The She Wolf And The Vampire

Kurzbeschreibung:

Am 1.5.2019 um 23:37 von Lyana1997 auf StoryHub veröffentlicht

1. Kapitel: Dear Diary

Hallo liebe Leser,
Bevor ich euch bereits mit diesem Vorwort langweile, mache ich es kurz. Diese Story ist ein Remake meiner alten nicht mehr existenten Story "Will it ever end" (Früher online auf Fanfiktion.de). Die Grundidee ist noch die gleiche und manch einer von euch wird das ein oder andere Detail wiedererkennen, trotzdem wird diese Geschichte etwas anders sein als die alte.
Für alle Neuankömmlinge, ihr müsst die alte Geschichte nicht kennen und ich freue mich sehr, dass ich euer Interesse geweckt habe!
Zur Klärung: Alle hier aufgeführten Charaktere, außer Nathalie, Eveline, Kyara und eventuell Davina (noch nicht sicher, ob sie vorkommt), gehören nicht mir sondern Lisa J. Smith und den Machern von Vampire Diaries. Zitate aus der Serie sind mit '...' gekennzeichnet.
Viel Spaß!

Liebes Tagebuch....
Beginnt man das wirklich so? Naja was solls.
Also, wie fange ich an?
Mein Name ist Nathalie Lockwood. Na gut. Eigentlich Nathalie Zoey Lockwood, doch außer meiner Mutter verwendet keiner sonst meinen Zweitnamen, worüber ich auch ganz froh bin. Meine Freunde nennen mich fast alle Alie, wahrscheinlich weil ihnen mein normaler Name zu lang ist, aber das stört mich nicht weiter.
Ich bin momentan siebzehn Jahre alt und wohne (welch Überraschung!) noch bei meinen Eltern. Wir leben in Mystic Falls, einer relativ langweiligen Kleinstadt in Virginia, von welcher mein Vater der Bürgermeister ist. Deswegen kann man mich wohl auch als "reich" bezeichnen (dieses Adjektiv passt wohl auf jemanden, der in einer Villa wohnt und eine fast endlos EC-Karte besitzt), doch ich mag es nicht sonderlich als verzogenes verwöhntes Gör gesehen zu werden, denn so bin ich nicht... Glaub ich. Viel schlimmer ist da mein (Zwillings-)Bruder, der wohl gerade eine Phase hat, in der er versucht der größte Macho-Arsch des Jahres zu werden. Und als wäre das nicht schlimm genug, muss ich auch noch als die "kleine Schwester" ständig überwacht werden (und das nur wegen ZEHN MINUTEN Altersunterschied!) und jeder Kerl, der sich mir nährt und meinem werten Bruder nicht passt, wird erstmal ordentlich... Wie drücke ich das elegant aus: "verunstaltet".
Tja, aber ich liebe Tyler trotzdem... Irgendwie. Frage mich auch manchmal warum. Wahrscheinlich weil ich biologisch dazu gezwungen werde.
Neben meinem Bruder gibt es natürlich noch andere, die einen großen Teil meiner Zeit stehlen, aber dennoch einen wichtigen Platz in meinem Leben einnehmen. Da wäre meine Freundin Caroline, welche von Zeit zu Zeit etwas schwierig sein kann, Bonnie, die gerne mal mit ihren imaginären Hexenkräften prahlt und natürlich meine allerbeste Freundin Elena. Wir kennen uns alle schon aus dem Kinderbett, doch bei Elena habe ich das Gefühl, wir wären Seelenverwandte. Ich kann mit ihr über alles reden und wir hatten noch nie Geheimnisse voreinander. Jedoch macht die Ärmste momentan eine schwere Zeit durch, da sie vor ein paar Monaten ihre Eltern bei einem Autounfall verloren hat. Seitdem hat sie es nicht gerade leicht und auch ihre Tante Jenna, die nun das Sorgerecht hat, und ihr Bruder Jeremy haben zu kämpfen.
Apropos Jeremy. Mit ihm und mir ist es etwas kompliziert.
Sagen wir, er will schon ewig etwas von mir und vor dem Unfall hatte ich auch ein wenig Interesse an ihm gehabt. Aber eben nur ein wenig, denn ich hatte in seiner Gegenwart immer das Gefühl, dass ich doch etwas anderes haben will. Trotzdem hatte ich ein paar Dates zugestimmt und es hat auch echt Spaß gemacht, doch dann war der Unfall, wodurch Jeremy in eine heftige Emo-Phase geraten ist. Jetzt läuft er nur noch in schwarz rum, trägt schwarzen Nagellack und nimmt sogar Drogen.
Tja und genau das hat mich abgeschreckt. Natürlich hatte ich versucht für ihn und Elena da zu sein, jedoch fühle ich mich in Jeremys Gegenwart nun einfach nicht mehr wohl... Elena meint ja, dass er immer noch in mich verknallt ist, aber so wie er jetzt ist sehe ich keine gemeinsame Zukunft für uns beide...
Wow! Das klang ja fast poetisch. Ich könnte Schriftsteller werden... Nicht.
Ach Gott... Ich wünsche mir echt, ich hätte mal normale Probleme.
Obwohl ein normales Problem habe ich momentan: Schule. Und zwar ist heute der schlimmste Tag im Jahr: Der erste Schultag nach den Sommerferien.
Und der würde langweilig sein wie immer. Es sei denn Gott erhört meine Gebete und lässt dort mal irgendwas Spannendes passieren. Das wäre doch mal was!



Ich gab einen langen Seufzer von mir und schlug das kleine Büchlein zu, um es mitsamt Stift wieder in die Tasche auf meinem Schoß zu stecken.
"Was hast du da gemacht?", fragte Tyler, der neben mir saß und das Auto fuhr, welches uns zur Schule brachte. Dass wir uns trotz unseres Geldes ein Auto teilen mussten, verdankten wir dem Geiz meiner Eltern und der Tatsache, dass mir keiner in meiner Familie zutraute allein Auto zu fahren. Pffff...
"Tagebuch schreiben", gab ich zur Antwort und rieb mir die Augen. Zu wenig Schlaf gehabt wie üblich.
Tyler runzelte die Stirn.
"Seit wann schreibst du Tagebuch?", fragte er irritiert.
"Seit 5 Minuten etwa." Und seit Elena meinte, es würde mir gut tun, es mal zu versuchen.
"Ist dir dein altes Hobby etwa zu langweilig geworden?", fragte Tyler scherzhaft, doch ich hörte trotzdem den kleinen Hoffnungsschimmer in seiner Stimme und musste mir ein Lachen verkneifen. Meine Mutter hatte mich vor gut 10 Jahren einmal, Gott weiß warum, in einen Gesangsunterricht gesteckt und seitdem hatte ich eine Begeisterung für das Singen entwickelt. Ich übte meist in meinem Zimmer und versuchte nicht allzu laut zu sein, denn ich bezweifelte, dass sich mein Geträller wirklich gut anhörte, doch da Tyler sein Zimmer direkt nebenan hatte... Tja. Ich war ihm damit zumindest schon oft genug auf die Nerven gegangen. Jedoch hatte er noch nie behauptet, dass es schief geklungen hatte, genauso wenig wie Caroline. Sie war neben Tyler die Einzige, die meinen Gesang hören durfte. Ich traf mich öfter mit ihr, da sie meine Begeisterung für das Singen teilte, doch im Gegensatz zu ihr hatte ich nicht vor, mich jemals vor ein Publikum zu stellen. Dazu war ich viel zu unsicher.
"Erde an Nathalie!", riss mich da Tyler aus meinem Gedankengang und ich sah zu ihm auf.
"Was?"
"Ich hatte dich gefragt, ob du ein neues Hobby gefunden hast?", wiederholte er augenverdrehend und diesmal gelang es mir nicht, ein Lachen zurückzuhalten. Obwohl er sich nach Jahren daran gewöhnt haben müsste, dass ich mit den Gedanken öfter mal woanders war, nervte es ihn immer noch, wenn ich ihm irgendwann keine Antwort mehr gab.
"Tut mir leid, Tyler. Aber nein", sagte ich schmunzelnd und er seufzte, als er in diesem Moment den Wagen anhielt. Erstaunt blickte ich auf. Waren wir etwa schon da?
Tatsächlich standen wir auf dem bereits gut gefüllten Schulparkplatz.
"So kleine Schwester. Zeit sich zu trennen", sagte Tyler, als er sich abschnallte und nach seiner Tasche auf dem Rücksitz griff, während er meinen bösen Blick mit einem provozierenden Grinsen quittierte, "Sei schön brav." Ich gab nur ein beleidigtes Brummen von mir, als wir gleichzeitig ausstiegen. Er wusste, dass ich es hasste, wie ein kleines Mädchen behandelt zu werden, vor allem da wir eigentlich gleich alt waren.
"Ich warte nach dem Unterricht hier auf dich, also beeil dich bitte und verschwende nicht wieder deine Zeit in der Drogenecke", sagte ich zu ihm, ehe ich die Autotür zuschlug und Richtung Schulhof ging ohne Tyler nochmal anzusehen.
"Ruf mich an, wenn was ist", rief er noch und ich lächelte etwas. Er war zwar ein Arsch, aber wenn ich in Schwierigkeiten kam, war er immer für mich da. Auch wenn er zurzeit an einer Geschmacksverirrung namens Vicky Donovan litt. Sie war die Drogenbraut schlecht hin, tausend Mal schlimmer als Jeremy, und definitiv ein schlechter Umgang für Tyler. Aber der sah wahrscheinlich sowieso eher ihren Arsch als ihre Persönlichkeit.
Kopfschüttelnd schlängelte ich mich zwischen den vielen Schülergruppen hindurch auf der Suche nach meinen Freunden, jedoch konnte ich von den Mädels niemanden auf dem Hof entdecken.
Ob sie schon drin waren?
Als hätte mein Handy die Frage gehört, vibrierte es plötzlich in meiner Hosentasche.
Seufzend griff ich danach und blickte auf das Display, während ich die Tür, die in das Gebäude führte, ansteuerte.

Von Elena, 7:47 AM
Warte beim Schließfach auf dich :)


Aha, da hatte sich Elena also versteckt. Ich setzte an, eine Antwort zu tippen, als ich direkt in jemanden hineinlief und durch den Stoß mein Handy fallen ließ.
"Gott! Kannst du nicht aufpassen?!", fluchte ich und funkelte mein Gegenüber verärgert an, wen ich kurz darauf als Jeremy erkannte.
"Alie?", fragte er, als hätte er etwas gebraucht, um mich zu erkennen, "Hey… Was machst du denn hier?", fragte er und ich hob kurz die Augenbrauen, ehe ich mich kurz nach meinem Handy bückte, um es wieder aufzuheben.
"Ich gehe hier zur Schule, so wie letztes Jahr und das Jahr davor und auch das davor", antwortete ich und stemmte die Hände an die Hüfte, um ihn skeptisch zu mustern. Hatte er wieder Drogen genommen, dass er so komische Fragen stellte?
"Ja, ja. Ich weiß... ich- ich meinte nur, dass... also...", stotterte er und senkte etwas verlegen den Blick, was ich zugegeben ganz süß fand.
"Was meintest du?", versuchte ich ihm zu helfen und lächelte ihn fragend an.
"Ich meinte, ich habe dich gesucht", vollendete er schließlich seinen Satz und versuchte ebenfalls zu lächeln.
"Tja, hier bin ich, also was ist los?"
"Ich wollte dich fragen, ob wir uns heute Abend vielleicht treffen können. Im Grill oder so?" Erwartungsvoll blickte er mich mit seinen großen braunen Augen an und sah dabei fast aus wie ein Welpe, der auf seine Streicheleinheiten wartete. Ich spürte wie mir bei diesem Anblick das Herz leicht schwer wurde. Ich war ihm über die Ferien so oft wie möglich aus dem Weg gegangen, in der Hoffnung, dass er vielleicht über mich hinweg käme. Da hatte ich wohl falsch gedacht.
"Jeremy, tut mir leid, aber ich treffe mich heute Abend schon mit Elena und den anderen im Grill", antwortete ich und es war sogar die Wahrheit. Wir hatten uns gestern Abend ausgemacht, dass wir heute dorthin gehen würden. Jedoch war ich froh, dass ich diese Ausrede im Moment parat hatte.
Versteht mich nicht falsch, Jeremy konnte wirklich hammer süß sein, wenn er wollte. Aber eben nur wenn er wollte und wenn dies nicht der Fall war, war er wieder der Junge mit dem ich nichts zu tun haben wollte: Ein drogennehmender Rebell, der fast immer mies gelaunt war und drohte von der Schule zu fliegen. Ich wusste, dass es ihm zurzeit echt schlecht ging, aber immer, wenn ich oder Elena versuchten ihm zu helfen, blockte er ab. Und mit so jemanden konnte und wollte ich nicht zusammen sein. Er war dabei richtig abzustürzen.
"Also, was sagst du Alie?", riss mich Jeremy aus meinen Gedanken und ertappt blickte ich auf.
"Ähm... von mir aus?", antwortete ich unsicher und hoffte, dass er mir gerade keine wichtige Frage gestellt hatte.
Sein Blick hellte sich auf und ich biss mir leicht auf die Lippe.
"Gut! Dann treffen wir uns heute Abend um acht um Grill. Da hast du noch genug Zeit, um mit Elena was zu machen." Verflucht! Hätte ich doch mal zugehört!
Ich zwang mir ein Lächeln auf und nickte etwas, woraufhin er mich kurz umarmte und mir, bevor ich irgendwie reagieren konnte, einen Kuss auf die Wange drückte.
Er lächelte mich noch kurz an, ehe er sich auch schon umdrehte und davon eilte, während ich erstmal perplex meine Wange berührte. Es fühlte sich seltsam an. So seltsam, dass ich nicht einordnen konnte, ob es ein gutes oder schlechtes Gefühl war. Verdammt nochmal, konnte sich mein Körper nicht mal entscheiden, ob er sich von diesem Kerl angezogen fühlte oder nicht?
Seufzend schüttelte ich den Kopf, um den Gedankenwirrwarr darin loszuwerden, ehe ich schließlich ins Schulgebäude ging.
Ich bahnte mir irgendwie einen Weg zwischen den Schülermassen hindurch bis zu dem Gang, wo sich die Spinds befanden und brauchte gar nicht lange, um Elena zu entdecken. Die wurde nämlich gerade von Caroline fast erwürgt, welche sie in einer überschwänglichen Umarmung hielt. Daneben stand Bonnie, welche mich schon entdeckt hatte und mir einen "Typisch"-Blick zuwarf. Ich erwiderte ihren Blick und gesellte mich still zu den dreien.
"'Wie geht's ihr? Geht's ihr gut?'", fragte Caroline, die sich wieder von Elena gelöst hatte, nun an Bonnie gewandt und ich verkniff es mir meine Augen zu verdrehen. Das war eine furchtbare Angewohnheit von Caroline, immer andere zu fragen, anstatt die betreffende Person direkt anzusprechen.
"'Caroline, ich bin hier'", sagte da Elena, die das gleiche zu denken schien und hob leicht die Hand," 'Und mir geht's gut. Danke!'"
"'Wirklich?'", fragte die Blondine nach und Elena nickte
"'Ja. Viel besser'", fügte sie noch hinzu, als ihr Gegenüber und zugegeben auch Bonnie sowie ich nicht überzeugt wirkten. Wem ging es denn nach gerade einmal 3 Monaten nach einem Unfall, in dem man seine Eltern verloren hatte, denn gut?
Caroline schien ihr noch immer nicht zu glauben und schloss sie nochmal in die Arme.
"'Oh du Ärmste'", murmelte sie, während Elena sichtlich damit kämpfte nicht die Augen zu verdrehen.
"'Okay, Caroline'", sagte die Dunkelhaarige, in der Hoffnung Caroline verstand den Wink.
Und das tat sie. Sie löste sich von Elena und lächelte noch einmal. Etwas übertrieben, oder?
"'Sehen wir uns nachher?'", fragte sie noch, was Elena bejahte, ehe sie sich von ihr und Bonnie abwandte und Richtung Klassenzimmer verschwinden wollte. Dabei sah sie jedoch mich und umarmte mich mit einem flüchtigen "Hey Alie!", bevor sie endgültig davon rauschte.
Ich hatte nicht mal die Zeit ansatzweise zu reagieren, so schnell ging das vonstatten.
Ich hob nur leicht die Augenbrauen und wandte mich zu Bonnie und Elena, welche mich nun auch entdeckt hatte.
"Da bist du ja endlich!", sagte sie und lächelte mich an.
"Jap, wurde von deinem kleinen Bruder aufgehalten, aber dich hat es ja schlimmer erwischt wie ich sehe", antwortete ich und verschränkte grinsend die Arme.
Elena hob die Hände.
"'Kein Kommentar'", sagte sie nur und ich nickte immer noch grinsend, während Bonnie einfach nur den Kopf schüttelte.
"Ich sag auch nichts dazu'", meinte sie, ehe wir uns zu dritt Richtung Klassenraum begaben.
"Was wollte Jer denn von dir?", fragte da Elena an mich gewandt, während wir durch die Gänge liefen.
"Naja...", sagte ich gedehnt, "Es kann sein, dass ich aus Versehen zugestimmt habe mich mit ihm heute Abend im Grill zu treffen. Nachdem wir drei zusammen gegessen haben, meine ich."
"Du hast aus Versehen zugestimmt?", fragte Bonnie belustigt nach, während Elena grinsend den Kopf schüttelte.
"Zoey, Zoey... Immer mit dem Kopf woanders", sagte die Braunhaarige und ich warf ihr einen warnenden Blick zu.
"Lass das", grummelte ich und gab ihr einen leichten Stoß in die Seite, was sie aber nur breiter grinsen ließ. Sie wusste genau, dass ich es nicht mochte, mit meinem Zweitnamen angesprochen zu werden, genauso wie sie wusste, dass ich öfter mal mit den Gedanken abschweifte und deswegen in unangenehme Situationen geriet wie diese jetzt mit Jeremy.
"Okay, tut mir leid", gab Elena da nach, als sie erneut meinem bösen Blick begegnete, "Aber immerhin hat es etwas Gutes. Du hast ein Date!" Ich sah sie zweifelnd an.
"Ich sehe leider nicht, was daran gut sein soll", murmelte ich.
"Ach komm schon, gib Jeremy eine Chance!", sagte Elena und ich unterdrückte ein Seufzen. Ging das wieder los.
Ich hatte keine Ahnung, warum Elena mich mit Jeremy verkuppeln wollte, jedoch versuchte sie es immer und immer wieder.
"Ich habe ihm schon mindestens fünf gegeben", widersprach ich und Elena wollte etwas erwidern, als Bonnie uns plötzlich unterbrach.
"'Guckt mal, wer ist denn das?'", fragte sie und wir folgten ihrem Blick durch eine offene Tür, die ins Sekretariat führte, zu einem groß gewachsenem Jungen, der mit dem Rücken zu uns stand und gerade mit der Sekretärin am Schreibtisch ihm gegenüber sprach. Er trug eine altmodische Lederjacke, eine verwaschene Jeans und hatte dunkelblondes Haar. Mehr konnte ich von meiner Position aus nicht erkennen.
"'Ich sehe nur einen Rücken'", sagte Elena schulterzuckend
"'Ist aber ein scharfer Rücken'", sagte Bonnie.
"Und ein scharfer Arsch", fügte ich hinzu und kurz grinsten wir drei uns an.
"Er muss neu hier sein", überlegte Elena, während wir den Kerl noch immer anstarrten. Natürlich möglichst unauffällig.
"'Ich spüre Seattle'", sagte da Bonnie, die konzentriert die Augen verengt hatte," 'Und er spielt Gitarre.'"
Ich lachte zeitgleich mit Elena auf.
"'Du musst diese Medium-Geschichte voll ausreizen, hm?'", fragte Elena und Bonnie nickte.
"'Offenbar ja'", meinte sie.
"Du könntest mal rausfinden, wie er heißt, wenn du so hellseherisch bist", sagte ich amüsiert und als wäre es eine Aufforderung gewesen, verengte Bonnie wieder die Augen und starrte den Typen an. Ich schüttelte lachend den Kopf.
Ich wankte noch, ob ich ihr glauben sollte, dass sie eine Hexe war, oder nicht. Einerseits wusste sie wirklich manchmal Dinge, die sie nicht wissen konnte, andererseits war es einfach absolut absurd. Das hier war schließlich die Realität und nicht Harry Potter oder sonst irgendein anderes Fantasy-Buch.
"'Ich komm gleich wieder'", sagte da Elena plötzlich und lief davon Richtung Toiletten, wo ich gerade noch so Jeremy verschwinden sah.
Oh nein. Also hatte ich vorhin richtig gelegen. Er nahm noch immer Drogen.
"Lass uns schon mal gehen, Bonnie", sagte ich zu der Schwarzhaarigen neben mir, die noch immer gebannt auf den Neuzugang starrte, welcher sich in diesem Moment umdrehte und das Zimmer verließ.
Okay, ich musste zugeben, er sah tatsächlich ziemlich gut aus, aber ich stand eher auf Dunkelhaarige deswegen hielt sich meine Begeisterung darüber in Grenzen.
Mr. Unbekannt ging an uns vorbei, ehe er zwischen den anderen Schülern im Gang verschwand, wobei er den Blick fast jeden Mädchens auf sich zog.
"So genug gegafft. Jetzt komm endlich!", sagte ich nun etwas bestimmter und zog Bonnie, die noch immer nicht auf mich reagierte, am Arm. Da schien sie in die Realität zurückzukehren.
"Ja, ja. Schon gut", murmelte sie etwas ertappt, was mich leicht lachen ließ.
"Was? Das ist seit langem mal wieder der erste Typ an unserer Schule, der echt heiß ist, also lass mich starren!", meinte Bonnie und schürzte beleidigt die Lippen und ich schmunzelte.
"Okay, okay, aber lass uns jetzt echt zu Geschichte gehen. Ich habe keine Lust gleich in den ersten 5 Minuten 'getannert' zu werden", sagte ich und setzte das Wort mit den Fingern in Gänsefüßchen, während ich es sagte. Mr. Tanner war unser Geschichtslehrer und dafür bekannt auf Schülern herumzuhacken, wenn sie auch nur eine Sache nicht wussten. Zudem war er auch noch der Trainer unseres Footballteams "Timberwolves" was erschreckend gut zu ihm passte. Zumindest wenn es für einen Footballtrainer üblich war, jeden einzelnen Spieler zur Schnecke zu machen.
Etwa 2 Minuten vor Unterrichtsbeginn kamen Bonnie und ich in den Klassenraum wo schon fast alle Plätze belegt waren. Unter den ganzen vertrauten Klassenkameraden, mit welchen ich aber so gut wie nie sprach, entdeckte ich Matt, dem ich kurz zuwinkte. Matt war Elenas bester Freund, frisch getrennter Ex-Freund und kleiner Bruder der Drogenbraut Vicky. Elena hatte nach dem Unfall mit ihm Schluss gemacht und obwohl es schon Monate her war, trauerte Matt ihr noch immer nach. Der Arme.
Weiter meinen Gedanken nachhängend nahm ich an meinem üblichen Tisch Platz und Bonnie tat es mir nach.
Gerade noch rechtzeitig zum Klingeln kam dann auch noch Elena hereingestürmt, gefolgt von dem Neuzugang. Und Elenas Gesichtsfarbe nach zu urteilen, die einer überreifen Tomate glich, war sie wohl schon mit ihm in Kontakt gekommen. Und das wahrscheinlich durch einen ungewollten Zufall. Ich sah Elena nur fragend an, was sie mit einem "Frag-Nicht"-Blick erwiderte.
Ich lächelte nur in mich hinein, als Mr. Tanner auch schon mit dem Unterricht begann.

2. Kapitel: If He Finds Her...

"'Sein Name ist Stefan Salvatore! Er wohnt im alten Salvatore-Anwesen bei seinem Onkel. Als Kind ist er von hier weggezogen.'", redete Caroline begeistert auf mich und Bonnie ein, "Militärfamilie, hat dauernd umziehen müssen. Er ist Zwilling und seine Lieblingsfarbe ist blau.'" Wir hatten gerade das Grill betreten, der einzige Ort in dieser Stadt, wo man was Vernünftiges trinken konnte, und Caroline redete unaufhörlich von dem neuen Schüler. Wir hatten sie zufällig vorhin getroffen, als Bonnie und ich vor der Tür auf Elena gewartet hatten, welche dann aber per Handy Bescheid gegeben hatte, dass sie etwas später käme.
"'Das hast du an einem Tag rausgekriegt?'", fragte Bonnie ungläubig und Caroline grinste.
"'Das hatte ich schon nach der dritten Stunde raus, ich bitte dich!'", sagte die Blonde etwas arrogant," 'Wir beide heiraten im Juli.'"
Damit wandte sie sich ab und ging zu irgendeinem anderen Mädchen, das ich nicht kannte, während ich mich mit Bonnie einen vielsagenden Blick wechselte, ehe wir beide uns an einem Tisch niederließen. Ich mochte Caroline wirklich, aber manchmal war sie echt ein Aas.
"Ich wette Stefan, falls er wirklich so heißt, ahnt noch nichts von seinem Glück.", sagte ich und hob die Augenbrauen.
"Du meinst Unglück.", korrigierte Bonnie und ich nickte. Wir wussten, dass Caroline etwas kontrollsüchtig und oberflächlich war, aber gerade übertrieb sie es etwas.
"Lass uns was trinken, ich brauch noch Kraft für später.", sagte ich und seufzte.
"Ach mach dir keinen Kopf. Es wird schon nicht so schlimm mit Jeremy.", versuchte Bonnie mich aufzubauen, was aber leider nicht so funktionierte.
"Das sehen wir ja dann.", meinte ich nur und blickte mich kurz im Grill um. Gut, er war noch nicht da. Stattdessen entdeckte ich Matt, welcher gerade reingekommen war und nun direkt auf uns zu lief.
"Hey.", begrüßte er uns.
"Hey.", erwiderten Bonnie und ich im Chor.
"Kann ich mich zu euch setzen?", fragte er und Bonnie lächelte.
"Klar.", antwortete ich und er gesellte sich zu uns.
Während er nun mit Bonnie ein Gespräch anfing, checkte ich unauffällig mein Handy.
19:00 Uhr und keine Nachrichten. Mal sehen, ob Jeremy pünktlich sein würde.
"'Greif dir ein Telefon und ruf sie an.'", riss mich Bonnie aus den Gedanken und sofort wusste ich, worum es ging.
"'Ich komm mir dabei blöd vor. Sie hat mit mir Schluss gemacht.'", sagte Matt kopfschüttelnd.
"Du musst Geduld haben.", mischte ich mich ein und versuchte mich an einem aufmunternden Lächeln.
Da ging plötzlich die Tür auf und Elena trat herein, jedoch gefolgt von Stefan, was meinen letzten Satz nun völlig albern erscheinen ließ.
"Ich soll Geduld haben, hm?", meinte Matt nur und ich sah ihn mitleidig an, als er aufstand und direkt auf die beiden Neuankömmlinge zuging.
Die drei zogen nun alle Blicke auf sich, besonders den von Caroline, welche gerade bei Tyler stand, der zu meiner Überraschung und Entsetzen auch hier war.
Na toll, jetzt war ich in einem Raum mit meinem Bruder, der Jeremy wahrscheinlich zusammenschlagen wird, wenn er ihn in meiner Nähe sieht, einem angehenden Liebespärchen und zwei Leuten, denen das gar nicht passte.
Der Abend konnte ja heiter werden.

