******************** Soulac-sur-Mer von BerndMoosecker ******************** ++++++++++++++++++++ Kurzbeschreibung ++++++++++++++++++++ Das ist weniger eine Reisebeschreibung, als die Beschreibung eines Gefühls, das mich befällt, wenn ich in der Region Aquitanien weile. Zusätzlich versuche ich die historischen Geschehnisse, die zur Entstehung des Städtchens Soulac-sur-Mer führten, darzustellen. Wenn wir uns in Frankreich aufhalten, leben wir in einem Dorf, das an einem Zweig des Jakobswegs liegt, den man im Allgemeinen den Küstenweg nennt. Ich schreibe hier über den Ort, der als der Ausgangspunkt dieses Weges gilt. Die Stadt liegt Luftlinie etwa 170 Kilometer weiter nördlich und trägt den Namen Soulac-sur-Mer. In den Jahren, in denen wir noch häufig auf der Halbinsel Médoc Urlaub machten, haben wir diese Gemeinde oft besucht, denn es gibt dort etwas, was wir sehr schätzen – eine Markthalle. Soulac-sur-Mer ist eine kleine Stadt und ein Seebad im Norden der Halbinsel Médoc, umgeben von Pinienwäldern, Marschland und Dünen. Die Stadt grenzt direkt an den Atlantischen Ozean. Zwischen der Stadt und dem offenen Meer dehnt sich ein weiter Sandstrand. Entlang der Seepromenade gibt es einige große Hotelbauten und etliche Appartementhäuser, deren Wohnungen während der Saison als Ferienwohnungen vermietet werden. Außerdem befindet sich dort das Spielkasino. All diese Gebäude wurden in den achtziger Jahren des letzten Jahrhunderts errichtet und ersetzen Gebäude aus der Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg. Die eigentliche Stadt liegt gleich hinter diesen hohen Bauwerken. Wie durch einen hohen Wall ist sie dadurch von der Strandpromenade und vom Ozean abgeschnitten. Der größte Teil der Stadt besteht aus maximal zweistöckigen Gebäuden, die in der Zeit zwischen der Mitte des 19. Jahrhunderts und der Zeit vor dem 2. Weltkrieg errichtet wurden. Neuere Gebäude gibt es fast ausschließlich in den Siedlungen an den Stadträndern. Außerhalb der Saison verbreitet die Stadt einen morbiden Charme. Sie wirkt fast verlassen und die wenigen Bürger sich verlieren in den windigen und zum Teil vom Sand verschütteten Straßen. Postamt, Bureau de Tabac und Markthalle (davon später) zählen in dieser Zeit zu den belebtesten Orten, um nicht zu sagen, es sind die einzigen Orte mit Publikumsverkehr. Ein Großteil der zahlreichen Geschäfte und Restaurants bleibt außerhalb der Saison geschlossen. Zahlreiche Schaufenster sind mit Spanplatten und Brettern vernagelt. Nicht vernagelte Schaufenster machen bereits im Spätherbst einen heruntergekommenen Eindruck. Von Woche zu Woche verstärkt sich ein weißlicher Belag, bestehend aus reinstem Meersalz, mit etwas Sand vermischt. Der Belag wird dann von den im Winter häufigen Regenfällen immer wieder teilweise abgewaschen. Dadurch entsteht leicht den Eindruck, die Läden ständen seit Jahren leer. Wenn Ende Juni endlich die Sommersaison ausbricht, dann brummt in der Stadt das Leben. Die Straßen quellen über von Menschenmassen und in dem Teil der Stadt, der so etwas wie das Einkaufszentrum darstellt, erklingt scheppernde Musik aus Lautsprechern, die an den Laternen befestigt sind. Jede Menge Imbiss- und Souvenirstände sind in den engen Straßen aufgebaut. Zur Kinderbelustigung dienen ein Karussell und eine abschüssige, mit einer weißen Plastikplane bespannte Holzkonstruktion. Die Plastikplane wird mit Wasser besprengt. Dadurch ist sie glatt genug, um Kinder auf ihren Schlitten darauf abwärtsfahren zu lassen. Für