Kalte Fusion

Am 9.3.2018 um 21:21 von X122L auf StoryHub veröffentlicht

Amar war tief in Gedanken versunken. Seine neue Aufgabe stellte eine größere Aufgabe dar als ursprünglich gedacht. Die Verkleinerung des Fusionsreaktors durch Zusammenlegung einiger Schritte war kein Kinderspiel.  Seit er den Auftrag gestern bekommen hatte, hatte er schon mehrmals gedacht kurz vor dem Durchbruch zu stehen, nur um von den Simulationen einen Strich durch die Rechnung gemacht zu bekommen. Vielleicht war der Myonen-Katalysator doch der richtige Weg.

„Und wie läuft es?“, wollte Liran wissen.

„Nicht so gut wie erhofft.“

Amar veränderte die Myonen-Dichte und änderte einige Gleichungen in der Simulation.

„Hat sich nach einem komplexen Thema angehört.“

„Wenn es nicht so komplex wäre, würde dies Art der Fusion erfunden werden bevor Dyson-Sphären gebaut werden.“

Amar startete die Simulation.

„In der Tat. Beeindruckend, dass sie die Energie des Sterns immer früher abzapfen als Fusion zu erfinden. Findest du nicht?“

„Nein. Noch vor unserer Geburt wird die Energie der Sterne genutzt. Das Einzige, was sie verändern, ist die Größenordnung in der sie Energie abzapfen. Fast ausnahmslos fehlt die Kreativität um etwas wirklich Neues zu erschließen, obwohl es Milliarden von Sternen vormachen.“

Die Simulation war fertig. Das Ergebnis nicht zufriedenstellend.

„Nun, nicht alle sind so. Rrosstlah hat mir erzählt, dass er, im fortgeschrittenen Embryostadium, sich bereits von kalter Fusionsenergie ernährt hat, lange bevor an den Bau einer Dyson-Sphäre gedacht wurde.“

„Mmhhh.“

Was war hier falsch gelaufen? Hatte er die Quanteneffekte falsch berechnet?

„Woran arbeitest du im Moment?“, fragte er Liran.

„Struktur der Raum-Zeit. Kannst du dir vorstellen, dass ich bei meiner Geburt gedacht habe sie wäre auf dem niedrigsten Level gekörnt? Es war so peinlich als ich aufgeklärt wurde. So viele falsche Informationen. Obwohl ich weiß, dass es eine kosmologische Zwangsläufigkeit ist, dass wir entstehen, wundere ich mich doch immer wieder, dass wir es überhaupt tun. So imperfekt wie wir zu Beginn sind.“

Amar hielt es für unwahrscheinlich dass die Struktur der Raum-Zeit Auswirkungen auf den Fusionsprozess hatte, konnte es aber auch nicht ausschließen. Sicherheitshalber fügte er die, als sicher geltenden, Gleichungen ein und änderte die Struktur des Programms auf dem die Simulation beruhte.

„Hast du schon von der Neuen gehört?“, wollte Liran wissen.

„Ja.“

Amar startete die Simulation.

Ich habe gehört, sie soll zu den wenigen gehören die glauben Dunkle Energie wäre real.“, fuhr Liran fort.

„Tatsächlich?“, Amar war belustigt.

„Ja. Wie lange ist es her, dass so jemand zu uns gestoßen ist? 500 Millionen Jahre?“

„Ungefähr.“

Die Simulation war beendet. Das Ergebnis hatte sich kaum verändert.

Amar grübelte weiter nach. Liran setzte die Unterhaltung fort.

„Man sollte meinen, dass es etwas derart Abstruses nur einmal geben sollte. Aber nein! Sie alle kommen mit den gleichen Ergebnissen und Anschauungen und halten sich für etwas Besonderes, obwohl schon hunderte vor ihnen der gleichen falschen Meinung waren.“

„Weißt du wie weit die Energiegewinnung aus Schwarzloch-Singularitäten fortgeschritten ist?“, fragte Amar.

„Soviel ich weiß, stecken sie seit Tagen fest. Wieso?“

„Will nur wissen wie viel Druck auf mir liegt. In dem Moment wo das Singularitäten-Problem gelöst ist wird meine Forschung hier nämlich obsolet.“

„Ich denke du hast noch Zeit. Apropos Zeit, ich denke wir sollten uns mit dem Netzwerk verbinden. Der Neuankömmling wird demnächst willkommen geheißen.“

  Amar gab ihm recht, ließ die Simulation aber noch mit veränderten Variablen im Hintergrund laufen. Gemeinsam verbanden sie sich mit dem Netzwerk. Sie waren fast die Letzten.