***

Wir saßen nun schon über eine Stunde hier. Stefan und Elena hatten sich sofort nach ihrer Ankunft zu mir und Bonnie gesetzt und später war auch Caroline dazu gekommen. Nun waren wir alle damit beschäftigt Stefan über seine Herkunft auszufragen. Das heißt Bonnie und Caroline taten das hauptsächlich, während Elena und ich lieber zuhörten. Stefan schien auf dem ersten Blick sehr nett zu sein und mir entging nicht, dass sich er und Elena immer wieder mal Blicke zuwarfen, was ich mit einem Lächeln zur Kenntnis nahm. Elena hatte wirklich nachdem was passiert war, etwas Glück verdient.
"'Dann bist du also in Mystic Falls geboren worden?'", fragte Caroline gerade und Stefan nickte.
"'Aber weggezogen, als ich noch klein war.'", fügte er hinzu.
"'Und deine Eltern?'", fragte Bonnie.
"'Ich habe beide früh verloren.'" Unweigerlich wanderten bei der Antwort alle Blicke zu Elena.
"'Das tut mir leid.'", sagte diese leise, "'Hast du Geschwister?'", versuchte sie abzulenken. Stefan zögerte kurz, ehe er antwortete.
"'Keine mit denen ich rede.'" Also hatte er welche? Unweigerlich wurde ich neugierig, doch es war offensichtlich, dass er nicht darüber reden wollte, also ließ ich es sein.
"'Ich, äh, hab hier einen Onkel.'", fügte Stefan noch hinzu, als Stille aufkam, ehe sein Blick wie so oft zuvor an Elena hängen blieb. Hier musste man sich ja bald vor den springenden Funken in Sicherheit bringen.
"'Also Stefan!'", fing da Caroline übertrieben laut an, um die Aufmerksamkeit des Blonden zu gewinnen, "'Wenn du neu bist, weißt du ja noch gar nichts von der Party morgen Abend!'"
"Wir feiern jedes Jahr am 2. Schultag beim Wasserfall den Schulanfang.", erklärte ich, bevor Caroline wieder in einen Redeschwall kam.
"'Gehst du auch hin?'", fragte Stefan sofort an Elena gewandt.
"Natürlich geht sie hin!", sagten Bonnie und ich gleichzeitig, ehe Elena antworten konnte und sie warf uns einen teils bösen teils amüsierten Blick zu, ehe sie Stefan ein schüchternes Nicken schenkte.
Lächelnd sah ich auf die Uhr.
Es war inzwischen schon um neun!
Und Jeremy war noch immer nicht aufgetaucht!
"Ähm Leute? Ich glaube, ich mache mich langsam auf den Heimweg.", sagte ich in die Runde und erntete ein verteiltes Nicken, nur Elena sah mich fragend an.
"Wolltest du dich nicht noch mit Jeremy treffen?", fragte sie verwirrt und ich zucke mit den Schultern.
"Wollte ich. Vor einer Stunde!", sagte ich und konnte einen verärgerten Unterton nicht unterdrücken. Elena blickte sich kurz suchend um.
"Er hat dich versetzt?", fragte sie ungläubig, "Das kann doch nicht wahr sein." Ich zuckte nur mit den Schultern. Mir sollte es recht sein. Na gut, etwas gekränkt war ich schon.
Ich meine, wer wurde schon gerne versetzt, vor allem ohne Bescheid geschweige denn eine Erklärung zu kriegen.
"Ich geh jetzt nach Hause. Wir sehen uns alle morgen in Geschichte?", fragte ich noch und erntete verteiltes Nicken und gemurmelte "Gute Nacht"'s von den Vieren, ehe ich mich von ihnen abwandte und Richtung Tür ging. Dabei sah ich mich noch kurz suchend nach meinem Bruder um, dieser schien jedoch schon gegangen zu sein, wahrscheinlich mit Vicky, die war nämlich auch nicht mehr zu sehen, obwohl sie, da sie hier als Kellnerin arbeitete, eigentlich anwesend sein sollte. Seltsam.
Aber auch egal. Ich seufzte, als ich aus dem Grill an die warme Nachtluft trat.
Jetzt durfte ich also den ganzen Weg heim laufen. Juhu.
Es dauerte eine ganze halbe Stunde von hier bis nach Hause. Genervt atmete ich aus und lief los. Je eher ich losging desto schneller hatte ich es hinter mir. Echt nett von Tyler mich laufen zu lassen. Vielleicht sollte ich ihn anrufen.
Ach was. Laufen war gesund.
Ein lautes Zischen unterbrach meinen Gedankengang und erschrocken sah ich auf. Was zur Hölle war das denn gewesen?
Urplötzlich war der Gedanke Tyler anzurufen gar nicht mehr so abwegig. Ich hatte sogar den sehr starken Drang danach, als gleichzeitig Angst und das Gefühl beobachtet zu werden in mir hochkrochen.
"Release me. Release my body.", begann ich leise zu singen und zwang mich weiterzulaufen.
"I know it's wrong. So why am I with you know?" Das tat ich immer, wenn ich mich unwohl fühlte oder Angst hatte. Es beruhigte mich irgendwie. Doch diesmal schien es nicht so wirklich helfen, da dieses miese Gefühl, dass ich nicht allein war, nicht verschwinden wollte.
"I say release me! Cause I'm not able to convince myself that I'm better off without you." Nervös blickte ich hinter mich, um zu schauen ob mich irgendwer verfolgte, doch die Straße war wie ausgestorben.
"Du hast eine schöne Stimme.", ertönte es da plötzlich tief aus der Dunkelheit und ich fuhr so sehr zusammen, dass ich mehrere Schritte zurücksprang und beinahe laut geschrien hätte. Ich erkannte eine menschliche Gestalt vor mir, in die ich wohl direkt hineingerannt wäre, wäre ich nicht zurückgewichen.
Himmel mein Herz!
Angsterfüllt trat ich noch einen Schritt zurück.
War ich einem Serienmörder in die Arme gerannt, der mich jetzt töten würde?
Da trat die Gestalt in das Licht einer Straßenlaterne und ich konnte erkennen, dass es ein Mann war, der mich schief anlächelte.
"Tut mir leid, wenn ich dich erschreckt habe.", sagte er und ich atmete aus. Es war nur ein Mann. Kein Monster... kein Serienmörder... Kein Psychopath...
Gott! Ich las zu viele Horrorbücher!
"Alles in Ordnung?", fragte der Mann nach und runzelte besorgt die Stirn.
"Ja, ja! Tut mir leid... Sie... Sie haben mich nur zu Tode erschrocken.", stotterte ich und sah ihn zum ersten Mal direkt ins Gesicht, nur um die Augen geschockt zu weiten. Himmel, sah der gut aus! Und das Wort "gut" wurde ihm dabei nie im Leben gerecht. Er hatte markante Gesichtszüge, hohe Wangenknochen und einen ausgeprägten Kiefer, kurz: der Traum eines jeden Bildhauers. Sein Haar war tiefschwarz und stand in einem unglaublichen Kontrast zu seinen eisblauen Augen, in denen ich zu versinken drohte, als sich unsere Blicke direkt trafen.
"Habe ich was im Gesicht oder warum starrst du mich so an?", fragte er leicht amüsiert und ich spürte wie mir das Blut in die Wangen schoss. Wie peinlich.
"T-tut mir leid, i-ich...", ich hielt kurz inne, um tief durchzuatmen und das heftige Stottern loszuwerden, "Ich habe mich nur gefragt, was jemand wie Sie so spät hier draußen macht." Sein schiefes Lächeln wurde zu einem schiefen Grinsen, was ihm echt gut stand, und ich biss mir nervös auf die Unterlippe.
"Jemand wie ich?", wiederholte er belustigt und legte den Kopf leicht schräg.
"Naja, ich meine, ich habe Sie hier noch nie gesehen.", erklärte ich und war noch immer tierisch nervös. Da traf ich schon mal einen super heißen Typen und blamierte mich natürlich sofort. Typisch ich.
"Ich bin auch noch neu in der Stadt. Und bitte duze mich, sonst fühle ich mich so alt.", sagte er und ich musste etwas lachen. Ich hatte ihn rein aus dem Gefühl heraus mit "Sie" angesprochen. Er hatte so eine erwachsene Ausstrahlung.
"Okay... also was machst du hier mitten in der Nacht?", fragte ich und versuchte mich zu entspannen.
"Tja um dich zu beruhigen, ich bin kein Serienkiller.", sagte er und hob übertrieben beschwichtigend die Hände, was mich schon wieder zum Lachen brachte. Wenn auch eher deswegen, weil er mich so leicht durchschaut hatte.
"Das habe ich gar nicht gedacht.", protestierte ich, auch wenn es gelogen war.
"Tatsächlich?", fragte er nach und trat einen Schritt näher. Ich widerstand dem Instinkt zurückzuweichen, der mich bei seiner Bewegung durchströmte.
Seltsames Gefühlschaos. Irgendwie fühlte ich mich extrem zu ihm hingezogen, doch gleichzeitig läuteten alle Alarmglocken in mir, wenn er sich mir nährte.
"Ja.", antwortete ich auf seine Frage und hielt seinem prüfenden Blick stand.
"Du hast also keine Angst vor einem dunklen Fremden, den du allein auf der Straße mitten in der Nacht triffst?", fragte er leise und wieder spürte ich wie mein Instinkt mir "GEFAHR!" zuschrie, doch ich ignorierte es. Auch fiel mir auf, dass er vollkommen in schwarz gekleidet war. Schwarze Schuhe, schwarze Hose, Schwarzer Pullover, schwarze Lederjacke. Nicht, dass es ihm nicht stand, aber damit wirkte er doch etwas düster.
"Vielleicht ist er doch ein Serienkiller.", flüsterte eine warnende Stimme in meinem Kopf, doch auch ihr schenkte ich keine Beachtung. Das waren zweifellos nur die Ausgeburten meiner Fantasie, die durch unzählige Horrorromane sehr ausgeprägt geworden war.
"Vielleicht.", sagte ich schließlich, "Aber vielleicht willst du mir auch einfach nur absichtlich Angst einjagen." Keine Ahnung, woher ich gerade den Mut nahm.
Ich meinte, so etwas wie Überraschung über sein Gesicht huschen zu sehen, ehe sich seine Miene wieder verschloss.
"Vielleicht.", sagte auch er und grinste wieder schief.
"Also was machst du wirklich hier?", fragte ich nun neugierig.
Bildete ich mir das ein oder zögerte er kurz?
"Ich habe meinen kleinen Bruder gesucht.", antwortete er.
"Dein Bruder?", fragte ich interessiert nach. Wenn sein Bruder genauso gut aussah, sollten sie eher nach Los Angeles statt Mystic Falls gehen und Schauspieler oder Models werden.
"Ja, aber dann hat mich deine schöne Stimme abgelenkt." Er lächelte mich an und
binnen Sekunden waren alle Gedanken darüber, wer sein Bruder wohl war, vergessen.
Erneut schoss sämtliches Blut in mein Gesicht, während ich verlegen den Blick senkte.
"Ähm... danke.", murmelte ich und blickte nach einer kurzen Pause langsam wieder auf, um sein Lächeln vorsichtig zu erwidern. Er wollte noch etwas sagen, doch da bog plötzlich ein Auto um die Ecke und hielt direkt bei uns an. Ich erkannte den dunklen Wagen und seufzte. Musste mein Bruder genau dann auftauchen, wenn ich es gar nicht gebrauchen konnte?
Die Scheibe wurde runtergefahren und Tyler blickte mir erleichtert entgegen.
"Da bist du ja, Nathalie!", sagte er, "Los steig ein!" Ich wollte etwas sagen, doch sein Blick ließ keine Widerworte zu und als er kurz zu dem Schwarzhaarigen neben mir sah, verdunkelte sich sein Gesicht merklich. Ich sollte wirklich einsteigen, bevor er noch eine Prügelei anfing.
"Okay.", sagte ich und wandte mich wieder dem Fremden zu, "Ich muss jetzt los. Vielleicht sehen wir uns mal wieder?" Ich versuchte nicht zu viel Hoffnung zu zeigen, doch so richtig konnte ich sie nicht unterdrücken.
Er schenkte mir ein Lächeln, das meine Knie weich werden ließ.
"Das hoffe ich.", sagte er leise und ich erwiderte sein Lächeln, ehe ich zum Auto hinüberging und einstieg.
Tyler fuhr die Scheibe wieder hoch und warf mir einen prüfenden Blick zu. Noch bevor er den Mund aufmachte, wusste ich was jetzt kommen würde.
"Wer war das?", fragte er schneidend, als er den Wagen anfuhr und ich nochmal einen Blick aus dem Fenster zum Gehweg warf, wo wir gestanden hatten, doch der Fremde war verschwunden.
"Ich habe keine Ahnung.", murmelte ich und mir wurde schmerzlich bewusst, dass ich es tatsächlich nicht wusste. Wieso hatte ich nicht nach seiner Nummer oder wenigstens seinen Namen gefragt?!
Frustriert ließ ich mich in die Lehne zurücksinken.
So ein Mist.


-Stefans Sicht-

Stefan war von seiner Verabredung mit Elena in das Salvatore-Anwesen zurückgekehrt und war gerade dabei seinen Schulkram in seinem Zimmer zu sortieren, als Zach Salvatore, welcher ein entfernter Neffe von ihm war, jedoch wesentlich älter aussah und war, ins Zimmer marschierte und Stefan eine Zeitung hinhielt.
"'Du hast es mir versprochen!'", rief Zach aus und etwas irritiert nahm Stefan die Zeitung entgegen, um die Schlagzeile zu lesen.

LEICHEN GEFUNDEN
VON TIEREN VERSTÜMMELT


Stefan wusste sofort, worauf sein Neffe hinauswollte. Er hatte bereits unzählige solcher Schlagzeilen gelesen. Sie tauchten immer auf, wenn es einen Angriff gegeben hatte. Jedoch nicht von Tieren, sondern von Vampiren. Doch er was sich zu tausend Prozent sicher, dass er das nicht gewesen war, auch wenn alles darauf hindeutete, da er momentan der einzige Vampir in der Stadt war. Und das wusste Zach.
"'Das waren bestimmt Tiere.'", meinte Stefan nun an seinen Neffen gewandt und drückte ihm die Zeitung wieder in die Hand, in der Hoffnung ihn irgendwie abwimmeln zu können. Doch Zach schüttelte nur den Kopf.
"'Erzähl mir doch nichts! Ich kenne das Spiel! Du zerfetzt sie, damit es so aussieht als ob es Tiere waren! Du hast gesagt, du hast es unter Kontrolle.'", sagte Zach verärgert.
"'Habe ich auch.'", antwortete Stefan sofort und es war die Wahrheit. Er war seit langer Zeit nicht mehr in Versuchung gekommen und hatte ihr, wenn dann, auch nicht nachgegeben. Zach hielt kurz inne und atmete kurz tief durch, scheinbar um sich zu beruhigen.
"'Bitte, Onkel Stefan.'", sagte er mit gefasster Stimme, "'Mystic Falls hat sich verändert. Hier ist es jetzt friedlich geworden! Aber es gibt Menschen, die haben es nicht vergessen! Und jetzt bist du wieder hier. Und das alles verursacht nur Wirbel!'"
"'Deswegen bin ich nicht gekommen!'", widersprach Stefan und ein verärgerter Unterton schwang in seiner Stimme mit.
"'Warum dann?! Warum bist du gekommen?! Nach all den Jahren! Wieso jetzt?!'", fragte Zach aufgebracht, doch Stefan zwang sich ruhig zu bleiben.
"'Ich muss mich ja wohl vor niemanden rechtfertigen!'", sagte er mit beherrschter Stimme, dennoch hörte man sein Missfallen darüber, dass Zach ihm nicht glaubte, deutlich heraus. Er war aus sehr privaten Gründen hergekommen und diese konnte er niemanden anvertrauen. Nicht mal oder eher erst recht nicht den beiden Mädchen, die es betraf.
"'Ich weiß, dass was du bist, kannst du nicht ändern.'", sagte Zach ernst, "'Aber du gehörst hier nicht mehr her.'" Diese Worte trafen Stefan schmerzhaft, er schaffte es jedoch seine ausdruckslose Miene zu bewahren.
"'Wohin gehöre ich dann?'", fragte er und es war eine ernst gemeinte Frage. Wo gehörte er hin, wenn nicht an den Ort, wo er geboren und aufgewachsen war?
"'Ich kann dir nicht sagen, was du tun sollst. Aber wiederzukommen war ein Fehler.'" Mit diesen Worten wandte sich Zach ab und verließ den Raum, während er die Zeitung in irgendeine Ecke warf.
Stefan sah ihm noch kurz hinterher, ehe er an einen etwas verstaubtem Schrank in seinem Zimmer trat und ihn langsam öffnete. Zum Vorschein kamen unzählige Tagebücher mit unterschiedlichen Jahreszahlen darauf. Stefan griff eines davon und öffnete die erste Seite. Darin lagen zwei sehr alt wirkende Bilder, die wohl anhand ihrer schlechten Qualität vor etlichen Jahrzehnten aufgenommen worden sein mussten.
Auf dem einen Bild, war eine dunkelhaarige Frau zu sehen, die ein leichtes Lächeln im Gesicht trug und dem Betrachter des Bildes selbstsicher entgegenblickte.
Darunter stand "Katherine Pierce 1864". Kurz sah Stefan das Foto an, ehe sein Blick zu dem anderen Bild glitt. Dieses zeigte zwei Personen, die sich glücklich im Arm hielten. Die eine Person war ein großgewachsener Mann mit rabenschwarzem Haar und Stefan wusste, auch wenn das Bild bereits vergilbt und ohnehin nie richtig farbig gewesen war, dass seine Augen eisblau waren. Die andere Person, die er im Arm hielt, war eine schlanke Frau mit hüftlangen dunkelbraunem lockigen Haar und sturmgrauen Augen, was das Bild aber ebenfalls nicht zeigen konnte. Auch hier war etwas darunter geschrieben, das Stefan jedes Mal, wenn er es las, das Herz schwer werden ließ: "Damon Salvatore und seine zukünftige Frau Eveline Lockwood 1860". An sich hätte man die beiden Fotos für einfache Erinnerungen halten können, doch Stefan hatte einen bestimmten Grund, warum er sie fast jeden Tag herausholte und ansah. Die beiden abgebildeten Frauen waren wie er leider nur allzu genau wusste 1861 und 1864 gestorben. Und dennoch hatte er heute Abend mit zwei Mädchen an einem Tisch gesessen und gesprochen, die haargenau so aussahen wie die beiden Frauen auf den Fotos: Elena Gilbert und Nathalie Lockwood.
Da Nathalie mehr als offensichtlich mit Eveline verwandt war, hätte Stefan eine Ähnlichkeit nicht gewundert, doch dass sie sich so ähnlich sahen, dass sie Zwillinge sein könnten, verblüffte ihn doch. Genauso war es mit Katherine und Elena. Doch zwischen ihnen hatte er noch keine Verbindung oder Verwandtschaft finden können. Die Gilberts waren in keiner Weise mit einer Familie namens Pierce verwandt. Aber er würde herauskriegen, was es damit auf sich hatte. Doch dies war nicht der einzige Grund, was ihn in Mystic Falls hielt. Einerseits zog es ihn auf unerklärliche Weise zu Elena hin, die zwar aussah wie seine einstige Geliebte, jedoch charakterlich vollkommen anders war. Andererseits hatte er es sich aber auch zur Aufgabe gemacht, dass sein Bruder unter keinen Umständen in die Nähe der beiden Mädchen gelangen durfte. Vor allem nicht in Nathalies. Stefan kannte Damon gut und er wusste wie es enden würde, sollte Damon erfahren, dass es eine Frau gab, die aussah wie seine verstorbene Verlobte.
Wie seine Evie.

3. Kapitel: Just Stop This Feeling

"Und du hast nicht mal nach seinem Namen gefragt?!", fragte Elena entsetzt und ich hob leicht hilflos die Schultern.
"Ich habe einfach nicht daran gedacht!", versuchte ich zu erklären, was aber sowohl Elena als auch Bonnie, die neben ihr stand, nur den Kopf schütteln ließ. Schon den gesamten Tag, seit ich ihnen vor der ersten Stunde davon erzählt hatte, hatten mich die beiden über meine Begegnung mit dem Fremden gelöchert. Wir waren auf der Schulanfangs-Party und standen nah am Lagerfeuer, da es schon lange dunkel draußen und der Sommer inzwischen nicht mehr ganz so präsent war. Auf jeden Fall waren meine beiden besten Freundinnen jetzt schon bestimmt seit über zehn Stunden dabei, mich zu verhören, was über den Tag immer mal durch Unterricht, Umziehen und ähnliches unterbrochen worden war.
"Du hast also weder seinen Namen noch seine Nummer.", riss mich Elena aus den Gedanken und ich nickte leicht.
"Ich weiß, es war total blöd von mir nicht zu fragen.", sagte ich kleinlaut.
"Ich hätte sofort gefragt!", sagte Bonnie grinsend und Elena nickte zustimmend.
"Tatsächlich?", fragte ich skeptisch, grinste aber auch.
"Natürlich.", antwortete Elena, "Wir sind nicht alle so durcheinander wie du." Das brachte mich zum Lachen.
"Na klar. Jede Frau außer mir würde bei einer Begegnung mit dem heißesten Typen, den sie je gesehen hat, vollkommen cool bleiben und einen klaren Gedanken fassen können.", sagte ich sarkastisch und Elena wollte antworten, doch ich kam ihr zuvor, "Soll ich Stefan fragen, wie du beim ersten Treffen warst?" Ihre Augen weiteten sich und ich hob triumphierend die Augenbrauen.
"Schhht!", zischte Bonnie und stieß mir leicht in die Seite, "Willst du Elena verraten? Er könnte hier ganz in der Nähe sein." Die Schwarzhaarige deutete auf die Menschenmenge, die uns umgab und aus lauter mehr oder weniger trinkenden und feiernden Teenies bestand. Ich sah mich kurz um, ehe ich erneut mit den Schultern zuckte.
"Hier versteht man doch nicht mal sein eigenes Wort. Da wird er uns kaum belauschen können. Es sei denn er hat ein Super-Gehör.", sagte ich, als uns Elena unterbrach.
"Ich will doch gar nichts von Stefan!", sagte sie und Bonnie und ich tauschten einen ungläubigen Blick.
"Als ob.", sagte Bonnie schmunzelnd.
"Tu ich wirklich nicht!", versuchte es Elena weiter, doch sie klang noch immer nicht überzeugend.
"Elena.", sagte ich mahnend, "Man merkt aus tausenden Metern Entfernung, dass du ihn magst."
"'Ach ich weiß auch nicht.'", murmelte die Braunhaarige.
"'Komm schon, Elena!'", drängte Bonnie.
"Du musst uns nichts verheimlichen.", unterstützte ich, was Elena seufzen ließ.
"'Okay, ja... Er sieht nicht schlecht aus.'", gab sie zu.
"'Er hat diesen Liebesroman-Blick.'", meinte Bonnie und ich musste ein Grinsen unterdrücken.
"Und so blickten sie sich tief in die Augen.", fing ich poetisch an.
"Und fanden dort ihre Seelen.", endete Bonnie im gleichen Tonfall und wir brachen alle drei in Gelächter aus.
Der Alkohol den wir die ganze Zeit nebenbei aus unseren roten Bechern tranken, machte sich langsam bemerkbar.
"'Wo ist er?'", fragte Bonnie schließlich, als wir uns wieder beruhigt hatten und wie sie blickten Elena und ich uns suchend um.
Dabei entdeckte ich jemanden, den ich heute schon den ganzen Tag absichtlich gemieden hatte.
"Oh je.", murmelte ich und trat leicht zur Seite, so dass ich mich unauffällig hinter Elena verstecken konnte.
"Was ist?", fragte diese verwirrt.
"Da ist dein Bruder.", sagte ich und blickte sie direkt an, "Und er ist eindeutig auf der Suche nach mir!" Elena blickte hinter sich und schien ihn auch zu entdecken.
"Oha...", gab sie nur von sich, ehe sie sich leicht zu mir drehte, "Vielleicht solltest du-"
"Ganz schnell verschwinden? Schon dabei!", unterbrach ich sie, bevor sie wieder davon anfangen konnte, dass ich doch mit ihm reden sollte. Schnell entfernte ich mich von ihr und Bonnie und versuchte mich durch die Menschenmenge Richtung Wald zu kämpfen.
Ich hatte mich schon von Elena dazu hinreißen lassen, Jeremy noch eine Chance (von vielen) zu geben, wenn er diese allerdings für nicht wichtig genug hielt, um zu einem Date zu erscheinen, konnte ich ihm auch nicht helfen! Und ich hatte definitiv keine Lust mir jetzt seine Ausreden dazu anzuhören!
Ich hatte den Wald, in dem er bestimmt nicht nach mir suchen würde, fast erreicht, als ich am Arm gepackt wurde.
"Alie!", hörte ich seine Stimme und ich schloss kurz die Augen. Verdammt.
Langsam drehte ich mich um, nur um Jeremy einen gleichgültigen Blick zu schenken.
"Was?", fragte ich und versuchte gar nicht erst den genervten Unterton zu unterdrücken. Jeremy sah kurz schuldbewusst zu Boden.
"Ich habe dich gesucht.", sagte er leise und ich hob die Augenbrauen.
"Ach was?", fragte ich sarkastisch, "Was ein Zufall, das habe ich gestern auf dich bezogen auch getan. Mir war nämlich so gewesen, als ob wir uns treffen wollten."
"Es tut mir leid.", murmelte Jeremy, als ich mich mit einem Ruck aus seinem Griff befreite.
"Den Satz kannst du auch schon auswendig, oder?", fragte ich bitter und hob leicht die Hand, als er zu einer Antwort ansetzte, "Ich will deine Ausreden nicht hören, Jeremy." Damit wandte ich mich von ihm ab, um in den rettenden Wald zu laufen.
"Alie!", rief er mir nach und ich hörte, dass er mir folgte.
"Lass mich einfach in Ruhe!", sagte ich und nun schwang Wut in meiner Stimme mit.
Konnte er mich nicht einfach in Frieden lassen?!
"Bitte! Lass es mich erklären!"
"Nein!", rief ich nun richtig wütend und drehte mich doch nochmal um, "Ich habe dir, weiß Gott, genug Chancen gegeben! Ich habe es satt, ständig enttäuscht zu werden und mir danach deine Ausreden anhören zu müssen, nur damit du dein Gewissen beruhigen kannst! Weißt du, was du mir wirklich schuldest?! Den Respekt, mir genug Freiraum zu lassen, damit ich deine Erklärung nicht hören muss!" Ich wartete seine Reaktion gar nicht erst ab, sondern drehte mich um tiefer in den Wald zu laufen, diesmal sogar um einiges schneller, damit er nicht nochmal auf die Idee kam, mir zu folgen.
Nachdem ich bestimmt zehn Minuten nur gelaufen war, blieb ich schließlich stehen, um tief durchzuatmen. Es war nichts mehr zu hören außer das leise Rascheln der Blätter der Bäume im Wind, als ich leise seufzte.
Ich vermisste den alten Jeremy. Denjenigen, mit dem ich zusammen aufgewachsen war. Denjenigen, der nie einfach so zu einem Date nicht erschienen wäre. Sein altes Ich, in welches ich mich fast verliebt hätte.
Ich spürte wie eine Träne über meine Wange lief und wischte sie schnell weg.
Nein! Wegen ihm würde ich sicher nicht weinen!
Ein lautes Knacken riss mich aus meinen Gedanken und erschrocken sah ich auf.
"Hallo?", fragte ich leise als das Gefühl von gestern wieder in mir hochkroch. Das Gefühl, dass mich jemand beobachtete. Diesmal war es sogar deutlich präsenter als gestern.
"Wer ist da?", fragte ich etwas lauter und trat einen Schritt nach vorne, als ich den wabernden Nebel bemerkte, der sich über den Boden um meine Beine zog und eine eisige Kälte hinterließ.
"Flieh! Lauf weg!", schrie es in mir, doch ich konnte mich nicht rühren. Irgendetwas sagte mir, dass, wenn ich mich bewegte, dieses Wesen, welches mich beobachtete, sofort angreifen würde.
Vollkommen reglos stand ich da, als plötzlich hinter mir ein lautes Knacken ertönte. Erschrocken fuhr ich herum, als mich in diesem Augenblick etwas von hinten an den Haaren packte und meinen Kopf grob zur Seite riss. Ich schrie angsterfüllt auf, verstummte aber, als ich plötzlich einen stechenden Schmerz an meinem Hals spürte.
Irgendwas umschloss meinen Oberkörper samt meinen Armen wie eiserne Fesseln, so dass ich nicht mehr in der Lage war mich zu bewegen, geschweige denn zu wehren. Das Stechen in meinem Hals schien sich in meinem ganzen Körper auszubreiten, was mich merkwürdig schwach werden ließ. Ich wäre wohl schon zu Boden gesunken, wenn ich nicht festgehalten worden wäre.
Was geschah mit mir? Wer oder was hielt mich hier fest? Würde es mich töten?
Ein angsterfülltes Wimmern entfuhr mir, als dieser Gedanke in meinen Kopf schlich.
Da lockerte sich plötzlich der eiserne Griff, der mich gefangen hielt und auch der Schmerz an meinem Hals ließ etwas nach. Doch ehe ich mich umdrehen konnte, um meinen Angreifer zu sehen, wurde ich grob weggestoßen, so, dass ich unsanft am Boden landete. Ich spürte noch, wie ich mit dem Kopf an etwas Hartes stieß, ehe alles schwarz wurde.

-Damons Sicht-

Schneller als ein menschliches Auge es hätte wahrnehmen können, rannte die dunkle Gestalt durch den Wald, so weit weg von dem bewusstlosen Mädchen wie es nur möglich war. Immer tiefer in den Wald bis der Lärm der feiernden Schüler, den er meilenweit hören konnte, und der rasselnde Atem des Mädchens endlich verstummten.
Auf einer Lichtung, die wahrscheinlich schon lange kein Mensch mehr betreten hatte, blieb die Gestalt schließlich stehen. Das Mondlicht fiel auf einen Mann herab, der sich schwer atmend mit einem Arm gegen einen Baum lehnte. Seine auffallend blasse Haut hob sich gespenstisch von seiner komplett schwarzen Kleidung ab, genauso wie das scharlachrote Blut, welches an seinen Mundwinkeln klebte. Mit der Hand, die sich nicht an den Baum stützte, strich sich der Mann aufgebracht durch sein ebenfalls schwarzes Haar, um Fassung ringend, welche er schließlich verlor, als er wütend aufschrie und mit der Faust gegen den Baum schlug, dessen Rinde dadurch eine beträchtliche Delle bekam.
Er hatte gezögert! Er hatte schon wieder gezögert! Wieso brachte er es nicht fertig?!
Damon schloss kurz die Augen, um erneut den schwachen Versuch zu unternehmen sich zu beruhigen, was jedoch eher das Gegenteil zur Folge hatte, denn als er sie wieder öffnete, waren sie blutrot und Adern traten unter ihnen hervor.
Er hatte die Kontrolle verloren. In seinem Inneren herrschte ein Sturm, ein einziges riesiges Gefühlschaos, was er nicht mehr abstellen konnte, so sehr er sich auch bemühte.
Und das nur wegen diesem einen Mädchen! Dem Mädchen mit Evies Gesicht!
Erneut schlug Damon gegen den Baum, der dadurch gefährlich knarrte.
Wie viele Jahrzehnte hatte er damit verbracht, seine Gefühle wegzuschließen? Vampire hatten nicht umsonst die Fähigkeit sie einfach abzustellen. Kein Gewissen, keine Reue und vor allem keine Trauer und kein Schmerz. Damons Vampirdasein hatte ihn lange und zuverlässig davor bewahrt. Doch dann war er hierhergekommen. Und er hatte sie gesehen.
Nathalie...
Evie...
Er hatte die Frau gesehen, die er mehr als alles andere geliebt hatte. Die ihm viel zu früh genommen worden war. Und in Sekunden war seine schützende Mauer wie Sand in sich zusammengefallen und alle Gefühle, die er so lange ausgesperrt hatte, waren auf ihn eingeschlagen.
Zuerst hatte er Elena gesehen. Bei ihr war es für ihn auch ein Schock gewesen, doch den hatte er schnell verkraftet. Es war ihm selbst ein Rätsel, dass das Ebenbild der Frau, wegen der er in Mystic Falls war, ihm nicht halb so viel ausmachte, wie das seiner Verlobten, die nun schon fast anderthalb Jahrhunderte tot war!
"Sie ist nicht Evie!" Das versuchte sich Damon immer wieder zu sagen und trotzdem, jedes Mal, wenn er sie sah...
In ihre Augen blickte...
Dann sah er die Frau vor sich, die er einst hatte heiraten wollen, bevor sie gestorben war.
Damon schüttelte leicht den Kopf.
Er wollte sie nicht sehen! Er wollte diese Gefühle nicht! Sie lenkten ihn von dem ab, weswegen er eigentlich hergekommen war!
Das war auch der Grund gewesen, weshalb er sie hatte töten wollen. Damit er dieses Trugbild nicht mehr ertragen musste!
Doch er war gescheitert. Zwei Mal.
Gestern Abend wäre es ein Leichtes gewesen, sie umzubringen. Mitten in der Nacht, in einer dunklen Gasse, ohne Zeugen. Doch dann hatte er ihre Stimme gehört. Wie sie gesungen hatte.
Evie hatte es geliebt, zu singen...
Er hatte es nicht über sich gebracht, sie anzugreifen. Nein, stattdessen hatte er sie angesprochen, nur um noch mehr an Evie erinnert zu werden!
Damon lachte spöttisch über seine eigene Dummheit.
Er hatte es sich schwerer gemacht, als es ohnehin schon gewesen war.
Und heute...
Mit Mühe schluckte Damon seine Wut über sich selbst herunter.
Heute war es noch schlimmer gewesen.
Er hatte sie gehabt! Er hätte nur weitermachen müssen und sie wäre tot gewesen! Doch dann hatte er ihr Wimmern gehört. Ihre Angst gespürt. Und er hatte wieder nachgegeben!
Weil er zu schwach war! Er würde sie nie umbringen können, so lange sie für ihn Eveline war.
In diesem Moment kam es Damon plötzlich wie ein Geistesblitz.
Wenn sie für ihn nicht mehr Evie sein würde...
Wenn er Unterschiede finden würde...
Wenn sie jemand anderes werden würde...
Dann würde er sie auch umbringen können!
Das hieß zwar, dass er sie kennenlernen musste, aber es war besser als tagtäglich die Erinnerung an Evie zu durchleben und sich nicht dagegen wehren zu können.
Und wenn sie endlich tot war, konnte er sich auf die Frau konzentrieren, wegen der er eigentlich hier war.
Ein kleines Lächeln schlich sich auf Damons Gesicht.
Katherine.
Doch vorher wurde es Zeit, seinem kleinen Bruder einen Besuch abzustatten.


