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Mit Weltmeister Ertan Bicakci durfte ich Interviews für die Magazine KLARTEXT, DRAN und TEENSMAG führen. Hier folgt ein Zusammenschnitt dieser.
Weltmeister im Kickboxen Ertan Bicakci
Hallo Ertan, du bist NRW- und Europa- und Weltmeister. Wie fühlt es sich an, der allerbeste Kickboxer zu sein?
Ertan: Wenn man viel Zeit, Kraft und Leidenschaft in eine Sache reingesteckt hat, dann ist es einfach ein unbeschreibliches Gefühl, wenn man das, was man angestrebt hat, auch wirklich erreicht!
Ich habe mir immer gesagt, dass ich es schaffen werde und darauf gezielt hingearbeitet.
Du hast erst mit 23 Jahren mit dem Boxen angefangen. Wie hast du es trotzdem so schnell (und) so weit geschafft?
Ertan: Als Jugendlicher habe ich Fußball gespielt, saß aber meistens auf der Ersatzbank. Natürlich hatte ich damit auch Ziele gehabt, aber ich habe niemals davon geträumt, Profifußballer zu werden. Es ging eher um den Spaß. Ein Freund hat mich dann mal zum Kickboxen mitgenommen. Ich habe mich sofort in diese Sportart verliebt. Irgendwann wurde dieses Hobby zum Beruf und jetzt verdiene ich meine Brötchen damit.
Mit dem Boxen fängt man ja gewöhnlich mit sieben oder acht Jahren an. Die Schläge, die man auf Dauer abbekommt, schädigen jedoch den Körper. Beim Kickboxen kommen dann noch die Kicks dazu. Kicks haben doppelt so viel Schlagkraft wie eine Faust. Dementsprechend haben die Kämpfer auch einen schnelleren Gelenkverschleiß.
Was ich damit sagen möchte: Es hatte für mich körperliche Vorteile, später anzufangen. Ich habe mehr Gas gegeben, war jeden Tag im Gym. Manchmal habe ich sogar unter dem Ring gepennt und dann am Morgen darauf gewartet, bis die Leute endlich zum Training kommen. So habe ich es geschafft, andere zu überholen. Ich habe mir immer gesagt, dass ich es schaffen werde und darauf gezielt hingearbeitet.
Du hast den Spitznamen Lokomotive. Wieso?
Ertan: Das kommt von meinem Kampfstil. Ich marschiere immer nach vorn bei meinen Kämpfen. Gerade aus bis zum Ziel. (Lacht.)
Ich bin gläubiger Christ und weiß: Ich hatte immer Gott an meiner Seite.
Du hast als Kickboxer 23 unbesiegte Fights hinter dir und keine Niederlage. Was ist dein Geheimnis? Und wie bereitest du dich auf die Wettkämpfe vor?
Ertan: Ich bin gläubiger Christ und weiß: Ich hatte immer Gott an meiner Seite.
Bevor ich mit dem Kampfsport angefangen habe, bat ich Gott bei meinen morgendlichen Gebetsspaziergängen immer darum, dass ich später einmal erfolgreich im Sport werde und dadurch auch einen bestimmten Bekanntheitsgrad erlange. Ich wollte viele Menschen erreichen können, um ihnen von Jesus zu erzählen. Und das wollte ich durch den Sport tun. Diese Gebete wurden tatsächlich erhört. Das ist mein Geheimnis.
Was die Wettkämpfe angeht: In der Vorbereitungszeit bin ich immer sehr angespannt und möchte nicht so viele Menschen um mich herum haben. Dann verbringe ich noch mehr intensive Zeit mit Gott als sonst. Er hat mir in meinem Leben wirklich sehr oft geholfen, besonders bei den Wettkämpfen. Ohne ihn wäre ich nicht einmal halb so weit gekommen.
Etwa drei Wochen vor einem Kampf isoliere ich mich völlig, um mich darauf vorzubereiten. Ich brauche eine Woche, um reinzukommen. Eine, um fit zu werden und die letzte, um kampfbereit zu sein. Aber natürlich trainiere ich auch außerhalb dieser drei Wochen jeden Tag.
Ertan B. nach einem Kampfsieg.
Wie schaffst du es trotz deiner Erfolge auf dem Boden zu bleiben?
Ertan: Gott hat mich dorthin gebracht, wo ich heute bin. Würde ich jetzt abheben, dann würde ich ja mein Versprechen vor Gott brechen, was ich ihm gemacht habe, als ich ihn um den Erfolg gebeten habe.
