Familienbande

Kurzbeschreibung:
Spoiler for Kapitel 23 der Hauptgeschichte

Autorennotiz:
Spoiler for Kapitel 23 der Hauptgeschichte

Am 23.6.2022 um 21:17 von Elenyafinwe auf StoryHub veröffentlicht

Der Regen prasselte auf das Dach des Hühnerstalls. Die Damen saßen auf ihren Stangen oder pickten am Boden und nahmen keine Notiz von dem Eierdieb, der sich unter sie geschlichen hatte. Die beiden Gänse sahen das anders, sie fauchten und sorgten sehr nachdrücklich dafür, dass sich Minato auch ja aus ihrer Ecke fernhielt. Er sah zu, dass er ihren Hühnern die Eier abnahm und dann von hier verschwand. Warum noch einmal hatte Tobirama unbedingt auch Gänse halten wollen? Hühner waren schon eigenwillig genug.

Er klemmte sich den Weidenkorb unter den Arm und huschte dann zurück zum Haus. Es regnete schon seit Stunden gleichmäßig und kräftig, ein guter Sommerregen, der die Erde durchtränkte und die Luft erfrischte.

Tobirama schien der Sinn nach frischer Luft zu stehen, denn er hatte sich auf den überdachten engawa gesetzt und arbeitete an einem seiner unzähligen Projekte. Er machte ein finsteres Gesicht, jedoch die Art von finster, die er immer trug, wenn er tief in Konzentration versunken war.

Minato gesellte sich zu ihm, stellte den Korb neben sich auf den engawa und lehnte sich dann an Tobirama. Dieser brummte missmutig und versuchte halbherzig, Minato von sich zu schieben. Minato meinte, ein »Du bist nass« herauszuhören. Nach sechs Jahren war er mittlerweile zu so etwas wie einem Experten geworden, wenn es darum ging, Tobiramas Gebrumme zu übersetzen.

Er ließ freilich nicht los und schielte über Tobiramas Schulter, woran dieser saß. »Was? Immer noch das alte Thema mit Kakashis Kamui?«

Tobirama gab wirklich nicht auf, in Kakashis Kamui-Dimension einzubrechen, um dessen Icha-Icha-Romane zu konfiszieren.

Tobirama schnaubte. »Ich muss doch wissen, wie seine Mangekyō-Fähigkeit funktioniert.«

  1. »Hmhm«, machte Minato mit einem ironischen Unterton. »Deswegen redest du auch immer nur von seinem Mangekyō und nicht Tsunades.«

»Sie nutzt es nie, also ist es auch nicht relevant.«

Minato schmunzelte und ließ es kommentarlos stehen. Stattdessen besah er sich Tobiramas Aufzeichnungen. »Hast du schon versucht, die Raumkomponente des Siegels an der Stelle hier zu stärken?«

Tobirama gab ihn einen langen Blick aus dem Augenwinkel. Minato hatte ihm nie gesagt, wie sehr er auf diesen Blick stand, weil Tobirama dann aufhören würde, ihn so anzusehen, einfach weil er dann wusste, dass dieser Blick nicht die gewünschte Wirkung hatte.

»Das ist mein Siegel, ich habe es erfunden«, betonte Tobirama schnippisch. »Natürlich habe ich das versucht. Kümmere dich lieber um deinen eigenen Kram. Legen die Hühner wieder besser?«

»Jap, die Damen haben sich von ihrem Schreck neulich erholt. Na gut, bei den Gänsen weiß ich es nicht, die mögen mich immer noch nicht.«

»Die mögen niemanden. Du musst einfach etwas beherzter vorgehen.«

»Ich will aber nicht meine Finger verlieren.«

»Kennst du dieses Kinderlied? Fuchs, du hast die Gans gestohlen. Du bist kein allzu cleverer Fuchs, wenn du den Gänsen nicht einmal ihre Eier stibitzen kannst.«

Minato verzog das Gesicht. »Manchmal ist ein Fuchs weiser als ein Wolf. Aber ernsthaft, warum musstest du unbedingt auch noch Gänse halten? Hühner sind schon eigenwillig genug.«

Tobirama hob eine Augenbraue. »Was soll an Hühnern eigenwillig sein? Wir hatten früher immer Hühner, ich bin so aufgewachsen. Und Gänse sind die besseren Wachhunde.«

Oh, das durfte Pakkun nicht hören, das gäbe wieder einen Eklat.