-Stefans Sicht-

So schnell er konnte, rannte Stefan zu seinem Haus zurück, während ihm tausende Gedanken durch den Kopf rasten.
Damon war hier. Es konnte nicht anders sein. Er hatte es in dem Moment gewusst, als Jeremy Nathalie aus dem Wald getragen und um Hilfe gerufen hatte. In dem Moment, als er die blutende Wunde an ihrem Hals gesehen hatte.
Natürlich hätte sie jeder Vampir der Welt angreifen können, wenn sie alleine durch den Wald lief, jedoch war sie im Gegensatz zu den anderen Opfern, die es bereits gegeben hatte, noch am Leben. Kein Vampir hätte sie am Leben gelassen, wenn er einfach nur hungrig gewesen wäre.
Nur jemand, der ihr Gesicht kannte und mit ihr spielen wollte. Stefan war sich sicher, dass sein Bruder dahintersteckte.
Er kam schließlich bei seinem Anwesen an und betrat den Flur. Ohne nach links und rechts zu sehen, steuerte Stefan sein Zimmer im Obergeschoss an.
"'Hey, was ist los?'", hörte er seinen Neffen besorgt fragen.
"'Noch jemand ist angegriffen worden, Zach, und ich war es nicht!'", antwortete Stefan knapp ohne ihn anzusehen, ehe er in seinem Zimmer ankam und die Tür schloss.
Sofort spürte er, dass er nicht allein war.
Sein Gefühl wurde bestätigt, als plötzlich eine Krähe vom offenen Balkon aus hereinflog und keinen Moment später ein Mann auf dem Balkon stand, der Stefan nur allzu vertraut war.
"'Damon.'", sagte der Dunkelblonde kühl, während es ihm innerlich ganz anders ging. Erst jetzt wurde ihm bewusst, wie sehr er gehofft hatte mit seiner Vermutung falsch zu liegen. Jetzt schwebten Elena und Nathalie in schrecklicher Gefahr.
"'Hallo, Bruder.'", sagte Damon ebenso kühl, wobei er das Wort 'Bruder' sarkastisch betonte. Der Schwarzhaarige hatte ein halbes Lächeln auf den Lippen, doch in seinen eisblauen Augen konnte man keinerlei Gefühlsregung erkennen.
"'Die Krähe ist übertrieben, findest du nicht?'", fragte Stefan und nickte in Richtung des schwarzen Vogels.
"'Mein Nebel ist noch viel eindrucksvoller.'", erwiderte Damon nur und betrat den Raum.
"'Was willst du hier?'", fragte der Dunkelblonde direkt. Sein Bruder war der Letzte von dem er Prahlerei hören wollte.
"'Ich wollte deinen ersten Schultag doch nicht verpassen.'", antwortete der Schwarzhaarige mit einem Hauch Spott in der Stimme, während er sich interessiert im Zimmer umsah, "'Du trägst die Haare anders. Finde ich schick.'" Das Grinsen das in seinem Gesicht erschien, passte zu seinem spöttischen Unterton.
Stefan kam nicht umhin, genervt die Augen zu verdrehen.
"'Es ist 15 Jahre her, Damon!'"
"'Gott sei Dank! In den 90ern war es nicht auszuhalten. Dieser grauenhafte Grunge Look stand dir nicht, Stefan. Weißt du, man sollte nicht jeden Modetrend mitmachen-'"
"'Was willst du hier?!'", fiel ihm Stefan ins Wort, welcher langsam die Geduld verlor.
"'Ich vermisse mein Brüderchen.'", erwiderte der Schwarzhaarige sarkastisch und machte sich noch nicht einmal die Mühe, seine offensichtliche Lüge zu verbergen.
"'Du hasst Kleinstädte. Hier ist es langweilig. Das ist nichts für dich.'", sagte Stefan kopfschüttelnd.
"'Ich kann mich immer irgendwie beschäftigen.'", erwiderte Damon, der noch immer durch den Raum lief und Stefan zu umkreisen schien, wie ein Löwe seine Beute.
"Du hast sie getötet.", sagte Stefan, dessen Geduld nun am Ende war, "Du hast jeden getötet, den du angefallen hast, seit du hier bist. Außer dieses Mädchen heute Nacht, wie erklärst du mir das?"
Er meinte so etwas wie Ärger über Damons Gesicht zucken zu sehen, jedoch war er sich nicht sicher.
"Vielleicht hatte ich keinen Hunger mehr.", antwortete der Schwarzhaarige nur, ohne seinem Bruder in die Augen zu schauen. Stefan hätte ihn nicht einmal sehen müssen, um zu merken, dass da mehr dahintersteckte. Viel mehr.
"'Was willst du hier, sag schon!'", sagte er, was Damon stehenbleiben und ihn direkt ansehen ließ.
"'Ich könnte dich dasselbe fragen, wie dem auch sei. Ich bin mir sicher, deine Antwort lässt sich prima in einem einzigen Wort zusammenfassen: Elena.'", Damon lachte kurz spöttisch auf, "'Es hat mir echt die Sprache verschlagen. Elena. Sie ist das Ebenbild von Katherine.'"
"Wir wissen beide, dass es dir hier nicht um Elena geht!", sagte Stefan, der langsam wütend wurde.
"Natürlich nicht. Es gibt hier bei Weitem interessantere Frauen hier... und interessantere Doppelgänger.", erwiderte der Schwarzhaarige und grinste wieder, als er Stefan direkt ansah, "Aber dir geht es um Elena. Was würdest du also tun, wenn ich sie ins Visier nehme?"
Stefan konnte nur den Kopf schütteln. Damon lenkte absichtlich von sich ab und versuchte ihn zu reizen.
Heute Abend würde er wohl keine Antwort mehr bekommen.

4. Kapitel: Nice To Meet You

Geschockt riss ich die Augen auf und schreckte bestimmt zum hundertsten Mal heute aus dem Schlaf. Mein Atem ging unregelmäßig und das Herz pochte mir bis zum Hals, während ich mich orientierungslos umsah bis ich mein Krankenzimmer wiedererkannte. Ich schloss kurz die Augen und atmete gezielt langsam aus, um mich zu beruhigen, was durch das schnelle Piepen des Vitalparameter-Monitors erschwert wurde.
Zwei Tage waren seit meinem Unfall im Wald vergangen und noch immer konnte ich mich nicht erinnern, was genau passiert war. Alles was ich noch wusste war, dass ich vor Jeremy weggelaufen war und dann... nichts. Danach wurde alles verschwommen.
Die Ärzte hatten gesagt, dass der Biss an meinem Hals wahrscheinlich von einem Tier stammte und die Platzwunde an meinem Kopf wohl von einem Sturz. Der daraus gefolgten Gehirnerschütterung hatte ich wohl auch meine Amnesie zu verdanken.
Aber trotz dessen, dass ich mich an nichts erinnerte, hatte ich ständig irgendwelche Alpträume. Doch auch an die konnte ich mich nur schwer nach dem Aufwachen erinnern. Alles was ich dann noch wusste war, dass ich schreckliche Angst gehabt hatte.
Ich schüttelte leicht den Kopf.
Es wurde Zeit, dass ich hier rauskam. Mit Sicherheit war das Krankenhaus schuld daran, dass ich so schlecht schlief. Ich hasste sie einfach.
"Alie?", riss mich da eine vertraute Stimme aus den Gedanken und verwirrt sah ich auf. Jeremy stand an der Tür, die wohl eine Schwester offen gelassen hatte, und musterte mich besorgt.
"Jeremy?", fragte ich mit rauer Stimme und räusperte mich kurz, "Was machst du denn hier?"
Seit ich vorgestern aufgewacht war, hatte ich ständig Besuch gehabt. Als Erstes hatte meine Familie zu mir gehen dürfen, jedoch waren nur Tyler und meine Mutter da gewesen, weil mein Vater zu beschäftigt war. Doch das war ich ja gewohnt. Tyler hatte ohnehin genug Besorgnis für fünf mitgebracht. Er konnte echt manchmal der liebste Bruder der Welt sein.
Außer meiner Familie waren noch Elena und Bonnie öfter bei mir gewesen, die mir Gute-Besserungs-Wünsche von den anderen Schulkameraden ausgerichtet hatten. Auch Caroline hatte einmal reingeschaut und sich damit entschuldigt, dass sie viel mit dem Training der Cheerleader zu tun hatte. (Und da ich dort auch Mitglied war, musste ich mir natürlich einen Vortrag anhören, wie ich das verlorene Training am besten wieder aufholte.) Jedoch war sonst niemand anderes da gewesen. Insbesondere nicht Elenas kleiner Bruder.
"Ich...", riss mich da Jeremy aus den Gedanken, der wohl bis jetzt nicht recht gewusst hatte, was er sagen sollte, "Ich wollte nur...", er räusperte sich kurz, "Wie geht’s dir?" Besorgt blickte er mich an und ich wusste nicht recht, ob ich es süß oder gruselig finden sollte, dass er wahrscheinlich wer weiß wie lange an meinem Bett gewartet hatte, bis ich aufgewacht war.
"Ganz gut eigentlich.", antwortete ich langsam und setzte mich etwas auf, "Ich komme mit Glück heute vielleicht sogar hier raus." Zumindest wenn die Schwester nicht wie gestern plötzlich wieder feststellte, dass ich noch viel zu blass aussah. Wenn sie es nochmal machte, würde ich nach einem richtigen Arzt verlangen.
"Das ist gut.", sagte Jeremy leise und trat unsicher an mein Bett heran. Ich seufzte etwas.
Ich hatte unseren Streit noch immer im Kopf und wollte ihn nicht so einfach damit davonkommen lassen, nur weil ich zufällig im Krankenhaus lag.
"Was willst du wirklich hier?", fragte ich ernst und hob die Augenbrauen. Verwirrt runzelte er die Stirn.
"Ich wollte wissen, wie es dir geht.", sagte er und ich legte den Kopf leicht schräg.
"Jeremy, unser Streit-", fing ich an, doch er unterbrach mich.
"Wegen unserem Streit bist du in den Wald gegangen!", sagte er aufgebracht, "Es ist also meine Schuld, dass du angegriffen wurdest!"
Ich öffnete den Mund, um zu widersprechen, aber er redete schon weiter:
"Außerdem, wieso sollte ich nicht nach dir sehen? Immerhin war ich es, der dich im Wald gefunden hat!"
"Warte!", unterbrach ich ihn, "Was?" Vollkommen perplex sah ich ihn an, in dem Glauben mich verhört zu haben. Er war es gewesen, der mich gerettet hatte?
"Ich habe dich gefunden.", wiederholte er etwas leiser, "Ich bin dir gefolgt. Ich weiß, das hätte ich nicht tun sollen, aber wenn ich daran denke, was wohl passiert wäre, wenn ich es nicht getan hätte-" Er verstummte, als ich meine Hand auf seine legte, die auf dem Tisch neben meinem Bett ruhte. Ich wusste nicht wieso, aber seine Worte ließen alle Wut auf ihn augenblicklich wie Dampf verpuffen und ein seltsam warmes Gefühl schien sich in meiner Brust auszubreiten. Er hatte mir wahrscheinlich das Leben gerettet und das obwohl ich ihn vorher angeschrien hatte.
"Danke.", sagte ich und schenkte ihm nach Monaten das erste ehrliche Lächeln. Überrascht blickte er zu mir auf. Anscheinend hatte er mit einer solchen Reaktion nicht gerechnet.
Da trat er plötzlich noch einen Schritt vor und nahm meine Hand, die auf seiner gelegen hatte mit seiner anderen.
"Alie.", begann er und blickte mir dabei direkt in die Augen, "Ich weiß, dass du keine Entschuldigungen mehr hören willst und ich habe auch nicht vor dir mit weiteren Ausreden zu kommen.", er hielt kurz inne, ehe er meine Hand fester umgriff, "Ich will es wieder gut machen. Nicht nur die Sache mit dem Angriff, sondern alles, was ich in den letzten Monaten verbockt habe..." Flehend blickte er mir in die Augen und ich spürte wie mein Widerstand zu brechen begann, obwohl ich verzweifelt versuchte standzuhalten.
Da war er. Der alte Jeremy, den ich so sehr vermisst hatte. Doch wie lange würde es dauern, bis er doch wieder zu demjenigen wurde, der mich in letzter Zeit so mies behandelt hatte?
Ich konnte nicht darauf vertrauen, dass er sich tatsächlich ändern würde. Ich konnte unmöglich...
"Ich vermisse dich, Alie!", riss er mich aus meinen Zweifeln, während er sich langsam auf mein Bett setzte und mir damit noch näher kam, "Ich vermisse dich wahnsinnig und ich verspreche dir, mich zu ändern.", er brach den Blickkontakt und sah zu Boden, "Alles was ich will, ist eine letzte Chance.", damit blickte er mich wieder an, "Bitte."
Ich schluckte schwer. Wie konnte es sein, dass ich plötzlich eine solche Sehnsucht nach ihm hatte?
Ich war mir bisher sicher gewesen, dass zwischen uns nichts mehr als mildes Interesse gewesen war.
Und jetzt nach ein paar einfachen Worten wünschte ich mir plötzlich nichts mehr, als mich in seine Arme zu werfen? Was zum Teufel war bloß los mit mir?!
"Jer... ich...", begann ich, stoppte aber sofort wieder, da ich nicht wusste, was ich sagen sollte.
Mein Herz schrie förmlich nach diesem Jungen, während mein Verstand sich mit aller Macht dagegen wehrte. Wieso konnte sich mein Körper nicht mal einig sein?
"Was tust du hier? Du darfst hier noch nicht rein!" Zeitgleich mit Jeremy blickte ich erschrocken auf. Eine Krankenschwester stand an der Tür und funkelte Jeremy verärgert an.
"'Die Besuchszeit fängt erst um neun an.'", sagte sie und lief ins Zimmer, um kurz einen Blick auf den Monitor zu werfen, welcher etwas schneller piepte als normal. (Danke für deine Diskretion, blödes Herz!)
"Ich weiß.", antwortete Jeremy, "Tut mir leid." Es klang vollkommen ehrlich, doch die Tatsache, dass er meine Hand noch etwas fester umklammerte, sprach eher gegen seine Reue.
"Sie braucht Ruhe.", sagte die Schwester und nickte Richtung Monitor und ich verdrehte die Augen.
"Sie ist im Raum und bei Bewusstsein!", sagte ich verärgert. Ich hasste es, wenn man von mir sprach als wäre ich nicht da. Die Schwester beachtete meinen Einwand jedoch nicht, sondern legte Jeremy bestimmend eine Hand auf die Schulter.
"Komm schon. Raus mit dir.", sagte sie und Jeremy seufzte, ehe er sich erhob und Richtung Tür ging. Meine Hand, die er losgelassen hatte, fühlte sich nun merkwürdig kalt an. An der Tür drehte er sich nochmal zu mir.
"Kann ich dich nachher besuchen?", fragte er hoffnungsvoll und wie von allein begann ich zu lächeln.
"Ich hätte ja gesagt, aber ich werde wahrscheinlich entlassen, bevor du aus der Schule rauskommst.", sagte ich kopfschüttelnd, was ihn leicht grinsen ließ.
"Wer braucht schon Schule?", fragte er und ich sah ihn tadelnd an.
"Ich dachte, du wolltest dich ändern?", sagte ich und hob die Augenbrauen und er seufzte erneut, was mich wieder lächeln ließ.
"Los jetzt.", sagte meine Krankenschwester da ungeduldig und schob ihn endgültig aus der Tür.
"Ich komme doch heute hier raus, oder?", fragte ich sie da, bevor sie auch den Raum verlassen konnte.
"Ehrlich gesagt würde ich dich gerne-", begann sie und drehte sich zu mir.
"Oh nein, nein, nein, nein!", fiel ich ihr ins Wort, "Sie haben mich hier lange genug eingesperrt! Ich gehe heute hier raus! Ob Sie das nun wollen oder nicht!", sagte ich ernst und funkelte sie böse an. Ich hörte, wie sie genervt ausatmete, ehe sie die Arme verschränkte.
"Na schön.", sagte sie, "Aber dir ist klar, dass du gegen ärztlichen Rat handelst?"
"Ja, ja.", winkte ich ab und konnte dabei einen erleichterten Seufzer nicht unterdrücken. Ich kam endlich hier raus. In meinem eigenen Bett würde ich heute Nacht hundert pro besser schlafen als in diesem verdammten Krankenhaus!


***


"Endlich!", murmelte ich als ich aus dem großen weißen Gebäude trat. Nach mehreren Stunden hatte ich es endlich geschafft, die ganzen Formulare auszufüllen, meine Sachen zu packen und dieses verfluchte Seuchenhaus zu verlassen.
Dummerweise waren meine Eltern beide mit ihrer Arbeit beschäftigt und Tyler noch immer in der Schule, was bedeutete, dass ich wohl ein Taxi nehmen musste. Oder mal wieder lief. Vielleicht lief ich ja wieder irgendeinem heißen Typen über den Weg vor dem ich mich blamieren konnte.
Noch während ich überlegte, was ich machen sollte, lief ich schon einmal Richtung Straße, während ich an meinem Kaffee nippte, den ich mir mit den letzten paar Dollar, die ich noch in der Tasche gehabt hatte, geradeso hatte kaufen können. Ich hatte zu der Lagerfeuer-Party natürlich meine Brieftasche nicht mitgenommen. Die hätte ich auch hundertprozentig bei dem Angriff verloren. Auch wenn sich Tiere wahrscheinlich eher weniger dafür interessierten. Zumindest hatte ich noch meine Notfall-Kreditkarte, mit der ich das Taxi bezahlen könnte. Auch wenn mein Vater dann wieder meckern würde, da das ja in seinen Augen kein Notfall war.
Ich unterbrach meinen Gedankengang unfreiwillig, als mich ein starker Schwindel befiel. Benommen blieb ich stehen und schloss kurz die Augen. Verdammter Blutverlust! Im Liegen war es doch gar nicht so schlimm gewesen.
Normalerweise hätte ich mich irgendwo abgestützt, um mich wieder zu fangen, doch da ich in der einen Hand meine Tasche und in der anderen den Kaffee hielt, machte sich das schlecht.
Ich atmete einmal tief durch, ehe ich die Augen wieder öffnete und einen Schritt nach vorne trat. Allerdings hatte mein Bein damit wohl nicht gerechnet, da es bei dieser Bewegung plötzlich einknickte.
Ich spürte wie mir der Becher aus der Hand glitt und machte mich auf eine unsanfte Bodenlandung gefasst, als ich plötzlich spürte wie starke Arme um meine Taille griffen und mich auffingen.
Der unverwechselbare Geruch von Leder stieg mir in die Nase, gepaart mit herben schweren Männerduft, welcher zweifellos von einer verdammt teuren Parfummarke stammen musste. Hinzu kam ein leichter Anflug von Bäumen und Erde, welcher aber nicht so recht zu den anderen Gerüchen zu passen schien.
Gott! Mein Kopf war schon so umnachtet, dass ich mir schon über irgendwelche Gerüche Gedanken machte.
In diesem Moment wurde mir bewusst, dass ich gerade in den Armen von irgendjemandem lag und mich nicht rührte.
Zögerlich öffnete ich die Augen und blickte auf. Es brauchte einen Augenblick bis sich meine Sicht soweit wieder geklärt hatte, dass ich erkennen konnte, dass es ein Mann war, der mich festhielt.
"Na, na, na. Wer wird denn da gleich so anhänglich werden?", hörte ich ihn fragen und prompt verschwand meine Benommenheit. Wahrscheinlich dank des Adrenalins, was ich in diesem Moment ausschüttete. Ich kannte diese Stimme.
Es war die Stimme des fremden Mannes, von dem ich gedacht hatte, ich würde ihn wahrscheinlich nie wiedersehen.
Ich musste wohl aussehen wie ein Reh vor den Autoscheinwerfern, als ich mich überwand ihn direkt anzusehen. Dabei musste ich verhindern, dass mein Mund aufklappte. Die Dunkelheit, die es letztes Mal erschwert hatte, ihn genau zu erkennen, hatte anscheinend nicht nur vorgetäuscht, wie höllisch gut er aussah. Sein Gesicht war nach wie vor makellos, sein Haar noch immer tiefschwarz und seine Augen waren blauer denn je.
Himmel, dieser Mann musste doch in einem Gen-Labor gezüchtet worden sein.
"Hat dir mein Aussehen die Sprache verschlagen oder habe ich dich mal wieder zu Tode erschreckt?", fragte er da und grinste schief. Ich dankte in diesem Moment meiner Blutarmut, die verhinderte, dass ich rot wurde. Und er konnte mich wohl immer noch furchtbar leicht durchschauen.
"Nein, ich... ich... ich-", stotterte ich, ehe ich mich leicht räusperte, um die Fassung wiederzukriegen, "Ich habe nur nicht damit gerechnet dich hier wiederzusehen."
Gott! Nathalie, reiß dich zusammen!
"Anscheinend hat es dich sehr gefreut, so wie du mir in die Arme gefallen bist.", sagte der Schwarzhaarige noch immer grinsend und erst jetzt bemerkte ich, dass ich noch immer in seinen Armen lag.
"T-tut mir leid.", murmelte ich verlegen und brachte schnell Abstand zwischen uns, "Das war keine Absicht."
"Das war auch nicht zu übersehen. Zumindest glaube ich nicht, dass du deinen Kaffee freiwillig fallen gelassen hast." Er deutete auf den Becher am Boden, welcher in einer großen braunen Pfütze lag.
"Oh nein!", fluchte ich und stöhnte genervt, "Das war mein letztes Bargeld.", beleidigt trat ich den Becher weg, "Warum muss mir auch schwindlig werden?" Der fremde Mann lachte, worauf ich ihm instinktiv einen bösen Blick zuwarf.
"Wenn es dir so schlecht geht, solltest du dann nicht ins Krankenhaus rein statt rausgehen?", fragte er und ich schüttelte schnell den Kopf.
"Da kriegen mich keine zehn Pferde mehr rein!", sagte ich bestimmt, was ihn schmunzeln ließ, ehe er mich direkt ansah.
"Ich wüsste etwas, das gegen Schwindel hilft.", murmelte er und die Art wie er es sagte, jagte mir einen warmen Schauer über den Rücken, was durch seinen direkten Blick noch verstärkt wurde. War die Zweideutigkeit Absicht oder bildete ich mir das ein?
"Und was?", fragte ich unsicher und war erneut dankbar, dass ich nicht rot werden konnte. Da erschien plötzlich wieder ein schiefes Grinsen auf seinem Gesicht.
"Zucker.", sagte er da und ich hätte beinahe einen enttäuschten Laut von mir gegeben, was mich innerlich den Kopf schütteln ließ.
Himmel, was war nur los mit mir? Als ob jemand wie er mit mir flirten würde. Diesmal ging meine Fantasie tatsächlich zu weit.
"Und wo soll ich hier Zucker herbekommen?", fragte ich und versuchte zu lächeln, während ich meinen Gedankenwirrwarr erstmal aus meinem Kopf verbannte.
"Nun ja.", erwiderte der Schwarzhaarige und drehte sich leicht zur Seite, um die Straße hinunter zu deuten, "Da vorne ist ein Eiscafé. Dort wirst du sicher fündig." Er drehte sich wieder zu mir und grinste noch immer amüsiert.
"Danke für den Rat, aber der Kaffee da auf dem Boden war mein letztes Geld. Also macht sich das eher schlecht.", sagte ich und zuckte mit den Schultern. Ich würde nie wieder mein Portmonee daheim lassen. Das war mal sicher!
"Nun, ich könnte dich natürlich auf einen Kaffee einladen, der nicht am Boden landet.", begann der Dunkelhaarige da und mein Herzschlag beschleunigte sich hundertfach, "Allerdings musst du mir dafür deinen Namen verraten." Er wollte mich einladen und meinen Namen wissen? Flirtete er doch mit mir?
"Nathalie." Ich konnte meinen Namen nur hauchen, da ich zu sehr damit beschäftigt war mich zu beruhigen.
"Und weiter?" Mit dieser Frage gewann ich etwas von meinem Selbstbewusstsein zurück. Er war wohl wirklich interessiert.
"Zuerst will ich deinen Namen wissen.", sagte ich und lächelte ihn herausfordernd an.
"Na schön.", erwiderte er, als er plötzlich meine Hand griff und sich leicht nach vorne beugte, "Damon Salvatore. Schön dich kennenzulernen." Damit drückte er einen leichten Kuss auf meinen Handrücken, was meine Knie zu Pudding werden ließ. Ich fing mich jedoch wieder, als es in meinem Inneren klingelte.
Den Nachnamen kannte ich doch.
"Salvatore?", wiederholte ich, "Wie Stefan Salvatore?" Er schmunzelte.
"Ja. Mein kleiner Bruder. Ihr geht wohl in eine Klasse?", fragte er und etwas widerwillig nickte ich. Das klang so als wäre ich noch ein kleines Kind.
"Dann bist du wohl Nathalie Zoey Lockwood.", sagte er da plötzlich und teils überrascht teils entsetzt blickte ich ihn an.
"Das hat Stefan erzählt?", fragte ich. Wie konnte er von diesem verdammten Zweitnamen wissen?
"Ja, muss er wohl von seiner neuen Freundin haben. Wie hieß sie noch gleich?", er überlegte kurz, "Elena?" Gott, ich würde ihr den Hals umdrehen! Wie konnte sie mir das antun? Sie wusste genau, dass ich nicht wollte, dass jemand von diesem Namen wusste! Und jetzt hatte es genau der Falsche erfahren. Super! Das Mädchen konnte etwas erleben, wenn ich sie in die Finger bekam. Und Stefan auch!
"Also, Zoey.", riss mich Damon aus meinen Rache-Plänen, "Darf ich dich auf einen Kaffee einladen?"
"Eigentlich benutze ich diesen Namen nicht.", erklärte ich zögernd, "Meine Freunde nennen mich Alie..."
"Ich bin aber kein Freund.", unterbrach mich Damon und lächelte auf eine Weise, die unmöglich nicht zweideutig sein konnte.
"Und was bist du dann?", fragte ich und erwiderte sein Lächeln.
"Finde es doch heraus.", antwortete er nur, ehe er meine Hand losließ, die er zu meiner Überraschung bis jetzt festgehalten hatte, und Richtung Eiscafé ging. Ohne darüber nachzudenken lief ich ihm hinterher. Ich würde ab jetzt öfter meine Brieftasche daheim lassen.


***


Lächelnd ließ ich mich in den Autositz zurücksinken und sah zu wie die Landschaft draußen vorbeizog.
Damon saß neben mir und fuhr den Wagen. Wir redeten nicht und außer der Taylor Swift Musik, die leise im Radio lief (und von der ich bezweifelte, dass es tatsächlich sein Musikgeschmack war), war es vollkommen ruhig. Doch es war keine unangenehme Stille. Wir hatten uns immerhin die letzten Stunden fast durchgehend unterhalten. Es war schon fast gruselig wie schnell die Zeit dabei vergangen war.
Ich warf einen verstohlenen Blick zu Damon hinüber, welcher konzentriert auf die Straße blickte.
Ich konnte es immer noch nicht glauben, dass so ein Mann wie er tatsächlich an mir interessiert sein könnte. Und doch hatte er mir im Café mindestens genauso viele Fragen gestellt wie ich ihm.
Ich wusste nun einiges über ihn (wie zum Beispiel, dass er am liebsten Bourbon trank, jeden für verrückt hielt, der keine Gurken mochte, schwarz seine Lieblingsfarbe war und er wie ich eine sarkastische Ader hatte), jedoch hatte ich trotzdem das Gefühl, nach wie vor nicht das Geringste über ihn zu wissen. Es war, als wäre da eine unsichtbare Mauer um ihn herum, wodurch er mich auf Abstand hielt.
Doch das konnte ich mir genauso gut einbilden. Ich hatte ja ein Talent dafür.
Wo ich mir allerdings hundertprozentig sicher war, war, dass ich ihn wiedersehen wollte. Ich wusste zwar nicht genau, ob das heute ein Date gewesen war, doch ich hatte definitiv nichts gegen ein weiteres (oder gegen ein erstes).
"So da wären wir.", sagte Damon plötzlich und hielt den Wagen an, was mich überrascht nach draußen blicken ließ. Wir waren tatsächlich schon bei der Lockwood-Villa angekommen.
"Danke fürs Mitnehmen." Lächelnd blickte ich den Schwarzhaarigen an, welcher mir ebenfalls lächelnd zunickte. Ich war echt froh gewesen, kein Taxi nehmen zu müssen. Mein Vater hätte wieder einen Aufstand gemacht.
"Ich fand den Nachmittag sehr schön."
"Ich auch.", erwiderte er und kurz blickte ich ihn überrascht an, ehe mir bewusst wurde, dass ich das gerade laut gesagt hatte. Wieder einmal froh, dass ich momentan nicht rot werden konnte, griff ich nach meiner Tasche im Fußraum, als mir noch etwas einfiel.
"Kann ich dich etwas fragen?" Ich blickte Damon direkt an, welcher die Augenbrauen hob.
"Ein bisschen spät, um um Erlaubnis zu bitten, oder?", fragte er und ich lachte leicht.
"Stimmt.", murmelte ich, ehe ich kurz tief Luft holte, "Gehst du morgen zu dem Fest?"
"Welches Fest?", fragte er, grinste dabei aber leicht. Wahrscheinlich wusste er mal wieder genau, was ich von ihm wollte. Eine Eigenschaft von ihm, die äußerst unpraktisch war.
Schnell wich ich seinem amüsierten Blick aus, als ich (schon wieder) nervös wurde.
"Naja, morgen ist ja die Nacht des Kometen und die Stadt veranstaltet deswegen ein Fest. Eigentlich ziemlich öde. Man zündet eine Kerze an und beobachtet den Sternenhimmel." Kurz war es still und ich brauchte einen Moment, um den Mut zu fassen, ihm wieder in die Augen zu sehen. Unsere Blicke trafen sich und ich war mir nicht sicher, ob er überlegte oder mich einfach nur warten ließ. Sein Gesicht war eine undurchdringliche Maske.
"Ich bin mir sicher, dass wir uns dort sehen werden.", antwortete er schließlich und ich konnte geradeso verhindern, wie eine Irre vor Freude aufzuschreien. Stattdessen lächelte ich nur und nickte.
"Okay.", ich wandte mich leicht um und öffnete die Autotür, ehe ich mich nochmals zu ihm drehte, "Also dann... Gute Nacht, Damon."
"Gute Nacht, Zoey.", erwiderte er und ich stieg aus, "Schlaf gut und träum süß." Ich schmunzelte und musste zugeben, dass der Name aus seinem Mund sogar ganz schön klang. Ich warf ihm noch einen letzten Blick zu, ehe ich die Autotür zuschlug und Richtung Haustür ging.
Es war zwar schon dunkel, doch wenn ich Glück hatte, war noch niemand daheim.
Leise schloss ich die Tür auf und schaute bevor ich eintrat noch dem wegfahrenden Oldtimer hinterher. Das Auto hatte echt Stil. Ich musste Damon unbedingt mal fragen, was das für ein Modell war...
Wenn ich ihn wiedersah.
Mein Herz flatterte aufgeregt bei diesem Gedanken.
Ich lehnte mich gegen die Haustür und lauschte kurz. Anscheinend war wirklich noch niemand daheim.
Erschrocken zuckte ich zusammen, als in diesem Moment mein Handy klingelte. Schnell zog ich es aus der Tasche und grinste als ich auf das Display sah, ehe ich den Anruf annahm.
"Elena, das glaubst du mir nicht!"