Außerdem passt Abheben nicht zu meinem Charakter. Ich wurde früher in der Schule gemobbt und sogar geschlagen. Das bedeutet aber nicht, dass ich heute auf die Straße gehe und andere verprügle, nur weil ich jetzt stärker bin. Ich kenne beide Rollen: die des Schwächeren und die des Stärkeren. Ich möchte mich nicht so verhalten, wie die Mobber sich mir gegenüber damals verhalten haben.
Wieso glaubst du eigentlich Jesus und nicht Mohammed, Buddha oder einen anderen Gott?
Ertan: Mit dieser Frage werde ich als Türke ständig konfrontiert. Bei uns ist es üblich, Moslem zu sein. Da fragen mich natürlich viel Freunde – wieso und weshalb Jesus? Vor Jahren habe ich mich mit Freunden auch auf Diskussionen eingelassen, was ich mal lieber hätte sein lassen sollen. Ich habe da einen Freund, den ich vom Glauben überzeugen wollte. Und er wollte mich von seinem Glauben überzeugen. Und im Endeffekt haben die ganzen Diskussionen über den Glauben mit ihm überhaupt nichts gebracht. Für mich kam aber dabei immer heraus, dass Jesus der beste und einzige Weg ist. Und es hat mir gezeigt, wie schön Jesus als Gott und Mensch ist. Wenn man sich damit ein wenig befasst, ergibt der christliche Glaube viel mehr Sinn als alle anderen.
Und wenn man sich die Menschen anschaut, die an Jesus glauben – die haben eine ganz andere Erscheinung, Empathie und vor allem Ausstrahlung als viele Moslems, sage ich mal. Als Christ ist man wirklich ein besserer Mensch, weil man Jesus als Vorbild hat. Klar, wir können nicht so perfekt sein wie er, aber wir streben es an und gehen damit in eine gute Richtung. Schaut man sich andere Glaubensführer an, merkt man, dass sie anderen viel Leid gebracht haben. Das möchte ich mir nicht zum Vorbild nehmen. Jesus ist der einzig wahre Big Boss. (Lacht.)
Angst bringt uns dazu, dass wir härter schlagen, schneller laufen und besser sehen und hören können.
Kennst du eigentlich Angst vor einem Kampf?
Ertan: Ja, natürlich. Obwohl Mike Tyson der Beste in seiner Prime war, hat er vor seinen Kämpfen vor Angst sogar geweint. Angst bringt uns dazu, dass wir härter schlagen, schneller laufen und besser sehen und hören können. Das Adrenalin macht uns wacher und aufmerksamer. Man muss nur lernen, mit der Angst richtig umzugehen. Außerdem bete ich ja auch immer vorher.
Du sagst, du hast vor jedem Kampf Respekt und betest davor. Du meinst auch, dass deine Gebete dir helfen zu gewinnen. Würdest du anders in einen Kampf gehen, wenn du wüsstest, dass dein Gegner ebenfalls ein betender Christ ist?
Vor einem Kampf bete ich solche Sachen wie: „Bitte Gott, lass mich diesen Kampf gewinnen. Lass mich den Gegner und mich selbst dabei nicht ernsthaft verletzen.“ Und bis jetzt hat es immer funktioniert. Natürlich kann es sein, dass ich irgendwann gegen jemanden antrete, der ebenfalls zu Jesus betet. In einem solchen Fall würde ich mit einem Unentschieden einverstanden sein. So können wir beide einigermaßen zufrieden sein. (Lacht.)
Als Kampfsportler findet man seine Verletzungen auch irgendwie cool.
Aber du wurdest doch sicherlich mal verletzt, oder? Was war deine schlimmste Verletzung?
Ertan: Bei einem Wettkampf habe ich einmal gegen einen sehr kampferfahrenen Niederländer gekämpft. Zehn Sekunden vor Kampfende hat er mir einen High Kick gezogen. Dabei hat er mich mit dem Zehennagel am Auge gestrichen und ich konnte auf einmal nichts mehr sehen. Also habe ich mich an ihn geklammert, bis der Ringrichter uns auseinander brachte – das ist ja schließlich erlaubt. Die Zeit war inzwischen abgelaufen und ich hatte gewonnen. Es stellte sich heraus, dass er mein Augenlid aufgerissen und meinen Sehnerv getroffen hatte. Ich wurde sofort am Auge genäht. Jetzt geht es meinen Augen aber wieder gut.
Ich hatte auch schon einige Male meinen Kiefer gebrochen oder etwas geprellt. Zurzeit ist meine Nase gebrochen. Das ist jedoch im Training passiert. Ich verletzte mich viel öfter beim Training als im Kampf. Im Englischen sagt man: Train hard, fight easy.
