Einfach nur geschmacklos

Kurzbeschreibung:
„Zorro und Sanji streiten sich mal wieder, doch diesmal ist alles anders...“
Nach diesem Motto sollte ich einen Oneshot – geworden ist daraus etwas mit ein paar Kapiteln mehr – für mein Wichtelkind Mira206 schreiben. Das und fünf Wörter unterbringen, die ich aus dramaturgischen Gründen unerwähnt lasse, auch wenn das Rating einen gewissen Hinweis geben könnte.
Alles Gute nachträglich, Mira.
Und euch allen viel Spaß beim Lesen.

Am 20.10.2017 um 14:41 von Silberfeder auf StoryHub veröffentlicht

1. Kapitel: Prolog: Der Streit

Zorro schreckte aus dem Schlaf auf, als er einen kurzen Ruck an seinen Beinen verspürte.
Hellwach war er allerdings erst, als jemand – Sanji – anfing auf ihn einzuschimpfen. „Wie bescheuert muss man eigentlich sein, um sich mitten im Weg aufs Ohr zu legen, Marimo? Hier wollen auch Leute vorbei. Und meine ganze Arbeit ist für die Katz, nur wegen dir!“
Langsam öffnete Zorro sein verbliebenes Auge, um sich umzusehen. Glassplitter lagen rechts neben ihm und nasse Flecken zierten das Deck. Offenbar hatte der Smutje Getränke für sie alle vorbereitet. „Dann mach halt einfach neue“, grummelte er. Noch im selben Augenblick wusste Zorro, dass er das nicht hätte sagen sollen. Wenn der Kartoffelschäler eines nicht abkonnte, dann waren das verschwendete Lebensmittel.
Zorro konnte sich gerade noch zur Seite rollen, ehe Sanjis Kick die Planken an der Stelle trafen, an der Zorro eben noch gelegen hatte. Er zückte seine Schwerter. „Krieg dich mal wieder ein, Koch, du bist ja schneller auf hundertachzig als Nami.“
„Halte Namilein da raus!“ Sanji versprühte ausnahmsweise keine Herzen bei der Erwähnung der Navigatorin, sondern wirkte nur noch angesäuerter als zuvor. „Ich habe allen Grund sauer zu sein, Marimo. Das ist das dritte Mal diese Woche, dass wegen dir meine Kreationen draufgehen. Und wir sind noch keine zwei Tage von der Fischmenscheninsel entfernt. Du bist eine Gefahr für jede Mannschaft, du dämlicher Mooskopf.“
„Ach ja?“ Zorro machte einen Schritt auf den Smutje zu. „Wenn du mal vernünftig aufpassen würdest ¬– ich dachte immer, du wärst alt genug, um laufen zu können –, dann wäre nichts passiert. Aber offenbar hast du deine Beine kein bisschen unter Kontrolle.“
„Ich zeig dir gleich, wie gut ich die unter Kontrolle habe!“
Schneller als Zorros Auge ihm folgen konnte, holte Sanji aus und trat Richtung Zorros Magengegend. Lediglich seinen Reflexen hatte dieser es zu verdanken, dass er nicht getroffen wurde.
„War das alles?“, spöttelte Zorro, obwohl er genau wusste, dass der Smutje – auch wenn er extrem angepisst war – noch lange nicht alles gegeben hatte. Ihm begann die Sache Spaß zu machen, auch wenn er wusste, dass er den anderen unnötig reizte.
Sanji steckte sich in einer eleganten Bewegung eine Zigarette an und blickte freundlich bösartig drein. „Das war nur das Warm Up. Ich will ja nicht, dass du dich übermäßig verletzt, wenn ich dich fertigmache.“
„Hättest du wohl gerne“, knurrte Zorro und griff seinerseits an.
Und schon war die Keilerei im Gange. Im einen Augenblick duckte sich Zorro unter einem Tritt des Smutjes weg, im nächsten wirbelten seine Schwerter durch die Luft und Sanji konnte gerade so darüber hinwegspringen.
Ein Hieb folgte auf den nächsten, ein Tritt auf den anderen.
Zorro grinste, dieses Mal würde er definitiv gewinnen. Sanji drehte sich herum und trat in Richtung Zorros Kopf. Zorro wiederum ließ sich nach unten fallen, spürte den Luftzug über sich hinwegzischen, hechtete um den Smutje herum und schlug zu.
Sanji zuckte zusammen und stürzte.
Blut breitete sich auf den Planken aus.
Etwas klirrte. Es dauerte einen Augenblick, ehe Zorro realisierte, dass er seine Schwerter fallengelassen hatte. Und es war ihm egal. Auch wenn er die Stimme seines Meisters – das Schwert kann katastrophalen Schaden nehmen, lässt der Kämpfer es fallen – vor Ohren hat.
Er konnte seinen Atem hören.
Sein Herz. Seit wann pumpte es so schnell?
Irgendjemand schrie nach Chopper. Vielleicht er selbst. Vielleicht nicht. Auch egal.
Er konnte nicht mehr klar denken.
Er stolperte auf Sanji zu, ging neben ihm in die Knie, versuchte den Puls zu fühlen. Nichts. Da war absolut nichts.
Unwillkürlich begann er zu zittern.
Er war zu weit gegangen. Viel zu weit.
Und Sanji musste jetzt den Preis dafür zahlen.
Dann war da plötzlich Chopper. Rief, dass Sanji bewusstlos.
Nicht tot.
Zorro atmete erleichtert auf.
Nicht tot.
Nur am Rande bekam er mit, dass die anderen Sanji ins Krankenzimmer trugen, dass Nami ihn ansprach, erst wütend und laut – er ignorierte sie –, dann sanft und drängend. Er drehte sich einfach weg, ging zum Krähennest, kletterte nach oben.
Er brauchte Ruhe.
Die Schwerter ließ er liegen.

2. Kapitel: Kapitel I: Halb so wild und noch viel schlimmer

Es fühlte sich für Zorro so an, als wären es Tage gewesen, aber in der Realität war kaum mehr als eine Stunde seit der Prügelei vergangen. Kaum mehr als eine Stunde, seit er Sanji tatsächlich einmal auf die Planken geschickt hatte. Kaum mehr als eine Stunde, seit er Sanji verletzt hatte.
Der Blutfleck war noch immer zu sehen, es hatte noch keiner die Muse gehabt, ihn wegzuputzen. Aber Zorro hatte seine Schwerter weggeräumt. Trug sie wieder bei sich, wie gewöhnlich. Auch wenn sie sich fremd anfühlten. Bis auf das Wado Ichi Monji, denn das hatte er nicht gezogen.
Und er fühlte sich gerade auch fremd in der Crew, drückte sich daher im Schatten nahe dem Krankenzimmer herum. Die anderen standen direkt von der Tür und lauschten dem, was ihr Schiffsarzt zu berichten hatte.
„… halb so wild. Er hat lediglich eine kleine Platzwunde, die schlimmer aussieht, als sie ist und möglicherweise eine leichte Gehirnerschütterung. Ich denke, morgen früh kann er bereits wieder aufstehen und es spricht dann auch nichts gegen leichte Tätigkeiten“, schloss Chopper seinen Vortrag.
„Zum Glück.“ Nami seufzte. „Das war übel. Eigentlich ein Wunder, dass das bei den beiden Streithähnen nicht schon eher mal was passiert ist. Die bringen sich eh gegenseitig ins Grab, außer die Marine ist schneller.“ Sie klang gegen Ende etwas frustriert.
Zorro schnaubte. Ignorierte das beklemmende Gefühl in der Brust, das seit dem Unfall da war. Das auch nicht wegging, weil er wusste, dass es dem Smutje viel besser ging, als er im ersten Augenblick gedacht hatte.
Es war einfach nur Glück.
Er wusste, dass jemand, der nicht Sanjis Konstitution hatte, erheblich schlechter dran gewesen wäre. Ebenso wäre Sanji schlechter dran gewesen, hätte er ihn mit den Klingen attackiert und nicht mit den Schwertrücken. Oder hätte er ihn ein Stück weiter unten erwischt, wo die Hirnnerven zusammenflossen. Das hätte zu Atemaussetzern führen können.
Es war schlicht fahrlässig gewesen, was er getan hatte.
Sich so in den Kampf hineinzusteigern …
Vor allem jetzt, wo weder er wusste, was Sanji genau in den letzten zwei Jahren gelernt hatte, noch Sanji wissen konnte, welche Kampftechniken er entwickelt hatte.
„Heißt das, er kann morgen auch wieder kochen?“, wollte Ruffy wissen, unterbrach damit Zorros Selbstvorwürfe.
„Ja. Sofern er sich dabei nicht zu sehr anstrengen muss“, antwortete Chopper.
„Also nein.“ Lysop warf einen skeptischen Blick zu Ruffy, dieser schien es jedoch nicht zu bemerken.
„Yohohoho, ich glaube nicht, dass ihn irgendjemand davon abhalten kann.“
„Leider …“ Dieses Mal war es Chopper, der seufzte. Zorro wusste, dass Chopper seine Patienten gerne allesamt länger im Bett behalten würde, aber hier waren die Strohhüte alle – nun ja, fast alle – gleich schlimm. Der Schwertkämpfer wusste das. Sah es aber nicht als Anlass sein Verhalten zu ändern und ahnte, dass Sanji das ähnlich sah.
Auf einmal spürte Zorro, dass Blicke auf ihm lagen und fand sich Auge in Auge mit Nico Robin wieder, die ihn trotz seiner versteckten Position – er würde seine Schwerter darauf verwetten, dass sie ihre Teufelsfrucht hatte spielen lassen – entdeckt hatte.
Einen Moment dachte er, dass Robin ihm Vorwürfe machen würde, aber dann lächelte die Archäologin wie immer und winkte ihn – kaum merklich, er war sich sicher die anderen, außer vielleicht Ruffy, bemerkten es nicht einmal – zur Gruppe.
Einen Augenblick schloss Zorro sein Auge, dann näherte er sich seinen Freunden kurzentschlossen. Besser er ging ihnen gar nicht erst aus dem Weg.
Nami sah ihn als erste. Sie verzog das Gesicht und Zorro machte sich auf eine Tirade gefasst.
„Das war keine Absicht“, sagte er noch bevor sie ansetzen konnte, wodurch auch die anderen seine Anwesenheit bemerkten.
„Ich weiß“, sagte Ruffy nur. „Wir alle wissen das.“ Und ausnahmsweise hatte er kein Lächeln im Gesicht.
Zorro schluckte. Er hätte damit rechnen müssen, aber dennoch war es unangenehm auf die ernste Seite seines Käpt’n zu treffen.
„Rede einfach mit Sanji, wenn er wieder wach ist“, ergänzte er.
„Ihr macht mir keine Vorwürfe?“ Wieder sprach er nur halblaut. So kannte er sich selbst nicht. Verdammt. Das war doch alles …
„Naja …“, meinte Nami, „ich denke, der Käpt’n hat gerade einen seiner helleren Momente“, Ruffy grinste, „und hat Recht damit, dass du das am besten direkt mit Sanji ausmachst. Aber die Sauerei vor der Kombüse putzt du weg.“
„Meinetwegen.“ Zorro fand langsam wieder zu seinem üblich, grimmigen Selbst zurück. Jedenfalls nach außen hin.
„Du kannst gerne ins Krankenzimmer gehen und gleich mit ihm reden, er ist ja wach“, meldete sich Chopper zu Wort. „Aber reg ihn bitte nicht übermäßig auf.“
Der Schwertkämpfer nickte nur und öffnete die Tür.
„Das überlebt er nicht“, murmelte Franky hinter ihm.
„Oh doch.“ Das Grinsen von Ruffy war direkt zu hören.
„Na ich weiß nicht …“, stimmte Lysop dem Cyborg zu.
Und Zorro war sich fast sicher, dass Robin immer noch lächelte.

