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Und die See ist rau...

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14.07.19 21:59
16 Ab 16 Jahren
In Arbeit

Captain Jack Sparrow saß gelangweilt am Tisch seiner Kajüte und starrte mit leerem Blick auf die Karte vor ihm. Wenn es etwas gab, was Jack abgrundtief hasste, so war es ein ereignisloser Tag. Und wenn es etwas gab, das er noch mehr abgrundtief zu hassen pflegte, so war es eine endlos erscheinende Reihe dieser Tage. Nichtsdestotrotz, es gab einfach nichts zu tun. Zum wiederholten Male kreiste er mit dem Finger über das vergilbte Papier und hielt dabei die Augen geschlossen. Als die Türe aufging und Gibbs eintrat, zeigte er auf Tortuga. Verlegend mit den Händen spielend trat Gibbs auf Jack zu.
“Sir? Haben wir einen Kurs?"
Ein feines Lächeln umspielte Jacks Gesichtszüge.
“Ich weiß nicht, ob es das Schicksal ist oder aber die Tatsache, dass wir keinen Rum mehr an Bord haben, aber Tortuga würde sich jetzt anbieten. Findet Ihr nicht? “
“Aye. “, Gibbs wollte schon wieder gehen doch sein Kapitän hielt ihn zurück.
“Einen Augenblick noch Gibbs. Was zum Teufel ist eigentlich in letzter Zeit mit meiner Crew los? Abgesehen von den Umständen, die mir bewusst sind. “
“Nun ja, Sir. Ich denke, es liegt daran, dass wir seit vier Wochen ziellos umher segeln, keinen Rum haben und nicht wissen, was wir tun. “, beantwortete Gibbs die Frage seines Captains wahrheitsgemäß.
“Das waren die Umstände, die mir bewusst sind. “, meinte Jack seufzend, zog eine Grimasse und stand auf.
Zusammen liefen sie aufs Deck und Jack stellte sich hinter das Steuerrad. Verwundert blickte er sich um.
“Gibbs? Ich kann mir nicht helfen, aber fehlt hier nicht irgendetwas? “
“Rum? “, fragte Gibbs hoffnungsvoll.
“Ja… nein. Ich meine, warum ist niemand an Deck? “, wollte Jack wissen.
“Ähm,… die Mannschaft spielt unten Karten. “, gab sein Gegenüber zaghaft zurück.
“Bitte? Was tut sie? “, mit diesen Worten stürmte Jack wieder nach unten.
Aufgebracht baute er sich vor seiner Vier-Mann-Crew auf und schnappte wie ein Fisch auf Land nach Luft.
“Wenn ich bis drei gezählt habe, ist jeder Einzelne von euch oben an Deck und tut etwas Nützliches! Aye? “
“Aber Ihr habt doch selbst gesagt, dass wir tun sollen, was wir wollen und es Euch egal ist. “, widersprach Ragetti verständnislos.
Vernichtend funkelte Jack ihn an.
“Eins… zwei…”, begann er laut zu zählen.
Marty, Cotton, Pintel und Ragetti liefen, so schnell sie konnten nach oben und ließen ihren schrecklich launischen Kapitän alleine.

Weit entfernt von der Black Pearl fuhr ein kleines Schiff mit Kurs auf Port Royal auf dem Ozean. Rachel stand an der Reling und sah gedankenversunken auf die ruhige See. Sie war froh darüber in zwei Tagen wieder Daheim zu sein und doch hatte sie ein etwas mulmiges Gefühl. Was würde sich in den sieben Jahren, die sie, auf Geheiß des Gouverneurs, in England zum Studieren verbracht hatte, alles verändert haben? Sie hatte zwar mit dem Gouverneur, ihrem Onkel und gleichzeitig Ersatzvater per Briefe Kontakt gehabt, aber das war nicht dasselbe, wie am Ort des Geschehens zu sein. Wieder einmal entfaltete Rachel den letzten Brief, den sie vor ihrer Abreise in England erhalten hatte und begann zu lesen.

Liebe Rachel,
ich hoffe, Dir geht es gut. Mein Vater ist immer noch davon überzeugt, dass es das Beste für Dich war, in England zu lernen. Aber ich merke schon, wie sehr er sich freut Dich endlich zusehen. Will arbeitet wieder in der alten Schmiede. Du wirst ihn nicht erkennen. Ich freue mich ebenfalls auf Deine Rückkehr.
Liebe Grüße, Deine Cousine, Elizabeth.

Rachel musste in sich hinein lächeln, als sie sich daran erinnerte, wie Elizabeth und sie früher als kleine Mädchen immer an der Schmiede des alten Mr. Brown umhergeschlichen sind. Und das alles nur weil Elizabeth damals schon in Will verliebt war. Will Turner!- wie oft hatte sich Rachel anhören lassen müssen, wie wunderbar er doch sei. Sie wurde von einem Soldaten aus ihren Gedanken gerissen.
“Haltet Ihr Ausschau nach Piraten, Miss Swann? “, fragte der Mann neckend.
Rachel sah ihn nur kurz an, senkte dann traurig ihren Blick und schüttelte den Kopf.
Piraten war für sie ein schmerzliches Thema. Ihr eigentlicher Vater, der Bruder des Gouverneurs von Port Royal, wurde von solchen Gesetzlosen getötet.
“Was macht Ihr hier an Deck? Geht nach unten. Dort ist eine Frau besser aufgehoben. Oder seid Ihr etwa seekrank? “, der Soldat brach über seinen eigenen schlechten Witz in schallendes Gelächter aus, währenddessen sie sorgfältig den Brief wieder einpackte.
Für Rachel hatte er somit die Grenzen überschritten. All ihre Manieren über Bord werfend packte sie den unverschämten Soldaten und zog ihn zu sich her.
“Erstens: Was ich hier an Deck mache, ist ganz allein mein Problem und zweitens geht es Euch nichts an, ob ich seekrank bin oder nicht. Einverstanden? “, zischte sie ihn ungehalten an.
Der Soldat wollte gerade zum Nicken ansetzen, als er in den Himmel blickte und ein erschrockenes Gesicht machte. Wie aus dem Nichts tauchten gewaltige, schwarze Wolken auf und kündeten ein schweres Gewitter an.
“Miss, ich muss Sie bitten jetzt doch unter Deck zu gehen. “, sagte er zu ihr.
Immer noch total wütend rauschte Rachel an ihm vorbei und lief die Treppen hinab.

Zum Glück erreichte die Black Pearl den Hafen von Tortuga nach weiteren fünf Tagen. Die Stimmung der ganzen Mannschaft verbesserte sich schlagartig.
“Mr. Cotton, Marty! Ihr bleibt an Bord und bewacht das Schiff. Gibbs, Ihr sorgt dafür, dass der Rum Vorrat aufgefüllt wird! “, verteilte Jack die Aufgaben.
“Aye, Sir! “, grinsend lief Gibbs von dannen.
“Was sollen wir zwei tun? “, fragte Pintel auf sich und Ragetti weisend.
“Ihr kauft für Ragetti eine Augenklappe und löst danach Marty und Cotton ab. “, bestimmte Jack und ging dann zielsicher in Richtung einer der etlichen Kneipen Tortugas.
Als der nicht sehr wählerische Kapitän die Erstbeste erreichte, ging er geradewegs hinein.
Zufrieden ließ er sich auf einen Stuhl fallen und bestellte sich eine Flasche Rum. Seine dunklen Augen schweiften in dem großen Saal umher. Nein, Tortuga hatte sich nicht verändert.

Vor ungefähr fünf Tagen schlug ein Blitz in das Schiff, welches Rachel nach Port Royal bringen sollte, ein. Es fing Feuer und versank im tobenden Meer. Rachel hatte Glück, denn sie konnte sich an einer Holzplanke festklammern. Jetzt lag sie völlig erledigt an einem Sandstrand. Müde schlug sie die Augen auf. Wo bin ich?, schoss es ihr als aller erstes durch den Kopf. Unter ihren Händen spürte sie das feuchte Holz der Planke, welche ihr wahrscheinlich das Leben gerettet hatte. Dem Schwimmen war sie nun mal nicht mächtig. Ganz langsam erinnerte sie sich wieder daran, was passierte, als das Unwetter losging. Dem Anschein nach wurde sie auf diese, ihr unbekannten, Insel geschwemmt. Ihre Kehle fühlte sich unangenehm trocken an. Sie war dem Verdursten nahe. Leises Knirschen im Sand ließ sie aufhorchen. Kräftige Arme zogen sie grob auf die Füße und schleppten sie ins Innere der Insel.

Jacks Augen fuhren zur Eingangstür herum, als plötzlich zwei verruchte Gestalten mit einer jungen Frau hereinkamen. Die Frau war triefend nass und wirkte vollkommen entkräftet. Trotzdem besaß sie eine aufrechte und stolze Körperhaltung. Zierlich war sie und bald begann sie unter dem festen Druck, den die Piraten auf ihren Armen ausübten, zu zittern.
“Seht was wir am Strand gefunden haben.”, forderte der kleiner der Beiden mit einer tiefen, kratzigen Stimme.
Nun blickten alle auf und ein unangenehmes Schweigen legte sich über den Raum. Jack verstand die Aufregung der zwei Piraten. Die Frau sah in ihrem schwarzen, anschmiegsamen Kleid ganz und gar nicht wie ein Pirat aus. Und Nichtpiraten waren hier nicht willkommen. Etwas planlos sahen die Zwei, die die Fremde immer noch mit eisernen Griff festhielten, in die Runde.
“Was sollen wir mit ihr tun?”, fragte der Andere.
Jack warf einen schnellen Blick umher. Viele der Anwesenden starrten die Frau misstrauisch an. Andere musterten sie mit gierigen Blicken, die nichts Gutes verhießen. Mit erhobenen Finger stand Sparrow auf.
“Sie gehört zu mir.”, verkündete er überzeugend.
Überrascht und erschrocken zugleich sah die Dunkelblonde ihn an. Jack lief selbstsicher zu den zwei Freibeutern und bedachte sie mit einem auffordernden Blick. Ruckartig ließen sie die Frau los und gingen zu ihren Crewmitgliedern. Jack packte sie und führte sie vor die Tür nach draußen.
“Darf ich Euren Namen erfahren?”, fragte er mit einem selbstsicheren Grinsen.
“ Ich wüsste nicht, was er Euch anginge.”, gab sie abweisend zurück.
Doch Jack ließ sich nicht so schnell abwimmeln.
“Vermutlich habe ich eben Euer Leben gerettet. Außerdem bin ich Captain Jack Sparrow. Das allein ist Argument genug.”
“Ich heiße Rachel. Wenn es Euch nichts ausmacht, würde ich jetzt gehen.”, sagte sie.
“Natürlich. Aber wie ich das sehe, seid Ihr kein Pirat. Was macht Ihr auf Tortuga?”, wollte er wissen.
Rachel warf ihm schnell einen genervten Blick zu, ehe sie traurig auf den Boden starrte und antwortete:
“Nein, das bin ich nicht. Darum möchte ich nur wieder Heim.”
Feinfühlig, wie Jack manchmal versuchte zu sein, bemerkte er, dass er sie an einem wunden Punkt getroffen hatte.
“Ah! Soweit ich das sehe, habt Ihr aber weder ein Schiff noch sonst etwas womit man von hier wegkommt. Also, was haltet Ihr davon, wenn ich Euch ein Stück auf meinem…”, er legte großen Wert auf die Betonung des Wortes 'meinem',“ wunderbaren, prachtvollen, hervorragenden und einzigartigen Schiff mitnehme?”, beendete er seine Frage und legte dabei wie selbstverständlich einen Arm um ihre Schultern.
Ängstlich wich Rachel ihm aus, doch geschickt folgte Jack ihren Bewegungen. Wie es ihm schien, war sie mit der gesamten Situation extrem überfordert. Aber er wollte diesem hilflosem, schüchternem Etwas wirklich helfen.
“Ich weiß nicht…”, gab sie ihm zögernd zur Antwort.
Aufmunternd lächelte er sie an.
“Darf ich Euch vorschlagen Euch erst einmal ein wenig zu erholen? Dann könnt Ihr Euch in aller Ruhe nochmal alles überlegen und Euch danach entscheiden. Einverstanden?”
Rachel zögerte einen Moment, ehe sie antwortete.
“Ja, danke.”, meinte sie durch Jacks Worte plötzlich sehr ermüdet.