»Das ist so … altmodisch», stellte Minato fest.

»Wieso? Wenn du nicht willst, dass irgendwer auf deinem Grundstück herumlungert, schaff dir ein paar Gänse an und vielleicht noch einen besonders boshaften Hahn. Das hilft sogar gegen Shinobi.«

Minato lachte leise. »Offensichtlich.«

Eigentlich war es ja auch ganz schön für Naruto, mit Tieren aufzuwachsen. Der Junge liebte ihren Garten und alles, was es darin zu entdecken gab.

»Ich hatte überlegt, dass wir uns vielleicht noch ein paar Laufenten anschaffen könnten«, sinnierte Tobirama. »Die könnten die Schnecken vom Salatbeet fernhalten.«

Jetzt war es an Minato, Tobirama fragend anzusehen. »Laufenten?«

Er sollte keine Antwort erhalten.

»Pa! Paps!«

Minato sicherte hastig den Eierkorb, als er Naruto aus dem Haus stürmen hörte, und er tat gut daran, denn ansonsten hätte Naruto den Korb umgeworfen und sie hätten Rührei. Ohne Rücksicht auf Verluste warf sich Naruto auf Tobiramas Schoß und streckte ihm seine Hausaufgaben unter die Nase. Sollte Kakashi ihm nicht bei den Hausaufgaben helfen?

Ein langgezogenes Miaunzen, das sich rasch entfernte, verriet, dass Menma soeben fahnenflüchtig geworden war. Tobirama seufzte.

»Naruto-chan, wie oft habe ich dir gesagt, du sollst die Katze nicht raus lassen?«, grummelte er. »Die hat draußen nichts zu suchen.«

Er setzte Naruto neben sich und nutzte dann die Hiraishin-Markierung, die Minato schon vor langer Zeit in das Halsband ihrer Katze eingearbeitet hatte. Das machte es einfacher, sie wieder einzufangen, wenn sie wieder einmal flüchtete. Menma kam nicht weit. Sie maunzte Tobirama protestierend an und zappelte in seinem Griff. Tobirama drückte sie Minato in die Arme, was den gewünschten Effekt hatte. Sofort wurde sie ruhiger und schmiegte ihr kleines Köpfchen in Minatos Hand, um ihn dazu zu animieren, sie zu streicheln.

»Was gibt‘s, Sonnenschein?«, fragte er seinen Sohn.

Naruto kletterte wieder auf Tobirama. »Ich komm bei den Hausaufgaben nicht weiter und Kakashi-nii-san sagt, ich soll euch fragen. Hausaufgaben sind blöd. Pa, schaff die ab.«

Es war Narutos erstes Jahr an der Akademie und Hausaufgaben waren mit Abstand das, was er am meisten hasste. Minato musste ihm im Stillen zustimmen, auch wenn er das Naruto gegenüber nicht zugegeben konnte. Ansonsten würde Naruto noch viel stärker versuchen, ihn zu beschwatzen, Hausaufgaben gänzlich abzuschaffen.

»Das kann ich nicht einfach so machen, Sonnenschein«, erklärte er Naruto daher.

»Dooooch, kannst du!«, protestierte Naruto. »Du bist Hokage. Und wenn du‘s nicht machst, frag ich Paps, der ist auch Hokage.«

»Das heißt aber nicht, dass wir tun und lassen können, wie uns der Sinn danach steht«, erinnerte Minato ihn. »Aber wo hast du Probleme mit deinen Hausaufgaben? Vielleicht können wir helfen.«

»Wir haben heute in der Klasse über unsere Familien geredet und als Hausaufgaben sollen wir etwas darüber schreiben«, sagte Naruto. »Aber auf diesem blöden Zettel, den wir bekommen haben, ist nur Platz für einen Papa und bei Mama weiß ich auch nicht, ob ich Ma oder Ōkami-sobo-san nennen soll. Und kann ich Kakashi-nii-san wirklich meinen Bruder nennen? In der Klasse haben wir gelernt, dass ein Bruder dieselben Eltern hat wie man selbst, aber Paps ist doch Big Bros Opa und nicht sein Papa. Ich versteh das alles nicht.«

Oh je. Dass so ein vorgefertigtes Formular zum Ausfüllen für die Erstklässler bei ihrer etwas wild zusammengewürfelten Familie an die Grenzen kam, war abzusehen gewesen.