Einheimische und sich selbst verpflegende Touristen ist die Markthalle wohl der interessanteste Platz der Stadt. Die Markthalle ist täglich am Vormittag geöffnet. Es gibt dort fast alles, was das Herz begehrt: Fische und Meeresfrüchte, Confit de Canard (eingemachte Ente) und Magret de Canard (Entenbrust), Hühnchen und Perlhühner, Wein und Spirituosen, Fleisch- und Wurstspezialitäten, Käse aus Schafs-, Ziegen- und Kuhmilch, Gemüse, Obst und eingelegte Oliven. Diese Aufstellung ist immer noch unvollständig, aber mir läuft schon beim Schreiben das Wasser im Mund zusammen. Da die Markthalle nicht so groß ist, wie gleichartige Einrichtungen in größeren Städten, hat sie einen weiteren Vorteil – der für diese Orte typische Lärmpegel ist auf ein erträgliches Maß reduziert. Für alle an der Historie interessierten Menschen, ist die Kirche Notre-Dame-de-la-Fin-des-Terres (Notre Dame am Ende der Welt) der zentrale Anziehungspunkt der Stadt. Dieser Kirchenbau erinnert an die Bedeutung, die die Stadt einmal für die Pilgerbewegung hatte. Die Kirche ist heute Teil des Weltkulturerbes der UNESCO und diente im Mittelalter den Pilgern, die mit dem Schiff im Hafen der Stadt ankamen, als Stätte des Dankgebets für die sichere Landung in Soulac. Bevor sie sich auf den mühsamen Weg nach Santiago de Compostela machten, haben sie mit Sicherheit in Soulac eine Rast eingelegt, denn die Weiterreise war beschwerlich und gefährlich. Davon zeugt schon ein Dorf, nur wenige Kilometer weiter südlich von Soulac gelegen, das bezeichnenderweise den Namen l’Hôpital (das Krankenhaus) trägt. Aber von all dem, was zu dieser Zeit die Stadt ausmachte, sind keinerlei weitere Spuren mehr vorhanden. Im 18. Jahrhundert wurden die damalige Ortschaft und die Kirche unter einer großen Wanderdüne begraben. Nur der Kirchturm ragte noch aus den sandigen Massen und diente den Schiffen und Booten auf der Gironde als Landmarke. In der Mitte des 19. Jahrhunderts war die Düne weitergezogen und die Kirche wurde aus den verbleibenden Sandmassen ausgegraben. Der abgetragene Sand wurde rund um die Kirche aufgehäuft und mit Mutterboden und Gras befestigt. So liegt die Kirche heute in einem Tal, das sich zur Stadt hin öffnet. Auch der Hafen, an dem die Pilger ankamen, versandete und ist spurlos verschwunden. Dort wo sich früher der Hafen befand, breitet sich heute ein weites Marschland mit einem mächtigen Deich an der Gironde aus. Statt des Hafens befindet sich heute in den Marschen der kleine Flugplatz der Stadt. Ein Stück weit nördlich der Stadt befindet sich ein Kap, das Pointe de Grave genannt wird. Ist die Sicht klar genug, reicht von dort der Blick über die Gironde zur Stadt Royan und auf den mächtigen Leuchtturm Phare de Cordouan im Mündungstrichter der Gironde. Eine Autofähre verbindet das Kap und Royan, was Reisenden, die vom Norden oder Nordosten die Halbinsel Médoc erreichen wollen, den Umweg über Bordeaux erspart. Das Kap ist ein geschichtsträchtiger Ort. Im Ersten Weltkrieg gingen dort amerikanische Truppen an Land. Heute erinnern nur noch eine Mole, ein paar rostige Eisenbahngleise und ein etwas heruntergekommenes Mahnmal an diese blutige Zeit. ++++++++++++++++++++ Autorennotiz ++++++++++++++++++++ Das Original der Geschichte findet Ihr hier: erzaehlungen.moosecker-hassels.de/text/text_02_pdf.php?v=oeffentliche_adobe&d=soulac_de.pdf ******************** Am 21.8.2018 um 20:19 von BerndMoosecker auf StoryHub veröffentlicht (http://sthu.de/s=%C3%A4O5iM) ********************