Es war relativ dunkel im Krankenzimmer und der Schwertkämpfer änderte nichts daran – er wusste, dass Licht bei Kopfschmerzen nicht unbedingt optimal war und ging stark davon aus, dass der Smutje die hatte –, sondern wartete bis sich sein Auge an die Lichtverhältnisse gewöhnt hatte, ehe er sich bewegte.
„Ich hätte nicht damit gerechnet, dass du so bald hier auftauchst.“ Sanjis Stimme war klar und hell und für Zorro überraschend freundlich.
„Wieso nicht?“ Langsam konnte Zorro Sanji ausmachen. Er lag im Krankenbett, rechts an der Wand, und blickte ihn direkt an.
„Musst du das jetzt ernsthaft fragen?“
Zorro erwiderte erst einmal nichts und durchquerte den Raum. Einen Augenblick überlegte er, sich zu setzen, aber irgendetwas hielt ihn davon ab. So lehnte er sich nur zwischen Bett und Schreibtisch gegen die Wand.
Derweil drückte Sanji sich etwas aus dem Bett hoch und rückte in eine andere, Position, in der er Zorro genau im Blick behalten konnte.
„Ich …“, setzte Zorro an. „Wie geht es dir?“
„Mir ist etwas schwindelig, aber sonst ist alles in Ordnung.“ Langsam, als wisse er nicht sicher, was sein Körper im Moment vertrüge, zuckte Sanji mit den Schultern. Ehe er sich, noch immer zugedeckt, mit dem Rücken gegen die Wand lehnte und so praktisch neben Zorro saß.
„Keine Kopfschmerzen, Kringelbraue?“
„So oft wie du mich als Sturschädel beleidigt hast, solltest du wissen, dass mein Kopf einiges verträgt. Aber das ist sicher nicht alles, was du sagen wolltest.“ Noch immer klang Sanji freundlich, vielleicht sogar leicht belustigt, wieso auch immer. Der Gesichtsausdruck war der übliche, leicht spöttische, den er extra für Zorro reserviert haben zu schien.
Es dauerte eine Weile, ehe der Schwertkämpfer es schaffte, zu einer Antwort anzusetzen. Sein Mund war auf einmal viel zu trocken. „Nein, ist es nicht.“
„Also?“, wollte Sanji wissen.
Doch Zorro brachte kein Wort mehr heraus.
Seine Gedanken rasten und eigentlich wusste er, was er sagen wollte, ebenso dass auch der Smutje wusste, was Zorro sagen wollte, aber er brachte es nicht über die Lippen. Eigentlich war das lächerlich. Mehr als nur lächerlich.
Hatte er doch kein Problem damit, sich tausenden Feinden gegenüberzustellen.
Er hatte kein Problem damit, die Weltregierung herauszufordern.
Ihm gefiel der Gedanke, dass Ruffy Big Mom gereizt hatte und sie bald die Folgen spüren würden.
Er freute sich auch schon auf den Moment, gegen Falkenauge, um Leben und Tod zu kämpfen.
Aber er hatte Angst davor diese Entschuldigung auszusprechen. Angst davor, dass der Smutje ihn dafür hasste, von ihm verletzt worden zu sein. Angst davor, dass ihm die Entschuldigung keine Erleichterung brachte, sondern er nur Gewissheit hatte, dass Sanji ihm nicht verzieh.
Diese Angst war neu …
Aber er wusste, dass es nicht besser, eher schlimmer, werden würde, wenn er weiter schwieg. Doch konnte einfach nichts sagen.
Und blieb stumm. Starrte weiter Sanjis Bettdecke an und spürte, wie ihn die Blicke des anderen durchbohrten, während er auf Zorros Antwort wartete.

Zorros Schweigen wurde von der Kabinentür unterbrochen, die laut knarzte, als Lysop das Krankenzimmer betrat.
„Schöne Grüße von Chopper. Er meint, ich soll dir die Suppe hier bringen. Und du sollst sie ja aufessen, da dein Körper die Energie zum Heilen braucht und nicht nur die halbe Portion zu dir nehmen.“ Vorsichtig hielt er dem Smutje eine sehr volle Schüssel entgegen. In Zorros Augen war es ein Wunder, dass er bis hier gekommen war, ohne etwas zu verschütten.
„Typisch Chopper … aber danke, dir Lysop.“ Ebenso vorsichtig nahm Sanji die Suppe entgegen. „Wer hat gekocht? Robinchen, oder Namilein?“
Zorro schnaubte wie aus einem Reflex heraus, wurde von den anderen beiden aber ignoriert.
„Nami. Ruffy hat sie aber die ganze Zeit zugejammert, dass er Hunger hat.“ Lysop grinste. „Bis sie ihm gedroht hat, dass er hungrig Nachtwache schieben muss, wenn er keine Ruhe gibt. Dann war er auf einmal ganz zurückhaltend.“
Sanji verdrehte die Augen. „Der sollte wirklich mal lernen, dass man eine Dame nicht bedrängt.“
„Och, sie hat ihn auch so ganz gut im Griff.“ Der Kanonier zuckte mit den Schultern. „Und ich glaube nicht, dass er noch mal lernt, dass es auch anders geht.“
„Da könntest du Recht haben.“ Sanji griff nach dem Löffel und schickte sich an, zu Essen zu beginnen.
„Ich geh dann mal wieder. Vielleicht kriege ich auch noch etwas vom Abendessen ab“, verabschiedete sich Lysop im selben Augenblick. Doch kurz bevor er draußen war, drehte er sich noch einmal herum. „Ich versuche dir auch noch eine Portion zu sichern, Zorro.“
„Danke“, erwiderte der Angesprochene knapp und beobachtete wie die Tür ins Schloss fiel und vermied es, Sanji direkt in die Augen zu sehen. Er hörte aber wie der Smutje anfing zu essen.
Im nächsten Augenblick klirrte es und Zorro drehte sich gerade noch rechtzeitig herum, um zu sehen, wie die Schüssel auf dem Boden zerbrach. Sanji saß mit geweiteten Augen auf dem Bett, die Hände bebten leichte.
„Was …“, setzte Zorro an.
Doch der Smutje unterbrach ihn. Mit nun völlig emotionsloser Stimme „Ich schmecke nichts“, erklärte er. „Die Suppe schmeckt einfach nach nichts, obwohl ich weiß, dass sie das definitiv nicht tut.“
Zorro wusste es im selben Moment, da brauchte er keine Bestätigung von auch nur irgendwem. Er hatte mit seinem Schlag doch Nerven beschädigt.
„Scheiße …“ Und jetzt endlich kam ihm über die Lippen, was er schon die ganze Zeit über sagen wollte. „Es tut mir leid, Sanji. Ich wollte das nicht.“
Seine Stimme zitterte. Zwar nur leicht, aber doch überdeutlich hörbar.
Sein Herz begann wieder zu rasen. Schlimmer als in jedem Kampf um Leben und Tod. Er wusste, er war am Arsch.
Und der Smutje begann zu lachen.