Und als Kampfsportler findet man seine Verletzungen auch irgendwie cool.
Ertan B. (rechts im Bild) beim Kampf.
Welche Rolle spielt die Anerkennung anderer für dich?
Ertan: Früher war mir Annerkennung sehr wichtig. Als Kind und Jugendlicher wollte ich immer stark werden, aber ohne andere zu unterdrücken. Ich wollte den Respekt meiner Mobber und es ihnen, aber auch mir selbst beweisen. Jetzt konzentriere ich mich mehr auf meine Schützlinge. Die Leute kommen zu meinem Training und merken, dass es gut ist. Dann braucht man das nicht mehr zu betonen.
Was ist dir als Trainer besonders wichtig beim Unterrichten?
Ertan: Ich vermittle meinen Schülern immer wieder, dass sie auf dem Boden bleiben sollen. Und wer bei mir Unterricht nimmt, um später mit seinem Können Leute zu verprügeln, der kann sich sofort wieder abmelden gehen.
Ich unterrichte viele Jugendliche und bei ihnen habe ich schon an mich den Anspruch sie „auf den richtigen Weg“ zu bringen. Sie sollen durch den Sport von der Straße weg. Und weg von der Gewalt gegenüber anderen, hin zur Selbstverteidigung.
Wir trainieren, um fit zu werden. Um Stress abzubauen und das eigene Selbstbewusstsein zu stärken. Und natürlich, um sich selber verteidigen zu können.
Und ich habe tatsächlich auch zum Ziel, dass meine Jugendlichen besser und erfolgreicher werden als ich. Ich selber hatte Trainer, bei denen ich gespürt habe, dass sie nicht wollten, dass ich ihre Leistung überhole. Dabei ist es doch ein starkes Zeugnis für mich, wenn ich meine Schüler so weit bringe.
Deshalb bin ich bei meinen Wettkampfschülern sehr hart, besonders was die Disziplin angeht. Sie lernen bei mir auch was fürs Leben: In der Schule auch mal den Mund zu halten und stillzusitzen zum Beispiel.
Einer meiner Trainer damals war noch viel härter zu mir. Er hat mich mit Stöcken verprügelt. Das war damals gut für meine Disziplin. Aber heutzutage würden sich die Leute wohl alle abmelden. (Lacht.)
Mach deine Hassübung so, als wäre sie deine Lieblingsübung.
Was würdest du einem jungen Kampfsportler auf seinem Weg zum Erfolg mitgeben?
Ertan: Ich kann dazu nur sagen, dass es nie zu spät ist anzufangen. Wenn man motiviert und gewillt ist und man es wirklich mit Leidenschaft macht, dann wird der Erfolg auch von allein kommen. Wichtig ist es, an sich selbst zu glauben. Und wenn man jetzt auch noch mit Gott geht, wird sich alles so einstellen, wie man es sich vorgestellt hat.
Trotzdem ist das alles aber nicht so einfach, wie man sich das vielleicht vorstellt. Ich habe heute eine Nacht eine Nachricht von einem Schüler bekommen, der endlich kämpfen möchte. Aber: Es wird Tage geben, an denen er keinen Bock aufs Training haben wird. Dann muss er seinen inneren Schweinehund überwinden. Nur durch Disziplin und Ehrgeiz kommt der Erfolg. Ein Tipp von mir an alle: Mach deine Hassübung so, als wäre sie deine Lieblingsübung.
Wenn du kein Profi-Boxer geworden wärst, dann wärst du heute sicherlich …?
Ertan: Ich habe eine Ausbildung als Fachkraft für Lagerlogistik und als Groß- und Außenhandelskaufmann abgeschlossen. Danach habe ich sechs Jahre als kaufmännischer Mitarbeiter im Großhandel gearbeitet. Zeitgleich habe ich mit dem Kampfsport angefangen, ohne natürlich zu wissen, dass ich einmal Profi werde. Hätte ich als Kampfsportler keinen Erfolg gehabt, wäre ich wahrscheinlich kaufmännischer Mitarbeiter geblieben.
Wenn du wüsstest, dass du bald sterben musst, wie würdest du die letzten Wochen deines Lebens verbringen?
Ertan: Vor paar Jahren hätte ich diese Frage wahrscheinlich mit weltlichen Dingen beantwortet: Urlaub, Spaß etc. Aber heute weiß ich: Ich würde zu Gott beten und noch die letzten Dinge mit ihm ins Reine bringen. Angst hätte ich vor dem Tod keine. Ich weiß ja schließlich, wo es für mich hingeht …
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