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Das geht zu weit! - Was kann Fanfiction?

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12.05.20 11:50
Fertiggestellt

Es gibt sie nicht allzu häufig, aber es gibt sie: die Fanfiction, die keine ist. Es handelt sich dabei um sogenannte AUsreden, AUs, die so weit vom Kanon entfernt sind, dass das Fandom darin eigentlich nicht mehr erkennbar ist. Es werden wahllos Namen aus dem Fandom gewählt und in einen völlig neuen Kontext gesetzt, der nichts mehr mit dem Original zu tun hat.

Eigentlich eine sehr klare Definition, wie ich finde. Als ich neulich eine solche Fanfiction mit dem Zusatz kommentierte, warum die Autorin denn nicht gleich ein eigenes Werk schreibe, Wattpad sei dafür ohnehin viel besser geeignet, wurde ich eines besseren belehrt. Ihre Antwort lautete wörtlich: „Ich bin der Meinung eine FF ist dazu da, um sich Dinge hinzuzudenken und auch die Handlung etwas zu ändern."

Ich sagte ihr, dass sie damit zwar grundsätzlich Recht habe, „etwas“ in ihrem Fall aber ein starker Euphemismus sei. Im Übrigen gingen dann ihre Fans mit Fackeln und Mistgabeln auf mich los, der Kindergarten, der den Aufstand probt und so weiter.

Nun, jedenfalls brachte mich das zum Nachdenken, wo denn eigentlich Fanfiction anfängt und so wie aufhört, was sie leisten muss und was nicht.

Grundsätzlich ist eine Fanfiction eine Adaption eines Originals wie jede andere auch, mit den Beschränkungen und Möglichkeiten ihres Mediums Schriftsprache versehen. Der Autor einer Fanfiction ist nicht der Schöpfer des Originals, sei es Buch, Film, Spiel oder was auch immer. Das heißt, er bringt immer seine eigene Note mit hinein. Eine Fanfiction kann also keine eins zu eins Adaption ihres Originals sein, sondern beinhaltet stets mehr oder weniger viel Interpretation seitens ihres Autors.

Schlussendlich bleibt eine Fanfiction aber eine Adaption eines Originals, welches sie interpretiert, vielleicht sogar in einen neuen Kontext setzt (Modern AUs zum Beispiel). Gehen wir zum Beispiel von einer Buch- oder Comicverfilmung aus, dann hatten wir es bereits öfters, dass die Fans des Originals auf die Barrikaden gingen, als die Filmproduzenden die Vorlage völlig neu gestalteten. Ich hörte, auch wenn ich das selbst nicht beurteilen kann, dass das bei einer früheren Deadpool-Interpretation der Fall sein soll, als er noch keinen eigenen Marvel-Film, sondern nur eine Nebenrolle in einem hatte. Oder Eragon, der Film floppte ebenfalls beträchtlich, weil vom Buch nur noch sehr wenig vorhanden war – und auch sonst der Film einige Mängel hatte.

Badfictions – und für mich sind Fanfictions, die keine sind, immer Badfictions – haben nun einmal warum auch immer die Angewohnheit, eine gewisse Fanbase zu haben. Warum, das ist ein anderes Thema. Wahrscheinlich hat, womöglich sogar aus denselben Gründen, auch die Eragon-Verfilmung – und wenn ich böse bin, nenne ich hier auch die Hobbit-Trilogie – ihre fünf Fans. Das ändert schlussendlich nichts an der Qualität.

Alternative Universe hat seine Berechtigung, auch wenn ich persönlich es nicht allzu sehr mag und es nur sehr selten und in der Regel in Parodien verwende. AUs sind eine Form der Interpretation, welcher Art auch immer. Man kann mit ihnen alternative Ereignisse erforschen oder auch überlegen, wie Personen in einer anderen Situation handeln würden und so weiter und so fort. Es gibt einige Möglichkeiten. Schlussendlich ist wichtig, dass das Original noch immer deutlich hervorscheint, denn das ist es, was eine Fanfiction ausmacht.