3. Kapitel: Kapitel II: Gesammelte Merkwürdigkeiten

„Was ist so komisch?“, fuhr Zorro den anderen an.

Aber Sanji schüttelte nur mit den Kopf. Noch immer von Lachern gebeutelt konnte er nicht antworten. Oder wollte nicht. Es war schwer zu sagen.

„Verarscht du mich, Kringelbraue?“ Zorro schnaubte. „Schön, du hattest deinen Spaß, aber jetzt reicht’s auch wieder. Ich habe mich entschuldigt. Ich weiß, dass ich Mist gebaut habe.“ Er schluckte. Mehr als Mist. Aber man musste es mit der Offenheit ja auch nicht übertreiben. „Aber irgendwann …“

„Nein“, unterbrach Sanji ihn. Er unterdrückte ein weiteres Auflachen, was äußerst ungesund klang. „Ich verarsche dich nicht. Es ist gerade nur alles so absurd.“ Seine Hand krallte sich in das Bettlaken. Halb von der Bettdecke verborgen, aber dennoch gut sichtbar.

„Was meinst du?“ Hatte der Smutje bei dem Schlag auf dem Kopf doch mehr abbekommen? War er jetzt völlig durchgedreht? Es war außerdem nicht auszuschließen, dass der Smutje seit jeher völlig bescheuert war.

Sanji atmete tief durch, schloss dann die Augen. „Du verletzt mich. Es ist nicht so gravierend, nur schmerzhaft. Du schaffst es nicht, dich zu entschuldigen. Auf einmal betrifft es meinen Geschmackssinn auch und du knickst ein. Deine Stimme hat noch nie derart verzweifelt geklungen, Marimo.“ Er schmunzelte.

„Das findest du jetzt ernsthaft lustig?“ Zorro wusste wieder, wieso er es für gewöhnlich vermied sich zu entschuldigen, oder Dinge zuzugeben. Es endete immer damit, dass alles ins Lächerliche gezogen wurde. Ausnahmslos immer.

„Ja“, antwortete der Smutje. „Ist es schließlich auch.“

„Toll.“ Er spuckte das Wort förmlich aus. Zorro hielt es nicht mehr aus, einfach nur dazustehen und begann im Raum umherzuwandern. Seine Schritte klangen dumpf, die Planken knarrten leicht.

Langsam wurde der Smutje wieder ernster. „Weißt du, Marimo. Ich akzeptiere deine Entschuldigung.“

„Ach ja?“ Zorro fixierte den Smutje mit seinem einen Auge, blieb für einen Augenblick stehen.

„Ja. Hast du ein Problem?“

„Sollte ich keines haben, wenn du anfängst wie ein Irrer zu lachen, nachdem ich mich entschuldigt habe? Und ich hab dich noch nie so entsetzt dreinblicken sehen, wie in dem Moment, in dem du die Suppenschüssel runtergeschmissen hast. Und jetzt tust du so, als wäre nichts. Verdammt nochmal, was stimmt nicht mit dir, Smutje?“ Langsam wurde Zorro wütend. Er wollte es nicht, sollte sich ein Schwertkämpfer doch immer unter Kontrolle haben, aber es wurde schwerer und schwerer die Beherrschung zu behalten. Er durfte jetzt nicht stehenbleiben. Sonst würde er etwas kaputtschlagen. Und Chopper wäre alles andere als begeistert, würde er sein Krankenzimmer verwüsten.

„Und ich habe noch nie gehört, dass du so viele Wörter aneinanderreihst“, stichelte Sanji.

Vielleicht würde er trotz der Bewegung bald auf etwas einschlagen. Oder jemanden. „Weißt du was, Kartoffelkopf, dir kann man nicht mehr helfen. Ich hatte ein schlechtes Gewissen, aber das hätte ich mir schenken können. Der Schlag auf den Schädel hat dir wahrscheinlich sogar noch gutgetan.“ Langsam glitt seine rechte Hand nach unten, zu seinen Schwertern. Er griff nach dem Yubashili. Wieder Stiche in seiner Brust. Anders schmerzhaft, als früher an diesem Tag, aber nicht weniger schmerzhaft. Definitiv nicht. Und die Waffen fühlten sich auch nicht mehr falsch an. Sie schrien ihn förmlich an, sie zu benutzen.

Spott blitzte ihm aus den Augen des Smutjes entgegen. „Ach Marimolein.“

Zorro zog das Schwert.

Sanji grinste. „Wie gedacht, du hast dich immer noch kein Stück unter Kontrolle.“

Jetzt platzte Zorro endgültig der Kragen. „Spinnst du jetzt völlig, Schnitzelklopfer? Du bist doch durchgedreht.“

„Der einzige, der hier gerade am Durchdrehen ist, bist du, Grünkopf. Ist das so ein Problem für dich, zu akzeptieren, dass ich deine Entschuldigung annehme und dir keine Vorwürfe mache? Oder wäre es dir lieber, würde ich dich jetzt hassen, hochkant hier rausschmeißen und nie wieder mit dir reden?“ Er klang etwas verbittert, aber hauptsächlich war er laut und wütend, weshalb Zorro kaum auf ersteres achtete.

„Ja, verdammt, das wäre es. Das wäre wenigstens ehrlich.“ Inzwischen stand Zorro direkt vor Sanjis Bett. Das Schwert noch immer in der Hand, aber nicht erhoben. Es zitterte.

Die Tür knallte. Und eine laute Stimme durchschnitt die geladene Luft. „Sagt mal, spinnt ihr beide? Wobei, nein. Spinnst du Zorro?“ Namis Faust zuckte und ehe der Schwertkämpfer reagieren konnte, hatte die Navigatorin ihn schmerzhaft mit einer Kopfnuss zu Boden geschickt, gerade so, dass er nicht in seine Klinge fiel. Aber das schien niemanden aufzufallen. „Was zur Hölle hast du an Choppers Anweisung ‚Reg ihn nicht auf‘ nicht verstanden?“

„Kann ich doch nichts dafür, dass die Küchenschabe spinnt“, grummelte Zorro, noch immer liegend.

„Ach nein? Du hattest dich ja nicht unter …“

„Er hat mich nicht aufgeregt, Namimausi“, mischte sich Sanji ein.

Nicht nur Zorro warf dem Smutje einen mehr als verdutzten Blick zu, auch Nami wirkte mehr als nur irritiert.

„Aber der Lärm? Ich habe zwar nicht gehört, worüber ihr euch gestritten habt, aber dass ihr es getan habt, war schwer zu überhören. Und außerdem liegt die Schüssel hier am Boden.“ Sie klang irritiert.

„Wir sind halt so.“ Sanji zuckte mit den Schultern.

Derweil rappelte sich Zorro langsam wieder auf. Die Hände auf den rauen Boden gestützt, stütze er sich ab, während er sich erhob. Das Schwert hatte er bereits wieder in die zugehörige Scheide gesteckt.

Er verstand den Smutje absolut nicht. Erst schrie er ihn an, dann half er ihm. Wahrscheinlich würde er sich gleich singend aus dem nächsten Bullauge oder über die Reling stürzen. Das würde ihn jedenfalls nicht mehr verwundern.

Nami seufzte. „Du sollst dich trotzdem noch ausruhen, Sanji. Es wäre nicht nur mir lieb, wenn du das tatsächlich tun würdest.“

„Natürlich, Namimausi.“ Selbst im Sitzen schaffte der Koch es, einen Liebestaumel aufzuführen und Herzen zu versprühen.

Zorro verdrehte die Augen.

Die Navigatorin lächelte nur. „Dann ist ja alles gut.“

Etwas schepperte und zum ersten Mal seit er hier ins Zimmer gekommen war, dachte Zorro wieder an die anderen. Was sie wohl trieben? Sie machten sich ja auch Sorgen um den Smutje. Eigentlich ein Wunder, dass sie nicht alle schon längst hier herein geplatzt waren und sich nur Lysop kurz blicken hatte lassen.

Wahrscheinlich hatte Ruffy sie noch gebeten, sie beide nicht zu stören.

Zorro warf einen Blick nach draußen, nur um festzustellen, dass es inzwischen dunkel geworden war. Die Sterne und der Mond standen bereits am Himmel.

Wie lange war er schon hier? Es war ihm vorgekommen, als wären es nur fünf Minuten gewesen, aber offenbar stand er schon viel, viel länger im Krankenzimmer.

Erneut schepperte etwas. Aber dieses Mal lauter. Und näher.

„Ich glaube, ich schaue besser mal nach, was Ruffy treibt. Er hat sich vorhin eine Metallplatte von Franky geklaut und ich war wohl etwas zu optimistisch mit dem Gedanken, dass er keinen Blödsinn damit macht.“

„So ist unser Käpt’n halt. Immerhin hat er heute noch kein Seemonster geangelt.“ Wieder klang der Smutje belustigt. Dieses Mal aber sanfter als zuvor.

„Kommt noch, der Tag hat noch ein paar Stunden.“

„Aber nicht mehr so viele“, meinte Zorro. Er rieb sich den Kopf.

