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The Last Temptation?

6
27.12.24 14:52
6 Ab 6 Jahren
Fertiggestellt


Alice Cooper

Okay ich gebe zu, ich habe es erwartet.
Genau das.
Ich sitze im Dönerladen und es ist ca. 45 Minuten vor „Welcome To The Show“.
Mit mir sitzen ein paar Mitfünfziger in Kleingruppen zusammen und reden teils mit vollem Mund, teils niederländisch - ich bin in Lingen. 
„Ist heute Konzert oder was?“, die Frage der juvenilen Thekenkraft scheint mir überflüssig, wieviele Indizien sind wohl noch nötig für den Erkenntnisgewinn der fleißigen Fastfoodfachkraft?
Patch für Patch setzen sich doch die unverkennbaren Anzeichen zur Kutte der Gewissheit zusammen:
Da wären das leere Bierfach, das zwischen Ayran und Ulundag im flackernden Licht des kühlen Tabernakels gähnt, kurze Cargohosen und graugeschleierte bis fleischfarbene Köpfe, die aus verwaschenen AC/DC Shirts stippen und eben jene Kutten, die wie Opas Wanderstock mit bunten Plaketten bis zu den fransigen Ärmelansätzen mit allerlei Streitäxten und bis zur Unkenntlichkeit verschnörkelten Bandnamen plattiert sind.
Wäre es angebracht, hey Stoopid, it´s Alice, the Master of Madness und somit den letzten Vers der Offenbarung ins fragende Antlitz zu rufen?
Ja! 
Die argwöhnisch beäugte Gemeindeversammlung und ich wollten Zeugen der Legende Alice Cooper sein, der einen seiner seltenen Ausflüge aus dem Rockolymp ausgerechnet hier ins Emsland unternahm, um noch einmal ein paar seiner gleißendsten Blitze aus dem Zepter (Gehstock) in die darbende Menge zu schleudern.
Und so sollte es dann auch sein. Ein bis zwei Wegbier später an der Emsland-Arena angekommen, empfing mich das gewohnte Bier-Kebap Miasma und DORO, die Grand Dame der deutschen Rockmusik.
Die Eisenerzkönigin war dem Anlass entsprechend auch ins feinste Leder geschlüpft, hatte die Edelstahl-Ketten aufpoliert und peitschte die Fußwipper und Kopfnicker ins Nostalgie Nirvana.
Nach der üblichen Lobhudelei auf den Main Act dieses jetzt schon unvergesslichen Abends, hieß es dann endlich:
Raise your fist in the air!
Für Furnier!
Also Alice.
Der ließ die Masse nicht kalt werden und brannte, den Flanierstock unter den Arm geklemmt, ein Showfeuerwerk vom erwartet Feinsten ab.
Bunt und blutig köpfte, säbelte und pfählte er sich durch die Statisten, ließ Frankesteins Monster direkt von der Geisterbahn der angrenzenden Kirmes liebeshungrig über die Bühne stolpern und sang sich so in die Herzen seiner Zeugen und Wähler. 

Alles was für eine anständige Winkewinke-Tournee auf die Setlist gehört, war dabei (also die ersten zehn Titel Vorschläge bei Google oder den gängigen Streaming Diensten).
Auch was von der „Last Temptation“, die Scheibe, mit der bei mir alles begann.
Bis jetzt, da ich in Cargohose, glatzköpfig fußwippend unter uns bin und mir zwanghaft ein Dönerbäuerchen zu verkneifen suche.

In your honour

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