Wenn ich an den Regalen meiner Stammbuchhandlung vorbei schlendere, fallen mir ein paar Dinge auf. Unter anderem, dass die Fantasyecke immer kleiner wird und Thalia lieber Krimskrams hinstellt. Nicht ok! Mir fällt vor allem aber auch auf, dass es momentan gewisse Trends gibt, die ich ehrlich gesagt nicht so schön finde. Abklatsche von Twilight und den Hunger Games sind an der Tagesordnung ebenso wie billige, farblose Fantasy, die sich rühmt, »der neue Tolkien« zu sein, aber schlicht Schundliteratur ist. Und Romanzen, Romanzen, Romanzen, dass einem schon schlecht wird von all der rosa Zuckerwatte.
Ich lese gerade den Herrn der Ringe, und da wird wunderbar deutlich, was ich schon immer gepredigt habe: Es ist Schwachsinn zu behaupten, dass es notwendigerweise eine wie auch immer geartete Liebesgeschichte als Plot oder Subplot bedarf, um dem Text Spannung und Dynamik zu verleihen. NEIN! Und ich kann es einfach nicht mehr hören!
Die Liebesgeschichte von Aragorn und Arwen, spielt, auch wenn sie eine große, wenn auch weder die einzige noch maßgebliche Motivation Aragorns ist, nur am Rande eine Rolle, und eigentlich erfährt der Leser erst im Anhang mehr darüber. Und ist Der Herr der Ringe nun deswegen ein langweiliger Wälzer? Ganz und gar nicht! Sein Hauptaugenmerk liegt auf Freundschaft und Treue, und einem geht förmlich das Herz auf, als Frodo am Ende doch scheitert und er überhaupt nur deswegen die Sammath Naur erreicht, weil Sam ihm beisteht.Welche Herzen fliegen da nicht diesen beiden unglaublichen Hobbits zu?
Auf der anderen Seite gibt es die Drachenelfen vom Herrn Hennen und Nandalee, die mir unglaublich auf den Keks ging. Schrecklicher Charakter! Ihre Liebesbeziehung zu Gonvalon hat der Handlung absolut nichts gegeben und wirkt so offensichtlich hineingequetscht, um einfach nur allein der klebrigen rosa Zuckerwatte wegen eine Liebesgeschichte zu haben.
Twilight ist in erster Linie eine Romanze, die einen so unglaublichen Erfolg erzielte, dass sie ein ganzes Subgenre der Fantasy, die Romantasy, aus dem Boden stampfte. Das ist eine nicht zu verachtende Leistung, keine Frage – das gibt den Büchern aber nicht mehr Qualität. Ich war ehrlich gesagt froh, als meine Buchhandlung endlich ein eigenes Regal dafür hatte, damit ich gezielt einen weiten Bogen darum schlagen konnte.
Dass ein bestimmtes Subgenre ein eigenes Regal bekommt, bedeutet doch vor allem eines: Eine bestimmte Zielgruppe Leser hat eine ausreichende Größe, sodass sich diese exponierte Stellung auch in einer kleinen Stadt rechnet. Leute wollen die immer gleiche Neuauflage von Speschöl Bella und Smexy Edward lesen. Leute wollen immer wieder auf's Neue den Klonen von Katniss und Peta dabei folgen, wie sie die Tyrannen ihrer Welt niederwerfen – und dabei lieber sinnlos ballern, statt den weitaus naheliegenderen diplomatischen Weg zu wählen. Denn auch in der Jugenddystopie ist die Situation kaum eine andere: Es wird produziert, was sich schon einmal bewehrt hatte.
Nun sind Verlage wie jedes andere Unternehmen auch kapitalistisch orientiert. Sie müssen Gewinn machen, um bestehen zu können. Wenn also ein Schema A gezeigt hat, dass es eine breite Zielgruppe bedienen kann, wird Schema A so lange ausgewalzt, bis auch der verbissenste Fan von Bella und Edward genug davon hat. Anscheinend ist das ja noch immer nicht der Fall.
Ich verstehe das. Ich verstehe das voll und ganz. Die Verlage sollten dafür nicht an den Pranger gestellt werden, dass unsere Buchregale immer weniger Diversität aufweisen und fast nur noch Schema A bedienen. Es ist ein anderer Beteiligter: der Leser.
Wer bedient denn all diese Trends? Wer ist denn der dankbare Abnehmer der drölfzigmilliardsten phantastischen Romanze oder dystopisch-heroischen Rebellion gegen die Tyrannen? Der Leser.
Ja, gegen Romantasy habe ich auf jeden Fall so einige Vorbehalte. Gegen Jugenddystopien per se nicht, ganz im Gegenteil sprechen sie mich sogar grundsätzlich an. Abgesehen davon, dass Collins absolut nicht schreiben kann, haben mir die Hunger Games nämlich durchaus gefallen. Hier finde ich es nur so bedauerlich, dass auch dieses Genre zu seinem eigenen Abklatsch verkommen ist. Es kopiert sich immer wieder auf's Neue, ohne groß etwas zu verändern. Es stagniert.
