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Sätze: | 240 | |
Wörter: | 3.301 | |
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† r e : s t a r t †
︱OO1: Stop breathing. Now.︱The Life of Maka︱
†
Diejenigen, die in dieser Welt anders sind, werden von der Gesellschaft bestraft. Diejenigen, die besser sind, werden von der Gesellschaft gehasst und mit Missgunst behandelt. Und diejenigen, die sich der Denkweise der allgemeinen Gesellschaft nicht anschließen, werden mit sofortiger Wirkung vernichtet.
Maka Albarn war besser. Und Maka Albarn war anders. Und darum muss sie sofortig eliminiert werden. Egal, durch welche Mittel.
»Hey, hey! Habt ihr euch mal angesehen, wie hässlich Maka ist?«
»Uhh, ja. Widerlich. Schämst du dich denn gar nicht für dein ekelhaftes Gesicht?«
»Meine kleine Maka ist das schönste Mädchen von allen!«
»Ihhh, Albarn. Du stinkst!«
»Puuuh! Schon mal was von DUSCHEN gehört?! Wühlst du dich den ganzen Tag im Dreck?«
»Meine kleine Maka ist unheimlich ordentlich.«
»Schaut mal, schaut mal, Leute! Hey, Maka? Stiehlst du deine Klamotten aus der Altkleidersammlung?«
»Meine kleine Maka sieht immer bezaubernd aus.«
»Maka… Du bist scheiße. Verpiss dich einfach.«
»Wir hassen dich, du Missgeburt.«
»Verreck doch endlich, du kleine Schlampe. Du bist bestimmt genauso missraten,
wie dein Vater.«
»Maka, wir lieben dich!«
»Lügner.«
Du bist widerlich, hässlich, unnormal, du stinkst, du wirst gehasst, gehasst, gehasst.
»Maka, kann ich dir mal was sagen?«
»Hm? Natürlich kannst du! Was gibt es denn?«
»Hör einfach auf damit, zu atmen.«
»Lügner!«
✕✕✕
Laut schnalzte Maka mit ihrer Zunge, während sie den stark abgenutzten und mehr als abgekauten Bleistift, welchen sie in ihren Händen hielt, immer und immer wieder gegen ihren Kopf stießen ließ, er dann wieder zurück schnipste und dann abermals auf sie traf.
Nachdenkliche Blicke trafen das Papier vor ihr auf dem Schreibtisch. Schon seit einigen Minuten biss sie sich vergeblich die Zähne an dieser einen hochkomplizierten Mathematikaufgabe aus. Egal, wie oft auch sie das Ergebnis noch einmal in ihrem Kopf durchrechnete, die Lösung blieb lediglich immer dieselbe falsche Antwort.
»Ach, verdammt aber auch!«, meckerte sie, stieß ein gequältes Seufzen in den Raum hinaus und schlug den Kopf völlig ausgelaugt auf die Tischplatte nieder.
Schon wieder. Es war schon wieder passiert. Sie konnte nicht einmal eine einzige Mathematikaufgabe korrekt lösen. Und dabei war Mathematik eines ihrer Fachgebiete, niemand konnte ihr bei Rechnungen etwas vormachen. Und trotz allem scheiterte sie hier und heute an dieser einzigen, kleinen Aufgabe.
Mit einem Stöhnen, welches ihr Kehle entwich, schob sie etwas grummelig ihre Papiere und Notizen beiseite und steckte den abgekauten Bleistift, an welchem noch ein einziger, langer Speichelfaden hing, zurück in ihre Federmappe.
Den Speichel, der ihr dabei ins Visier fiel, wischte sie sich von einem ihrer Mundwinkel ab und säuberte sich den Handrücken mit eines ihrer Taschentücher, welches sie hierfür extra entnehmen musste.
Dieser Bleistift hatte wirklich schon eine Menge mitgemacht, schoss es ihr dabei in den Sinn, als sie die vielen Abdrücke ihrer Zähne bemerkte. Nicht nur, was sein Aussehen betraf. Man könnte gar meinen, dieser Bleistift wüsste um ihr halbes Oberschulleben Bescheid.
Ein Oberschulleben… voller Furcht.