„Naja.“ Nami zuckte zusammen, als das nächste Scheppern aus nächster Nähe zu kommen schien. „Heißt nicht, dass er anders weniger Schaden anrichtet. Und wehe es wird noch einmal laut bei euch! Dann bindet Chopper dich ans Bett, Sanji und du schiebst die nächsten drei Wochen Nachtwache, Zorro. Mindestens. Eher vier.“

Noch ehe einer der beiden etwas darauf antworten konnte, war sie wieder draußen und hatte sie die Kabinentür wieder hinter sich geschlossen.

 „Die Zicke ist heute echt gut in Fahrt.“ Zorro war erstaunt. Dass Nami eigentlich erstaunlich milde drauf war, verkniff er sich zu sagen. Musste man schließlich keinem unter die Nase reiben, dass er das zu schätzen wusste.

Er wartete darauf, dass Sanji ihn dafür beleidigte Nami beleidigt zu haben, doch der Smutje schwieg. Einen Moment lang überlegte er, ob er etwas dazu sagen sollte, aber er hielt es für besser, dieses Mal ruhig zu sein. Er hatte sich wohl unter Kontrolle! Egal, was die anderen sagten. Egal, was die eine Stimme in seinem Hinterkopf behauptete.

 „Also? Was jetzt?“ Die Stimme von Sanji war ruhig.

Zorro schluckte. Es konnte doch nicht sein, dass der Smutje ihn wieder ans Ende brachte.

„Ich gehe mir jetzt mein Abendessen holen. Ich brauche endlich was zwischen die Zähne.“ Er bemühte sich ebenfalls um eine ruhige Stimme, befürchtete aber, dass er angesäuert klang.

Ohne weitere Worte und ohne sich noch einmal umzudrehen, wollte er den Raum verlassen, aber plötzlich spürte er eine Hand an seiner Kleidung, auf Hüfthöhe, die ihn zurückhielt.

Sofort war er wieder nervös, auch wenn er es nicht zeigte. Er drehte sich langsam um.

„Sag den anderen nichts davon, dass ich nichts mehr schmecke“, bat Sanji. Wirkte fast beschämt. Aber nur fast.

„Also hast du mich da wirklich nicht verarscht?“

„Ja. Das war mein Ernst.“

„Und wieso soll ich das nicht tun?“ Er hob seine rechte Augenbraue. „Chopper könnte dir vielleicht helfen. Oder Robin.“ Da die Archälogin alles las, was ihr unter die Finger kam, war es durchaus wahrscheinlich, dass sie schon einmal etwas von diesem Problem gehört hatte. Jedenfalls schloss Zorro es nicht aus.

„Behalt es einfach für dich, Marimo.“ Jetzt klang Sanjis Stimme wieder völlig neutral. Als würde er sich ebenfalls darum bemühen ruhig zu bleiben.

Es war Zorro ein Rätsel, wieso die Kringelbraue sich hier keine Hilfe holen wollte – da war fast er noch besser … wobei, nein, kein Stück – und er beschloss ihm seinen Willen zu lassen. „Meinetwegen“, sagte er daher.

Und Sanji lächelte. „Danke“, sagte er leise, kaum hörbar.

Zorro musste sich wegdrehen, um das Lächeln nicht zu erwidern.

Irgendetwas lief hier gewaltig falsch. In mehr als einer Hinsicht.

Er brauchte jetzt nichts zu essen, er musste sich einfach nur abreagieren. Liegestützen, Hanteltraining, irgendwas.

Er wollte besser nicht darüber nachdenken, was der Smutje jetzt fühlte. Als Koch konnte er es ihm eindeutig nicht derart egal sein, dass sein Geschmackssinn sich verabschiedet hatte.

Außerdem wollte Zorro ebenso wenig über ganz andere Dinge nachdenken. Es war ohnehin hoffnungslos.

Zorro wich seinen Nakama auf dem Weg zum Krähennest aus. Vielleicht war das Schiff doch groß genug, um so schnell mit keinem mehr zu reden zu müssen.

4. Kapitel: Kapitel III: Salz am Morgen, bringt Kummer und Sorgen

Als Zorro erwachte, war er desorientiert und fühlte sich wie von einem Seekönig verschluckt und wieder ausgespuckt. Die halbe Nacht zu trainieren und dabei vor sich hinzugrübeln war wirklich nicht für sein Wohlbefinden förderlich gewesen. Ebenso wenig, dass er im Krähennest, halb gegen eine Hantel, halb gegen die Wand lehnend, geschlafen hatte.

Und alles nur wegen dieses bescheuerten Kartoffelschälers namens Sanji.

Es dauerte eine Weile, er sich wieder bewusst war, dass es auch genau der gleiche Idiot gewesen war, der ihn aus dem Schlaf gerissen hatte. Aus der Ferne war ein wohlbekanntes Scheppern und Klirren zu hören, das aus Richtung der Küche kam.

Keiner der anderen würde bereits um diese Zeit der Kombüse herumwerkeln, um Frühstück zu machen.

Nur der Smutje war irre genug, bereits vor Sonnenaufgang aufzustehen.

Zorro fuhr sich mit der Hand durchs moosgrüne Haar und zerstruppelte es noch weiter. Vielleicht sollte er aufstehen und nachsehen gehen, was der Chaot trieb und sein schlechtes Gewissen endlich beruhigen.

Wenn Sanji wieder vollkommen fit war, gab es auch keinen Grund mehr, sich schuldig zu fühlen. Lediglich einen Grund, weiter zu trainieren. Er musste eindeutig seine Selbstbeherrschung, seine Kontrolle über den eigenen Körper erhöhen.

Er warf einen Blick auf seine Schwerter, die neben ihm lagen – er hatte sie fürs Training abgelegt – und beschloss, sie hier liegenzulassen. Bis er diese Kontrolle hatte, würde er sie nicht wieder ziehen. So einfach war das.

Ruckartig drehte er sich herum und eilte nach unten.

Dabei fiel ihm auf, dass das Chaos auf dem Deck regierte.

Dumpf erinnerte er sich daran, am Vorabend Lärm gehört zu haben, dementsprechend schloss er daraus, dass Ruffy, Lysop, Brook, Chopper, Franky und vielleicht auch Nami und Robin gefeiert hatten. Er würde wetten, dass der Anlass war, dass dem Smutje nach dem ersten Schrecken doch nichts passiert war.

Derzeit musste alles als Anlass für ein Fest herhalten.

Zorro seufzte.

Zwei Jahre getrennt zu sein, hatte diese Eigenschaft seiner Nakama definitiv nicht zum Besseren verändert.

Zwei leere Krüge lagen am Fuß der Rutsche, ein dritter stand halbvoll keinen Meter weiter. Zwei lagen neben der Reling – Zorro griff nach ihnen, damit sie nicht von Bord rollten, sammelte nach kurzem Zögern auch die anderen ein.

Mitten auf dem Deck stand ein Stapel benutzter Teller, auf denen wie zur Krönung eine angebissene Tafel Schokolade lag, die Zorro ebenfalls aufsammelte, womit er nun gut bepackt hatte und er aufpassen musste, dass ihm nichts hinunterfiel.

Direkt neben der Kombüse stand ein leeres Colafass.

Falls es wirklich Sanji war, der bereits auf, verstand Zorro nicht, dass der das Chaos einfach so tolerierte und die anderen nicht längst aufgeweckt und zum Aufräumen verdonnert hatte. Zorro jedenfalls bekam es jedes Mal schmerzhaft zu spüren, wenn er einen Gegenstand aus der geheiligten Kombüse des Smutjes nicht mit dem gebührenden Respekt behandelte. Was auch der Grund sein mochte, dass er jetzt alles eingesammelt hatte.

Und Ruffy traf es selten besser.

Andererseits benahm sich der Smutje seit gestern ohnehin merkwürdig.

Mühevoll öffnete der Schwertkämpfer die Tür zur Kombüse mit dem Ellbogen, wobei er versuchte so leise wie irgend möglich zu sein. Er wollte nicht, dass der Smutje ihn sofort bemerkte.

„Komm rein“, hieß es im selben Augenblick von drinnen.

Zorro schaffte es gerade so nicht zusammenzuzucken. Wie schaffte es Sanji immer rechtzeitig zu bemerken, dass er in der Nähe war? Egal wie leise der Schwertkämpfer auch war, der Smutje bemerkte es immer. Nicht dass es andersherum nicht genauso war, aber trotzdem.

Und auch wenn der Schwertkämpfer nun wusste, dass der Smutje ihn bemerkt hatte, war er betont leise. Die Tür schloss er mit dem Fuß hinter sich – als sie mit einem leisen Knall ins Schloss fiel, zuckte er doch leicht zusammen –, ehe er auf das Spülbecken zutrat und die Sachen halbwegs vorsichtig, jedoch nicht ohne Lärm, hinein gleiten ließ.

Sanji hatte derweil nicht einmal aufgesehen, sondern führte seine üblichen Tätigkeiten und Handgriffe routiniert aus. Die Anwesenheit des Schwertkämpfers schien ihn kein bisschen zu stören. Ebenso wenig, dass ihn dieser inzwischen genau beobachtete.

„Was willst du?“

Zorro antworte nicht direkt, drehte sich aber nun direkt in die Richtung des Smutjes und rückte ein Stück näher. Mehr unbewusst als bewusst.

