******************** Veränderung von Elenyafinwe ******************** ++++++++++++++++++++ Kurzbeschreibung ++++++++++++++++++++ Seit Jahren schon versucht Celebrían, ihren Platz in der Gesellschaft zu finden, aber irgendwie will keine der Schubladen so wirklich für sie passen. Doch zum Glück muss sie sich dem nicht allein stellen. [Celebrían/Elrond/Gil-galad] ++++++++++++++++++++ Autorennotiz ++++++++++++++++++++ Geschrieben für den Tolkien Reverse Summer Bang 2021 (tolkienrsb.tumblr.com) in Zusammenarbeit mit Sylanna. Danke dafür, dass du das Vertrauen in mich setztest, mich an einem für mich neuen Pairing zu probieren! Celebrían seufzte und rieb sich die Augen. Ihr schwirrte der Kopf. Seit Stunden schon starrte sie die Seiten der Folianten an und entwickelte allmählich einen immer größer werdenden Hass auf die Schreiber. Nicht nur hatte so manch einer von ihnen eine unmögliche Handschrift, die nur schwer zu entziffern war, auch schien es zu ihrem Berufsethos zu gehören, ihre Sätze möglichst verschachtelt zu schreiben. »Hass«, murmelte sie in die Stille der Bibliothek hinein. »Ja, definitiv Hass. Ich hasse Juristen.« Da. Es war ausgesprochen. Juristen waren die schlimmsten. Vielleicht hätten sie diesen Schlag Elben gegen Morgoth ins Feld führen sollen, dann hätten sie viel früher gewonnen. Die Luft in der Bibliothek stand. Man konnte sie beinahe mit einem Messer schneiden. Die hohen Fenster ließen sich nur in ihren obersten Bereichen anklappen, sodass kaum Luft zirkulieren konnte, um keinen unerwünschten Luftzug zu erzeugen. Das hatte jedoch auch zum Effekt, dass Celebrían sich hier drinnen wie in einem Backofen fühlte. Verzweifelt wedelte sie sich mit einem Notizzettel Luft zu, erreichte jedoch nur, dass sie stickige Luft mit ebenso stickiger Luft verquirrlte. »Herrin.« Sie sah von ihrer Arbeit auf und erblickte Laerwen. Ihre Zofe hielt ein Tablett mit einem kristallenen Krug und einem Becher in der Hand. Hastig räumte Celebrían die Bücher und ihre Notizen zur Seite. »Wie hast du das an Pengolodh vorbeischmuggeln können?«, wollte sie leise wissen. Laerwen stellte das Tablett ab. »Sondererlass des Königs aufgrund der Hitze.« Sie schenkte Celebrían Wasser in den Becher ein. In dem Krug schwammen eine Zitronenscheibe und einige Minzblätter zur zusätzlichen Erfrischung. Dankbar nahm Celebrían das Getränk entgegen und leerte es in einem Zug. Sie schenkte sich nach. Ihr war gar nicht bewusst gewesen, wie trocken ihr Mund sich angefühlt hatte. »Und du?«, fragte sie ihre Zofe. »Hast du heute schon genug getrunken?« »Ja, natürlich, Herrin«, versicherte Laerwen. »Ich achte auf mich, Ihr müsst Euch nicht sorgen. Aber Herrin, vielleicht solltet Ihr eine Pause einlegen. Ihr sitzt seit den Morgenstunden an diesen Büchern.« Celebrían lehnte sich zurück und richtete den Blick zur Decke. Ihre Augen dankten es ihr, endlich wieder in die Ferne schauen zu können. »Wochenlang arbeite ich jetzt schon daran und komme einfach nicht voran. Das fuchst mich.« Laerwen legte ihr eine Hand auf die Schulter. Dann drückte sie den Daumen in eine ganz bestimmte Stelle in Celebríans Nacken. Ein scharfer Schmerz fuhr durch ihre Muskeln. »Au!« »Ihr seid ganz verspannt, Herrin. Ihr braucht wirklich eine Pause«, schollt Laerwen sie. »Aber dann werde ich nie fertig!« Einige andere Bibliotheksbesucher warfen ihr pikierte Blicke zu. Celebrían zuckte zusammen und senkte entschuldigend den Blick. »Mit Gewalt werdet Ihr es erst recht nicht schaffen«, hielt Laerwen dagegen. »Soll ich erst zu König Gil-galad gehen, damit er persönlich Euch eine Pause verordnet?« Celebrían wollte erst protestieren und seufzte dann doch schicksalsergeben. »Du hat ja recht.« »Ihr könntet im Park spazieren gehen«, schlug Laerwen vor. »Heute ist ein schöner Tag und im Schatten sind die Temperaturen erträglich. Oder«, fügte sie mit einem verschmitzten Lächeln an, »wir gehen an Eurem See baden.« Celebrían musste schmunzeln. »Aha, daher weht also der Wind. Na dann los! Hilf mir, hier zusammenzuräumen.