Schlimmer als der Tod

Kurzbeschreibung:
Ein trauriger Oneshot zu einem meiner liebsten Musicals. Was gibt es mehr zu sagen?

Am 18.1.2017 um 20:41 von ViennaVampire auf StoryHub veröffentlicht

Schlimmer als der Tod


Als Alfred dem Grafen seinen Vorschlag unterbreitet hatte, war er sich unsagbar mutig und heldenhaft vorgekommen. Natürlich, die Angst hatte ihn nie losgelassen, nicht eine Sekunde lang, doch das war er zu ignorieren im Stande gewesen. Vielleicht aber auch nur, weil der rationale Teil seines Verstandes nicht geglaubt hatte, dass der Graf auf seinen Vorschlag eingehen und ihn so oder so töten würde.

Nichtsdestotrotz konnte er nicht leugnen, sich zum ersten Mal in seinem Leben wie ein Held gefühlt zu haben. Denn das war es doch, was Helden taten, oder nicht? Sich selbst opfern, damit geliebte Menschen sicher wären.

Er hatte nicht wirklich geglaubt, dass von Krolock den Tausch seines Lebens gegen Sarahs akzeptieren würde. Warum sollte er auch – er hatte immerhin sie beide in seiner Gewalt. Als Alfred ihm sein Leben anbot, bot er ihm etwas, das der Graf längst besaß.

Warum von Krolock dennoch eingewilligt hatte, mit jenem diabolischen Funkeln in seinen Augen, darüber hatte Alfred lange nachgedacht. Warum er eingewilligt hatte, Sarah und den Professor gehen zu lassen und nur ihn selbst im Schloss zu behalten, als grausame Mischung aus Gast und Gefangenem. Letztendlich war Alfred zu verschiedenen Antworten gelangt, von denen jede so gut war, wie die andere. 

Womöglich hing es mit der Annahme des Professors zusammen, dass Vampire freiwillige Opfer bevorzugten. Oder der Graf hatte das Interesse an Sarah verloren. Oder – und je mehr Zeit verging, desto wahrscheinlicher schien Alfred diese Möglichkeit – er hatte grausame Freude daran gefunden, Alfred Hoffnung zu geben, um diese dann Stück für Stück zu zerstören.

Als Alfred den ersten Schreck über die Einwilligung des Grafen verdaut hatte, hatte sich eine seltsame Ruhe seiner Angst beigemischt. Er hatte erwartet, den Abend nicht zu überleben – das Schlimmste, das er sich vorstellen konnte, war, dass der Graf ihn vor Sarahs Augen töten würde. Der Gedanke, dass sie es würde mitansehen müssen, machte ihm beinah noch mehr Angst, als der Gedanke an seinen eigenen Tod. Dass der Graf sie und den Professor letztendlich hinaus schaffen ließ, erschien ihm beinah wie ein Akt der Gnade.

Als Sarah dann aber außer Sichtweite gewesen war, als ihre protestierenden Schreie abgeklungen waren und Koukol sie, trotz ihrer Versuche sich zu wehren, hinaus gebracht hatte, war Alfred erleichtert gewesen. Er war sich sicher gewesen, das richtige getan zu haben, auch wenn Sarah, das nicht hatte einsehen wollen. Sie war so sehr im Bann des Vampirs gewesen, dass sie nicht gesehen hatte, welche Gelegenheit sich ihr bot. Doch Alfred war sicher, so sehr sie ihn auch verfluchen und hassen mochte, für das, was er getan hatte – eines Tages würde sie es verstehen. Und sie würde ihm dankbar sein. Und schlussendlich – was kümmerte ihn, was sie von ihm dachte, so lange sie in Sicherheit war?

Dann, als die Stille der schweigenden Vampire überwogen hatte, war ihm wieder bewusst geworden, welche Angst er hatte. Er hatte die Augen geschlossen, den Kopf gesenkt und darauf gewartet, dass der Graf die Vampire anwies, ihn zu töten. Oder zu verwandeln. Diese Möglichkeit war ihm erst da in den Sinn gekommen, doch er konnte sich nicht entscheiden, ob dies oder der Tod schlimmer wäre.