5. Kapitel: The Night Of The Comet

"Danke.", sagte ich, als ein Mädchen ihre brennende Kerze an meine in meiner Hand hielt, um sie ebenfalls anzuzünden. Sie lächelte mich kurz an, ehe sie weiterging, während ich meine Kerze mit beiden Händen umgriff und hörbar ausatmete. Immer wieder ertappte ich mich dabei, wie mein Blick suchend über die Menge glitt. Ich stand auf dem großen Platz direkt vor dem Grill und wartete wie alle anderen um mich herum auf den Kometen, der bald oben am Nachthimmel vorbeiziehen würde. Ihm zu Ehren hielt auch jeder von uns eine Kerze in der Hand. Jedoch interessierte mich der Komet momentan eher weniger. Es war ein gewisser schwarzhaariger Kerl, der mich beschäftigte.
Damon hatte gesagt, er würde kommen. Nur war er bisher noch nicht aufgetaucht.
Vielleicht hatte ich etwas missverstanden? Oder vielleicht hatte er es sich anders überlegt?
Ich seufzte leise.
Ich machte mir definitiv zu viele Gedanken.
"Und? Ist er hier?" Erschrocken fuhr ich zusammen, als Elena neben mich trat und mich angrinste.
"Nein.", sagte ich und ein wehleidiger Ton schwang in meiner Stimme mit.
"Ach er kommt schon noch.", sagte Elena zuversichtlich und ich sah sie leicht irritiert an.
"Seit wann bist du denn so optimistisch?", fragte ich nach, doch sie zuckte nur mit den Schultern.
"Ich bin halt neugierig.", sagte sie lächelnd, "Er muss ja echt was Besonderes sein so wie du geschwärmt hast. Außerdem ist er Stefans Bruder-"
"Was eh schon beweist, dass er gut aussehen muss?", unterbrach ich sie und wir lachten beide leicht.
"Nein, das meinte ich nicht.", sagte sie kopfschüttelnd, während sie ebenfalls begann sich suchend umzusehen, "Stefan scheint nur nicht gern über ihn zu reden. Ich habe schließlich nur durch dich erfahren, dass er überhaupt einen Bruder hat." Ich runzelte leicht die Stirn. Daran hatte ich noch gar nicht gedacht. Stefan hatte ihn tatsächlich nie erwähnt.
"Vielleicht haben sie Streit.", sagte ich und blickte meine beste Freundin direkt an.
"Ja...", murmelte sie und erwiderte meinen Blick, "Oder sie verbergen etwas." Ich lachte bei ihren letzten Worten.
"Ja genau! In Wahrheit sind sie Zombies, die uns bei der nächstbesten Gelegenheit das Gehirn aussaugen werden!" Nun lachte auch Elena.
"Man weiß ja nie.", meinte sie, doch ich schüttelte den Kopf.
"Das wäre wenigstens mal ein interessanter Tod. Nicht wie ich: Dumm genug sein, um blindlings tief in einen Wald zu rennen, um dann von einem Tier angefallen zu werden." Ich erntete einen schmerzhaften Rippenstoß.
"Hey, das ist nicht witzig! Weißt du, was ich für eine Angst um dich hatte?", fragte Elena nun ernst und ich blickte kurz schuldbewusst zu Boden.
"Tut mir leid.", murmelte ich und sah wieder auf, "Aber keine Sorge, du wirst mich noch lange genug ertragen, glaub mir." Damit brachte ich sie wieder zum Lächeln, ehe sie kurz darauf erneut ernst wurde, als ihr Blick auf etwas oder jemanden hinter mir fiel.
"Hast du eigentlich mit Jeremy darüber geredet?", fragte sie und ich folgte ihrem Blick und sah wie Jeremy aus dem Grill trat.
"Nein.", seufzte ich und drehte mich wieder zu der Dunkelhaarigen, "Und ich habe auch keine Ahnung wie ich das anstellen soll." Ich musste unbedingt noch mit ihm reden. Ich wollte ihm klarmachen, dass das nichts mit uns werden konnte. Auch wenn er gestern im Krankenhaus super süß gewesen war, so war es ein anderer Mann der meine Gedanken beherrschte. Und ich war nicht so ein Mädchen, das sich zwei Kerle warmhielt. Nein, definitiv nicht!
"Naja, ich schätze, egal wie du es machst, es wird ihm nicht gefallen.", sagte Elena und zuckte erneut mit den Schultern.
"Wenigstens versuchst du nicht mich umzustimmen.", sagte ich und sie lächelte verstehend.
"Ich durfte mir auch tausend Mal anhören, dass ich Matt noch eine Chance geben soll, obwohl ich keine Gefühle mehr für ihn hatte, also..."
"Hey Alie!", hörte ich es da hinter mir und ohne mich umzudrehen wusste ich bereits wer es war.
"Viel Glück.", murmelte Elena mitleidig und tätschelte kurz meinen Arm, ehe sie sich abwandte.
Jetzt ließ sie mich auch noch allein mit ihm?
"Feigling.", murrte ich nur, ehe ich zu Jeremy drehte, der lächelnd auf mich zukam.
"Hey Jer.", antwortete ich ihm, als er mich, ehe ich reagieren konnte, in eine Umarmung schloss, welche für meinen Geschmack auch etwas zu lange anhielt.
"Ich habe dich schon gesucht.", murmelte er an meinem Ohr, bevor er sich leicht von mir löste, jedoch immer noch seine Arme um mich gelegt hatte. Definitiv zu viel Nähe!
"Jeremy...", begann ich da und versuchte ihn sanft von mir wegzuschieben, "Wir müssen reden."
Seine Miene wurde ernst und langsam ließ er mich los.
"Was ist?", fragte er nach und ich hörte die Unsicherheit in seiner Stimme. Ich biss mir auf die Lippe und überlegte, wie ich anfangen sollte.
"Ich will deine Frage von gestern beantworten.", sagte ich schließlich und er sah mich verwirrt an.
"Frage?"
"Du wolltest wissen, ob ich dir noch eine Chance gebe.", half ich ihm auf die Sprünge und sein Blick verdunkelte sich merklich.
"Und du tust es nicht, richtig?", fragte er und ich blickte zu Boden. Warum fühlte ich mich, als ob ich mit ihm Schluss machte, obwohl gar nicht in einer Beziehung waren?
Zögerlich blickte ich ihm wieder in die Augen.
"Ich... Ich...", stotterte ich nervös, ehe ich mich zusammenriss, "Ich will mit dir befreundet sein, Jeremy. Ich will mit dir Abende im Grill verbringen. Mit dir reden können, wenn ich Sorgen habe. Mit dir auf Evanescence-Konzerte gehen, die du dir nur mir zuliebe antust.", er schmunzelte bei den letzten Worten leicht, doch ich sah, dass es seine Augen nicht erreichte, "Aber aus uns wird nie mehr werden können.... als Freunde." Entschuldigend blickte ich ihn an und wartete auf seine Reaktion. Jedoch starrte er mich einfach nur an, ohne dass sein Gesicht irgendeine Emotion zeigte.
"Wer ist er?", fragte er schließlich und ich spürte den Stich meines Gewissens in meinem Inneren.
"Wer?", fragte ich nach, obwohl ich wusste, wen er meinte.
"Wer ist der Kerl in den du dich verliebt hast?", sagte er direkter und ich biss mir auf die Lippe. War ich so leicht zu durchschauen? Ich begegnete Jeremys Blick und sah seine Wut, die mir etwas Angst machte.
"Das hat gar nichts damit zu tun.", versuchte ich ihn zu besänftigen, jedoch schien es eher das Gegenteil zu bewirken.
"Sicher.", sagte er kopfschüttelnd, als er sich plötzlich von mir abwandte, "Vergiss es einfach." Damit ging er schnellen Schrittes davon.
"Jeremy!", rief ich und lief ihm ein paar Schritte nach, ehe ich es doch bleiben ließ.
Es würde ihm nicht helfen, egal was ich sagen würde.
"Unerwünschte Verehrer loszuwerden ist immer unangenehm.", hörte ich es da plötzlich amüsiert hinter mir und fuhr erschrocken herum. Damon stand etwas entfernt von mir und musterte mich mit undefinierbarem Blick. Sofort lief ich rot an. Hatte er das Gespräch mit Jeremy etwa mitangehört?
"Du hast zugehört?", fragte ich unsicher nach und als er nickte, senkte ich beschämt den Blick. Das kam ja ganz toll rüber, dass ich kurz vor unserem ersten/zweiten Date mit einem anderen Schluss machte.
"Tut mir leid.", murmelte ich und sah wieder auf als er zu mir trat, "Das solltest du nicht sehen."
"Alles in Ordnung.", erwiderte Damon nur und lächelte schief, "Ich kenne solche Situationen selbst." Ich atmete erleichtert aus. Er war mir also nicht böse.
"Ja, du hast sicher schon etliche Verehrerinnen loswerden müssen.", versuchte ich das Thema aufzulockern, als mir bewusst wurde, was ich da eigentlich gesagt hatte und mir erneut das Blut in die Wangen schoss. Ich hoffte, die Blutarmut ließ mein Gesicht nicht allzu sehr wie eine Tomate wirken.
Damon legte den Kopf leicht schräg.
"Ich nehme das mal als Kompliment.", sagte er und grinste wieder. Ich lachte nervös.
"So in etwa war es auch gemeint.", sagte ich und blickte auf die Kerze in meiner Hand.
Kurz herrschte Stille zwischen uns, als ich spürte, wie er dichter neben mich trat.
"Du solltest lieber in den Himmel anstatt auf deine Kerze schauen, sonst verpasst du den Kometen wegen dem du mich hierher eingeladen hast.", hörte ich ihn sagen und ich musste lächeln, als ich wieder aufblickte und in den Himmel sah.
Dort flog der Komet. Von meiner Perspektive aus war er nur ein kleiner weißer Fleck, der sich langsam vorwärtsbewegte, aber dennoch hatte es etwas seltsam Romantisches, wie er da zwischen den Sternen entlang flog.
"Darf ich?", fragte da Damon und ich sah ihn verwirrt an, "Da ich keine Kerze habe, muss ich mich wohl mit an deiner beteiligen." Ich spürte wie sich seine Hand langsam über meine, welche noch die Kerze hielt, legte, war jedoch nicht in der Lage mich von seinen blauen Augen zu lösen.
"Es sei denn, du hast etwas dagegen.", fügte er leiser hinzu, worauf ich nur leicht den Kopf schütteln konnte. Ich wurde wieder Herrin meiner Sinne, als er den Blickkontakt brach und nach oben schaute. Ich hingegen sah auf unsere vereinten Hände und musste schwer an mich halten, mich nicht auch noch gegen ihn zu lehnen, auch wenn alles in meinem Körper danach schrie.
"Der Komet zieht alle 145 Jahre hier vorbei.", murmelte Damon leise und riss mich damit aus meinen Gedanken. Langsam blickte ich wieder in den Sternenhimmel.
"Ja.", sagte ich, "Ein nie endender Kreislauf."
"Du hast wirklich Glück ihn zu deinen Lebzeiten sehen zu können.", erwiderte der Schwarzhaarige abwesend, worauf ich ihn irritiert ansah. Zu meinen Lebzeiten?
"Du meinst zu unseren?", fragte ich nach, was ihn zu mir blicken ließ. Kurz sah er mich mit leeren Blick an, ehe er ein paar mal zwinkerte, als wäre er gerade ganz woanders gewesen.
"Ja natürlich. Zu unseren.", stimmte er mir zu und wandte den Blick wieder Richtung Himmel, wirkte jedoch noch immer etwas abwesend. Besorgt musterte ich ihn und versuchte seinen Blick zu deuten.
War da Trauer?
"Damon...", setzte ich zögerlich an, als ich plötzlich unterbrochen wurde.
"Alie!", rief jemand und ich blickte zur Seite, wo ich Elena entdeckte, die auf mich zukam.
Ich unterdrückte ein Seufzen. Das Mädchen hatte noch nie ein gutes Timing.
"Ich will ja nicht stören, aber die anderen wollen jetzt ins Grill, etwas trinken. Kommst du mit?", fragte sie, doch ich sah ihren neugierigen Blick auf Damon und wusste genau, dass ihre Frage lediglich ein Vorwand war, um ihn aus der Nähe zu sehen. Jetzt entkam mir doch ein Seufzer.
"Elena...", begann ich gedehnt und zog mich widerwillig etwas von Damon zurück, "Darf ich vorstellen: Das ist Damon. Damon, das ist Elena." Ich machte eine ausladende Handbewegung und Damon, der sich offenbar wieder gefangen hatte, lächelte leicht als er Elena eine Hand reichte.
"Nett dich kennenzulernen. Ich habe schon viel von dir gehört.", meinte er und Elena ergriff ebenfalls lächelnd seine Hand. Mit leichter Freude stellte ich fest, dass er ihr nur normal die Hand schüttelte. Also gab er nicht jeder Frau einen Handkuss.
"Ich wünschte, ich könnte das Gleiche sagen.", erwiderte Elena, worauf Damon grinste.
"Ja, mein Bruder redet nicht gern von mir."
"Wieso eigentlich nicht?", fragte ich da neugierig, wohlwissend das Elena auch diese Frage auf der Zunge brannte.
"'Es liegt ihm nun mal nicht zu prahlen.'", antwortete Damon jedoch nur und ich atmete genervt aus. Die Brüder schienen beide nicht gerne über ihr Verhältnis zu reden.
Schweigen legte sich über uns, welches Elena jedoch schnell wieder brach, bevor es unangenehm wurde.
"Also Alie...?", begann sie und sah mich fragend an, als mir ihre anfängliche Frage wieder einfiel.
"Naja. Eigentlich-", fing ich an, doch Damon unterbrach mich.
"Geh ruhig. Ich muss sowieso noch etwas erledigen." Unsicher blickte ich ihn an, ehe ich etwas nickte.
"Okay?", meinte ich nur, konnte jedoch den fragenden Unterton nicht unterdrücken.
"Es dauert nicht lange.", sagte er und nahm meine Hand und küsste sie genauso wie gestern, "Ich bin so schnell es geht wieder da." Ich konnte nur nicken, da ich zu sehr damit beschäftigt war, meine Knie, welche zu Pudding geworden waren, vor dem Einknicken zu bewahren.
Damit ließ er meine Hand wieder los und ging mit einem letzten Lächeln in meine Richtung davon.
Elena blickte ihm kurz hinterher, ehe sie sich mit einem breiten Grinsen zu mir drehte.
"Du hattest recht.", sagte sie und ich sah sie fragend an.
"Recht?"
"Ja.", erwiderte Elena grinsend und hakte sich bei mir ein, "Er sieht gut aus." Daraufhin lachten wir beide.


***

"Und dann hat Tyler ihn so hart aus dem Feld gestoßen, dass er nicht mehr aufgestanden ist!", erzählte Matt und wir lachten, während Tyler neben mir nur die Augen verdrehte. Wir saßen zu sechst, also Tyler, Matt, Bonnie, Caroline, Elena und ich, an einem Tisch im Grill und unterhielten uns. Matt und Tyler waren gerade dabei irgendwelche Football-Geschichten zu erzählen, jedoch hörte ich nur mit halbem Ohr zu. Meine hauptsächliche Aufmerksamkeit lag auf der Tür. Damon war nun schon über eine halbe Stunde weg und so langsam machte ich mir Sorgen.
"Er kommt schon noch.", flüsterte mir Elena, die meinen Blick wohl bemerkt hatte, zu und ich lächelte sie dankbar an.
"Wo ist eigentlich Stefan?", fragte ich, was die Braunhaarige nur mit den Schultern zucken ließ.
"Er hat sich heute Abend noch nicht blicken lassen.", antwortete sie und ich legte eine Hand auf ihren Arm.
"Er kommt schon noch.", wiederholte ich ihre Worte und sie schmunzelte.
"Wer kommt schon noch?", fragte Tyler da neugierig und ich blickte zu ihm.
"Das geht dich leider gar nichts an, Bruderherz.", sagte ich und er hob die Augenbrauen.
"Wenn er sich mit dir trifft, geht's mich was an.", sagte er und ich seufzte. Wehe sein übertriebener Beschützerinstinkt ruinierte mir die Sache mit Damon.
"Ich bin mal kurz zur Toilette.", sagte ich bevor mein Bruder mich ausfragen konnte und erhob mich vom Tisch.
Im Bad angekommen blickte ich kurz in den Spiegel, dabei richtete ich mein Halstuch, welches die hässliche Bisswunde von dem Tierangriff verdecken sollte, da es etwas verrutscht war. Danach musterte ich mein Gesicht. Graue Augen blickten mir entgegen, die sich etwas gespenstisch von meiner sehr blassen Haut abhoben, was wohl einerseits am Neonlicht, andererseits an meiner Blutarmut lag. Normalerweise hatte ich nämlich immer eine gesunde Bräune auf der Haut. Mein Haar hatte ich heute ausnahmsweise geglättet, da meine Naturlocken sich anscheinend gedacht hatten extra durcheinander auszusehen, weil ich ja ein Date hatte. Durch die Glättung waren sie nun auch noch länger als ohnehin schon. Statt bis zur Taille reichten sie mir nun fast bis zur Hüfte.
Was sollte ich sagen? Ich hatte eine Schwäche für langes Haar. Elena meinte immer es wäre ihr zu viel Arbeit, weswegen sie es nur bis knapp über die Schultern trug, doch mir persönlich war das viel zu kurz.
Ich unterbrach meinen Gedankengang als mein Blick auf das Waschbecken fiel, auf welchem eine rote Flüssigkeit klebte. Unsicher berührte ich sie.
War das Blut? War hier jemand verletzt oder angegriffen worden?
Schnell schüttelte ich den Kopf und wusch mir die Hände. Das war sicher nur ein bescheuerter Streich.
Diesen Gedanken beiseiteschiebend verließ ich die Damentoilette wieder und ging zurück zu meinem Tisch nur um überrascht stehen zu bleiben. Jeremy war an diesen nämlich gerade herangetreten und hatte mich anscheinend noch nicht gesehen. Schnell sah ich mich nach einer Fluchtmöglichkeit um, als ich ihn reden hörte.
"'Hey hat einer von euch Vicky gesehen? Ich finde sie nirgendwo.'", fragte er und sah die anderen am Tisch fragend an.
"Suchst jetzt eine Neue, die du stalken kannst, Gilbert?", fragte Tyler spöttisch, "Hat meine Schwester dich endlich abserviert?" Ich verengte verärgert die Augen und normalerweise wäre ich dazwischen gegangen, jedoch irritierte es mich etwas, dass Jeremy nach Vicky suchte. Die beiden hatten doch nie etwas miteinander zu tun gehabt, oder? Zumindest hatte Jeremy das immer gesagt.
"Halt die Klappe!", erwiderte Jeremy und Wut schwang in seiner Stimme mit.
"Tut mir leid, Pillenverticker. Sie hat wohl doch eingesehen, dass nicht gut genug bist.", provozierte Tyler weiter, doch meine Aufmerksamkeit lag auf seinen ersten Worten. Er nannte ihn Pillenverticker? Hieß das etwa...
"'Wieso Pillenverticker?'", fragte auch Elena und sah erschrocken zwischen Tyler und Jeremy hin und her.
"'Frag ihn.'", sagte Tyler nur und Jeremy trat bedrohlich einen Schritt auf ihn zu.
"'Du willst unbedingt Feindschaft?! Gut von mir aus!'", rief er, während ich langsam die Arme verschränkte. Was lief hier?
"Du dealst?", fragte Elena ungläubig, was Jeremy jedoch ignorierte.
"Sieh es ein, Gilbert.", sagte Tyler, "Nathalie hat es nicht getan und auch Vicky wird es nie mit dir machen."
"'Das hat sie schon!'", rief Jeremy aus und ich riss geschockt die Augen auf, "'Und zwar immer und immer wieder!'" Das konnte doch nicht wahr sein! So ein verlogener Mistkerl!
"Was?", fragte ich nach und alle Blicke schnellten zu mir. Jeremy selbst brauchte wohl einige Sekunden, um die Situationen zu realisieren, während seine Hand zu seinem Mund schnellte, als könnte er so das Gesagte zurücknehmen.
"Alie-", fing er an, doch ich unterbrach ihn.
"Du hast mit Vicky geschlafen?! Mehrmals?! Während du versucht hast, mich zurückzugewinnen?!" Jeremy blickte mich nur sprachlos an. Anscheinend wusste er nicht, was er sagen sollte.
"Ist das wahr?", fragte Elena scharf und auch die anderen begannen zu tuscheln.
"Also du hast Vicky Donovan Alie vorgezogen?", fragte Caroline ungläubig, was mich nur die Augen verdrehen ließ, "Also du findest Vicky Donovan attraktiver als Alie?"
"So war es nicht! Ich...", rief Jeremy kopfschüttelnd, als ich mich auch schon abwandte und durch die Tür nach draußen lief. Ich würde mir bestimmt nicht schon wieder seine Ausreden anhören. So ein verdammter Heuchler! Mir vorwerfen jemand anderen kennengelernt zu haben, aber Hauptsache mit einer anderen ins Bett steigen!
"Alie!", hörte ich Elena hinter mir rufen und blickte kurz über die Schulter. Als ich sah, dass sie allein war, blieb ich auch stehen, "Es tut mir so leid." Mitleidig sah sie mich an, was mich jedoch nur mit den Schultern zucken ließ.
"Was soll's.", sagte ich, "Immerhin weiß ich jetzt, dass meine Wahl richtig war." Elena seufzte leicht.
"Ja...", sagte meine beste Freundin leise, "Ich hätte ihm sowas auch nicht zugetraut. Ich meine, ich erkenne ihn gar nicht mehr wieder.", sie blickte kurz zu Boden, ehe sie wieder aufsah und aufmunternd lächelte, "Naja... Lass dir davon nicht den Abend verderben! Nimm das hier und warte auf den hoffentlich besseren Kerl." Sie hielt mir eine Bierflasche hin, welche ich zögerlich annahm.
"Danke dir.", sagte ich und nippte etwas an der Flasche.
"Langsam trinken!", warnte Elena mit erhobenen Finger und ich schmunzelte. Ich vertrug eigentlich kein Bier und das wusste sie. Aber gerade konnte ich es gut gebrauchen und auch das wusste sie.
"Ich gehe wieder rein und sehe, ob ich Matt bei der Suche nach Vicky helfen kann. Keiner weiß, wo sie steckt.", sagte Elena und ich hob die Augenbrauen.
"Bin ich ein schlechter Mensch, wenn ich hoffe, dass sie von einem Bus überfahren worden ist?", fragte ich und Elena lachte etwas.
"Zumindest solltest du es nicht laut sagen.", sagte sie kopfschüttelnd, ehe sie sich abwandte und wieder ins Grill ging. Ich lief währenddessen zurück auf den großen Platz, wo vorhin noch alle den Kometen beobachtet hatten. Jedoch war nun keine Menschenseele mehr hier.
Wahrscheinlich waren alle feiern gegangen oder so.
Langsam ließ ich mich auf einer Parkbank nieder und nahm einen großen Schluck von meinem Bier.
Das mit Jeremy regte mich noch immer auf. Ich wollte gar nich wissen, was passiert wäre, hätte ich mich auf ihn eingelassen. Hätte er dann weiterhin mit Vicky geschlafen?
Mir wurde schlecht bei dieser Vorstellung und ich verzog das Gesicht, als ich noch einen großen Schluck aus meiner Flasche trank. Dabei spürte ich bereits wie der Alkohol langsam in meinen Kopf stieg.
Wie gesagt, Bier vertrug ich absolut nicht.

