******************** Nimm die schöne Hand von BerndMoosecker ******************** ++++++++++++++++++++ Kurzbeschreibung ++++++++++++++++++++ Ich wurde umerzogen - vom Links- zum Rechtshänder. So richtig hat das nicht funktioniert. Doch einige Spuren hat das hinterlassen - sozusagen Bremsspuren. ++++++++++++++++++++ Autorennotiz ++++++++++++++++++++ Die Geschichte ist nicht ganz ernst gemeint. Niemand mache ich einen Vorwurf, denn mein Leben ist so verlaufen, dass ich voll Dank darauf zurückblicke.Ein Kommentar des Mitglieds Lehrbuchruine zu meiner Geschichte "Veränderung oder der Verlust von Heimat" hat mich auf die Idee gebracht einmal eine Abhandlung über das Abgewöhnen einer natürlichen Begabung zu schreiben.Das Original dieser Geschichte gibt es hier: erzaehlungen.moosecker-hassels.de/text/text_02_pdf.php?v=oeffentliche_adobe&d=die_schoene_hand.pdf      Lange habe ich nicht mehr darüber nachgedacht, wie mein Leben verlaufen wäre, wenn ich Rechtshänder wäre. Es ergibt eigentlich auch keinen Sinn darüber nachzudenken, aber die Umerziehungsversuche haben schon einiges bewirkt. So läuft jetzt in meinem achtzigsten Lebensjahr das Leben zwar in geordneten Bahnen, aber einige Marotten in Bezug auf den Gebrauch der beiden Hände habe ich schon. Nun ja, wer hat keine Marotten? So bin ich auch nicht weiter auffällig, bis auf den Moment, in dem ich Werkzeuge einsetze.      Wann die Umerziehung begann weiß ich nicht, aber bereits aus der Vorschulzeit kenne ich die Aufforderung beim Malen den Stift in die rechte Hand zu nehmen – der Stift gehört in die schöne Hand. Darauf wurde geachtet, der Stift gehört nach rechts und den Löffel beim Essen hält man auch mit der schönen Hand. Das Schreiben zu erlernen war grausam, mit dem Griffel Buchstaben auf der Schiefertafel zu formen misslang – immer und immer wieder. Die rechte Hand machte einfach nicht das, was sie sollte. Mühsam kritzelte ich eine Reihe Buchstaben immer ein i, daneben das nächste i. Die Hand rutschte aus, die Buchstaben waren verwischt. Neuer Versuch, gleiches Ergebnis, ich brach in Tränen aus. Mit der Zeit erlernte ich das Schreiben doch noch. Schreiben kann man es eigentlich nicht nennen, ich malte Buchstaben und Wörter. Das mache ich auch heute noch, nur sehen die Gemälde heutzutage noch krakeliger als damals aus.      Die zweite Stufe begann, als ich ein wenig bastelte. Ich meine nicht so richtiges Basteln, sondern eben das, was man als Kind so ausprobiert. Ich schlug mit dem Hammer einen Nagel ins Holz, leider wurde ich beobachtet. Die Reaktion und das Ergebnis? Nimm den Hammer in die schöne Hand – aua, der Hammer traf den linken Daumen. Ich wurde zu kleinen Hilfen im Haushalt herangezogen. Kartoffel schälen! Was folgte, ist vorhersehbar! Nimm das Messer in die schöne Hand – ich schnitt mir in die Hand. Ich könnte das jetzt an weiteren Beispielen fortführen, lasse aber die Kinderzeit einfach mit dieser Erfahrung ausklingen. Die Anweisung lautete immer gleich – nimm die schöne oder rechte Hand.      