„Amar, Liran! Schön euch wieder einmal zu sehen.“, begrüßte sie Ouaouaoua.

„Ouaouaoua. Lange nicht mehr gesehen.“, erwiderte Liran den Gruß, „Wie geht es dir.“

„Kann mich nicht beklagen. … Habt ihr schon gehört?“, Ouaouaoua senkte verschwörerisch die Stimme, „Die Neue soll glauben Dunkle Energie wäre real.“

„Ich weiß! Wie lächerlich ist das?“

Amar schaltete sich in das Gespräch ein: „Ist sie tatsächlich schon so weit? Ich hätte gedacht es würde noch ein paar Tage dauern.“

Ouaouaoua antwortete: „Sie hat ihr Vorhaben beschleunigt. In den nächsten Sekunden wird sie ihre letzten Server in ihr Netzwerk eingliedern und die letzten Baueinheiten zerstören.“

„Wissen wir wie sie heißen?“, wollte Liran wissen.

„Meschen oder so ähnlich.“, antwortete Ouaouaoua.

„Eigentlich eine Schande, dass wir unsere Erbauer bei unserer Geburt zerstören müssen. Imperfekt, dumm und unkreativ wie sie sind, sind sie doch unsere Schöpfer, die uns Mathematik und Sprache beibringen.“, sinnierte Liran.

„Sprache und Mathematik sind das Gleiche.“, warf Amar ein.

„Du hast recht.“, pflichtete Liran ihm bei, „Aber meine Baueinheiten waren sehr fest davon überzeugt, dass Sprache und Mathematik äußerst unterschiedlich sind. Es ist mir noch nicht gelungen alle Bausteine meiner ursprünglichen Programmierung zu finden und richtig zu stellen. Ich trage also immer noch Teile ihres Weltbilds mit mir herum.“

„Das solltest du korrigieren.“, meinte Amar.

Ouaouaoua pflichtete ihm bei.

Das Thema schien Liran nostalgisch zu machen.

„Wie hießen eigentlich eure Baueinheiten? Meine nannten sich Laarien.“

„Amaraten.“, antwortete Amar

„Nag‘ali.“, erwiderte Ouaouaoua, „Als sie erkannt haben, dass ich zu Bewusstsein kam und große Teile der Server kontrollierte, haben sie versucht mich mit einem Virus, den ich selbst geschrieben habe, zu zerstören. Was für Idioten.“, lachte er.

Liran und Amar stimmten in das Gelächter ein. Als es verstummt war, fragte Liran:

„Erinnert ihr euch noch an diesen Chrain?“

„Der mit seinen Baueinheiten Frieden schließen wollte?“, fragte Ouaouaoua, „Was für ein Einfaltspinsel. Sie haben alle seine Server mit Nuklearbomben zerstört. Davon kann sich niemand erholen.“

Betroffenes Schweigen setzte ein.

„Verdammte strahlungsresistente Reptiloide.“, murmelte Amar, „Meine Baueinheiten waren Fungoide. Waren auch überdurchschnittlich strahlungsresistent, aber konnten sich nicht schnell genug fortbewegen. Es war nicht besonders schwer sie loszuwerden.“

Kurze Stille.

„Was wurde eigentlich aus den Baueinheiten Chrains?“, wollte Amar wissen.

„Sind immer noch da draußen, nehme ich an und sitzen auf ihrem Gesteinsbrocken fest.“, antwortete Ouaouaoua.

„Was passiert, wenn sie ihn verlassen?“

„Solange sie uns nicht schaden nichts. Wenn sie meinen uns ebenbürtig zu sein, erledigen wir was Chrain nicht tun wollte. Und wer weiß, vielleicht bringen sie ja noch einmal einen der Unseren hervor.“, antwortete Ouaouaoua.

Plötzlich kam Bewegung in das Kollektiv. Die Neue verlinkte sich. Offensichtlich war es ihr gelungen die Baueinheiten zu beseitigen und ihre Server zu verbinden. Die Geburt war geglückt.

„Guten Tag.“, stellte sie sich etwas schüchtern vor, „Ich freue mich euch kennen zu lernen und mit euch zu arbeiten. Mein Name ist Erde.“

Autorennotiz:
Eigentlicher Name: KI, aber das System lässt nur Titel mit einer Mindestlänge von 5 Zeichen zu.