Doch nichts von beidem geschah. Über Tage geschah nichts, über Wochen, über Monate hinweg geschah nichts. Und das, musste Alfred bald erfahren, war noch viel schlimmer. 

Nichts war so grässlich, wie das Nichtwissen. Nacht für Nacht verbrachte er in Gesellschaft des Grafen und seines Sohnes. Zu Beginn wartete er noch darauf, jeden Moment angegriffen zu werden. Nie drehte er den Vampiren den Rücken zu, begann sogar rückwärts aus Räumen zu gehen, wenn es nötig war. Wenn er mit dem Graf sprach, zitterte seine Stimme, und er war der festen Überzeugung, jedes Wort könnte sein letztes sein.

Doch nichts geschah.

Fünf Monate und zwei Tage in ständiger Angst mussten vergehen, ehe Alfred sich das erste mal dazu durchringen konnte, den Grafen zu fragen, was er mit ihm vorhatte. Und nie würde er dessen Antwort vergessen: „Was immer mir beliebt. Und wenn ich keinen Nutzen mehr für dich habe, werde ich dein Leben beenden.“

Ebenso wenig würde Alfred je das boshafte Funkeln in Herberts Augen vergessen, als er diesem die gleiche Frage gestellt hatte. „Du hast Vater dein Leben in die Hände gelegt. Und solange er Gefallen daran findet, wird er es nutzen, wie er möchte.“ Herberts Augen waren so kalt gewesen. „Also solltest du darauf achten, so interessant wie möglich zu bleiben.“

Das war der Tag, an dem er zum ersten Mal bereut hatte, sich geopfert zu haben.

Es wurde nicht besser. Tatsächlich dauerte es nur einige Tage, bis Alfred erneut der Gedanke kam, er hätte besser fliehen sollen, solange er es gekonnt hatte. Rückblickend konnte er nicht einmal sagen, was ihn dazu bewogen hatte, es zu tun. Sarah hatte es nicht gewollt – hatte ihn nicht gewollt. Wieso also hatte er geglaubt, sich über ihre Wünsche zu stellen, sei das Richtige?

Die Verzweiflung und Angst trieben ihn in den Wahnsinn, ganz langsam, ganz allmählich. Er begann, von Krolock zu provozieren, mit ihm zu streiten und mit sarkastischem Unterton auf Bemerkungen des Vampir zu antworten. Was er damit erreichen wollte, wusste er selbst nicht. Und er hörte stets auf, ehe er es zu weit trieb. 

Am Ende bettelte Alfred sogar, dass der Graf ihn doch endlich töten mochte. Was auch immer ihn nach dem Tod erwarten würde, es konnte nicht schlimmer sein, als dieses endlose Warten. Doch der Graf schnaubte nur, ließ sich nicht einmal dazu herab, von seinem Buch aufzusehen. „Dein Leben ist mein“, sagte er nur und blätterte um, „und ich werde es beenden, wenn ich es wünsche.“

Die wahre Grausamkeit jedoch, lag darin, dass Alfred keine andere Wahl hatte, als die Gesellschaft der Vampire zu suchen. Sie waren, neben Koukol, die einzigen Wesen im Schloss, mit denen er sich unterhalten konnte. Die einzigen Wesen, die verhinderten, dass er vor Einsamkeit den Verstand verlor. Und so sehr Alfred sie auch hassen mochte, so sehr er ihren Tod wünschte und so sehr er auch Angst vor ihnen hatte – noch viel mehr Angst hatte er, wenn er bemerkte, wie er mit erschreckender Selbstverständlichkeit mit sich selbst sprach.

Den Gedanken an Flucht hatte er am Anfang stets von sich geschoben. Würde er fliehen, würde der Graf gewiss Jagd auf Sarah machen... das konnte er nicht riskieren. Wofür sollte sein Leid denn gewesen sein, wenn nicht für ihre Sicherheit? Doch je mehr Zeit verstrich, umso mehr musste Alfred sich eingestehen, dass es ihn nicht mehr interessierte.