Sie hätte auf der Stelle einschlafen können, doch Jack führte sie gut gelaunt zum Ankerplatz, wo sein wunderbares, prachtvolles, hervorragendes und einzigartiges Schiff, die Black Pearl, ankerte. Mit einem mulmigen Gefühl betrat Rachel das Deck des wirklich schönen doch ebenso angsteinflößenden Schiffes.
“Captain? Wir konnten leider keine Augenklappe für Ragetti finden, die ihm gefallen hätte. Seid uns nicht böse. Aber wir haben neue Stoffe für die Segel, die bei dem Gewitter vor fünf Tagen beschädigt wurden. Seht.”, Pintel quasselte ohne Punkt und Komma und reichte Jack stolz das erworbene Material. Bestürzt blickte Jack von dem Stoff zu Rachel. Das kurze Lächeln, das über ihr Gesicht huschte, entging ihm nicht. Es war aber auch nicht unbegründet. Jeder, der die Black Pearl gesehen hatte, wusste gleich, dass Weiß einfach nicht zum Gesamtbild des Schiffes passte. Und so erging es auch Rachel.
“Weiß?!”, fragte Jack mit bebender Stimme völlig von der Rolle.
“Naja, wir dachten, das würde die Atmosphäre an Bord etwas aufheitern und verbessern. Dieses ewig währende Schwarz wirkt schon sehr trist und trostlos.”, verkündete Ragetti seine Meinung und Pintel nickte bestätigend mit dem Kopf.
“Weiß!?”, wiederholte sich Jack hysterisch,“ Das hier ist ein Piratenschiff und kein, ich weiß nicht was, auf See! Warum zum Henker glaubt ihr, dass es BLACK Pearl heißt? Weil die Segel weiß sind oder was!?”, wie ein kleiner, verärgerter Junge, dem man ein Spielzeug weggenommen hatte, stampfte er mit dem Fuß auf den Boden.
Pintel und Ragetti starrten ihn eingeschüchtert an. Dieser Anblick brachte Rachel zum Lachen. Nun wandten sich alle drei Augenpaare zu ihr. Sofort verstummte sie und bemühte sich um einen so ernst, wie möglichen Gesichtsausdruck. Jack, der seinen kurzen Wutanfall gleich wieder unter Kontrolle gebracht hatte, lächelte sie selbstbewusst an.
“Nun Schätzchen. Du kannst es Dir unten in der Kajüte bequem machen und Dich eine Weile schlafen legen.”, sagte er an Rachel gewandt.
Sie ging diesem Angebot gerne nach. Mit einer unwirschen Handbewegung schickte Jack sein, seiner Meinung nach, verblödetes Piratenduo los um das weiße Segel wieder loszuwerden.

Jack ging gerade seinen gewohnten Rundgang, um alles zu überprüfen, dabei wartete er ungeduldig auf Gibbs, der anscheinend immer noch für den Rumvorrat sorgte. Verliebt strich Jacks Hand über das Holz der Reling. Aus reiner Langeweile fing er an leise vor sich hin zu pfeifen. Der Rest der Crew saß mal wieder unter Deck und spielte Karten. Aber Jack machte das nichts aus. Er brauchte manchmal das Gefühl alleine mit seiner Pearl zu sein. Ungewollt kreisten seine Gedanken nun um Rachel. Er hatte ehrlich gesagt nicht vor sie wieder so schnell von Bord zu lassen. Über sein selbstloses und für ihn so untypischen Verhalten, ihr zu helfen, missgelaunt trank er seine Rumflasche voll aus. Er legte sich Gründe zusammen, die seine Handlung rechtfertigten. Vielleicht hatte er sie ja auch nur mitgenommen, weil er endlich nicht mehr grundlos auf dem Meer herum schippern wollte. So wie es in letzter Zeit der Fall gewesen war. Oder aber sein plötzlich dranghafter und zuvor noch nie da gewesener Beschützerinstinkt hatte ihn zu dieser unpiratischen Tat gezwungen. Jack lächelte zufrieden über seinen Einfallsreichtum. Ja, für Ausreden war er sich noch nie zu schade gewesen. Warum denn auch? Sie retteten ihm so manches Mal den Hals. Das Lächeln versteinerte sich aber schnell, als er sich letzten Endes eingestehen musste, dass Rachel nur an Bord war, weil sie sein Interesse geweckt hatte. Es kam schließlich nicht häufig vor, dass sich Leute wie sie auf Tortuga verirrten. Also war schlicht reines Interesse und auch Neugierde der Auslöser für sein Handeln. Als ihm diese Einsicht kam, seufzte er einmal tief. Irgendwo war es ja schon ziemlich erbärmlich. In der Ferne vernahm Jack abgehackte und unrhythmische Schritte. Das Geräusch von klirrenden Flaschen kündete Gibbs Rückkehr an. Breit grinsend beobachtete Jack, wie Gibbs torkelnd auf die Pearl zusteuerte. Als dieser jedoch das Schiff erreichte und langsam an Deck kam, sah Jack ihn finster an.
“Habe ich Euch nicht gesagt, dass Ihr Euch um den Rum kümmern sollt? Erwähnte ich mit einer Silbe, dass Ihr beauftragt seid ihn zu vernichten?”, meinte er im strengen Tonfall.
“Bitte auf- aufrichtisch um Verseihung, Captain.”, lallte Gibbs und sah dabei wie ein geschlagener Hund aus.
Jack konnte sein Grinsen nicht länger verkneifen.
“Schon gut, Gibbs. Helft mir noch kurz abzulegen, legt Euch dann hin, schlaft Euren Rausch aus und schickt mir davor noch Ragetti und Pintel nach oben, ja?”
“Aye, Captain!”, Gibbs salutierte und machte sich dann an die Arbeit.

Es dauerte etwas länger als sonst, aber schon bald im Morgengrauen stach die Pearl in See. Ein paar Stunden später stand Rachel auf und lief an Deck. Immer noch etwas schlaftrunken blinzelte sie in die aufgehende Morgensonne und sah sich um. Entsetzt stellte sie fest, dass sich das Schiff auf offener See befand. Jack allein stand hinter dem Steuer und blickte auf seinen Kompass. Er sah zu ihr herab und lächelte.
“Schätzchen, habt Ihr gut geschlafen?”, erkundigte er sich fröhlich.
“Warum fährt das Schiff?”, war alles, was zurückkam.
“Weil wir abgelegt haben, Kleine. Darum.”, sagte Jack auf die Art, in der ein Lehrer mit seinem dümmsten Schüler sprach.
“Was!? Ihr habt mir gesagt, dass ich noch die Wahl hätte.”, entfuhr es Rachel.
“Tut mir leid. Ich dachte, Ihr hättet Euch entschieden.”
Breit grinsend lief Jack auf sie zu.
“Trugschluss. Wärt Ihr so überaus gütig mich abzusetzen?”, giftete sie ihn an.
“Nein.”, antwortet Jack.
Sie wurde leicht zornig. Schlimm genug schon, dass sie bei Piraten, welche sie verabscheute, landen musste. Aber nun konnte sie gar nichts mehr tun als diesem Jack Sparrow zu vertrauen. Und das war schlimm. Der Wind gewann in kürzester Zeit immer mehr an Stärke und wehte Jacks Hut von seinem Kopf. Dieser rannte ihm erschrocken nach. Rachel musste Lachen und sofort legte sich der aufkommende Sturm wieder. Etwas unbehaglich trat sie von einem Fuß auf den anderen. War das eben Zufall gewesen? Aber warum wurde das Meer immer unruhig, wenn sie sich aufregte oder wütend wurde? Auch kurz bevor das Schiff, auf dem sie eigentlich gewesen wäre, vom Blitz getroffen wurde, war sie sehr aufgebracht gewesen. Rachel schüttelte über sich selbst den Kopf. Das war einfach nur lächerlich! Schnell verbannte sie ihre Gedanken wieder. Jack, der in der Zwischenzeit wieder seinen geliebten Hut hatte, musterte sie neugierig.
“Bitte, fahrt mich an Land.”, nahm Rachel das Gespräch wieder auf.
“Ach ich weiß nicht.”, sagte Jack zaghaft.
“Bitte.”, flehte sie ihn an.
“Nee.”
Mit unerhörter Schnelligkeit zog Rachel einen Dolch unter ihrem Kleid hervor und hielt ihn in Jacks Richtung. Nachdem er den ersten Schrecken überwunden hatte, lächelte er zufrieden. Rachels Art das Messer zu halten, zeugte von großer Unsicherheit. Jack schlussfolgerte daraus, dass sie im Umgang mir Waffen nicht geübt war. Sie konnte ihn nicht ernsthaft gefährden.
“Willst du mich abstechen?”, fragte er ruhig.
“Ich will nur aufs Land gebracht werden.”, zischte sie ihm zu.
“Tut mir unaufrichtig Leid, aber das wird so schnell nicht machbar sein. Schaut doch mal an der Steuerbordseite auf den Horizont. Etwas ganz kleines, schwer erkennbares werdet Ihr dort sehen. Und dieses Etwas nennt sich Land. Das uns am nächsten liegende sogar.”, erklärte Jack ihr geduldig.
Rachel lief daraufhin gleich auf die linke Seite des Schiffes und blickte, weit über die Reling gebeugt, in die Weite.
“Ich sehe überhaupt nichts.”, sagte sie enttäuscht.
“Schätzchen, das ist die Backbordseite. Rechts ist das Steuerbord. Früher, als ich noch sehr jung war, merkte ich mir das immer so: in dem Wort ´Steuer´ kommt ein ´R´ vor. In ´Back´ nicht. ´R´ wie ´Rechts´. Klar soweit?”
Lächelnd beobachtete er, wie sie nun auf die andere Seite der Pearl lief. Ja, als blutiger Anfänger hatte er Back- und Steuerbord auch immer verwechselt, erinnerte Jack sich schmunzelnd. Alles was er jetzt über Schiffe, die Fahrt und die See wusste, hatte er von seinem Vater gelernt. Oder aber auch aus eigenen Erfahrungen. Mit amüsierter Verwunderung stellte Jack fest, wie wunderbar naiv und leicht ablenkbar Rachel war. Vor wenigen Minuten noch hatte sie ihn mit einem Dolch bedroht und nun wandte sie ihm schon wieder den Rücken zu. Im Ernstfall wäre das natürlich völlig unklug und wahrscheinlich auch todbringend, doch er fand es sehr unterhaltsam. In diesem Moment entschied er sich ihr auf der Fahrt die Grundregeln auf See beizubringen. Es würde interessant werden sein Wissen an dieses unerfahrene Wesen weiterzugeben. Damit wollte er nun gleich anfangen. Er zückte ebenfalls seinen Degen und trat leise hinter sie.
“Bevor Ihr Euch jetzt umdreht und nur wieder ausrastet, sage ich es Euch gleich im Voraus: ich will Euch nichts tun. Dies dient nur als Lehranschauung.”, wollte Jack sie beruhigen.
Doch als Rachel ihn mit gezücktem Degen erblickte, erschrak sie so sehr, dass sie rückwärts über die Reling fiel. Jacks Grinsen gefror und er eilte zur Reling.
“Habt Ihr Euch etwas getan?”, fragte er.
“Ich kann nicht schwimmen!”, hörte er Rachel, die immer wieder versank, schreien.
Betroffen klatschte Jack sich mit der flachen Hand gegen die Stirn.
“Das werde ich Euch dann noch beibringen.”, rief er, “Wobei, wenn ich bedenke, dass mein Vater mich auch über Bord geschmissen hat, um mir das Schwimmen zu lehren… Das Erstaunliche daran ist, dass es wirklich funktioniert hat. Nicht ohne Stolz darf ich mich jetzt als einen exzellenten Schwimmer bezeichnen.”, erzählte er in aller Seelenruhe.
Währenddessen paddelte Rachel ungeschickt im Wasser umher und tauchte immer öfter ab.
“Aber Schätzchen! Was macht Ihr denn da? Rhythmische und gleichmäßige Bewegungen. Sonst ertrinkt Ihr am Ende noch.”, belehrte er sie von seinem Schiff aus.
Letztlich erbarmte sich Sparrow dann doch noch und warf ihr ein Tau zu. Als Rachel wieder festen Boden unter sich spürte, ließ sie sich erschöpft darauf sinken.
“Das müssen wir aber noch üben.”, kommentierte Jack die Szenerie kopfschüttelnd.
Sie funkelte ihn kurz zornig an, ließ es dann aber gleich wieder.
“Und für was sollte dies als Lehranschauung dienen?”, fragte sie zickig.
“Drehe einem Piraten nie den Rücken zu. Das war Eure erste Lehre.”, erläuterte Jack sein Verhalten.
Nach kurzer Zeit hatte Rachel sich einigermaßen erholt. Trotzdem blieb sie an Deck und ließ sich und ihre Kleidung von der Sonne trocknen.
“Da fällt mir ein, das ich Euch gar nicht in Eure Heimat bringen kann.”, bemerkte Jack.
“Warum das denn?”, fragte sie erschrocken nach.
“Weil ich nicht weiß, wo Ihr herkommt.”
“Port Royal. Ich wohne im Hause des Gouverneurs Swann.”, gab Rachel zur Antwort.
“Port Royal? So so….”
Damit wurde Jacks piratisches Gedankengut wieder zu Leben erweckt.