« Gemeinsam hatten sie schnell alles wieder aufgeräumt. Celebrían ordnete ihre Notizen und Laerwen sortierte die geliehenen Bücher wieder an ihre Plätze in den Regalen. Danach begaben sie sich auf Celebríans Gemächer, um sich rasch umzukleiden und ihre Sachen zu packen. Laerwen huschte mit einem Flechtkorb in die Küche und kam kurz darauf mit dem Korb gefüllt voller Happen wieder. Dann waren sie auch schon unterwegs. Ein kleines Stück außerhalb Forlonds in einem Waldstück lag recht verborgen aber doch noch gut zu erreichen ein kleiner See, den Celebrían gern besuchte. Hierher kamen nicht allzu viele Stadtbewohner, obwohl er nicht unbedingt ein Geheimnis war. Das hieß also, dass die Chancen gut standen, dass sie den See für sich hatte, obgleich an diesem Tag wirklich perfektes Badewetter herrschte. Die meisten gingen lieber im Meer baden, was wiederum nicht Celebríans Fall war. Das Salzwasser tat ihrem Haar nicht gut. Mit dem Picknickkorb und den Decken unter den Armen machten sie sich auf den Weg zum Badesee. Celebrían versuchte, ihre Gedanken weg von ihren Notizen zu lenken und sich zu entspannen. Jetzt war Pausenzeit. Wie sie gehofft hatte, waren nur eine Handvoll weiterer Elben hier, die sich rings um den See verteilten und für sich blieben. Celebrían und Laerwen suchten sich ein Fleckchen für sich und breiteten die Decken aus. Dann half Laerwen ihrer Herrin, ihre Haare hochzubinden. »Na los, jetzt ist Badezeit!«, sagte Celebrían. »Soll ich dir auch mit deinen Haaren helfen, Liebes?« Laerwen verneinte und nur mit ihren Unterkleidern bekleidet gingen sie ins Wasser. Wie immer zierte sich Laerwen und hielt zunächst nur die Füße ins Wasser. Bis zu den Waden ging sie in den See und schlang dann die Arme um sich. »Brr, ist das kalt!«, rief sie aus. Celebrían war bereits bis zur Hüfte im Wasser und spritzte sich das kühle Nass auf die Arme. »Ach, tut das gut. Komm schon, trau dich! Wenn du erst einmal drin bist, geht es.« »Ja, aber der Weg bis dahin!« Neckend spritzte Celebrían etwas Wasser in Richtung Laerwens. Diese stieß einen spitzen Schrei aus, obwohl sie kaum etwas abbekommen haben konnte; Celebrían war umsichtig gewesen. Mit vernehmlichem Prusten ließ sich Celebrían gänzlich in das Wasser sinken und drehte sich auf den Rücken. Sie paddelte mit den Armen und schlug etwas mit den Beinen, um sich ein Stück weit hinaus auf den See treiben zu lassen. Laerwen wagte einige weitere Schritte in das Wasser hinein. Celebrían drehte derweil einige Runden im Wasser und genoss die Abkühlung. Laerwen zierte sich noch etwas länger, doch schließlich hatte sie es auch geschafft und schwamm zu ihrer Herrin. Sie bibberte vernehmlich. »Geht doch«, kommentierte Celebrían schmunzelnd. »Oder ist es dir doch zu kalt?« »Nein, Herrin, das geht schon«, erwiderte Laerwen. »Wie Ihr sagtet, wenn man erst einmal im Wasser ist, geht es und mit Bewegung ist es noch angenehmer. Die Hitze ist wirklich nicht anders zu ertragen.« Gemeinsam schwammen sie ein Stück und an einem gewissen Punkt tauchte Laerwen auch ab. Celebrían wartete lieber bis zum Abend, um sich die Haare zu waschen. Als sie sich genug abgekühlt hatten, gingen sie wieder an Land und wickelten sich in weiche Handtücher. Dann packte Laerwen das Essen aus, das sie in dem Korb mitgebracht hatte. Sie hatte sich aus der Küche verschiedenes Obst und einige Küchlein und Kekse mitgeben lassen, sie sie nun gemeinsam knabberten. Außerdem entkorkte sie eine Weinkaraffe. Gemeinsam stießen sie an. »Auf uns«, sagte Celebrían. »Auf uns«, stimmte Laerwen zu. Celebrían genoss den gekühlten Wein, süß, wie sie ihn mochte. Elrond bevorzugte bitterere Note, wie sie wusste. Elrond. Der Gedanke an ihn ließ sie aufseufzen. Er war nun schon seit gut zwei Monaten auf Besuch in Númenor und sie vermisste ihn schrecklich. Sie hoffte, dass er bald wiederkehren würde, aber gleichzeitig würde sie ihm am liebsten das Ergebnis ihrer Recherche präsentieren können, wenn er wiederkehrte. Das wäre eine Überraschung! Leider war sie derzeit noch weit davon entfernt, ein Ergebnis vorweisen zu können. Als ihre Haare etwas getrocknet waren, begann Laerwen, Celebríans Haare zu bürsten und neu zu flechten. Dabei erzählte sie begeistert von dem neuesten Roman, den sie gelesen hatte; sie hatte eine Schwäche für Abenteuergeschichten. »Ich sollte dir mehr Freizeit geben, damit du mehr lesen kannst«, stellte Celebrían fest. »Aber nicht doch, Herrin!«, rief Laerwen aus. »Ihr braucht mich und ich habe mehr als genug Zeit zum Lesen. Das ist schon in Ordnung.« Celebrían lächelte sie an. »Aber nicht, dass du dir andauernd die Nächte um die Ohren schlägst mit Lesen statt zu schlafen.« Laerwen schob die Unterlippe vor. »Da habe ich einmal gemacht. Na gut, vielleicht zweimal. Aber es war wirklich ein sehr gutes Buch!« Celebrían kicherte. »Ich weiß, ich habe es auch gelesen.