Kakashi war Naruto gefolgt und stand nun in der Tür. »Mein Vorschlag zur Lösung des Problems ist, diesen Wisch zu nehmen und dem Lehrer für sein heteronormatives Weltbild um die Ohren zu schlagen.«

Minato sah ihn mit hochgezogender Braue an. »Besagter Lehrer ist Iruka. Meinem letzten Wissensstand zufolge bist du mit ihm befreundet.«

»Gerade dann. Und hör auf, Leute so anzuschauen. Tobirama färbt ab, das kann nicht gut sein.«

»Hüte deine Zunge, Junge«, knurrte Tobirama.

»Erst, wenn du die Finger von meinem Kamui lässt, sofu«, konterte Kakashi gelassen.

Naruto hatte sich indes noch einmal die Tabelle angesehen, die die verschiedenen Verwandschaftsverhältnisse darstellte. Sein Gesicht hellte sich auf, als er anscheinend eine Idee hatte. »Kakashi-nii-san! Du bist gar nicht mein Big Bro, sondern mein Neffe.«

Minato sah seinen Sohn fragend an. Er konnte diesem Gedankengang nicht ganz folgen. »Wie kommst du darauf?«

»Na, ist doch ganz klar!«, verkündete Naruto. »Weil Big Bro ja Paps Enkel ist und nicht sein Sohn!«

»Oh nein!«, unterbrach Kakashi ihn. »Schlag dir das gleich wieder aus dem Kopf, kleiner Quälgeist.«

»Nö!« Naruto streckte ihm die Zunge raus. »Ich bin jetzt dein Onkel, Big Bro!«

Tobirama wandte sich an Minato. »Ich möchte betonen, dass ich nicht verantwortlich dafür bin, dass so etwas Engstirniges heutzutage an der Akademie gelehrt wird.« Er deutete auf den Zettel, den Naruto noch immer hielt.

Minato verstand. »Ich werde mit der Direktorin sprechen, dass ein paar Anpassungen am Lehrplan vorgenommen werden.«

Kakashi hatte sich indes neben sie gesetzt und sich von Naruto den Zettel geschnappt. »Wenn du mein Onkel sein willst, kannst du mich aber nicht Big Bro nennen. Und außerdem vergisst du da was. Du weißt doch, dass deine Oma Tsunade ist und deren Oma war Mito, Tobiramas Schwägerin, weil sie seinen Bruder geheiratet hat. Das macht mich zu deinem Großonkel vierten Grades. So ist es richtig. Siehst du, hier.«

Er deutete auf die entsprechende Stelle im schematischen Stammbaum.

Naruto machte ein verwirrtes Gesicht und besah sich die Tabelle. Er kratzte sich am Kopf. »Ich find‘s cooler, wenn ich dein Onkel bin.«

»Oh!« Minato hatte eine Erkenntnis. »Das heißt auch, dass du mein Onkel bist, Kakashi. So habe ich das noch nie betrachtet.«

Kakashi starrte ihn mit ausdruckslosem Gesicht an. »Diese verworrene Familiengeschichte ist ein Fluch.«

»Aber was schreib ich jetzt für meine Hausaufgaben?«, protestierte Naruto.

»Pass auf, Sonnenschein«, schlug Minato ihm vor. »Du streichst das hier alles durch und sagst, dass du zwei Papas und zwei Mamas hast und eine davon ist eine Wölfin. Und wenn dein Lehrer etwas einzuwenden hat, dann sag ihm, dass ich dir das so gesagt hab.«

»Geht klar!« Naruto strahlte und fing eifrig an zu schreiben.

Minato lächelte und lehnte sich gegen Tobirama. Er war dankbar für seine kleine Familie.