Seit drei Tagen war Rachel nun schon an Bord der Black Pearl. Im Allgemeinen vermied sie den Kontakt mit der Mannschaft. Aber sie musste leider zugeben, dass alle relativ nett zu ihr waren. So lernte sie wohl oder übel, dass Pirat nicht gleich Pirat war. Es waren nun mal nicht alle Seeräuber gleich. Der Verlust ihres Vaters durch einen Freibeuter schmerzte zwar ungemein, doch Rachel wusste nun, dass sie diese Abneigung nicht auf alle Piraten übertragen durfte. Kurz um: es gab auch Piraten, die ihrer Meinung nach mehr oder weniger gute Menschen waren. Nachdem sie das hektische Stadtleben in London verachtet hatte und sich die ganze Zeit nach dem friedlicheren und ruhigeren Port Royal gesehnt hatte, begriff sie jetzt, dass sie genauso wenig für das abenteuerliche Leben eines Piraten übrig hatte.

Die ganze Crew hatte sich heute Mittag an Deck versammelt, um über den weiteren Kurs zu diskutieren. Jetzt kamen Cotton, Pintel, Gibbs und Jack zu ihr nach unten in die Kajüte. Die vier Männer setzten sich an den Tisch und begangen wie gewohnt damit Karten zu spielen.
“Also, wenn wir Glück haben, so erreichen wir Port Royal in drei bis vier Tagen.”, teilte Jack ihr mit.
“Gut.”, meinte Rachel nur.
Sie verfolgte aufmerksam den Verlauf des Spiels. Rachel saß zwischen Gibbs und Jack. Gibbs ließ sie ihn seine Karten sehen, damit sie das Spiel lernen konnte. Es hieß 'Blöffen'und Rachel erkannte schnell, dass es dabei nicht um Ehrlichkeit ging.
“So, nun wisst Ihr, wie es geht. Bei der nächsten Runde spielt Ihr mit.”, sagte Gibbs und sah dabei wehmütig zu, wie Pintel, der Verlierer, sein Glas Rum trank.
“Aber das ist ein Trinkspiel.”, widersprach sie ihm.
“Richtig. Dann wisst Ihr ja jetzt, was der Einsatz ist. Obwohl ich immer noch der Meinung bin, dass der Gewinner den Rum bekommen sollte.”, murmelte Gibbs in Jacks Richtung.
Dieser bedachte ihn mit einem ironisch, mitfühlenden Lächeln, das sogleich in einen bösen Blick umgewandelt wurde.
“Ich trinke aber keinen Rum.”, warf Rachel wieder ein und dieses Mal klang sie sauer.
“Nun, Ihr seid auf einem Schiff und von lauter Piraten umgeben. Ihr werdet Euch wohl an unseren Regeln halten müssen.”
“Ihr meint wohl eher von lauter Idioten und Versagern.”, nuschelte sie mehr zu sich selbst als zu Gibbs.
Der und Jack hatten es aber dennoch verstanden. Gibbs wollte gerade etwas erwidern, als sein Kapitän ihn ins Wort fiel:
“Jetzt ist es aber gut, ihr zwei Turteltäubchen. Oder soll ich euch Beide das Deck schrubben lassen?”
Die gewünschte Wirkung trat sofort ein. Rachel und Gibbs warfen sich noch wütende Blicke zu, verschränkten die Arme und verstummten schlagartig. Jack grinste zufrieden. Er war kein unherzlicher Kapitän. Dennoch wusste er, dass man seine Crew ab und zu in die Schranken zurückweisen musste, damit sie daran erinnert wurde, wer was zu sagen hat. Schnell mischte er die Karten und teilte sie dann aus.
“Weil Ihr zum ersten Mal spielt, dürft Ihr anfangen.”, sagte Jack großmütig.
Rachel war es zum Verzweifeln zumute. Sie hatte so viele Karten auf der Hand, dass ihre Finger schon zu schmerzen begannen. Dabei war der Sinn des Spiels, wenn es überhaupt einen gab, doch alle Karten loszuwerden. Am Ende verlor sie jämmerlich. Unschlüssig sah sie nun den Rum an. Das dümmliche Grinsen von Jack half ihr auch nicht dabei sich zu überwinden. Schließlich riss sie sich zusammen und leerte entschlossen das Glas. Das letzte was sie wollte war es nämlich diesen Pack in etwas nachzustehen. Und sei es nun im Verzehr von alkoholischen Getränken. Es schmeckte einfach nur widerwärtig. Ihr Körper schüttelte sich und sogleich durchflutete sie eine wohltuende Wärme.
“Auf ein Neues.”, meinte Pintel.
Und so spielten sie Runde um Runde. Rachel verlor noch dreimal und saß etwas angeheitert am Tisch. Gibbs, der nie der Verliere sein durfte, sah beinahe so aus, als ob er in Tränen ausbrechen würde, nachdem Jack ihm erlaubt hatte den letzten Schluck Rum zu trinken.

Nun waren Gibbs, Rachel und Jack die Einzigen, die noch unter Deck blieben. Bald schlief Gibbs ein und Jack witterte nun seine Gelegenheit etwas mehr über Rachel zu erfahren.
“Erzählt doch mal ein wenig über Euch.”, forderte er sie direkt auf.
Sie legte den Kopf schräg und betrachtete ihn misstrauisch.
“Was wollt Ihr?”
Jack antwortete nicht, sondern lächelte nur. Es war gerade eben herzig gewesen mit anzusehen, wie sie angestrengt nachgedacht hatte. Irgendwie war sie richtig nett.
“War Euch das eben zu hoch? Ich mein, in Eurem Zustand?”, fragte er grinsend und beugte sich dabei vor.
Sie lächelte ihn unsicher an.
“Naja, wo Ihr herkommt und so weiter.”, sagte er schulterzuckend.
“Also schön.”, und Rachel begann ihm einfach alles zu erzählen: dass sie in England war, dass ihr Vater von Piraten getötet wurde und dass sie nicht wusste, wer ihre eigentliche Mutter war.
All das und mehr erfuhr Jack in der nächsten halben Stunde. Er hatte ihr interessiert gelauscht und jetzt saßen die Beiden wortlos nebeneinander. Jeder hing seinen eigenen Gedanken hinterher.
“Und Ihr meint wirklich, dass wir in drei bis vier Tagen Port Royal erreichen werden?”, fragte Rachel plötzlich und brach somit die Stille.
Sie sah dabei so deprimiert und geknickt aus, dass sie Jack einfach nur Leid tat. Und das wollte etwas heißen. Er war ja nicht gerade für seine mitfühlende Art bekannt. Stumm nickte er. Rachel streckte sich müde und schlief langsam ein. Jack betrachtete sie dabei, wie sie die Augen schloss, auf den Tisch sank und immer regelmäßiger atmete. Dann erhob er sich lächelnd, nahm sie auf die Arme und legte sie auf das Bett in der Kapitänskajüte, damit sie ihre Ruhe haben konnte. Jack selbst war noch nicht annähernd schläfrig und ging zurück an Deck.

“Mr. Cotton! Ihr habt da einen Fleck übersehen. Macht es weg!”
Jack stand am Steuerrad und rief seiner Mannschaft Befehle zu. Er hatte alle an Deck kommen lassen, um das Schiff auf Hochglanz polieren zu lassen. Jeder wusste, dass es nur zwei Gründe für diese, vom Kapitän angeordnete, Putzaktion gab. Entweder extreme Langeweile oder Beunruhigung führten bei Jack zu einer solchen unnötigen Maßnahme herbei. Und wie er jetzt hektisch auf dem Deck herumtänzelte und alles mit Augen, denen nichts, aber auch gar nichts entging, nach dem Rechten sah, tippten alle auf den zuletzt genannten Grund.
“Gibbs? Könnt Ihr mir das hier erklären?”, fragte er schrill und deutete auf eine leere Rumflasche.
“Aber Captain, das ist doch nur eine …”
“Scht! Räumt es weg. Aber etwas plötzlich bitte!”, unterbrach Jack ihn forsch.
“Ihr wisst, dass ich es nicht mag angescht zu werden.”, grollte Gibbs leise vor sich hin.
“Los, ab, weg!!”, gab sein Kapitän zurück und machte dabei eine verscheuchende Handbewegung.
Seufzend nahm Gibbs die Flasche und räumte sie kopfschüttelnd weg. Manchmal machte Jack ihm Sorgen.
“Captain! Dort hinten ist ein Schiff.”, Ragetti kam auf Jack zu gestürmt und wedelte unkoordiniert mit dem Arm umher.
“Ja, ich weiß. Es verfolgt uns seit gestern. Aber wenn ihr nur am Karten spielen seid, wäre es unfair von mir von euch zu erwarten, dass ihr das bemerken solltet. Kennt Ihr das Schiff dort hinten?”, wandte er sich dann an Gibbs, der eben wieder kam.
Dieser kniff die Augen zusammen und spähte in die von Jack angedeutete Richtung.
“Nein, Sir. Aber es ist nicht sonderlich schnell. Wir können ihm ohne Mühe davon segeln. Sollen wir Fahrt aufnehmen?”
Jack überlegte kurz.
“Nein. Wir warten.”, meinte er dann entschieden.
“Aber Captain …”, wollte Gibbs widersprechen.
“Keine Widerrede! Ich will wissen, wer das ist.”
In dem Moment lief Rachel langsam zu ihnen aufs Schiffsdeck. Sie sah ziemlich bleich aus.
“Was ist denn mit dir los?”, fragte Pintel sie, wobei ihr das 'dir' sehr frech vorkam.
Hämisch grinsend lief der Pirat davon und sagte dabei in einem Singsang:
"Jaha, der gute alte Freund, der Rum.”
Rachel sah ihm verwundert und zugleich böse nach. Was fiel diesem anstandslosen Kerl ein? Dann wandte sie sich an Jack:
“Es tut mir leid. Ich weiß nicht wie ich in Eure Kajüte gekommen bin. Genaugenommen weiß ich allgemein nicht mehr so viel von gestern … doch da war Rum und … ach egal. Was ich sagen wollte, entschuldigt mich.”
Kurz musste Jack einfach grinsen, dann sah er sie aber vorwurfsvoll an.
“Wegen Euch konnte ich letzte Nacht nicht schlafen. Dankeschön, Schätzchen.”, schmiss er ihr übertrieben anklagend an den Kopf.
Rachel blickte betroffen auf den Boden.
“Ich hole Euch etwas Wasser. Wenn Ihr etwas getrunken habt, geht es Euch vielleicht wieder besser.”, schlug Gibbs vor.
Sie nickte dankend.
“Warum fahren wir eigentlich nicht mehr?”, erkundigte sie sich bei Jack.
“Wir werden Besuch bekommen.”, erklärte er und zeigte auf das Schiff, welches nun nicht mehr weit von der Pearl entfernt war.
“Aber das sieht nach Piraten aus.”, stieß Rachel geschockt hervor.
“Ihr seid ebenfalls unter Piraten. Wo liegt der Unterschied?”, meinte Jack lächelnd.
Dem konnte sie nichts entgegensetzen. Als Gibbs wieder kam und verkündete, dass das Wasser ausgegangen sei, war sie dann völlig entmutigt.
“Ok. Planänderung. Die kleine Insel dort sieht so aus, als ob sie eine Quelle besitzt. Wir fahren zu ihr und füllen unseren Wasservorrat auf.”, verkündetet Jack.
“Und was ist mit dem unbekannten Schiff?”, wollte Gibbs wissen.
“Ich bin mir sicher, dass sie uns nachkommen.”
“Und was macht Euch da so sicher?”, hakte des Captains erster Maat nach.
“Ganz einfach. Die Tatsache, dass sie uns dem Anschein nach verfolgen.”

Gibbs gab den Befehl an die Crew weiter und nun steuerte die Pearl auf die Insel zu. In Kürze hatten sie sich der Insel so weit genähert, dass sie ein Beiboot ins Wasser setzten und auf sie zu paddelten. Gibbs, Marty und Ragetti blieben auf der Black Pearl. Als Rachel seit langem mal wieder auf Land ging, schwankte sie kurz ein wenig.
“So, da wären wir. Cotton, sucht mit unserer Miss nach einer Wasserquelle. Füllt dann die Flaschen auf und kommt sofort wieder zurück. Wir zwei warten solange auf die Ankunft dieser … Anderen eben.”, beschloss Jack und ließ sich kurzerhand auf den Sand nieder.