„Egal. Wenn du schon hier herumstehst, kannst du dich wenigstens nützlich machen.“

Das Schnauben verkniff Zorro sich. Eigentlich reichte es doch, dass er den Dreck von Draußen mit hereingebracht hatte.
„Deck den Tisch. Einen Teller und Besteck für jeden. Nami und Chopper bekommen Orangensaft, Robin Kaffee, Brook Tee und Franky Cola, auch wenn er sich so definitiv noch den Magen verderben wird. Ruffy und Lysop kannst du Wasser hinstellen.“

„Ja, ja, ich weiß“, grummelte Zorro. Aber er kam der Aufforderung ohne große Widerworte nach, noch war er Sanji vielleicht etwas schuldig, wobei er sich selbst schließlich auch ein Glas Wasser hinstellte. Ihm war zwar eher nach Sake, aber er wusste, dass der Smutje keinen herausrücken würde. Und an die Vorräte würde er nicht kommen.

Kaum dass Zorro das letzte Teil auf den Tisch gelegt hatte, drehte sich Sanji um und sah Zorro zum ersten Mal am heutigen Tag an. Skeptisch zog der Smutje eine Augenbraue nach oben und der Schwertkämpfer wusste, dass er gesehen hatte, dass Zorro seine Schwerter nicht bei sich trug.

Bevor der Smutje etwas dazu sagen konnte, fragte er: „Noch was?“

„Nein.“ Sanji grinste schon wieder so merkwürdig, ohne dass Zorro erkennen konnte, weshalb. „Was willst du hier?“ Das unausgesprochene ‚immer noch Schuldgefühle?‘ lag deutlich in der Luft.

„Frühstück“, antwortete er daher nur knapp. Eigentlich war es nicht ungewöhnlich, dass Zorro – nach Sanji – der erste in der Kombüse war, aber das war das erste Mal, dass der Smutje sich Anstoß daran nahm.

„Natürlich.“ Sanji wandte sich wieder um, kümmerte sich um die Pfannkuchen und wendete selbigen mit einem eleganten Wurf. Zorro folgte der Flugbahn des Pfannkuchens mit den Augen und konnte nicht anders, als beeindruckt zu sein, auch wenn er das natürlich nie zugeben würde. Ihm wäre der Pfannkuchen wohl an der Decke kleben geblieben oder zu Boden gefallen.

„Vielleicht wollte ich auch wissen, wer so früh am Morgen schon so viel Krach macht“, meinte Zorro schließlich.

„Jetzt weißt du’s ja.“

Wieso war der Smutje plötzlich so kurzangebunden? Sonst redete er mehr, wenn Zorro in die Kombüse kam. Viel mehr. Ob der Schwertkämpfer es hören wollte, oder nicht. Was dann meistens zur ersten Prügelei des Tages führte, die ihre Freunde dann aufweckte.

Er überlegte, was er nun wieder falschgemacht hatte, aber ihm fiel beim besten Willen nichts ein. Der Smutje war einfach nicht nachvollziehbar. Im einen Moment scheinbar sanft, im nächsten eine absolute Kratzbürste. Und das natürlich nur ihm gegenüber. Schließlich meinte Zorro: „Ich habe den anderen nichts gesagt.“

„Weiß ich doch.“                

Damit war das schon mal nicht der Grund für die Stimmungsschwankungen des Schnitzelklopfers.

Sanji schien das Schweigen missinterpretiert zu haben, denn er sagte: „Auch wenn du eine Moosbirne bist, du hältst dich an dein Wort. Immer.“ Er ließ den ersten Pfannkuchen auf einen Teller gleiten und gab erneut Teig in die Pfanne. Ein kleines Stück schnitt er sich ab, um zu probieren. Wobei er missmutig das Gesicht verzog.

Eine Frage lag Zorro auf der Zunge, aber er wollte sie nicht stellen. Es war ihm unangenehm.

Aber wieder schien der Smutje zu spüren, was im Schwertkämpfer vor sich ging, denn er antwortete. „Ich schmecke nur Salz. Besser als nichts, mehr als gestern, aber alles andere als angenehm. Und Marimo, ich schwöre, solltest du mir je noch einmal einen Schlag auf den Hinterkopf verpassen, kicke ich dich ins Meer und sorge dafür, dass dich die Fische fressen.“ Er sagte es mit einem solchen Ernst in der Stimme, dass Zorro nicht an der Drohung zweifelte.

Und es wäre durchaus gerechtfertigt. Dennoch meinte er nur: „Versuch’s ruhig. Schaffst du eh nicht.“

„Sicher?“ Das Wort troff nur so vor Spott und Zorro beschloss nichts darauf zu erwidern. Stattdessen trat er an Sanji vorbei, um sich den restlichen Pfannkuchen zu schnappen. Servieren würde er selbigen den Damen eh nicht mehr, da er schon angeschnitten war, da konnte er ihn auch essen, solange er noch warm war.

Es kostete ihm aber seine ganze Selbstbeherrschung, um ihn hinunterzuschlucken – er hatte ihn auf einmal in seinen Mund gesteckt – und ihn nicht wieder auszuspucken. „Der ist ja total versalzen“, stieß er aus.

„Was?“

„Da ist zu viel Salz drin.“

„Verarsch mich jetzt nicht, Marimo. Ich habe den Teig gemacht wie immer.“ Sanji rückte ein Stück näher, sodass die beiden sich direkt in die Augen sahen und Zorro den Atem des Smutje spüren konnte – verdammt, wieso stieg sein Puls jetzt? Er kämpfte doch gar nicht? Den anderen Gedanken schob er weit weg.

„Ich verarsche dich nicht“, antwortete er leicht angesäuert darüber, dass der Smutje dachte, er würde ihn so noch veräppeln. „Ich sage nur, was ich schmecke.“ Er zuckte mit den Schultern.

Sanji schnaubte. „Vielleicht sollte ich dich jetzt schon ins Meer treten, Marimo.“ Aber man merkte ihn bei seinen folgenden Worten an, dass er wütender auf sich selbst denn auf den Schwertkämpfer war. „Nur sollte diese Kleinigkeit mein Essen eigentlich nicht derart ungenießbar machen. Wenn mich das schon aus der Bahn wirft, waren die letzten beiden Jahre der Qualen wirklich für die Katz‘“, knurrte er.

Manchmal war es besser nichts zu sagen, dementsprechend schwieg der Schwertkämpfer.

Im nächsten Augenblick rauschte Sanji auch schon an ihm vorbei. Er hörte einen dumpfen Knall, dann ein lautes Platschen. Zorro zuckte beim Gedanken, dass das genauso gut er hätte sein können, etwas zusammen, eilte dann schnell nach draußen, um zu sehen, was der Koch versenkt hatte.

Kaum, dass er die Kombüse verlassen hatte, bemerkte er das Fehlen des Colafasses, das nun wohl auf dem Grund des Meeres schlummerte.

Gleichzeitig tauchte Ruffy vor ihm auf.

„Wir werden nicht angegriffen, oder?“

Zorro schüttelte nur mit dem Kopf. Er wollte das nicht erklären. Konnte er auch gar nicht.

„Gut.“

Langsam tauchten auch die anderen Strohhüte auf, angelockt vom Lärm, den Ruffy verursacht hatte, als er sich die Stufen zur Kombüse nach oben gezogen hatte. Nami trug noch ihren Schlafanzug, die Kleidung der Jungs war zerknittert – die meisten schliefen in ihrer Alltagskleidung, nur Lysop trug einen merkwürdigen, gestreiften Overall. Lediglich Robin war bereits voll angezogen und wirkte wach und aufnahmefähig.

„Was ist los?“, wollte Chopper, noch völlig verschlafen, wissen.

„Der Smutje spinnt“, setzte Zorro die anderen in Kenntnis.

„Du hast ihn doch nicht etwa aufgeregt?“, fragte der Kleine sofort nach. „Er muss sich noch schonen!“

„Ja, ja“, murmelte Zorro.

Nami verdrehte die Augen. „Was musst du ihn auch jedes Mal wieder provozieren?“

Die Antwort darauf verkniff sich Zorro. Er war nicht scharf auf eine Kopfnuss und wenn die alte Hexe erst einmal eine Meinung hatte, war sie auch nicht mehr davon abzubringen, auch wenn es vollkommener Blödsinn war.

„Damit hätten wir dann den Wachdienst … drei Wochen, wie ich gesagt habe.“

„Was will Sanji eigentlich im Krähennest? Da geht doch Zorro immer hin, wenn er Ruhe will?“, wollte Ruffy plötzlich wissen.

„Was?“

„Der ist gerade da hoch.“ Ruffy grinste breit und rückte seinen Strohhut zurecht. „Und ich gehe jetzt was essen.“ Und schon war er auf und davon.

„Warte!“, riefen ihm die anderen hinterher.

Da ihr Käpt’n nicht übermäßig beunruhigt schien, war die Situation für sie plötzlich auch in Ordnung. Zorro hatte dieses Phänomen schon häufiger beobachten können. Ruffys Instinkt war, was das Verhalten seiner Freunde – oft auch dem von Fremden – untrüglich, dementsprechend konnte man sicher sein, dass er eingriff, wenn es ein ernsthaftes Problem gab.

