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Sätze: | 50 | |
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Es ist nicht leicht, als Frau in freier Wildbahn, auf der Suche nach IHM.
ER - der, von dem die Protagonistin eines jeden Liebesfilms am Ende immer auf stürmischste und romantischste Art und Weise geküsst wird, wissend, dass von jetzt an alles ganz wunderbar rosarot und problemlos sein wird. ER - der etwa ab dem dreizehnten Lebensjahr eines jeden Mädchens Mittelpunkt all ihrer Gespräche unter Freundinnen sein wird, sei es nun, weil er auf dem Pausenhof mal wieder so unheimlich niedlich gelächelt oder aber (schäm dich, Idiot!) mal wieder tagelang nicht zurückgeschrieben hat. ER - der sagenumwobene Märchenprinz, der tagein tagaus in so gut wie jedem im Radio laufenden Song besungen wird, als Erfüllung aller Träume oder in den traurigeren Fällen als der, den wir nie vergessen und ganz sicher bis ans Ende aller Zeit vergöttern werden.
Kurz: der Mann, in den man sich verlieben kann (und: möchte). DER RICHTIGE.
Es ist tatsächlich nicht leicht. Es ist ein Kampf. Es ist anstrengend, es ist kräfteraubend, es ist verwirrend und verworren und zeitweise sogar richtiggehend absurd. Und wenn man diese Jagd erst einmal ein paar Jahre lang mitgemacht hat - so wie ich, ich bin jetzt 25 und seit meinem sechzehnten Lebensjahr mehr oder weniger mit eher frustrierenden amourösen Episoden befasst - schwindet einem zuweilen die Energie. Selbst das einfachste Kennenlerngespräch mit den immer gleichen Fragen nach Herkunft, Alter, Studium und wenns mal ganz abenteuerlich läuft vielleicht den Hobbies oder der Lieblingsserie, wird dann zuweilen zur Zerreißprobe für die geschundenen Singlenerven.
Das würde ich dem Mann - wohl eher Jungen - der mir gerade in der Bahn gegenübersitzt, zu gerne erklären. Vielleicht würde er dann seinen ungeheuer erwartungsvollen Blick ablegen und einfach von dannen ziehen, ohne noch weiter krampfhaft darauf zu hoffen auch nur ein kleines Anzeichen meiner Zuneigung für ihn zu erhaschen. Vielleicht dürfte ich danach einfach guten Gewissens schweigen, bis endlich meine Station gekommen wäre. Müsste nicht mehr versuchen, witzig und geistreich auf witz- und geistlose Fragen zu antworten. Müsste auch nicht mehr auf Teufel komm raus versuchen interessant zu sein und nebenbei auch noch wunderschön, begehrenswert, sexy auszusehen (um sieben Uhr morgens, ohne Schlaf!). Könnte mir sparen, kokett meine Haare zu werfen, gerade zu sitzen um bloß nicht fett auszusehen, gewinnend zu lächeln, mit Blick tief in seine Augen. Und all den anderen Mist dieser Art.
Aber natürlich tue ich es nicht. Ich spule brav und pflichtbewusst das volle Programm ab, ringe mich am Ende, als die Bahn endlich die Station erreicht, an der ich - dem Himmel sei dank- aussteigen muss, sogar noch zu einem beidseitig nervösen, von einem etwa drei Sekunden zu langen Zögern angekündigten, Krampfkuss zum Abschied durch. Und gehe nach Hause. Mal wieder desillusioniert und wieder ein kleines bisschen genervter von dem ganzen Terz, den man Dating nennt.
Den besagten Jungen - wir nennen ihn Fliege - habe ich als Freund eines Freundes kennengelernt, ganz zwanglos bei einem feuchtfröhlichen Sit-In im Park. Vielversprechend. Eigentlich die beste Art, einen potentiellen Partner, Freund, Liebhaber, was auch immer kennenzulernen, wie ich finde. Weil man sich so zumindest anfangs diesen ganzen Druck spart, der sich aufbaut, wenn man weiß, man trifft sich gerade nur, um auszuloten, ob der Andere vielleicht jetzt endlich DER EINE sein könnte. Außerdem schweißen gemeinsame Erlebnisse bekanntlich zusammen und was an einem wir-treffen-uns-im-Cafe-und-reden-nur-belangloses-Zeug-Date ein Erlebnis sein soll, habe ich sowieso nie verstanden.