»Mhm… Dann versuche ich die Aufgabe einfach morgen nochmal. Ist sowieso nur eine von den oberen Klassenstufen, die wird also niemand kontrollieren.«
Recht erschöpft von dem heutigen Tag und auch der enormen Hitze, welche heute geherrscht hatte und ihr zusätzlich noch zusetzte, richtete sich das Mädchen mit dem schulterlangem, aschblondem Haar von seinem Schreibtischstuhl auf, stieß diesen mit einem Fußtritt beiseite und zog die Schultasche vom Bett näher an sich heran, indem es es den Arm weit danach ausstreckte.
Danach begann sie mit der eher langweiligen Tätigkeit, sämtliche Materialien für den morgigen Schultag in diese zu stopfen.
✕✕✕
Nachdem Maka all ihren schulischen Pflichten nachgegangen war, alleine zu Abend gegessen und sich bettfertig gemacht hatte, verkrümelte sie sich letztendlich unter die Bettdecke, setzte die Brille ab und versuchte zumindest diese Nacht halbwegs gut zu schlafen.
In letzter Zeit hatte sie gehörige Probleme, ruhig und friedlich ihren Schlaf zu finden. Seit geraumer Zeit plagten sie schlimme Albträume, welche sie jedes Mal schweißgebadet aufwachen ließen und danach konnte sie, noch durch den enormen Schock, der jedes Mal noch in ihr saß, kaum ein Auge zumachen.
Dies sollte wohl auch ihren Zustand erklären, wenn sie am Morgen zur Schule ging. Er war fürchterlich.
✕✕✕
Auch diese Nacht wachte Maka wieder schweißgebadet auf. Ihre Augenlider weiteten sich stark, als sie automatisch ihren bebenden Oberkörper aufrichtete und sie ihre Bettdecke weit von sich wegstieß.
Sehen konnte sie nichts, weshalb sie hastig nach der Nachttischlampe neben ihrem Bett tastete, welche auch schnell gefunden war. Der Raum erhellte sich, doch noch zierten verschwommene Bilder ihr Sichtfeld, weshalb sie auch erst noch nach ihrer Brille greifen musste, um sich nicht vollkommen verloren zu fühlen.
Ihre Sicht klarte sich auf und Maka konnte zumindest etwas ruhiger durchschnaufen.
»Puh… Es war wohl wirklich nur ein Traum.« Vorsichtig tastete sie ihre Brust nach ihrem Herz ab. Es schlug ganz wild; unkontrolliert.
Bumm. Bumm. Bumm.
Sie seufzte stark.
Zumindest in dieser Nacht hatte sie gehofft, ohne jegliche Unannehmlichkeiten auskommen zu können. Oder zumindest hatte sie sich das gewünscht.
Morgen würde ein großer Test anstehen und für den wollte sie ausgeruht sein - doch scheinbar hatte man ihren Plan eiskalt durchkreuzt. Trotzdem sollte sie versuchen, wieder zur Ruhe zu kommen und einzuschlafen.
Als sie den aschblonden Schopf zurück auf das Kopfkissen fallen ließ, glitten ihre Blicke zu ihrem Wecker. Es war bereits mitten in der Nacht.
02:38 Uhr, flüsterte sie in Gedanken und starrte nun an die Decke über sich hinauf.
Weiß gestrichen. Allerdings machten sich einige Wasserschäden dort deutlich bemerkbar und ließen das Weiß nicht mehr ganz so einladend oder gar strahlend aussehen. Aber daran waren ihre unfähigen Nachbarn über ihr Schuld und nicht sie selbst.
Trotzdem war es hässlich. Sie traute sich kaum, irgendjemanden in dieses Zimmer zu lassen, so viele Schäden, welche es hier zu beheben gab.
Obwohl… wen sollte sie auch schon zu sich nach Hause einladen?
Ach, richtig… Niemanden.
Nachdem das Mädchen die Augen schon für einige Minuten wieder geschlossen und das Licht ausgemacht hatte, hinderte das laute Vibrieren eines Handys sie davon ab, weiter zu schlafen.