Über Kanonnähe beziehungsweise -ferne kann man sich streiten. Ich führe gelegentlich Diskussionen mit allosaurus über meine Elrond-Interpretation. Ich weiß, dass sie recht eigen ist, bin aber immer noch der Meinung, dass sie mit dem Kanon vereinbar ist. Er sieht das anders, er ist aber auch ein wesentlich größerer Kanonnazi als ich ;)
 
Schiller sagt zu den Aufgaben der Literatur unter anderem, dass Literatur eine freie Darstellung ist, die dem Zweck der Sache dient. Als Beispiel dient sein Werk Maria Stuart, in welchem Stuart eine junge hübsche Frau ist, obgleich das nicht den historischen Tatsachen entspricht, womit er aufgrund ihrer Attraktivität zusätzliche Spannung in sein Werk einbringen kann. Das kann man auch auf Fanfictions übertragen. Eine Abweichung vom Kanon ist dann gerechtfertigt, wenn ein konkreter Grund vorliegt, wenn der Autor eine ganz bestimmte Aussage treffen will, indem er die Abweichung vornimmt.

Es ist allein meinem persönlichen Geschmack geschuldet, dass ich auch kleine Abweichungen vom Kanon nicht mag und mich lieber stringent an das Original halte. Bei mir wäre Maria Stuart also keine junge, bildhübsche Frau, sondern eine Dame reiferen Alters.

Interpretationen können unterschiedlich ausfallen, das zeigt mein Beispiel mit Elrond. Dann muss jede Seite jedoch gut und nachvollziehbar begründet sein. Oftmals ist es jedoch leider so, dass Abweichungen vom Kanon entweder aus Faulheit, weil Keks oder aus Unwissenheit geschehen, was man auch sehr schnell beim Lesen merkt. Mein Beispiel vom Anfang ist ein solcher Fall. Man sah dem Text deutlich an, dass die Autorin sich nicht um den Kanon scherte, sondern das bisschen, was sie darüber weiß, lediglich dazu nutzte, um generische Mary Sue Nr. 12.421 einzuführen. In diesem Fall hat das nichts mit persönlichem Geschmack zu tun, wie die Autorin behauptete. Sie sagte mir: „Wenn du der Meinung bist, dass ich das zu viel oder unangemessen gemacht habe, dann ist das so.“ Hier liegt schlicht der Fakt vor, dass der Text nicht die Aufgabe einer Fanfiction erfüllt.