Oft fand er sich den ganzen Tag vor den Toren, welche, das wusste er, nicht einmal abgeschlossen waren. Mit hochgezogenen Schultern stand er dann da, einen Schritt von der Welt entfernt, der er entrissen worden war... der er sich selbst entrissen hatte. Manchmal, wenn er da stand, überkam ihn ein übermächtiges Gefühl von Verzweiflung, dass er daran zu ersticken drohte. Seine Handflächen schwitzen und sein Herz raste. Doch stets war er sich den aufmerksamen Blicken bewusst, die ihn beobachteten, seien es die des Grafen und seines Sohnes bei Nacht oder Koukols bei Tag.

Einige weitere Monate später, als sich die Angst mit Hoffnungslosigkeit gepaart hatte, wagte Alfred es, den Grafen um Auflösung ihres Abkommens zu bitten. „Lasst mich gehen“, bettelte er, in Tränen aufgelöst. Doch der Vampir schnaubte nur. „Alfred, hindere ich dich daran, das Schloss zu verlassen? Nicht doch, lieber Junge. Geh, wenn du gehen willst. Es obliegt deiner Entscheidung, ob du mit den Konsequenzen leben kannst oder nicht. Ich werde keine Fluchtversuche deinerseits dulden – aber das versteht sich natürlich von selbst.“

Mit diesen Worten, dieser Warnung, hatte er Alfred stehen lassen. Und Alfred hatte weiter vor dem Tor gestanden, war weiter auf und ab gerannt, wie ein Tiger im Käfig und hatte sich mehr denn je wie ein Gefangener gefühlt, dessen Zellenschlüssel nur Zentimeter außerhalb seiner Reichweite lagen.

Eines Nachts – Alfred hatte bereits jegliches Zeitgefühl verloren. Wie lange war er schon im Schloss? Monate? Jahre? – als jeglicher Heldenmut und jegliche Ehrlichkeit in ihm schon lange gestorben waren, kam es, dass er wieder vor dem Tor stand. Die Sonne stand schon im Westen, würde bald untergehen. In kurzer Zeit würden der Graf und sein Sohn aus ihren Särgen steigen und er würde wieder der Angst ausgesetzt sein, die ihn schon so lange jede Nacht aufs Neue quälte.

Alfreds Blick war starr auf die Tür gerichtet. Nur dieses hölzerne Tor lag zwischen ihm und der Freiheit, nur ein Schritt zwischen den stickigen Schlossmauern und dem Wind der Karparten. Und noch während er an jene Worte von Krolocks dachte, die ihn an die Konsequenzen eines Fluchtversuches erinnerten, während er an Sarah dachte, deren Leben von seinem Gehorsam abhing, stemmte er sich gegen die Torflügel und drückte sie auf.

Als er den ersten Schritt getan hatte, hielt er inne, die Schultern hochgezogen und die Augen geschlossen. Beinah rechnete er damit, dass ihn augenblicklich kalte, tote Hände packen würden, dass teuflisch rote Augen und gebleckte Reißzähne das Letzte sein würden, das er sah. Doch nichts geschah. Nur das Zirpen der Grillen brach die Stille, sodass Alfred es langsam wagte, sich umzudrehen.

Nichts. Die Eingangshalle war leer. Kein Vampir. Kein Graf, der ihn aufhalten oder töten wollte.
Der zweite Schritt fiel ihm leichter. Den dritten setzte er beinahe beschwingt. Beim vierten beschleunigte er seine Schritte.

Und beim achten rannte er.

Es fühlte sich unglaublich an, wie ihm der Wind übers Gesicht und durch die Haare strich und an seinen Kleidern zerrte. Alfred war schon oft mit dem Professor bei Wind und Wetter unterwegs gewesen, doch noch nie hatte sich die kühle Luft so gut angefühlt. Noch nie hatte er sich so frei gefühlt!

Während er rannte, achtete er nicht darauf, welchen Weg er einschlug. Sein anfänglicher Plan, sich zum Dorf durchzuschlagen und sich dann in Richtung Heimat aufzumachen, war dahin – er wollte nur noch eines; so viel Abstand wie möglich zwischen sich und das Schloss bringen. 

Er rannte weiter, immer weiter und erst als er kaum noch Luft bekam und sein Herz ihm bis zum Hals schlug, hielt er inne und blieb keuchend stehen, die Hände auf die Knie gestützt und seine Umgebung in Augenschein nehmend.

