******************** Politisch korrekte Puppen von funnybits ******************** Geht die folgende Episode noch als politisch korrekt durch? Man weiß ja nicht mehr, was man noch erzählen darf. 1978 führte meine Cousine Santina ihre neueste Puppe vor. So etwas ging damals als High-End-Modell durch, denn Gelsomina, so hatte Santina ihre Plastiktochter getauft, besass zwei Fähigkeiten, die ich damals nicht für möglich hielt: sie konnte Wasser lassen und Töne von sich geben. Gelsomina hatte ein eingebautes Leitungssystem: Man konnte ihr die Flasche geben, zwei Minuten später kam unten alles raus. Für Santina eine faszinierende Beschäftigung. Sie verbrachte ihre Tage damit, die Puppe zu putzen, pudern und mit Pampers neu zu wickeln. Und wie erwähnt, konnte man sie nicht nur bewässern, sie war auch akustisch nicht von dieser Welt. Gelsomina konnte weinen, singen, schreien. So echt, dass man denken musste, ein Sounddesigner aus Hollywood hätte sie mit dem Soundtrack des Grauens ausgestattet. Es gab das Geschrei in allen Formaten. Zunehmend, abnehmend, Raketenstartverdächtig und in Zeitlupe. Surround Sound, mit Hall, ohne Hall, im Intervall-System, damit auch jeder mitten in der Nacht einen tödlichen Schreck bekam, wenn sie loslegte. Mein Cousin Ottavio, seinerseits, der den ganzen Tag mit einem Lachsack herumlief (sowas fand man 1978 ebenfalls lustig), schlug vor, man könnte der Puppe Bier geben und schauen, was passiert. Vielleicht würde sie verkleben und wäre endlich nicht mehr inkontinent. Und seine Schwester würde endlich wieder normal werden und wäre nicht mehr dieses Zombie mit Muttergefühlen. Santina (frei übersetzt: die kleine Heilige), verteidigte ihre „Plastiktochter“ bewaffnet mit Messer und Gabel und warnte uns. Wenn wir ihrer Puppe etwas antäten, würde sie unsere Kens kastrieren. Diese Drohung ließ mich vermuten, dass sie bisher noch keinen einzigen Ken ausgezogen hatte. Männerpuppen haben nie ein Gemächt. Die tun nur so. Wie Balletttänzer haben die nur eine neutrale Ausbuchtung zwischen den Beinen und sonst gar nichts. Wir GABEN ihr also Zunder (Bier) und Gelsomina verklebte wie geplant. Santina, wie vom Teufel geritten, galoppierte in den Keller hinunter, schreiend wie eine Doppelhorn-Sirene. Und schlitzte unsere Fahrradreifen auf. Dafür bekam sie Hausarrest und Süßigkeiten-Verbot auf unbestimmte Zeit. So war das 1978. Jungs waren kleine Schelme, Mädchen gefährliche, durchtriebene Biester, die jederzeit auf die schiefe Bahn geraten konnten. Man beachte, dass sie es uns heimzahlten, alle Frauen gemeinsam: gesellschaftlich. Kens haben heute noch immer keinen Pimmel, Barbies hingegen bekommen ganze Villen, Cabrios und Wohnmobile. Ken darf höchstens mal Vorbeischauen und doof in die Kamera glotzen. Barbie 2.0 ist schön, reich und intelligent, hat ein Handy, ein Tablet und einen Großbildschirm. Sie ist Chirurgin oder Modeschöpferin, und Ken ist die blondeste Surfboy-Dumpfbacke und vermutlich im Geiste eine schmachtende Biene – aber sicher kein ruppiger Barbar, der zeigt, wo’s lang geht. Aber zurück zur pinkelnden Puppe. Wer kam auf so eine bescheuerte Idee, einer Puppe Ausscheidungsorgane einzubauen? Kann man das nicht einfach spielen?? Gut, sind wir alle längst erwachsen. Man kann so tun, als hätte man alles vergessen und wäre gar nie fies zueinander gewesen. Ich sagte: so tun. Kürzlich kam meine Cousine zu Besuch. Auch sie ist jetzt ein halbes Jahrhundert alt. Sie kam angeradelt und noch heute fällt mir ein: Die hat mal meine Reifen aufgeschlitzt. Aber wir mögen uns natürlich. Sie bekam irgendwann mal selbst Kinder und die haben auch schon Kinder und ein Regiment von Puppen geherzt und plattgefahren, geliebt und entsorgt. Als ich Xiao-Hui, die Enkelin meiner Cousine, kennengelernt habe (ihre Mutter heißt Yanzhou-Yingtao, der Vater heißt Hans), hatte sie eine Puppe in der Hand, die mit einem gelben Kopf bestückt ist. Ich dachte, ach so, ja, das ist halt, weil sie asiatisch ist. Überhaupt nicht. Es stellte sich heraus, dass gelbe Köpfe weltweit als Rassen-neutral wahrgenommen werden. Deshalb haben Lego-Minifigures gelbe Köpfe, genau wie die Simpsons, die Minions und was weiß ich noch wer... Zum Glück pinkeln Puppen generell blau, so wie in der Windelwerbung. Das sorgt für eine entspannte Weltlage. Denn blau ist adelig, natürlich, rein – politisch korrekt. ******************** Am 23.5.2020 um 20:15 von funnybits auf StoryHub veröffentlicht (http://sthu.de/s=3%C3%BCbov) ********************