******************** Was ich nicht weiß von Jovanniere ******************** ++++++++++++++++++++ Kurzbeschreibung ++++++++++++++++++++ Dieser Sommer ist anders. Er hört nicht auf. Er sickert in Aluras Gedanken, flüstert ihr Dinge zu, die sie nicht hören will. Konfrontiert sie mit wahren und unwahren Dingen. Ares erscheint, wenn sie kurz davor ist zu zerbrechen. John hält sie fest. Manchmal zu fest. Und Enzo ... Enzo lächelt, als wüsste er mehr, als er sollte. Etwas stimmt nicht mit diesem Sommer. Etwas stimmt nicht mit ihr. Und je länger der Sommer andauert, desto sicherer ist Alura: Etwas Schreckliches wird passieren. -------------------- 1. Kapitel: Vorwort -------------------- Hallo und herzlich willkommen zu dieser Geschichte, ich wünsche dir viel Freude beim Lesen! Tauch gerne in diese fremde, düstere Welt ein, aber bitte sei zuvor gewarnt: Dieses Buch behandelt sensible Themen wie psychische Erkrankungen, Realitätsverlust, selbstverletzendes Verhalten und Tod. Es enthält Darstellungen, die belastend oder verstörend wirken können. Lies daher achtsam und achte gut auf deine eigenen Grenzen. Viel Spaß 🖤 Jovanniere  -------------------- 2. Kapitel: Namenloses Kapitel -------------------- An meinen Händen klebt Blut. Warm. Ekelhaft. Manchmal ekelt mich sogar mein eigenes Blut. Zum Beispiel, wenn ich neben Hunden stehe. Nicht wegen der Tiere selbst, sondern wegen meiner Allergie. Dann fühlt es sich an, als würden tausend Ameisen durch meine Adern kriechen. Ich stelle mir vor, wie sie verzweifelt strampeln, als wollten sie schwimmen, nur um immer wieder im Strom meines Blutes zu ertrinken. Meistens muss ich dann niesen, und meine Nase läuft. Es würde mich nicht wundern, wenn eines Tages tote Ameisen aus ihr purzeln. Noch ist es nicht passiert. Zum Glück. Doch das Blut an meinen Händen ist nicht meines. Es gehört meinem Bruder. Zumindest glaube ich das. In meiner linken Hand halte ich ein Messer. Kein Mordwerkzeug aus einem Kriminalfilm, sondern ein Küchenmesser, wie man es in einer Bäckerei benutzt. Die gezackte Klinge ist scharf, der schwarze Griff rutschig in meiner Umklammerung.Vor mir liegt ein Körper. Ich vermute, er gehört zu diesem Blut. Und weil ich glaube, dass es das Blut meines Bruders ist, muss es wohl mein Bruder sein, der dort liegt. Aber ich erkenne ihn nicht. Ein Schleier aus Tränen vernebelt meine Sicht. Wann habe ich angefangen zu weinen? Das Messer entgleitet meiner Hand und fällt. Doch anstatt mit hartem Klang auf dem Marmorboden zu landen, schneidet es mir schmerzhaft in den Fuß. Ein Schrei zerreißt meine Kehle. Blut quillt aus der frischen Wunde, mischt sich mit dem Blut an meinen Händen. Schluchzend sinke ich auf die Knie. Womit habe ich das verdient? Ich schluchze, will schreien. Schreien, weil jemand tot ist. Schreien, weil mein Fuß brennt. Schreien, weil ich nicht weiß, was passiert ist. „Hey, hey, hey." Die Stimme ist vertraut, sanft. Mit letzter Kraft hebe ich den Kopf. Vor mir kniet Ares. Wie immer trägt er einen makellos weißen Anzug, die schwarze Fliege sitzt perfekt. Sein schönes Gesicht trägt ein liebevolles Lächeln, seine Augen strahlen. Augen, die mir Hoffnung schenken, wenn auch nur für einen Atemzug.  „Was ist passiert?", fragt er gelassen und hebt mein Kinn mit kühlen Fingern, zwingt mich, ihm in die Augen zu sehen. Kein Mitleid, keine Angst. Nur Ruhe. Und ich beruhige mich. „Ich... ich weiß es nicht. Jemand ist tot. Vielleicht George. Ich weiß es nicht." Meine Stimme bricht. Der Leichnam liegt bäuchlings nur wenige Schritte entfernt. Das Gesicht bleibt verborgen, doch der helle Schopf spricht für meinen Bruder. Die Größe passt ebenfalls. Um den Oberkörper breitet sich eine Blutlache aus. Mir wird übel, ich muss wegsehen. „Nicht schlimm, Al", sagt Ares sanft. Seine blauen Augen glänzen hell, während er mir eine Strähne hinters Ohr streicht. Ich nicke, schlucke. „Hast du Schmerzen?" Er betrachtet das Messer, dann meinen Fuß, den ich fest umklammere. Der Schmerz flammt wieder auf, scharf und brennend. Tränen steigen erneut in mir auf. „Ja. Ich wollte es fallen lassen, aber..." Meine Stimme ist nur ein Wimmern. „Es ist auf meinen Fuß gefallen. Das gibt bestimmt eine Narbe." Ares legt seine Hände über meine, drückt behutsam zu. „Nicht schlimm, Al."Seine Stirn legt sich in nachdenkliche Falten, als wägt er ab, als überlege er, was jetzt zu tun sei. Und plötzlich scheint er recht zu haben: Ein Schnitt im Fuß ist nichts. Nicht im Vergleich zu einem toten Bruder. „Was ist passiert, Ares?" flüstere ich. Er blinzelt kaum. „Das weiß ich nicht. Aber es ist auch nicht wichtig, oder? Er ist tot. Und du hast es getan. Er war nie besonders nett zu dir."Seine Stimme ist warm wie Honig. Aber in meinen Ohren schneidet sie. „Was habe ich getan?" „Das weißt du doch selbst." Ares' Hand legt sich sanft auf meine Wange. „Du hast getan, was du musstest. Was du wolltest. Ich bin stolz auf dich." Seine Worte legen sich wie Eis und Feuer zugleich auf meine Haut. Eine Gänsehaut läuft meinen Rücken hinab. Er ist stolz. Ares lächelt. Und ich lächle zurück. „Danke, Ares." Dann wache ich auf.     *******   In letzter Zeit träume ich schlecht. Manche Menschen beklagen sich, dass sie nicht einschlafen oder durchschlafen können. Diese Menschen sollten dankbar sein. Denn schlimmer als wenig Schlaf ist grausamer grausamer grausamer Schlaf. Schlaf, in dem man Dinge erlebt, die man nicht erleben sollte und aus dem man aufwacht, ohne zu wissen, was Traum und was Wirklichkeit ist. Ich sitze in meinem Wohnzimmer. Draußen ist es hell. Meine Augen wehren sich gegen das grelle Licht, also reibe ich sie. Es brennt, es sticht, es überfordert mich.  Ich muss eingeschlafen sein. Am helllichten Tag. Meine Mutter wäre ausgeflippt. Aber sie ist nicht hier. Vielleicht ist es besser so. Mein Puls ... pocht, pocht, pocht. Meine Gedanken drehen sich im Kreis, tanzen um die Bilder in meinem Kopf, lachen und kreischen.  „Alles in Ordnung, Al?" Johns Stimme schneidet durch die Luft. Die Bilder in meinem Kopf verwischen, meine Augen übernehmen.  Er sitzt lässig auf der schwarzen Couch, eine Tüte Chips in der Hand. Krümel bedecken sein blaues T-Shirt, verstreuen sich über die Polster.  Meine Mutter würde ihn schimpfen  und anschreien.  Seine braunen Augen mustern mich aufmerksam.  „Ja. Ich habe nur schlecht geträumt." Meine Stimme klingt fern.  Ich zwinge mich, aufzustehen. John nickt. Er weiß, dass ich schlecht (grausam, grausam, grausam) schlafe.  Mein Mund ist trocken, ein bitterer Geschmack benetzt meiner Zunge, klebt an meinem Gaumen und wandert meine Speiseröhre hinab, bis in die Tiefen meines Herzens.   