Cotton und Rachel machten sich auf den Weg und durchsuchten die, zum Glück, recht beschauliche Insel. Bald stießen sie auf eine Höhle. Aus der konnte man eine angenehme Kühle spüren. Cotton machte Rachel mit Handzeichen verständlich, dass er glaubte, dass dort drinnen eine Quelle sei. Rachel verspürte tiefstes Mitleid mit dem alten stummen Mann. Zögernd folgte sie ihm. In der Höhle war es recht dunkel und dennoch fanden sie nach kurzer Zeit, wonach sie gesucht hatten. Ein klitzekleiner See, wenn man so wagemutig war, es als solchen zu bezeichnen, befand sich etwa in der Mitte der Höhle. Cotton und Rachel begangen die Flaschen mit dem kühlen Nass zu füllen.

Währenddessen sahen Pintel und Jack zu, wie von dem fremden Schiff ebenfalls Beiboote ins Wasser gelassen wurden. Jack stellte unbehaglich fest, dass es drei Boote waren.
“Hoffen wir, dass sie aus guten Absichten kommen.”, meinte er lachend zu Pintel und versuchte somit seine Angespanntheit zu überspielen, denn er hatte bemerkt, dass Pintel neben ihm sehr verkrampft dasaß. Nun packte Jack sein Fernrohr aus und sah damit in die Richtung der sich nähernden Boote.
“Das glaub ich ja nicht. Sie an, sieh an. Es könnte interessant werden.”, war alles, wozu er imstande war zu sagen, als er erkannte um wen es sich handelte.

“Captain? Nun sagt doch. Wer ist es?”, platzte es dann aus Pintel nach einer geraumen Weile des Schweigens heraus.
“Ihr werdet es gleich sehen. Aber lasst mich mit ihm reden. Ihr seid einfach still. Aye?”
Pintel nickte eifrig. Drei Beiboote erlangten jetzt den Strand. Ein relativ großer Mann, der durch seinen, nach Sparrows Empfinden, zu riesigen Hut, der Kapitän zu sein schien, erhob sich und schritt unbeirrt auf ihn zu. Fünf seiner Männer folgten ihm und umzingelten die Beiden.
“Schön dich mal wieder zusehen, Jack. Wie ich sehe, bist du immer noch im Besitzt der Pearl. Dürfte dein neuer Rekord sein, oder? Das letzte Mal warst du ja aus unerklärlichen Gründen nur drei Jahre Captain.”, grüßte der Mann Jack schadenfroh und in einem Tonfall, als ob sie sich rein zufällig auf dieser gottverlassenen Insel treffen würden.
“Barbossa.”, sagte Jack monoton.
“Sucht ihr hier nach etwas Bestimmten?”, wollte dieser wissen.
“Ja, mein Lieber. Nach Süßwasser.”, antwortete sein Gegenüber missgelaunt.
Jack konnte, auch wenn es ihm nicht passte, Barbossa als ebenso gerissen und listig wie sich selbst bezeichnen. Wenn auch er, Captain Jack Sparrow brillanter und cleverer war, so waren beide immer nur auf den eigenen Vorteil aus. Und Vorteile für seinen einst ersten Maat bedeuteten für Jack meist unumgänglich Nachteile für sich selbst. Jack sah sich kurz den anwesenden Teil von Barbossas Crew an und stellte verdrossen fest, dass alle bewaffnet waren.
“Was macht Ihr in diesen Gewässern, Jack? Der nächste Hafen in der Richtung, in der Ihr unterwegs seid, ist Port Royal. Und soweit ich auf dem Laufenden bin, seid Ihr dort nicht sehr beliebt.”
“Meine Güte! Ihr habt ja recht. Dann sollte ich schnellstens an Bord und einen anderen Kurs einschlagen lassen. Danke, mein Guter, du hast mir sehr geholfen.”, damit wollte sich Jack schon zum Gehen abwenden, als Barbossa ihn zurückrief.
“Jack. Für so dumm halte ich dich nun wirklich nicht.”, sagte er und lachte gehässig.
Ehe Jack sich wieder zu seinem Erzfeind umdrehte, verzog er eine Grimasse, dann lächelte er stolz und verlegen zugleich.
“Ach wirklich nicht? Ihr schmeichelt mir, Barbossa. Ich besitze also Euer vollstes Vertrauen in meine Intelligenz, wenn ich das richtig verstanden habe. Aye?”
“Wohl eher in Eure Fähigkeit, nicht orientierungslos auf See umherzufahren.”, erwiderte Barbossa, selbst über Jacks Kunst verwundert, einem die eigenen Worte im Mund herumzudrehen.
“Also was macht ihr hier?”, nun klang er zunehmend ungeduldiger und erboster.
Jack dachte fieberhaft nach. Warum hatte Barbossa ihn verfolgt und warum wollte er so unbedingt wissen, was sie hier machten? Jack musste einsehen, dass er im Moment nur die Pearl als Grund in Erwägung ziehen konnte. Und das war ziemlich unlogisch, musste er zugestehen. Aber was anderes fiel ihm nun mal nicht ein. Und auf jeden Fall wollte er so schnell wie möglich wieder zu seinem Schiff zurück. Wo zum Henker steckten Cotton und Rachel eigentlich?

Die Beiden bahnten sich gerade einen Weg durch das dicht gewachsene Pflanzenmeer. Cotton, der als Gentleman die Wasserflaschen alleine schleppte, lief schon einige Meter vor Rachel her. Die erblickte plötzlich etwas rötlich Schimmerndes. Neugierig wich sie von dem Pfad, den Cotton bereits hinter sich gelassen hatte, ab und lief darauf zu. Sie sah einen wunderschönen Vogel, dessen Gefieder in den herrlichsten Farben von vereinzelten Sonnenstrahlen, die durch das Dickicht fielen, erhellt wurde. Mit kindlichem Verzücken blieb Rachel vor ihm stehen und betrachtete ihn. Weder sie noch Cotton bemerkten, dass sie einander verloren hatten. Als der alte Mann den Sandstrand erreichte und feststellte, dass Jack und Pintel nicht mehr alleine waren, drehte er sich Hilfe suchend um. Aber Rachel war nicht, wie erwartet hinter ihm. Flink lief er zu seinem Captain und versuchte ihm zu erklären, dass die junge Frau abhandengekommen sei. Jack seufzte, warf Barbossa einen abschätzenden Blick zu und wandte sich dann sehr leise an seine zwei Crewmitglieder:
“Ihr fahrt jetzt mit dem Wasser zur Pearl. Die segelt hier irgendwo um die Insel. Ich komme gleich nach. Aber bleibt nicht weit von der Insel weg.”, dann drehte er sich übertrieben freundlich zu Barbossa,
“So, Hector. War ganz reizend dich mal wieder zu treffen. Aber wie du wohl mitbekommen hast, müssen wir aufbrechen. Also dann. Auf ein nicht so baldiges Wiedersehen.”, mit diesen Worten lief Jack auf die noch übrig geblieben Beiboote von Barbossa zu.
Pintel und Cotton waren ja auf sein Geheiß schon mit dem eigenen Boot weggefahren. Verwundert bemerkte Jack, der sich dreist eines von Barbossas nahm, dass von den drei angekommen Booten nur noch zwei da waren. Das konnte nur bedeuten, dass die Insassen entweder wieder zu ihrem Schiff zurückgefahren waren oder irgendwo hier auf der Insel warteten.
“Irgendwann … werde ich es Euch zurückgeben. Ehrenwort!”, rief er zu dem verdutzt dreinschauenden Barbossa am Strand zu.
Dieser wandte sich an seine Crew und verkündete:
“Er wird nicht sofort zurück zur Pearl gehen. Soweit ich das Rumgewinke des Stummen verstanden habe, befindet sich noch jemand auf der Insel. Und ich habe vorher ja das Mädchen in dem Beiboot gesehen. Sucht sie! Aber bringt sie mir lebendig. Jack könnt ihr meinetwegen erledigen. Obwohl… muss nicht sein. Irgendwie ist er mir ja sympathisch… ”

Natürlich paddelte Jack nicht zur Pearl zurück. Er hatte sie zwar gesehen, war sich aber sicher, dass sie solange sie in Bewegung blieb, nicht ihn Gefahr war. Er fuhr ein Stück um die Insel herum. Barbossa sollte nur denken, dass er auf sein Schiff sei. Dann hatte er auf der Insel hoffentlich seine Ruhe vor ihm. Als Jack befand, dass er nun weit genug von der Stelle, an der er sich mit Barbossa unterhalten hatte, war, betrat er wieder den Strand und lief in die Richtung, in der er Rachel ungefähr erwartete.

Rachel, die in der Zwischenzeit festgestellt hatte, dass sie alleine und somit hoffnungslos aufgeschmissen war, suchte nun vergebens einen Weg zurück zu Jack und Pintel. Nach einer knappen viertel Stunde gab sie dann gefrustet auf. Geduld war noch nie ihre Stärke und ihr Orientierungssinn war auch noch nie ausgeprägt oder gar vorhanden gewesen. Warum also weiter sinnfrei herumlaufen, wenn es doch sowieso nichts brachte? Ein raschelndes Geräusch hinter ihr ließ sie aufhorchen. Sie fuhr herum und sah sich einem fremden Piraten gegenüber stehen. Der richtete seine Pistole auf sie und grinste heimtückisch.
“Du kommst mit, wenn nicht…”
Zu Rachels Entsetzen entsicherte er seine Waffe. Im nächsten Moment geschahen zu viele Dinge auf einmal, als dass sie alles richtig mitbekommen konnte. Aus einem Schatten trat Jack hervor.
“Und Ihr passt besser auf, wie Ihr mit ihr redet.”
Der Unbekannte wirbelte herum und visierte nun Jack mit seiner Pistole an. Dieser bemerkte gerade noch rechtzeitig, dass des Piraten Finger langsam zum Auslöser wanderte. Aus dem Augenwinkel sah Rachel, die immer noch wie gebannt den Seeräuber mit der Waffe anstarrte, wie etwas durch die Luft schwirrte. Jacks Dolch fand sein Ziel im Hals des Mannes. Bevor dieser jedoch röchelnd zu Boden fiel, drückte er noch ab. Die abgefeuerte Kugel streifte Jacks linken Arm. Mit verschleierten Blick lag der leblose Körper nun auf dem Boden. Rachel sah ihn wie hypnotisiert an – sie hatte noch nie einen toten Menschen gesehen. Der Anblick jagte kalte Schauer über ihren Rücken. Dann wanderte ihr Blick zu Jack, der seltsam still dastand. Geschockt stellte sie fest, dass der einst weiße Ärmel von Jacks Hemd nun blutgetränkt war.
“Oh mein Gott.”, flüsterte Rachel fassungslos.
“Es reicht vollkommen, wenn Ihr mich Jack nennt. Aber wir sollten schnellstens zurück zum Schiff. Den Schuss haben die Anderen auf der Insel sicher gehört. Sie werden herkommen.”
“Aber Ihr seid verwundet!”, bemerkte sie unverständlich.
“Ja, danke. Das ist mir bewusst. Noch ein Grund von hier zu verschwinden.”
Als Rachel immer noch keine Anstalten zu gehen machte, packte Jack sie ohne weiteres und schleifte sie mit sich. Mit seiner Führung befanden sie sich bald wieder am Strand. Jack eilte schon auf das Meer zu. Als ihm das Wasser bis zum Bauch reichte, wandte sich Rachel aus seinem lockeren Griff.
“Was ist denn los?”, fragte er verärgert.
“Ich kann nicht Schwimmen.”, meinte sie tonlos mit gesenkten Blick und lief zurück zum Strand.
Es tat ihr unendlich Leid ihm so viele Umstände zu bereiten und sie wünschte sich nichts sehnlicher als endlich wieder Daheim zu sein.
“Verdammter Mist!”, fluchte Jack und auch ihm viel es wieder ein.
Er dachte hektisch nach. Dann fielen ihm die Beiboote ein. Irgendwo hier am Strand mussten sie sein. Konnte er es wagen nach ihnen zu suchen? Nur um dann vielleicht direkt in Barbossas Arme zu laufen? Nach langem hin und her entschloss er sich doch dazu. Gerade als er und Rachel ein Stück zurückgelegt hatten und zwei Boote erblickten, kamen drei Männer auf sie zugestürmt. Jack, der mit größeren Schritten Rachel vorauslief, blieb abrupt stehen.
“Was?”, wollte sie wissen.
“Problem! Weg!”, schrie er übernervös und rannte auf sie zu.
“Wohin denn?”
Wenn die Situation nicht so ernst gewesen wäre, hätte Rachel laut über Jacks Art zu rennen gelacht. Es sah einfach zu komisch aus, wie er mit den Armen umher schlenkerte.
“Ins Wasser!”
“Ich habe Euch doch eben schon gesagt,… Ihr erinnert Euch vielleicht, dass… ”, setzte sie zum Erwidern an.
Doch Jack packte seine entzückende Begleitung, der so langsam aber sicher der Geduldsfaden mit diesem planlosen Piraten riss, ein zweites Mal und zerrte sie trotz ihrer Widerspenstigkeit ins Wasser. Als Beide dann so weit im Meer waren, dass sie nicht mehr stehen konnten, zog Jack sie mit sich. Selbst überrascht, dass es auch mit nur einem gesunden Arm funktionierte, grinste Jack siegessicher. Erleichtert gewahr er die Pearl, die links neben ihnen ruhig daher glitt. Seine offene Wunde brannte höllisch im Salzwasser. Gibbs hatte seinen Captain schon lange erkannt und steuerte das Schiff auf die Beiden zu. Als sie die Zwei im Meer erreichten, warf er ein Seil zu ihnen hinab. Jack griff danach und ließ sich und Rachel somit aus dem Wasser ziehen. Als Jack keine Kraft mehr hatte sich daran festzuhalten, fielen beide unsanft aufs Deck.
“Jack! Was ist passiert?”, erkundigte Gibbs sich sofort.
“Nichts Wichtiges.”
Erledigt lehnte Jack an der Reling. Jetzt da er endlich zur Ruhe kam, bemerkte er erst den stechenden Schmerz in seinem Arm. Er fuhr mit seiner rechten Hand unter den Ärmel und betastete vorsichtig die verletzte Stelle. Als er sie wieder zurückzog benetzte Blut seine Finger. Ungläubig blickte Gibbs ihn an.
“Gibbs, das ist halb so schlimm. Wirklich. Lasst uns nur schnell weiterkommen.”,versuchte Jack seinen ersten Maat zu beruhigen.
Erfolglos jedoch. Gibbs lief nun nervös um Jack herum.
“Wie konnte das passieren? Ihr seid verwundet.”
“Halt endlich den Mund! Das weiß ich nun so langsam auch.”, meinte der Captain und rollte genervt mit den Augen.
Warum glaubte anscheinend jeder, dass es ihm helfen würde, andauernd zu erwähnen, dass er angeschossen war? Stöhnend rappelte er sich zu seiner vollen Größe auf.
“Wessen hirnrissige Idee war es eigentlich Barbossa auf dieser Insel zu erwarten?”, fragte Jack in die Runde, als er wieder seinen Platz hinter dem Steuer einnahm.
“Das war Eure.”, verkündete Ragetti stolz darauf etwas sagen zu können.
“Ah.”, meinte Jack nur.