Tat er es eben nicht, war die Wahrscheinlichkeit sehr hoch, dass sich alles von selbst wieder einrenkte. Oder besser gesagt mehr oder weniger von selbst.

Zorro fluchte. Ihm war klar, dass die Aufgabe mit dem Smutje zu reden, damit an ihm hängen blieb, da Ruffy die anderen erfolgreich in die Kombüse gelockt hatte.

Nun, bis auf Robin zumindest.

Fast schon flehend, ein ungewöhnlicher Gesichtsausdruck für den Schwertkämpfer, sah er die Archäologin an, doch diese schüttelte nur ihren Kopf.

„Wenn du schon mit ihm redest, könntest du ihm auch von deinen Gefühlen erzählen.“

„Was?“

„Du bist nicht unauffällig, Herr Schwertkämpfer. Man hat dir angesehen, dass du dir durchaus Gedanken um den Herrn Koch machst.“ Damit ließ auch sie Zorro auf dem Deck stehen.

Zorro starrte ihr nur verdutzt nach.

Er hatte keine Ahnung, was es bringen sollte, dem Smutje, wenn er ohnehin schon angeschlagen war, noch einen weiteren Grund geben sollte, ihn zu hassen. Oder ihn auszulachen.

Als ob der Frauenheld da Verständnis haben würde. Vor allem, weil das auch der beschissene Grund war, weshalb er seit sie wieder unterwegs waren, gerne in der Nähe der Kombüse schlief. Das würde dann tatsächlich dazu führen, dass er nass er dem Meeresboden näher kam, als ihm lieb war.

Er stapfte über Deck.

Eigentlich war es ja auch schon egal. Eigentlich konnte er dem Smutje jetzt wirklich einen Grund geben ihn zu hassen.

Vielleicht sollte er ihm gegenüber einfach behaupten, dass er mit den Pfannkuchen tatsächlich gelogen hatte – was nicht der Fall war –, nur um ihn zu provozieren.

Der Smutje würde sich am Ende besser fühlen und ob er in Ungnade fiel oder nicht, war egal. Er hatte es schließlich verdient.

Er war seiner Profession als Schwertkämpfer nicht gerecht geworden.

5. Kapitel: Kapitel IV: Ein Gespräch unter drei Augen

Zorro sah Sanji im ersten Augenblick, als er den Raum betrat. Der Smutje hatte sich gegen eines der Fenster gelehnt und den Kopf gegen die Scheibe gepresst.

Der Boden knarzte deutlich unter den festen Schritten Zorros, der auf den Smutje zuging und sich nach kurzem Zögern in dessen Nähe einfach auf den Boden setzte und abwartete.

„War das Absicht?“

Zorro wusste sofort, was der andere meinte. „Nein“, erwiderte er mit ruhiger Stimme. Da waren sie endlich, die Vorwürfe, auf die er gewartet hatte. „Ich habe nicht anders mit dir gekämpft, als sonst auch.“ ‚Ich wollte dich nie verletzen‘, klang leise mit.

„Gut“, sagte der Smutje und nichts lies erkennen, ob Sanji verstanden hatte, was Zorro sagen sollte, auch wenn dieser sich sicher war, dass er dies tat.

Zorro bohrte nicht nach, wieso ihn der Smutje nicht schon viel eher gefragt hatte. Er hatte nicht das Recht dazu, wie er fand. Und falls er es doch hatte, hatte er zumindest keine Lust darauf, diese Frage zu stellen.

„Ich hasse es, dass du mich erwischt hast. Das du schneller warst.“

Zorro wusste nicht, was er darauf sagen sollte. Er versank selbst dafür in Selbsthass, da konnte er dem Smutje auch nicht helfen. Außerdem waren große Worte ohnehin nicht sein Ding.

„Schmeckst du außer Salz wirklich nichts?“, wollte er stattdessen wissen. Er musste etwas sagen, einfach um der Stille keinen Raum geben. Stille, die vielleicht dafür gesorgt hätte, dass er sich Robins Rat noch einmal durch den Kopf gehen hätte lassen.

„Außer dem absolut nichts. Aber eigentlich ist das auch schon ein Wunder. Chopper hat ein Buch über Geschmacksverlust, Ageusie, im Krankenzimmer stehen. Dort heißt es, dass es normal viel länger dauert, bis wieder etwas zurückkommt. Es brauche Zeit. Und Geduld.“ Er klang bitter.

„Hm.“ Jetzt wusste Zorro doch nicht mehr, was er noch sagen sollte. Er überlegte, aber ihm blieb nichts übrig als abzuwarten, ob der Smutje vielleicht doch weiterredete.

Doch der Smutje schwieg, ließ sich schließlich an der Wand hinabgleiten, um sich hinzusetzen. Die Beine streckte er aus, sodass diese Zorros fast berührten. Es war weniger als eine Handbreit zwischen ihnen.

Zorro schluckte. Sie hatten schon lange nicht mehr so beieinander gesessen. Fehlte eigentlich nur noch der Alkohol.

„Aber immerhin heißt es, dass sich mein Problem irgendwann wieder geben wird. Dauerhaft ist es nur in den seltensten Fällen.“ Sanji blickte Zorro direkt in die Augen. Oder besser gesagt in das Auge.

„Das ist gut“, stieß Zorro schließlich aus.

 

Dann war da wieder Schweigen.

Es war nicht so, dass sie sonst viele Worte brauchten um miteinander zu kommunizieren – Worte waren zum Streiten da –, aber erneut wurde die Stille unangenehm. Zorro hasste es, dass die gemeinsame Ruhe sich plötzlich so anfühlte und nicht mehr beruhigend war. Sich nicht mehr wie zu Hause sein anfühlte.

Und er konnte nicht verhindern, dass er nervös wurde.

Er konnte nicht mehr sitzen. Er musste sich bewegen. Trainieren, Kämpfen, seine Wut in die Welt hinausbrüllen.

Eine Weile kämpfte er noch mit dem Bedürfnis nichts davon nach außen dringen zu lassen – Schwertkämpfer hatten sich unter Kontrolle, ihren Körper und Geist, immer und jederzeit –, aber irgendwann – er hätte nicht sagen können nach welcher Zeitspanne – konnte er nicht mehr. Er stand auf und begann, beobachtet vom Smutje, umherzugehen.

„Ungewöhnlich.“

„Was?“, fuhr er den anderen an.

„Normal bin ich der, der nicht stillsitzen kann und du bewegst dich keinen Millimeter. Was ist los?“

Also hatte der Smutje es bemerkt. Natürlich. Es war schwer nicht zu sehen, dass er sich ungewöhnlich benahm.

„Hast du etwa immer noch ein schlechtes Gewissen?“ Er lachte.

Ruckartig stieß Zorro die Luft aus, die sich in seinen Lungen gesammelt hatten. Wieso musste sich der Smutje immer über ihn lustig machen? Erst darüber, dass er überhaupt besorgt war, jetzt das. Er verstand diesen Kerl einfach nicht.  Er verhielt sich, gemessen an dem, was gerade mit ihm los war, völlig irrational.

Er machte ein paar Schritte weg. Überlegte, ob er eine der Hanteln nehmen und sich etwas sportlich betätigen wollte, verwarf die Idee dann wieder.

Plötzlich spürte er eine Hand auf seiner Schulter.

Er drehte sich herum.

Sanji.

Wieso hatte er nicht gemerkt, dass er aufgestanden und nähergekommen war? Sonst funktionierte das doch auch immer? Irgendetwas lief hier gewaltig falsch.

„Sag mir, was los ist“, bat der Smutje.

Zorro wollte mit dem Kopf schütteln, doch er wurde unterbrochen.

„Du bist doch der Meinung, dass du mir etwas schuldig bist, oder?“

Der Schwertkämpfer wollte zustimmen, merkte aber plötzlich, worauf das hinauslaufen würde und blieb stumm.

„Gut.“ Wieder grinste Sanji, dieses Mal jedoch erstaunlich dreckig. „Dann sag mir jetzt, was mit dir los ist, Marimo.“

Eigentlich war es jetzt wirklich egal. Und nicht alleine in seiner Verantwortung.

Die Gedanken, die er immer wieder zurückdrängte, waren plötzlich wieder deutlich fassbar.

Zorro war klar, dass die Idee idiotisch war.

Er machte einen Schritt auf Sanji zu.

Völlig idiotisch.

Sollte ihn der Smutje dafür von Bord kicken, hätte er es doppelt verdient.

„Das ist los, Sanji.“ Bewusst sprach er den anderen mit dem Vornamen an, gab ihm aber keine Zeit zu begreifen, sondern küsste ihn einfach.

Es war kein sanfter Kuss.

Er war hart, ruckartig und energisch. Wie er eben von jemandem war, der nicht viele – genau genommen keine – Erfahrungen in diesem Gebiet hatte und zeigen wollte, was er fühlte. Der zeigen wollte, nach was ihm verlangte. Wie er eben war, wenn dieser jemand nichts zu verlieren hatte. Oder es zumindest dachte.

Es war auch kein langer Kuss.

Aber das war auch gar nicht nötig.

 

Es war Sanji, der den Kuss löste, indem er ein paar Schritte zurückwich.

Und es war Zorro, der sich plötzlich so fühlte, als hätte man ihn zum Schafott geführt.

