Zuckerbohne

Am 24.11.2018 um 0:49 von wonderfinder auf StoryHub veröffentlicht

Er kommt in ganz langen Schritten auf sie zu. Der heftige Fahrtwind hat seine wirren kurzen Haare aufgeplustert und sein neuer dunkelschwarzer Mantel ist auf alle Seiten verweht. Sie versucht sich vergebens aus seiner Fahrbahn zu schleichen. Er redete sehr schnell und ernsthaft auf sie ein und seine riesenhaft eckige Nase wackelte dazu. Sie wusste es und ein beklemmendes, aber nicht ganz genau zu ortende Gefühl in der linken Brusthälfte bereitete sich in ihr aus wie ein Parfumgeruch sich im Raum verteilt. Gleichzeitig bildete sich in ihrem linken Auge eine grosse Ansammlung von Augenwasser. Sie droht zu Überschwappen. Noch ganz warm und mit einem enormen Tempo laufen kleine Tropfen über ihre Wange hinunter hin zu ihrem Mund und hinterlassen eine kühlende Spur. Mit der Zunge fährt sie über ihre Lippen und schmeckt Salz. Es bildet sich immer mehr Augenwasser. Hektisch versucht sie mit seinen Augenlidern das Augenwasser vom Überschwappen zu hindern. In ihrem Kopf wütet ein Gedankenwirbelsturm. Sie zieht mehrmals geräuschvoll die Luft ein, doch auch in der Nase beginnen Tropfen loszulaufen. Sie hält sich die Hände vors Gesicht. Er war in höchster Eile und wollte noch ganz viel erzählen und es wurde ihr sehr anstrengend zuzuhören. Ein starker Wind wehte ihnen der Geruch von gebratenen Zwiebeln zu und kroch wie einen Wurm in ihre Nase. Sie guckte zu ihm hoch. Er pustete ganz kräftig die Luft aus der Nase und brachte die schwarzen Nasenhaare zum Tanzen. Er liess sich einfach nicht einkriegen und währenddessen brauste sich der Himmel ganz wild über ihnen zusammen. Die Wolken waren furchtbar riesige Türme geworden. Sie kam sich auf einmal ganz winzig vor. Kleine Regentropfen fliegen durch die Luft und vermischen sich mit dem Salzwasser auf ihren Wangen. Einer nach dem andern fallen sie runter und beenden ihren Flug auf dem schwarz glänzenden Teer. Sie versucht mit der Zunge einige aufzufangen. Die Tropfen werden immer grösser und schneller und bald fast schon hagelig. Er ist nur noch verschwommen zu sehen und schaut sie mit einem dunkelbösen Blick an. „Komm du kleine Zuckerbohne, wir gehn heim. Versprich mir, dass du nie wieder wegrennst!“