Laut grummelnd drehte sie sich auf die Seite, griff nochmals zum Lichtschalter der Nachttischlampe, knipste das Licht an und setzte sich die Brille auf. Dann packte sie das Handy direkt auf den Nachttisch und klappte es auf.
»Eine neue Nachricht? Wer schreibt mir denn mitten in der Nacht?«
Sie wählte die neue Nachricht aus und ein Feld öffnete sich auf ihrem Bildschirm.
Du kleine Schlampe.
Du hältst dich wohl für was ganz besonderes, was? Was besitzt du schon? Du bist hässlich. Verdammt hässlich. Du riechst widerlich nach Abwasser und deine Klamotten sind alle total veraltet und dreckig.
Und trotzdem hältst du dich für was Besseres? Sicherlich bist du genauso ein Flittchen. Schmeißt dich an alles ran, was du kriegen kannst. Schlampe. Hässliche Schlampe. Dreckige Schlampe.
Stirb doch bitte einfach, ja?
Ja, Maka Albarn. Stirb doch bitte einfach.
✕✕✕
Diese Nacht hatte Maka schlechter geschlafen, denn je. Nicht nur dieser furchtbare Albtraum hatte ihr zu schaffen gemacht.
Nein. Da war sie schon wieder. Eine von diesen Nachrichten, die sie ständig erhielt.
Es war in unregelmäßigen Abständen, aber sie kamen. Kamen oft. Immer und immer wieder. Und doch unternahm sie dagegen nichts.
Rein gar nichts.
Völlig übermüdet schlürfte das Mädchen am nächsten Morgen den Flur entlang und visierte dabei gähnend die Küche an.
Verschlafen und im Pyjama gekleidet, setzte sie sich an den eher mager bedeckten Frühstückstisch und rieb sich den Schlaf aus ihren olivgrünen Augen, mit denen sie auch sofort ihr Gegenüber musterte.
»Gute Morgen… Vater«, letzteres ähnelte mehr einem verhassten Zischen, als der erfreulichen Bezeichnung eines Elternteils.
»Oh, Maka! Du bist wach! Wie geht es dir denn heute, meine kleine Maka?« Recht aufdringlich beugte sich ihr Gegenüber, ein Mann mit rotem Haar und grünen Augen, welcher sich als ihr Vater entpuppte, über die Tischplatte hinweg, dabei jenes seltsame Funkeln in seinen Blicken tragend.
Das Mädchen zischte abermals angewidert. »Ganz toll, Danke der Nachfrage.« Dabei drehte sie sich weg, während sie sich bemühte, mit ihren fallenden Mundwinkeln nicht direkt die Küchenfliesen zu berühren.
»Du siehst heute wieder ganz toll aus, Maka! Meine kleine Maka ist eben die hübscheste von allen!«
Fragend hob die Aschblonde eine Augenbraue an und eine auffallende Falte zierte dabei ihre Stirn. Prüfend sah sie noch einmal an sich herunter. »Ähm… Du weißt aber schon, dass das mein Schlafanzug ist?«
Wie Schuppen fiel es dem Mann, welcher auf den Namen Spirit hörte, plötzlich von den weit aufgerissenen Augen. »Oh, das… Das ist… keine Bluse, die du da trägst? Oh, ja, ähem, natürlich, das wusste ich… bestimmt…«, seine Antwort war mehr ein Murmeln, als eine vernünftige Erklärung. »Aber trotz allem, selbst in deinem Schlafanzug sieht meine kleine Maka toll aus!«
Ah. Seine ›kleine Maka‹. Sie seufzte lautstark. Ihr Vater war schon ziemlich seltsam. Immer und immer wieder nannte er sie noch so - dabei war sie schon längst nicht mehr seine ›kleine Maka‹.
Mit sechzehn war sie aus dem Alter wohl schon lange raus! Aber ihr Vater sah in ihr wohl immer doch das kleine Kind mit dem niedlichen Kleidchen, welches fröhlich auf der Wiese herumtollte und dabei einem Schmetterling hinterherjagte.
Und das würde er sich ganz bestimmt auch nie abgewöhnen.
Irgendwie hatte Maka jetzt keine Lust mehr, mit ihrem Vater die Zeit am Tisch zu verbringen. Daher nahm sie sich nur ein Toast vom Teller weg, schmierte dort schnell etwas Butter drauf und schob es sich in den Mund.
