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Destiny

259
22.09.19 11:00
16 Ab 16 Jahren
Fertiggestellt

Destiny

Im Farn raschelte es. Efeusee blieb regungslos stehen und witterte in der kalten Brise, die vom See zu ihr wehte. Mausgeruch drang ihr in die Nase. Sie verengte die blauen Augen zu Schlitzen, duckte sich leicht und setzte zum Sprung an. Doch in dem Moment, in dem sie absprang, schoss eine Gestalt zwischen den Bäumen hervor, die lauten Pfotentritte erschreckten Efeusees Beute, welche zwischen die Blätter huschte. Efeusee kam an der Stelle auf, an der die Maus gerade noch gewesen war.
„Kirschpfote!“, fauchte sie und stellte das Nackenfell auf. Ihre Augen funkelten zornig. Die dunkelgrau getigerte Schülerin zuckte zusammen.
„Entschuldige, Efeusee. Fuchssprung sagte, ich soll Moos für Mausefell und Charlie sammeln gehen und ich dachte …“
„Du dachtest, du könntest durch den Wald rennen wie ein tollwütiger Dachs und sämtlichen Jägern die Beute verscheuchen“, fauchte Efeusee. Ihr silbernes Fell war immer noch vor Zorn gesträubt und sie bleckte die Fangzähne. „Du weißt, wo das Moos ist, ganz in der Nähe des Felsenkessels. Warum beim SternenClan trampelst du dafür quer durch den Wald?“
„Ich dachte nur, es sei vielleicht weiter weg vom Lager besser, Maulwurfpfote hat mir erzählt, er habe bei der Morgenpatrouille einen schönen dicken Flecken Moos gesehen und dort wollte ich hin.“
Efeusee schnaubte. Kirschpfote hatte es nicht böse gemeint, das wusste sie. Trotzdem hasste sie es, wenn jemand ihre Beute verscheuchte.
„Du solltest nicht alleine so weit gehen, denk an den Fuchs, der sich hier herumgetrieben hat. Außerdem ist der WindClan sehr empfindlich. Ich begleite dich.

Während sie durch den Wald in Richtung WindClan Grenze gingen, ging Efeusee der Streit mit dem WindClan nicht aus dem Kopf. Wie sie auf sie und ihren Vater losgegangen waren, nur, weil sie sich im Fluss die Pfoten gewaschen hatten. Der Wald der Finsternis säht diese Zwistigkeiten. Die Clans waren schon immer streitlustig, aber jetzt nimmt es überhand.
Zum Glück war die WindClan Grenze verlassen, als sie zwischen den Bäumen den Bach erreichten. Sie fanden tatsächlich die dicken Moosflecken und Efeusee half der Schülerin, genug Moos für den Ältestenbau zu sammeln.
„So weiches Moos findet man in der Nähe des Lagers nicht“, meinte Kirschpfote begeistert. Efeusee musste ihr Recht geben, selbst Mausefell konnte daran nichts auszusetzen haben.
„Trotzdem hättest du nicht einfach so davonspazieren sollen“, miaute Efeusee. Die Schülerin musste lernen, dass sie sich alleine nicht zu weit vom Lager entfernen sollte, nicht in diesen Zeiten. Aber die Clans ahnten noch nichts von der Bedrohung, die sich aufbaute. Und an die sie ihre Katzen verlor. Sie dachte ein bisschen wehmütig an Blumenfall und Birkenfall, welche sie beide im Wald der Finsternis wiedergefunden hatte.

Die Sonne stand schon tief am Himmel. Efeusee hatte den Nachmittag mit Jagen verbracht, nachdem sie Kirschpfote im Lager abgeliefert hatte. Ihre Beute war reichlich, mehrere Mäuse und ein Eichhörnchen baumelten aus ihrem Maul. Als sie diese am Frischbeutehaufen ablegte, spürte sie den warmen Blick ihrer Mutter auf sich. Sie seufzte. Wenn Weißflug wüsste … manchmal wünschte sie, sie könnte ihr alles erzählen, aber sie wusste auch, dass sie das nicht durfte. Ihre Aufgabe als Spionin war auch ohne Mitwisser gefährlich genug.


