Am Fenster

Kurzbeschreibung:
Die Geschichte klingt biographisch und ist es zum Teil auch, aber im Gegensatz zum Protagonisten meiner Geschichte, habe ich das Glück gehabt, langsam aus der Arbeitswelt auszusteigen.

Es war einer meine allerersten Versuche zu schreiben, das war etwa zur Jahrtausendwende. Ich veröffentliche die Story heute trotzdem einmal hier in der Literaturwerkstatt. Bisher war sie nur auf meiner Homepage zu lesen.

Das Original dieser Geschichte gibt es hier: erzaehlungen.moosecker-hassels.de/text/text_02_pdf.php?v=oeffentliche_adobe&d=am_fenster.pdf

Autorennotiz:
Die Geschichte klingt biographisch und ist es zum Teil auch, aber im Gegensatz zum Protagonisten meiner Geschichte, habe ich das Glück gehabt, langsam aus der Arbeitswelt auszusteigen.

Es war einer meine allerersten Versuche zu schreiben, das war etwa zur Jahrtausendwende. Ich veröffentliche die Story heute trotzdem einmal hier in der Literaturwerkstatt. Bisher war sie nur auf meiner Homepage zu lesen.

Das Original dieser Geschichte gibt es hier: erzaehlungen.moosecker-hassels.de/text/text_02_pdf.php?v=oeffentliche_adobe&d=am_fenster.pdf

Am 13.5.2020 um 18:24 von BerndMoosecker auf StoryHub veröffentlicht

Sein Blick fiel auf Bäume und Sträucher, im Sommer war es ein bisschen als blickte er in einen Wald. Hinter dem Wald lag eine stille Vorstadtstraße. Nur hin und wieder kam dort ein Auto oder ein Fahrradfahrer vorbei, noch seltener sah er ein paar Fußgänger. Auf der anderen Straßenseite stand ein Wohnhaus, daran angebaut war eine Reihe Garagen. Neben den Garagen befand sich der Spielplatz der Kindertagesstätte, bei schönem Wetter hörte man von dort den Lärm spielender Kinder. Diesen Ausblick hatte er seit Jahren. Im Winter, wenn die Bäume ihre Blätter verloren hatten, bekam er mehr vom Geschehen auf der Straße mit.

Der Mann war alt und die Aussicht kannte er seit Jahrzehnten, er hatte den Blick einfach verinnerlicht und was dort draußen vorging, interessierte ihn kaum. Um ihn herum befanden sich die Reste einer Lebensleistung: Telefon und Fax, mehrere Computer, dazu Bildschirme und Drucker, alles überaltert und technisch überholt, nicht mehr zeitgemäß. Nur auf dem alten bereits gebrechlichen Schreibtisch stand ein moderner Laptop. Er war einfach zu müde um das ganze Zeug zur Seite zu räumen. Sinn ergaben die Geräte schon lange nicht mehr, aber, um das ganze Gerümpel zum Recyclinghof zu bringen, fehlte es ihm an Körperkraft. Die Kraft, einen Nachbarn um Hilfe beim Tragen zu bitten, hatte er auch nicht.

Früher, ja früher, da hatte hier das Leben pulsiert. Das Telefon klingelte ständig und nervte. Wenn der Mann abhob, meldete sich in den meisten Fällen ein Kunde von irgendwo her rund um den Globus. Faxe kamen Tag und Nacht, wenn er vergessen hatte, die Klingel abzuschalten, störte das Faxgerät nachts seinen Schlaf, dann stand er auf, schaltete die Klingel ab und versuchte anschließend wieder einzuschlafen. Schlimmer war es, wenn das Telefon nachts klingelte, dann war meist irgendwo ein Fehler aufgetreten und der Anrufer hatte die Zeitverschiebung zwischen den Kontinenten nicht beachtet. In diesem Fall stand der Mann auf und zog sich seinen Bademantel über. Er setzte sich dann an einen der Bildschirme und versuchte das Problem zu lösen. Daran anschließend ging er dann zur normalen Tagesarbeit über, da er sowieso nicht mehr schlafen konnte. Er war dann müde, aber froh, arbeiten zu können ohne die tagsüber übliche Bimmelei des Telefons.

Nun reihte sich Tag an Tag, die Jahreszeiten kamen und gingen, es machte kaum einen Unterschied, ob es Sommer oder Winter war. Eines Nachmittags erhob er sich von seinem Platz und öffnete die Tür. Er atmete den Duft des Sommers ein und in ihm stieg die Erinnerung an glückliche Sommer voll Liebe und Leidenschaft auf. Er erinnerte sich, wie sehr er diese Leidenschaft genossen hatte und es ging ihm auf, wie viel leidenschaftliche Gefühle und Liebe er noch immer für die – inzwischen ergraute – Frau empfand. Daraufhin ging er in die Küche und fragte, ob er helfen könnte. Seine Frau sagte, er könne zur Geflügelfarm fahren und Eier kaufen. So fuhr er los.

Auf der Rückfahrt dachte er an all die verpassten Chancen, sein Leben neu zu gestalten. Er summte: ich war noch niemals in New York... Pass und Kreditkarten hatte er bei sich, die Gelegenheit war günstig – einfach weiterfahren und neues erleben. Er lächelte und dachte daran, dass er sich allein immer nur als halber Mensch fühlte. Nein, allein würde er bestimmt nicht weggehen. Er machte einen Umweg und fuhr zu einem Blumenladen. Er gab der Verkäuferin genaue Anweisungen, wie er sich den Strauß vorstellte und wartete geduldig. Als die Floristin ihm den fertigen Strauß präsentierte, prüfte er das Ergebnis seiner Anweisungen sorgfältig, nickte und zufrieden lächelnd bezahlte er.

Zu Hause angekommen bemerkte er, dass die Fähigkeit seine Gefühle zu äußern eingerostet waren. Zu lange hatte er sich mit sich selbst beschäftigt. Er hielt der überraschten Frau die Blumen hin und brachte nur die Worte „für dich“ über seine Lippen. Die Frau lächelte. Der Mann ging auf sie zu, küsste seine Frau auf die Stirn und spürte, wie eine lange vermisste Wärme in ihm aufstieg. Vorsichtig nahm er sie in die Arme, so als sei die Frau zerbrechlich und beiden stiegen Tränen in die Augen.