Wie so häufig in letzter Zeit stand Rachel an der Reling und schaute zu, wie die Sonne langsam hinter dem Horizont verschwand. Ihr war heute definitiv zu viel für einen Tag passiert. Hinzu kam noch ein schlechtes Gewissen, dass sie wegen Jack plagte.

Der saß mit Gibbs in seiner Kajüte und ließ über sich eine Gardinenpredigt ergehen.
“Das war einfach…”
“Unüberlegt und unvorsichtig.”, beendete Jack gelangweilt den Satz.
Jack besaß zwar Gibbs vollsten Respekt aber er war manchmal der Meinung, für Jack eine Art Vaterfigur sein zu müssen. Und die Aktion von heute bestätigte ihn nur mal wieder darin. Dieses Verhalten von Gibbs empfand Jack als ziemlich ätzend. Er wusste, dass es nur gut gemeint war, aber schließlich mangelte es ihm nicht an Verstand. Er war kein kleines Kind mehr und konnte gut für seine eigenen Handlungen die Konsequenzen tragen. Gibbs begann wieder auf und ab zu laufen und fuhr mit seiner Predigt fort:
“Du hättest dabei umkommen können!…“
Sein Schützling, wie er Jack insgeheim bezeichnete, hatte aber schon längst aufgehört ihm zuzuhören. Jack seufzte selbstmitleidig und starrte fasziniert auf die Rumflasche vor sich, als hätte er noch nie etwas Interessanteres gesehen. In der letzten halben Stunde hatte die Taktik “Kopfnicken und Lächeln” wunderbar funktioniert. Doch ab dem Zeitpunkt, an dem Gibbs sich zu wiederholen begann und Jack alles auswendig hätte mitreden können, schaltete sein Gehirn völlig aus und er nickte dummer Weise immer an den falschen Stellen von Gibbs Rede. So gab der Captain schließlich ganz auf Interesse oder gar Aufmerksamkeit vorzutäuschen. Jack nahm den Rum und trank ihn mit tiefen Zügen fast weg. Und das nur aus reiner Verzweiflung. Gibbs beobachtete ihn zornig und entnahm ihm dann die Flasche.
“Was denn?”, fragte Jack leicht angetrunken.
Sein erster Maat zuckte mit den Schultern, grinste entschuldigend und trank die Flasche voll leer.
“Gibbs… entschuldigt mich aber ich werde nun an Deck gehen…laufen…wie auch immer.”, teilte Jack ihm mit, nahm sich vorsorglich noch Rum und torkelte gemächlich nach oben.

Bei der letzten Stufe der Treppe stolperte er und fiel vorne über, wobei das Wichtigste für Jack war, dass die Flasche nicht zerbrechen konnte. Schnell richtete er sich wieder auf, klopfte den nicht vorhandenen Staub von der Kleidung und blickte umher. Lediglich, um sich zu vergewissern, dass diesen Zwischenfall niemand mitbekommen hatte. Er sah nur Rachel, die immer noch an der Reling stand. Sie hatte das laute Gepolter zwar vernommen, aber es war nichts Ungewöhnliches, dass zu dieser Zeit des Tages nicht mehr ganz so nüchterne Personen herumliefen. Jack sah sie einen Moment verwundert an ehe er zu ihr lief.
“Schätzchen, was macht Ihr denn hier alleine? Störe ich Euch gerade?”
Jetzt erst drehte sie sich zu dem Verursacher des Geräusches um. Stumm schüttelte Rachel den Kopf und starrte wieder auf das Meer. Im Westen des klaren Abendhimmels konnte man noch das schwache, rötliche Licht der untergehenden Sonne sehen, das am Verblassen war. Die See funkelte geheimnisvoll darunter. Jack gesellte sich unaufgefordert zu ihr und wollte ihr den Rum geben.
“Nein danke.”
“Wir hätten notfalls auch Wasser an Bord…nur für den Fall, dass es Euch wieder schlecht ergehen sollte.”, zog er sie grinsend auf.
Rachel war zwar bewusst, dass das eine Anspielung sein sollte, blickte ihn dennoch nur ausdruckslos an. Jack fing an zu schwanken.
“Und Ihr solltet Euch lieber hinsetzen, dann war es immerhin Eure Entscheidung und nicht die der Schwerkraft.”, gab sie feixend zurück.
Jack musste kurz darüber nachdenken, was das zu bedeuten hatte, dann lachte er.
“Gut gekontert.”, meinte er anerkennend und lachend.
“Wie geht es Eurem Arm?”, fragte Rachel teilnehmend.
“Ach, nicht der Rede wert.”, winkte er leichtfertig ab.
Einen Augenblick lang sah sie ihn ungläubig an, ehe sie ihren Blick wieder senkte.
“Ich wollte mich noch dafür bei Euch bedanken.”
“Und wie werdet Ihr Euch erkenntlich zeigen?”, fragte Jack grinsend nach und machte einen Schritt auf sie zu.
“Ich wäre ganz und gar nicht abgeneigt…”, fuhr er fort und sein Grinsen wurde von Mal zu Mal dreckiger.
Als Rachel diese Aussage vollkommen zu begreifen schien, sah sie ihn empört an und kniff ihn ohne Vorwarnung in den verletzten Arm. Der Pirat zuckte schwer zusammen und verzog das Gesicht.
“Soll das Eure Art sein sich zu bedanken?! Ich bin schockiert, Kleines!”, er wich hastig ein paar Schritte von ihr zurück.
“Auf jeden Fall wollte ich noch sagen, dass ich Euch wirklich mutig fand.”, sprach sie ruhig weiter und überspielte somit den kurzen Zwischenfall.
“Das ist Ansichtssache.”, meinte Jack schulterzuckend, “Mut ist nicht die Abwesenheit von Angst. Sondern vielmehr das Urteil, das entscheidet, dass etwas Anderes wichtiger als die Furcht selbst ist.”, quasselte er munter vor sich hin.
Rachel betrachtete ihn überrascht.
“Sowas poetisches einmal aus Eurem Mund zu hören beeindruckt mich sehr.”
“Soll das heißen, Ihr hättet mir nie zugetraut etwas so sinnvolles und schönes zu sagen?”, fragte Jack nach und war sehr damit bemüht äußerst beleidigt zu wirken.
“Ehrliche Antwort?”
“Wenn Ihr so fragt, dann wohl lieber nicht.”, meinte er entrüstet.
“Dann ja. Ich hätte es Euch zugetraut.”, beantwortete Rachel ihm die Frage gut gelaunt.
Er erwiderte ihr Lächeln und betrachtete sie ausgehend. Sie mauserte sich so langsam richtig. Rachel war nicht mehr so verschüchtert, wortkarg und verunsichert wie am Anfang. Jack war davon wirklich positiv überrascht. So gefiel sie ihm besser.
“Mal was anderes, Kleines. Habt Ihr eine Ahnung, was die Piraten von Euch wollten?”
“Nein. Ich hoffte, Ihr könntet mir das sagen …Captain.”, fügte sie belustigt hinzu, als sich Jack krampfhaft an der Reling festhielt, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren.
Rachel fand immer mehr Gefallen an diesem grotesken Piraten. Auch, wenn sie sich das niemals eingestehen würde …