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Easxyas Profilbild
Easxya Am 21.01.2017 um 22:09 Uhr
Sehr gelungene Überlegung zu sogenannten AUs, über die Kanonnähe kann natürlich immer verhandelt werden, aber da hat wohl jeder seine Präferenzen. Oft stellen diese AUs zwar keine wahren Bereicherungen des Fandoms (mit ein paar Ausnahmen) dar, doch es ist interresant zu sehen wie andere Leute den Stoff aus dem Original auslegen und wenn es schlecht geschrieben ist, bietet es Grund zur Belustigung.
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Easxya Am 22.01.2017 um 15:46 Uhr
@Elenyafinwe Das ist auch meine Motivation, viele verschiedene und unterschiedliche Fanfictions zu lesen um sie dann mit dem Stoff aus dem Original zu vergleichen.
Leider ähneln sich viele Fanfictions gerade in Punkto Aufbau (oder nicht-Aufbau), Charakter (bzw. Pappaufsteller) und Setting ( was ja an sich nicht schlecht ist, aber oft als eine Ausrede zum nicht beschreiben ausgelegt wird, nach dem Motto “ihr wisst ja alle wie es aussieht“) so sehr, dass man meinen könnte, sie wären alle von einer gleichen Person geschrieben worden... Gerade auf Wattpad verzfeilt man daran...
Tut mir leid, ich habe mich gerade etwas in Rage geschrieben. ':D
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Elenyafinwe
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(Autor)
Am 22.01.2017 um 15:32 Uhr
@Easxya Wahre Worte zum Sonntag :D Gerade das ist aber auch irgendwie das Spannende an FFs: Wie die Autoren der FFs jeeeips unterschiedlich den Kanon auslegen.
Lg Auctrix
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Easxya Am 22.01.2017 um 15:26 Uhr
@Elenyafinwe Ich sehe das auch so.
Irgendwie kreiert jeder Autor, selbst wenn er Fanfictions schreibt sein kleines eigenes Universum, die nur durch die Nähe zum originellen Werk variieren. Weil letztendlich kann nur der wahre Autor wirklich in dem Canon schreiben, da sein Wort ja Canon ist. ;)
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Elenyafinwe
M
(Autor)
Am 22.01.2017 um 15:07 Uhr
@Easxya Ja, da gehen die Meinungen echt weit auseinander ... Ich hatte ja das Beispiel mit Elrond. Wenn man da sagt, dass das AU wäre, würde ich gar nicht mal so heftig Widerspruch einlegen. Klar, im Kanon direkt gibt es keine eindeutigen Stellen, die sagen, dass meine Interpretation nicht ginge. Gewagt ist sie dennoch :D
Schlussendlich kann man vlt sagen: Wenn es eine logische Begründung für das AU gibt ubd es irgendwie Sinn macht, kann man pauschal außer durch eigene Befindlichkeiten nichts dagegen sagen.
Lg Auctrix
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Easxya Am 22.01.2017 um 14:23 Uhr
@Elenyafinwe Gern geschehen :)
Ich mag persönlich AUs gerne, wenn sie aber ausreichend gerechtfertigt sind. Wenn es nur ein AU um des AUs Willen ist ... dass ist fast genauso schlimm als wenn es unabsichtlich passiert.
Über die Definition von AU bzw. ihrer Grenze zu “normalen“ Fanfictions kann auch gestritten werden... Manche behaupten allein eine minimale Abänderung erschafft ein AU, andere wiederrum meinen es müssten schon schwerwiegende Änderungen sein. Hier ist auch wieder die Frage: Was bezeichnet man als schwerwiegend oder minimal? Wie du schon sagtest ist das Thema sehr kontrovers.
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Elenyafinwe
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(Autor)
Am 21.01.2017 um 22:52 Uhr
Hallo,
danke für Kommentar und Bewertung! :) AUs sind echt so eine Sache ... Man mag sie oder man mag sie nicht. Man macht sie bewusst ... oder sie passieren unfreiwillig und dann ist meist eh Hopfen und Malz verloren. Ob sie jetzt, wenn sie denn bewusst gemacht wurden, eine Bereicherung sind, sei auch mal dahingestellt. Ist halt vieles eine Streitfrage in dieser Sache.
lg Auctrix
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PacoM Am 30.01.2017 um 21:21 Uhr
Wenn man sich für seine Geschichte eben bekannte und bei Schülerinnen (die die Hauptleserschaft darstellen) beliebte Vorbilder und vor allem deren Namen ausborgt bekommt man eben gleich mindestens 10 mal soviel Leser als würde man dieselbe Geschichte als eigenes Werk ohne Fanfiction-Bezug veröffentlichen.

Das ist natürlich ein gewichtiger Grund das zu tun, wird so offen halt auch kaum jemand zugeben, daher bekommt man dann die teils aggressiven Reaktionen auf so Anfragen ;)
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Elenyafinwe
M
(Autor)
Am 31.01.2017 um 22:06 Uhr
@PacoM Hallo,

Warum man veröffentlicht? Weiß nicht. Fame ist aber auf keinen Fall der einzige Grund. Ich tu es, um Feedback zu erhalten und um zu sehen, wie meine Texte bei Lesern ankommen, wo man noch schrauben kann und so. Mit Fame hat das null zu tun. Ehrlich gesagt würde ich mit FFs auf Wattpad auch das nicht erziehlen wollen und können - jedenfalls nicht mit meinem Kontent. Die Autorin, die ich im Text ansprach, schrieb ebenfalls eine Tolkien FF, und aus meiner eigenen Erfahrung heraus kann man damit nicht "fame" werden auf Wattpad. Die Motivation MUSS in diesem Fall also eine andere sein. Das ist wie mit YT: Die Wahrscheinlichkeit, damit sein Geld zu verdienen, ist verschwindend gering und lohnt den Aufwand aus dieser Motivation heraus absolut nicht.
Ich denke eher, dass die Ursache in nicht reflektiertem Lesen liegt. Alle machen das, ich will dazu gehören, also ahme ich es nach. Üblicherweise schreiben Teenager solche FFs, Teenager wollen zumeist dazu gehören, wozu auch immer.