„Efeusee, bist du sicher, dass du eine echte Katze bist? Willst du dich nicht lieber um unser Nestpolster kümmern?“ Die höhnische Stimme war das erste, was Efeusee hörte. Sie schlug die Augen auf und erblickte die vertrauten Stämme, die schmierigen Gräser und hörte das übliche Rascheln nicht vorhandener Beute. Habichtfrost blickte sie hämisch an. Er stand auf einem Felsen, wenige Fuchslängen von ihr entfernt. Seine eisblauen Augen schienen sie zu durchbohren.
„Ich achte nur auf meine Clan-Gefährten“, widersprach Efeusee. Und ich bin keine Schülerin mehr. Ich bin eine Kriegern.“
„Ich sagte dir schon mal, hier muss man sich diesen Titel verdienen, nicht so wie bei deinem kostbaren Clan. Wir sind deine Clan-Gefährten, zumindest war ich dieser Ansicht.“
Efeusees Schnurrhaare zuckten, doch sie hielt dem Blick stand. „Ich gab dir keinen Grund, daran zu zweifeln.“
Habichtfrost legte den Kopf schief. Er schien nachzudenken. „Du meinst, du bist eine Kriegerin der Finsternis? Gut, dann beweis es mir.“ Noch bevor er den Satz beendet hatte, sprang er.

Efeusee gelang es noch rechtzeitig, zur Seite zu springen und hob ihre Pfote. Sie schlug zu, mit ausgefahrenen Krallen, doch sie streifte nur Habichtfrosts Fell. Der finstere Krieger schnappte zu und Efeusee spürte den Schmerz durch ihr Vorderbein schießen. Sie schlug Habichtfrost die Krallen ins Ohr und der Tigerkater ließ los.
„Das habe ich dir aber besser beigebracht, Efeusee“, schnurrte er. Seine Zähne schossen vor und verfehlten Efeusees Kehle nur um eine Schnurrhaarbreite.
In dem Moment fasste die Kätzin einen neuen Plan. So fest sie konnte stieß sie sich vom Boden ab, flog durch die Luft, landete auf den Schultern des Katers und grub ihm ihre Zähne in die Schwanzwurzel. Habichtfrost fauchte und warf sich zu Boden. Efeusee wurde die Luft aus dem Körper gepresst. Sie wand sich, doch Habichtfrost schlug ihr die Krallen in die Schulter und riss ihr die Haut auf. Warmes Blut floss über Efeusees Fell. Habichtfrost legte eine Pfote mit ausgefahrenen Krallen an Efeusees Kehle.
„Ich könnte dir jetzt die Kehle zerfetzten“, flüsterte er ihr ins Ohr. Die tiefe Stimme des Tigerkaters entlockte Efeusee ein Schaudern.
„Ich könnte alles mit dir machen und du könntest dich nicht dagegen wehren.“
Efeusee versuchte, mit den Hinterkrallen den Bauch ihres Gegners zu erreichen, doch der Krieger hatte sie zu fest im Griff.
„Du bist wild, Efeusee“, knurrte Habichtfrost. „Das wird eines Tages eine starke Kriegerin aus dir machen. Aber vorerst … bleibst du noch eine Weile meine Schülerin.“

Er ließ sie los und Efeusee erhob sich keuchend auf die Pfoten. Habichtfrost saß gelassen auf den schleimigen Blättern und hatte den Schwanz um seine Pfoten geringelt.
„Wir haben gleich eine Versammlung, wo ich dich auch dabeihaben möchte.“ Daraufhin erhob er sich und verschwand in der Düsternis zwischen den Bäumen.
Efeusee beeilte sich, ihm zu folgen, ihre Pfoten machten auf den Blättern kaum Lärm. Sie erreichte den Versammlungsfelsen ohne Probleme und sah, dass mehrere Katzen aus dem Wald der Finsternis sich bereits versammelt hatten. Vereinzelt erkannte sie auch die ein oder andere Clan-Katze.
Blumenfall, Windpelz, Wickenpfote.
Habichtfrost zuckte einladend mit seiner Schwanzspitze und ließ sie neben sich setzen.