Am nächsten Tag wirkte die Crew mitsamt Kapitän sehr angespannt. Rachel konnte sich vorstellen warum. Heute, genaugenommen in Kürze, würden sie den Hafen von Port Royal erreichen. Und Piraten waren schon seit langem in der idyllischen Stadt unerwünscht. Auf jeden Gesetzlosen, der sich dorthin verirrte, wartete der Tod. Doch im Gegensatz zum Rest war Rachel ziemlich glücklich, wenn auch etwas aufgeregt, endlich wieder Daheim zu sein. Und sie war sich sicher, dass der Mannschaft nichts passieren würde. Schließlich hatten sie ihr geholfen hier her zu gelangen. Nun passierte die Black Pearl einen Felsbogen, der im Wasser vor der Küste hervorragte. An einem Balken, der waagrecht durch den Bogen verlief, hingen die Überreste drei gehängter Piraten. Neben dem letzten Skelett hing ein Holzschild. Darauf stand: Piraten- seid gewarnt. Alle an Bord ließen ihre Beschäftigung einen Moment ruhen und standen schweigend mit einem andächtigen Blick auf ihre einst lebenden Gefährten still. Keiner gab ein Laut von sich, nicht einmal Cottons nervend, gesprächiger Papagei. Dann endlich ankerte das Schiff am Hafen. Als Jack, Gibbs und Rachel das Deck verließen und langsam auf den Steg zusteuerten, stand der Rest der Crew nervös an Bord. Rachel sah sich noch einmal um und lächelte traurig.
“Lebt wohl.”, sagte sie und meinte es auch so.
Sie hätte es nie für möglich gehalten, doch diese Piraten waren ihr irgendwie, auf eine seltsame Art und Weise, ans Herz gewachsen.
“Lasst mal etwas von Euch hören. Auf Wiedersehen,…Missy.”, kam es von Pintel und er und die Anderen blickten ihr fast schon wehmütig nach.
Jetzt befanden sich die drei auf dem Steg und von überall strömten nun Soldaten der Royal Navy herbei und kreisten sie ein. Man hatte sie also schon längst entdeckt. Das war natürlich mit einem so auffallenden Schiff, wie der Black Pearl, nicht weiter verwunderlich. Jack trat unbehaglich von einem Fuß auf den andern. Dann sah er kurz zu Gibbs und Rachel und bemerkte, wie er durch deren Anblick etwas entspannte.
“Captain Jack Sparrow.”, kam es dann plötzlich von einem hochgewachsenen Mann, der durch die Reihe von Soldaten durchbrach und sich vor Jack stellte.
Sparrow erkannte ihn sofort und auch Rachel wusste, dass es sich um Commodore Norrington handelte. Dieser fuhr fort.
“Wie könnt Ihr es wagen hierher zu kommen? Noch dazu am heutigen Tag!”
“Commodore! Wie schön Euch wiederzusehen!”, meinte Jack und seine Stimme quoll vor Sarkasmus über.
“Admiral, wenn ich bitten darf. Legt ihn in Ketten!”, befehligte er zwei Soldaten.
Jack seufzte, diese Situation kam ihm nur zu bekannt vor. Doch bevor ihn die zwei Männer ergreifen konnten sagte er in einem drohenden Tonfall:
“Das nehmt besser zurück… Admiral.”, spottete er und auf dieses Stichwort hin, trat Gibbs mit Rachel hervor.
Sein Dolch ruhte auf ihrer Kehle. Das hatten sie zuvor so ausgemacht und Rachel war einverstanden gewesen. Es sollte nur zur Sicherheit der Crew dienen. Der Admiral zog die Augenbrauen kraus und bedachte Rachel mit einem unverständlichen Blick.
“Euer Name!”, forderte er missgelaunt.
“Aber erkennt Ihr mich denn nicht mehr? Ich bin es. Rachel.”, antwortete sie ihm verwundert.
Nun schien auch James endlich zu verstehen. Seine Augen wurden größer und er machte unwillkürlich einen Schritt auf sie zu. Doch Jack versperrte ihm mit verschränkten Armen den Weg.
“Was wollt Ihr?”, fragte Admiral Norrington ärgerlich und auch etwas enttäuscht nach.
“Nur Euer Wort, dass wir unversehrt von hier gehen dürfen.”, meinte Jack und während er sprach, spürte er, wie sein Selbstbewusstsein wieder wuchs.
“Gott! Wie selbstlos.”, bemerkte einer der Soldaten zu laut und löste somit Gelächter aus.
Jack ignorierte das und blickte weiterhin abwartend nur Norrington an.
“Ruhe!”, herrschte dieser den vorlauten Soldaten an. “Holt den Gouverneur herbei.”
“Aber Admiral er ist doch…”
“Nun geht schon!”, blaffte James ihn an.
Der junge Mann eilte schleunigst davon.
“Also?”, fragte Jack nach und erinnerte den Admiral somit wieder an die Forderung.
Doch dieser schwieg und Jack wusste nur zu gut, dass im Inneren seines Gegenübers ein heftiger Konflikt stattfand. Alles, was Norrington in den letzten Jahren wollte, war er, Captain Jack Sparrow. Und eben diesen sollte er nun einfach so ungestraft davon gehen lassen? Rachel warf Gibbs über die Schulter einen unsicheren Blick zu, den sie erwidert bekam. Die Situation schien nicht so zu verlaufen wie geplant. Doch wenig später trat der Gouverneur höchstpersönlich zu der Gruppe hinzu. Im Schlepptau Elizabeth und Will Turner. Alle trugen ausschließlich schwarze Kleidung. Jack schenkte Will ein kurzes Lächeln und auch des Schmiedes Augen begangen zu funkeln.
“Ist es möglich?”, sagte Gouverneur Swann ungläubig und blickte Rachel an.
Gibbs hielt den Dolch wieder an ihren Hals.
“Admiral! Was wollen diese Leute?”
“Gouverneur. Sie verlangen, dass wir sie unversehrt von hier fliehen lassen. Im Gegenzug werden sie Miss Swann freilassen.”, meldete Norrington schnell.
“Dann lasst sie gehen!”, verlangte der ältere Mann mit Eindringlichkeit in der Stimme.
“Aber…”
“Habt Ihr nicht gehört?! Das ist meine Tochter! Selbstverständlich dürft Ihr von hier verschwinden. Meine Leute werden Euch nichts tun.”, wandte er sich nun an Jack.
Norrington senkte niedergeschlagen den Blick. Gibbs ließ Rachel los und sie lief langsam auf ihren 'Vater'zu. Unentschlossen blieb sie vor ihm stehen. Seine Augen füllten sich mit Tränen, dann konnte er nicht mehr an sich halten und umarmte sie stürmisch.
“Wir glaubten du seist tot.”, schluchzte er.
Nach einer endlos erscheinenden Zeit, zumindest aus Rachels Sicht, ließ er sie wieder los und musterte sie eingehend von oben nach unten.
“Du bist so groß geworden.”, sagte er stolz.
“Ist das verwunderlich? Nach sieben Jahren?”, meinte Rachel leicht lächelnd.
“Nein natürlich nicht. Was habt Ihr mit ihr angestellt?”, fragte der Gouverneur dann Jack aufgebracht.
“Angestellt!? Wie darf ich das verstehen? Sie ist gesund und munter so wie ich das sehen. Was wollt Ihr von mir?”, brachte der empört hervor.
Ehe der Gouverneur darauf etwas erwidern konnte, berichte Rachel ihm, dass sie auf der Insel Tortuga gestrandet sei, wobei ihr auffiel, wie Elizabeth und Will sich verstohlene Blicke zuwarfen, und das Jack sie getroffen und mit seiner Mannschaft hierher gebracht hatte.
“Sie sollten etwas zum Dank bekommen.”, schloss sie ihre Geschichte ab.
Unbedingt wollte Rachel so etwas wie eine Entschädigung für die Piraten, die ihr das Leben gerettet hatten. Der Gouverneur zögerte, doch als er ihren bettelnden Blick sah, willigte er ein.
“Nun gut. Du hast recht. Wir stehen in ihrer Schuld und verdanken ihnen zu viel.”
Dann überlegte er kurz.
“Also schön. Ich will euch mein Versprechen geben, dass all eure bisherigen Strafen abfallen und ihr euch frei in den Gewässern um Port Royal bewegen dürft. Aber um Gottes willen, lasst mich diese Entscheidung nicht bereuen!”
Gibbs klappte schlagartig der Mund auf und auch Jack war über dieses äußerst großzügige Angebot überrascht.
“Kann ich das bitte schriftlich haben?”, warf er mit erhobenen Zeigefinger frech ein.
Gouverneur Swann sah ihn kurz böse an. Auf Rachels flehenden Blick hin, befahl er dann aber einem seiner Männer ein Dokument aufzusetzen. Dieser schrieb alles auf, was ihm diktiert wurde. Swann unterzeichnete und reichte es zweifelnd Jack. Der sah es sich aufmerksam an und grinste dann so breit wie physikalisch nur machbar Rachel an. So etwas hatte er wahrlich nicht erwartet.
Nun. Ich werde dich jetzt schnellstens nach Hause bringen.”, meinte der Gouverneur zu Rachel. “ Und Ihr gebt den Leuten oben über die Geschehnisse Bescheid, Admiral Norrington.”
Der sah Jack noch einmal bitterböse an und wenn Blicke töten könnten, wäre nun halb Port Royal umgefallen.
“Wegtreten!”, befahl er seinen Soldaten und lief ebenfalls davon.
“Vater, ich möchte mit Rachel noch etwas spazieren gehen. Wir kommen dann bald nach.”, meldete sich nun Elizabeth zum ersten Mal zu Wort.
Ihr Vater sah sie unschlüssig an. Er wollte seine neu gewonnene Tochter nicht gleich wieder gehen lassen.
“Keine Sorge. Will ist ja bei uns.”, sprach Elizabeth beschwichtigend auf ihn ein.
Er gab schließlich nach und verließ den Hafen mit seiner Leibwache.
“Das wir nochmal das Vergnügen haben.”, sagte Will grinsend zu Jack.
“Ihr werdet mich einfach nicht los.”, scherzte der Captain.
“Ihr kennt euch?”, wollte Rachel nun interessiert wissen.
“Mehr oder weniger. Das ist eine lange Geschichte.”
“Dann will ich sie hören.”
“Ein anderes Mal. Gehen wir?”, Elizabeth schien sich nicht so sehr wie ihr Geliebter über Jacks Anwesenheit zu freuen, oder sie konnte es nicht abwarten von Rachel die ausführliche Geschichte zu hören.
“Na gut. Bis irgendwann vielleicht, Jack.”, meinte der junge Turner.
Als die drei den Steg zurückliefen, warf Rachel noch einen Blick über die Schulter auf Gibbs und dessen Kapitän. Elizabeth beobachtete sie dabei lächelnd.
“Na los, geh schon noch kurz.”
Ihre jüngere Cousine sah sie dankend an und lief schnell zurück. Will wollte mit doch Elizabeth packte ihn an der Hand.
“Aber…”, begann er.
“Ach, Will! Sei nicht immer so…”, sagte sie lächelnd mit den Augen rollend.
Die zwei Piraten gingen gerade auf die Pearl zu, als sie eine helle Stimme vernahmen. Mit einem undeutbaren Blick in den Augen stand Rachel vor ihnen. Jack lächelte.
“Ja?”
Sie wusste nicht genau, was sie sagen wollte, aber da sprudelte Gibbs auch schon los:
“War der Gouverneur betrunken? Ich meine, diese Unterzeichnung…”
“Gibbs!”, rief Rachel empört und gab ihm einen spielerischen Klaps auf die Schulter.
“Unterschrieben ist unterschrieben.”, warf Jack ein, dann sah er lächelnd auf das Papier in seiner Hand.
“Frei in den Gewässern um Port Royal bewegen.”, zitierte er und Rachel fiel auf, wie andächtig Jack das Wort 'frei'sagte.
“Das habt Ihr gut hinbekommen. Vor allem beherrscht Ihr diesen flehenden Blick wunderbar.”, lobte er sie freundlich und auch mit etwas Stolz in der Stimme.
Rachel wurde bewusst, dass das Hinauszögern des Abschiedes es nicht leichter machen würde. So schloss sie sich so kurz wie möglich.
“Danke für alles,…Jack.”
Es war das erste Mal, dass sie ihn mit seinem Namen ansprach, ohne verärgert noch spöttisch zu sein. Und das gefiel ihm.
“Lebt wohl Gibbs.”
“Wir kommen Euch mal besuchen, Missy. Macht es gut.”, er umarmte sie unerwarteterweise, senkte dann verlegen den Blick und lief zum Deck.
“Das sowieso. Schließlich habe ich Euch versprochen das Schwimmen beizubringen. Und wehe Euch, wenn Ihr es von jemanden anderen gezeigt bekommt!”, meinte Jack lachend, doch es war unschwer zu erkennen, dass er ebenfalls etwas traurig war.
Rachel lächelte nur.
“Nein, versprochen.”
Er grinste sie frech an, verbeugte sich vor ihr, wobei er theatralisch seinen Hut vom Kopf nahm und küsste sie auf die Hand. Rachel verabschiedete sich nochmals von ihm und begab sich dann wieder zu Will und Elizabeth. Jack blickte den dreien noch nach, bis sie aus seiner Sicht verschwanden, dann betrat auch er wider seine geliebte Black Pearl. Irgendwie hatte er das Gefühl Rachel wiederzusehen. Und mit diesem Gewissen steuerte er sein Schiff dem Horizont mit der untergehenden Sonne entgegen.

