Sarina und Romy unter und ziehe sie hinter mir her. Die Absätze ihrer High Heels klappern über den Boden und verschlingen die leisen Wortfetzen, die Alica und Elin miteinander austauschen. „Da sind Dawson und Casper!" Ich deute auf die gegenüberliegende Straßenseite und mustere die Sportler. Sie tragen eine normale Jeans, ein weißes Hemd mit Sakko und haben ihre sonst so verwuschelten Haare ordentlich nach oben gegelt.

Dass uns Dawson zum Maskenball begleiten würde, war von Anfang an klar, aber das Casper erneut zu uns stoßen würde, überrascht mich. Es erinnert mich ein wenig an den Abend, an dem wir in die Karaokebar gegangen sind. Dort stand er auch mit Dawson vor dem Hotel und hat auf uns gewartet.

„Hey", begrüßen wir die Jungs im Chor und umarmen sie kurz zur Begrüßung. Dawson ist irgendwie ein Teil unserer Mädchenclique geworden, nur Casper passt noch nicht hundertprozentig dazu. Dafür kennen wir ihn einfach noch nicht gut genug.

„Ihr seht hübsch aus", komplimentiert uns der Braunhaarige lächelnd und legt seinen Arm um Sarinas Taille. Sie errötet sofort und kichert leise. Am Anfang habe ich ihr geglaubt, dass sie Dawson nur freundschaftlich mag, aber inzwischen bin ich mir da nicht so sicher. Natürlich kann man noch nicht von der großen Liebe sprechen, immerhin kennen sie sich erst seit neun Tagen, aber das Wort Schwärmerei klingt in meinen Ohren ziemlich passend.

„Wisst ihr überhaupt, wo wir hinmüssen?", durchforstet Alica irgendwann die angenehme Stille, während wir durch die beleuchtete Innenstadt schlendern. Der Himmel ist schon lange nicht mehr türkisfarben, sondern dunkelblau. Vereinzelte Sterne funkeln bereits am Horizont und spiegeln sich in meinen geweiteten Pupillen wider. Bei diesem Anblick bin ich mir sicher, dass diese Nacht wunderschön wird. „Natürlich wissen wir, wo wir hinmüssen", verdreht Dawson die Augen und deutet die lange Straße hinab, „Wir heißen immerhin Casper und Dawson und nicht RoSaElAlEl."

„Was?!", entfährt es uns gleichzeitig. Ich kann meinen Ohren wohl kaum noch trauen. „Wie hast du uns gerade genannt?"

„RoSaElAlEl."

Für einen Jungen ist diese Bezeichnung ziemlich kreativ. Ich grinse belustigt und schüttele mit dem Kopf. „Nenn uns einfach Spielerfrauen", zwinkere ich schließlich und ziehe den Knoten an meiner Maske fest. Wir haben tatsächlich einen riesigen Club erreicht, aus dem bereits laute Musik dröhnt. Überall tummeln sich Mädchen in schicken Kleidern und Männer mit prunkvollen Masken. Dieser Anblick ist überwältigend.

„Komm schon, Elayna", zieht mich Sarina sanft am Handgelenk hinter sich her. Wir stolzieren an der langen Warteschlange vorbei und kommen vor zwei Türstehern zum Stehen. Casper verwickelt den Schwarzhaarigen in ein Gespräch, doch ich schenke ihm keine Beachtung. Ich stelle mich stattdessen auf Zehenspitzen und luge durch die Tür in das Innere des Clubs. Die Tanzfläche ist jetzt schon überfüllt. Bunte Lichter kreisen durch den Saal und werfen verzerrte Schatten auf das Parkett. Ich habe so etwas noch nie zuvor gesehen. Ich war bis jetzt immer nur in Discos, aber noch nie auf solch einer Veranstaltung.

Der Türsteher legt mir ein goldenes Armbändchen um das Handgelenk und zwinkert mir einmal anzüglich zu. „¡Que te diviertas!", flüstert er mir leise ins Ohr und fährt dabei meine Taille entlang. Ich bemühe mich um einen höflichen Gesichtsausdruck und erwidere: „Gracias. Creo que la tendré." Ich schiebe mich an dem Mann vorbei und folge den anderen in den riesigen Saal.

Es wird gerade Jessie J's „Price tag" gespielt, wozu die Menschen Foxtrott tanzen. Wie gut, dass ich in der achten Klasse mit Asher einen Tanzkurs besucht habe.

„Wollt ihr etwas trinken?", fragt uns Casper über die Musik hinweg und deutet auf eine kleine Bar auf der anderen Seite. Ich nicke begeistert und eile dem Blondhaarigen hinter her. „Wieso mussten wir uns eigentlich nicht anstellen?", beginne ich ein lockeres Gespräch und studiere nebenbei die Getränkekarte. „Es hat Vorteile, wenn man Kontakte hat", zwinkert der Sportler geheimnisvoll und deutet auf ein Bild von einem blauen Cocktail, „Nimm den Swimming Pool."

„Okay." Casper grinst zufrieden und gibt seine Bestellung auf. Während er an der Bar wartet, lasse ich meinen neugierigen Blick durch den Raum schweifen.

Plötzlich bleibt die Zeit stehen.

Braun trifft auf Braun.

Ich vergesse für einen kurzen Moment das Atmen und ziehe hörbar die Luft ein. Der dunkelblaue Anzug schmiegt sich perfekt an seinen Körper und verleiht jedem seiner Schritte Eleganz. Ich kann mich nicht erinnern, wann ich ihn das letzte Mal so gesehen habe. So sorglos, so befreit, so anmutig, so wunderschön. Er kommt direkt vor mir zum Stehen.

„Darf ich um diesen Tanz bitten?" Mein Herz schlägt so schnell, dass ich befürchte, dass es jeden Moment aus meiner Brust springt. Träume ich vielleicht? Unmöglich. Ich kann sein süßes Parfüm riechen und seinen heißen Atem auf meinem Gesicht spüren. Das hier ist kein Traum. Das ist die Realität. Ich lege meine Hand zögerlich in seine und lasse mich von ihm auf die Tanzfläche führen. Seine braunen Augen strahlen.

„Time goes by and I've been holding everything inside." Ich erstarre. Es kann kein Zufall sein, dass ausgerechnet dieses Lied gespielt wird und mich Asher zum Tanzen auffordert. „Du siehst hübsch aus", lächelt er verliebt und streicht mir eine Haarsträhne hinter das Ohr, „So wunder-, wunderschön." Ich senke geschmeichelt den Blick und lege meine Hände auf seine muskulösen Schultern. Er zieht mich näher an sich heran, sodass ich meinen Kopf in seiner Halsbeuge bette. Dieser Moment scheint so unrealistisch.

„Ich kenne ein Mädchen, das genauso gut tanzen kann wie du." Meint er mich? Erkennt er mich etwa nicht? „Sie ist genau so schön wie du." Der Griff um meiner Taille verstärkt sich. „Sie hat genau so ein reines Herz wie du." Ich lächele. „Und sie liebt dieses Lied genau so sehr wie du."

„I believe in starting over, I can see that your heart is true, I believe in good things coming back to you."

Asher löst sich vorsichtig von mir und platziert seine warmen Hände auf meinen geröteten Wangen. Seine Augen funkeln so geheimnisvoll, dass sich mein Körper mit einer feinen Gänsehaut überzieht. „Aber weißt du, was ich nicht wusste?" Ich schüttele unschuldig mit dem Kopf. „Ich wusste nicht, dass sie so gute Elfmeter schießen kann. Ich wusste nicht, dass sie sich bis zur Besinnlosigkeit saufen kann. Ich wusste nicht, dass sie verdammt clevere Freundinnen gefunden hat. Ich wusste nicht, dass sie mir gefolgt ist." Seine Hände wandern vorsichtig zu meiner schwarzen Maske. „Aber eins weiß ich ganz sicher", er hält kurz inne und löst langsam den Knoten an meinem Hinterkopf, „Ich liebe sie."

Er nimmt mir die Maske ab und lächelt sanft. „Ich liebe dich, Elayna." Im nächsten Moment spüre ich seine weichen Lippen auf meinen.

Ich kann gar nicht realisieren, was hier gerade passiert und bleibe deshalb stocksteif stehen. Asher hat mich erkannt. Er weiß, dass ich hier bin. Und er liebt mich immer noch. All die neugewonnen Informationen prasseln wie ein tobender Regenschauer auf mich nieder. Er weiß, was ich getan habe und er ist nicht sauer. Er hat mich zwischen den ganzen anderen Leuten in diesem Saal wiedererkannt und dafür gesorgt, dass unser Lied gespielt wird. Und jetzt gerade, da küsst er mich, als würde sein Leben davon abhängen.

„Asher", hauche ich überwältigt gegen seine Lippen. Er lässt traurig von mir ab und fährt sich verzweifelt durch die gestylten Haare. „Hast du jemanden kennengelernt?", fragt er mich enttäuscht, „Jemanden, der dich mehr lieben kann als ich?"

„Niemand kann mich mehr lieben als du es tust", erwidere ich direkt und blinzele mir die Tränen aus den Augen, „Und ich werde niemals jemanden mehr lieben können als dich."

Ich schlinge meine Arme um seinen Nacken und verbinde unsere Lippen zu einem leidenschaftlichen Kuss. Tränen kullern über meine Wangen und verschmelzen zwischen unseren Lippen. Glück. Freude. Liebe. Ich spüre so viele Emotionen in meinem Inneren, so viele Gefühle, die mich überwältigen.

„Warum bist du nicht sauer auf mich?", lasse ich luftschnappend von Asher ab, „Du hättest jeden Grund, um wütend zu sein."

„Ich habe mit dir Schluss gemacht und nicht du mit mir."