Sind wir ehrlich: Der erste große Trend in der Fantasy war Der Herr der Ringe. Und was für ein Trend das war! Ohne Tolkien keine Fantasy, das ist der Wahlspruch der Deutschen Tolkien-Gesellschaft, und so ist es auch. Es gibt aber einen entscheidenden Unterschied zu den Klonen von Twilight und Hunger Games.
Schaut man sich den Herrn der Ringe einmal an, wird eines offensichtlich: Es ist ein großes literarisches Meisterwerk, das keine reine Popcornliteratur ist, sondern auch mit zahlreichen künstlerisch wertvollen Aspekten aufwarten kann.
Und was ist Twilight? Nichts. Popcorn. Platte Unterhaltung. Smexy Vampire und Gestaltwandler. Oder, um es mit der ReziMafia zu sagen: Er ist ja SO! SCHÖN!
Um gleich Missverständnisse auszuräumen: Ich habe absolut nichts gegen Unterhaltungsliteratur in Abgrenzung zur gewichtigen Belletristik. Ich lese ja selbst fast ausschließlich Unterhaltungsliteratur. Ich habe jedoch etwas gegen leere Worthülsen und inhaltslose Buchstabenberge, die absolut unreflektiert mit ihrem Stoff umgehen und/oder einfach nur auf irgendwelche Trendzüge aufspringen, weil die gerade gut fahren.
Ich glaube, das ist auch der Grund, warum dann ganze Klassen von Teenagern sich hinstellen und geschlossen sagen, dass Preußlers Krabat ein totlangweiliges Buch ist. Kein Scherz, die Aussage habe ich tatsächlich jüngst in einem Kommentar auf Wattpad gefunden. Ich bin fast so sehr vom Glauben abgefallen wie damals, als ich lernen musste, dass es Menschen deutscher Nation und Muttersprache gibt, die Goethe nicht kennen. Aber wundert es einen wirklich? Wundert es einen, dass Jugendliche Krabat langweilig finden, wenn ihnen stattdessen in den Buchregalen die x-te Liebesgeschichte alá Stephenie Meyer vorgelegt wird und sie daher lieber oberflächliche Romanzen lesen, weil sie mit anderem Zeug eigentlich nur in der ohnehin nicht geliebten Schule konfrontiert werden? Er ist ja SO! SCHÖN!
Das spiegelt sich übrigens auch sehr deutlich in den momentanen Lesetrends wieder. Awards wie der Lovelybooks-Leserpreis sind kein Award der besten Bücher des Jahres. Wer das glaubt, belügt sich selbst. Es ist ein Awards für die beliebtesten Bücher des Jahres. Beliebtheit korreliert bekanntermaßen nicht notwendigerweise mit Qualität. Herrgott, ich hab doch auch nur für meine Lieblingsautoren gestimmt, weil Lieblingsautoren und nicht weil Qualität (auch, aber das wird sicher nur in meinen Augen so gewesen sein). Ich bin fast vom Glauben abgefallen, als ich gesehen habe, dass Plötzlich Banshee von Nina McKay den zehnten Platz belegt hat. Wie der eine oder andere sicher mitbekommen habe, habe ich diesen Schund nach Strich und Faden verrissen, denn mehr verdient er einfach nicht.
Um Gotteshimmelswillen! Natürlich sollen die Leute lesen, was sie wollen! Niemand verbietet es ihnen! Gleichzeitig muss ich aber auch nicht alles gutheißen, was so in der Welt der Literatur passiert, ebenso wie ich wohl akzeptieren muss, dass ich anscheinend zu einer Minderheit gehöre.
Und es gibt noch etwas, das mich immer mehr stört: Reihen. Es muss immer eine elende Buchreihe sein. Möglichst fette Klopper und möglichst viel Geld scheffeln. Ich will einfach mal nur ein einziges Buch lesen und dann fertig sein, statt wieder Monate auf die Fortsetzung zu warten. Und dann dieser Trend, dass ein englischer Band auf zwei Deutsche Bände aufgeteilt wird. Die Krönung des ganzen waren für mich ja die Sturmlichtchroniken. Ehe ich kapiert hatte, dass es eigentlich bisher nur zwei statt vier Bücher sind, dauerte es drei Bände lang, mittlerweile steige ich ohnehin konsequent auf Sandersons englische Bücher um. Die Sturmlichtchroniken sollen zehn Bände bekommen, was schon mordsmäßig viel ist, weil jeder Band locker 400k Wörter umfasst und umfassen wird; Oathbringer, der dritte Band, der im November 2017 erscheinen soll, ist sogar noch länger geworden. Daraus 20 deutsche Vollpreistitel machen zu wollen, ist schon ein dickes Ding.