Danach stand sie auf und verschwand in Richtung Badezimmer.
»M-maka, willst du etwa gar nicht hier--«
»Nein, will ich nicht. Und jetzt lass mich in Ruhe!«
Denn immerhin musste sie zur Schule.
Ja, zur Schule. Direkt in Teufels Küche.
✕✕✕
Nachdem sich das Mädchen endlich fertig gemacht hatte, trat sie ihren gewohnten Schulweg an. Mit der Brille auf das Nase und den gebundenen zwei Zöpfen - nichts ungewöhnliches.
Endlich in der Schule und auch direkt im Klassenraum angekommen, steuerte die Aschblonde ohne weitere Umwege auf ihren Sitzplatz, irgendwo in der Mitte der vielen Bankreihen, zu.
Bisher waren eher wenig Schüler hier, weshalb sie auch noch alleine saß, als sie sich setzte und ihren Schulkram aus der Tasche heraus suchte. Dabei wurde sie allerdings durch einen lauten Ruf ihres Namens unterbrochen. »Ah, Maka-chan. Da bist du ja.«
Das Mädchen zuckte augenblicklich zusammen, als sie jene Worte vernahm. Etwas feige lugte sie über die Tischkante des Pults hinweg und fuhr mit den olivgrünen Augen nervös durch die Umgebung, ehe sich ihre Blicke an einer Person am Ende des Pultganges festigten.
»Doktor Stein!«, erleichtert atmete sie aus und wischte sich mit dem Handrücken den Schweiß von der Stirn. Sie lief ihm entgegen. »Was gibt es denn?«
Vor ihr hatte sie nun auch ein großgewachsener Mann mit grauem Haar aufgebaut. Er trug eine Brille auf der Nase und schien gerade auf einer Zigarette herum zu kauen. Natürlich mitten im Klassenraum.
Sein Gesicht war verziert von tausenden von Narben, was ihn etwas… außergewöhnlich erschienen ließ. Aber das waren die Schüler hier – glücklicherweise – bereits gewohnt. Allgemein betrachtet gab es hier viele seltsame Lehrer und Gestalten. Stein war nur einer von vielen.
»Ich habe hier einige Formulare vorbereitet. Könntest du die nachher Marie-Sensei übergeben?«
Hastig nickte das Mädchen und nahm den eher großen Stapel Papierkram entgegen. »Sicher, mache ich, Doktor Stein.«
»Gut…«, murmelte er nur, raufte sich das graue Haar und verließ daraufhin den Raum. Sicher, um eine seiner wertvollen Raucherpause einzulegen.
Maka blieb noch einen Moment stehen. Dabei warf sie ein kurzes Augenmerk auf die Papiere, ehe sie den Stapel zu ihrem Platz trug und dort abstellte.
»Hey, Leute, seht doch mal, wer da ist!«
Eine hohe Stimme, die vermutlich von einem Mädchen stammte, schallte durch den gesamten Raum. Als Maka diese in die Ohren drang, zuckte sie nun wirklich merklich in sich zusammen und ließ sich sofort auf ihren Stuhl fallen.
»Hey, Makalein.«
Ein Mädchen mit kurzen, rosanen Haaren kam auf die aschblonde Musterschülerin zugelaufen. Ihre blassen Hände waren tief in ihre Jackentaschen vergraben, ihr Gang wirkte sehr stark und selbstbewusst - geradezu energisch.
Vor ihr blieb das Mädchen stehen; Maka hingegen duckte sich langsam aber sicher ab, suchte nach Schutz. »Na, du?« Hastig griff die Rosahaarige nach einem der Zöpfe ihres Opfers, zerrte kräftig daran. »Was machst du’n hier?«
»Z-zur Schule gehen natürlich!«
»Ahh… Ist das so? Sag ma', hatte ich dir nicht gesagt, du sollst deinen scheiß Arsch zu Hause lassen und dich hier nicht mehr blicken lassen, Schlampe?«
Schlampe.
»Tut mir leid?«, piepste die Aschblonde plötzlich los und betonte ihre Worte eher hinterfragend.