„Du wolltest deinen Traum leben." Ich kann Asher verstehen. „Mein Traum steht gerade vor mir, Elayna." Er beugt sich langsam zu mir und küsst liebevoll die brennenden Glasperlen von meinen Wangen. Ich liebe ihn, ich liebe ihn so sehr. „Ich... Ich", stottere ich unbeholfen, „Ich habe dein Training sabotiert, um dir die Lust am Fußballspielen zu nehmen."

„Ich weiß."

„Ich habe Wasserbomben nach dir geworfen und dir Stripperinnen auf den Hals gehetzt."

„Ich weiß."

„Ich habe mich sogar verkleidet."

„Ich weiß, Elayna." Asher legt seinen Finger auf meine Lippen und zwingt mich somit zum Schweigen. „Ich bin nicht sauer oder so", lächelt er behutsam und haucht mir einen federleichten Kuss auf den rechten Mundwinkel, „Wobei... Eine Tatsache stört mich gewaltig." Einen Kuss auf den linken Mundwinkel. „Du hast in dem Bett von einem anderen Jungen geschlafen."

„Laut Erzählungen habe ich das Bett vollgekotzt." Asher grinst breit und schüttelt amüsiert den Kopf. „In der nächsten Zeit wirst du nur noch mein Bett vollkotzen, verstanden?"

„Verstanden."

Jonahs POV

Ich schüttele verwirrt den Kopf und blinzele einmal mit den Augen. Warum zur Hölle steckt Asher einem fremden Mädchen die Zunge in den Hals? Ich dachte, er würde seine Ex- Freundin immer noch lieben?!

Ich wende wütend den Blick ab und taumele zu der kleinen Bar. „Wodka O." Meine Sinne sind bereits von dem Alkohol betäubt, aber ich möchte mehr. Vielleicht kann ich den Schmerz in meiner Brust, der den Erinnerungen an Alica zu verschulden ist, in Alkohol ertränken. Ich nippe gedankenverloren an meinem Glas, ehe ich den Inhalt in einem Zug leere.

Ich bestelle mir ein neues Glas und noch eins und noch eins.

Irgendwann strauchele ich benommen zurück auf die Tanzfläche und bewege mich zu der Musik. Überall stehen glückliche Pärchen, die sich verliebt anlächeln. Nur ich bin alleine. Alleine, weil ich so doof war und mich von Alica getrennt habe. „Jonah." Ich zucke zusammen und wirbele einmal herum. Obwohl ich nur noch verschwommen sehen kann, sind ihre Augen ganz scharf.

Grün. So ein wunderschönes Grün.

Ich strecke meine Hand nach ihrem Gesicht aus, doch fasse ins Leere. „Jonah, können wir reden?" Ihre Stimme. Weich, sanft und ein bisschen ängstlich. Wovor hat sie Angst? Fürchtet sie sich ebenso wie ich davor, wieder aufzuwachen? „Jonah." Ich spüre ihre warmen Finger an meinem Handgelenk. „Sag doch etwas." Ich verenge meine Augen, um sie besser betrachten zu können, aber meine Sicht bleibt weiterhin verschwommen. Ihre pinken Lippen bewegen sich, ihre grünen Augen strahlen.

Wunderschön. Sie ist wunderschön.

„Jonah!", erhebt sie besorgt ihre Stimme und rüttelt sanft an meinen Schultern. Sie versucht mich aufzuwecken, doch ich möchte weiterträumen. Wenn ich sie in meinen Träumen sehen kann, möchte ich nie wieder aufwachen. „Jonah." Ihr Gesicht verschwimmt direkt vor meinen Augen. Ich möchte sie bei mir behalten und stolpere einen Schritt nach vorne. Alles um mich herum dreht sich.

Ehe ich reagieren kann, liege ich auch schon auf dem Boden und übergebe mich. Ich höre das laute Geschrei um mich herum, aber nicht ihre Stimme. Wo ist sie? Wo sind diese wunderschönen grünen Augen?

„Wie viel hast du gesoffen, Mann?!" Jemand klopft mir auf den Rücken und zieht mich dann schwungvoll auf die Beine. Ich muss meine Augen zusammenkneifen, um mich nicht noch einmal zu übergeben. „Ich bringe dich zurück ins Hotel. Unser Trainer wird dich morgen umbringen." Bin ich nicht schon längst tot?

Ich lasse meine schweren Lider aufflattern und werfe einen letzten Blick auf die Tanzfläche. Und da sind sie wieder. Diese wunderschönen, grünen Augen. Wäre ich doch nur etwas klarer im Kopf, dann wüsste ich auch, wem diese wunderschönen Augen gehören.

Romys POV

„Hier." Ich drehe mich hastig zu Casper um und nehme ihm das Glas ab. „Danke", erwidere ich lächelnd und nehme einen Schluck von meinem Getränk. Die süße Flüssigkeit prickelt auf meiner Zunge und hinterlässt ein unangenehmes Kratzen im Hals. „Was hast du mir bloß wieder angedreht?" Casper zuckt unschuldig mit den Schultern, ehe er ein liebliches „Piña Colada" von sich gibt. Von den ganzen Getränken, die er mir in den letzten Stunden spendiert hat, trifft dieses am wenigsten meinen Geschmack.

„Und was ist in deinem Glas?"

„Sweet Spring." Ich verziehe angeekelt das Gesicht und rümpfe die Nase. „Immer diese Sportler", seufze ich frustriert und rolle mit den Augen. Casper ist ziemlich konsequent, was das Thema Alkohol anbelangt. Er hatte noch nie einen Absturz und hat angeblich noch nie mehr als zwei Bier an einem Abend getrunken. Dieser Junge verpasst eindeutig etwas.

„Wo sind eigentlich die anderen?", versucht er geschickt das Thema zu wechseln und schaut sich suchend in dem riesigen Saal um. Ich stelle mich ebenfalls auf Zehenspitzen und lasse meinen Blick wissensdurstige Kreise ziehen. „Sarina und Dawson tanzen." Die beiden bewegen sich langsam zum Takt der Musik und schenken sich ein schüchternes Lächeln. In meinen Augen würden sie ein ziemlich süßes Pärchen abgeben.

„Alica unterhält sich mit irgendwelchen Typen." Ich folge Caspers Finger und erstarre. Alica steht tatsächlich in der linken Ecke des Raumes und redet verzweifelt auf Royce und Zander ein. Wie es scheint, sind die drei in eine hitzige Diskussion vertieft.

„Oh, Elayna geht aber ganz schön zur Sache." Der Blondhaarige verweist grinsend auf die Tanzfläche und leckt sich einmal über die Lippen. Würde mein Herz nicht immer noch für Cade schlagen, könnte ich mich glatt in Casper verlieben. Ich verwerfe peinlich berührt meine Gedanken und fokussiere stattdessen Elayna. Sie hat ihre Arme in dem Nacken eines Jungen verschränkt und lehnt ihre Stirn vorsichtig gegen seine. Sie wirken ziemlich vertraut miteinander. Erst beim zweiten Hinsehen fällt mir auf, dass es sich bei dem Jungen um ihren Ex- Freund Asher handelt.

„Oh mein Gott", stoße ich überrascht die angehaltene Luft aus und blinzele perplex. Elaynas Lippen bewegen sich sanft auf denen von Asher, während ihre Hände automatisch in seine Haare wandern. Ich wende hastig den Blick ab, um den beiden ihre Zweisamkeit zu gönnen, und halte nach Elin Ausschau. Die Blondine ist schon seit mehreren Stunden unauffindbar.

„Hör auf, so nachdenklich zu gucken", reißt mich Casper lächelnd in die Realität zurück. Seine Finger legen sich vorsichtig unter mein Kinn und drücken dieses zärtlich nach oben. Meine blauen Augen vermischen sich direkt mit seinem funkelnden Grün und lassen für einen Moment die Zeit stillstehen. Casper streichelt liebevoll über meine Wange und nähert sich langsam meinem Gesicht. Ich verharre stocksteif in meiner Position und verfolge gespannt jede seiner Bewegungen. Kurz bevor sich unsere Lippen berühren, neigt er den Kopf zur Seite und haucht einen federleichten Kuss auf meine Haut.

„Lass uns tanzen", raunt er mit tiefer Stimme und stellt unsere halbleeren Getränke auf einem Stehtisch ab. Er führt mich elegant auf die Tanzfläche und positioniert seine Hände auf meiner Taille. „Ich kann nicht tanzen", erwidere ich panisch und möchte mich aus seinem Griff lösen, doch er lässt es nicht zu. „Natürlich kannst du tanzen", grinst er verschwörerisch, „Ich habe es doch selber gesehen." Sofort schleichen sich die Bilder von unserem Breakdance- Battle vor mein inneres Auge. „Aber nicht so", murre ich verzweifelt und stöhne genervt. Zu dieser ruhigen, langweiligen Musik kann man nicht tanzen.

„Lass dich einfach von mir führen", lächelt Casper charmant und greift nach meinen schwitzigen Händen. Er legt sie sich selber um den Nacken, ehe er mich wieder an der Hüfte berührt. „Mach dich mal locker, Romy", grinst er amüsiert, „So kenne ich dich gar nicht."

„Sei froh, dass ich noch immer hier stehe. Normalerweise wäre ich schon längst weggelaufen."

„Dann wäre ich dir hinterhergelaufen. Vergiss nicht, dass ich Leistungssportler bin." Ich verdrehe seufzend die Augen und lasse meinen Kopf auf seine muskulöse Brust fallen. Nicht mal Cade hat es geschafft, mich dazu zu überreden, mit ihm Standardtänze zu tanzen.