6. Kapitel: A Nightwalk

Bestimmt schon eine viertel Stunde saß ich auf dieser Parkbank und trank das Bier, das Elena mir gegeben hatte. So langsam fragte ich mich, wann Damon endlich kommen würde. Schließlich saß ich hier nur noch, weil ich auf ihn wartete. Ich blickte gen Himmel, wo noch immer der Komet zu sehen war, auch wenn er sich seit dem letzten Mal schon ein gutes Stück fortbewegt hatte.
"Hier bist du." Ich fuhr erschrocken zusammen und blickte hinter mich. Damon stand dort und lächelte mich schief an.
"Hey.", sagte ich leise und wie von allein erschien ein Lächeln auf meinem Gesicht. Ich hatte schon fast befürchtet, er würde gar nicht mehr kommen.
"Ich hatte erwartet dich drinnen zu finden.", sagte der Schwarzhaarige, als er auf mich zu kam und sich neben mich auf die Bank setzte.
Ich schmunzelte und trank etwas von meinem Bier, welches inzwischen nur noch halb voll war.
"Tja, hättest du meine Nummer, hättest du mich anrufen und fragen können, wo ich bin.", sagte ich lächelnd und verdankte wahrscheinlich allein dem Alkohol, dass ich den Mut für diesen Satz hatte.
"Dazu müsstest du mir deine Nummer geben.", erwiderte Damon belustigt und ich sah ihn kurz überrascht an, ehe ich mich wieder fing. Das war ja einfach.
"Dann gib mir dein Handy.", sagte ich und streckte fordernd die Hand auf, was ihn schmunzelnd in seine Jackentasche greifen ließ, ehe er mir sein Telefon in die Hand drückte. Es war ein IPhone, jedoch hatte ich keine Ahnung welches, was mir aber auch egal war.
Ich entsperrte es ohne, dass ein Passwort verlangt wurde.
"Mutig.", bemerkte ich und er zuckte mit den Schultern.
"Ich habe keine dunklen Geheimnisse darauf versteckt, also…", sagte er amüsiert und ich lachte etwas, während ich meine Nummer einspeicherte.
"Wo denn sonst?", fragte ich und er blickte mich direkt an.
"Finde es doch heraus.", sagte er und lächelte mich kokett an, was tausende Schmetterlinge in meinem Bauch zu entfachen schien. Schüchtern erwiderte ich sein Lächeln und gab ihm das Handy zurück, als ich plötzlich Rufe hörte und aufsah.
"Wie es scheint, sucht da jemand nach dir.", bemerkte Damon und wie er blickte ich in Richtung Grill, wo Tyler gerade herausgetreten war und meinen Namen rief.
"Oh nein.", sagte ich kopfschüttelnd und sprang auf. Dabei griff ich, ohne darüber nachzudenken, Damons Hand und zog ihn ebenfalls auf die Füße.
"Komm mit!", bat ich ihn, während ich ihn schon wegzog, bevor mein Bruder die Chance bekam, uns zu sehen.
"Wieder ein unerwünschter Verehrer?", fragte Damon, als wir uns etwas entfernt hatten, und sah mich mal wieder amüsiert an. Ich seufzte nur.
"Nein, von denen habe ich erstmal die Nase voll. Das war gerade mein Bruder aka Mr. Ich-bringe-jeden-Kerl-um-der-meiner-Schwester-zu-nahe-kommt.", erklärte ich und Damon lachte auf.
"Danke für deine Sorge, aber ich bin mir sicher, dass ich mich zur Wehr setzen kann.", sagte er und ich seufzte erneut.
"Daran habe ich auch keinen Zweifel, jedoch lasse ich bestimmt nicht zu, dass mein Bruder das zwischen uns mit seiner bescheuerten Art einfach kaputt macht.", murmelte ich, als mir bewusstwurde, was ich gerade gesagt hatte.
"Das zwischen uns?", fragte Damon nach und diesmal lag keine Belustigung in seiner Stimme.
Verdammt! Verdammt! Verdammt! Ich hätte das Bier nicht trinken sollen! Der Alkohol ließ mich zu viel Unbedachtes sagen.
"Ja… ähm… also…", stotterte ich leicht, während ich zu Boden starrte, als mir ein rettender Themawechsel einfiel, "Wo warst du eigentlich vorhin?" Ich sah zu Damon auf, welcher den Blick geradeaus auf den Gehweg gerichtet hatte, auf dem wir entlangliefen.
"Das ist nicht so wichtig.", blockte er ab und ich schluckte. Hatte ich ihn jetzt mit meinem gedankenlosen Geplapper verschreckt?
"Musstest du etwa auch mit einer unerwünschten Verehrerin Schluss machen?", versuchte ich die Stimmung aufzulockern und tatsächlich lächelte er etwas.
"Nein.", antwortete er kopfschüttelnd und ich beließ es dabei. Anscheinend wollte er nicht darüber reden. Vielleicht hatte es etwas mit Stefan zu tun?
Egal! Wir mussten auf ein anderes Thema kommen!
"Wie viele Exfreundinnen hast du eigentlich?", fragte ich da und leicht perplex blickte Damon mich an, "A-also, ich meine, die, wo es dir wirklich ernst war?", fügte ich leicht verunsichert hinzu und ich sah wie sein Blick sich merklich verdunkelte. Genauso wie vorhin, als er so still geworden war.
Bravo, Nathalie! Du hast anscheinend einen verdammt wunden Punkt getroffen!
Damon wandte den Blick von mir ab und schwieg nur, dabei merkte ich, dass sich sein Griff um meine Hand, welche er zu meiner Überraschung noch immer festhielt, leicht verfesterte. Er war angespannt. Anscheinend hatte ich wirklich ein unangenehmes Thema erwischt.
"Tut mir leid.", sagte ich schließlich zögerlich, "Du musst es mir nicht sagen, wenn du nicht willst. Ich war nur neugierig und-"
"Nein, schon gut.", unterbrach er mich und blickte mich wieder an, "Es gab bisher…", er zögerte kurz, "Zwei Frauen, mit denen es mir ernst war."
Ungläubig sah ich ihn an. Das waren weniger als ich erwartet hatte. Na gut, ich hatte ja auch nur nach ernsten Beziehungen gefragt.
"Wie seid ihr auseinandergegangen?", fragte ich nach ohne zu Überlegen und biss mir danach sofort schmerzhaft auf die Lippen. Ich sollte das Thema nicht vertiefen, wenn es ihm unangenehm war. Unsicher blickte ich ihn an, während er wieder nur stur geradeaus sah.
Er holte tief Luft und für einen kleinen Moment, als er seine Gesichtszüge wohl nicht ganz unter Kontrolle hatte, sah ich Trauer. Die gleiche, welche ich vorhin schon gemeint hatte zu sehen.
"Sie sind tot.", sagte Damon da, "Beide." Ich hielt kurz den Atem an.
"Was?", fragte ich geschockt und blieb stehen. Da er meine Hand festhielt, war er gezwungen es mir nachzutun. Jedoch vermied er es mehr als nur offensichtlich, mich anzusehen.
"Sie sind gestorben.", wiederholte er und ich konnte nur entsetzt den Kopf schütteln. Wie mies konnte das Schicksal denn sein? Er verliebte sich in zwei Frauen und beide starben?
Ein Wunder, dass er es überhaupt noch versuchte und noch nicht an Depressionen erkrankt war.
"Damon.", sagte ich leise und trat an ihn heran, während ich meine freie Hand an seine Wange legte, "Das tut mir so leid." Bei diesen Worten sah er mich doch an und es schien als würde er für ein paar Sekunden seine kühle Maske fallen lassen und mir seine Gefühle zeigen.
Seine Mundwinkel hoben sich minimal zu einem dankbaren Lächeln, während er seine eigene freie Hand über meine auf seiner Wange legte. In diesem Moment hätte ich alles dafür gegeben, ihn einfach zu küssen. Jedoch wäre es nicht richtig gewesen. Nicht jetzt, wo er sich mir zum ersten Mal öffnete und seine Gefühle preisgab.
Mit diesen Gedanken beließ ich es bei einem aufmunternden Lächeln, ehe ich mich etwas von ihm zurückzog und meine Hand von seiner Wange nahm. Dabei schien auch er wieder zu sich zu kommen und mit etwas Wehmut sah ich, wie seine Miene sich mir wieder verschloss.
"Es ist schon lange her.", sagte er schließlich und lächelte, jedoch erreichte es seine Augen nicht, "Ich komme damit klar."
Ich nickte leicht, als wir uns wieder in Bewegung setzten und weiter der Straße folgten, jedoch glaubte ich ihm das nicht im Geringsten.
"Erzähl mir von ihnen.", sagte ich sanft und er warf mir einen ungläubigen Blick zu.
"Ich denke nicht, dass du etwas von Frauen hören willst mit denen ich… naja.", sagte er etwas belustigt, doch ich schüttelte nur lächelnd den Kopf.
"Sie sind ein wichtiger Teil deines Lebens. Und ich würde gern mehr von dir erfahren, auch wenn du das nicht zulassen willst." Tadelnd blickte ich ihn an und er hob überrascht die Augenbrauen.
"Ist das so offensichtlich?", fragte er und grinste schief.
"Nein, aber jetzt habe ich meine Bestätigung. Danke.", sagte ich ebenfalls grinsend, ehe wir beide lachten. Erleichtert blickte ich ihn an.
Er war wohl wieder er selbst.
"Also was willst du wissen?", fragte Damon und nun war ich überrascht. Es fiel ihm plötzlich so leicht darüber zu reden? Also entweder schien er mir zu vertrauen oder er wollte es einfach nur schnell hinter sich bringen.
"Erzähl mir was du willst.", sagte ich, "Wie hießen sie? Wie sahen sie aus? Wie war ihr Charakter?" Neugierig blickte ich ihn an und sah zu, wie ein Lächeln auf seinem Gesicht erschien, als er sich erinnerte.
"Katherine ist-", er räusperte sich kurz, " …war kompliziert. Vom Äußeren her wunderschön und begehrenswert. Sie wirkte für mich und wahrscheinlich auch jeden anderen Mann unerreichbar. Charakterlich war sie etwas schwierig. Sie war sehr selbstsüchtig und egoistisch, doch zeitgleich auch sexy und verführerisch. Ich kann bis heute nicht sagen, was mich zu ihr hingezogen hat, aber…", er hielt inne und ich lächelte verstehend.
"Du hast dich verliebt.", half ich ihm und er nickte, offenbar ganz in Gedanken versunken.
"Mit Eveline war es vollkommen anders.", fuhr er fort und die Art und Weise, wie er den Namen aussprach schien viel intensiver zu sein, als bei Katherine, "Sie war… wie ein Engel. Freundlich, hilfsbereit, gütig, ehrlich… Jedoch war sie auch sehr schüchtern und still. Es war immer sehr schwierig ihre eigene Meinung zu hören, da sie es gewohnt war, das zu sagen, was man von ihr hören wollte."
"Klingt nach dem kompletten Gegenteil von Katherine.", bemerkte ich und er nickte.
"Das war sie auch.", murmelte Damon, als er mich direkt ansah mit einem undefinierbaren Blick, "Du erinnerst mich sehr an sie.", sagte er leise und es schien, als hätte es ihn viel Überwindung gekostet, das zu sagen.
"An Eveline?", fragte ich überrascht und er nickte leicht. Ich kam nicht umhin etwas geschmeichelt zu sein, immerhin verglich er mich mit einer Frau, die er als Engel bezeichnet hatte. Und die er geliebt hatte.
"Sehe ich ihr ähnlich?", fragte ich nach und er nickte erneut ohne den Blick von mir abzuwenden.
"Äußerlich zumindest. Es ist schon fast etwas Angst einjagend.", sagte er und lächelte etwas, doch ich sah ihn nur mitleidig an. Das musste furchtbar für ihn sein. Eine Frau ansehen zu müssen, die seiner verstorbenen Freundin sehr ähnlich sah.
"Das muss schlimm sein.", sprach ich meine Gedanken aus, was sein Lächeln deutlicher werden ließ.
"Es ist okay. Du siehst ihr vielleicht äußerlich ähnlich, doch vom Wesen her scheinst du vollkommen anders zu sein.", sagte er und ich war mir unsicher, ob das positiv oder negativ gemeint war.
"Ist das eine Beleidigung oder ein Kompliment?", fragte ich scherzhaft und er schmunzelte.
"Ein Kompliment.", antwortete er, "Ich bin froh, dass du anders bist, als sie es war."
"Und ich bin froh, dass du trotz diesem Verlust weitermachst.", erwiderte ich, woraufhin er mich fragend ansah, "Ich meine, du hast zwei Menschen verloren, die dir sehr nahe standen, aber trotzdem lässt du es hinter dir und lebst weiter ohne weiterhin auf sie fixiert zu sein."
Daraufhin schwieg er und richtete seinen Blick wieder nach vorne, was ich ihm gleichtat.
Ich hätte nie gedacht, dass es so einfach sein würde, offen und ehrlich mit ihm über unangenehmere Themen zu sprechen. Und vor allem hätte ich nicht erwartet, dass er so leicht seine Mauer fallen lassen würde. Zugegeben er hatte es nur kurz getan, aber dennoch…
"Hmm, wie es aussieht, musst du heute nicht nach Hause gefahren werden.", sagte Damon plötzlich und ich sah auf. Vor uns stand die Lockwood-Villa.
Waren wir echt so weit gelaufen?
"Oha.", murmelte ich perplex, ehe ich mich verlegen zu Damon drehte, "Ich hoffe, du hast nicht beim Grill geparkt?" Entschuldigend sah ich ihn an, doch er grinste nur schief.
"Schon gut. Ich muss nur ein Stück zurücklaufen.", sagte er und ich nickte erleichtert.
"Gut.", sagte ich und wir liefen das letzte Stück zu meiner Haustür, vor welcher wir schließlich zum Stehen kamen.
Langsam drehte ich mich zu Damon um, welcher mich mal wieder mit unlesbarem Blick musterte.
"Also…", sagte ich leise, ohne zu wissen, was ich eigentlich sagen wollte.
"Also?", erwiderte Damon und ich lächelte.
"Es war schön heute, auch wenn… naja, die Themen etwas trauriger waren.", sagte ich und Damon erwiderte mein Lächeln.
"Du bist die erste Frau, die sich je für meine Trauer interessiert hat. Die einzige, die mir zugehört hat. Also ja. Ich fand es auch schön.", erwiderte er und unsere Blicke trafen sich wie vorhin schon einmal und erneut schien es so als würde er mir für einen kurzen Augenblick seine Gefühle zeigen. Doch diesmal war da keine Trauer, sondern irgendwas anderes, was ich nicht richtig einordnen konnte.
"Damon…", hauchte ich leise, als ich spürte wie er mir langsam näherkam. Ich verlor mich in seinen Augen und spürte schon fast seinen warmen Atem auf meinem Gesicht, als plötzlich mit einem lauten Klick hinter mir, die Haustür aufging und ich unsanft aus diesem Moment erwachte. Es war, als hätten man mich mit kaltem Wasser überschüttet.
"Ach du bist das, Schätzchen!", hörte ich die Stimme meiner Mutter und ich schloss kurz die Augen.
Wieso jetzt, verdammt nochmal?!
Mit aufgesetztem Lächeln drehte ich mich zu ihr, während Damon einen Schritt von mir zurücktrat.
"Ist alles in Ordnung?", fragte meine Mutter skeptisch und blickte neugierig auf Damon. Sie dachte sich jetzt bestimmt sonst was.
"Ja, Mom.", sagte ich bemüht ruhig, "Alles gut. Du kannst wieder reingehen. Ich komme gleich."
Gott sei Dank verstand sie den Wink mit dem Zaunpfahl und lächelte mich kurz verschmitzt an, ehe sie die Tür wieder schloss.
Ich atmete hörbar aus. Den Moment hatte sie ja toll zerstört.
"Ich sollte langsam gehen.", hörte ich da Damon hinter mir sagen und ich fuhr zu ihm herum. Er lächelte entschuldigend, ehe er sich leicht vorbeugte.
"Ich wünsche dir süße Träume, Zoey.", sagte er, als er meine Hand nahm und sie sanft küsste. Ich spürte wie Enttäuschung in mir hochstieg und konnte nur etwas nicken, als er sich von mir abwandte und die Treppe hinunter Richtung Straße ging. Kurz sah ich ihm wie erstarrt hinterher. Das war es also gewesen?
Doch dann durchfuhr es mich wie ein Blitzschlag: So würde ich ihn nicht gehen lassen!
"Damon!", rief ich aus und er blieb stehen, ehe er sich halb zu mir drehte, "Ich weiß, dass wir uns noch nicht lange kennen und… und dass für sowas wahrscheinlich viel zu früh ist, aber…", als würden meine Worte ihm Stromschläge verpassen, drehte er sich plötzlich komplett zu mir und kam schnellen Schrittes auf mich zu, "Ich will nur… Ich will…", versuchte ich weiterzusprechen, als er bei mir ankam, eine Hand um meine Hüfte legte, um mich an sich heranzuziehen, ehe ich seine Lippen auf meinen spürte.
Mir blieb die Luft weg, als von dem Punkt, wo er mich berührte, ein glühendes Feuer quer durch meinen Körper zu schießen schien, welches in einem riesigen Gefühlsfeuerwerk in meinem Bauch endete.
Ich schlang die Arme um seinen Hals und war kaum in der Lage, die Leidenschaft, welche er mir mit diesem Kuss entgegenschleuderte, im gleichen Maße zu erwidern. Ich spürte, wie sich seine freie Hand auf meine Wange legte, während er mich mit der anderen noch dichter an sich heranzog.
Nach einer gefühlten Ewigkeit, als wir beide nicht mehr genug Luft hatten, löste wir uns schließlich schwer atmend voneinander, wobei Damon lediglich von meinen Lippen abließ mich aber dennoch weiterhin festhielt.
"Wow.", entwich es mir und er lächelte sanft.
"Ich sehe dich morgen.", sagte er leise und ich hörte, dass seine Stimme leicht heiser war. Langsam löste er sich von mir, ehe er sich diesmal wirklich zum Gehen wandte und mit einem letzten Blick über die Schulter, Richtung Straße ging und von dort aus, den Weg zurück, den wir gekommen waren.
Ich stand noch immer dort, wo er mich zurückgelassen hatte und versuchte krampfhaft mich zu beruhigen. Dabei strich ich zitternd über meine Lippen.
Man hatte mir ja immer gesagt, dass der erste Kuss etwas Besonderes sein würde, aber verglichen mit dem, was gerade passiert war, war das die Untertreibung des Jahrhunderts!


-Damons Sicht-

Schnell lief er die Straße entlang, ehe der Schwarzhaarige um eine Ecke bog, wo er sich in einer leeren Gasse wiederfand. Damon atmete tief durch, als auch schon das Blut in seine Augen schoss und sie sich blutrot färbten.
Er hatte sich eben schwer zusammenreißen müssen, damit Nathalie ihn nicht so sah. Der Hunger brannte ihm in der Kehle, welcher bei dem Kuss ohne Vorwarnung entstanden war.
Damon lehnte sich seufzend gegen, eine Hauswand neben ihm und bekam sein Gesicht mit Mühe wieder unter Kontrolle.
Das Verlangen nach Blut ging leider nur allzu oft einher mit dem Verlangen nach anderen Dingen. Dinge, die der Kuss und die vorherigen Worte dieses Mädchens in ihm ausgelöst hatten.
Damon schüttelte leicht den Kopf. Wieso hatte er das zugelassen? Er hatte sie doch nur kennenlernen wollen. Sich klarmachen wollen, dass sie nicht Eveline war.
Nun, sein Plan war aufgegangen. Sie war für ihn nicht länger seine verstorbene Verlobte. Zwar sah er ab und an noch Ähnlichkeiten in ihren Bewegungen, Ausdrucksweisen und Ähnlichem. Doch dennoch war dieses Mädchen für ihn einfach nur noch Nathalie.
Womit er jedoch nicht gerechnet hatte, war, dass der Drang sie zu töten zeitgleich mit ihrer Ähnlichkeit zu Evie verschwunden war. Er wollte und konnte sie nicht mehr verletzen, im Gegenteil er hatte sogar fast den Wunsch sie zu beschützen.
Was war der Grund dafür?
Damon seufzte erneut und fuhr sich durch sein Haar. Diese Frage konnte er sich selbst beantworten.
Er mochte sie.
Nathalie war eine seltene Art von Mädchen. Das hatte sie ihm heute wieder und wieder gezeigt. Sie strahlte so viel Wärme und Vertrauen aus, dass er sie an sich herangelassen hatte ohne es überhaupt zu merken. Sie hatte ihm zugehört ohne ihn zu verurteilen oder gelangweilt zu wirken. Damon lächelte etwas.
Sie war wirklich eine seltene Art von Mädchen. Die Art in die er sich sogar verlieben könnte.
Damon schüttelte schnell den Kopf. So weit durfte es nicht kommen!
Er hatte Katherine. Wegen ihr war er überhaupt hier. Und er würde sie nach 145 Jahren bestimmt nicht wegen einem Menschen aufgeben.
Die Miene des Schwarzhaarigen verhärtete sich wie Stein.
Bis er Katherine hatte, würde Nathalie eine nette Ablenkung sein. Mehr aber auch nicht.
Sie war ein Mensch und es somit nicht wert.
Mit diesen Gedanken wandte Damon sich ab und verschwand in übermenschlicher Geschwindigkeit in die Nacht.
Es wurde Zeit, sich sein Abendessen zu besorgen.
Er kam auf dem Parkplatz beim Grill zum Stehen und grinste leicht.
Vielleicht etwas Blondes…

7. Kapitel: Dinner

"Bonnie…", seufzte ich und sah meine Freundin, welche gerade ihr rechtes Bein dehnte, zweifelnd an.
"Ich sage nur, du solltest vorsichtig sein! Du kennst ihn doch noch gar nicht so richtig.", sagte die Dunkelhaarige und ich seufzte erneut. Seit ich Bonnie und Elena erzählt hatte, dass ich seit vorgestern offiziell mit Damon zusammen war (und Elena nun auch mit Stefan), war Bonnie in einem merkwürdigen Beschützermodus. Sie warnte Elena und mich die ganze Zeit, dass wir aufpassen mussten, weil mit den Brüdern irgendetwas nicht stimmte.
"Ich kenne ihn gut genug und auf jeden Fall besser als du. Ich meine, du hast ihn doch noch nicht einmal gesehen!", sagte ich leicht belustigt, doch Bonnie blieb ernst.
"Ich meine ja nur.", murmelte sie, was mich nur den Kopf schütteln ließ, ehe ich aufstand und ebenfalls meine Beine dehnte. Das war mein erstes Cheerleadertraining nach den Sommerferien und ich hoffte, dass Caroline Gnade walten lassen würde, wenn ich einige Figuren noch nicht hundertprozentig konnte. Apropos Caroline. Ich hatte sie heute den ganzen Tag noch nicht gesehen und ans Handy ging sie auch nicht. Hoffentlich war nichts passiert.
Ich wurde aus meinen Gedanken gerissen, als ich hinter mir ein Räuspern hörte, und drehte mich um.
"Elena?", fragte ich ungläubig, als meine beste Freundin grinsend auf uns zulief.
"Oh mein Gott! Du hier?", fragte Bonnie ebenfalls überrascht, als ich Elena auch schon umarmte.
Sie hatte seit dem Tod ihrer Eltern nicht mehr mit uns trainiert.
"'Ich kann nicht bis in alle Ewigkeit rumtrauern!'", sagte Elena und löste sich von mir, "'Du kannst nur zur Normalität zurückfinden, wenn du normale Dinge machst!'", damit begann sie ebenfalls sich zu dehnen, "'Und übrigens ihr beide kommt heute Abend zum Essen!'", fügte sie noch hinzu und ich hob leicht die Augenbrauen.
"Ach?", fragte ich zeitgleich mit Bonnie und kurz grinsten wir uns an.
"Jep! Damit du Stefan und Damon besser kennenlernst!", antwortete Elena an Bonnie gewandt, ehe sie zu mir sah, "Du bringst ihn heute Abend mit, Alie!" Ich sah sie perplex an. Sonst war Caroline die, mit dem Befehlston.
"Ähm… Sir, ja, Sir?", erwiderte ich und Elena lachte leicht.
"Entschuldige, ich meine natürlich, ob du fragst, ob er Lust hat.", sagte sie und ich grinste.
"Hat er bestimmt.", sagte ich nickend.
"Heute ist ungünstig.", sagte da Bonnie, die ihr Gesicht zu einer leidenden Miene verzogen hatte.
"Jetzt gib den beiden doch wenigstens eine Chance!", sagte Elena verärgert.
"'Habt ihr Caroline gesehen? Sie antwortet auf keine SMS.'", versuchte Bonnie jedoch nur abzulenken und ich verdrehte die Augen.
"Bonnie!", sagte ich mahnend und sie sah mich flehentlich an.
"'Du kannst das Thema wechseln so viel du willst, Bonnie Bennet! Du kommst heute Abend!'", verkündete Elena und Angesprochene seufzte aufgebend.
"Na gut. Ich komme.", murrte sie und Elena grinste.
"Gut.", nickte sie zufrieden und gemeinsam setzten wir uns wieder auf die Wiese. Damit beendeten wir das Aufwärmen und vielleicht zehn Minuten später, stieß Caroline zu uns.
"Hey Leute!", grüßte sie die Gruppe und ich hob die Augenbrauen als ich sah, dass sie einen Schal trug. Es waren doch gefühlte dreißig Grad!  Und Sport machten wir auch noch! Und da trug sie ernsthaft einen Schal?
"'Tut mir leid, dass ich zu spät bin, ich war beschäftigt. Also in fünf Minuten fangen wir an!'", erklärte die Blonde und ich wechselte einen Blick mit Bonnie und Elena.
"Sie war beschäftigt?", fragte ich skeptisch, "Und diese Sache war wichtiger als der heutige Unterricht?"
"Vielleicht hatte sie ja gestern Abend ein Date.", mutmaßte Elena, doch Bonnie hob die Augenbrauen.
"Der letzte Kerl hinter dem sie her war, war Stefan. Ich glaube nicht, dass sie so schnell jemand neuen gefunden hat.", sagte die Schwarzhaarige kopfschüttelnd und ich verzog etwas das Gesicht.
"Damon würde auch gut in ihr Beuteschema passen, aber ich hoffe, dass sie ihn in Ruhe lässt.", murmelte ich und ein ungutes Gefühl stieg in mir hoch, welches sich jedoch verflüchtigte, als ich hinter mir das laute Heulen eines Motors hörte. Ich blickte hinter mich und sah einen mir nur allzu bekannten Oldtimer die Straße entlang fahren, welcher in der Einfahrt zu unserer Trainingswiese zum Stehen kam.
"Wow.", murmelte Elena und ich warf ihr einen ungläubigen Blick zu. Was wollte Damon denn hier?
"Wer ist das denn?", hörte ich Bonnie fragend, während ich mich langsam aufrichtete, als Damon ausstieg und geradewegs auf mich zu kam. Dabei sah er mit seiner schwarzen Kleidung und der Sonnenbrille, die er trug, fast aus wie ein Rockstar, der über den roten Teppich an seinen Fans vorbeilief. Kurz gesagt, er sah aus wie der Mann von dem alle Mädchen träumten. Und dieser Mann lief direkt auf mich zu.
Ein freudiges Flattern durchfuhr mich bei diesem Gedanken.
"Hallo Schönheit.", sagte Damon da und kam direkt vor mir zum Stehen, während er die Sonnenbrille absetzte.
"Hi.", gab ich schüchtern zurück, als ich alle Blicke auf mir spürte. Ich hasste es im Mittelpunkt zu stehen!
"Was machst du denn hier?", fragte ich leise, während ich versuchte die Blicke zu ignorieren, und Damon grinste schief.
"Ich wollte dich sehen.", sagte er als wäre es selbstverständlich und sein Blick wanderte kurz über meinen Körper, "Und es hat sich gelohnt, wenn ich mir dein Outfit so anschaue." Ich spürte wie ich rot anlief und senkte den Blick. Es machte ihm offenbar gar nichts aus, dass hier lauter andere gutaussehende Mädchen standen und hörten, wie er mit mir flirtete.
"Damon…", murmelte ich tadelnd und schüttelte den Kopf. Dabei musste ich trotzdem etwas lächeln. Die meisten Mädels hatten sich in der Zwischenzeit Gott sei Dank wieder abgewandt und unterhielten sich wieder, auch wenn Damon und ich wohl jetzt das Topthema waren.
"Was?", fragte Damon gespielt unwissend, ehe er mit einer Hand mein Kinn leicht anhob und mir einen flüchtigen Kuss gab, "Ich sage nur die Wahrheit." Ich blickte ihm in die Augen und spürte wie ich mal wieder bei dem Blau dahin schmolz.
"Hey Damon!", rief da plötzlich Elena hinter mir und ich atmete genervt aus, während ich verärgert die Lippen aufeinanderpresste. Das entging Damon natürlich nicht, weswegen er wegen meiner Reaktion kurz schmunzelte, ehe er zu Elena aufsah, die zusammen mit Bonnie neben mich getreten war. Irgendwann würde ich ihr wirklich nochmal den Hals umdrehen.
"Elena. Schön dich wiederzusehen.", grüßte er sie freundlich und ich blickte ebenfalls zu ihr und Bonnie.
"Gleichfalls. Das hier ist übrigens Bonnie!", Elena nickte zu der Schwarzhaarigen, welche Damon mit einem aufgesetzten Lächeln zunickte. Sehr diskret, Elena…
"Hi.", sagte sie knapp und Damon erwiderte ihr Lächeln, auch wenn seines nicht aufgesetzt war.
"Bonnie, Alie und ich wollte heute Abend zusammen bei mir zu Hause essen.", fuhr Elena fort und ich blickte sie stirnrunzelnd an, als sie Stefan geflissentlich wegließ, "Wir würden uns freuen, wenn du auch kommst."  Erwartungsvoll sah sie den Schwarzhaarigen an, welcher überrascht die Augenbrauen gehoben hatte.
"Nun…", sagte er langsam, "Ich habe heute Abend noch etwas zu tun…", er warf einen Seitenblick auf mich und ich sah ihn bittend an, "Aber ich werde versuchen später dazuzustoßen."
"Super! Ich wohne in der Maple Street 2104.", erwiderte Elena grinsend, während ich Damon dankend anlächelte. Elena hätte mich wahrscheinlich zusammengefaltet, wenn er verneint hätte. Und das obwohl ich noch nicht mal etwas dafürgekonnt hätte.
"Entschuldigt, aber wollt ihr trainieren oder nur im Weg stehen?" Caroline war zu uns getreten und blickte Elena, Bonnie und mich streng an. Ich unterdrückte ein Seufzen.
"Wir kommen schon.", sagte Elena nickend, aber auch bei ihr sah ich, wie sie versuchte nicht die Augen zu verdrehen.
Caroline nickte zufrieden, ehe sie sich mit einem seltsamen Seitenblick auf Damon umdrehte und zum Rest der Gruppe zurücklief. Bonnie und Elena taten es ihr nach, während ich mich noch kurz zu Damon wandte.
"Wir sehen uns nachher?", fragte ich.
"Ja. Auch wenn ich mir nicht sicher bin, ob das ein Essen oder ein Verhör wird.", antwortete er und grinste schief. Auch ich musste lächeln.
"Wahrscheinlich beides.", erwiderte ich, ehe ich ihn noch einen flüchtigen Kuss gab und ebenfalls zu den anderen zurückging, um mit dem Training zu beginnen.


***

"Denkst du echt, es war eine gute Idee, Stefan und Damon ohne ihr Wissen voneinander einzuladen?", fragte ich noch immer unsicher, während wir den Tisch im Esszimmer deckten.
"Natürlich! Sonst hätten sie doch nie zugesagt.", sagte Elena überzeugt, erntete aber trotzdem zweifelnde Blicke von mir und Bonnie, die in der Küche stand.
Wir waren nach dem Cheerleader-Training direkt zu Elena nach Hause gefahren, um alles für das Abendessen vorzubereiten. Elena hatte jedoch nur Fertiggerichte gekauft, da keiner von uns in der Lage war, etwas Vernünftiges zu kochen.
Doch das war nicht mein Problem. Ich machte mir Sorgen wie Stefan und Damon aufeinander reagieren würden. Vor allem da sie sich unvorbereitet treffen würden.
"Das wird nicht gut gehen.", murmelte Bonnie kopfschüttelnd, während sie Elena die Teller reichte.
"Und woher willst du das wissen?", fragte Elena herausfordernd, "Von deinen hellseherischen Kräften?" Ich musste etwas schmunzeln.
"Sehr witzig.", murrte Bonnie, "Und nein, es ist einfach nur ein Gefühl. Meine Kraft habe ich aber trotzdem nicht erfunden."
"Bonnie…", sagte ich gedehnt und sah sie zweifelnd an. Das war doch echt absurd. Sowas wie Hellseher und Hexen gab es nicht.
"Erklärt ihr es mir!", erwiderte die Schwarzhaarige, "'Gestern Abend habe ich ferngesehen, dann gabs die Werbepause und ich dachte: 'Ich wette, jetzt kommt die Telefon-Werbung!' Und was kam? Der Junge und das Mädchen mit der Bank! Er fliegt nach Paris, er fliegt zurück, sie schießen ein Foto!'"
"So oft wie die im Fernsehen läuft, könnte ich die auch voraussagen.", sagte ich schulterzuckend und auch Elena schien ihr nicht zu glauben.
"Dann eben das: Ich sehe heute schon den ganzen Tag drei Zahlen vor mir! Immer die dieselben drei Zahlen! Acht, vierzehn und zweiundzwanzig! Wie verrückt ist das denn?", fuhr Bonnie fort, als Elena sie plötzlich ernst ansah.
"'Vielleicht sollten wir es mit Lotto versuchen.'", sagte sie und ich lachte auf.
"Den Jackpot könnte ich gebrauchen."; fügte ich grinsend hinzu, während Bonnie uns beide genervt ansah.
"Rede doch mit deiner Grandma darüber.", schlug ich daraufhin vor und ließ mich auf einem Stuhl am Tisch nieder, während Elena ein paar Schüsseln aus einem Küchenschrank holte.
"Die fängt dann nur wieder mit dem Hexending an.", seufzte Bonnie. Sie schien auch nicht an sowas zu glauben.
"Also ich würde keine Hexe sein wollen.", sagte ich und schüttelte mich kurz.
"Ich auch nicht!", antworteten meine Freundinnen im Chor.
"Auf Hakennase und Warzen kann ich gut verzichten.", fügte Elena noch hinzu und wir lachten leicht, als sie das Fertigessen aus der Aluschale in eine der Schüsseln kippte.
"'Selbst wenn du es in eine nette Schüssel tust, fällt niemand darauf rein!'", sagte Bonnie und lächelte die Braunhaarige mitleidig an.
"Käme auf einen Versuch an.", sagte ich, ehe ich aufstand, um Elena die Schüssel abzunehmen und sie auf den Tisch zu stellen.
"'Okay…'", murmelte Elena und sah sich um, "'Servierlöffel… Wo sind die Servierlöffel?'"
"'Mittlere Schublade. Da links.'", antwortete Bonnie da ohne zu Überlegen und deutete auf einen Küchenschrank. Ich runzelte die Stirn, als Elena unsicher auf jene Schublade zulief und sie öffnete. Tatsächlich waren dort die gesuchten Servierlöffel.
"Wow.", murmelte ich und sah Bonnie nun etwas beeindruckt an.
"Okay.", sagte Elena nun auch etwas verblüfft, "Klar, du warst in dieser Küche ja auch schon tausend Mal.", tat sie es ab.
"Das wird es sein.", antwortete Bonnie sarkastisch, als es an der Tür klingelte.
"Das wird dann wohl Stefan sein.", sagte ich und Elena nickte, ehe sie zur Tür eilte. Damon hatte ja gesagt, dass er später kommen würde.
"Keine Panik.", sagte ich zu Bonnie, als ich ihr Gesicht sah, und schenkte ihr ein aufmunterndes Lächeln, welches sie nervös erwiderte.