Ihr Gegenüber zog prüfend eine ihrer schmalen Augenbrauen nach oben und starrte nur durchdringend auf die Schwächere herab.
»'Tut mir leid'? Ist das alles, was du dazu zu sagen hast?«
»Sch-schon!« Maka stürzte zu Boden. Sie hatte schon bemerkt gehabt, dass ihre Peinigerin es auf den Stuhl, auf welchem sie soeben noch saß, abgesehen hatte. Oder eher ein diskretes Augenmerk darauf warf.
In einem unachtsamen Moment hatte sie dann den Fuß dagegen gestemmt und den Stuhl weggestoßen. Dabei war das Mädchen wohl runtergefallen, mal ganz abgesehen davon, dass sie immer noch in den Fäusten dieser Schülerin verankert war.
Und langsam begann es, zu schmerzen. Sie zerrte zu stark an ihr.
Ein Zischen.
»Kim, du tust mir weh!«, entkam es ihr daraufhin waghalsig und Maka bemühte sich wirklich, sich aus den Fängen des Mädchens Kim zu befreien.
Doch mit roher Körperkraft alleine würde sie hier nicht weiterkommen, so viel musste sie sich eingestehen.
Kim war schon immer so gewesen. Kräftig, taff und ein Großmaul. Viele fürchteten sich vor ihr, viel zu viele respektieren sie und noch mehr liefen ihr hinterher wie die Arschkriecher. Einfach hoffend darauf, nicht auch so zu enden.
So? - So wie sie. Maka Albarn.
»Ach, ich tu dir weh? Oh nein, das ist ja furchtbar! Fff…«, eine ekelhafte Ironie unterbreitete den Ton ihrer kratzenden Stimme. Kim hob den Fuß an und stemmte diesen direkt über Makas zusammengekniffte Miene. »Ich will dein hässliches Gesicht nicht sehen, während du verzweifelt versucht, dich zu befreien, Brillenschlange!«
Drohend beugte sie sich zu der Grünäugigen nach vorne, dabei ein Blick aufgesetzt, welcher bedeutsame Bände sprach. Ein Schatten, der sich darüber legte, gebildete Augenringe, welche ihre kranke Mimik unterstrichen und gehobene Mundwinkel, die auf ein amüsiertes, dreckiges Lächeln hinwiesen.
Sie streckte nun die Hände in ihre Richtung und zog die Finger immer und immer wieder im Rhythmus an diese heran, einfach nach dem Motto: »Ruck was rüber, sonst setzt es was!«
»Was willst du denn jetzt von mir…?«, entkam es der Musterschülerin kleinlaut. Kim gab dem Druck endlich nach und stellte das ständige Zerren an einem ihrer Zöpfe ein.
»Was ich will? Was ich WILL?! Na was wohl! Geld! Verstehst du?«, ein kokettes Zwinkern, welches Maka dennoch überhaupt nicht geheuer war, wurde ihr entgegen geworfen. »Wie wär's mit 'nem Deal, du kleine, dreckige Brillenschlange, huh? Wenn du die Kohle rüber rückst…« Wieder dieses dreckige Grinsen. Makas Nackenhaare standen ihr zu Berge. »Dann lass ich dich für heute in Ruhe… Schlampe.«
Ruhe.
Einen ganzen Tag lang würde Kim ihr kein Haar krümmen. Ihr würde kein dummer Spruch über die Lippen kommen.
Maka musste sich nicht fürchten, erneut von ihr gepeinigt zu werden. War es eine Überlegung tatsächlich wert?
Ja. Ja, war es.
»Also? Deal or no Deal?«
»Hier hast du!«, leicht panisch kramte Maka in den Taschen ihrer Bluse herum. Es war nicht viel, was sie entbehren konnte, doch es war durchaus besser als nichts. Flüchtig drückte sie Kim die Münzen in die Hand, ehe sie sich hastig wegdrehte, dabei die Augen streng zusammengekniffen und mit den Zähnen auf die Lippe beißend.