„Hörst du das Lied?" Ich brumme widerwillig und konzentriere mich für einen Augenblick auf die singende Frauenstimme. „Jennifer Lopez", antworte ich ihm schulterzuckend, „Let's get loud."

„Dazu kann man perfekt Cha Cha Cha tanzen."

„Was für'n Ding?", frage ich direkt und reiße meine Augen auf. Das langsame Hin- und Hergeschaukele reicht vollkommen aus. „Cha Cha Cha", grinst Casper teuflisch und legt seine linke Hand in meine rechte. Die andere Hand positioniert er auf meinem Schulterblatt. „Leg deine linke Hand auf meine Schulter." Ich komme seiner Aufforderung nach und schlucke schwer. Ich kann mich nicht daran erinnern, mich schon einmal richtig blamiert zu haben. Tja, irgendwann ist wohl immer das erste Mal.

„Ich führe dich." Casper dirigiert meinen Körper einen Schritt nach links und tritt zwischen meine Füße. Er wiegt uns einmal nach hinten und dann wieder nach vorne. „Schau nicht auf den Boden", ermahnt er mich, „Guck mir einfach in die Augen." Ich hebe den Blick und verliere mich in seinem unergründlichen Grün. Der Blondhaarige zieht mich sanft nach rechts, doch ich stelle mich so ungeschickt an, dass ich über meine eigenen Füße stolpere. Casper verstärkt seinen Griff und zieht mich an seinen Körper zurück.

„Ich kann das nicht", murmele ich gereizt und lasse die Schultern nach unten sacken. Diese langweiligen Standardtänze sind wirklich nichts für mich. „Wir versuchen es einfach noch einmal."

„Ich habe aber keine Lust mehr." Der Sportler ignoriert meinen Protest geflissentlich und macht einen Schritt zur Seite. Ich folge ihm benommen und werde wenig später erneut erst nach hinten und dann nach vorne gewiegt. Als nächstes folgt eine Art Doppelhopser, den ich dieses Mal ohne Stolpern bewältige. „Geht doch", lobt mich Casper lächelnd und zieht mich nach vorne. Er selber macht einen Schritt zurück und wiegt uns erneut hin und her.

Gut, dass ich noch nicht allzu viel Alkohol getrunken habe, denn sonst hätte ich mich spätestens jetzt übergeben müssen.

Wir wiederholen die Schrittfolge einige Male, ehe Casper das Tempo erhöht. „Nicht so schnell", knurre ich schlecht gelaunt und trete ihm ausversehen auf die Füße. Der Blondhaarige lacht bloß amüsiert und tanzt ungehindert weiter. „Gibt es überhaupt etwas, das du nicht kannst?", frage ich ihn aus zusammengekniffenen Augen und drehe mich einmal unter seinem Arm hindurch. „Es gibt eine Menge Sachen, die ich nicht kann."

„Zum Beispiel?"

„Singen, malen, Wäschewaschen..." Ich nicke kurz und starre wieder gebannt auf unsere Füße hinab. Anstatt einen Schritt nach hinten zu machen, gehe ich nach vorne und pralle somit gegen Caspers Brust. Ich lege den Kopf etwas in den Nacken und fixiere seine roten Lippen. Meine Gedanken kreisen um den Kuss auf dem Sportplatz. Es war ein schönes Gefühl, aber überwältigt hat es mich nicht. Wahrscheinlich fühle ich mich momentan von Casper angezogen, weil mir Cades Nähe fehlt.

„Ich würde dich gerade wirklich gerne küssen", haucht der Grünäugige beinahe tonlos und streift mit seinem Zeigefinger über meine Lippen. Ich erschaudere unter seiner zärtlichen Berührung und seufze wohlig. „Aber ich weiß, dass das falsch wäre", fügt er enttäuscht hinzu und streicht mir eine braune Haarsträhne hinter das Ohr.

„Tut mir leid", murmele ich flüchtig und löse mich aus seinem sanften Griff. Ich verlasse die Tanzfläche und stelle mich an einen Stehtisch. Es dauert nicht lange, da gesellt sich auch schon Elin zu mir. „Wo warst du, verdammt?", fahre ich sie direkt besorgt an und mustere sie skeptisch von oben bis unten. Ihre blonden Haare sind verstrubbelt und stehen in alle Richtungen ab, der knallrote Lippenstift ist verschmiert. „Nein", schlage ich mir die Hand vor den Mund, „Bitte sag, dass das nicht wahr ist." Die Braunäugige lächelt bloß dümmlich vor sich hin und fährt den violetten Knutschfleck an ihrem Hals nach.

„Wer war es?", frage ich sie neugierig. Sie legt den Kopf leicht schief und überlegt angestrengt. „Er hat schwarze, flauschige Haare und braune Augen", nuschelt sie unverständlich und kichert leise, „Ich glaube er heißt Alejandro." Der Name sagt mir nichts. „Und äh...", kratze ich mich peinlich berührt am Hinterkopf, „Wo, äh, wo hattet ihr zusammen Spaß?"

„Auf der Toilette natürlich." Ich reiße schockiert die Augen auf und verschlucke mich an meiner eigenen Spucke. Das hätte ich nicht einmal Elin zugetraut. „Frauen- oder Männerklo?"

„Männerklo." Ich atme beruhigt aus. Immerhin kann ich jetzt noch unbesorgt auf die Toilette gehen und muss nicht darum bangen, jeden Moment in eine weiße, klebrige Flüssigkeit zu treten. Bei diesem Kopfkino wird mir ganz schlecht.

„Ich brauche eindeutig mehr Alkohol!"

Sarinas POV

Dawson... Irgendwie kreisen meine Gedanken nur noch um ihn. Um sein freches Grinsen. Um seine himmlischen Augen. Um seine faszinierende Ausstrahlung. Wir kennen uns noch nicht mal zwei Wochen, aber ich habe trotzdem das Gefühl, dass wir uns bereits blind verstehen.

„Lass uns gehen", reißt mich Benannter in die Realität zurück und schenkt mir ein sanftes Lächeln. Mein Herzschlag verdoppelt sich und meine Knie werden ganz weich. „O- Okay", presse ich zittrig hervor und verschränke unsere Finger miteinander. Dawson führt mich aus dem stickigen Club und legt mir draußen sein Sakko über die Schultern. Ich möchte gerade den Mund öffnen und etwas sagen, doch er reagiert schneller: „Keine Widerrede." Das Blut schießt augenblicklich in meine Wangen und lässt mich peinlich berührt den Kopf senken.

Ich verfalle dem Sportler mit jeder Sekunde mehr.

Wir schlendern schweigend durch die beleuchtete Innenstadt und genießen die Anwesenheit des anderen. Es fühlt sich in seiner Nähe so vertraut an.

Ich weiß nicht, wie viele Minuten bereits an uns vorbeigezogen sind, aber irgendwann finden wir uns in Dawsons Hotelzimmer wider. „Ich hoffe, dass du noch nicht müde bist", zwinkert er mir geheimnisvoll zu und knöpft die ersten Knöpfe seines Hemdes auf, „Ich habe nämlich noch etwas geplant." Ich schlucke schwer und starre dabei wie gebannt auf seine ausgeprägten Bauchmuskeln. Normalerweise würde ich einen Jungen niemals so auffällig beim Umziehen beobachten, aber bei Dawson kann ich einfach nicht anders.

Er bemerkt mein Starren und beißt sich verführerisch auf die Unterlippe. Ich laufe dunkelrot an und öffne meinen Mund einen Spalt. Obwohl ich heute Abend keinen einzigen Schluck Alkohol getrunken habe, fühle ich mich ziemlich benommen.

Das weiße Hemd fällt geräuschlos zu Boden, wenig später folgt auch die dunkle Jeans. Dawson steht nur noch in seiner schwarzen Boxershorts vor mir. Er fährt sich einmal lässig durch die gestylten Haare, verwuschelt diese und zwinkert mir vielsagend zu. Ich bemühe mich bloß nicht zu sabbern und wische mir vorsichtshalber mit dem Handrücken über den Mund. „Hier." Der Braunäugige kommt direkt vor mir zum Stehen und drückt mir eine Jogginghose und einen Pullover in die Hand.

Ich lege die Kleidungsstücke nervös auf seinem Bett ab und mache mich mit zittrigen Fingern an meinem Kleid zu schaffen. Es ist nicht das erste Mal, dass mich Dawson nur in Unterwäsche sieht. Ich schlüpfe eilig aus dem Kleid und ziehe mir stattdessen die bequemen Anziehsachen des Braunhaarigen an. Meine dunkelblaue Maske lege ich auf dem kleinen Nachttisch ab und schiebe nebenbei die High Heels unter sein Bett.

„Habe ich dir schon mal gesagt, dass du in meinen Klamotten mega heiß aussiehst?" Dawsons warmer Atem kitzelt mich im Nacken und sorgt dafür, dass sich mein Körper mit einer feinen Gänsehaut überzieht. „Äh", gebe ich einen unsicheren Laut von mir und drehe mich in seinen Armen zu ihm um. Er ist mir so nahe, dass ich seinen Atem auf meinen Lippen spüren kann. „Zieh dir nur noch schnell meine Adiletten an, dann können wir los."

Der Sportler löst sich langsam von mir und streift sich selber Jogginghose und ein weißes T- Shirt über. Er schiebt mir die schwarzen Schlappen zu und greift nach meiner Hand. Wir verlassen gemeinsam sein Hotelzimmer und schlendern an der Strandpromenade entlang. Das Meer wird von tiefster Dunkelheit verschluckt, nur das leise Rauschen der Wellen dringt zu unseren Ohren hindurch.