***


Absolute Stille herrschte, während wir zu viert am Tisch saßen und aßen. Sowohl Stefan als auch Bonnie waren sehr schweigsam und bisher war jeder Versuch von Elena und mir, ein Gespräch anzufangen, gescheitert. Es war nun mal nicht leicht Eis zu brechen.
"'Hat Tanner es dir vorhin schwer gemacht?'", fragte Elena da Stefan, um einen neuen Versuch zu wagen.
"'Naja, ich bin jetzt im Team. Schätze irgendwas hat ihn überzeugt.'", antwortete der Blonde und lächelte etwas. Ach ja. Stefan war ja in der Footballmannschaft aufgenommen worden, was meinem Bruder gar nicht gepasst hatte. Hoffentlich ließ er mich damit in Ruhe.
"'Bonnie, du hättest ihn heute sehen sollen! Tyler wollte ihn mit einem Ball abwerfen und-'", erzählte Elena, wurde jedoch von Angesprochener unterbrochen.
"'Ja schon gehört.'", sagte die Schwarzhaarige nickend.
"Tut mir leid.", sagte ich an Stefan gewandt, "Mein Bruder kann ein ganz schöner Idiot sein."
"Schon gut.", wank Stefan ab und lächelte mich an.
"'Erzähl doch Stefan etwas von deiner Familie!'", sagte Elena nun etwas lauer, die wohl die Nase langsam davon voll hatte, dass Bonnie sich die ganze Zeit so verschloss. Diese warf ihr kurz einen bösen Blick zu, ehe sie antwortete.
"'Geschieden. Keine Mom. Wohne bei meinem Dad.'", sagte die Schwarzhaarige knapp.
"'Nein, das mit den Hexen!'", sagte Elena.
Daraufhin sah Stefan fragend zwischen den beiden hin und her.
"Ein paar von Bonnies Vorfahren sollen Hexen gewesen sein.", erklärte ich und nun erntete ich von Bonnie einen bösen Blick.
"'Ist ziemlich cool.'", sagte Elena nachdrücklich.
"'Als cool würde ich das nicht bezeichnen!'", antwortete Bonnie und ein verärgerter Unterton schwang in ihrer Stimme mit.
"'Ist auf alle Fälle interessant.'", sagte Stefan da,"'Ich kenne mich zwar nicht so gut aus, aber ich weiß, es gibt keltische Druiden, die im 19. Jahrhundert hier eingewandert sind.'"
"'Meine Familie kommt aus Salem.'", sagte Bonnie, während Elena und ich uns einen triumphierenden Blick zuwarfen. Wir hatten sie ins Gespräch gekriegt. Und so schlecht verstanden sie sich gar nicht. Jetzt mussten wir das nur noch mit Damon klären.
Als hätte Gott meine Gedanken gehört, klingelte es in diesem Moment an der Tür.
"Ich gehe schon!", sagte ich und stand auf.
"Ich komme mit!" Damit stand Elena ebenfalls auf, um mir zu folgen.
"Erwartet ihr noch jemanden?", hörte ich Stefan Bonnie fragen und war froh, dass ich diese Frage nicht beantworten musste.
Nun etwas nervös werdend, ging ich zusammen mit Elena zur Tür, um sie zu öffnen.
"Hallo Schönheit.", sagte Damon, der leicht lächelnd am Türrahmen lehnte, ehe sein Blick zu der Braunhaarigen glitt, "Elena."
"Hallo.", erwiderte die Braunhaarige lächelnd.
"Hi.", sagte ich und beugte mich vor, um ihm einen kurzen Kuss zu geben, "Bitte sei nicht böse.", hauchte ich ihm dabei zu, woraufhin er mich verwirrt ansah.
"'Was machst du hier?'", hörte ich da Stefan, ehe er zu uns trat. Ich sah wie sich die Blicke der beiden Brüder trafen und fast sofort spürte man die Feindseligkeit, die von ihnen ausging.
"'Darauf warten, dass Elena mich reinbittet.'", antwortete Damon gelassen, doch trotzdem merkte ich, dass er angespannt war. Genau sowas hatte ich befürchtet.
"'Oh ja natürl-'", fing Elena an, doch Stefan unterbrach sie.
"'Oh nein! Er kann nicht…'", Stefan hielt kurz inne, "'Das geht nicht. Er kann nicht bleiben.'"
Also, was immer zwischen den beiden geschehen war, es musste echt schlimm gewesen sein.
"Es ist okay, Stefan.", versuchte ich die Lage zu beruhigen, "Wir haben ihn eingeladen." Stefan sah mich kurz mit einem seltsamen Blick an. War da Angst in seinen Augen?
"'Eigentlich wollten wir gerade gehen.'", murmelte er und sah wieder zu Damon, der leicht die Augen verengt hatte.
"'Ist schon okay,'", wank Elena ab, ehe sie sich zu Damon wandte, "'Komm rein.'"
Daraufhin trat Damon langsam ein, während Stefan fast panisch zwischen ihm und Elena hin und her sah.
"'Dein Zuhause gefällt mir, Elena.'", bemerkte der Schwarzhaarige, als er sich im Flur umsah.
"'Danke.'", erwiderte Angesprochene, als ich zu Damon trat.
"Setzen wir uns doch ins Wohnzimmer.", schlug ich vor und griff unauffällig nach seiner Hand, um ihn mit ins genannte Zimmer zu ziehen.
Elena und Stefan folgten uns langsam und auch Bonnie gesellte sich zu uns.
Wir saßen nun zu fünft auf den beiden Sofas und erstmal herrschte unangenehme Stille. Dabei sah ich wie Stefan Damon mit Blicken erdolchte, was der Schwarzhaarige jedoch gekonnt ignorierte. Stattdessen blickte er nur zu mir und legte lächelnd einen Arm um mich. Sehr merkwürdig.
"Also Elena.", begann er da plötzlich und fragend sah die Braunhaarige ihn an, "Ich habe gehört, du wohnst hier mit deiner Tante und deinem Bruder?"
"Ähm… ja.", antwortete Elena etwas unsicher, "Es war das Haus meiner Eltern und seit sie nicht mehr…" Sie hielt inne und ich sah sie mitleidig an.
"'Tut mir leid.'", sagte Damon, "'Ich weiß, was es heißt, seine beiden Eltern zu verlieren.'" Erschrocken sah ich ihn an.
Seine Eltern waren auch gestorben?
"Das hast du nie erwähnt.", murmelte ich und der Schwarzhaarige blickte zu mir.
"'Naja, wenn Stefan und ich eine Liste machen müssten, würden wir in diesem Leben wohl nicht mehr fertig werden. Wir haben nämlich so ziemlich jeden Menschen sterben sehen, der uns etwas bedeutet hat.'" Ich traute meinen Ohren kaum.
Wenn das stimmte, war es tatsächlich ein Wunder, dass weder Damon noch Stefan depressiv geworden waren oder gar Schlimmeres. Ich sah es ja bereits bei Elena und Jeremy und die hatten "nur" ihre Eltern verloren.
"'Nicht nötig jetzt darüber zu reden.'", blockte Stefan ab und warf seinen Bruder erneut einen tödlichen Blick zu.
"'Du hast ja recht, Stef. Tut mir leid. Dich an sie zu erinnern war das Letzte, was ich wollte.'", entgegnete Damon in einem Ton, der so gar nicht zu ihm zu passen schien. Es hatte etwas Hinterhältiges in seiner Stimme gelegen, was ich jedoch nicht einordnen konnte.
"Von wem redet ihr?", fragte Elena verwirrt und auch Bonnie und ich sahen interessiert zwischen den Brüdern hin und her. Kurz blieb es still, als Damon überrascht die Augenbrauen hob.
"'Oh.'", murmelte er, "'Ihr habt das Gespräch über die Verflossenen noch nicht geführt?'"
Elena sah ihn kurz perplex an, ehe sie langsam den Kopf schüttelte.
"'Ups. Dann wird es jetzt wohl dazu kommen.'", sagte der Schwarzhaarige und fuhr sich durchs Haar. Also hatte Stefan auch eine Frau verloren, die er geliebt hatte.
So langsam wurde das Ganze etwas merkwürdig. Es konnte doch kein Zufall sein, dass um die Brüder herum so viele Menschen gestorben waren… oder?


-Damons Sicht-

Der Schwarzhaarige musste schwer an sich halten, nicht zu grinsen, als die Mädchen schließlich in die Küche verschwanden, um den Abwasch zu machen, und er mit Stefan allein war.
"Was zum Teufel machst du?", fragte Stefan und Damon hörte den unterdrückten Zorn in seiner Stimme, was ihn leicht grinsen ließ.
"Der geübte Beobachter würde es wohl als Sabotage deiner Beziehung bezeichnen.", antwortete er und sah mit Genugtuung, dass Stefan noch wütender wurde.
"Halt dich fern von Elena!", zischte der Blonde.
"Auch wenn ich es wollte, könntest du es nicht verhindern. Ich meine…", Damon lehnte sich zurück und machte eine ausladende Handbewegung, "Ich wurde ja eingeladen."
Er sah wie Stefan nach Worten rang, jedoch fand er keine. Und Damon wusste genau, warum. Ihm war klar, dass er recht hatte.
"Aber keine Sorge.", fügte der Schwarzhaarige schließlich hinzu, "Elena interessiert mich nicht. Ich habe meine eigene Cheerleaderin." Er grinste erneut.
"'Das sind Menschen, Damon!'", erwiderte Stefan, "'Nathalie ist keine Puppe! Sie ist nicht nur zu deinem Vergnügen da, damit du, wenn es dir gerade passt, ihr Blut saugen kannst!'"
"'Ah, ah, ah.", Damon schüttelte amüsiert den Kopf, "Noch habe ich sie nicht gebissen… außer das eine Mal. Dafür habe ich eine andere."
"Wen?", fragte Stefan sofort, "Vicky?"
"Nein.", murmelte der Schwarzhaarige abwesend, als würde er übers Wetter reden, "Mir war nach etwas Blonderem."
"Wer ist es?", wiederholte Stefan, doch Damon grinste nur.
"Glaubst du, das sage ich dir?", erwiderte er.
"Wieso nicht Nathalie?", fragte Stefan skeptisch und unwillkürlich spannte sich Damon an. Es passte ihm gar nicht, dass sein kleiner Bruder mal wieder versuchte, Gutes in ihm zu finden.
"Vorfreude ist die schönste Freude, oder?", antwortete er und lächelte emotionslos, "Außerdem ist übermorgen das Gründerfest. Und rate mal in wessen Haus das stattfinden wird und in welches ich dann hereingebeten werde."
"Du wirst ihr nichts tun.", sagte Stefan kopfschüttelnd.
"Verlass dich nicht drauf.", erwiderte Damon gefährlich ruhig, als plötzlich Schritte ertönten und beide Brüder aufsahen. Elena war zurück gekommen.
"Stefan?", fragte sie den Jüngeren, "Können wir reden?"
"Klar.", antwortete Angesprochener und stand auf, um ihr aus dem Raum zu folgen.
Damon sah ihnen kurz hinterher, ehe er ebenfalls aufstand.



-Nathalies Sicht-

Völlig in Gedanken versunken räumte ich die Spülmaschine ein. Ich war allein in der Küche, da Bonnie vor ein paar Minuten nach einem dringenden Anruf von ihrem Vater gegangen war und Elena mit Stefan reden wollte. Das taten sie jetzt wohl auf der Veranda.
Das war mir jedoch relativ egal. Viel größere Gedanken machte ich mir wegen Damon. Es war mehr als nur offensichtlich, dass er Stefan eins auswischen wollte. Doch wofür? Irgendwas sagte mir, dass es etwas mit dieser "sie" zu tun hatte, die er vorhin Stefan gegenüber erwähnt hatte. Und ich hatte auch einen Verdacht, wer das sein konnte.
"Brauchst du Hilfe, Schönheit?", ertönte es da plötzlich hinter mir und erschrocken fuhr ich herum, so sehr, dass mir der Teller, den ich gerade in die Spülmaschine hatte räumen wollen, aus der Hand glitt. Jedoch wurde er kurz vor dem Boden noch rechtzeitig gefangen und mit großen Augen sah ich zu Damon auf, der direkt vor mir stand und schmunzelte (wahrscheinlich wegen meines Blickes).
"Musst du dich so anschleichen?", fragte ich aufgebracht und versuchte mein rasendes Herz zu beruhigen.
"Tut mir leid, wenn ich dich erschreckt habe.", sagte Damon leise und beugte sich zu mir vor.
"Gib es zu. Du machst es mit Absicht.", hauchte ich zurück, was ihn erneut schmunzeln ließ, ehe er seine Lippen auf meine senkte. Kurz ließ ich es zu und genoss den Kuss, ehe ich eine Hand auf seine Brust legte und ihn leicht von mir wegschob. Ich musste ihn das fragen.
"Was?", fragte er etwas verwirrt als ich ihn nachdenklich musterte.
"Diese Frau, von der du vorhin gesprochen hast… Wer war sie?" Ich merkte, wie Damon sich etwas anspannte, jedoch wich er nicht zurück.
"Stefan hat sie geliebt. Und sie ist gestorben. Mehr musst du nicht wissen.", erklärte er kurz und erneut war da dieser feindselige Unterton, der mich stutzig machte.
"Es ist Katherine, nicht wahr?", sagte ich und für den Bruchteil einer Sekunde sah er mich perplex an, ehe er bitter lächelte.
"'Gut geschlussfolgert.'", sagte er, bevor er sich abwandte und sich ein paar Schritte von mir entfernte. Ich atmete hörbar aus.
Also hatte ich richtig gelegen. Es konnte ja auch nur sie sein. Er sprach mit Stefan mit einer solchen Feindseligkeit über sie und Eveline hätte sowas wahrscheinlich nie getan, wenn Damons Beschreibung zutraf.
"Ihr habt sie also beide geliebt?", fragte ich vorsichtig, während Damon mir noch immer den Rücken zukehrte und aus einem Küchenfenster sah.
"Kann man so sagen.", antwortete er knapp und ich merkte, dass das wohl ein verdammt heikles Thema war.
"Und für wen hat sie sich entschieden?" Ich griff nach weiterem Geschirr, um es einzuräumen, damit ich etwas zu tun hatte und die folgende Stille überbrücken konnte.
"Dazu ist es nie gekommen.", sagte Damon schließlich und drehte sich zu mir, "Wir waren beide mit ihr zusammen, wir haben sie beide geliebt, doch wen sie von uns wirklich wollte, hat sie nie gesagt. Und dann ist sie gestorben." Ich hielt in meinem Tun inne und blickte zu ihm auf. Ein leichter Groll kam in mir auf und ich war überrascht von mir selbst, dass ich eine Abneigung gegen eine Frau entwickeln konnte, die bereits tot war und die ich nie gekannt hatte. Sie hatte allem Anschein nach beide Brüder begehrt und ihre Liebe zu ihr schamlos ausgenutzt. Und das hatte dafür gesorgt, dass die beiden sich nun hassten.
"Und deswegen hast du dich mit Stefan zerstritten?", fragte ich und trat vorsichtig einen Schritt auf ihn zu, aus Angst er könnte sich mir entziehen.
"Es gab viele Gründe.", antwortete Damon knapp, doch ich wusste, dass das nur eine Ausrede war.
"Du solltest versuchen, es hinter dir zu lassen.", sagte ich sanft und trat noch näher zu ihm, als ich seine Hand griff, "Ich weiß zwar nicht, was genau passiert ist, aber für mich klingt es, als hätte Katherine euch beide benutzt. Und das war ihr Fehler. Nicht deiner oder Stefans."
Gedankenverloren sah Damon mich an und schien tatsächlich über meine Worte nachzudenken.
"Hey, alles in Ordnung?", kam es da plötzlich von der Tür und ich blickte zu Elena, die gerade in die Küche getreten war. Ich seufzte innerlich, während ich mich zu einem Lächeln zwang. Elenas Talent in unpassenden Momenten aufzutauchen kannte keine Grenzen.
"Alles bestens.", antwortete auch Damon und unsicher sah ich zu ihm. Er hatte ein Lächeln aufgesetzt und wirkte wieder ganz wie der Alte. Jedoch war es nun eine Maske, die seine wirklichen Gefühle zu überdecken schien.
Hoffentlich hatte ich zu ihm durchdringen können.

8. Kapitel: Seducing Devotion

"Das ist doch echt nicht normal! Was für ein Tier greift Menschen mitten in der Stadt an?", fragte Elena, die auf meinem Bett saß und mich dabei beobachtete, wie ich im Zimmer auf und ab lief.
"Es soll angeblich ein Puma gewesen sein.", sagte ich und richtete zum hundertsten Mal mein Haar.
"Ein Puma, der ungesehen einen Lehrer tötet ohne, dass man ihn schreien hört?", erwiderte Elena und wir schüttelten zeitgleich ungläubig den Kopf. Das war echt absurd.
Gestern hätte eigentlich ein Footballspiel stattfinden sollen, was jedoch in letzter Minute abgesagt worden war, weil man die Leiche unseres Teamtrainers und Geschichtslehrers Mr. Tanner gefunden hatte. Und heute Morgen hatte man dann in den Nachrichten verkündet, dass die Gefahr wohl von einem Puma ausgegangen war, welcher aber inzwischen keine Gefahr mehr darstellte.
"Du wurdest doch angegriffen. Hast du eine Ahnung, ob es tatsächlich ein Puma gewesen sein könnte?", fragte Elena und sah mich zweifelnd an.
"Ich erinnere mich nicht mehr an den Angriff.", erklärte ich und drehte mich zu meiner besten Freundin, "Alles was ich noch weiß ist, dass ich in den Wald gelaufen bin. Danach war ich im Krankenhaus." Ich zuckte mit den Schultern. Wahrscheinlich war es auch besser, dass ich es nicht mehr wusste. Die Alpträume, die ich ohne Erinnerungen ohnehin schon hatte, reichten mir völlig.
"Sie hätten das Gründerfest absagen sollen.", sagte Elena seufzend und blickte auf ihr Handy, um die Uhrzeit zu prüfen.
"Du kennst doch meine Eltern. Die gehen für Feste in ihrem Haus sogar über Leichen.", sagte ich und ein genervter Unterton schwang in meiner Stimme mit. Ich wäre nicht mal überrascht, wenn sie die Sache mit dem Puma erfunden hätten, nur damit dieses Fest stattfinden konnte.
Elena nickte leicht, ehe sie von meinem Bett aufstand.
"Ich gehe aber schon mal nach unten. Bonnie ist bestimmt schon da.", sagte sie, doch ich wusste, dass das lediglich eine Ausrede war, und lächelte wissend.
"Wir wissen beide, dass du nach jemand anderen Ausschau hältst.", sagte ich und mein Lächeln wurde zu einem Grinsen, als sie leicht rot wurde.
"Du etwa nicht?", antwortete sie jedoch nur und verließ mein Zimmer, während ich kopfschüttelnd noch einmal zu dem kleinen Schminktisch neben der Tür lief, um mein Makeup zu prüfen. Ich hatte mir extra viel Mühe mit meinem Aussehen gegeben, schließlich würde Damon höchstwahrscheinlich auch auf diesem Fest sein, welches in meinem eigenen Haus stattfand. Ich konnte mir meine Hintergedanken deswegen nicht verkneifen. Unweigerlich glitt mein Blick zu meinem Bett.
'Himmel, Nathalie! Es wird nicht so weit kommen!', maßregelte ich mich gedanklich und wandte mich schnell ab. Vielleicht zu schnell, denn als ich mich etwas zu hastig zur Tür drehte, stieß ich gegen meinen Schminktisch und ein Parfümfläschchen, welches bereits schon einmal am Boden gelandet war, fiel um und zerschellte in tausende Splitter auf dem Tisch.
"Verdammt!", fluchte ich und starrte verärgert auf die Scherben.
Gott sei Dank war die Flasche leer gewesen. Aber ich hatte jetzt weder Zeit noch Geduld das aufzuräumen. Ich würde mich später darum kümmern.
Mit einem genervten Seufzer wandte ich mich ab und verließ den Raum.


***


Leicht gelangweilt lief ich durch den Salon im Erdgeschoss unseres Hauses, wo meine Mutter alte Erbstücke der Gründerfamilien ausgestellt hatte. Ich hatte mich schon vor Jahren daran gewöhnt in einem halben Museum zu wohnen, doch diese Gründerfeste waren wirklich das Schlimmste. Vor allem, wenn man niemanden hatte, mit dem man etwas trinken oder sich unterhalten konnte. Elena war mit Stefan beschäftigt, Bonnie und Caroline konnten sonst wo im Haus sein und von Damon fehlte bisher jede Spur.
Dabei war das Fest schon seit Stunden im Gange! Es war sogar schon dunkel geworden und trotzdem hatte Damon sich noch nicht blicken lassen. Zugegeben, wir hatten uns auch nicht verabredet, aber ich war fest davon ausgegangen, dass er hier auftauchen würde. Immerhin hatte er mich gestern schon mal versetzt, als wir uns vor dem Footballspiel hatten treffen wollen. Aber bei dem, was gestern los gewesen war, hatte ich ihm das auch nicht verübelt.
Ich seufzte leise und betrachtete irgendein Tagebuch, welches vor mir auf einem Tisch ausgestellt war.
War er vielleicht sauer auf mich? Hatte ich vorgestern etwas Falsches gesagt?
"Guten Abend, Schönheit.", hörte ich es da plötzlich hinter mir und erschrocken fuhr ich herum. Damon stand mit zwei Gläsern Champagner vor mir und grinste leicht, als er meinen Blick sah.
"Im Ernst, du musst damit aufhören!", sagte ich und sah ihn böse an. Irgendwann bekam ich nochmal einen Herzinfarkt.
"Womit?", fragte er unschuldig und drückte mir eins der Gläser in die Hand. Dabei beugte er sich kurz zu mir vor, um mir einen flüchtigen Kuss zu geben.
"Das weißt du genau.", sagte ich leise, musste aber lächeln, "Wo warst du denn so lange? Ich habe mir schon Sorgen gemacht."
"Ich bin aufgehalten worden.", antwortete der Schwarzhaarige knapp, was mich fragend die Augenbrauen heben ließ. Dabei nahm ich einen Schluck aus meinem Glas.
"Und von wem?"
"Ich glaube, das willst du gar nicht wissen.", antwortete er, woraufhin meine Augenbrauen noch höher wanderten, "Von deiner Mutter." Bei diesen Worten musste ich schwer an mich halten, den Champagner den ich gerade getrunken hatte nicht sofort wieder auszuspucken.
"Meine Mutter?", wiederholte ich geschockt, als ich den Schaumwein mit Mühe heruntergeschluckt hatte.
"Ja, sie wollte wohl wissen, ob du in guten Händen bist.", sagte Damon schulterzuckend," Zumindest ließen ihre vielen Fragen das vermuten."
"Sie wollte wohl eher wissen, ob ich in reichen, gutaussehenden Händen bin.", murmelte ich bitter und Damon sah mich fragend an.
"Meinen Eltern geht es nur um ihr Ansehen.", erklärte ich kühl, "Ich kann jeden anschleppen, Hauptsache er hat Geld und er sieht gut aus."
Verachtend schüttelte ich den Kopf. Ich hasste sowas.
"Hmm, dann kann ich ja nur hoffen, dass du nicht so oberflächlich bist." Leicht amüsiert sah Damon mich an.
"Naja, dein Aussehen ist mir schon aufgefallen.", sagte ich und lächelte leicht, was ihn schmunzeln ließ, "Aber ich habe keine Ahnung, ob du ein Millionär bist oder dein Auto nur gestohlen hast und damit unter einer Brücke wohnst." Das brachte ihn richtig zum Lachen und auch ich musste über meinen übertriebenen Vergleich grinsen.
"Sagen wir…", begann er schließlich, als er sich wieder beruhigte, "Dass ich den Vorstellungen deiner Mutter ziemlich genau entspreche."
"Tatsächlich?", fragte ich, doch überraschen tat es mich nicht, "Wieso bist du dann hier in einer verschlafenen Kleinstadt und gibst dich mit einem gewöhnlichen Mädchen wie mir ab, anstatt nach Hollywood oder so zu gehen?" Diese Frage war eigentlich scherzhaft gemeint gewesen, doch Damon wurde bei ihr plötzlich ernst, als er einen Schritt näher zu mir trat.
"Wieso sollte ich nicht in deiner Nähe sein wollen?", fragte er und es hörte sich fast nach einer rhetorischen Frage an. Ich nahm einen großen Schluck aus meinem Glas und wich seinem direkten Blick aus.
"Naja… Jemand wie du könnte doch bestimmt jede Frau haben.", sagte ich, was ich jedoch sofort wieder bereute. Wieso sagte ich sowas? Am Ende verließ er mich tatsächlich…
"Du hast wohl keine Ahnung, wie wunderschön du bist.", sagte Damon da leise und strich mit einer Hand sanft über meine Wange, was mich zu ihm aufblicken ließ, "Sonst würdest du nicht so etwas sagen." Ich schmiegte mich leicht an seine Hand, als ich ihm in die Augen sah und sachte den Kopf schüttelte.
"Ich bin nicht wunderschön.", murmelte ich, doch er blickte mich nur ungläubig an, als würde ich gerade das Offensichtlichste der Welt in Frage stellen. Er beugte sich leicht zu mir vor, so dass ich seinem Atem bereits auf meinem Gesicht spürte.
"Denkst du, ich nenne dich Schönheit nur aus einer Laune heraus?", fragte er und ich spürte wie bei seinen Worten meine Knie weich wurden. Ohne darüber nachzudenken überwand ich die letzten Zentimeter zwischen uns und küsste ihn. Doch dieser Kuss war nicht so flüchtig und kurz wie es die letzten gewesen waren.
Nein, er ähnelte mehr unserem ersten Kuss, denn wie beim ersten Mal spürte ich die unzähmbare Leidenschaft, die von Damon ausging und ich kaum im gleichen Maße erwidern konnte. Ich bemerkte wie er sein Glas auf dem Tisch neben uns abstellte, was ich ihm sogleich nachtat, ehe er beide Hände um meine Hüfte zu legte und mich näher an sich heranzog. Ich ließ es zu und vergrub meine Hände in seinem Haar, als mich ein neues unbekanntes Gefühl überkam.
Es war eine Art Feuer, welches in meiner Brust zu erwachen schien und sich durch meinen gesamten Körper zog. Doch am stärksten spürte ich es schließlich zwischen meinen Beinen und mir wurde klar, was das für ein Gefühl war: Erregung. Ich fühlte wie mein Herz bei diesem Gedanken aufgeregt flatterte und als würde Damon dies ebenfalls spüren, verstärkte er seinen Griff um mich, was meinen Körper natürlich nicht kalt ließ.
"Alie? Bist du hier?", hörte ich da plötzlich jemanden rufen und augenblicklich löste sich Damon von mir, um wieder einen normalen Abstand zwischen uns herzustellen. Ich blickte mich verwirrt um und fühlte mich als hätte man mich aus einem schönen Traum gerissen.
Mein Verstand klärte sich langsam wieder, als ich spürte wie Damon (mit gewissem Abstand zu mir) meine Hand griff und jemand zur Tür reinkam.
"Da bist du ja.", sagte Elena, die gefolgt von Stefan gerade den Raum betreten hatte und ich unterdrückte ein Zähneknirschen. War ja klar, dass wieder einmal nur Elena so ein mieses Timing haben konnte.
"Wieso antwortest du denn nicht, wenn jemand dich ruft?", fragte sie mich lächelnd, worauf mir jedoch keine passende Erwiderung einfiel.
"Ich schätze, sie war mal wieder in Gedanken.", antwortete Damon da für mich und kurz warf ich ihm einen dankbaren Blick zu, ehe ich nickte.
"Ja… Ich war abgelenkt. Entschuldige.", sagte ich und merkte dabei, wie Stefan Damon misstrauisch musterte. Was hatte er denn schon wieder?
"Was gibt es hier drin denn so Ablenkendes?", fragte Elena und warf mir ein wissendes Lächeln zu, was ich mit einem bösen Blick beantwortete.
"Ich habe mir lediglich dieses alte Zeug hier angesehen." Ich deutete auf ein paar eingerahmte, uralte Dokumente an der Wand.
"Als ob du sowas spannend findest…", sagte Elena kopfschüttelnd, ehe sie meinem Blick folgte und überrascht die Augenbrauen hob, "Oh seht mal, die Original-Gästeliste."
"Ja, die ist vom ersten Gründerfest.", sagte ich und trat gefolgt von den anderen an sie heran, "Meine Mutter ist sehr stolz darauf."
"Die Gründerfamilien von Mystic Falls, Virginia, heißen Sie herzlich willkommen zur Gründerratseröffnungsfeier.", las Elena vor und schien sich sehr dafür zu interessieren, doch meine Begeisterung hielt sich in Grenzen. Geschichte war noch nie mein Lieblingsfach gewesen und ich hatte, da ich hier wohnte, mehr als genug Zeit gehabt, mir die Hinterlassenschaften unserer Vorfahren zu Gemüte zu führen. Während Elena die Liste betrachtete, warf ich einen verstohlenen Blick zu Damon, welcher diesen im gleichen Augenblick erwiderte. Ein kaum erkennbares Lächeln erschien auf seinem Gesicht und ich spürte, wie er mit dem Daumen zärtlich über meine Hand strich, die er noch immer festhielt. Ich spürte wie meine Gefühle von vorhin begannen zurückzukehren und wandte schnell den Blick ab.
'Nicht jetzt Nathalie!', versuchte ich mich zu beruhigen, 'Falscher Ort! Falscher Zeitpunkt!'
"Sind das… Damon Salvatore und… Stefan Salvatore?", riss mich da Elena aus den Gedanken und ich blickte zu ihr. Sie zeigte mit dem Finger mitten auf die Gästeliste und als ich genauer hinsah, erkannte ich was sie meinte. Die Namen der Brüder standen auf der Liste! Wieso war mir das nicht schon eher aufgefallen? Was zum Teufel hatte das zu bedeuten?
"'Die ursprünglichen Salvatore-Brüder.'", erklärte Damon und fragend sah ich ihn an, "'Unsere Vorfahren. War eine tragische Geschichte.'" Ich öffnete den Mund, um zu fragen, was er damit meinte, jedoch war Stefan schneller als ich.
"'Langweilen wir sie nicht mit Familiengeschichten.'", sagte er und warf Damon einen seltsamen Blick zu, den ich nicht einordnen konnte.
"Ich würde gerne mehr darüber erfahren.", sagte ich und war von mir selbst überrascht, wie schnell sich mein Desinteresse in Neugierde gewandelt hatte.
"Ich kann es dir erzählen, wenn du willst.", sagte Damon und ich nickte leicht, ehe ich Elena einen vielsagenden Blick zuwarf. Hoffentlich verstand sie den Wink.
Und sie tat es.
"Ich würde lieber gerne tanzen.", sagte sie und griff nach Stefans Hand, "Tanzt du mit mir?" Stefan blickte daraufhin kurz zu mir und Damon und für einen Moment schien es, als würde er krampfhaft nach einer Ausrede suchen hier zu bleiben, ehe er ein Lächeln aufsetzte und Elena zunickte.
"Dann bis später.", sagte ich und schenkte Elena ein dankbares Lächeln, welches sie erwiderte, "Viel Spaß."
"Dir auch.", erwiderte sie und grinste verheißungsvoll, was ich augenverdrehend abtat, ehe sie gefolgt von Stefan den Raum verließ und ich mit Damon wieder allein war.
"Also, was möchtest du wissen?", hauchte er nah an meinem Ohr, was mir eine Gänsehaut verpasste. Langsam drehte ich mich zu ihm um und überlegte. Einerseits war in mir immer noch der Wunsch das fortzusetzen, was wir eben begonnen hatten, doch hier würden wir früher oder später eh wieder gestört werden, weswegen ich es lieber bleiben ließ. Es war immer noch der falsche Ort und wahrscheinlich auch der falsche Zeitpunkt.
"Deine Familie hat also schon früher hier gelebt?", fragte ich stattdessen und hakte mich bei ihm unter, was ihn kurz grinsen ließ.
"Ja, sie hatte sogar viel Einfluss.", erzählte er und führte mich langsam aus dem Raum in den Flur, "'Der Name Salvatore genoss in der Stadt praktisch königliches Ansehen. Bis zum Krieg. Es gab hier eine Schlacht am Willow Creek.'"
"Ich weiß.", sagte ich nickend als wir an ein paar mehr oder weniger betrunkenen Leuten vorbeigingen, "Das behandeln wir gerade im Geschichtsunterricht. Konföderierte Soldaten haben Zivilisten in einer Kirche erschossen."
"'Fast richtig. Die Geschichtsbücher lassen dabei aus, dass niemand, der getötet wurde, zufällig da drin war. Man hielt sie für Sympathisanten der Union und ein paar Gründer auf Konföderiertenseite wollten sie bei lebendigem Leibe verbrennen sehen.", Damon hielt kurz inne und wir blieben stehen, "'Stefan und Damon hatten jemanden in der Kirche, den sie liebten…Sie wollten die Person retten und wurden erschossen. Einfach ermordet.'" Er sprach die letzten Worte mit einer solchen Bitterkeit aus, dass ich leicht zurückschreckte. Er musste wohl so etwas Ähnliches selbst schon erlebt haben.
"Wer war in der Kirche?", fragte ich leise und Damon blickte mich an.
"'Na bestimmt… eine Frau. Geht es nicht immer um das Gleiche, um die Liebe?'" Wie schon so oft sah ich wie Trauer in seine Augen trat und mein Herz wurde schwer.
"Ich hoffe sehr, dass du und Stefan, dass wieder hinkriegt.", sagte ich und ergriff sanft seine Hand, "Und dass du über den Verlust von Eveline und Katherine hinweg kommst."
Er lächelte etwas und legte wie vorhin schon eine Hand auf meine Wange.
"Wenn ich bei dir bin, habe ich das Gefühl es wäre schon geschehen.", murmelte er und mir schien es als sei ihm gar nicht bewusst gewesen, dass er das gerade laut gesagt hatte. Dennoch spürte ich, wie sich ein wunderbar warmes Gefühl in mir ausbreitete, als ich mich zu ihm vorbeugte, um ihn zu küssen. Jedoch kam ich nicht so weit, da ich in diesem Moment von hinten angerempelt wurde und mein Gleichgewicht verlor.
Dem Himmel sei Dank hatte Damon aber schnelle Reflexe und konnte mich noch fangen, bevor ich am Boden landete. Dabei hörte ich jedoch ein verdächtiges Knacken und keinen Moment später musste mich Damon erneut festhalten, als ich leicht schwankte.
"Alles in Ordnung?", fragte der Schwarzhaarige besorgt, welcher mich stützte, als ich leicht den Saum meines Kleides hochzog, um meine Füße zu sehen. Anscheinend war durch den Stoß mein linker Absatz abgebrochen.
"Verdammt!", fluchte ich und sah mich nach dem Übeltäter um, der mich geschubst hatte.
"Es war ein betrunkener Junge. Er ist schon wieder weg.", sagte Damon, der meinen suchenden Blick wohl bemerkt hatte.
Ich gab einen genervten Seufzer von mir, ehe ich meine Beine nacheinander hob, um meine Schuhe auszuziehen. Dabei löste ich mich aus Damons Griff.
"Die sind wohl hin.", murrte ich und betrachtete die schwarzen Pumps in meiner Hand.
"Das kann man reparieren lassen.", meinte Damon, der mich leicht amüsiert musterte.
"Nein, nicht nötig. Sie waren eh etwas unbequem.", sagte ich kopfschüttelnd, "Aber ich werde mir mal eben ein neues Paar holen gehen." Damit lief ich ein paar Schritte Richtung Treppe, bevor ich stehenblieb und mich nochmal zu dem Schwarzhaarigen drehte, der mich abwartend ansah. Ich konnte ihn hier doch nicht einfach stehenlassen…
"Willst du mitkommen?", fragte ich und ungewollt schwang Unsicherheit in meiner Stimme mit. Damon lächelte nur zur Antwort und trat neben mich, was ich als 'Ja' nahm.
Ich spürte wie ich erneut nervös wurde, als ich schließlich gefolgt von Damon die Treppen hochstieg und den langen Flur entlang zu meinem Zimmer ging.
Ich zögerte kurz, als ich direkt davor stand.
'Ich hatte doch aufgeräumt, oder?', schoss es mir durch den Kopf.
"Ich kann draußen warten, wenn du willst.", hörte ich Damon, der mein Zögern wohl bemerkte hatte, hinter mir sagen und ich drehte mich zu ihm. Nein, diese Möglichkeit konnte ich nicht in Betracht ziehen. Am Ende würde Tyler ihn hier sehen und einen Streit anfangen.
"Nein, schon gut.", sagte ich kopfschüttelnd, "Komm rein." Ich öffnete die Tür und lief geradewegs auf meinen Kleiderschrank zu, um ihn zu öffnen.
Ich würde nur schnell neue Schuhe anziehen und dann konnten wir wieder verschwinden. Ich hörte, wie Damon die Tür schloss und merkte wie sich mein Herzschlag beschleunigte.
'Jetzt waren wir allein in meinem Zimmer…'
Schnell schüttelte ich den Kopf, um diesen Gedanken abzuschütteln, während ich nach dem erst besten Paar schwarzer High Heels griff und hineinschlüpfte.
"Du hast ein schönes Zimmer.", sagte Damon und ich drehte mich zu ihm. Er stand in der Mitte des Raumes und sah sich interessiert um.
"Ach… Ist nichts Besonderes.", sagte ich schulterzuckend und trat zu ihm, "Es ist wie jedes andere Schlafzimmer. Schrank, Schreibtisch, Bücherregal, Bett…" Ich stockte bei dem letzten Wort und blickte auf zu Damon, dessen Augen ebenfalls zu mir gewandert waren und einen tieferen, dunkleren Ausdruck angenommen hatten. Unweigerlich spürte ich die Spannung, die sich zwischen uns aufbaute.
Nein. Das hier war falsch. Ich kannte ihn doch noch nicht lange. Wir sollten noch warten…
"Wir… wir sollten wieder runtergehen.", hauchte ich und mit viel Willenskraft schaffte ich es, mich von Damon abzuwenden und zur Tür zu gehen. Doch gerade als ich sie öffnen wollte, presste sich eine Hand neben mir gegen das Holz und verhinderte somit, dass ich sie auch nur einen Millimeter bewegen konnte.
Ich erzitterte leicht, als ich Damons heißen Atem in meinem Nacken spüren konnte und ein warmer Schauer dabei über meinen Rücken jagte.
"Zoey…", hörte ich ihn flüstern, als ich mich langsam zu ihm drehte und nun mit dem Rücken an der Tür lehnte, während Damon nun beide Hände links und rechts neben meinen Kopf abstützte und mir immer näherkam. Ich starrte ihn nur an ohne mich regen zu können, während meine Atmung sich meiner Kontrolle entzog und hektisch und unregelmäßig wurde.
In meinem Inneren kämpfte noch immer meine Vernunft gegen das stetig wachsende Verlangen an, doch ich spürte bereits, wer als Sieger hervorgehen würde.
"Was tust du nur mit mir?", murmelte Damon kaum hörbar, als er schließlich den letzten kleinen Abstand überwand und seine Lippen auf meine senkte.
Diese Geste ließ schließlich auch den letzten Widerstand ihn mir zerbrechen und ich seufzte aufgebend als ich seinen Kuss erwiderte.
Es konnte nicht falsch sein. Nicht, wenn es sich so richtig anfühlte.
Seine Lippen glitten über die meinen, als wären sie füreinander gemacht und wie von allein öffnete sich mein Mund, um seiner fordernden Zunge Einlass zu gewähren.
Ich spürte wie sein Kuss schnell fordernder wurde und merkte wie seine Arme von der Tür glitten, um sich um meinen Körper zu schlingen. Instinktiv griff ich nach dem Kragen seines Hemds, um ihn noch näher zu mir zu ziehen, während er mich nun von der Tür wegzog und stattdessen gegen den Schminktisch neben ihr presste. Dabei stießen seine Hüften einmal hart gegen meine, wodurch ich eine unmissverständliche Härte fühlte, die das Feuer zwischen meinen Beinen noch stärker zu entfachen schien.
Damon ließ schließlich von meinen Lippen ab und wanderte nun zu meinem Hals, um diesen ebenfalls mit Küssen zu bedecken, dabei griff er mit einer Hand nach meinem linken Bein, um es nach oben zu seiner Hüfte zu ziehen, wobei der Stoff meines Kleides gefährlich hochrutschte. Jedoch schien das genau die Absicht des Schwarzhaarigen gewesen zu sein, da er es kurz darauf noch höher zog, wodurch ich mich mit einer Hand kurz auf dem Tisch hinter mir abstützen musste, um nicht zu fallen. Dabei merkte ich ein kaum spürbares Stechen in meiner Hand, was mir jedoch in diesem Moment herzlich egal war.
Ich fand mein Gleichgewicht wieder und ließ meine Hände zu seinem Hemd wandern, um es langsam aufzuknöpfen, als Damon sich von meinem Hals löste, nur um erneut meine Lippen mit seinen zu verschließen. Ich ließ von seinem nun halboffenen Hemd vorerst ab, um meine Hände an seine Wangen zu legen, damit ich ihn näher zu mir ziehen und den Kuss vertiefen konnte.
In diesem Moment löste sich Damon jedoch plötzlich abrupt von mir und verwirrt blickte ich zu ihm auf. Er hielt mich zwar noch immer mit eisernem Griff fest, doch rührte er sich nicht mehr und sah mich mit einem merkwürdigen Blick an, den ich nicht richtig einordnen konnte.
"Damon?", fragte ich unsicher und nahm langsam die Hände von seinen Wangen. Dabei bemerkte ich, dass an meiner rechten Handfläche Blut klebte.
"Oh.", entfuhr es mir überrascht und kurz blickte ich auf die rote Flüssigkeit, als es mir einfiel. Ich hatte eben wohl in die Scherben gegriffen, die ich nicht weggeräumt hatte. Erneut sah ich zu Damon auf, an dessen Wange auch etwas Blut war.
"Tut mir leid, ich wollte dich nicht-", ich stoppte in meinem Satz, als ich plötzlich sah wie sich Damons Augen unnatürlich rot färbten, "Damon?!" Als hätte er sich an mir verbrannt ließ der Schwarzhaarige mich plötzlich los und wandte mir den Rücken zu. Dabei entfernte er sich ein paar Schritte von mir. Ich stand noch dort, wo er mich zurückgelassen hatte und konnte mich nicht rühren. Was war das gewesen?
"Deine Augen…", murmelte ich und konnte die leichte Angst in meiner Stimme nicht unterdrücken. So eine unnatürliche Färbung hatte ich noch nie zuvor gesehen…
"Es ist nichts. Mir geht es gut.", hörte ich ihn sagen, doch ich merkte wie seine Stimme vor Anstrengung leicht bebte.
"Das glaube ich nicht.", sagte ich kopfschüttelnd, als ich mich vorsichtig von dem Tisch hinter mir löste und einen Schritt auf ihn zutrat, "Damon, deine Augen waren rot. Sowas habe ich noch nie-" Ich wurde unterbrochen, als er zu mir herumfuhr und mich etwas grob an den Armen packte. Dabei sah ich wie seine Augen, die wieder eine normale Fabre angenommen hatten, eine merkwürdige Tiefe annahmen.
"Vergiss, was du gesehen hast.", sagte er eindringlich, doch ich konnte nur verwirrt die Stirn runzeln.
"Wieso sollte ich?", fragte ich aufgebracht, "Ich weiß, was ich gesehen habe!"
Damon sah mich daraufhin geschockt an, was mich noch mehr verwirrte als ohnehin schon, ehe er mich plötzlich losließ und sich Richtung Tür wandte.
"Wo willst du hin?", fragte ich erschrocken, als er sie auch schon öffnete.
"Ich muss gehen.", erwiderte er nur, ehe die Tür mit einem lauten endgültigen Knall zufiel.
Vollkommen überfordert sank ich zu Boden und versuchte zu verstehen, was gerade geschehen war.  