« Als Laerwen mit ihren Haaren fertig war, erwiderte Celebrían den Gefallen. Laerwen hatte wie viele Sindar rehbraunes Haar, das im Kontrast zu Celebríans silbernen Strähnen stand, die sie von ihren Eltern geerbt hatte. Celebrían mochte den Ton von Laerwens Haaren und flocht andächtig eine Reihe von Zöpfen hinein, wie es derzeit Mode unter den Damen am Hof war. Die Zöpfe wandten sich wie eine Krone um Laerwens Kopf, und Celebrían flocht zusätzlich einige Gänseblümchchen hinein, die um sie herum auf der Wiese wuchsen. »Jetzt strahlst du!«, stellte sie fest, als sie fertig war. Sie hielt Laerwen einen kleinen Handspiegel hin, in dem sie sich selbst betrachten konnte. Laerwen gab einen entzückten Laut von sich. »Oh, vielen Dank! Ganz im Sinne der neuesten Mode. Jüngst sah ich die Königinmutter ihre Haare in dieser Art tragen.« Was auch immer Elloth tat, man konnte die Tage zählen, bis der ganze Hof es übernahm. Die ganzen feinen Fräulein des Hofes waren nichts weiter als ein Haufen kichernder Frauen, die wie eine Horde aufgeschreckter Hühner durch die Gegend rannten. In all den Jahren, wo sie nun schon mit ihren Eltern am Hof des Königs lebte, hatte sie nie wirklich Anschluss an die anderen Damen des Hofes gefunden, auch wenn sie wusste, dass Laerwen für all den Klatsch und Tratsch lebte und sich liebend gern das Maul zerriss. Der Gedanke an ihre Eltern ließ sie sich jedoch an noch etwas erinnern. »Oh je, Laerwen! Mutter wollte doch, dass ich heute zum Tee bei ihr vorbei komme. Und jetzt sitzen wir hier und schlagen uns die Bäuche voll.« Laerwen fiel vor Schreck beinahe aus allen Wolken. »Das habe ich ja total vergessen. Unverzeihlich! Herrin, es tut mir so leid!« Celebrían ergriff ihre Hände. »Das macht doch nichts. Nur … Allein wenn ich nur daran denke, gleich noch mehr Kuchen mit Mutter und Vater zu essen, dann platze ich!« Sie blies die Backen auf. Laerwen kicherte. »Hin und wieder darf man sich auch etwas gönnen. Kommt, Herrin. Ich helfe Euch, alles zusammenzupacken.« Schnell war wieder alles verstaut und die beiden Frauen angemessen gekleidet. Bis sie wieder in der Stadt waren, hielten sie jedoch ihre Schuhe in den Händen und liefen barfuß. Erst als sie über die erhitzten Steinstraßen laufen mussten, zogen sie ihre Schuhe wieder an. Wie sich herausstellte, erwartete Galadriel ihre Tochter bereits in den königlichen Palastgärten. Laerwen huschte, um fix den Korb und die Decken zu verstauen, und begleitete ihre Herrin dann in den Garten. Galadriel und Celeborn erwarteten Celebrían in einem kleinen Pavillon nahe eines Teiches. Ein kleiner Brunnen plätscherte auf dem Wasser und Goldfische schwammen darum herum. Sie nippten an den Seerosenblättern und eine besonders große Seerose streckte ihre zartrosa Blütenblätter der Sonne entgegen. Der Duft von Minze lag in der Luft, die in kleinen Büschen um den Pavillon wuchs. Diener hatten bereist für Speis und Trank gesorgt, es fehlte in der Tat nur noch Celebrían. »Da bist du ja, mein Sternenschein!«, begrüßte Celeborn sie. »Du warst baden, nicht wahr?« Celebrían nickte. »Ja, gemeinsam mit Laerwen. Diese Hitze dieser Tage …« Galadriel winkte sie zu sich. »Na komm, setz dich. Ich habe dir Zitronenkuchen bringen lassen, den du so magst.« Celebríans Augen leuchteten auf und bereute es beinahe, sich vorher den Bauch bereits mit so vielen Keksen vollgeschlagen zu haben. Da blieb jetzt weniger Platz für den Kuchen. Dennoch nahm sie sich ein großes Stück. »War es schön am See?«, wollte Celeborn wissen. Celebrían spießte den Kuchen mit ihrer Gabel auf, während sie nickte. »Da sind immer nur wenige Leute, also haben wir unsere Ruhe. Und es war wirklich erfrischend. Nicht wahr, Laerwen?« Laerwen nickte eifrig. Sie stand im Hintergrund bereit, falls ihre Herrin sie benötigte. »Beneidenswert«, stellte Celeborn fest. »Die Hitze hält nun schon lang genug an, dass selbst die innersten Ratskammern stickig und warm sind. Sindar sind nicht gemacht für steinerne Paläste.« Sie verkniff sich eine Bemerkung in Bezug auf Menegroth. »Elrond kommt heute wieder«, bemerkte Galadriel und schmunzelte, als sie sah, wie Celebrían sofort zu strahlen begann. »Oh, wirklich, wie wundervoll! Woher weißt du das?« Als Antwort tippte sich Galadriel nur gegen die Stirn. »Ich dachte mir, dass dir diese Nachricht gefallen wird.« »Er macht dir den Hof«, sagte Celeborn. »Ich denke, dass er vielleicht eine ganz passable Wahl sein könnte.« »Eine ganz passable Wahl nur, sagst du?« Galadriel warf ihm einen gespielt strengen Blick zu. »Du wirst kaum eine edlere Person im ganzen Reich finden. Mit dem König als einzige Ausnahme.