Mit jenem dreckigen Grinsen auf dem Gesicht, für welches Maka Kim nur allzu gut kannte, richtete sich die Rosahaarige zufrieden auf und ließ das Geld immer wieder in der Luft wirbeln und Saltos drehen, ehe sie es wieder locker auffing und den Vorgang erneut wiederholte.
»Na, geht doch. Für den Anfang nicht viel, aber nicht schlecht. Hat mich gefreut, mit dir Geschäfte zu machen, Brillenschlange… Ehehe.«
Maka sah ihr noch hinterher, wie sie ganz triumphierend den Klassenraum verließ. Kaum war Kim auch schon weg, betrat Doktor Stein, ihr Klassenlehrer, wieder den großen Saal und ließ sich auf dem Stuhl vor seinem Schreibtisch nieder.
Noch immer recht unruhig beobachtete sie ihn dabei, wie er sich auf den Drehstuhl wirbelte und dabei seinen Spaß zu haben schien. Er benahm sich wie ein Kleinkind auf einem Spielplatz. Dennoch ließ es sie für einige Momente ihre Sorgen vergessen.
✕✕✕
Es dauerte noch eine Weile, ehe der Unterricht begonnen hatte. Wie immer versuchte Maka stark konzentriert, dem gesamten Geschehen des Unterrichtswesens zu verfolgen, sich ausreichend Notizen zu machen und dabei auch ihre Mitarbeit nicht außer Acht zu lassen. Es galt das volle Programm, welches ihr einiges abverlangte.
Oft genug gab sie die korrektesten Antworten, korrigierte ihre Mitschüler und heimste das Lob des Lehrers ein.
»Lehrersliebling!«, hörte man es bereits auf der Ecke flüstern, was Maka jedoch bisher noch gekonnt überspielt hatte. Doch es sollten weitere Worte fallen.
»Arschkriecherin.«
»Scheiß Streberin.«
»Brillentragende Schlampe.«
»Halt doch einfach mal die Schnauze, Albarn.«
Ein kleiner Knäul, lediglich aus einem Blatt Papier bestehend, traf plötzlich ihren Hinterkopf. Für einige Sekunden musste Maka den interessanten Vortrag Doktor Steins wohl außer Acht lassen.
Fragend drehte sich das Mädchen auf ihrem Platz um, lugte über ihre schmale Schulter hinweg, auf den Boden hinab.
Eine recht große Papierkugel war dort aufzufinden. Kurz ließ Maka ihre Blicke durch die Reihen schweifen.
Niemand sah zu ihr herab. Alle Augen waren auf Stein gerichtet. Wenngleich nicht alle Mienen von Begeisterung geprägt waren, immerhin achtete niemand auf ihre Taten – und das alleine war ihr schon wichtig.
Mit Bedacht bückte sie sich ein wenig, hob den Knäul vom dreckigen Fußboden auf und legte ihn vor sich auf das Pult. Stein konnte von hier wohl kaum erkennen, dass sie hier unerlaubt Zettelchen las. Wenngleich es undiszipliniert erschien, sie hatte wohl keine andere Wahl, wenn man schon eine Nachricht an sie richtete.
Vorsichtig faltete die Grünäugige die kleine Kugel auseinander und breitete das zerknitterte Papier ordentlich vor sich auf dem Platz aus.
Kleine Brillenschlange. Scheiß Streberin.
Hör doch bitte endlich auf damit, zu atmen.
»Diejenigen, die besser sind, werden von der Gesellschaft gehasst und mit Missgunst behandelt.«
Schweißausbruch.
Das Wasser lief ihr literweise über die Stirn hinweg. Bahnte sich seinen unkomplizierten Weg immer weiter dem Erdboden entgegen. Ließ von ihr ab, fiel und fiel, ehe es aufkam und zersprang, in tausende von seinen Einzelteilen. Ehe es wieder in Vergessenheit geraten würde.
Ein kalter Schauer fuhr Maka plötzlich über den Rücken.
Hör doch bitte endlich auf damit, zu atmen?
Woher kannte sie das? Woher?
»Maka-san? Kann ich dir mal was sagen?«
»Natürlich kannst du das! Was gibt es denn?«
»Hör einfach auf damit, zu atmen.«
Und dabei hatte sie noch gelacht.
»Stop breathing. Now.«
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