-Damons Sicht-

Gehetzt lief Damon schnellen Schrittes durch den Flur, während er verzweifelt versuchte die Fassung zu bewahren. Er musste hier verschwinden, so schnell wie möglich. Doch vorher musste er etwas trinken und das möglichst bevor…
Damon kniff kurz die Augen zusammen, als erneut spürte wie Blut in seine Augen trat, um es mit großer Mühe wieder zurückzudrängen.
Er hatte die Kontrolle verloren. Komplett. Sein Verlangen hatte seine Sinne vernebelt. Er war drauf und dran gewesen, sich diesem Mädchen vollkommen hinzugeben. Und als wäre das nicht schlimm genug, hätte sie ihn auch noch fast enttarnt!
Damon schüttelte leicht den Kopf, als er die Treppen hinunter lief und das Haus Richtung Garten verließ.
Normalerweise konnte ihn eine so kleine Schnittwunde nicht aus der Fassung bringen. Doch sein Verlangen war so groß gewesen. Und als er das Blut gesehen hatte… war das Verlangen zu Hunger geworden. Zu einem Hunger, der nahezu unerträglich war.  Um ein Haar hätte er sie verletzt. Glücklicherweise hatte er aber seine Beherrschung weit genug zurückerlangen können, bevor es dazu kommen konnte.
Jedoch hatte Stefan ihr wohl Eisenkraut gegeben, so dass er sie nicht hatte manipulieren können, alles zu vergessen.
Damon presste wütend die Lippen zusammen, während sein Blick suchend über den Rasen glitt.
Er würde seinem Bruder noch zeigen, was es für Folgen hatte ihm derartig in den Rücken zu fallen. Doch vorher brauchte er noch etwas anderes…
Da fand der Schwarzhaarige endlich die Person, nach der er gesucht hatte und lief schnell auf sie zu.
Bei ihr angekommen griff er das blonde Mädchen grob am Arm.
"Komm mit.", zischte er und zog sie bestimmend mit sich.
"Was ist denn los?", fragte Caroline verängstigt, gehorchte jedoch, dank Damons früherer Manipulation.
Er führte sie von den anderen Gästen weg, so weit, dass man die beiden weder sehen noch hören konnte.
"Ist es wegen der Bisswunden? Ich habe sie versteckt, aber Elena hat sie trotzdem irgendwie gesehen! Ich habe aber nichts gesagt! Ehrlich nicht!", brabbelte Caroline panisch und Damon sah sie erschrocken an. Auch das noch!
"Halt die Klappe!", befahl der Schwarzhaarige noch wütender als ohnehin schon und trat hinter sie.
"Es tut mir leid.", hauchte die Blonde, während Damon ihr langsam die Haare vom Hals strich.
"Schon gut.", murmelte er und strich mit einem Finger über ihre nun freigelegte Pulsader. Kurz war es still, während Caroline etwas ruhiger wurde.
"Was machen wir hier?", fragte sie schließlich, als Damon seine Maske fallenließ und sein vampirisches Gesicht hervortrat.
"Hier töte ich dich.", flüsterte er, ehe er auch schon zubiss. Dabei packte er sie an beiden Armen, damit sie sich nicht wehren würde, was jedoch überflüssig war, da die Blonde vor Angst erstarrt zu sein schien, so dass sie sich weder wehren noch schreien konnte.
Dies zufrieden feststellend, wandte Damon alle Aufmerksamkeit der Stillung seines Hungers zu. Er trank ihr Blut schnell und ohne jede Rücksicht auf die Schmerzen, die dies bei dem Mädchen auslösen würde. Sie war sowieso gleich tot, also was für eine Rolle spielte es, ob sie noch Schmerzen haben würde?
Da spürte Damon plötzlich ein merkwürdiges Brennen in der Kehle, was sich rasch in einen heftigen Hustenreiz verwandelte. Perplex ließ er von Caroline ab, während das Brennen sich noch verstärkte und nun auch in seine Gliedmaßen fuhr. Er hustete heftig und sank auf die Knie, als die Kraft aus seinen Beinen verschwand.
"'Was zum Teufel…?'", murmelte er verwirrt, während Caroline bewusstlos neben ihm zusammenbrach und auch er langsam aber sicher zu Boden sank.
In diesem Moment trat plötzlich jemand neben ihn. Mit größter Anstrengung konnte Damon ihn erkennen: Stefan. Da wurde es ihm klar! Er hatte gerade eisenkrautverseuchtes Blut getrunken.
"'Ich wusste, ich konnte dir nichts in den Drink tun und dass du Nathalie nicht anrühren würdest. Also habe ich es Caroline gegeben.'" Echohaft drang Stefans Stimme zu ihm durch, ehe er endgültig das Bewusstsein verlor.

9. Kapitel: Crimson Eyes And Beastly Fangs

Tief atmete ich durch, als ich schließlich vor dem großen Haus zum Stehen kam.
Das hier war es also…
Ich zuckte zusammen als mein Handy in meiner Hosentasche vibrierte und holte es nervös hervor. Eine SMS von Elena.


- Bist du dir sicher, dass du das machen willst?


Nochmals atmete ich tief durch, ehe ich antwortete.


- Ja.


Schnell steckte ich das Handy wieder weg, ehe ich wieder zu dem großen Gebäude vor mir aufsah. Das war also das Salvatore-Anwesen. Ich hatte es mir viel kleiner vorgestellt, oder eher gehofft, dass es das war. Es war nämlich wesentlich leichter in ein kleineres Haus einzubrechen und es komplett zu durchsuchen.
Ja genau. Ich hatte vor, in Damons Haus einzubrechen. Jedoch hatte ich auch einen verdammt guten Grund dafür!
Damon war nämlich seit dem Gründerfest vor vier Tagen spurlos verschwunden, genauso wie Stefan es gewesen war, bevor er gestern plötzlich wiederaufgetaucht war und nur gemeint hatte, dass Damon die Stadt verlassen und nicht vorhatte, wiederzukommen. Ich hatte meinen Zorn und meine Enttäuschung (und einen daraus resultierenden Heulkrampf), die seine Worte in mir ausgelöst hatten, bisher gut verdrängen können, jedoch nur, weil ich mir erfolgreich eingeredet hatte, dass Stefan gelogen hatte. Ich konnte und wollte nicht glauben, dass Damon einfach verschwunden war. Zumindest nicht, wenn seine Gefühle, die er mir gegenüber gezeigt hatte, echt gewesen waren. Und bei dem was an dem Abend vor vier Tagen zwischen uns vorgefallen war, steckte definitiv mehr dahinter, was die Tatsache, dass Stefan weder mir noch Elena verraten wollte, wo er und Damon gewesen waren, noch verstärkte.
Wie schon so oft in den letzten Tagen stiegen mir die Bilder von Damons roten Augen in den Kopf, bei denen ich mir noch immer nicht sicher war, ob ich sie mir nicht doch eingebildet hatte. Doch Elena hatte ebenfalls merkwürdige Sachen bei Stefan bemerkt und ich bezweifelte, dass wir beide eine so übertriebene Fantasie hatten.
All diese Anzeichen hatten mich schließlich gestern Abend zusammen mit Elena den Entschluss fassen lassen, dass wir endlich rausfinden mussten, was hier vorging. Elena hatte sich bereit erklärt, Stefan heute bei der Autowasch-Aktion, welche Caroline organisiert hatte, möglichst lange zu beschäftigen, so dass ich einmal sein Haus unter die Lupe nehmen konnte. Ich wusste, dass Stefans und Damons Onkel hier auch wohnte und betete, dass ich das Glück hatte, dass er nicht zu Hause war.
Unschlüssig stand ich nun vor der Haustür und überlegte. Elena war einmal hier gewesen und da war sie offen gewesen. Doch ich bezweifelte, dass ich auch so viel Glück hatte.
Halbherzig drückte ich die Klinke herunter, nur um erschrocken einen Schritt zurückzuspringen, als die Tür tatsächlich knarrend aufging.
Okay… das war gruselig.
Vorsichtig trat ich in die dunkle Eingangshalle und staunte nicht schlecht. Das Haus war definitiv so groß wie es von außen aussah. Es machte ja sogar meiner Villa Konkurrenz, nur dass es hier etwas rustikaler war.
Doch ich hatte jetzt keine Zeit die Einrichtung zu bewundern, ich musste mich beeilen!
Aber wo sollte ich anfangen?
Unsicher lief ich ein paar Schritte nach vorne, als plötzlich ein leises Klirren zu hören war, was mich heftig zusammenzucken und erschrocken umsehen ließ.
Was zum Teufel war das?
Da ertönte das Geräusch erneut und schlagartig wurde mir klar, dass ich nicht allein war.
"Hallo?", fragte ich unsicher, doch ich erhielt keine Antwort, "Mr. Salvatore? Es tut mir leid, wenn ich hier so reinplatze, aber…", ich hielt inne als das Klirren wieder zu hören war und ich langsam in die Richtung lief, aus der es kam, "Aber die Tür war offen und…" Ich verstummte, als ich bei einer geschlossenen Tür ankam, aus welcher dieses seltsame Klirren immer wieder echohaft drang.
Ich öffnete sie zögerlich und blickte direkt auf eine steile Treppe hinab, die tief nach unten führte.
Der Keller. Wieso musste es ausgerechnet der Keller sein?
Ich spürte wie mein Herz schneller schlug, als ich langsam die Stufen hinabstieg und das Klirren immer lauter wurde.
Meine innere Stimme riet mir umzukehren und schnell aus dem Haus zu verschwinden, doch ich musste wissen, was das war.
Ich fand mich in einem langen modrigen und nur spärlich beleuchteten Gang wieder, in welchem sich unzählige Türen befanden. Jedoch kam das Klirren vom Ende des Ganges, von einer Tür, die sich deutlich von den anderen abhob. Denn diese war als Einzige mit Metall verstärkt und hatte ein kleines vergittertes Fenster. Fast wie die Tür zu einer Gefängniszelle.
Erneut ertönte das Klirren und mein Atem beschleunigte sich als ich mich langsam nährte.
"Mr. Salvatore?", fragte ich viel leiser, als eigentlich geplant und plötzlich wurde es still. So still, dass ich mein schnell pochendes Herz schon fast hören konnte. Doch nun konnte ich auch etwas anderes wahrnehmen. Schweres, rasselndes Atmen drang durch die Tür, als ich vor ihr ankam und langsam durch das Fenster spähte.
"Oh mein Gott!", entwich es mir, als ich eine zusammengesunkene Gestalt in einer Ecke des sehr kleinen Raumes sitzen sah, welche ich kurz darauf erkannte, "Damon?" Der Schwarzhaarige blickte langsam zu mir auf und erneut erschrak ich.
Er sah furchtbar aus! Er war leichenblass, dunkle Augenringe hoben sich gespenstisch von seiner weißen Haut ab und sein Blick wirkte, als wäre er nicht richtig bei Sinnen. Auch fiel mir auf, dass er noch die gleichen Klamotten trug, wie auf dem Gründerfest. Er musste schon seit Tagen hier unten sein!
"Z-Zoey…?", hauchte er mit heiserer Stimme und blickte mich ungläubig an, "Was… tust du… hier?" Er hustete leicht, was absolut nicht gesund klang.
"Ich habe dich gesucht.", sagte ich, als ich ohne darüber nachzudenken, die Verriegelung an der Tür löste und sie öffnete, "Stefan meinte, dass du…", ich hielt inne als die Erkenntnis in mir hochstieg, "Hat er dich hier eingesperrt?!"
"Du solltest nicht hier sein…", murmelte Damon leise und schien meine Frage gar nicht gehört zu haben. Ich schüttelte nur den Kopf, als ich zu ihm lief und mich neben ihn kniete. Der Raum schien tatsächlich eine Art Zelle zu sein, dem hölzernen dreckigen Bett und dem alten knarrigen Stuhl, welche die einzigen Möbel hier drin waren, nach zu urteilen. Doch warum sollte Stefan Damon hier einsperren? Hier stimmte etwas ganz gewaltig nicht.
"Was ist passiert?", fragte ich, während ich zwei Finger an seinen Hals legte, um seinen Puls zu fühlen. Ich merkte, dass sein Herzschlag unnatürlich schnell ging und meine Sorge wuchs.
"Unwichtig…", antwortete er nur und ich blickte ihn ungläubig an.
"Wenn Stefan dich hier tagelang einsperrt und mir erzählt, du hättest die Stadt verlassen, ist es wohl alles andere als unwichtig!", sagte ich aufgebracht, doch Damon schien mich gar nicht zu hören, denn sein Blick war eisern auf mein Handgelenk gerichtet, welches ich gerade von seinem Hals zurückzog.  
"Damon?", fragte ich unsicher nach und kurz darauf löste er den Blick, um mich wieder direkt anzusehen.
"Zoey.", hauchte er, bevor er erneut hustete, "Du musst gehen. Sofort…"
"Nicht ohne dich!", sagte ich stur, ehe ich aufstand und es schaffte, mir einen seiner Arme um die Schulter zu legen und ihn damit ebenfalls halbwegs aufzurichten.
"Ich bin so hungrig.", murmelte Damon und ich blickte ihn besorgt an. Er hatte wahrscheinlich seit Tagen nichts gegessen.
"Wir holen dir etwas. Aber erst müssen wir hier raus.", sagte ich, als Damon urplötzlich sein Gewicht verlagerte, so dass ich drohte mit ihm umzukippen. Jedoch konnte ich mich noch an einer Zellenwand abfangen, so dass ich nun eng an eine Mauer gepresst stand und Damon sich schwer gegen mich lehnte. Ich holte erstickt Luft, ehe ich mich gegen ihn stemmte.
"Damon!", sagte ich, als ich erfolglos versuchte ihn wegzuschieben, "Ich kann dich so nicht stützen!" Der Schwarzhaarige machte sich daraufhin noch schwerer, was es mir fast unmöglich machte, mich überhaupt noch zu bewegen.
"Zoey…", murmelte er leise ohne auf meine Worte zu reagieren, als er seinen Kopf auf meine Schulter sinken ließ, "Ich bin so… hungrig."
Ich spürte noch seine Lippen an meinem Hals, ehe mich plötzlich ein stechender Schmerz durchfuhr, während Damon blitzschnell meine Arme packte und sie eisern und mit unbändiger Kraft festhielt.
Mir stockte der Atem und Angst stieg in mir hoch. Was geschah hier?!
"Damon, hör auf!", sagte ich mit zitternder Stimme und versuchte mich von ihm zu befreien, "Damon, lass mich los!", rief ich lauter, doch es half nichts. Er reagierte nicht auf meinen Ruf und sein Griff war so fest, dass er schon schmerzte.
Da spürte ich, wie sich das Stechen an meinem Hals in meinen Körper ausbreitete und Schwäche durch meine Gliedmaßen zog, wodurch mich die Erkenntnis traf wie ein Blitzschlag.
Die Nacht des Angriffs… Mit einem Mal hatte ich sie wieder genau vor Augen. Ich war nicht von einem Tier angegriffen worden! Nein, ein Mann hatte mich gepackt!
Damon hatte mich gebissen…
Er hatte mich verletzt…
Er hatte mich töten wollen…
Tränen stiegen mir bei diesen Gedanken in die Augen und ich schrie verzweifelt auf, ehe ich nochmals erfolglos versuchte, mich aus seinem Griff zu befreien.
"Lass sie sofort los!", rief da plötzlich jemand, als Damon schmerzvoll aufstöhnte und von mir abließ. Ich konnte gerade noch erkennen, dass ein fremder Mann ihn mit einem stumpfen Gegenstand geschlagen hatte, ehe der Schwarzhaarige mich achtlos beiseitestieß, woraufhin ich schmerzhaft zu Boden stürzte. Ich blickte angsterfüllt auf und mir blieb der Schrei im Hals stecken, als ich Damons Gesicht sah. Seine Augen waren tiefrot, während ihr einstiges Blau noch gespenstisch darin glühte. Pulsierende Adern hoben sich unter ihnen ab und in seinem Mund, der zu einem boshaften Grinsen verzerrt war, hoben sich zwei große Reißzähne ab, welche blutbenetzt waren. Von meinem Blut…
Ein entsetztes Wimmern entfuhr mir und verzweifelt versuchte ich auf die Beine zu kommen, als Damon sich dem fremden Mann zuwandte, welcher wohl Zach Salvatore war, und mit einer einzigen kurzen Bewegung sein Genick brach. Ich hielt in meiner Bewegung inne, als der Mann wie eine Puppe leblos zu Boden sank und Damon sich zu mir drehte.
Erneut entfuhr mir ein Wimmern, als Todesangst in mir hochkroch, während langsam schwarze Punkte in mein Blickfeld traten, welche rasch größer wurden. Meine Hand schnellte zu meinem Hals und ich spürte wie das Blut noch immer aus der Wunde floss. Mein Körper hielt dem Blutverlust nicht stand…
Nein, nicht jetzt! Ich durfte nicht bewusstlos werden! Damon würde mich umbringen, ohne dass ich mich wehren konnte!
Ich versuchte noch gegen die Ohnmacht anzukämpfen, doch ich war zu schwach. Gegen meinen Willen kam die Dunkelheit über mich und ich sandte noch ein kurzes Stoßgebet an Gott, dass ich wieder aufwachen würde.