« »Nun, ich sage nur, dass Elrond trotz seiner sindarischen Wurzeln mehr von den Noldor hat als so manch ein anderer Noldo.« »Sagt der, der selbst eine Noldo heiratete«, warf Celebrían scherzend ein. »Und außerdem hat er eine ganze Zeit lang bei diesen Feanorern gelebt«, brachte Celeborn sein liebstes Argument an. »Und der König hat ihn zum Fürsten von Amon Ereb ernannt und der König Númenors ist sein Bruder«, hielt Celebrían energisch dagegen. Sie hatte das Bedürfnis, Elrond zu verteidigen, da sie wusste, wie sehr es ihm zu schaffen machte, dass ihm seine Wahlfamilie immer noch vorgehalten wurde. Aus diesem Grund erwähnte sie auch nicht seine leiblichen Eltern. Zu Familie gehörte mehr als nur Blut. Celeborn musterte sie. »Nun, ich sehe ja, wie seine Avancen dir zusagen. Ich sage ja nur. Ich will meine Tochter lediglich gut verheiratet wissen.« »Oh, komm mir nicht wieder mit Thranduil!«, begehrte Celebrían auf. »Ich kann ihn nicht leiden.« »Ich weiß, ich weiß«, schwächte Celeborn an. »Du weißt doch, ich will nur das beste für meinen Sternenschein.« »Und dein Sternenschein ist definitiv alt genug, um selbst darüber zu entscheiden, was sie für das beste hält«, kam Galadriel ihrer Tochter zur Hilfe. »Von Feanors Söhnen war Maglor noch der Umgänglichste und ganz offensichtlich hat er Elrond und Elros zu vernünftigen jungen Männern erzogen, ansonsten hätte Gil-galad sie nie an seinen Hof gelassen.« Celebrían fragte sich, wie Galad das nur tagein tagaus aushalten konnte, wenn schon ihre Eltern im Privaten immer wieder diese Diskussion führten. Ganz zu schweigen von Elrond! Und anders als ihre beiden Liebsten oder ihre Eltern war sie selbst nicht direkt in die Politik des Landes involviert. Das würde sich ändern, würde sie ihre Beziehung zu Elrond oder Galad öffentlich machen … Die Dinge waren kompliziert, gelinde gesagt. Und hinzu kam, dass es für eine Frau ihres Standes wohl nur um Heirat zu gehen hatte. Es gab nichts anderes. Heirat und welche Frisur und welchen Schnitt ihres Kleides die Königinmutter an diesem Tag für sich gewählt hatte. Zugegebenermaßen verstand Celebrían nicht, wieso die Gesellschaft den Elben rein aufgrund körperlicher Eigenschaften ganz bestimmte, starr festgelegte Rollen zuschrieb. Sie war eine Frau, oder so sagte man jedenfalls, und daher gehörte es sich für sie, auf eine ganz bestimmte Weise auf einem Pferd zu sitzen und bloß niemals eine Waffe anzurühren. Dabei liebte sie es, Elrond und Galad bei ihren Tänzen mit Schwert und Speer zu beobachten. Liebend gern würde sie sich ihnen anschließen. Vielleicht sollte sie auch einfach genau das machen und sich nie wieder um irgendwelchen überholten Gesellschaftsnormen scheren? Immerhin war dies genau das, was sie in den letzten Wochen in der Bibliothek gesucht hatte. Celeborn hob abwehrend die Hände. »Schon gut. Ihr habt gewonnen. Dann ist also Elrond der Hand unserer Tochter würdig.« »Und er wäre es auch, wäre er nur ein einfacher Hafenarbeiter, so lange Celebrían ihn nur liebt. Das tust du doch, Tochter, oder?« Galadriel wandte sich an sie. Celebrían druckste ein wenig herum. Konnte sie ihrer Mutter die ganze Wahrheit sagen? Ihr Vater hing definitiv noch zu sehr in alten Gesellschaftsnormen fest, als dass sie ihn damit konfrontieren konnte. »Na ja… Er ist schon ein ganz passabler Elb. Nun, Halbelb wohl eher. Und er ist nett … und intelligent. Und witzig ist er auch.« Galadriel lachte auf. »Ich nehme an, das ist ein ja.« Celebríans Wangen brannten vor Verlegenheit. Celeborn ergriff ihre Hand. »Tochter, wir müssen dir etwas sagen. Wir überlegen, ob wir weiter in den Osten ziehen.« Celebrían sah ihn erstaunt und fragend zugleich an. »Du bist alt genug, um selbst für dich zu entscheiden, was du willst«, fügte Galadriel an. »Wenn du also sagst, das du lieber hier bleiben willst, steht dir das natürlich frei.« »Viele der Sindar Lindons drängen darauf, sich von den Noldor zu lösen und Oropher in den Osten zu folgen«, fügte Celeborn an. »Nicht alle von ihnen wollen sich wie Oropher jedoch den Nandor Mittelerdes anschließen, sondern haben vielmehr mich als ihren Fürsten erwählt, und ich bin bestrebt, ihnen zu dienen.« »Du weißt, dass wir Noldor einst nach Mittelerde kamen, um unsere eigenen Reiche zu gründen und unsere eigenen Herren zu sein«, erinnerte Galadriel sie. »Viele meiner Brüder und Vettern hatten sich diesen Traum erfüllen können, doch ich ging nach Doriath und lernte von der Herrin Melian. Ich denke, jetzt ist es an der Zeit, in ihre Fußstapfen zu treten.