Auf dem Felsen thronte Tigerstern. Sein bernsteinfarbener Blick schweifte wie beiläufig über die Menge der Katzen der Finsternis. Efeusees Fell prickelte, als er sie streifte. Mit einer geschmeidigen Bewegung erhob sich der getigerte Kater und hob das Kinn.
„Wir sind fast bereit. Nicht mehr lange, bis wir uns erheben und unsere Rache üben. Rache für alles, was uns angetan wurde. Wir werden den Wald der Finsternis groß machen.“
Zustimmendes Heulen entbrannte in der Menge der Katzen. Efeusee sah, wie Wickenpfote auf die Pfoten sprang und begeistert in den Beifall einstimmte.
Sie hat keine Ahnung von der Gefahr, in der wir schweben.

„Nun, Efeusee?“ Habichtfrosts Stimme war weich wie Honig, Efeusee konnte jedoch die unterschwellige Bedrohung spüren. „Warum starrst du nur in die Luft? Solltest du dich nicht freuen, dass wir bald Großes vor uns haben?“
„Was wird das Große sein?“, fragte Efeusee. Ihre Aufgabe als Spionin war, Informationen zu sammeln, doch der Tigerkater hatte bislang alle Fragen in diese Richtung abgeschmettert. Efeusee sah keine Hoffnung, dass es diesmal anders war. Und ihre Ahnungen bestätigten sich, als Habichtfrost bloß mit einem ‚Warte es ab‘ antwortete.

Die Versammlung wurde aufgelöst.
„Wie geht ihr Training voran, Habichtfrost?“
Braunstern kam den Weg entlangstolziert, in seinem Blick brannte noch die feurige Erregung der Versammlung.
Habichtfrost neigte den Kopf. „Sie macht sich gut, Braunstern. Ich bin sicher, dass sie eines Tages eine würdige Kriegerin der Finsternis wird.“
Ich will keine Kriegerin der Finsternis sein. Efeusee bemühte sich, Braunstern nicht allzu erschrocken anzuschauen. Aber ich muss, wenn es hilft, den Wald der Finsternis zu besiegen. Wenn ich dafür nur nicht töten muss …
Immer noch entbrannte Übelkeit in ihr, wenn sie an Ameisenpelz dachte, dem Habichtfrost so schwere Verletzungen zugefügt hatte, dass er wenig später gestorben war. Nie wieder …
Braunstern starrte sie von oben herab an. „Mach deine Sache gut, Efeusee. Dann wird dir höchste Ehre zuteil.“
Efeusee neigte den Kopf. „Ich habe erkannt, dass ich dazu geboren wurde, eine Kriegerin der Finsternis zu werden. Mein Herz sagt es mir. Es ist meine wahre Bestimmung. Nichts werde ich tun, was dem im Wege stehen würde.“

Habichtfrost schnaubte. „Nur die verweichlichten Krieger aus dem SternenClan brauchen Bestimmungen. Hier ist es alleine dir zu verdanken, was du erreichst. Mach uns stolz, Efeusee. Dann kannst du auch stolz auf dich sein.“
Damit drehte er sich um und verschwand, dicht gefolgt von Braunstern, zwischen den dunklen Bäumen. Efeusee blieb alleine zurück.
Und doch kenne ich meine Bestimmung, dachte sie. Ich werde euch bekämpfen, ihr werdet untergehen. Dies ist meine wahre Bestimmung. Ich werde kämpfen. Seite an Seite mit meiner Schwester.

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„Du bist wild, Efeusee“, knurrte Habichtfrost. „Das wird eines Tages eine starke Kriegerin aus dir machen. Aber vorerst … bleibst du noch eine Weile meine Schülerin.“