„Wo gehen wir eigentlich hin?", durchforste ich neugierig die Stille und betrachte Dawson von der Seite. Seine Lippen verziehen sich zu einem frechen Grinsen. „Es wird Zeit, dass du deine Schulden begleichst." Ich ziehe fragend eine Augenbraue in die Höhe und überlege fieberhaft, was er damit meinen könnte. Geld schulde ich ihm eigentlich nicht und etwas anderes kommt mir auch nicht in den Sinn. Der Braunhaarige bleibt abrupt stehen und fängt meinen nachdenklichen Blick auf.

„Du schuldest mir schon seit neun Tagen ein Date."

„Du meinst wohl ein Traumdate", verbessere ich ihn kichernd und stoße ihm spielerisch in die Seite. „Glaub mir, das wird ein absolutes Traumdate."

Dawson geht vor mir in die Hocke und wirft mir einen amüsierten Blick zu. „Spring auf", fordert er mich grinsend auf und klopft sich auf die Schultern. „Ich bin-"

„Sag es bitte nicht, Sarina", unterbricht er mich, „Sei nicht so wie die anderen Mädchen und heul rum, dass du angeblich zu schwer seist." Ich schlucke meine Bemerkung runter und springe vorsichtig auf seine Schultern. Dawsons Arme legen sich unter meine Kniekehlen, wohingegen ich meine Hände locker um seinen Hals lege. „Genieß die schöne Aussicht." Ich schüttele belustigt den Kopf und schaue mich um. Rechts liegt der Strand, der wegen der Dunkelheit kaum zu erkennen ist und links schimmern die bunten Lichter der Innenstadt.

„Hast du dein Handy dabei?", frage ich Dawson interessiert und zwirbele eine seiner kurzen Haarsträhnen zwischen den Fingerspitzen. „Ja, warum?"

„Kannst du bitte Musik anmachen?", bitte ich ihn zuckersüß und klimpere unschuldig mit den Wimpern. „Lohnt sich nicht mehr", erwidert der Sportler entschuldigend, „Wir sind nämlich gleich schon da." Ich recke meinen Kopf in die Höhe und halte angestrengt nach etwas Auffälligem Ausschau. Der Strand, die Innenstadt, dunkle Gassen, ein riesiges, leuchtendes Schild. "Castillo inflable", entziffere ich die geschwungenen Buchstaben und runzele die Stirn. Da ich leider kein spanisch kann, verstehe ich auch nicht, was die beiden Wörter bedeuten sollen.

Erst als mich Dawson wieder auf dem Boden absetzt und sich stattdessen mit einer grauhaarigen Frau unterhält, kommt mir eine mögliche Übersetzung in den Sinn. „Hüpfburgenland", murmele ich erfreut und klatsche begeistert in die Hände. Ohne auf den Braunäugigen zu warten, klettere ich über das kleine Törchen und kicke mir die schwarzen Adiletten von den Füßen.

„Hey, Sarina, warte auf mich!" Ich werfe einen prüfenden Blick über meine Schulter und stelle fest, dass mir Dawson grinsend nachläuft. Ich denke jedoch gar nicht erst daran stehenzubleiben und lasse mich stattdessen auf die erste Hüpfburg fallen. Sie hat die Form einer Ritterburg.

„Wir haben zwei Stunden", vernehme ich plötzlich Dawsons raue Stimme neben meinem Ohr. „Wie hast du das hinbekommen? Ich meine es ist mitten in der Nacht."

„Ganz lieb nachfragen hilft immer." Er zwinkert mir frech zu und wirft sich dann lachend gegen die Wand. Ich tue es ihm augenblicklich gleich, fliege allerdings nicht so weit zurück wie er. „Jetzt können wir auch Musik hören, wenn du willst", schlägt er schmunzelnd vor und reicht mir sein Handy. Ich tippe direkt auf dem Display herum und öffne die Musikapp.

„All we ever hear from you is blah blah blah, so, all we ever do is go ja ja ja."

Dawson beobachtet mich amüsiert, ehe er direkt vor meine Füße springt, sodass ich wegknicke und lachend auf meinem Hintern lande. Ich schiebe sein wummerndes Handy in meine Hosentasche und stehe wieder auf. Ich greife nach Dawsons Händen und hüpfe wie ein kleines Kind auf und ab. Dieses Hüpfburgenland ist noch cooler als der Aquapark, den wir vor einigen Tagen unsicher gemacht haben.

„Guck mal", deutet der Braunhaarige verschwörerisch auf die Hüpfburg gegenüber von uns, „Da ist ein Vulkan, den man hochklettern kann." Ich nehme seine unausgesprochene Herausforderung an und eile zu dem Vulkan herüber. Dawson lässt mir extra einen Vorsprung, holt mich allerdings auf halber Höhe des Kraters ein. „Das ist unfair", beschwere ich mich und versuche seine Hand von dem roten Griff zu lösen. Dabei stelle ich mich jedoch so ungeschickt an, dass ich selber mein Gleichgewicht verliere und kreischend in die Tiefe falle.

Die Hüpfburg federt meinen Sturz ab und schleudert mich noch einmal sanft nach oben. „Sah sehr elegant aus", höre ich Dawson prusten und lege den Kopf in den Nacken. Er ist bereits ganz oben auf dem Vulkan angekommen und zwinkert mir mal wieder verschmitzt zu. Ich wende mich brummend von ihm ab und steuere eine riesige Rutsche an. Ich klettere an der rechten Seite hoch und rutsche links runter.

„Traust du dich da runterzulaufen, mein kleiner Tollpatsch?"

„Traust du dich da runterzulaufen, mein kleiner Tollpatsch?", äffe ich den Braunäugigen mit verstellter Stimme nach und verschränke die Arme vor der Brust, „Der kleine Tollpatsch läuft nur mit dir zusammen da herunter."

„Dein Wunsch sei mir Befehl", verbeugt er sich theatralisch vor mir und legt seine Hand in meine. Direkt fühle ich diese wohlige Wärme. „Eins."

„Halt die Klappe und renn einfach", falle ich ihm lachend ins Wort und laufe den steilen Abhang hinab. Ich komme nicht weit und lande schon nach wenigen Metern auf meinem Hintern. Dawson quittiert das natürlich mit einem herzhaften Lachen, doch dieses vergeht ihm schnell, da er wenig später auch hinfällt. Wir kommen japsend unten an und verfallen in einen schallenden Lachanfall. Mein Bauch schmerzt bereits, aber ich kann einfach nicht aufhören.

„Du bist so wunderschön, wenn du lachst." Abrupt halte ich inne und starre wie gefesselt in dieses leuchtende Braun. Dawson streift hingebungsvoll meine Lippen und platziert seine Hände auf meinen glühenden Wangen. Ich wimmere leise und ziehe ihn näher zu mir. Doch so schnell, wie sich unsere Lippen berührt haben, so schnell löst er sich wieder von mir.

„Für einen richtigen Kuss musst du dich etwas mehr anstrengen", grinst er verschmitzt und nickt mit dem Kopf zu der Rutsche. Ich verstehe seine Anspielung und verenge die Augen zu schmalen Schlitzen.

„Wettrutschen?"

„Wettrutschen!"

Elins POV

Ich kauere nun schon seit mehreren Minuten hinter einem Baumstamm, aber von Raiden fehlt jede Spur. Laut Alica haben die Fußballer heute in diesem Wald Lauftraining und das eigentlich schon seit einer halben Stunde. Entweder stehe ich am falschen Ort oder die Jungs lassen sich extrem viel Zeit.

Ich seufze frustriert und überprüfe noch einmal in meiner Handykamera, ob meine Perücke richtig sitzt. Meine blonden Haare sind einem Grauton gewichen, wohingegen ich meine braunen Augen mit grünen Kontaktlinsen verstecke. Zudem bin ich ungeschminkt, sodass mich Raiden auf keinen Fall erkennen kann. Er hat die feuerrote Narbe in meinem Gesicht noch nie gesehen, weshalb er erst gar nicht auf die Idee kommen wird, dass ich es bin.

Ich richte meine Aufmerksamkeit wieder auf den schmalen Waldweg und grinse zufrieden, als ich die ersten Fußballer ausmachen kann. Jonah läuft mit einem riesigen Vorsprung voraus und schwitzt dabei nicht einmal. Vielleicht sollte er seine Fußballkarriere überdenken und stattdessen Läufer werden. Ich schmunzele über meine eigenen Gedanken und konzentriere mich nebenbei darauf, Raiden nicht zu verpassen.

Kaum rufe ich mir sein Aussehen ins Gedächtnis, joggt er auch schon verkrampft auf mich zu. Als ich ihn damals im Sportstadion beim Laufen beobachtet habe, sah er nicht mal ansatzweise so erschöpft aus wie jetzt.

Ich atme noch einmal tief durch, ehe ich auf den Waldweg renne und direkt mit Raiden zusammenstoße. Ich bemühe mich, meinen Sturz möglichst dramatisch aussehen zu lassen und kreische schmerzerfüllt. „Aaaaahh!" Mein Ex- Freund bleibt wie angewurzelt stehen und fährt sich nervös durch die dunkelblonden Haare. „Shit", flucht er leise und wirft einen nahezu ängstlichen Blick über seine Schulter. Von seinen Teamkollegen fehlt jede Spur.

„Ich glaube, ich habe mir den Fuß gebrochen!", schreie ich hysterisch und ziehe Raiden an seinem Arm zu mir auf den Boden, „oder irgendwelche Bänder gerissen. Mein Herz schlägt auch viel zu schnell. Vielleicht bekomme ich gleich einen Herzinfarkt. Oh Gott, ich will noch nicht sterben. Ich-" Der Braunäugige presst mir seine Hand auf den Mund und zwingt mich somit zum Schweigen. „Tut mir leid, aber ich muss weiterlaufen", raunt er entschuldigend, „Ich schicke jemanden vorbei, der nach dir gucken wird." Mit diesen Worten erhebt er sich und joggt langsam weiter.

