******************** Gedankenspiele von BerndMoosecker ******************** ++++++++++++++++++++ Kurzbeschreibung ++++++++++++++++++++ Ein Jahr mit einigen Schicksalsschlägen habe ich durchlebt. Der Versuch dieses Jahr zu verarbeiten, ist das, das ich hier veröffentliche. Ein Jahr ist zu Ende gegangen, ein Jahr, das mich mit zwei Schicksalsschlägen bedacht hat, von denen ich am Anfang des Jahres noch nichts geahnt hatte. Doch gefühlt ging es Schlag auf Schlag. Ein Krieg, dessen Ausbruch ich zwar befürchtet hatte, den ich aber trotzdem vom Gefühl her immer ausschloss, brach aus. Wieso bricht eigentlich ein Krieg aus? Dieser geläufige Ausdruck ist irreführend. Krankheiten brechen aus – Krieg ist keine Krankheit! Ein Krieg wird geplant, die Feindschaft wird geschürt, der erste Schuss fällt. Da bricht nichts aus, kalte, menschenverachtende Planung führt zum Angriffsbefehl. Diese philosophische Betrachtung ist jedoch nicht der Sinn meiner Zeilen, sondern dient nur zur Verdeutlichung meiner Gedankengänge. Die Frau, die ich liebte, mit der ich über Zweidrittel meines bisherigen Lebens verbracht habe, reagierte äußerst betroffen auf jeden der zahlreichen Kriege, die sie während ihres Lebens ausgetragen wurden. Dieser Krieg war ein Krieg zu viel für sie. Er raubte ihr ihren letzten Lebensmut; und das, obwohl sie eine Frau war, deren Mut zu ihren herausragenden Charaktereigenschaften zählte. Sie starb sinnbildlich an gebrochenem Herzen, real daran, dass ihr schwaches Herz einfach die Arbeit einstellte. So saß ich an einem windigen und regnerischen Aprilmorgen an ihrem Sterbebett und hielt ihre Hand. Flacher und seltener wurden ihre Atemzüge – bis sie ganz ausblieben. Ich küsste sie noch einmal und ging hinaus. Zu diesem Zeitpunkt war ich bereits mehr als einen Tag auf den Beinen, mein Herz war leer, teilnahmslos bestieg ich das erstbeste Taxi, erzählte dem Fahrer, alles sei in bester Ordnung. Das waren die ersten Schritte in ein neues Leben. Die ersten Tage danach verliefen chaotisch. Zeit hatte ich mehr, als mir lieb war. Ich habe es nicht nachgehalten, aber ich bin unzählige Kilometer, von innerer Unruhe getrieben, gewandert. Jedoch die Zeit wollte nicht vergehen. Bleischwer schleppten sich die Stunden dahin. Aus Stunden wurden Tage, aus Tagen Wochen, die Unruhe blieb. Ich beschloss mir die Zeit vorerst einmal mit Reisen zu vertreiben und so stand ich an einem sonnigen Frühlingstag am Strand des Ozeans. Zu dieser Zeit hatte ich mir schon intensive Gedanken darüber gemacht, wie ich den Lauf meines Lebens wirksam verkürzen könnte. Alles, was mir bisher in den Sinn gekommen war, waren unbrauchbare Ideen. Auf keinen Fall durften dabei andere Menschen zu Schaden kommen. Damit war ausgeschlossen, mich vor einen Zug zu werfen – die Psyche des Lokführers wäre beschädigt worden. Es war ausgeschlossen, von einem hohen Gebäude zu springen – immer wieder kam mir der junge Mann in den Sinn, der bei seinem Todessprung eine junge Frau und ihr ungeborenes Kind mit in den Tod riss. Gift oder Tabletten sind nicht mein Ding und so waren mir vorerst einmal die Ideen ausgegangen. Als ich an diesem Tag auf das Weltmeer starrte, wurde mir bewusst, wie ich meinem Leben unauffällig beenden könnte. Einfach und schmerzlos! Wenn ich eines Abends, kurz vor Eintritt der Dunkelheit, hinunter zum Strand ginge, mich dort auszöge, um dann hinaus in die Unendlichkeit zu schwimmen – nach kurzer Strecke würde ich mit meinen Kräften am Ende sein, ich würde einfach ertrinken. Bei günstiger Strömung würde mein Körper für alle Zeiten in den Fluten des Weltmeeres verschwinden. Ich schreibe diese Zeilen, ich habe mich anders entschieden. Um