Deshalb auch dieses zweite Treffen mit der Fliege in einem der einschlägigen Berliner Clubs. Kein dröges Geplaudere und „ich bin ja so ein Mensch, der…“ sondern direkt ein gemeinsames Abenteuer, voll auf die Zwölf zwischen ekstatisch tanzenden Menschen, buntem Licht und von der Decke tropfendem Schweiß. Man tut den ersten Schritt in Richtung Kennenlernen, es bleibt aber kaum Raum für unangenehmes Smalltalk-Geplänkel und sonstige Unannehmlichkeiten. Die Fliege hat es trotzdem geschafft. Mein innerer Kampf mit ihm begann schon in der Warteschlange vor dem Club, wo er, gemeinsam mit dem ach so niedlichen Kuschel-Wuschel-Pärchen welches er zum Treffen mitgebracht hatte, jede Kommunikation mit anderen Wartenden im Keim erstickte (Wir sind eine geschlossene Gruppe und wollen bloß nicht unseren Horizont erweitern!! Ganz besonders coole, offene Berliner sind wir aber trotzdem, Bitteschön, immerhin nehmen wir Drogen und gehen zu Techno feiern…) und mich gleichzeitig immer wieder völlig unmotiviert, dafür aber mit einiger Bestimmtheit, dem Vorbild des immer aneinander hängenden Pärchens folgend, an sich zog und begrabbelte. Wohl um zu zeigen „Hier gibt es nichts zu holen“. Dabei wäre ich doch so gerne schon an diesem Punkt des Abends von irgendwem „geholt“ worden, um bloß dieser beklemmenden Situation zu entgehen. Trotzdem: Irgendwann kommt das Ende einer jeden Schlange, es geht bergauf, so hoffe ich.
Nach etwa zehn Sekunden im Club hat mein Begleiter kein T-Shirt mehr an. Man muss ja schließlich demonstrieren, wie jung und wild man ist. An sich habe ich damit kein Problem, es ist heiß an diesen Orten, man schwitzt, warum sich nicht ein bisschen erleichtern und das ein oder andere Kleidungsstück ablegen. So demonstrativ zu Schau gestellte Coolness, Offenheit, nicht vorhandene Bauchmuskeln finde ich aber doch eher befremdlich, vor allem von einem solchen Bubi wie er es war. Fliege dagegen war wohl davon überzeugt, barbrüstig wie er jetzt war, würde er eine gesteigerte Anziehung auf mich ausüben, was dazu führte, dass er auch auf der Tanzfläche nicht anders konnte, als mich ohne Unterlass halb lüstern, halb eifersüchtig auf jeden der umstehenden Männer, an sich zu ziehen, zu betatschen und seinen Schweiß mit meinem zu verschmieren. Hmm…Lecker. Da mir dieses ganze Schauspiel schon nach einer kurzen Weile zu bunt wurde, wollte ich mir wenigstens ein paar Minuten Ruhe auf der Toilette genehmigen. Sie waren mir nicht vergönnt. Eine, aufgrund meiner Handzeichen „ich geh mal kurz raus, komme gleich wieder“, fast schon panische Fliege folgte mir bis vor die Klotür. Ich war überrascht, als er dann doch die Pietät besaß, zumindest vor dieser Halt zu machen. Aber was soll man erwarten, von Leuten die schon vorm Club einen Treffpunkt verabreden, für den Fall, dass man sich verliere. Kaum auszudenken, getrennt von der schützenden Herde, des nachts, an einem solchen Ort…Auch meine etwas später dringend benötigte Raucherpause an der frischen Luft wurde torpediert.Die Fliege folgte mir weiterhin auf Schritt und Tritt, immer beflissen doch noch jeden kleinsten stillen Moment mit aufgeregtem Smalltalk zu füllen, welcher wieder und wieder abrupt abbrach und zu immer unangenehmer werdenden Gesprächspausen führte. Dabei natürlich durchgehend erwartungsvoll-zärtlicher Blick in meine Richtung. Oh, der Gute sucht wohl auch schon eine Weile. Ich dagegen war mir selten so sicher, dass es bei diesem Mann noch nicht einmal einen Funken gibt, geschweige denn irgendwas irgendwohin übergesprungen ist. Umso schlimmer, dass wir am Ende auch noch den selben Heimweg hatten.
Und, am Allerschlimmsten: Warum habe ich in dieser Hinsicht immer noch nichts gelernt? Wieso verhalte ich mich trotzdem genau so, wie es der Andere wohl von mir erwartet, gebe ihm sogar einen Abschiedskuss, wenn ich eigentlich nur flüchten und ganz sicher keine Romanze mit ihm beginnen möchte?
Wahrscheinlich eine Frage, die es zu beantworten gilt, wenn ich in nächster Zeit tatsächlich sprühende Funken und Glückseligkeit finden möchte. Eine von vielen. Denn im Großen und Ganzen findet man wohl immer zuerst sich selbst, bevor man einen Anderen findet. Aber eins ist sicher: auf dem Weg dahin, werden mir die Geschichten bestimmt nicht so schnell ausgehen.
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Yuki • Am 22.10.2019 um 16:36 Uhr | |
So ist das also in der Singlewelt? Gut das ich davon verschont geblieben bin. Die Geschichte lässt sich gut lesen und ich hoffe, das deine Sie nicht mehr lange auf der suche ist. |
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