Ich brauche erstmal einige Sekunden, um zu realisieren, was sich hier gerade abspielt. Raiden lässt mich tatsächlich alleine. Es ist ihm egal, ob ich verletzt bin. Ich bin wirklich froh, dass ich ihm nach Spanien gefolgt bin, denn spätestens jetzt weiß ich, dass Raiden ein gottverdammtes Arschloch ist.

Ich hieve mich wütend vom Boden auf und renne meinem Ex- Freund hinter her. Normalerweise war ich die Unsportliche in unserer Beziehung, aber heute scheint er der Unsportliche zu sein. Ich hole Raiden schnell ein und halte ihn am Handgelenk zurück. „Du kannst mich nicht alleine lassen!", gifte ich ihn zornig an, „Wenn ich hier in diesem Wald sterben sollte, wanderst du lebenslang ins Gefängnis."

„Lass mich los! Ich habe Training!"

„Das ist mir scheißegal! Vielleicht muss mein Bein amputiert werden!"

„Übertreib nicht!"

„Tue ich nicht!" Ich falle vor Raiden auf die Knie und halte mir mit schmerzverzerrtem Gesicht den linken Fußknöchel. Mit der anderen Hand reibe ich mir über die Augen und täusche ein leises Schniefen vor. „Wie schon gesagt, schicke ich dir gleich jemanden, der sich um dich kümmern wird", spuckt mein Ex- Freund genervt und wendet sich wieder zum Gehen ab. Ich reagiere jedoch schneller und kralle mich an seinem Fußgelenk fest.

„Du kannst nicht gehen! Ich werde sterben! Elendig und langsam. Hast du denn gar kein schlechtes Gewissen?", dramatisiere ich die Situation und schniefe erneut. Raiden ignoriert meine Worte und zieht stattdessen seine Beine aus meinem Griff. Was für ein Idiot... „Bestimmt gehst du zu deiner geliebten Leslie und springst mit ihr in die Kiste. Ich will hier nicht verrotten!", brülle ich ihm wütend nach und balle meine Hand zu einer Faust.

Wie konnte ich mich nur so sehr in ihm täuschen? Raiden war immer total liebevoll und warmherzig und nicht so emotionslos, wie er sich im Trainingslager präsentiert.

„Hey", legt sich plötzlich eine Hand auf meine Schulter, „Ist alles okay?" Ich lege den Kopf in den Nacken und erstarre. Zander hat mir gerade noch gefehlt. „Alles bestens. Kümmere dich einfach um deinen eigenen Scheiß", murre ich schlecht gelaunt und schlage seine ausgestreckte Hand weg. Ich brauche seine Hilfe nicht. „Warum sitzt du dann auf dem Waldboden?" Das amüsierte Funkeln in seinen dunklen Augen entgeht mir dabei nicht.

„Ich wollte mich unheimlich gerne auf dein Niveau hinablassen, Idiot." Der Lockenkopf quittiert meine Aussage mit einem rauen Lachen und wischt sich den Schweiß von der Stirn. „Hätte nicht gedacht, dass ich noch einmal mit meinem persönlichen Albtraum reden würde." Ich reiße panisch die Augen auf und öffne meinen Mund, nur um ihn gleich darauf wieder zu schließen. Wie hat mich Zander erkannt? Ich trage immerhin eine Perücke und Kontaktlinsen.

„W- Was?", krächze ich heiser und rappele mich schwerfällig vom Boden auf. Nachdem Sarina und ich Elayna aus dem Zimmer der Fußballer gerettet haben, habe ich kein Wort mehr mit Zander gewechselt. Ziemlich bedauerlich, denn im Bett ist er deutlich besser als Alejandro, mit dem ich mich gestern vergnügt habe.

„Tu nicht so unschuldig", säuselt der Schwarzhaarige lieblich, „Ich würde deine Stimme immer und überall wiedererkennen." Irgendwie ist es ganz schön traurig, dass mich ein Junge, der mich vor einer Woche das erste Mal gesehen hat, besser kennt als Raiden. Ich schlucke den Kloß in meinem Hals hinunter und senke den Blick. Hätte ich gewusst, dass mich Zander erkennt, hätte ich mich hier niemals ungeschminkt blicken lassen. Ganz zu meiner Verwunderung starrt er mich allerdings nicht mitleidig an, sondern fokussiert lediglich meine Augen.

„Was machst du hier überhaupt?", fragt er mich neugierig und legt den Kopf leicht schief. „Spar dir dein bescheuertes Grinsen", fahre ich ihn wütend an, „Lauf lieber weiter. Dein Trainer wartet bestimmt nicht gerne." Zander hebt spöttisch eine Augenbraue und verzieht seine Lippen zu einem frechen Grinsen. „Er wird entzückt sein, wenn ich ihm einen Flitzer ausliefern kann."

„Einen Flitzer?"

„Stell dich nicht so blöd an. Ich weiß, dass du und deine Freundinnen bei dem Testspiel gestern über den Platz gelaufen seid." Jegliches Blut gefriert in meinen Adern. Der Fußballer ist clever, zu clever. Ganz egal, ob ich verkleidet bin oder nicht, er erkennt mich wirklich immer und überall wieder.

Ich blinzele einmal benommen und taumele einen Schritt zur Seite. Dabei stolpere ich über eine Baumwurzel und knicke um. „Aaahh!" Ich presse meine Lippen zu einer schmalen Linie zusammen und ersticke somit den schmerzerfüllten Schrei. Wahrscheinlich ist das die Rache dafür, dass ich Raiden vorgespielt habe, umgeknickt zu sein. „Okay", haucht Zander überfordert, „Jetzt geht es dir wirklich nicht mehr gut." Er hockt sich vorsichtig vor mich und tastet zärtlich über meinen Fußknöchel. Ich ziehe zischend die Luft ein und schlage seine Hand weg. „Das tut weh!", keife ich ihn giftig an.

Der Lockenkopf ignoriert meine Bemerkung und legt stattdessen seine Arme unter meine Kniekehlen und hinter meinen Rücken. Er trägt mich im Brautstyle durch den Wald und scheint auch noch Spaß dabei zu haben.

„Und was ist die Moral von dieser Geschicht'?", trällert er belustigt vor sich hin und streicht sanft über meinen angeschwollenen Knöchel. Bevor er selber weiterreden kann, falle ich ihm genervt ins Wort: „Ich bin cool und du leider nicht." Zander wirft lachend den Kopf in den Nacken und blinzelt sich vereinzelte Lachtränen aus den Augen. So lustig war meine Antwort nun auch wieder nicht... Während sich der Schwarzhaarige den restlichen Weg köstlich über mich und meine Worte amüsiert, schweige ich genervt. Mein Plan war es, Raiden zu nerven und nicht selber aus der Ruhe gebracht zu werden.

„Da vorne ist mein Trainer", reißt mich der Braunäugige irgendwann aus meinen hasstriefenden Gedanken, sodass ich hektisch den Kopf hebe. Der grauhaarige Mann steht tatsächlich auf einem leeren Parkplatz und lässt seinen Blick zwischen der Stoppuhr und seinem Klemmbrett hin und her schweifen. „Wirst du mich wirklich verraten?", frage ich panisch und zappele wild herum. Zander verstärkt bloß seinen Griff und schenkt mir ein freches Zwinkern.

„Sag schon", winsele ich nervös und boxe ihm gegen die Brust. „Elin." Mein Herzschlag setzt aus, nur um gleich darauf dreimal so schnell weiterzuschlagen. Woher kennt er meinen Namen? „Ich werde dich nicht verraten, sondern mit dir ins Krankenhaus fahren. Das sollte sich lieber ein Arzt ansehen." Ich nicke benommen und vergesse zu atmen. „Ich muss nur kurz meinem Trainer Bescheid geben." Zander setzt mich vorsichtig auf einer Bank ab, ehe er zu dem Grauhaarigen joggt. Er gestikuliert wild mit den Armen und deutet dabei immer mal wieder in meine Richtung.

Ich kann nicht glauben, was gerade passiert. Das muss ein schlechter Traum sein. Ein Albtraum.

Alicas POV

„Wow, stopp, ganz langsam, Elin." Die Angesprochene hält sofort in ihrer Erzählung inne und hebt eine Augenbraue. „Was?", hakt sie genervt nach und rollt mit ihren braunen Augen. Ich ahme ihre Geste nach und seufze leise. „Du hast dir also deinen Fußknöchel verstaucht, richtig?"

„Das habe ich jetzt schon mindestens zehnmal gesagt", murrt die Blondine ungeduldig und deutet dabei auf den weißen Verband. „Und Zander ist mit dir ins Krankenhaus gefahren?"

„Jaha!"

„Du meintest, dass er weiß, wer du wirklich bist", lässt Sarina den Satz offen in der Luft hängen. Elin verdreht bloß zum wiederholten Male ihre Augen und schüttelt gereizt mit dem Kopf. „Immer noch: Ja", keift sie zickig, „Aber er verrät mich nicht. Er hat mir hoch und heilig versprochen, Raiden gegenüber zu schweigen." Ich nicke verstehend und runzele die Stirn. Es hat bisher immer den Eindruck erweckt, als wären Zander und Raiden ziemlich gut miteinander befreundet. Wieso sollte der Lockenkopf also plötzlich Elins Geheimnis für sich behalten? „Was gibst du ihm dafür?", wende ich mich neugierig an die Blondhaarige und erwidere ihren stechenden Blick. „Gar nichts."