Er sah, dass keine Ablehnung in Sanjis Gesicht war, aber da war auch keine Begeisterung. Er zeigte einfach nichts. Starrte ihn nur so an, als würde er ihn zum ersten Mal sehen.

Wie in dem Moment, als er bemerkt hatte, dass sein Geschmackssinn verrücktspielte.

Zorro hätte das nicht tun sollen.

„Scheiße“, murmelte er.

Er ließ sich förmlich zu Boden fallen, sank in sich zusammen. Jetzt war es ihm egal, wie er nach außen wirkte.

Der Smutje hasste ihn jetzt wahrscheinlich. Und zum zweiten Mal innerhalb von zwei Tagen entschuldigte er sich: „Es tut mir Leid, ich hätte dich nicht …“ Seine Stimme brach.

„Schon gut“, kam daraufhin verblüffenderweise zurück. Gefolgt von einem lauten Seufzen.

Zorro hob seinen Kopf wieder und beobachtete, wie Sanji sich setzte. Direkt neben ihm. Dieses Mal praktisch Schulter an Schulter.

Er verstand gar nichts mehr.

„Mir ist gerade alles zu viel.“ Es war selten, dass der Smutje so offen zugab, dass ihm etwas zu viel war. „Ich wusste zwar, dass irgendetwas mit dir anders ist, seit wir wieder unterwegs sind, aber damit habe ich nicht gerechnet.“

Langsam sickerte es zu Zorro durch, dass da immer noch kein Hass war.

„Du hast mich überrumpelt. Und außerdem erwische ich mich bei dem Gedanken, dass es mir gefallen hat“, fuhr Sanji fort. „Auch wenn es etwas ungelenk war.“

„Was?“

„Du hast noch nicht viele Menschen geküsst, oder?“ Sanji rutschte herum, sodass Zorro dessen Blick endgültig nicht mehr ausweichen konnte. „Aber egal. Was ich eigentlich sagen wollte: Mir steht alles gerade bis hier.“ Er deutete auf seinen Hals. „Und eigentlich ist mir der Gedanke, mit einem Mann etwas zu haben, unangenehm.“ Er verzog sein Gesicht, schien sich an irgendetwas zu erinnern.

Also war das wohl ein nein. Aber ein positiveres Nein als erwartet. Zorro wusste nicht wie, aber plötzlich hatte er seine Schwerter wieder in der Hand. Sie hatten hier gegen die Wand gelehnt. Das von Kuina schien ihn besonders anzufunkeln, als würde sie ihm zuzwinkern.

Er befestigte es wieder an seinem Haramaki und schickte sich an, aufzustehen und zu gehen, wurde aber erneut von Sanji überrascht, der ihm eine Hand auf den Oberschenkel legte, und so zwang sitzen zu bleiben.

Er nahm sie erst wieder weg, als Zorro wieder ganz ruhig saß.

„Das war übrigens kein endgültiges Nein zu einem Mehr, Marimo. Nur damit du es weißt.“

„Was?“

„Soll ich es nochmal sagen?“ Er klang belustigt. „Algen verarbeiten Informationen anscheinend wirklich nicht sehr schnell.“

„Versuchst du gerade einen Streit zu provozieren?“ Zorro konnte spüren, wie sich alles in ihm anspannte. Aber nicht negativ. Gar nicht. Sondern vorfreudig. Wie vor einem großen Kampf auf Leben und Tod. Nur etwas anders.

„Vielleicht. Vielleicht will ich dir nur sagen, dass ich gerne darüber nachdenken würde. Bis wieder alles da ist.“

Das war eindeutig mehr als Zorro erhofft hatte. „Tu dir keinen Zwang an, deine Gehirnzellen zu benutzen. Algen mögen zwar langsam denken, können es im Gegensatz zu einer Zwiebel zumindest.“ Langsam fiel er wieder in sein altes Verhaltensmuster zurück.

„Wer versucht jetzt einen Streit zu provozieren?“

Zorro hob eine Augenbraue. „Musst du das jetzt wirklich fragen, Schnitzelklopfer?“

Sanji stand auf und klopfte sich die Hose ab. „Ich wollte nur sichergehen, ob du weißt, was du tust, Marimo.“

Zorro wollte mit ‚Immer‘ antworten, brachte es aber nicht heraus. Vielleicht konnte er doch nicht sofort zu seinem alten Verhalten zurückkehren.

Sanji schmunzelte. „Damit habe ich dann wohl sogar ohne Kampf gewonnen.“

„Vergiss es“, knurrte Zorro, näherte sich dem Smutje, der dieses Mal nicht zurückwich und ihn nur diabolisch angrinste.

6. Kapitel: Epilog: Geschmackvolles Ende

Die nächsten Tage vergingen gleichzeitig unglaublich schnell und quälend langsam.

Zum einen schnell, da sie mehr als genug zu tun hatten, ein Sturm, die Marine, andere Piraten. Wobei letztere dabei deutlich den Kürzeren zogen und ihr Schiff am Ende ein manövrierunfähiger Trümmerhaufen war. Zorro hätte sie  gerne auf den Grund des Meeres geschickt, aber da er sich an Ruffys unausgesprochene Anweisung niemanden zu töten hielt, kam das natürlich nicht in Frage.

Außerdem stritt er sich wieder mit Sanji. Nami schimpfte bereits wieder darüber, dass sie sofort wieder in den alten Trott gefallen waren. Und auch die anderen würden das, was zwischen ihnen war, als Normalzustand bezeichnen.

Lediglich Robin, vielleicht auch Ruffy – es war manchmal schwer zu sagen, was er mitbekam und was nicht, typisch Käpt’n einfach – ahnten, was vor sich ging.

Andererseits verging die Zeit langsam, denn Sanji schnitt ihr Gespräch nicht noch einmal an und Zorro selbst wollte warten, bis der Smutje etwas dazu sagte. Es fühlte sich falsch an, den Smutje zu irgendetwas dringen.

Zorro hatte auch keine Ahnung, ob Sanji inzwischen wieder mehr schmeckte als zuvor, denn auch das behielt Sanji für sich.

Und unauffällig Chopper auszuhorchen, was er sonst tun könnte – fair war anders, aber Chopper redete eben gerne viel, wenn er erst einmal in Fahrt kam, und hatte es nicht so mit dem Verbergen, wofür man ihm aber nicht einmal böse sein konnte –, aber der wusste ja nicht Bescheid.

 

„Danke, Marimo.“ Sanji nahm dem Schwertkämpfer das Geschirrtuch ab, woraufhin dieser zum Tisch ging und sich dort auf einen Stuhl fallen ließ.

Die Schwerter stießen dabei sanft gegen sein Bein. Inzwischen trug er diese wieder ständig mit sich und nicht mehr nur sporadisch.

Dumpf klirrte die Sakeflasche, die gleich darauf vor ihm abgestellt wurde.

 

In den letzten Tagen hatte es sich so eingebürgert, dass Zorro dem Smutje beim Spülen half, dafür noch eine Flasche Sake mehr für seine Nachtwache bekam. Es hatte keine Worte gebraucht, um das auszumachen.

Draußen wurde es langsam finster, doch das Schiff lag heute nicht vor Anker. Brook hatte ein Seekönigsnest entdeckt und niemand von ihnen war scharf darauf, lange in Sicht- und Riechweite zu bleiben. Außer vielleicht Ruffy, aber der hatte sich nach heftigem Protest dem Willen der anderen gebeugt.

Die Gefahren der Neuen Welt waren ohnehin nicht zu unterschätzen, da musste man es nicht zusätzlich darauf ankommen lassen, dass die Sunny zerstört wurde.

Dass das Schiff noch unterwegs war, war auch der Grund, weshalb die heutige Nachtwache nicht alleine unter Zorros Regie lag. Es brauchte zwei, um sicher zu sein, dass der Kurs der gleiche blieb. Vor allem, wenn einer davon ein gewisser verschlafener Schwertkämpfer war, hatte es Nami freundlich ausgedrückt. Also hatte der Smutje sich angeboten ebenfalls wach zu bleiben. Das erste Mal seit dem Unfall.

 

„Willst du an Bug, oder Heck?“, wollte Sanji wissen.

„Mir egal.“ Zorro öffnete die Flasche und trank einen Schluck. Er genoss das sanfte Brennen des Alkohols, der seine Kehle hinunterfloss.

„Dann geh ans Heck. Da ist es kein Problem, wenn du pennst.“

Zorro schnaubte. Dass er die meisten Nachtwachen tatsächlich nicht wach war – er spürte es, wenn es gefährlich wurde, oder sie vom Kurs abwichen, also wieso sollte er dann nicht schlafen? –, würde ihm noch die nächsten hundert Jahre unter die Nase gerieben werden.  Unsanft stellte er die Flasche wieder ab.

Wenn der Smutje ruppig zu ihm sein wollte, konnte er auch unfreundlich zu ihm sein.

Doch ehe Zorro einen Streit beginnen konnte, wechselte der Smutje das Thema: „Ich hab mich übrigens immer noch nicht entschieden.“

Und wieso teilte ihm der Smutje das mit? Das war etwas, das Zorro nun wirklich nicht wissen wollte.

 „Aber ich habe eine Frage an dich. Was genau willst du? Wieso hast du mich geküsst? Sexuelle Anziehung? Mehr?“

„Als ob du das nicht wüsstest, Kringelbraue“, grummelte Zorro. Er mochte es immer noch nicht, über solche Dinge zu reden.