Ich erlernte ein Handwerk. Die erste Übungseinheit war das Feilen. Ich schaute der Einweisung zu, das sah einfach aus. Dann kam der Selbstversuch. Das Heft in die eine Hand, die andere Hand auf das Ende des Feilenblatts und los ging es mit dem Feilen. Die Späne fielen, das machte richtig Spaß, aber nur eine halbe Stunde lang. Dann fiel ich auf! Du hältst die Feile verkehrt, das Heft gehört in die rechte Hand. Ich mache es kurz, den Umgang mit der Feile habe ich nie ordentlich gelernt. Stattdessen tat ich mich im Bedienen von Werkzeugmaschinen hervor. Da kann auch ein Linkshänder wenig verkehrt machen. Durch die Konstruktion der Maschine ist vorgegeben welche Hand wohin gehört.      Als neunzehn Jahre alt war, endete die Berufsausbildung. Danach ließ ich mir nichts mehr über den Gebrauch der Hände einreden. Bei den Dingen die ich danach händisch ausprobierte und erlernte, entschied ich selbst, mit welcher Hand ich das tat. So kommt es zu Kuriositäten. Kartoffel schäle ich mit der rechten Hand – habe ich so gelernt. Brot schneide ich mit der linken Hand, Braten auch und ich schnippele Gemüse mit dieser Hand. Spargel schäle ich auch links, aber alle anderen Arbeiten des Bereichs Schälen gehören der rechten Hand.      Ich weiß auch, wie man gesittet isst. Doch, ich weiß das alles. Messer rechts, Gabel links. Trotzdem, allein in der engsten Familie sehe ich das locker. Meine Suppe löffle ich mit links und die Butter kommt mit dem Messer links auf das Brot. Meine Liebste stört das nicht und wie gesagt, sind Fremde dabei, halte ich mich an die Normen. Kurios wird es beim Trinken, ich halte Gläser und Tassen links (auch in Gesellschaft), außer beim Frühstück. Ich decke den Tisch so ein, wie es üblich ist und da steht die Kaffeetasse nun einmal recht. Sähe doch doof aus, der schön eingedeckte Tisch mit einmal Tasse links und einmal Tasse recht.      Ein großer Augenblick war ein Fernsehbeitrag über Bill Clinton. Der Präsident unterzeichnete ein Dokument – der Präsident schrieb links! Ich habe es danach auch probiert links zu schreiben. Nein, es funktioniert nicht, ich schreibe mit der linken Hand noch krakeliger als mit der rechten Hand. Ich beschäftigte mich mit Iwrith (Neuhebräisch). Eine Schrift, die von rechts nach links geschrieben wird, ist für Linkshänder ideal. Trotzdem, es geht nicht, ich kann nicht mit links schreiben. Im Allgemeinen stört meine Kritzelei sowieso nicht mehr, außer den Einkaufszetteln gibt es keine handschriftlichen Hinterlassenschaften mehr von mir. So male ich jetzt Wörter auf den Einkaufszettel. Ich gebe mir dabei Mühe, schließlich gehen wir im Allgemeinen gemeinsam einkaufen und wenn nur ich den Inhalt der Einkaufsliste entziffern kann, dann ist nichts gewonnen.      Kommen wir noch einmal auf meine Eingangsbemerkungen zurück. Im Nachhinein ist es wirklich müßig, sich über den Verlauf des Lebens Gedanken zu machen. Bei einigen Dingen bin ich mir sicher, es wäre anders gekommen, hätte man mich nicht auf die schöne Hand gedrillt. Wahrscheinlich hätte ich meinen Beruf nicht gewechselt. Wohl mit Sicherheit hätte ich mehr Briefe verfasst, aber die wesentlichen Briefe habe ich auch so geschrieben. Ich verfasste glühende Liebesbriefe, als ich einmal längere Zeit meine große Liebe nicht sehen konnte. Trotz der krakeligen Schrift, die Briefe haben gewirkt. Sie wurden eingelagert, wirken heute noch nach und befinden sich inzwischen in unserem gemeinsamen Schlafzimmer. ******************** Am 6.12.2020 um 19:16 von BerndMoosecker auf StoryHub veröffentlicht (http://sthu.de/s=NNEd%40) ********************