« »Also wollt ihr mit den Sindar ausziehen und euer eigenes Reich aufbauen«, schloss Celebrían. »Wisst ihr schon, wohin ihr gehen wollt?« Galadriel verneinte. »Nein. Vielleicht wandern wir ja einfach eine Zeitlang durch Mittelerde und sehen, wohin uns der Wind treibt.« Celebrían schwieg. Sie wusste nicht so wirklich, was sie davon halten sollte. Galadriel ergriff ihre Hände. »Du musst das nicht jetzt sofort entscheiden. Du kannst tun und lassen, was immer du auch willst, und sei dir gewiss, dass ich jede deiner Entscheidungen begrüßen würde.« »Nun, natürlich würde ich mich freuen, wenn mein Sternenschein mit uns kommt«, fügte Celeborn etwas unbeholfen an. »Aber das ist natürlich deine Entscheidung.« Celebrían lächelte schmallippig. »Ach, ada.« Manchmal fehlte ihm wirklich das Feingewühl. Gil-galad wählte ebenjenen Augenblick für seinen Auftritt. Galadriel sah auf und erhob sich dann, als sie den König sah. Celeborn tat es ihr nach und beide neigten sie leicht das Haupt. Celebrían stand ebenfalls auf und machte einen artigen Knicks. Anders als ihre Eltern stand sie zumindest in der öffentlichen Wahrnehmung nicht beinahe auf Augenhöhe mit dem Hohen König. Sie hoffte, dass ihr Gesicht nichts von ihren Emotionen verriet. »Euer Majestät«, begrüßte Galadriel ihren unverhofften Gast. Gil-galad stand mit lässig hinter dem Rücken verschränkten Armen vor dem Pavillon. Wie so oft trug er eine grüne Robe, deren Ton gut mit seinem rabenschwarzen Haar harmonierte. Statt seiner kostbaren Krone trug er lediglich ein schlichtes Diadem. »Ich will gar nicht groß stören«, sagte er leichthin. »Ich möchte lediglich um die Erlaubnis bitten, Frau Celebrían für einen Moment entführen zu dürfen.« Mit einem Zwinkern fügte er an: »Ein gewisses Schiff legt gleich im Hafen an.« Nun gab sich Celebrían nicht mehr die Mühe, ihre Emotionen zurückzuhalten. Galadriel bemerkte es natürlich und schmunzelte. »Wer so artig fragt, dem kann ich seine Bitte nicht ausschlagen.« Auch Gil-galad lächelte und bot Celebrían seinen Arm an. »Darf ich bitten?« Celebrían zögerte natürlich nicht lang und hakte sich bei ihm unter. »Los, komm, Laerwen. Das heißt, dass du Ceomon auch bald wiedersiehst.« Laerwen wurde rot wie eine Tomate. Dennoch folgte sie ihrer Herrin und dem König, als sie den Garten verließen und sich zum Hafen begaben. An diesem Tag befand sich Gil-galad nur in Begleitung Magolmîrs, des jüngsten seiner turmacundor, einer der vier edlen Ritter, die dem König persönlich als Schildwache dienten. Sicher hatte er ihn gewählt, da sein jüngerer Bruder Rethtulu derweil in Númenor weilte, wohin er seinem Herrn Elros gefolgt war, und so Magolmîr aus erster Hand Neuigkeiten von seinem Bruder erhalten konnte. Wie immer war am Hafen viel Betrieb. Fischer fuhren ein und aus und brachten den Fang des Tages ein. Auch einige größere Schiffe lagen vor Anker, viel davon aus den Werften Círdans von Mithlond. Arbeiter an dem Docks eilten überall umher, verluden Waren oder arbeiteten an trockengelegten Schiffen. Gil-galad war bis auf Celebrían und ihre beiden Begleiter allein gekommen, dennoch erregte seine Anwesenheit bald schon große Aufregung. Der König war kein seltener Anblick in seiner eigenen Stadt, aber er war noch immer der König. Celebrían hingegen war es nicht gewohnt, dass sich so viele Blicke auf sie richteten, und unwillkürlich rückte sie ein wenig näher zu Galad auf. Unauffällig verschränkte er ihre Finger miteinander und lächelte ihr beruhigend zu. »Ignoriere sie einfach«, riet er ihr. Celebrían schnaubte. »Du hast leicht reden.« Er lachte leise in sich hinein. Indes hatte er sie zu einer der Molen geführt. Gerade lief eine besonders prachtvolle Galeere im Hafen ein, von deren Mast das Banner des Hohen Königs wehte, und hielt auf ebenjene Mole zu, an der sie standen. Dockarbeiter eilten herbei, um das Schiff zu vertäuen, als es sanft anlegte, und schon wurde der Laufsteg herabgelassen. Aufgeregt streckte sich Celebrían, um über all die Elben hinweg nach einer ganz bestimmten Person Ausschau zu halten. Galad konnte seine Aufregung besser verbergen, aber sicher konnte auch er es kaum noch erwarten. Und da, endlich, konnte sie Elrond ausmachen. Er sah verdächtig blass um die Nase aus und war sichtlich froh, endlich wieder festen Boden unter den Füßen zu haben; Celebrían wusste, dass er Schiffsreisen hasste. Sie winkte ihm, um ihn auf sie aufmerksam zu machen. Als er sie beide entdeckte, hellte sich sogleich seine Mine auf und er eilte auf sie zu. »Da bist du ja endlich wieder!