„Ach komm schon, Barbie", stichelt nun Romy grinsend, „Uns kannst du es doch sagen." Elin grummelt etwas Unverständliches vor sich hin, ehe sie eine wegwerfende Handbewegung macht. Einerseits würde ich wirklich gerne wissen, womit sie Zander in Schach hält, aber andererseits ist es vielleicht auch besser, in der Ungewissheit umherzutappen. Elin ist immerhin so gut wie alles zuzutrauen.

„Wir sollten das Thema wechseln, Leute", klatscht Elayna euphorisch in die Hände und nickt vor uns auf die Tischplatte, „Wir haben noch einiges zu tun, bevor es dann morgen das große Finale gibt." Sie hat Recht. Die Zeit hier in Spanien ist viel zu schnell vergangen.

Wir sind mittlerweile schon seit zehn Tagen in einem fremden Land und haben unglaubliche Erinnerungen geschaffen. Ich habe nicht nur neue Freundinnen gefunden, sondern auch einen neuen Teil von mir selbst. Ich konnte mich frei entfalten und mich so zeigen, wie ich wirklich bin. Das Einzige, das noch fehlt, ist eine Versöhnung mit Jonah. Ich habe mich inzwischen mit seinem Traum, Fußballprofi zu werden, abgefunden und möchte ihn gerne dabei unterstützen. Morgen, wenn der letzte Tag dieses Trainingslagers anbricht, werde ich meine Maske fallen lassen.

„Alica!" Ich schrecke aus meinen nervenzerreißenden Gedanken hoch und blinzele einmal perplex. Elayna steht neben mir und hält mir auffordernd ihre Hand entgegen. Ich ergreife diese und lasse mich von ihr auf die Beine ziehen. Romy, Sarina und Elin verlassen gerade die riesige Hotellobby und hüpfen gut gelaunt die wenigen Treppenstufen herunter. Ich wünschte, ich könnte auch so gelassen sein. In meinem Inneren tobt ein Wirbelsturm der Gefühle, der mich zerreißt.

Meine Gedanken kreisen nur noch um Jonah. Ist das, was ich mache falsch?

„Elayna?" Ihr Name kommt wie ein leises Hauchen über meine Lippen. Die Braunäugige hebt direkt eine Braue und schenkt mir ein besorgtes Lächeln. „Was ist los, Ally?", erkundigt sie sich unsicher, „Du wirkst schon den ganzen Tag über so abwesend." Ich nicke schwach und massiere mir die pochenden Schläfen. Ich bin in der vergangenen Nacht kaum zur Ruhe gekommen, was nur dazu beigetragen hat, dass meine Gedanken immer schneller durch meinen Kopf getanzt sind. „Ich habe Angst", offenbare ich beinahe tonlos und stoße die Eingangstür auf. Ich werde direkt von wärmenden Sonnenstrahlen begrüßt, doch sie schaffen es nicht, meinem eiskalten Herz Wärme zu spenden.

„Wovor hast du denn Angst?" Ich schlucke schwer. Es ist der Grund, wegen dem ich überhaupt erst nach Spanien gereist bin, der mich in Furcht versetzt. „Was, wenn mein Herz erneut bricht, Elayna?"

„Es wird nicht brechen!"

„Ich wollte Jonahs größten Traum zerstören. So etwas macht man nicht. Das ist unmenschlich. Wie konnte ich nur so blind sein?" Eine Träne rinnt stumm über meine linke Wange. Ich wollte gestern Abend mit Jonah reden, aber er war so betrunken, dass er mich nicht erkannt hat. Was hat ihn nur dazu verleitet, sich selber in Alkohol zu ertränken? „Er wird dir verzeihen, Alica", wispert Elayna aufmunternd und drückt sanft meine Hand, „Und wenn er das nicht tut, dann war er sowie so der Falsche."

Alles in mir schreit danach, ihr zu widersprechen, aber ich schweige. Ich weiß genau, dass Jonah der Richtige für mich ist. Womöglich bin ich jedoch die Falsche für ihn.

„Wo bleibt ihr denn? Beeilt euch mal ein bisschen!", ruft uns auf einmal Romy lautstark zu. Sie lauert bereits mit Sarina und Elin vor dem Hotel der Fußballer und öffnet ihren dunkelblauen Rucksack. Bei dem Anblick von den ganzen Zahnpastatuben wird mir schlecht. Ich kralle meine Fingernägel in Elaynas Shirt und zwinge sie somit zum Stehenbleiben. „Ich kann das nicht", stoße ich einen zittrigen Seufzer aus, „Ich habe schon genug Schaden angerichtet."

„Ally, Evie! Haut rein! Da ist ja selbst Barbie mit ihren Krücken schneller als ihr!" Ich ignoriere Romys belustigten Worte und starre stattdessen in Elaynas dunkelbraune Augen. Mitgefühl, Verständnis und Trauer liegen in ihrem Blick. „Das sind nur ein paar harmlose Streiche", versucht sie mich zu beruhigen, „Damit kannst du Jonah nichts antun. Ein bisschen Zahnpasta unter der Türklinke hat noch niemanden umgebracht." Sie hat zwar Recht, aber ich bin eindeutig zu alt, um meinem Ex- Freund und seinen Fußballkollegen kindische Streiche zu spielen. Diese Einsicht kommt spät, aber besser als nie.

Ich gehe entschlossen auf Romy, Sarina und Elin zu und verschränke die Arme vor der Brust. Die drei Mädels schauen mich abwartend an und legen ihre Stirn in tiefe Furchen. „Sorry, aber ich mache nicht mit", lächele ich gezwungen. Romy fallen beinahe die Augen aus dem Kopf, wohingegen Elins Mund einen Spalt aufklappt. Mit diesen Worten haben sie anscheinend nicht gerechnet. „Das wird der Feinschliff vor dem großen Finale. Das ist dir schon bewusst, oder?"

„Ja, ist es", gebe ich selbstbewusst von mir und straffe die Schultern, „Aber ihr müsst das heute ohne mich machen. Ihr könnt gerne den Boden mit Seife beschmieren, Zahnpasta unter Türklinken reiben, Spielzeugkäfer an den Wänden anbringen und Bettdecken zu Menschen formen, aber ohne mich." Ich möchte mich zum Gehen abwenden, komme allerdings nicht so weit, da mich Sarina am Handgelenk zurückhält. Sie trägt ein zufriedenes Lächeln auf den rosigen Lippen und nickt mir kurz zu. „Du wirst schon wissen, was du da tust. Verpfeif uns aber bloß nicht."

Ich werfe lachend den Kopf in den Nacken. „Ich würde euch niemals verraten und das wisst ihr auch", sage ich ernst und schaue jedem abwechselnd in die Augen, „Wir sehen uns heute Abend beim Essen." Mit diesen Worten wende ich mich von den Mädels ab und bahne mir meinen Weg zum Strand. Überall liegen Menschen auf ihren Badetüchern im Sand und genießen den Sonnenschein. Kinder bauen Sandburgen oder schubsen sich gegenseitig von ihren Luftmatratzen ins Meer.

Jeder scheint diesen Moment zu genießen. Jeder außer ich. Augenblicklich kreisen Dawsons Worte vom Vortag durch meinen Kopf. Genießt doch einfach die schöne Zeit hier in Spanien, anstatt euch täglich Ärger einzubrocken. Ich hätte von Anfang an mit Jonah reden und nicht meinen rachsüchtigen Gedankensträngen nachgeben sollen. Jetzt ist es zu spät. Jetzt sitze ich in Spanien am Strand und versuche kläglich die ganzen Scherben zu etwas Neuem zusammenzufügen.

Ich kann nicht genau sagen, wie lange ich verträumt auf das glitzernde Meer schaue, doch irgendwann lenken drei sportliche Personen meine Aufmerksamkeit auf sich. Asher, Cade und Royce kicken sich gegenseitig einen Fußball zu und unterhalten sich dabei angeregt. Ich kann zwar nicht verstehen, worüber sie reden, aber es muss etwas Schönes sein, denn Asher strahlt bis über das ganze Gesicht.

Ich erhebe mich schwerfällig und klopfe mir den Sand von der Kleidung. Meine nächsten Schritte erfordern viel Mut, aber sie sind schon längst überfällig. Ich nähere mich den Fußballern und komme unmittelbar vor ihnen zum Stehen. Cades wütender Gesichtsausdruck zeigt mir, dass er mich noch nicht vergessen hat und genau weiß, wer ich bin. „Ähm, hey", kratze ich mich peinlich berührt am Nacken, „Ich muss euch etwas sagen." Romys Ex- Freund hebt spöttisch eine Augenbraue und mustert mich misstrauisch. Wahrscheinlich denkt er, dass ich ihn erneut provozieren möchte.

„Es tut mir leid, was ich vorgestern zu euch gesagt habe." Mir fällt ein riesiger Stein vom Herzen. Die Schuldgefühle, die mich nach dem Gespräch mit den Jungs geplagt haben, waren grauenhaft. „Es tut mir leid, was ich über deine Freundin gesagt habe, Asher. Sie ist bestimmt ein ganz toller Mensch und liebt dich abgöttisch." Ich schenke dem Blondhaarigen ein zaghaftes Lächeln und wende mich dann an Cade.

„Es tut mir leid, dass ich dich zur Weißglut gebracht habe, Cade. Romy scheint dir wirklich wichtig zu sein. Ich bin mir sicher, dass du sie bald wieder in deine Arme schließen kannst." Es brennen noch mehr unausgesprochene Worte auf meiner Zunge, aber die sind nicht für Asher oder Cade gedacht. Diese Wörter werde ich erst Morgen von mir geben. Genau dann, wenn das große Finale beginnt.