„Schon.“ Sanji stützte sich gegenüber von ihm mit den Unterarmen auf den Tisch. „Aber ich möchte es gerne von dir hören.“

Es klang, als würde er Zorro verhören wollen.

„Meinetwegen.“ Zorro knurrte leise, riss sich dann aber zusammen und begann mit möglichst ruhiger – und leiser, wäre ja noch schöner, würde ein andere es hören – Stimme zu sprechen. „Ich habe keine Ahnung. Ich glaube nicht an wahre Liebe oder solches Gedöns, aber es fühlt sich so an.“ Er wurde kurz lauter. „Verdammt, Sanji, ich habe noch nie so gefühlt wie jetzt und ich weiß nicht, wie ich damit umgehen soll. Ich weiß nicht, ob ich wirklich mehr will. Ich weiß noch nicht einmal, wie ich mit dir jetzt umgehen soll.“ Und er verstand immer noch nicht, wieso Sanji ihn an diesem einen Morgen nicht schon ins Meer getreten hatte.

„Du hast noch nie etwas in der Richtung gefühlt? Warst du etwa auch noch nie verliebt?“ Sanji klang skeptisch. Konnte sich wohl nicht vorstellen, wie es war, nicht alle naselang einem Rock hinterherzuhecheln und jemanden zu begehren.

Zorro dachte für einen Moment an Kuina. Das hatte sich ähnlich angefühlt, aber doch ganz anders. Da war Bewunderung gewesen und Zuneigung. Aber nichts, das er … er atmete tief durch. „Nein. Noch nie.“

„Interessant.“

„Ist deine Neugierde jetzt befriedigt?“

„Schon.“ Sanji schmunzelte, sah Zorro dabei offen an. Er richtete sich wieder auf und ging um den Tisch herum, sodass er direkt neben dem Schwertkämpfer stand.

Dieser spürte, wie sein Herzschlag sich beschleunigte, schaffte es aber, nicht wegzusehen; er hatte Sanji die ganze Zeit über genau beobachtet.

Und auf einmal neigte sich der Smutje zu ihm hinunter und küsste ihn.

Zorro war verwundert. Überrascht. Irritiert. Reagierte erst gar nicht. Dann stand er auf, ohne den Kontakt zu lösen, und drängte sich dem Smutje entgegen, schloss die Augen und erwiderte den Kuss.

Er hatte keine Ahnung, was das jetzt sollte Aber wieso sollte er den Moment nicht einfach ausnutzen und genießen?

Doch irgendwann löste Zorro sich, hielt Sanji dabei an den Schultern fest, sodass dieser nicht zurücktreten konnte – jedenfalls nicht aus Reflex, würde er zutreten, wäre es kein Problem für den Smutje gewesen – und nahe bei ihm blieb. „Ist das deine Antwort, Sanji? Ich dachte, du hast dich noch nicht entschieden.“

„Jetzt schon“, antwortete Sanji. „Aber erwarte nicht, dass ich deswegen die Frauen nicht mehr achte, Marimo. Ich bleibe weiter ich.“ Seine Stimme war fest, klang sicher, als wüsste er genau, was er wollte. Und doch war da eine gewisse Note Unsicherheit, bei der sich der Schwertkämpfer nicht ganz sicher war, ob er sie wirklich wahrgenommen hatte.

„Hätte mich auch gewundert, wenn sich das ändern würde“, murmelte dieser.

Damit würde er leben können. Außerdem lieferte das weiter Gründe, mit dem Smutje zu streiten und ihm nah zu sein. Auch wenn die anderen dabei waren. Er wusste nicht wieso, aber er wollte dieses Etwas zwischen ihnen beiden erst einmal für sich behalten.

Und auch ohne zu fragen, wusste er, dass Sanji das genauso sah. Oder hoffte es zumindest. Es war gerade schwer zu sagen, wo die Realität aufhörte und die Fantasie begann. Alles war so surreal.

Außerdem er war noch immer wie überfahren davon, wie gut sich das anfühlte. Der Kuss. Das sich nahe sein. Und überhaupt. Er hatte das nicht erwartet. Absolut nicht. Aber da war es, dieses Gefühl, als ob etwas in ihm brannte. Und verdammt noch eins, er wollte mehr von diesem Feuer.

Er sah den Smutje an, noch immer standen sich dicht beieinander. Frei im Zimmer und doch machte keiner der beiden den Anstoß sich gegenseitig mehr Raum zu geben.

Zorro neigte sich erneut zum Smutje, er konnte nicht anders. Küsste ihn erneut.

Und dieses Mal gingen seine Hände dabei auf Wanderschaft. Er strich am Körper des Smutje entlang, weiter nach unten.

Und plötzlich war da jemand, mit festem Griff, der Zorros Handgelenk packte und den Kuss abbrach.

„Pass auf, wie weit du gehst“, sagte der Smutje, aber es klang nicht böse. Nur ernst.

Zorro sah dem anderen in die Augen und nickte, soweit es ihm in seiner Position möglich war.

Erst ihn aufziehen, dass er nicht viel Erfahrung hatte und dann alles ausbremsen? Zwar nicht typisch Smutje, aber es passte zu ihm. Irgendwie. Und er würde das respektieren.

Ein Schwertkämpfer hatte sich schließlich immer und überall unter Kontrolle.

Für den Moment brachte er wieder Abstand zwischen sie und griff nach seinem Sake, um sich erneut einen Schluck zu genehmigen.

„Du kannst echt keinen Abend ohne Alkohol, oder, Marimo?“

Zorro verkniff sich den Kommentar, dass er, so lange der Smutje im Krankenzimmer war, nichts angerührt hatte. „Na und? Du doch auch nicht, ohne deine Zigaretten.“

„Das ist etwas anderes.“ Der Smutje grinste.

„Natürlich.“ Zorro verkniff es sich, das Auge zu verdrehen.

Währenddessen wurde ihm die Sakeflaschen von Sanji aus der Hand genommen, der daraufhin einen großen Schluck nahm. „Ich werde nie verstehen, was du an dem Zeug findest. Es ist einfach nur bitter.“ Skeptisch blickte er die Flasche an. „Ich bleibe bei meinem Wein. Definitiv.“

„Pff.“ Dann fiel ihm auf, was der Smutje gesagt hatte. „Heißt das, dass …“

„Jap. Seit zwei Tagen.“ Wieder grinste er. Leicht schelmisch, leicht beruhigend.

„Und warum hast du nicht eher was gesagt?“

„Hast du dir etwa immer noch Sorgen gemacht?“ Sanji lachte leise auf.

„Du bist unmöglich, Schnitzelklopfer“, knurrte Zorro, der sich plötzlich nicht mehr sicher war, welches Spiel der andere hier spielte. Ob er sich nicht nur erneut über ihn lustigmachen wollte.

„Ich bin sehr wohl möglich, sonst stünde ich nicht hier.“ Er machte ein paar Schritte in Richtung der Kombüsentür.

„Du weiß, was ich meine!“ Zorro zog sein Yubashili.

„Jaja.“ Sanji verließ den Raum und Zorro fluchte.

Wenn das so weiterging, würde er sich wohl selbst ins Meer stürzen.

„Kommst du, Lahmarsch?“, rief der Smutje von draußen. „Wir haben da noch was zu erledigen. Das nennt sich Nachtwache.“ Ein leichter Rauchgeruch drang in die Kombüse. Also hatte sich der Smutje wohl wieder eine Zigarette angezündet …

„Ich geb dir gleich einen Lahmarsch!“, rief Zorro ihm hinterher.

Er würde Sanji die Hölle heiß machen.

Und nach der Hölle … nach der Hölle würden vielleicht noch ganz andere Dinge heiß werden.

 

Es klirrte. Ein dumpfer Schlag war zu hören.

Dazwischen zwei Männerstimmen.

Fluchen.

Lachen.

Und ein Schiff trieb ohne eine brauchbare Wache durch die Nacht.

Etwas schepperte.

Der Schwertkämpfer lag am Boden, der Smutje halb auf ihm. Laut lachend, während ersterer grummelte.

Wobei das Grummeln erstaunlich schnell nachließ, nachdem der Smutje den Schwertkämpfer erneut geküsst hatte.

Ein Auge, das bis eben an der Reling geprangt hatte, löste sich in feinem Blumennebel auf. Und Robin sagte Nami, dass sie sich wegen des Lärmes keine Sorgen machen müsse, es würde bald aufhören.

Kurz darauf war es still auf der Sunny.

Nur zwei Männer saßen an Deck. Wein und Sake vor ihnen.

Die Wellen rauschten.

Und bald, bald schon sollte die Morgenröte die Idylle beenden.

Doch noch … noch war alles gut.

Autorennotiz:
„Zorro und Sanji streiten sich mal wieder, doch diesmal ist alles anders...“
Nach diesem Motto sollte ich einen Oneshot – geworden ist daraus etwas mit ein paar Kapiteln mehr – für mein Wichtelkind Mira206 schreiben. Das und fünf Wörter unterbringen, die ich aus dramaturgischen Gründen unerwähnt lasse, auch wenn das Rating einen gewissen Hinweis geben könnte.
Alles Gute nachträglich, Mira.
Und euch allen viel Spaß beim Lesen.