Einige Tage waren vergangen, seit Rachel mitten in ihre eigene Beerdigung hereingeplatzt war. Das war der Grund gewesen, warum alle in Schwarz gekleidet waren. Der Pfarrer hatte eben mit seiner Rede begonnen, als Gouverneur Swann nach unten zum Hafen gebeten wurde. Rachel dachte, dass sie das kleine Abenteuer mit den Piraten bald wieder vergessen würde, nachdem sie Will und Elizabeth alles genaustens geschildert hatte. Nur, da hatte sie weit gefehlt. Eine innere Unruhe, wie sie sie noch nie verspürte, überkam sie seit diesem Tag. Und das trotz der vielen, netten Geschenke die der Gouverneur ihr machte, um sich wieder an das Leben in Port Royal zu gewöhnen. Erst der ganze Schmuck, den sie über alles liebte, dann die wunderschönen, langen Kleider. Das schönste Geschenk war jedoch die junge Stute, die sie bekommen hatte. Ein bildhübsches, fuchsfarbenes Vollblutpferd. Wie jeden Abend stand sie nun im Stall, von wo aus sie auf das Meer blicken konnten und striegelte ihr Pferd. Das Schnauben des Tieres und die Wärme, die von seinem Körper ausging, beruhigte sie. Elizabeth gesellte sich leise zu ihr und beobachtete Rachel eine Weile mit besorgtem Gesicht.
"Was ist denn mit dir los?", fragte sie dann.
"Nichts. Was soll sein?", log ihre kleine Cousine sie an.
"Du hast an nichts eine richtige Freude. Bist so gut wie den ganzen Tag im Stall, anstatt an irgendwelchen Tanzveranstaltungen oder mal an einer Gesprächsrunde bei Tee teilzunehmen."
Rachel hielt inne, blickte Elizabeth an und senkte dann den Blick. Es war ihr peinlich was sie zu sagen hatte:
"Ich fühle mich einfach nicht zu Hause hier. Verstehe mich nicht falsch, ich werde umsorgt und bekomme alles wovon andere Frauen träumen würden, aber irgendwas fehlt mir. Ich weiß nicht mal was es ist."
Elizabeth nahm sie tröstend in ihre Arme. Sie konnte sich vorstellen, was Rachel meinte. Denn auch sie hatte so ein ähnliches Gefühl einmal gehabt. Und das war, nachdem sie die ganzen Abenteuer mit Will und Captain Jack Sparrow bestanden hatte. Seitdem sie nun mit Will verheiratet war, war alles so ruhig geworden. Ja, fast eintönig. Da fiel ihr wieder ein, warum sie überhaupt heruntergekommen war.
"Ich soll dich holen. Vater möchte was mit dir besprechen."
Schweigend nickte Rachel und folgte ihr. Oben erwartete der Gouverneur sie auch schon in der Eingangshalle.
"Meine hübsche Rachel. Komm mit in mein Zimmer und trink einen Tee mit mir.", sagte er und lächelte glücklich.
Rachel folgte ihm und bekam mit jedem Schritt ein mulmigeres Gefühl, irgendetwas passte ihr gar nicht. Und als sie das geräumige Zimmer betrat, in das der Gouverneur schon vor gelaufen war, wusste sie auch, was es war. Breit grinsend saß dort bereits der Admiral höchstpersönlich.
"Mr. Norrington.", meinte sie nur der Höflichkeit halber.
Dieser nickte nur mit dem Kopf, während der Gouverneur mit seiner schon längst geübten Rede anfing: "Da du nun wieder gesund hier angekommen bist und auch schon das Alter dafür erreicht hast, habe ich beschlossen, dass du Admiral Norringtons Frau werden sollst."
Nein, schoss es Rachel nur durch den Kopf. Alles nur nicht das. Dieser schmierige, Perücke tragende, unsympathische Mensch.
"Vater…", begann sie zögernd, dann sah sie in dessen Gesicht und erkannte die Freude, die darauf zu sehen war.
Sie wollte ihn nicht enttäuschen, lächelte ihn gezwungen an und nickte zustimmend. James strahlte über das ganze Gesicht. Und Rachel wusste, dass sie nach Elizabeth nur die zweite Wahl war. Aber Elizabeth hatte Will ihm vorgezogen und ihn somit ziemlich bloß gestellt. Das wollte der Gouverneur anscheinend wieder gut machen.
"Wann soll die Hochzeit denn stattfinden?", fragte sie ganz leise.
"Gleich morgen, ist das nicht wunderbar, Rachel?", antwortete James ihr immer noch strahlend.
"Ja, fantastisch. Aber entschuldigt mich. Ich bin sehr müde, möchte noch kurz nach meinem Pferd sehen und lege mich dann Schlafen. Gute Nacht.", mit diesen Worten ging sie zum wiederholten Male raus.
Der kalte Nachtwind schlug ihr erbarmungslos in das Gesicht und so liefen die ersten Tränen über ihre Wangen. Wie konnte er ihr das nur antun? Sie konnte Norrington noch nie leiden. Er besaß so jede Eigenschaft, die sie nicht mochte. Fast blind vor Tränen zäumte und sattelte sie ihr Pferd und ritt im schnellen Tempo den Strand entlang. Plötzlich sah sie ein flackerndes Licht am Horizont. Es wurde immer größer, blieb dann etwa fünfzig Meter vor dem Land stehen. Sie zügelte ihre Stute, die widerwillig den Kopf schüttelte und anhielt. Rachels Herz machte einen Aussetzer, als sie erkannte, was dort ruhig im Wasser war. Die Black Pearl. Sie hätte schreien können vor Glück, aber das tat sie nicht. Entgeistert blickte sie auf das kleine Beiboot, das ins Wasser gelassen wurde und auf den Strand zu gefahren kam. Ihr temperamentvolles Pferd stieg in die Luft, als zwei Männer auf sie zugelaufen kamen und einer davon fasste nach den Zügeln, um es ruhig zu halten. Es waren Jack und Pintel. Sie wollte in Jacks Gesicht blicken, sah aber nichts außer einem Kapitänshut. Erst als er den Blick zu ihr hinauf wandern ließ, sah sie sein Gesicht.
"Hallo, Schätzchen.", raunte die wohlklingende Stimme ihr zu.
"Jack!", rief sie leise, so erfreut war sie über das Wiedersehen.
"Psst, es soll uns niemand hören. Hättet Ihr Interesse an einer kleinen Rundfahrt?", fragte er, als ob es nicht besonderes wäre.
"Wenn es wirklich bei einer kleinen Rundfahrt bleibt dann gerne, hier fällt mir die Decke auf den Kopf, aber ich möchte das Pferd noch schnell im Stall abstellen. Ich bin gleich wieder hier.", versprach sie, ohne zu wissen, worauf sie sich einließ.
Jack gab die Zügel frei und sie galoppierte schnell wie der Wind in Richtung Stall. Als sie geschwind das Pferd für die Nachtruhe fertig gemacht hatte, wollte sie sich schon umdrehen und gehen. Aber eine Stimme ertönte: "Wo willst du hin?"

„Will! Was machst du denn hier?“, fragte Rachel und ihr Herz raste im gleichen Takt, wie die donnernden Hufe ihrer Stute eben.
Sie fühlte sich ertappt und wischte unsicher mit ihrem Stiefel über den Sand im Stall.
„Das solltest du mir eher erklären. Solltest du nicht im Bett sein und dich für deinen großen Tag morgen ausruhen? Aber um dir deine Frage zu beantworten: Ich habe nur nach den Eisen eines Pferdes nachgesehen. Die hat es gestern frisch von mir bekommen und ich fürchte, sie sind etwas zu klein geraten“, meinte der Schmied gelassen.
Rachel überlegte fieberhaft. Sie wollte eigentlich sofort zurück zur Black Pearl, aber sie konnte Will natürlich nicht die Wahrheit sagen.
„Hör zu, Rachel. Ich habe meine Augen und Ohren an mehreren Orten. Ich habe dich am Strand gesehen und Jack habe ich sofort erkannt. Und, dass du James Norrington nicht heiraten willst, kann ich auch nur zu gut verstehen. Lass uns doch mit offenen Karten spielen, ja?“, half ihr der junge Mann auf die Sprünge.
Rachel fasste sich ein Herz und erzählte ihm, dass sie einen kurzen Besuch auf der Black Pearl vorhatte. Will seufzte entnervt auf. Am liebsten wäre es ihm gewesen, er hätte sie hier nicht gefunden und doch wollte er ihr helfen.
„Na, schön. Ich werde niemandem was davon erzählen, außer Elizabeth. Aber ich werde dich mit Gewissheit nicht alleine zu den Piraten lassen. Elizabeth und ich werden dich begleiten“, so wie er das sagte, wusste Rachel, dass es keinen Sinn ergab mit ihm darüber zu streiten.
Will dachte angestrengt nach. Es sah Jack gar nicht ähnlich Rachel nur für einen kleinen Ausflug abzuholen. Irgendwas musste dahinter stecken.
Sie nickte und wartete darauf, dass Will mit Elizabeth wieder kam. Nach kurzer Zeit trafen die beiden auch ein. Elizabeth hatte ihr Schlafgewand an und funkelte Will zornig an.
„Ich möchte nichts mehr mit diesem verruchten Spinner zu tun haben. Das weißt du. Diese Halunken haben mich schon einmal gefangen genommen. Ein zweites Mal passiert mir das sicherlich nicht“, sprudelte sie erbost los.
Will lächelte seine Frau verständnisvoll an.
„Ach, meine Liebe. Jack hat uns so manches Mal das Leben gerettet. Und kannst du Rachel nicht verstehen, dass sie vielleicht einfach nur vor dem morgigen Tag flüchten will?“
Elizabeth seufzte resigniert auf und verdrehte die Augen. Ja, Rachel tat ihr unendlich leid. Sie selbst hatte ihre Hochzeit mit James verhindern können. Ihre Versuche dem Gouverneur, ihrem Vater, diese Idee aus dem Kopf zu treiben, waren gescheitert. Rachel würde James heiraten und Elizabeth fühlte sich deswegen schuldig.
„Von mir aus! Aber erwartet nicht, dass ich mitkomme! Irgendjemand muss ja auch dableiben, um den Leuten zu erklären, wo ihr verblieben seid“, zischte sie immer noch aufgebracht.
Will und Rachel nickten stumm.
„Ich werde pünktlich zu der Hochzeit da sein. Versprochen. Und vielen Dank, liebste Cousine“, sagte Rachel überglücklich.
Elizabeth lachte nur kalt auf: „Ja, wir werden sehen. Piraten sind nicht für ihre Pünktlichkeit bekannt. Falls ihr nicht da sein solltet, erzähle ich einfach, dass du entführt wurdest und dass Will dir heldenhaft hinterher ist.“
Elizabeth umarmte Rachel und verabschiedete sich mit einem Kuss von ihrem Mann.


Will und Rachel machten sich verstohlen in der Dunkelheit auf. Die Black Pearl war nur ganz leicht in der Ferne zu sehen. Pintel und Jack warteten mit dem Beiboot an der gleichen Stelle, an der Rachel sie verlassen hatte.
„Ihr habt ja noch einen Frischling mitgebracht“, kommentierte Pintel das Auftauchen der beiden und sah Rachel leicht verwirrt an.
„Will ist mein Geleitschutz“, antwortete sie ihm ungeduldig und stieg in das Boot.
Jack sah Will abschätzend an: „Da hätte ich Euch jemand anderen empfohlen. Will ist ein Taugenichts.“


Die vier erreichten rasch die Black Pearl und kaum waren sie an Deck angekommen, läutete Gibbs die Alarmglocken.
„Was ist los?“, fragte Jack seinen ersten Maat.
„Da hinten! Seht Ihr das nicht? Es ist dasselbe Schiff, welches uns verfolgte als wir hier herfuhren“, meinte Gibbs und zeigte mit seinem Arm auf das offene Meer.
„Barbossaׅ“, murmelte Jack nur.
Er blickte Rachel an und plötzlich fiel sein Blick auf ein Amulett, welches an einer schönen Kette um ihren Hals hing. Bei ihrem ersten Treffen hatte sie es nicht getragen und er kannte das Symbol nur zu gut. Es war ein Herz mit einem Gesicht, welches oben in zwei Krabbenscheren endete. Auf einmal strengte sich sein Gehirn mächtig an, um in all dem einen Sinn zu erkennen.
„Wo habt Ihr das her?“, wollte er nun von Rachel wissen.
Rachel folgte seinem Blick und sie sah auf ihr Dekolleté.
Aufgebracht herrschte sie ihn an: „Na, von meinem Vater werde ich es nicht geerbt haben und meine Mutter habe ich leider nie kennengelernt, um zu beurteilen, ob es von ihr ist!“
„Rachel? Er meint deine Kette und den Anhänger“, sagte Will ganz beiläufig und zuckte mit den Schultern.
„Oh, verzeiht. Das hat der Gouverneur mir neulich gegeben. Mein Vater hatte es für mich aufgehoben“, erklärte Rachel nun kleinlaut.
Jack blickte die junge Frau an, dann den Anhänger und dann auf das sich nähernde Schiff. Er war davon überzeugt, dass er eins und eins richtig zusammengezählt hatte und ärgerte sich, dass er nicht schon früher darauf gekommen war.
„Volle Fahrt! Kurs gen Süden!“, brüllte er seiner Mannschaft zu.
„Jack! Was hast du vor?“, fragte Will ihn schroff.
„Eure Besichtigungszeit auf der Pearl hat sich soeben drastisch verlängert“, gab Jack kurz angebunden zurück.
„Aber ich muss morgen früh zurück sein. Ich werde James Norrington heiraten“, Rachel sah schockiert aus.
„Umso besser, dass wir hier schnell wegkommen“, Jack lächelte sie an.