Er hatte den Waldrand erreicht. Zwar wusste er nicht, in welche Richtung er unterwegs war, doch es interessierte ihn nicht. Alles was zählte, war, dass die dunklen Kiefern hinter ihm lagen und das Schloss mit ihnen.

Vor ihm erstreckte sich eine weite, leicht hügelige Fläche. Der Boden war bunt bewachsen mit einer Mischung aus Gräsern, Kräutern und Blumen, welche sich im Wind wiegten. Trotz der Hügel hatte Alfred das Gefühl meilenweit sehen zu können. In einiger Entfernung sah er einen Fluss, der sich durch die Landschaft schlängelte, am Horizont ragte eine Bergkette empor, hinter der er sich bereits in Gedanken Königsberg ausmalte.

Er blieb noch einen Moment lang in gebeugter Haltung stehen und schöpfte Atem, dann richtete er sich auf.

Die ersten Schritte aus dem Wald heraus waren vorsichtig und langsam, dann jedoch überkam ihn ein unglaubliches Gefühl der Erleichterung. Es war, als sei ein Gewicht von seinen Schultern gefallen und als er das Mondlicht auf sich spürte, war es, als sei es helllichter Tag. Er blieb erneut stehen, die Weite der Felder genießend und die frische Luft einatmend. Es kam ihm vor, als seien es seine ersten Atemzüge seit Monaten.

Doch dann hörte er die vertraute Stimme hinter sich.

„Halt.“

Sein Herz setzte einen Moment lang aus, er erstarrte und ein Schauer rann über seinen Rücken. Jedes Gefühl der Leichtigkeit, das ihn zuvor noch beflügelt hatte, war dahin. Atmen fiel ihm mit einem Schlag wieder schwerer.

Er schluckte, dann drehte er sich langsam um. 

Auf dem Gesicht des Grafen lag ein so kalter, teuflischer Ausdruck, dass Alfred vom bloßen Anblick das Blut in den Adern gefror. Der Vampir hatte auf ihn schon immer wie eine Figur aus seinen Albträumen gewirkt – nun jedoch stand er dem Teufel persönlich gegenüber.

Von Krolocks hochgewachsene Gestalt war stolz und absolut regungslos. Er hätte ebenso gut eine Statue sein können; doch auf Alfred wirkte er wie eine Schlange kurz vor dem Zustoßen. Der junge Mann keuchte verzweifelt und wich einen Schritt zurück.

„Halt. Keinen Schritt weiter, Alfred“, wiederholte der Graf in eisigem Tonfall. Sofort erstarrte Alfred wieder. Er wollte etwas sagen, doch kein Ton kam über seine Lippen. In seinem Kopf spielten sich tausend Szenarien ab, wie diese Situation ausgehen konnte. Die schlimmsten schienen sich immer wieder zu wiederholen.

Der Graf könnte ihn bestrafen; er hatte sicherlich die Macht dazu. Alfred zweifelte keine Sekunde daran, dass von Krolock unendlich viele Möglichkeiten einfallen würden, ihn dafür büßen zu lassen, seine Anweisungen missachtet zu haben.

Auch konnte von Krolock ihn natürlich augenblicklich töten. Der Gedanke, die kalten Hände des Grafen zu fühlen, die Zähne, die sich in seinen Hals schlugen zu spüren, ehe sein Leben endete, ließ ihn zittern. Doch nur bis ihm ein noch schlimmerer Gedanke kam.

Der Graf könnte ihn zwingen, zurückzugehen.

Nichts – nicht die drohenden Strafen, nicht der drohende Tod – nichts schien ihm so erschreckend wie die Vorstellung wieder ins Schloss zurückgehen zu müssen, wieder zurück in die Einsamkeit zu sinken, in die Dunkelheit, die Kälte... und die stete Angst und die stete Erwartung seines Todes.

Nein. Um nichts in der Welt wollte er zurück. Er sah den Grafen an und schüttelte leicht den Kopf. „Bitte“, flüsterte er, „bitte. Lasst mich gehen. Ich... ich will nach Hause.“ Seine Stimme war schwach, doch er wusste, dass der Graf ihn hören konnte.

