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Von großen Haifischen und kleinen Fischen

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06.04.20 08:33
12 Ab 12 Jahren
Fertiggestellt

In den weiten der Ozeane, Meere, Seen, Flüsse, Bäche und Teiche unterschieden sich die Fische jeher in zwei Großarten – den Haifischen und kleinen Fischen. Wenn ein kleiner Fisch strebsam genug war, durfte er mit den großen Haifischen zusammen schwimmen. Er war ganz stolz darauf, zu den großen Haifischen zu dürfen, dass er die kleinen Fische und ihre Bedürfnisse schnell vergaß.

Die vielen, vielen kleinen Fische waren aber den großen und mächtigen Haifischen ein Dorn im Auge. Viele unter ihnen waren krank, alt und zittrig oder waren einfach nicht strebsam genung – sie wurden immer mehr. Es brauchte eine Lösung. Nachdem die kleinen Fische ausreichend gesättigt und faul genug waren, von der großen Völlerei und Bespaßerei, schlugen die großen Haifische zu.

So fiel von plötzlicher Hand eine greuliche Krankheit in einem weiten Ozean entfernt über die kleinen Fische her.

Die Haifische im blauen Ozean aber beschwichtigten die kleinen Fische, und beteuerten, dass sie die Situation unter Kontrolle hätten, und diese schlimme Fischkrankheit doch weit entfernt wäre.

Während sich noch einige kleine Fische über den Namen dieser Fischkrankheit lustig machten, wurden die ersten kleinen Fische sehr bekümmert und trauten den Aussagen der großen Haifische nicht, und bauten sich erste Vorratshöhlen an.

Zunächst einmal versuchten die großen Haifische, die kleinen Fische abzulenken, indem sie ihnen einfach nicht mehr von der Krankheit erzählten.

Dann aber ging alles ganz schnell. Die ersten Fische wurden furchtbar krank, einige der kleinen unschuldigen Fische mussten ihr Leben lassen und starben qualvoll und einsam. Die anderen, die noch nicht krank wurden, mussten alle schnell in ihre Höhlen, und wehe, wenn ein kleiner Fisch es nur wagte, sich mit mehr als einem Fisch zu treffen, dann gab es von der Haifischpolizei aber Ärger. Einmal versuchte ein kleiner Fisch, in einen anderen Bereich des blauen Ozeans auszuschwärmen. Das wurde ihm strengstens untersagt - ein hohes Bußgeld würde dem kleinen Fisch drohen, wenn er es nur wagen würde. So verbrachten die kleinen Fische ihre Zeit in ihren kleinen Höhlen, Tag ein, Tag aus. Sie taten es auch gerne, denn sie wollten doch ihre schwachen Artgenossen schützen.

Ganz in Haifischmanier vermittelten die Haifische den kleinen Fischen, dass sie die Lage weiterhin vollkommen unter Kontrolle hätten und sie doch alles für ihre Gesundheit täten. Das sagte sogar der Oberhaifisch. Man machte sogar den kleinen Fischen Hoffnung, dass es bald ein Heilmittel gäbe, um das große Sterben unter den kleinen Fischen abzuwenden.

Erste Haifische aber wollten, dass die kleinen Fische wieder aus ihren Höhlen hervorkommen, damit die Fischwirtschaft wieder in die Gänge käme. Es wäre ja schlimm um die Fischwirtschaft bestellt, wenn es doch so weiterginge. Man müsse doch nur ausreichend Schutzkleidung und -masken für die kleine Fischmäuler und Kiemen haben, dann wäre doch alles gut. Und natürlich ein paar mehr Beatmungsgeräte, damit die überwiegend kleinen kranken Fische nicht ganz so qualvoll dahinsiegen. Man müsse es doch verstehen, es gehe hier doch um die Fischwirtschaft, da müsse man doch ein paar Opfer aufbringen können.

Die ersten kleinen Fische trauten ihren Kiemen kaum und schüttelten traurig mit dem Kopf. Sie sollten ihre Eltern, Großeltern oder sich selbst für die Fischwirtschaft opfern. Ihnen kamen Zweifel auf, ob man sie überhaupt retten wollte, denn von dem großen Heilmittel war kaum noch die Rede – eigentlich gar nicht.

Die kleinen Fische waren sich aber sicher, dass es dieses Heilmittel bereits gab, aber man es ihnen nicht geben wollte, da sie noch zu viele waren. Stattdessen hielt man sie hin, indem man sie vertröstete.

Die kleinen Fische wurden zunehmend nervöser in ihren kleinen Höhlen. Manchmal mussten mehrere Fischgenerationen in einer Höhle Tag und Nacht zusammen ausharren. Sie wollten hinaus in den weiten Ozean, was natürlich verständlich war. Aber nur darauf warteten die großen Haifische. Sie wollten, dass die kleinen Fische sich selbst zum Opfer machten, und konnten sich damit ihre Haifischflossen reinwaschen. Der Oberhaifisch erteilte die Erlaubnis, die kleinen Fische wieder frei zu lassen, aber nur unter bestimmten Auflagen. Hörig, wie sie nun waren, richteten sie ihr kleines Fischleben danach aus.

Doch dann begann es, das große Sterben der kleinen Fische – und die Haifische schauten zu.

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Kurzbeschreibung

Die tierischen Protagonisten dieses Textes entsprechen der Parabel Bertold Brechts "Wenn die Haifische Menschen wären". Wie im Brechtschen Text geht es hier um ein Gedankenspiel - im Zentrum dieser Erzählung steht ein Konflikt in einer lebensverändernden Situation.