«, rief Gil-galad und schloss Elrond recht unzeremoniell in die Arme. Er scherte sich selten um irgendwelche Protokolle oder höfische Etikette. Die Umarmung fiel einen Hauch länger und inniger aus, als es vielleicht angemessen war. »Die See hat mich wieder freigegeben, auch wenn ich zwischenzeitlich nicht mehr dran glaubte«, scherzte Elrond und wandte sich Celebrían zu. Er ergriff ihre Hand und hauchte einen Kuss darauf. »Aber für diesen Anblick würde ich jedes Opfer eingehen.« Sie kicherte und schlug gespielt nach ihm. »Du alter Charmeur!« Im Hintergrund mühte sich Ceomon mit dem Gepäck seines Herrn ab. Laerwen kam ihm zur Hilfe und warf ihm dabei einige nicht ganz so unauffällige Blicke zu. »Na, dann komm erst einmal an«, sagte Gil-galad. »Komm ein wenig zur Ruhe und nachher lade ich euch beide zum Essen bei mir ein. Dann kannst du uns alles erzählen, was es an Neuigkeiten aus Númenor gibt.« Elrond seufzte theatralisch. »Vor allem muss ich erst einmal meinen Magen beruhigen.« Im Hintergrund hatten Ceomon und Laerwen indes Elronds Gepäck zusammengetragen. Elrond sah zu ihnen und riss dann die Augen auf. »Nicht meine kostbare Harfe! Das gute Stück!« Er eilte zu ihnen und nahm ihnen das wertvolle Instrument ab. Celebrían wusste, dass es ein Geschenk Maglors gewesen war, das er seinen Ziehsöhnen einst gemacht hatte. Elros besaß das Gegenstück dazu. Beide Harfen waren von Maglor selbst geschnitzt worden und kostbare Kunstgegenstände. Die Feanorer mochten schon vor langer Zeit in Verruf geraten sein, aber ihre Kunst wurde von vielen noch immer geschätzt. Celebrían und Gil-galad begleiteten ihn zurück zum Palast und Celebrían versuchte ihn in ein Gespräch zu verwickeln, aber Elrond war noch zu mitgenommen von seiner Schiffsreise, als dass er sonderlich gesprächig war. Also ließ Celebrían ihn in Frieden und verabschiedete sich, um wieder in die Bibliothek zu gehen. Bis zum Abend wollte sie noch etwas geschafft haben. Bald danach stieß Laerwen wieder zu ihr. Sie wirkte etwas abgekämpft, und ordnete gerade einige widerspenstige Haarsträhnen in ihren Zopf, die sich gelöst hatten, als sie sich mit einem schweren Seufzer auf einen Stuhl neben Celebrían setzte. »Schon zurück?«, neckte Celebrían. »Ich dachte, du würdest noch etwas mehr Zeit mit Ceomon verbringen.« Laerwen wurde schon wieder rot. »Ich habe meine Pflichten zu erfüllen und er seine«, erwiderte sie trotzig. Celebrían faltete die Hände und beugte sich mit einem wissenden Lächeln vor. »Aber du freust dich doch sicher auf heute Abend, nicht wahr?« »Herrin, Ihr seid gemein. Hört auf, mich so aufzuziehen.« »Soll ich dir vielleicht ein bisschen helfen mit Ceomon und ihn in die richtige Richtung stupsen?« Laerwen wurde noch röter. »Ihr wärt wirklich süß zusammen«, fügte Celebrían an. Laerwen vergrub verlegen ihr Gesicht in ihren Händen und sagte nichts mehr. Celebrían ließ sie in Ruhe und widmete sich stattdessen wieder ihrer Arbeit. Gil-galad hatte sie immerhin erst zum Abend geladen. Sie merkte jedoch rasch, dass sie sich kaum auf die Texte vor ihrer Nase konzentrieren konnte und ihre Gedanken immer wieder zu ihren Liebsten abdrifteten. Endlich waren sie wieder alle drei vereint, und auch wenn sie Elrond seine Zeit mit seiner Familie gönnte, war sie doch froh, ihn wieder sehen zu können. Vielleicht wäre sie ja eines Tages auch offiziell Teil dieser Familie und ganz vielleicht durfte sie auch Galad dazu zählen. Doch dafür musste sie sich jetzt konzentrieren, maßregelte sie sich und riss sich von ihren Tagträumen los. Sonderlich weit kam sie dennoch nicht und träumte doch mehr, als dass sie arbeitete. Irgendwann gab sie es daher auf, ihre Konzentration ließ nach dem langen Tag und der immer noch anhaltenden Hitze ohnehin zu wünschen übrig. Schließlich wurde es dann auch Zeit zu gehen. Für den Abend wählte sie sich ein leichtes Kleid, mit langen, luftigen Ärmeln, um die Insekten abzuhalten, die derzeit allabendlich über die Bewohner der Stadt herfielen. Dann hielt sie kaum noch etwas. Gil-galad erwartete sie bereits, und alsbald stieß auch Elrond zu ihnen. Diener hatten ihnen bereits auf Gil-galads Balkon ein üppiges Abendmahl hergerichtet. Amüsiert stellte Celebrían fest, dass ihr Kleid die perfekte Mischung zwischen Elronds und Gil-galads Gewändern darstellte, denn der Stoff ihres Kleides stand genau zwischen Gil-galads grüner Robe und Elronds dunkelblauer. »Also, erzähl«, begann Gil-galad und ergriff Elronds Hand. »Wie war es in Númenor?