Elaynas POV

Mut:
Was keiner wagt, das sollt ihr wagen.
Was keiner sagt, das sagt heraus.
Was keiner denkt, das wagt zu denken.
Was keiner anfängt, das führt aus.
Wenn keiner ja sagt, sollt ihr's wagen.
Wenn keiner nein sagt, sagt doch nein.
Wenn alle zweifeln, wagt zu glauben.
Wenn alle mittun, steht allein.
Wo alle loben, habt Bedenken.
Wo alle spotten, spottet nicht.
Wo alle geizen, wagt zu schenken.
Wo alles dunkel ist, macht Licht.
-Franz von Assisi-

Ich war schon lange nicht mehr mutig, wir alle waren das nicht mehr. Alica hatte Recht, als sie sagte, dass sie blind wäre. Wir wollten unseren Ex- Freunden die Träume nehmen. Wir wollten die Farbe aus ihrer Welt stehlen, nur damit sie gemeinsam mit uns in der Dunkelheit festsitzen. Wir dachten, dass die Jungs egoistisch handeln würden, dabei sind wir die wahren Egoisten. Dort, wo wir vor Schmerzen geschützt werden sollten, haben wir selber Schmerz verteilt.

Ich schüttele kurz den Kopf und verbanne somit meine Gedanken. Heute ist unser letzter Tag in Spanien, doch es ist kein gewöhnlicher Tag. Heute wird weder mit Wasserbomben geworfen noch das Spielfeld gestürmt. Heute wird die Wahrheit ausgesprochen.

Eigentlich sollte ich nicht nervös sein, da mir Asher in der Nacht des Maskenballs bereits vergeben hat, aber seitdem hatten wir keinen Kontakt mehr zueinander. Vielleicht hat er es sich in der Zwischenzeit anders überlegt und verzeiht mir doch nicht mehr? Ich fange den verzweifelten Gesichtsausdruck von meinem Spiegelbild auf und zwinge mich direkt zu einem schiefen Lächeln. Asher liebt mich immer noch. Es wird einen plausiblen Grund geben, warum er sich nicht mehr bei mir gemeldet hat.

Ich seufze deprimiert und flechte meine Haare zu zwei Zöpfen. Ich muss mich ablenken, bis es in einigen Minuten endlich losgeht. Mein Spiegelbild lächelt mir nun aufmunternd zu. Ich trage ein weißes Fußballtrikot, eine weiße Sporthose, ebenso weiße Stutzen und meine verwaschenen Sneakers. Ich sehe so aus, als würde ich selber Fußball spielen wollen, aber das möchte ich keineswegs.

„Elayna!", hämmert jemand lautstark gegen meine Zimmertür. Ich löse mich von meinem Spiegelbild und reiße schwungvoll die Tür auf. Vor mir stehen Romy, Sarina, Elin und Alica. Die vier Mädels tragen das identische Outfit wie ich, allerdings mit einer kleinen Abweichung. Die Namen, die auf dem Trikotrücken stehen, variieren nämlich untereinander. „Ich kann nicht glauben, dass heute schon der letzte Tag ist", murmelt Sarina leise und quetscht sich in mein Zimmer. Sie lässt sich seufzend auf mein Bett fallen und schließt für den Bruchteil einer Sekunde die Augen.

Ich erhasche in der Zwischenzeit einen kurzen Blick auf ihren Rücken und schmunzele zufrieden. Sarina hat tatsächlich auf ihr Herz gehört und sich Dawsons Namen auf das Sportshirt drucken lassen.

„Unser Finale rückt immer näher", pflichte ich der Braunäugigen nervös zu und schließe die Tür. Romy und Elin setzen sich zu Sarina auf das Bett, während sich Alica und ich auf den Boden hocken.

Ich kann nicht glauben, dass bereits elf Tage vergangen sind. Elf Tage, in denen Rache zur Nebensache geworden ist. Wir haben alle dasselbe, lächerliche Ziel verfolgt: Wir wollten unsere Ex- Freunde vom Fußballspielen abhalten. Und was soll ich sagen? Wir sind kläglich gescheitert. Wir haben uns immer wieder ablenken lassen. Ablenken lassen von der Magie der Freundschaft.

„Heute wird nichts schief gehen", reißt mich Alica lächelnd in die Realität zurück, „Heute werden wir alles richtig machen." Ich nicke zustimmend, obwohl ich an ihren Worten zweifele. Wir haben von Anfang an gedacht, das Richtige zu tun, aber es war falsch. Was, wenn wir wieder das Falsche machen? Ich hole tief Luft und bemühe mich meinen rasenden Herzschlag zu kontrollieren. „Es-" Elins Worte gehen in dem lautstarken Klopfen an der Zimmertür unter.

Ich springe hastig auf und lasse Dawson und Casper in mein Zimmer eintreten. Die beiden Sportler tragen zur Abwechselung nicht ihre engen Laufhosen, sondern ebenso wie wir ein Fußballoutfit. Dawson setzt sich direkt zu Sarina und zieht diese auf seinen Schoß, wohingegen sich Casper zu Alica auf den Boden gesellt. Es ist schwer für ihn, sich damit abzufinden, dass Romys Herz für einen anderen Jungen schlägt.

„Seid ihr schon aufgeregt?", durchforstet der Blondhaarige nach einer Weile die angespannte Stille und mustert uns eindringlich. Wie erwartet nicken wir synchron. Selbst Elin, die niemals offen zeigen würde, dass sie nervös ist, zittert am ganzen Körper. „Wo bleiben denn die anderen?" Ich werfe einen prüfenden Blick auf meinen Wecker und stelle fest, dass es schon kurz nach drei am Nachmittag ist. Somit sind die anderen bereits fünf Minuten zu spät. „Die kommen bestimmt gleich", versucht uns Romy zu beruhigen, „Vielleicht finden sie das Zimmer nicht."

Die Blauäugige taumelt zu der Tür und streckt ihren Kopf in den Flur. „¡Holaaaa!", schreit sie plötzlich hysterisch und winkt wild. Wenig später treten Leslie, Nylah, Lillian, Camille, Alejandro, Ivan und Rubén in den Raum und gucken sich staunend um. „Es un habitacion bonita", zwinkert mir Ivan schelmisch zu und lehnt sich lässig gegen den Türrahmen. Ich lächele bloß freundlich und falte dann ein riesiges Plakat auseinander.

Jetzt, wo wir endlich vollzählig sind, ist es an der Zeit, unseren Plan noch einmal durchzusprechen. Es ist wirklich wichtig, dass heute nichts schief geht.

Wir besprechen den Plan ganze dreimal, ehe wir uns zuversichtlich auf den Weg zum Sportstadion machen. Die Fußballer beenden in wenigen Minuten ihr letztes Training hier in Spanien. Sobald sie zum Duschen verabschiedet werden, beginnt unsere Show. Ich bin wirklich froh, dass wir gestern Abend so einen guten Plan auf die Beine gestellt bekommen haben und in dieser kurzen Zeit so viele Leute, die uns dabei helfen wollen, zusammentrommeln konnten. Ganz egal, welches Ende dieser Tag auch nehmen mag, er wird mir immer in Erinnerung bleiben. Alles, was ich in Spanien erlebt habe, wird mir in Erinnerung bleiben.

Ich stoße einen zittrigen Seufzer aus und greife reflexartig nach Sarinas Hand. Sie schenkt mir ein nervöses Lächeln und verflechtet ihre Finger mit meinen. Wir werden das alle gemeinsam durchstehen. „¿Estan listos?", wendet sich Alejandro ein letztes Mal an uns, bevor er sein Megaphon einschaltet. Mein Herzschlag verdoppelt sich sofort und lässt winzige Schweißperlen über meine Stirn tanzen.

Ich beobachte Alejandro dabei, wie er mit Ivan und Rubén den Fußballplatz betritt und ein lautes „Escuchen bien!" über das Feld brüllt. Die Fußballer wischen sich mit ihren Shirts den Schweiß aus dem Gesicht und richten ihre Aufmerksamkeit dann auf den Schwarzhaarigen.

Es geht los.

„Venganza", raunt der Spanier verschwörerisch und hält ein Plakat mit einem Totenkopf in die Höhe. Die Fußballer tuscheln leise untereinander, bis jemand das Wort als „Rache" übersetzt. „La venganza es un camino oscuro y solitario." Rache ist wirklich ein dunkler und einsamer Weg. Zu allem Überfluss ist es auch noch der falsche Weg. „Pero es el unico que vemos." Doch wie Alejandro sagt, ist es manchmal der einzige Weg, den wir sehen.

Leslie stolziert wie abgesprochen ebenfalls auf den Fußballplatz und nimmt dem Schwarzhaarigen das Megaphon ab. „Reden wir hier wirklich von Rache?", fragt sie spöttisch, „Sicher, dass es nicht um ein viel stärkeres Gefühl geht?" Die Grünäugige verweist auf ein Plakat, auf dem ein riesiges Herz abgebildet ist. „Liebe", haucht sie leise, „Rache und Liebe liegen manchmal ganz nah beieinander." Nylah, Lillian und Camille positionieren sich neben ihrer Freundin. „Liebe ist stärker als Rache und trotzdem entscheiden wir uns für das schwächere Gefühl."

Camille klappt ihren Laptop auf und gibt somit den Blick auf eine verwüstete Umkleidekabine frei. „Wenn wir uns rächen, machen wir meistens Sachen, die wir eigentlich nicht machen sollten", fährt Nylah gedämpft fort, „Wir richten zum Beispiel Chaos an."

Das nächste Bild zeigt bunte Wasserbomben. „Wir werfen mit Wasserbomben um uns."

Geld. „Wir heuern andere Leute an, damit diese unsere Arbeit übernehmen."

Ein Dieb. „Wir flüchten. Nicht nur von unseren Gefühlen, sondern auch vor uns selbst."

Ein gebrochenes Herz. „Wir testen unsere Liebsten. Würden sie eine andere Person küssen?"