Die Black Pearl glitt beinahe lautlos trotz ihrer raschen Geschwindigkeit. Jack hatte veranlasst, dass alle Lichter an und unter Deck gelöscht wurden. So war sein Schiff aus weiter Distanz nicht zu sehen. Und trotz all dieser Vorkehrungen fühlte sich Jack so unwohl in seiner Haut wie schon lange nicht mehr. Es war kein Zufall, dass Barbossa hier nach Port Royal gefahren war. Nein, da war sich der Captain der Black Pearl sicher. Er hatte Kurs auf eine dschungelähnliche Inselgruppe genommen. Es war eine lange Reise. Barbossas Schiff konnte es niemals mit der Geschwindigkeit der Black Pearl aufnehmen, aber seine Besatzung war um ein Weites größer als seine eigene. Rachel kam auf das Steuer zu. Jack ignorierte sie erfolgreich, bis sie sich räusperte. Will stand etwas abseits, nicht in Sichtlinie zu Jack und belauschte die beiden.
„Jack? Mein Amulett, ist irgendetwas damit? Ihr wurdet seltsam, als Ihr es gesehen hattet“, begann Rachel und spielte dabei mit ihrem Anhänger am Hals.
Jack warf noch einen Blick auf das Schmuckstück, aber dann konnte er alle Zweifel beseitigen.
„Ihr sagtet, es wäre ein Erbstück von Eurem Vater. Wer war der Mann?“, wollte er wissen.
Rachels Blick trübte sich. So war es immer, wenn sie an ihren geliebten Vater dachte, der viel zu früh von ihr gegangen war.
„Er war der kleine Bruder des Gouverneurs und der Admiral. Er war ein guter Mann, der für die Gerechtigkeit gekämpft hat. Er fiel in einem Kampf mit Piraten.“
Jack dachte nach. Ein gewöhnlicher Mann konnte es nicht gewesen sein. Es musste eine Verbindung zu einer gewissen Person geben und Jack wusste ganz genau, welche Person das sein sollte. Nun fragte er Rachel nach ihrer Mutter, doch die hatte Rachel nie gekannt. Sie war schon als kleines Baby von ihrem Vater mit nach Port Royal genommen worden. Wo sie tatsächlich geboren worden ist, wusste sie nicht. Genauso wenig wusste sie, ob ihre Eltern sich im Streit getrennt hatten oder nicht.
Jack streckte sich und zeigte beiläufig auf Rachels Amulett: „Darf ich mir das mal genauer ansehen?“
Rachel band sich die Kette vom Hals und wollte sie ihm übergeben, aber in diesem Moment kam Will angeschlendert.
„Vergiss nicht, liebste Rachel, er ist immer noch ein Pirat. Ich würde ihm nichts Glänzendes überlassen.“
Böse funkelnd starrte Jack den jungen Schmied an. Will hatte er nicht auf seiner Rechnung gehabt.
„Wohin fährst du eigentlich, Jack?“, wollte dieser nun wissen.
„Mach dir mal keine Sorgen. Rachel wird ihre Hochzeit schön verpassen und glaub mir, sie wird mir dankbar dafür sein. Wahrscheinlich noch am morgigen Tag.“
Jack wurde es zu bunt. Er musste selbst erst mal noch einiges herausfinden und das würde erst passieren, wenn er seinen Zielort erreicht hatte. Bis dahin sollte keiner ihn mit unnötigen und nervtötenden Fragen belästigen.

Die Black Pearl nahm ihren Weg weiterhin fort. Eines Nachts war es unnatürlich nebelreich und Jack und Gibbs mussten beide ihre Navigationskünste zusammen schmeißen. Das Klima wurde immer tropischer und Jack wusste, dass er seinem Ziel nahe war. Barbossa verfolgte sie noch immer.

Will war die meiste Zeit unter Deck. Er kannte sich in den Gewässern nicht sonderlich gut aus, sodass er irgendetwas über den Kurs sagen konnte. Rachel flößte er immer wieder ein, wie wichtig es war, dass sie das Amulett bei sich behielt. Soviel hatte Will verstanden, alles hatte sich wegen dem Schmuck so entwickelt, wie es nun eben war. Das gefiel ihm nicht. Jack und er hatten sich eine Weile recht nahegestanden. Ja, Will hätte es beinahe gewagt, Jack als Freund zu bezeichnen. Aber Pirat blieb Pirat. Vielleicht hatte Elizabeth recht behalten. Der relativ große Funken Vertrauen, den er einst in Jack gehabt hatte, war erloschen.

Rachel machte das alles gar nichts aus. Sie genoss es sogar weg von James Norrington und auf den Weiten des Meeres zu sein. Nur manchmal, in den Stunden bevor sie schlief, beschlichen sie leichte Zweifel und Ängste. Das leichte Schaukeln des Schiffes ließen sie dann aber bald in einen schönen Schlummer schwinden. So war es auch in dieser Nacht, nur wurde ihr erholsamer Schlaf von leisen Rufen gestört. Die Crew hatte ihr Ziel anscheinend erreicht.
Rachel trat hinauf aufs Deck und blickte sich neugierig um. Will stand neben ihr und beobachtete alles argwöhnisch. Sie befanden sich nicht weit von einer kleinen Inselgruppe. Alles war im dunklen Grün der dortigen Fauna gehalten. Das komplette Gelände wirkte sumpfig. Jack kam grinsend zu den beiden heran.
„So, da wären wir. Es ist Zeit einige Sachen zu besprechen. Ich würde mich freuen, wenn ihr mich begleiten würdet. Zumindest Rachel. Will muss ich nicht dabei haben. Du bist immer noch der kleine Welpe, der es sich zur Hauptaufgabe gemacht hat, anderen Leuten das Leben schwer zu machen, hab ich recht? Sei es wie es ist. Ich möchte eine alte Bekannte besuchen und ihr ein paar persönliche Fragen stellen. Vielleicht habt Ihr Interesse daran sie kennenzulernen, Rachel. Das Beiboot wartet schon. Folge mir.....und du von mir aus auch Will. Aber reden werde ich!“
Rachel blickte Will verständnislos an und lief Jack hinterher. Will folgte auch. Die Black Pearl würde in der Nähe bleiben, aber aus Angst vor Barbossa, wollte Gibbs nicht ankern.
Schnell gelang Jack mit dem Boot zu der Insel, auf der eine kleine Hütte mitten im Morast stand. Einige hundert Meter davon entfernt, versteckten sie ihre Boote im Gestrüpp der Pflanzen. Als er das Boot verließ und die kleine Holztreppe erklomm, stand die Tür bereits offen.

Jack spähte vorsichtig in das dunkle Innere der Hütte. Er war sich nicht sicher, ob sein Besuch geduldet wurde. Behutsam setzte er einen Fuß vor den anderen. Es drang kein Licht in die Hütte und Jack wusste aus Erfahrung, dass man leicht etwas um schmeißen oder gar zertreten konnte. Überall standen die merkwürdigsten Dinge im Raum. Auf Regalen waren Reagenzgläser mit undefinierbaren Inhalten. Von der Decke hingen seltsame kleine Bündel, vermutlich irgendwelche Kräutermischungen. Plötzlich ertönte eine rauchige Stimme aus dem hinteren Zimmer: „Jack...was willst du?“
Dieser fühlte sich ertappt und er schien körperlich zu schrumpfen. Rachel und Will standen noch außerhalb der Hütte und warteten auf die Anweisungen des Captains.
„Ich will nicht lange stören, aber ich brauche Antworten, und zwar schnell. Also lass deinen Hokuspokus gleich bleiben. Zu deiner Information, ich glaube sowieso nicht daran. Du kannst mich nicht beeindrucken“, Jack sprach sehr hastig und er hoffte, dass er auch nur ansatzweise glaubwürdig klang.
Dieser Hokuspokus machte ihm Angst. Plötzlich stand eine Frau in dem Zimmer.
Sie hatte unordentliche, lange schwarze Haare und ihr Lächeln wirkte herzlich. Sie blickte Jack keine Sekunde lang an und lief prompt an ihm vorbei zu Will und Rachel.
„Den jungen Turner kenne ich schon. Ein Besuch von vielen war es damals. Aber die da ist neu“, sie streckte ihren Finger in Rachels Richtung.
„Tia Dalma, schön dich wieder zusehen...“, Jack versuchte die leicht reizbare Frau nicht zu überfordern.
Er wusste, dass Tia Dalma ein Einsiedler war und nicht gerne mit Menschen agierte. Zumal Jack dabei geholfen hatte, sie ein zweites Mal mit dem Hohen Rat der Bruderschaft in einen Menschenkörper zu sperren. Tia Dalma oder auch Calypso genannt, war eine Meeresgöttin. Die Meeresgöttin. Aber an einem menschlichen Körper gebunden war sie nicht ganz so mächtig. Man konnte sie noch am ehesten als Hexe bezeichnen. Jack hatte sich damals geschworen, ihr nie mehr einen Besuch abzustatten, denn er wusste, wie grausam Tia Dalma sein konnte. Wenn er aber Gewissheit wollte, so musste er mit ihr sprechen und das am ehesten unter vier Augen. Er wies Will und Rachel an draußen zu warten und schloss die Tür.
„Warum machst du das, Jack? Ist das worüber du sprechen willst nicht auch eine Angelegenheit der fremden Frau dort vor der Hütte?“, Tia Dalma grinste boshaft und Jack konnte förmlich Funken in ihren Augen sprühen sehen.
Je nach Gemütslage wechselten diese die Farbe. Mal waren sie grau, blau oder grün. Im Moment strahlte ein helles Blau, das ab und an einem tiefdunklem Grau wich. Jack meinte sich erinnern zu können, dass helles Blau gut war. Das Grau, welches einem tobendem Sturm glich...nun ja, bedeutete genau diesen. Auf einmal bereute Jack, dass er hier hergekommen war. Er beschloss gleich mit dem Wichtigstem anzufangen: „Sie trägt dein Amulett. Oder das Amulett, welches du einst Davy Jones geschenkt hattest.“
Tia Dalmas Grinsen wurde noch diabolischer als sie ihm ins Wort viel.
„Und das macht dir Angst, Jack. Und diese Angst ist alles, was du nun noch haben solltest. Du hast geholfen mich wieder an diesen Körper zu binden. Meinst du nicht, dass meine Rache grausam sein wird? Meinst du, ich werde mit dir über alte Tage sprechen, dir sagen, was du so dringend wissen willst? Ich habe dich mal wirklich gemocht, Jack. Nun stehen die Dinge anders. Ich hasse dich nicht, nicht nachdem du sie hierher gebracht hast. Und auch nicht, weil ich weiß, dass ich dein erbärmliches Leben überdauern werde und mit ihrer Hilfe jeden deiner verbleibenden Tage zur Hölle machen werde. Und glaube mir, wenn ich dir sage, dass es nicht mehr viele davon geben wird.“
Jack starrte sein Gegenüber gebannt an, als erwartete er gleich von einem Fluch getroffen zu werden. Dann riss er sich zusammen und hob schützend seine Hände vor das Gesicht.
„Nein! Stopp! Verfluche mich nicht!“, rief er.
„Aber lustig bist du noch wie eh und je“, lachte Tia Dalma und in dem Moment kamen Rachel und Will durch die Tür gestürzt.
„Jack! Barbossa ist im Anmarsch. Wir sollten schleunigst abhauen“, keuchte Will.
„Nein! Ihr geht nirgendwo hin!“, Tia Dalma schien zu wachsen und ein heftiger Windstoß wirbelte durch die Hütte und schlug die Türe zu.
Jack drückte sich mit aller Macht dagegen, doch die Tür blieb verschlossen, rührte sich keinen Millimeter.
Er wusste zwar, dass keine große Hoffnung bestand, doch er gab seiner diplomatischen Ader eine Chance.
„Oh große Calypso, ich bitte dich uns gehen zu lassen. Barbossa verfolgt uns schon eine ganze Weile. Ich denke, wir beide, du und ich, wissen auf was er es abgesehen hat. Willst du, dass er es bekommt? Wir reden hier immerhin von Hector.“
„Keine Sorge, Jack. Er wird hier nicht hereinkommen. Und alles, was in dieser Hütte gesprochen wird, dringt nicht nach draußen. Er kann versuchen uns zu belauschen. Es wird ihm aber nichts bringen. Und nun...“, sie nahm einen Dolch und lief auf Rachel zu und zur selben Zeit fing Barbossa an zu brüllen:
„Jack! Ich weiß, dass ihr da drin seid! Versteckt euch nicht bei dieser Hexe! Sie darf dein Püppchen nicht anfassen! Hörst du mich? Sie wird sich dadurch befreien!“

Autorennotiz

Meine erste Fanfiction, die ich in mit 17 angefangen hatte. Ja, jetzt sind ein paar Jahre ins Land gezogen und ich muss sie mal zu Ende bringen. Raiting 16, weil ab und an mal etwas gekämpft wird und ich hier einfach sicher gehen wollte. Die Charaktere habe ich versucht, so gut es geht, den Filmen nachzuempfinden.

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Autor

Akashas Profilbild Akasha

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Kapitel: 13
Sätze: 1.287
Wörter: 14.095
Zeichen: 82.375

Kurzbeschreibung

Rachel, die Tochter des Bruders von Gouverneur Swann, ist gerade auf den Weg von ihrem Studium in England zurück nach Port Royal. Ein Unwetter lässt sie schiffbrüchig werden und so landet sie auf der Insel Tortuga. Captain Jack Sparrow, der ebenfalls auf dieser Insel ist, hilft ihr nach Port Royal zu gelangen. Doch was niemand weiß ist, dass Rachel gesucht wird…

Kategorisierung

Diese Fanfiction wurde mit Abenteuer, Fantasy und Eventuelle Romanze getaggt.