« »Nun lass mich doch erst einmal essen«, entgegnete Elrond, der bereits hungrig auf das Essen geschielt hatte. Er behielt dennoch seine Hand, wo sie war. »Aber ich platze bald vor Neugierde! Ist Vardamir immer noch so niedlich?« »Der ist ein Teufelsbraten!«, stellte Elrond klar. Celebrían kicherte. »Ich dachte, er sei dein Lieblingsneffe?« Elrond stöhnte auf. »Er ist so anstrengend! Ich bin froh, wenn ich ihn am Ende des Tages zu seinen Eltern abschieben kann. Elros ist sich augenscheinlich zu fein, ihm die Harfe zu lehren, weil er das ja wunderbar auf mich abwälzen kann, und das heißt, tagein, tagaus immer dieselben Lieder zu spielen.« »Eigentlich sollte ich pikiert sein, dass wir hier nur so selten in den Genuss deiner Musik kommen. Immerhin ernannte ich dich zu meinem Hofmusiker!« »Galad!« Celebrían ergriff Elronds andere Hand und sah ihn mit dem besten Unschuldsblick an, den sie aufbringen konnte. »Ich würde es mir so wünschen! Lasst uns in den Wald gehen, und du spielst die Harfe und ich tanze für euch.« Elrond seufzte, doch sein Blick wurde weich. Dann drückte er erst einen Kuss auf Galads Hand und dann auf ihre. »Die Tage findet sich bestimmt Zeit dafür.« »Und wenn nicht, sorge ich dafür«, drohte Galad an. »Aber komm, jetzt erzähle. Wie ist die Lage in Númenor? Magolmîr hier brennt sicher auf Neuigkeiten von seinem Bruder.« Besagter Elb schlug eilig die Hacken zusammen und wirkte etwas überrascht, dass Galad ihn auf diese Weise ansprach. Er stand an der Tür auf seinem Posten. Verlegen räusperte er sich. »Jawohl, Euer Majestät.« Gil-galad schmunzelte ob dieser etwas unbeholfenen Reaktion. »Was gibt‘s da schon groß zu sagen?«, sagte Elrond. »Rethtulu hält im Alleingang den Palast in Ordnung und jammert die ganze Zeit, dass Ceomon dasselbe nicht hier tut.« »Der arme Ceomon«, warf Celebrían ein. »Das können wir ihm nicht antun.« Ceomon nickte eifrig. Ebenso wie Laerwen war er ebenfalls anwesend, um bereit zu stehen, falls sein Herr etwas von ihm benötigte, auch wenn sie beide sich im Hintergrund hielten, wo sie sich bis jetzt leise miteinander unterhalten hatten. »Nun, jedenfalls hat Rethtulu die Herrschaft über die Dienerschaft des Palastes an sich gerissen und hört allein auf Lómelinde«, sagte Elrond und senkte verschwörerisch die Stimme. »Unter uns, meine Schwägerin macht mir Angst.« Gil-galad hob fragend eine Augenbraue. »Selbst mit einem Baby auf dem Arm, einem Kleinkind an der Hand und einem wildgewordenen Vardamir könnte sie das Land noch immer im Alleingang und mit Links regieren.« Celebrían gab einen entzückten Laut von sich. »Oh, du bist schon wieder Onkel geworden! Und das sagst du einfach so in einem Nebensatz?« Elrond nickte. »Manwendil haben sie ihren Jungen genannt. Elros meinte, er hätte ihn gern Maedhros genannt, aber Lómelinde hätte ihn überstimmt.« Gil-galad lachte in sich hinein. »Er versucht es auch jedes Mal aufs Neue und weiß doch, dass er nicht gegen seine Frau ankommt.« Celebrían lächelte verzückt bei der Vorstellung von Elronds Neffen und seiner Nichte. Sie hatte Lómelinde vor knapp vierzig Jahren nur kurz kennen gelernt, als sie noch in Forlond Elros heiratete und kurz darauf mit ihm als frisch gekrönten König in den Westen nach Númenor aufbrach. Sie würde so gern ihre Kinder kennen lernen. Unweigerlich drifteten ihre Gedanken ab. Wie es wohl wäre, eigene Kinder zu haben? Und mit Elrond oder Galad oder vielleicht sogar beiden? Nun, mit Galad wohl eher nicht, korrigierte sie sich, diese Art von Körperlichkeit behagte ihm nicht. Ihre Eltern würden sicher eine Liierung mit Elrond befürworten, aber immer wäre da auch der Gedanke, dass da auch Galad war, dass er nicht nur ihr kleines Geheimnis bleiben sollte. »Celebrían?« Sie sah auf und blickte in die besorgten Gesichter Elronds und Galads. »Alles gut«, versicherte sie ihnen daher. »Bist du sicher?« Elrond war nicht überzeugt, natürlich nicht. Er war ein Heiler, ihm entgingen diese Dinge nicht. Sie seufzte. »Na gut, du hast Recht. Ich habe mich vielleicht etwas zu sehr mit juristischen Texten herumgeschlagen.« »Ist es das, weshalb du in den letzten Wochen so oft in der Bibliothek warst, dass ich schon Laerwen schicken musste, um dich daran zu erinnern, auch mal etwas zu trinken?«, schloss Galad. Sie nickte. »Nun ja, eigentlich hatte es eine Überraschung werden sollen, wenn Elrond zurückkommt, aber wirklich weit bin ich noch nicht gekommen und jetzt habe ich Kopfschmerzen.