Und doch, ist es eigentlich schon. Vlt nicht in Foren üblich, aber auf allen Archivseiten, die ich kenne, mit Ausnahme von Wattpad.
Lg Auctrix
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PacoM Am 31.01.2017 um 21:23 Uhr
@Elenyafinwe Hallo nochmal,

es liegt mir fern hier irgendwen an den Pranger stellen zu wollen noch will ich das verallgemeinern, es mag noch viele andere Gründe für so etwas geben. Ich hab das selbst ausprobiert also ist das mehr ein Erfahrungsbericht, ich würde auch nicht soweit gehen mich oder andere die das tun als "Famehuren" zu bezeichnen.

Ich seh das eher pragmatisch; wozu veröffentlichen wir überhaupt Geschichten im Internet? Damit sie gelesen werden und wenn ich dann durch einfache Namensänderung meiner Hauptdarsteller die zehnfache oder hundertfache Leserschaft anziehe warum denn nicht?
Wenn ich an "fame" also Leserschaft überhaupt nicht interessiert wäre dann veröffentliche ich eben gar nicht, auch ok; aber deswegen kommt Veröffentlichen und sich an der potentiellen Leserschaft orientieren noch lange nicht der Prostitution gleich ;)

Gruß,
Paco (die Grußformeln ließ ich nicht aus mangelnder Höflichkeit weg sondern weil das ansonsten in Internetforen absolut unüblich ist)
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Elenyafinwe
M
(Autor)
Am 31.01.2017 um 8:11 Uhr
@PacoM Hallo,

Ich maße mir nicht an, über die Beweggründe anderer FF Autoren zu urteilen. Es so zu verallgemeinern, ist jedoch in jedem Fall falsch. Es gibt gewiss ein paar Famehuren, das streite ich nicht ab. Das aber als Hauptmotivation für FFs schreiben hinzustellen, geht irgendwie nicht. Ich würde wohl kaum in einem Fandom als Kanonnazi verschrien sein, das quasi nur noch aus 10th Walker Sues und ME meets RL besteht, wäre ich auf die Klicks auf.
Und ein paar Grußformeln fände ich irgendwie, nun, höflicher ...

Lg Auctrix
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PacoM Am 30.01.2017 um 22:44 Uhr
@Elenyafinwe Dann versuch ich es mal mit einem Beispiel:

Angenommen ich schrieb eine eigene Geschichte mit von mir erfundenen Hauptdarstellern. Dann könnte ich diese Geschichte einfach so hochladen und bekäme vielleicht 100 Leser nach 3 Monaten.
Oder ich nenne meine Hauptdarsteller Harry Styles, ‎Zayn Malik, ‎Niall Horan, ‎Liam Payne und bekomme mit derselben Geschichte 100 Leser in den ersten 3 Stunden nach Veröffentlichung.

Ist damit die Motivation eine Fanfiction, die keine ist doch als solche zu deklarieren, geklärt?
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Elenyafinwe
M
(Autor)
Am 30.01.2017 um 22:08 Uhr
Hallo,

Danke erst mal für deinen Kommentar. Aber kannst du bitte etwas genauer werden? Ich weiß gerade nicht, worauf du dich beziehst.

Lg Auctrix

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Kurzbeschreibung

"Das ist halt Fantasie, ich darf das!" So oder in ähnlichen Ausführungen lauten mitunter die Reaktionen, wenn man eine FF kommentiert und dem Text unschönes AU bescheinigt, gern auch einmal AUsrede genannt. Aber darf man auch in einer FF seiner Fantasie völlig freien Lauf lassen? Ich denke nicht.