diesen Plan auszuführen, müsste ich meine Neugier ablegen. Meine Neugier, auf das, was mir das Leben noch zu bieten hat. Meine Neugier darauf, wie es ist, wenn ich hoffentlich eines Tages eines natürlichen Todes sterbe. An einer Krankheit, an Altersschwäche oder ähnlichem. Was aber mache ich in der Zwischenzeit? Meine Reiselust habe ich bereits erwähnt. Die Pflege zwischenmenschlicher Beziehungen lässt mir das Leben wieder lebenswert erscheinen. Nein, ich meine damit nicht die Suche nach einer neuen Partnerschaft, obwohl ich auch dafür offen bin. Der Umgang mit den Nachbarn, die Mitarbeit in dem einen oder anderen Förderverein, das alles macht mir Freude und das Leben erscheint mir lebenswerter als zuvor. Alles schien auf einem guten Weg, ein weiterer Schicksalsschlag warf mich zurück in die Verwirrung. Das Herz meines Freundes und Schwiegersohns stellte unerwartet seinen Dienst ein. Was bleibt, wenn die Menschen, die man geliebt und geschätzt hat, sich einer nach dem anderen auf den Weg in die Vergänglichkeit begeben? Es wird einsamer um einen herum. Einsamer und einsamer. Nur durch eigene Aktivität kann ich diesen Teufelskreis durchbrechen. Aktivität und der Glaube daran, dass hinter jedem Verlust auch die Chance auf einen neuen Anfang zu finden ist, lassen mir die Zukunft in hellem Licht erscheinen. Ich bin nicht euphorisch, ich weiß schon in dieser Sekunde kann auch mein Leben enden. Dann bleibt dieser Text unvollendet. Das ist das einzige, was sich am Lauf der Welt ändern würde, ein paar Zeilen weniger. Aber selbst wenn ich wüsste, dass dies meine letzten Minuten sind, ich würde weitermachen, wie bisher. Was ich jetzt plane, klingt sogar für mich selbst verrückt. Obwohl ich mich bereits jenseits der Achtzig bewege, knüpfe ich da an, wo ich vor Beginn der Pandemie aufgehört habe. Ich lege mir eine zweite Wohnung fernen Südwesten Frankreichs zu. Zu gerne pendle ich zwischen meiner Heimatstadt und Aquitanien hin und her. Ja, ich habe es bemerkt, das Reisen wird schwieriger und schwieriger, je älter ich werde. Vielleicht fahre ich noch einmal, wenn ich Glück habe noch mehrmals und eines Tages werde ich die Entscheidung treffen, dass das Pendeln ein Ende hat. An welchem der beiden Orte das sein wird? Das entscheide ich später oder wenn mein Lebensende unerwartet kommen sollte, bleibt mir diese Entscheidung erspart. Ich habe mein Leben gelebt, ich habe geliebt und ich wurde geliebt. Ich habe oft über die Gefühle geschrieben, die ich empfinde, wenn ich auf mein langes Leben zurückblicke. So kann ich mich hier nur wiederholen, ich blicke erfüllt von Dankbarkeit auf mein Leben zurück. Das, wovon diese Zeilen berichten, war der Rückblick auf das wohl bisher schwierigste Jahr in meinem Leben. Die Vorgänge liegen noch nicht weit genug zurück, um es mir zu ermöglichen, mein Gefühle abschließend zu beurteilen. Aber gleichgültig, wie ich die Katastrophen dieses einen Jahres in Zukunft bewerten werde, die tiefe Dankbarkeit wird nicht vergehen. Ich habe bei der Beisetzung meiner großen Liebe eine kurze Rede, an ihrer Urne stehend, gehalten. Einen Satz daraus zitiere ich jetzt zum Schluss meiner Betrachtungen: Fast ein Menschenleben lang haben wir uns als liebendes Paar gesehen – uns geliebt und geehrt. Das, davon bin ich fest überzeugt, wird nicht vergehen. ++++++++++++++++++++ Autorennotiz ++++++++++++++++++++ Das Original dieser Geschichte findet Ihr hier: erzaehlungen.moosecker-hassels.de/text/text_02_pdf.php?v=oeffentliche_adobe&d=gedankenspiele.pdf ******************** Am 2.1.2023 um 23:28 von BerndMoosecker auf StoryHub veröffentlicht (http://sthu.de/s=%2F%2A%40p4) ********************