« »Herrin, Ihr müsst wirklich mehr trinken«, mahnte Laerwen, trat sogleich heran und schenkte ihr noch einen Kelch Wasser ein. Celebrían lächelte ihrer Freundin zu. »Danke. Nun, ich habe mich also durch Unmengen an Texten zu den Sitten und Gebräuchen der Eldar seit alters her gegraben und immerzu ist da nur von nér und nís die Rede und von der Vereinigung zweier Personen. Nie mehr als zwei … oder andere als Mann und Frau.« Da. Jetzt war es gesagt. Elrond und Gil-galad tauschten einen nachdenklichen Blick. »Du bezeichnest dich also nicht als Frau?«, fragte Elrond nach. Celebrían zuckte mit den Schultern. »Zugegebenermaßen bin ich mir da noch nicht so wirklich sicher. Aber als ich diese Texte las, wurde mir zunehmend klarer, dass das, was in dieser Gesellschaft allgemein von einer Frau erwartet wird, nicht wirklich auf mich zutrifft. Viele dieser Texte sagen sogar, dass Heirat der natürliche Lauf im Leben der Eldar ist. Ich frage mich: Ist es das wirklich? Ich sehe so viele Probleme, die mit der Annahme einhergehen, dass jede Frau in ihrem Leben einen Mann heiraten wird und dass das allein der natürliche Stand der Dinge ist. Denken wir doch nur einmal an Finwe und Míriel zurück!« Elrond sah zu Galad und eine Spur Traurigkeit schlich sich in seinen Blick, als er nickte. »Das stimmt allerdings.« Gil-galad hingegen wirkte eher verstimmt. »Da sagt ihr etwas. Glaubt mir, das ist mir auch schon aufgefallen und es erscheint mir widersinnig. Unsere Ahnen verließen Valinor, um ihre eigenen Reiche hier in Mittelerde zu gründen, mit ihren eigenen Gesetzen und Regeln. Celebrían, deine eigene Mutter stand an vorderster Front unter den rebellierenden Noldor. Und doch sind wir auch heute noch, ein Zeitalter später, in so vielen alten Sitten gefangen. Welch ein Widerspruch! Elrond, ich liebe dich, du weißt das. Aber auch dich liebe ich, Celebrían, und nichts wird jemals etwas daran ändern.« »Meine Eltern würden einer Liierung mit Elrond auf jeden Fall zustimmen, doch ist das nur ein Teil unserer Beziehung, und ich weiß nicht, ob ich all das andere, was wir miteinander teilen, wirklich für immer geheim halten will oder gar kann.« Celebrían seufzte. »Macht es überhaupt Sinn, diese Welt so binär einzuteilen? Warum soll ich eine Frau sein, nur weil ich Kinder gebären kann und die Gesellschaft erwartet, dass ich mich auf eine bestimmte Weise kleide? Ihr könnt genauso gut Kleider tragen, physisch seid ihr dazu sehr wohl in der Lage. Ein solch binäres System, das seine Mitglieder anhand scheinbar willkürlich festgelegter Merkmale einteilt, erscheint mir zu starr. Ist es nicht vielmehr ein Spektrum?« Elrond nickte nachdenklich. »Zugegebenermaßen habe ich darüber noch nicht nachgedacht, aber du hast Recht. Starre, stark reglementierte Systeme haben noch nie gut funktioniert und waren früher oder später immer zerbrochen.« Gil-galad gab einen frustrierten Laut von sich. »Ich bin der König. Wenn jemand etwas ändern könnte, dann ich. Aber ich weiß einfach nicht wie!« Celebrían ergriff über den Tisch hinweg seine Hand. »Wir werden schon einen Weg finden, irgendwie.« Elrond stand auf und bedeutete ihnen, dasselbe zu tun. »Kommt her, ihr beiden.« Kurzerhand zog er Celebrían in seine Arme. Dann trat auch Gil-galad zu ihnen und umarmte sie beide. Celebrían lehnte sich an Elronds Brust und genoss gleichzeitig das Gefühl von Galads starken Armen um sie. »Hört her, ihr beiden«, fuhr Elrond fort. »Wir werden die Welt nicht ändern können, nicht von heute auf morgen jedenfalls. Diese Hybris hat schon ganz andere zu Fall gebracht. Aber wir können jeden Tag einen winzigen Schritt vorangehen und jeder davon wir uns unserem Ziel näher bringen. Wir haben sprichwörtlich alle Zeit der Welt.« Celebrían seufzte. Seine Worte flossen über sie wie reinigendes, wohltuendes Wasser. Er hatte Recht und vielleicht war es das, was sie hatte hören müssen. Irgendwo in diesen Texten würde sich schon eine Lösung finden, doch musste sie nicht mit aller Gewalt danach suchen. Sie spürte, wie sich Gil-galad ein wenig nach vorn beugte, um über ihre Schulter hinweg Elrond zu küssen, und lächelte. Im Westen ging die Sonne über dem Meer unter und tauchte die Wogen in ihr sanftes rotes Licht. Durch das offene Fenster wehte eine laue Brise herein und brachte mit sich den Wind der Veränderung. turmacundo – Schildwächter, Pl. turmacundor, Qu. ******************** Am 5.9.2021 um 18:17 von Elenyafinwe auf StoryHub veröffentlicht (http://sthu.de/s=EeXOP) ********************