Wirbelsturm. „Wir zerstören Sachen, die der anderen Person wichtig sind."

Pinocchio. „Wir lügen."

Perücken. „Wir verkleiden uns."

Handschellen. „Wir suchen Stripperinnen auf."

Eine Musikbox. „Wir lassen andere Menschen nicht mehr zur Ruhe kommen."

Fußballstadion. „Wir werden zum Flitzer."

Zahnpastatuben. „Wir spielen kindische Streiche."

Camille klappt den Laptop wieder zu und nimmt Nylah das Megaphon ab. „Wisst ihr auch warum wir manchmal so bescheuerte Dinge machen, wenn wir uns rächen? Weil wir tief in unserem Herzen immer noch lieben." Die ersten Fußballer wenden sich gelangweilt zum Gehen ab, unter ihnen ist auch Raiden. Zum Glück starrt Asher immer noch gebannt zu Camille und lauscht ihren Worten. „Aber wenn wir immer noch lieben, warum rächen wir uns dann überhaupt?"

Das ist Dawsons Stichwort. Der Braunhaarige klettert über den Zaun und joggt auf den Platz. Er fokussiert jeden Fußballer, bevor er endlich zu Reden beginnt. „Liebe und Schmerz liegen genau so nah beieinander wie Liebe und Rache", säuselt der Sportler, „Schmerz verleitet uns dazu, Rache auszuüben." Alejandro, Ivan und Rubén halten drei Plakate in die Luft.

Körperlichen Schmerz.

Seelischen Schmerz.

Herzschmerz.

„Stellt euch vor, eure Freundin wäre Profitennisspielerin. Sie bekommt ein Angebot, zu einem höherklassigen Verein zu wechseln, muss dafür allerdings einige Orte weiter wegziehen. Wie würdet ihr reagieren, wenn sie deshalb mit euch Schluss machen würde? Nicht etwa, weil euch dann eine halbe Stunde Autofahrt voneinander trennen würde, sondern weil sie euch vor Schmerzen bewahren möchte. Sie wird oft unterwegs sein und hat deshalb keine Zeit mehr für euch. In meinen Augen ist es lächerlich, wegen so einer banalen Kleinigkeit die Liebe des Lebens zu verlassen."

Casper tritt neben Dawson und legt ihm einen Arm um die Schultern. „Und trotzdem habt ihr es getan." Fünf Plakate werden in die Höhe gestreckt.

Cade.

Clay.

Raiden.

Jonah.

Asher.

„Ihr habt eure Freundin verlassen, um genau was zu tun?" Casper lacht einmal spöttisch auf. „Ach ja. Um einem Fußball hinterherlaufen zu können." Romy, Sarina, Elin, Alica und ich werfen die Fußbälle, die wir vorher neben uns auf den Boden gelegt haben, auf den Platz. Sofort fallen die Blicke der Jungs auf uns. Ich weiche extra Ashers Blick aus und klettere stattdessen über den Zaun.

„Ihr wolltet uns vor Schmerzen beschützen, aber eigentlich habt ihr uns damit nur noch viel größere Schmerzen zugefügt."

Romy stellt sich auf meine rechte Seite. „Wir mussten handeln. Alles, was wir in diesem Moment wollten, war Rache. Wir wollten uns an euch rächen, wollten, dass ihr die Lust am Fußballspielen verliert."

Alica positioniert sich links neben mir. „Ja, wir haben euch und euer Training sabotiert, aber nein, wir haben uns dadurch nicht besser gefühlt."

Elin humpelt zu Romy und stützt sich an ihrer Schulter ab. „Einsicht ist der erste Schritt zur Besserung. Wir haben einen Fehler gemacht. Wir hätten eure Entscheidung akzeptieren und euch euren Traum ausleben lassen sollen."

Sarina stellt sich neben Alica. „Jetzt liegt es an euch, ob ihr uns verzeiht oder nicht. Es geht hier nicht nur um Liebe, sondern um so viel mehr."

Wir nehmen uns alle an die Hand und machen einen großen Schritt nach vorne. „Es geht um Freundschaft!"

Raidens POV

Ich habe absolut keine Ahnung, was hier gerade vor sich geht. Da stehen lauter verrückte Menschen auf dem Fußballplatz und mitten drin steht meine Ex- Freundin Elin. Sie hat mich also tatsächlich nach Spanien verfolgt und mir unnötig Steine in den Weg gelegt? Das werde ich ihr sicherlich nicht verzeihen.

Außerdem habe ich bereits ein Auge auf Leslie geworfen, die dummerweise auch an dem ganzen Theater hier beteiligt war. Schon peinlich, wie die sich alle lächerlich gemacht haben.

„Willst du gar nicht mit Elin reden?", boxt mir auf einmal Zander gegen den Oberarm. Er nickt auffordernd zu meiner Ex- Freundin, doch ich schüttele bloß mit dem Kopf. Ich werde ganz bestimmt nicht mit ihr reden. „Nö", raune ich verbissen, „Kein Bock mich mit dieser Tussi zu unterhalten. Die ist eh für mich gestorben." Der Lockenkopf zieht seine Augenbrauen zusammen und runzelt nachdenklich die Stirn.

„Wenn du nicht mit ihr reden möchtest, dann rede ich halt mit ihr." Ohne noch einmal mit der Wimper zucken zu können, rauscht Zander davon und legt wenig später seinen Arm um Elins Taille. Früher oder später wird er schon noch bemerken, dass die hübsche Blondine ein Griff ins Klo ist.

Ich lasse meinen genervten Blick weiterwandern. Asher steckt einem braunhaarigen Mädchen die Zunge in den Hals, wohingegen sich Cade erst eine Ohrfeige einfängt, aber dann ebenfalls in einen stürmischen Kuss verwickelt wird. Jonah liegt einer Blondine in den Armen und Clay diskutiert nicht nur mit einem Mädchen, sondern zusätzlich noch mit einem anderen Jungen.

Keine Ahnung, warum die Jungs direkt zu ihren Ex- Freundinnen zurücklaufen, aber ihr Verhalten ist echt unmännlich. Wie gut, dass ich mit Elin abgeschlossen habe und mich jetzt ganz allein auf Leslie konzentrieren kann.

Die grünäugige Schönheit lehnt lässig am Torpfosten und zwinkert mir anzüglich zu. Ich folge ihrer stummen Aufforderung und renne hastig zu ihr. „Baby", schnurre ich verführerisch in ihr Ohr und fahre mit meinen Fingerspitzen über ihre Taille. Das amüsierte Funkeln erlischt aus ihren Augen und weicht purem Hass. „Ich habe nachgedacht", lächelt sie falsch, „Du bist ein Arsch, Babe." Ich glaube, ich höre nicht richtig. „Was hast du gerade gesagt?"

„Du bist ein Arsch! Und erbärmlich bist du auch noch." Ich habe nicht einmal die Chance etwas Gemeines zu erwidern, denn im nächsten Moment stöckelt Leslie davon. Unfassbar. Sie hat mich tatsächlich abserviert. Ich müsste vor lauter Wut brodeln, aber das tue ich nicht. Mädchen sind eh alle gleich.

„Was zur Hölle macht ihr hier?!" Ich zucke zusammen und drehe den Kopf nach links. Der Bundestrainer steht bei Elin und ihren komischen Freundinnen und verschränkt die Arme vor der Brust. Keiner wagt es, ihm zu antworten. „Vielleicht sollte ich lieber fragen, wer ihr seid?" Die Mädchen wechseln einen vielsagenden Blick und setzen ein triumphierendes Lächeln auf.

„Wir sind die Spielerfrauen!"

Cades POV

„Schatz..."

Dawsons POV

„...wir müssen reden..."

Henrys POV

„...Die letzten Jahre waren die schönsten in meinem ganzen Leben..."

Jonahs POV

„...und das nur, weil du an meiner Seite warst..."

Ashers POV

„...Wir haben gelacht und geweint..."

Cades POV

„...uns gestritten und danach direkt wieder vertragen..."

Dawsons POV

„...Wir haben so viel zusammen erlebt..."

Henrys POV

„...und ich wünschte, dass wir noch viel mehr gemeinsam erleben könnten..."

Jonahs POV

„...Aber..."

Ashers POV

„...die Zeiten haben sich geändert..."

Cades POV

Romy erhebt sich lächelnd von ihrem Stuhl.

Dawsons POV

Sarina steuert geradewegs auf mich zu.

Henrys POV

Elin schenkt mir einen letzten, geheimnisvollen Blick.

Jonahs POV

Alica beugt sich langsam zu meinem Ohr hinunter.

Ashers POV

Elayna wispert leise: „Du wirst Vater."

Cades/ Dawsons/ Henrys/ Jonahs/ Ashers POV

...und ich zerfließe in züngelnden Freudentränen...

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Kapitel: 62
Sätze: 6.529
Wörter: 83.675
Zeichen: 492.286

Kurzbeschreibung

Von dem eigenen Freund verlassen, damit dieser einem blöden Fußball hinterherlaufen kann?! Was wie ein schlechter Scherz klingt, ist für Romy, Sarina, Elin, Alica und Elayna bittere Realität. Doch die Mädchen wären nicht sie selbst, wenn sie diese Demütigung schweigend akzeptieren würden. Die Engländerinnen folgen ihren Ex- Freunden ins Trainingslager nach Spanien und setzen alles daran, diese vom Fußballspielen abzuhalten. Eine abenteuerliche Reise, geprägt von Freundschaft, Vertrauen, aber auch Enttäuschungen, beginnt. Und wer weiß? Vielleicht gibt es für einige doch noch das lang ersehnte Happy End?!

Kategorisierung

Diese Story wird neben Angst auch in den Genres Liebe, Komödie, Freundschaft, Humor und gelistet.