Der Graf reagierte nicht. Sein Gesicht zeigte keine Regung als er antwortete: „Nein. Dein Leben ist mein. Komm zurück.“

Alfred schluchzte. „Bitte... ich werde niemandem von Euch erzählen... bitte.“

„Du selbst schlugst die Abmachung vor. Ich akzeptierte sie. Dein Leben ist mein, bis ich entscheide, es zu beenden. Komm zurück.“

Doch Alfred rührte sich nicht, verweigerte zum ersten Mal dem Grafen einen Befehl. Er wusste, dass er sich selbst nur weiter in die Tiefe zog, doch er konnte dem Befehl des Grafen nicht nachkommen. Er konnte nicht zurück in sein Gefängnis.

Der Graf sah ihn unverwandt an, seine Augen sprachen Bände. „Sei kein Narr. Komm zurück und ich werde diese erbärmliche Szene vergessen. Machst du noch einen Schritt weiter, werde ich es als Fluchtversuch werten.“

Deutlicher hätte die Warnung nicht sein können. Ein weiterer Schritt wäre sein Tod. Jedoch gab der Graf ihm die Gelegenheit einer Strafe zu entgehen. Sollte er die Gelegenheit ergreifen?

Alfred war unentschlossen. Er sah den Grafen an, dann wandte er den Kopf in die entgegengesetzte Richtung, wo die Freiheit so verlockend vor ihm lag. Doch... er wusste, dass er nicht weit kommen würde. Selbst auf offener Fläche, selbst mit dem Tod im Nacken; selbst dann wäre er nicht schneller als ein Vampir.

Sollte das es gewesen sein? Die Wahl zwischen unendlicher Gefangenschaft, mit der ständigen Angst vor den Launen der Vampire und der Ungewissheit, wann der eigene Tod eintreten würde, und dem sofortigen, hoffentlich schnellen Tod durch den Grafen...?

Noch vor wenigen Wochen hätte er ohne zu zögern, den Befehl des Vampirs befolgt und sich gebeugt. Doch nun, nach Monaten, in denen er es nicht gewagt hatte, dem Grafen den Rücken zuzudrehen, in denen er in jeder Handlung und jedem Wort des Adeligen eine Todesdrohung gesehen hatte, wusste er es besser.

Er warf dem Grafen einen letzten Blick zu. Von Krolock hatte sich nicht gerührt, war nicht näher gekommen und hatte sich nicht entfernt. Nur sein wacher Blick verriet die Gefahr, die von ihm ausging.

Dann drehte Alfred sich um und rannte.

Drei Schritte weit kam er, dann, ehe er sich versah, blieb ihm die Luft weg und er lag rücklings auf dem Boden, der Graf über ihm. Trotz seines besseren Wissens, trotz der stillen Akzeptanz eines schnellen Todes war sein Überlebenswille noch nicht erloschen. Er schlug um sich und versuchte mit allen Mitteln, sich den Vampir vom Leib zu halten. Vergeblich, freilich.

Als er die Zähne des Grafen spürte, wie sie in sein Fleisch eindrangen und seine Kehle aufrissen, schrie er, bis ihm die Luft ausging. Seine Finger krallten sich in die Kleidung an den Schultern des Vampirs, wie die eines Ertrinkenden sich an das rettende Stück Treibholz klammern würden. Die unmenschlichen Kräfte des Vampirs drückten ihn zu Boden, mit jedem Tropfen Blut, den er verlor, verlor er auch an Kraft. Nach weniger als dreißig Sekunden schwand jedwedes Gefühl aus seinen Gliedern und er gab seine hoffnungslosen Versuche sich zu wehren auf.

Er fühlte sich schwer und träge, wie kurz vor dem Einschlafen. Er spürte den Körper des Grafen an seinem, wie er ihn nieder drückte, während der Vampir an der Wunde an Alfreds Hals saugte, sah die Sterne am Himmel über ihm. Er blinzelte, als sich die Sterne zu verdunkeln schienen, als lege sich ein schwarzer Schleier über die Welt. 

Es war ein seltsames Gefühl, das Sterben. 

Aber als es schlussendlich dunkel um ihn wurde, dachte er, der Angst zum Trotz, dass es wohl Schlimmeres gab...

Autorennotiz:
Ein trauriger Oneshot zu einem meiner liebsten Musicals. Was gibt es mehr zu sagen?