Ich sehe noch immer den Leichnam vor mir. Ich spüre den Schmerz in meinem Fuß. Mein Kopf spielt mir Streiche. Hör bitte auf. Hör verdammt nochmal auf. Hör.auf. Ruhe. Ich gehe in die Küche. Sie sieht anders aus als im Traum, und das beruhigt mich. Ich öffne eine Flasche Wasser und schenke mir ein Glas ein. „Willst du auch was trinken?" rufe ich ins Wohnzimmer. „Eine Cola, wenn ihr welche da habt." Ich lächle. Natürlich haben wir Cola. Dafür sorge ich. John trinkt immer Cola. Seinem Blutzucker zuliebe kaufe ich nur noch Zero. Als ich zurückkomme, reiche ich ihm die Dose. „Bitteschön." „Besten Dank." Er grinst leicht, als er die schwarze Schrift sieht, sagt aber nichts dazu. Stattdessen reißt er sie auf, nimmt einen tiefen Schluck und atmet laut aus. Normalerweise hasse ich dieses Geräusch. Bei John ist es in Ordnung. „Bald kommen meine Eltern und George zurück", sage ich. „Sie haben mir kaum Fotos geschickt. Wahrscheinlich muss ich mir stundenlang Urlaubsbilder ansehen, wenn sie wieder da sind." Meine Gedanken entgleiten wieder. Zurück in den Traum. Ich schaffe es nicht, sie einzufangen. Sie wandern zu dem toten Bruder, auf dem Boden in der anderen Küche. Es ekelt ekelt ekelt mich. Ameisen wühlen durch meine Adern, strampeln, verzweifeln, ertrinken in meinem Blut. „Ach ja?" John wirft mir einen beiläufigen Blick zu. Seine Stimme klingt nachdenklich. Ich klammere mich an ihren Klang. Sie ist mein Anker, der mich an die Realität bindet. Das Kriechen und Krabbeln, und Krabbeln und Kriechen ... hört auf. Alle tot. Mein Kopf ist in der Realität zurück. „Ja. Noch eine Woche. Weißt du doch." „Stimmt. Die Ferien vergehen einfach viel zu schnell. Was wollen wir bis dahin noch machen?" „Alles, was wir wollen. Eine Woche Freiheit, bevor der Wahnsinn zurückkehrt."Ich lache, und John stimmt ein.Ich liebe, liebe, liebe sein Lachen. Er lacht das Gefühl von Sommer. Den Geschmack von Schokoladenkuchen. „Wie wäre es heute Abend mit einer Party?" Seine Augen glänzen hoffnungsvoll, seine Lippen werden von einem süßen Lächeln umspielt. Nein. Nein. Auf gar keinen Fall. „Ach, ich weiß nicht." Das Lachen steckt mir im Hals fest. Ich bemühe mich, es herauszuziehen, statt es wieder hinunterzuschlucken. John liebt Gesellschaft. Ich nicht. Lieber lese ich, male oder verliere mich in irgendeiner Soap. Seit drei Wochen habe ich die Wohnung für mich. Meine Eltern und George sind bei Tante Kelly. Und ich genieße diese Ruhe. Ruhe.Ruhe.Ruhe. Früher liebte ich die Sommer bei Tante Kelly auf dem Land, doch heute ist mir die Stille lieber. Trotzdem sollte ich meine Mutter später anrufen. Fragen, wie es ihnen geht. Vielleicht würde es helfen, Georges Stimme zu hören. Ich brauche meinen Anker. „Wen willst du einladen?", frage ich. „Jodie und Dave." Ich halte ihn ganz fest. „Die mag ich beide nicht." Ohne hinzusehen weiß ich, dass John die Augen verdreht. Ich kenne jede seiner Gesten, fast so gut wie meine eigenen.  Dann sagt er: „Wie wäre es, wenn wir Ares einladen?" Mein Herz stolpert, stürzt, verletzt sich. Der Anker entgleitet meinen Händen. Ich starre John an. Seine Augenbrauen sind fragend in die Höhe gezogen. Er meint es ernst. „Du willst Ares kennenlernen?" Meine Stimme zittert. Mein blutendes Herz liegt auf dem Grund meiner Seele. Die Ketten meines Ankers treiben fort. Ich muss mich entscheiden: Hebe ich mein Herz auf oder fange ich meinen Anker ein? Entscheide dich. Entscheide dich. Entscheide dich.         ++++++++++++++++++++ Autorennotiz ++++++++++++++++++++ Ich freue mich über Rückmeldungen und einen regen Austausch! Fühlt euch eingeladen und aufgehoben :))) ******************** Am 12.11.2025 um 10:48 von Jovanniere auf StoryHub veröffentlicht (https://storyhub.de/?s=cbfSJ) ********************