Gegen Wälzer habe ich prinzipiell nichts, wobei ich es auch immer schön finde, zur Abwechslung mal ein dünnes Büchlein zu lesen, mit dem ich mich einen Nachmittag mit Tee, Keksen und meiner Kuscheldecke auf mein Sofa schmeißen kann und danach durch bin. Aktuell [Anm.: Ich hatte den Text bereits im Dezember geschrieben] lese ich zwei von Cornelia Funkes Weihnachtsbüchern, weil heute noch Advent ist und morgen schon Weihnachten. Das ist schön. Das sind Leckerbissen für zwischendurch. Das bietet Abwechslung, nebst den ganzen Fantasyepen auch einmal kurz in eine andere Welt abzutauchen, die vielleicht auch ein wenig fluffiger ist als A Song of Ice and Fire oder der Herr der Ringe.
Und dann die Reihen. Wenn ich dann doch mal zu einem Buch greife und mir interessiert den Klappentext durchlese, fällt mein Blick meist zuerst auf den unteren Teil der Rückseite, denn dort steht meistens »Auftakt der neuen epischen Reihe von XY« oder »Band soundso der epischen Reihe von XY«. Üblicherweise lese ich dann gar nicht mehr weiter und stelle das Buch zurück. Ja, Reihen sich für mich zu einem essenziellen Grund geworden, dass ich ein Buch nicht kaufe – gar nicht zu reden von diesen schwachsinnigen Vergleichen wie »Der neue Tolkien!« Nein! An Tolkien kommt niemand heran! Sanderson und Martin sind auch großartig, aber jeweils auf eine ganz andere Art und Weise.
Meist ist es nämlich so, dass ich doch ein Buch kaufe, bei dem ich schon gern wissen würde, wie es weitergeht, zumal die meisten Reihenbücher eben nicht als Einzelbände funktionieren, was echt schade ist. Das betrifft Sanderson zum Beispiel nur zum Teil. Elantris, Steelheart und Rithmatist funktionieren alle drei hervorragend als Einzelbände. Bei Steelheart dachte ich sogar eine ganze Zeit lang, dass das ein Einzelband ist, und fiel dann ganz begeistert aus allen Wolken, als ich Firefight geschenkt bekam. Elantris und Rithmatist bekommen beide Fortsetzungen, Rithmatist 2 ist sogar schon in Arbeit, wie ich das mitbekommen habe (an dieser Stelle der Hinweis auf den diesjährigen State of the Sanderson, wer mehr wissen will). Bei Sanderson allein bin ich da auch immer ein wenig zwiegespalten. Einerseits wäre es natürlich schön, wenn auch er ein paar Einzelbände hat, andererseits … MEHR SANDERSON!!! Entschuldigt bitte den Capslock, das drückt aber recht deutlich meine Begeisterung aus.
Ansonsten jedoch kann ich super auf Reihen verzichten. Irgendwie hat man dann nämlich immer das Gefühl, auch die Folgebände kaufen zu müssen. Ich meine, ich bin selbst von den Blausteinkriegen irgendwie (komischerweise) angefixt und wüsste gern das Ende, obwohl ich die ersten beiden Bände nun wirklich nicht für das Gelbe vom Ei halte. Na ja, und dann wie gesagt das Splitten englischer Bücher heiße ich absolut nicht gut, vor allem, wenn es so absurde Ausmaße annimmt wie bei den Sturmlichtbänden. (Lest sie trotzdem auf Englisch, sie sind göttlich!)
Es hat sich über die Jahre hinweg ein gewisser Frust bei mir angestaut, der sich zweifelsohne in diesem Text widerspiegelt, der jetzt mehr zu einem Rant wurde, als er hätte werden sollen. Sorry not sorry. Denn eben genau diese Trends sind es, die dafür gesorgt haben, dass ich mittlerweile bei weitem nicht mehr so leidenschaftlich gern in Buchläden stöbere wie früher. Ich stehe vor den Regalen, sehe die hübschen Cover, lese die Klappentexte und denke mir: »Langweilig. Langweilig. Langweilig. C&P. Langweilig. Kenn ich schon. Langweilig. Noch mal langweilig.« Das macht einfach keinen Spaß mehr. Ich kaufe mittlerweile fast ausschließlich nur noch nach Empfehlung oder wenn ich schon vorher weiß, was drin ist, sprich den Autor kenne. Von Sanderson kauf ich blind alles, wird eh geil. Aber ansonsten … Ich bin vorsichtig geworden und selbst Empfehlungen können sich als Fehlgriff entpuppen. Ein gutes Beispiel sind die Blausteinkriege. Irgendwie scheint die jeder zu feiern. Ich jedoch finde sie zwar nicht direkt schlecht, aber streckenweise doch sehr langweilig und uninteressant.
Also, ihr Leser da draußen: Do your thing! Ihr kennt jetzt euren Job. Und gebt euch bei Gelegenheit Lauras Videos, die sind klasse.