***


'Wo bin ich?', war die erste Frage, die mir durch den Kopf schoss als ich wieder zu mir kam. Mein Kopf hämmerte furchtbar und ohne, dass ich mich bewegte spürte ich bereits den Schwindel. Ganz vorsichtig öffnete ich die Augen und blickte mich um. Ich lag in einem mir fremden Schlafzimmer auf einem Bett. Da es draußen schon dunkel war, konnte ich durch das geringe Licht, das durch die Fenster hereinfiel nicht viel erkennen.
Was tat ich hier? Wie kam ich hierher?
Stöhnend setzte ich mich auf, als dabei ein leichtes Ziehen durch meinen Hals schoss und meine Hand reflexartig dorthin schnellte. Meine Finger ertasteten eine Wunde und getrocknetes Blut, welches sie bedeckte, was mit einem Schlag meine Erinnerung zurückkehren ließ.
Das Salvatore-Anwesen!
Der Keller!
Damon! Er hatte mich angegriffen!
Ich spürte wie meine Angst zurückkehrte und sah mich hektisch um. Ich war allein im Raum, doch bestimmt nicht mehr lange. Ich musste hier raus!
Schnell stand ich auf und lief, den aufkommenden Schwindel ignorierend, durch den Raum zu der einzigen Tür. Ich lauschte kurz, ob draußen irgendwelche Geräusche zu hören waren, doch es war totenstill.
Ich atmete tief durch, ehe ich sehr langsam die Tür öffnete, welche dadurch schrecklich laut quietschte. Ich schloss kurz die Augen und betete, dass mich keiner gehört hatte. Jedoch blieb es weiterhin still, so dass ich nun auf den Flur trat, wo die Lichter angeschaltet waren und ich endlich erkannte, wo ich war. Ich befand mich noch immer im Salvatore-Anwesen!
Nur war ich jetzt im oberen Stockwerk.
Eilig, jedoch so leise wie möglich folgte ich dem Flur bis ich an seinem Ende die gesuchte Treppe entdeckte, die nach unten führte.
In diesem Moment spürte ich jedoch einen Windzug hinter mir und fuhr herum, nur um angsterfüllt aufzukeuchen.
Stefan stand direkt vor mir und musterte mich besorgt.
"Nathalie! Du bist aufgewacht!", sagte er und trat einen Schritt auf mich zu, doch ich wich so gleich zwei weitere zurück.
"Lass mich in Ruhe.", sagte ich und meine Stimme war vor Angst nicht mehr als ein Flüstern, "Ich will einfach nur nach Hause."
"Du kannst noch nicht gehen.", sagte Stefan kopfschüttelnd und trat nochmals auf mich zu, "Du weißt nicht, was hier los ist. Lass es mich erklären."
"Nein!", rief nun etwas lauter, "Ich brauche keine Erklärung! Damon ist ein Monster und du wahrscheinlich auch! Und diese Tierangriffe sind euer Werk! Das alles wart ihr!" Noch während ich die Worte aussprach wurde mir klar wie richtig ich lag und diese Erkenntnis trieb mir Tränen in die Augen. Wie hatte ich nur auf Damon hereinfallen können?
Ich ließ Stefan keine Zeit zu antworten, sondern drehte mich um, um die Treppe hinunter zu sprinten in den Flur Richtung Haustür. Doch kurz bevor ich sie erreichte, tauchte Stefan plötzlich vor mir auf und ich schrie auf, ehe ich kurz hinter mich sah und wieder zu ihm.
Wie konnte er sich so schnell bewegen?! Er war doch eben noch hinter mir gewesen!
Da packte Stefan meine Arme genau wie Damon vorhin und mir entfuhr ein Wimmern, während die Tränen nun haltlos über meine Wangen liefen.
Das war ein Alptraum. Ein verdammter Alptraum aus dem ich nicht erwachen konnte.
"Nathalie, bitte! Du musst dich beruhigen und mir zuhören!", sagte Stefan und blickte mich eindringlich an, während seine Augen die gleiche Tiefe annahmen, wie Damons als er mich beim Gründerfest gebeten hatte, zu vergessen, was ich gesehen hatte.
Ich hielt kurz inne, so dass ich spürte, wie er den Griff leicht lockerte, ehe ich mich losriss und zur Haustür stürzte.
"Nathalie!", rief Stefan mir hinterher, als ich die Tür aufriss und nach draußen rannte.
"Lass mich in Ruhe!", rief ich aus und lief über den Asphalt der Einfahrt, als Stefan erneut aus dem Nichts vor mir auftauchte und ich durch mein abruptes Abbremsen mein Gleichgewicht verlor und rückwärts zu Boden fiel.
Rückwärts und auf allen Vieren kroch ich nun von ihm weg, als plötzlich hinter Stefan ein Auto in die Einfahrt fuhr, was ihn dazu veranlasste sich umzudrehen.
Auch ich blickte zu dem Wagen, den ich durch die hellen Scheinwerfer nicht genau erkennen konnte, als ich eine Autotür knallen hörte.
"Stefan, was ist hier los?", hörte ich Elena fragen und ich war noch nie so erleichtert gewesen ihre Stimme zu hören. Ich sah wie sie zu Stefan trat und mich kurz darauf entdeckte.
"Oh mein Gott! Alie!", rief sie aus und rannte zu mir, um sich neben mich zu knien, "Was ist passiert? Du blutest ja!"
"Elena, wir müssen hier weg.", hauchte ich leise und blickte panisch zu Stefan, der uns beide wie erstarrt ansah. Elena folgte meinem Blick und ihre Augen weiteten sich leicht.
"Hast du ihr das angetan?!", fragte sie und ich hörte die gleiche Angst in ihrer Stimme, die auch ich spürte.
"Elena-", fing Stefan an, doch sie unterbrach ihn.
"'Was bist du?!'", fragte sie und richtete sich auf.
Stefan blickte kurz zwischen uns beiden hin und her, ehe er hörbar ausatmete.
"Ihr wisst es.", sagte er, doch Elena schüttelte den Kopf.
"'Nein… Keine Ahnung.'", sagte sie leise und auch ich konnte nur den Kopf schütteln. Sie konnten nicht das sein, was ich glaubte. Das hier war die Realität. Hier gab es keine fiktiven Kreaturen oder Fantasy-Wesen. Das waren alles nur Geschichten… Oder?
"Ihr müsst es wissen. Sonst wäret ihr nie hierhergekommen.", sagte Stefan ruhig.
"'Das ist völlig unmöglich! Undenkbar!'", sagte Elena und ihre Stimme zitterte leicht. Stefan trat einen Schritt auf sie zu, doch genau wie ich vorhin, wich sie zurück.
"Alles, was ihr wisst und alles woran ihr glaubt, wird sich ändern. Seid ihr dafür bereit?", fragte er.
"Meine beste Freundin liegt hier blutend auf dem Boden mit einer verdammten Bisswunde am Hals!", rief Elena wütend aus, "Ich will die Wahrheit wissen! Jetzt!"
Stefan blickte sie kurz schweigend an, während ich mich mühsam aufrichtete und dicht neben Elena trat.
"'Ich bin ein Vampir.'", antwortete Stefan schließlich und die Worte trafen mich wie ein Schlag ins Gesicht.
Vampir… Bluttrinkende Dämonen der Nacht ohne Seele, ohne Gewissen. Es war so absurd und dennoch passte das, was ich gesehen hatte haargenau.
Mir lief es eiskalt den Rücken herunter, als ich mich an Damons rote Augen und riesige Reißzähne erinnerte.
"Wir hätten nicht kommen sollen.", sagte Elena leise, als sie meine Hand griff und mich wegzog, "Komm, Alie."
"'Nein! Bitte!'", sagte Stefan und wollte auf uns zu kommen, doch Elena stieß ihn mit ihrer freien Hand von sich, ehe wir Richtung Auto liefen. Ich ließ ihre Hand los, um auf die Beifahrerseite zu gelangen, als Stefan wie so oft zuvor aus dem Nichts auftauchte und direkt vor Elena stand.
Diese sah geschockt zwischen ihm und seiner vorherigen Position hin und her. Ich hielt angespannt die Luft an und beobachtete die beiden wie erstarrt.
"'Wie hast du das gemacht?'", fragte Elena und trotz ihrer Angst blieb ihre Stimme fest.
"'Bitte habt keine Angst vor mir.'", sagte Stefan kopfschüttelnd und griff sie wie mich eben schon an den Armen.
"Lass uns gehen!", rief Elena aus und befreite sich, ehe sie in ihr Auto stieg, was ich ihr so gleich nachtat, ehe sie auch schon losfuhr und mit einer halsbrecherischen Geschwindigkeit über die Straßen rauschte.


***


"Hier. Leg das auf deinen Hals.", sagte Elena und reichte mir ein feuchtes kühles Tuch, ehe sie die Tür schloss. Wir waren zu ihr nach Hause gefahren und hatten uns in ihrem Schlafzimmer eingeschlossen. Außer Jeremy war sonst niemand im Haus, doch wir konnten es ihm nicht erzählen. Er würde uns für durchgeknallt halten. Genauso wie jeder andere.
"Also was ist passiert, als du da drin warst?", fragte Elena und setzte sich neben mich aufs Bett.
"Damon…", sagte ich leise und Elena runzelte die Stirn, "Ich habe ihn im Keller gefunden. Er war eingesperrt gewesen. Ich wollte ihm helfen… Doch dann hat mich gepackt und mich… gebissen." Es war so surreal das Geschehene auszusprechen.
"Damon hat dir das angetan?", fragte Elena erschrocken, "Und Stefan?"
"Er hat mich gefunden, nachdem ich in irgendeinem Schlafzimmer aufgewacht bin. Er wollte nicht, dass ich gehe. Ich habe mich gewehrt.", erklärte ich und Elena nickte verstehend.
"Elena!", ertönte es da hinter uns und erschrocken fuhren wir beide herum. Stefan stand plötzlich im Zimmer und sah uns bittend an. Wie zum Teufel kam er hier rein?
Sofort glitt mein Blick zur Tür und zeitgleich mit Elena sprang ich auf, um zu ihr zu laufen. Jedoch war Stefan schneller als wir und stellte sich uns in den Weg, bevor wir auch nur ansatzweise in die Nähe kamen. Rein reflexartig griff ich Elenas Hand und drückte sie, was sie erwiderte.
"'Ich würde euch nie verletzen.'", sagte Stefan und hob beruhigend die Hände, "'Ihr seid bei mir sicher.'" Das konnte er ja leicht behaupten.
"Ach ja? Und die Morde? Die angeblichen Tierangriffe?", fragte ich, was Stefan nur den Kopf schütteln ließ.
"'Nicht doch! Das war Damon!'", sagte er und ich blickte ihn ungläubig an.
"Damon?", wiederholte ich kaum hörbar. Eigentlich hätte es mir bei seinem Angriff schon klar sein müssen, jedoch hatte ich es bis jetzt erfolgreich vermeiden, können darüber nachzudenken. Aber jetzt, da Stefan es mir ins Gesicht sagte…
"'Ja! Ich trinke kein Menschenblut, weil ich so nicht überleben will, aber Damon schon!'", erklärte der Blonde und ich fühlte mich, als hätte mir jemand in den Magen geschlagen.
"Ich glaube mir wird schlecht.", sagte ich leise, als ich Elena losließ und eine Hand auf meinen Mund presste.
Das konnte nicht sein!
Damon war ein Mörder. Ein Psychopath! Und ich hatte ihn in mein Haus gelassen! In mein Zimmer! Und beinahe hätte ich mit ihm…
Ich spürte wie meine Übelkeit überhandnahm und stürzte zur Tür, die ins Badezimmer führte, wo ich gerade noch die Toilette erreichte, bevor ich mich übergab.
Als sich mein Magen langsam wieder beruhigte und ich aufsah, bemerkte ich erst, dass Elena neben mir saß und mir ein Glas Wasser hinhielt.
Ich nickte ihr dankbar zu und spülte meinen Mund aus, bevor sie mir hoch half und mich zurück in ihr Zimmer führte.
"Stefan ist weg.", sagte sie beruhigend, als sie meinen suchenden Blick sah, "Ich habe ihm gesagt, er soll verschwinden und jetzt ist er fort." Ich nickte nur, als wir uns auf das Bett sinken ließen und ich spürte wie sich ein dicker Kloß in meinem Hals bildete.
Es war alles nur ein Spiel gewesen… Damon hatte mit mir gespielt, wie ein Raubtier mit seiner Beute. Und ich war so naiv gewesen und hatte ihm alles geglaubt.
Dass er mich tatsächlich mögen würde…
Dass das zwischen uns echt wäre…
"Alie.", sagte Elena leise und legte einen Arm um mich, "Es tut mir so leid." Ich blickte zu ihr auf, als ein Schluchzen meiner Kehle entkam und meine gesamte Selbstbeherrschung in sich zusammenbrach. Ich spürte, wie Elena mich vollends in ihre Arme zog, während ich den Tränen freien Lauf ließ.

10. Kapitel: Truth Or Lie

"I know the truth now
I know who you are
And I don't love you anymore
It never was and never will be
You don't know how you've betrayed me
And somehow you've got everybody fooled"
-Everybody's Fool, Evanescence



Liebes Tagebuch,
dies ist gerade mal mein zweiter Eintrag und obwohl nur wenige Wochen seit dem ersten vergangen sind, kommt es mir vor, als wäre es schon Monate oder Jahre her. Es ist nämlich etwas passiert. Etwas, das ich kaum begreifen kann, was auch der einzige Grund ist, warum ich es überhaupt aufschreibe. Vielleicht wird es klarer für mich, wenn ich es in Worte fasse. Leichter begreifbar...
Aber vielleicht erklär ich erstmal, was los ist: Und zwar habe ich jemanden kennengelernt. Einen Mann. Ich werde ihn dir nicht beim Namen nennen, falls dieses Buch je in falsche Hände geraten sollte. Jedenfalls habe ich die letzten Wochen mit ihm verbracht und ich dachte, er wäre DER Mann, derjenige mit dem ich mein Leben verbringen könnte. Bestimmt bist du jetzt verwirrt, da ich ja in meinem letzten Eintrag noch etwas von Jeremy geschrieben habe, doch dieser Mann hat mich ihn komplett vergessen lassen. Ich habe geglaubt, er wäre alles, was ich immer gesucht habe. Ich dachte, ich hätte mich in ihn verliebt...
Jetzt fragst du dich wohl, warum ich in Vergangenheitsform schreibe, oder? Nun, es hat sich herausgestellt, dass das alles nur eine Lüge war. Dass er nur eine Lüge war.
Und nein, es ist nicht das übliche Teenagerdrama, bei welchem ein Mädchen heult, weil der Kerl anders ist, als sie gedacht hatte. Dieser Mann ist anders! Er ist kein Mensch, sondern...
Ein Vampir. Wenn du wüsstest, wie lange ich gezögert habe, dieses Wort aufzuschreiben. Himmel, wenn das hier je jemand liest, werde ich wohl für immer in eine Psychiatrie gesperrt.
Aber es ist wahr. Ich habe es mit eigenen Augen gesehen... und gespürt. Ich habe gespürt, wie sich diese riesigen Fangzähne in mein Fleisch gebohrt und mit Gewalt mein Blut genommen haben. Ich habe immer geglaubt, ich wüsste, was real ist und was nur reine Fiktion. Ich hatte solche Wesen immer für wilde Erfindungen von Autoren gehalten, die verzweifelt etwas Spannendes erschaffen wollten. Doch es ist real. Vampire sind real.
Und zwar nicht solche, die in der Sonne glitzern oder solche, die man sich mit Knoblauch, Kreuzen oder Weihwasser vom Hals halten kann. Nein, ich weiß, welche Vampire real sind und ich weiß auch wozu sie fähig sind.
Der Mann, von dem ich gesprochen habe, ist nicht der einzige in der Stadt. Es gibt noch einen anderen. Einen, der geschworen hat, gute Absichten Elena und mir gegenüber zu hegen, auch wenn ich ihm das noch nicht so recht glaube. Er hat uns alles erzählt. Wozu Vampire fähig sind, was sie schwächt, was sie tötet.
Sie sind stark, stärker als zehn erwachsene Männer zusammen, und schnell, schneller als es ein menschliches Auge wahrnehmen kann. Außerdem sind sie unsterblich. Das heißt, sie altern nicht. Sie leben einfach ewig weiter, in dem Alter, in dem sie verwandelt wurden. Falls sie vorher nicht gewaltsam zu Tode kommen, natürlich.
Und sie können uns Menschen manipulieren... uns ihren Willen aufzwingen und zwar ohne, dass wir es überhaupt bemerken. Allerdings scheint es gegen diese Fähigkeit eine Pflanze namens Eisenkraut zu geben. Trägt man dies am Körper oder nimmt es zu sich, ist man gegen diese Gedankenkontrolle immun. Jedoch scheine auch ich irgendeine Art von Immunität zu haben. Denn obwohl ich kein Eisenkraut besitze und es auch nie getan habe, konnten mich beide Vampire nicht manipulieren. Seltsam, nicht wahr? Ich habe nicht den geringsten Schimmer, woher diese Immunität kommt, doch momentan bin ich ganz froh darüber.
Nun zu ihren Schwächen: Das Offensichtlichste ist wohl, dass sie Blut brauchen, um zu überleben. Kriegen sie kein Blut, werden sie schwächer und trocknen aus, so dass sie irgendwann nicht mehr fähig sind sich zu bewegen. Jedoch kann es sie nicht umbringen.
Wie ich dir bereits schrieb, gibt es das Eisenkraut. Es schützt nicht nur uns Menschen vor ihnen, es schwächt Vampire auch körperlich, wenn sie es zu sich nehmen. Es verbrennt sie, vergiftet sie und nimmt ihnen so ihre Kraft. Auch Sonnenlicht kann Vampire schwächen oder gar töten, auch wenn dies zweifelsohne nicht auf alle zutrifft, wie ich bereits feststellen musste. Will man einen Vampir töten, sollte man auf einen hölzernen Pflock zurückgreifen. Hier scheinen manche Vampirromane ausnahmsweise Recht zu behalten. Einen Pflock ins Herz und der Vampir stirbt. Enthauptung und Entfernung des Herzens sollen ebenfalls funktionieren, doch über sowas will ich nicht weiter nachdenken... Jedoch sollte ich das. Der Mann, der mich so getäuscht hat, ist gefährlich. Er hat schon unzählige Menschen getötet. Auch mich hat er bereits mehrfach angegriffen. Ich muss mich verteidigen können, wenn es nochmal passiert. Ich darf nicht zulassen, dass es wieder geschieht.
Ich werde mich nicht erneut von ihm täuschen lassen. Nein, nie wieder!


Ich hielt inne und schloss die Augen, während ich versuchte das Gefühlschaos in meinem Inneren zu beruhigen. Langsam öffnete ich meine Augen wieder und starrte auf die frisch geschriebenen Zeilen in meinem kleinen Büchlein.
Hier stand es nun also. Ich hatte alles aufgeschrieben, was ich erfahren hatte und trotzdem ging es mir nicht besser.
Ich schnaubte leise.
Wieso auch? Es aufzuschreiben, machte es auch nicht ungeschehen. Damon war immer noch ein Vampir, immer noch ein Lügner und immer noch ein Mörder.
Ich biss mir schmerzhaft auf die Lippe, als ich spürte wie erneut Schmerz und Tränen in mir hochstiegen.
Der Damon, von dem ich dachte, ich würde ihn lieben, hatte nie existiert. Der perfekte attraktive Kerl mit dem charmanten schiefen Grinsen, dem sarkastischen Humor und der tief verborgenen Trauer... Alles eine Illusion. Er war nie da gewesen und würde es auch niemals sein.
Ungewollt entkam ein Schluchzen meiner Kehle und ich schluckte hart, während ich schnell die Tränen von meinen Wangen wischte.
Ich musste damit aufhören! Es durfte mich nicht mehr so fertig machen!
Er hatte mit mir gespielt. Für ihn war ich nichts weiter als ein Spielzeug. Er war meine Tränen nicht wert.
Ich zuckte zusammen, als mein Handy vibrierte, dass neben mir auf dem Bett lag. Ich brauchte nur einen kurzen Blick, um zu erkennen, dass es wieder eine SMS von Elena war.
Sie war heute bereits den ganzen Tag mit Stefan unterwegs, um sich über das Thema Vampire aufklären zu lassen. Ich hatte mich heute morgen nicht in der Lage gefühlt Stefan oder noch schlimmer vielleicht Damon gegenüberzutreten, weswegen ich einfach bei Elena zu Hause geblieben war. Ich hatte ja ohnehin schon bei ihr übernachtet, da war es nicht weiter aufgefallen.
Auf jeden Fall hielt mich Elena deswegen schon den ganzen Tag mit SMS auf dem neusten Stand, so dass ich nun gezwungenermaßen auch alles über Vampire wusste.
Zusätzlich wusste ich auch, dass Damon und Stefan über 145 Jahre alt waren und dass Katherine, von der ich gedacht hatte, sie wäre auch nur eine Erfindung, tatsächlich existiert hatte, und nicht nur das. Sie war auch die Vampirin gewesen, die die beiden Brüder verwandelt hatte, bevor sie gestorben war. Ich hatte diese Frau ja vorher schon nicht leiden können, doch jetzt glaubte ich, sie so langsam zu hassen. Es war alles ihre Schuld.
Wäre sie nicht gewesen, wäre das alles nicht passiert.
Kurz stellte ich mir vor, wie Damon wohl als Mensch gewesen war. Als er noch wie jeder andere Kerl gewesen war. Als er noch keinen Menschen umgebracht hatte, als er noch unschuldig gewesen war...
Zitternd griff ich nach meinem Handy, um Elenas Nachricht zu lesen. Sie waren jetzt auf dem Heimweg. Gut.
Wenn Elena wieder hier war und ich nicht mehr allein in ihrem Zimmer saß, machte ich mir vielleicht weniger Gedanken wegen Damon.
Ich warf das Handy wieder aufs Bett und erhob mich langsam von diesem, als mein Magen unmissverständlich knurrte. Mein Blick schnellte zur Uhr. Es war bereits 16 Uhr und ich hatte noch immer nichts gegessen, seit ich mich gestern Abend übergeben hatte. Kein Wunder, dass mein Magen solche Geräusche von sich gab.
Auch wenn ich nach wie vor nicht den geringsten Appetit verspürte, sollte ich trotzdem etwas essen. Vielleicht ging es mir dann besser.
Ich atmete einmal tief ein und aus, ehe ich zur Tür ging und diese vorsichtig öffnete.
Ich betrat den Flur und lief so gleich zur Treppe, um nach unten zu gehen, jedoch hielt ich unten an der Haustür inne, als ich aus der Küche Geräusche vernahm.
Es war jemand zu Hause. Ich hatte so gehofft, dass Jenna und Jeremy noch nicht da waren.
Wie sollte ich erklären, warum ich um die Uhrzeit ohne Elena bei ihnen daheim war? Nein, auf dieses Gespräch hatte ich definitiv keine Lust. Ich wollte mich gerade wieder zur Treppe drehen, um wieder nach oben zu laufen, als ich eine Stimme direkt hinter mir vernahm.
"Alie?" Erschrocken fuhr ich herum und erblickte Jeremy, der gerade aus dem Wohnzimmer kam und mich überrascht musterte, "Was machst du denn hier?"
Verdammt.
"Hey, Jer. Ich... ähm...", stotterte ich leicht, "Ich hatte heute bei Elena übernachtet, weil es mir nicht gut ging und... naja, jetzt bin ich eben immer noch hier." Etwas hilflos blickte ich ihn an, während er besorgt die Stirn runzelte und zu mir trat.
"Alles okay?", fragte er nach, woraufhin ich etwas nickte.
"Jeremy?!", ertönte da plötzlich ein Ruf aus der Küche und ich erkannte Vickys Stimme, was meine Laune, die ohnehin schon beim Erdkern war noch tiefer sinken ließ.
"Ein Date mit Vicky, hm?", fragte ich möglichst gelassen und sah Jeremy direkt an, "Da will ich euch mal nicht weiter stören." Damit wollte ich mich abwenden, als Jeremy meinen Arm griff.
"Alie, nein! So ist das nicht! Lass es mich erklären!", flehte er und ich drehte mich halb zu ihm.
"Du musst mir nichts erklären, Jeremy. Wir sind kein Paar, schon vergessen?", erwiderte ich und meinte kurz so etwas wie Bedauern über sein Gesicht huschen zu sehen.
"Ich weiß, aber ich will, dass du es weißt.", sagte er und blickte mir dabei ehrlich in die Augen, "Vicky und ich sind nicht zusammen. Ich hab das mit ihr schon vor Tagen beendet."
Etwas überrascht blickte ich ihn an. Damit hatte ich nun nicht gerechnet.
"Und was macht sie dann hier?", fragte ich nach, als ich es in der Küche erneut rascheln hörte.
"Keine Ahnung, ehrlich. Ich meine, sie läuft mir schon seit einiger Zeit hinterher und will mit mir reden und wissen, wieso ich Schluss gemacht habe und so weiter. Aber heute hat sie geklingelt, ist einfach schnurstracks hierein marschiert und isst unseren gesamten Kühlschrank leer. Ich denke, sie hat irgendwas genommen.", erklärte Jeremy unsicher und ich runzelte die Stirn.
"Und du lässt sie einfach machen?"
"Nein, aber... Es kam mir falsch vor, sie einfach rauszuwerfen. Ich habe Matt angerufen. Er sollte bald hier sein.", sagte er und ich nickte. Das war vielleicht das Beste. Wenn Jeremy nicht genau wusste, welche Art Drogen Vicky genommen hatte, war es besser, erstmal Matt herzuholen. Er hatte sie wahrscheinlich schon öfter in solchen Situationen erlebt.
"Ist wirklich alles okay bei dir?", fragte Jeremy da und ich blickte zu ihm auf, "Du siehst aus, als hättest du geweint." Ich spürte, wie er mit der rechten Hand, die meine griff, während er mit der anderen Anstalten machte über meine Wange zu streicheln. Jedoch wich ich instinktiv vor ihm zurück.
"Jeremy, nicht...", hauchte ich und entzog mich ihm ganz. Das durfte er nicht tun. Diese Nähe war zu schmerzhaft, um sie zuzulassen.
Jeremy seufzte hörbar und blickte schuldbewusst zu Boden.
"Es tut mir leid. Ich weiß, dass du mit Stefans Bruder zusammen bist. Aber ich kann meine Gefühle für dich nun mal nicht einfach abschalten.", murmelte er und blickte wieder zu mir auf, was meinem ohnehin schon in tausend Scherben zerbrochenen Herzen mal wieder einen Stich versetzte. Wieso hatte ich mich nicht für Jeremy entschieden? Wieso hatte ich mich in Damon verliebt und nicht in ihn?
"Damon und ich, wir... wir sind kein Paar.", sagte ich leise und Jeremy sah mich erschrocken an, "Nicht mehr."
"Deswegen hast du geweint.", sagte er feststellend und ich wich seinem Blick aus, indem ich zu Boden sah, "Was hat er getan?" Nein, ich konnte es ihm nicht sagen. Er würde mir nie glauben. Mal abgesehen davon, dass ich ihn damit in schlimme Gefahr bringen würde.
"Es ist nicht wichtig, Jer!", wehrte ich ab, "Es ist halt einfach so." Ich blickte ihn wieder in die Augen und beobachtete seine Mimik. Er schien kurz zu überlegen, ob er weiter nachhaken sollte, ehe er sich wohl dagegen entschied, da er hörbar ausatmete.
"Na schön. Aber ich will, dass du weißt, dass ich immer für dich da bin, falls du jemanden zum Reden brauchst.", sagte er leise und ich spürte, wie mit diesen Worten der sehnliche Wunsch in mir hochstieg, ihm alles zu erzählen. Von Damon, von Vampiren, von allem. Es wäre so schön, es einfach rauszulassen. Sich jemanden anzuvertrauen.
Aber es ging nicht. Ich würde Jeremy wie gesagt nur in Gefahr bringen, vor allem da er sicher versuchen würde gegen Damon vorzugehen, wenn er wüsste, was er mir angetan hatte.
Nein, ich musste schweigen.
"Danke.", sagte ich nur und versuchte mich an einem Lächeln.
Ich zuckte erschrocken zusammen, als es plötzlich klingelte.
"Das ist wohl Matt.", murmelte Jeremy, als er sich zur Haustür wandte, um diese zu öffnen.
"'Wo ist sie?'", fragte Matt sofort, als er reinkam.
"'Komm mit.'", antwortete Jeremy nur, ehe er ihn in die Küche führte.
Ich folgte den beiden und erschrak leicht bei dem Anblick, der sich mir in der Küche bot. Vicky saß auf dem Boden an einen der Schränke gelehnt und hatte sämtliche Inhalte des Kühlschranks vor sich auf dem Boden verteilt, während sie sich immer wieder etwas anderes in den Mund stopfte.
Gab es Drogen, die so einen Heißhunger verursachen konnten?
"'Auf was ist sie?'", fragte Matt nach und ein genervter Unterton schwang in seiner Stimme mit.
"'Keine Ahnung.'", antwortete Jeremy ebenfalls etwas genervt, als Matt sich Vicky vorsichtig nährte.
"'Hey Vic. Wie geht’s dir?'", fragte er und setzte ihr die Sonnenbrille ab, was mich erneut verwirrte. Es war draußen doch bewölkt. Wozu brauchte sie eine Sonnenbrille?
"'Nicht gut, Matty.'", murmelte sie, "'Es tut weh.'"
"'Okay. Wo tut es weh?'", fragte Matt nach.
"'Mein Zahnfleisch! Mein Kiefer tut weh! Da ist etwas in meinem Zahnfleisch, das weh tut!'", rief die Dunkelhaarige nun laut und ich wechselte einen ratlosen Blick mit Jeremy. Heißhunger und Zahnschmerzen? Von so einer Kombination von Symptomen bei Drogen hatte ich noch nie gehört.
"'Okay, Vic. Jetzt komm mal wieder runter!'", sagte Matt nun etwas härter, "'Lass uns nach Hause gehen und-'"
"'SCHALT ES SOFORT AB!'", schrie Vicky da plötzlich und wir alle drei sahen sie irritiert an.
"'Was abschalten?'", fragte Jeremy.
"'Das Gerede, das Gequatsche! Schalt es einfach ab!'", rief Vicky aufgebracht, ehe sie aufstand und zum Wohnzimmer lief, wo der Fernseher eingeschaltet war und gerade die Nachrichten liefen.
"'Hier ist Logan Fell. Ich berichte live vom Tatort eines schrecklichen Verbrechens, dass mich zutiefst erschüttert hat. Drei Leichen wurden gefunden, die offenbar Opfer eines Drogenkriegs rivalisierender Banden sind. Die Leichen wurden noch nicht identifiziert. Sie wurden heute früh auf dem alten Friedhof von Mystic Falls aufgefunden.'", berichtete der Nachrichtensprecher, als Jeremy sich fragend zu Vicky drehte.
"'Da wolltest du doch gestern Abend hin!'", sagte er und ich blickte fragend zu Vicky, der nun Tränen über die Wangen liefen.
"'Was ist passiert, Vic?'", fragte Matt ruhig, doch Vicky schien nicht fähig zu sein zu antworten, sondern starrte einfach nur weiter auf den Bildschirm. Was war denn nur los mit ihr? Was war auf dem Friedhof geschehen? Kurz beschlich mich die leise Vermutung, dass Damon etwas damit zu tun haben könnte, doch ich verwarf sie schnell wieder. Er würde die Leichen nicht verbrennen... oder doch?
"'Ich ruf die Bullen an.'", sagte Matt schließlich kopfschüttelnd und wollte sich abwenden, als Vicky ihn am Arm griff.
"'Nein! Tu das nicht!'", rief sie flehend.
"'Was ist da passiert, Vicky?!'", fragte Jeremy nun direkt und trat an sie heran, während er Anstalten machte nach ihrem Arm zu greifen. Jedoch schien Vicky dies gar nicht zu passen, denn sie stieß Jeremy von sich und zwar mit einer solchen Kraft, dass er nach hinten fiel und hart gegen das Sofa vor dem Fernseher knallte.
"Jer!", rief ich besorgt aus und lief zu ihm, "Alles okay?" Ich legte eine Hand an seine Wange und wollte ihn untersuchen, jedoch entzog er sich mir schnell.
"Ja, alles bestens!", murrte er verärgert und stand wieder auf, während ich kurz die Augenbrauen hob. Anscheinend hatte nur sein Stolz etwas abgekriegt.
"'Verdammt, Vic.'", kam es verblüfft von Matt und auch ich musterte die Dunkelhaarige nun skeptisch. Wie hatte sie so viel Kraft aufbringen können, Jeremy einfach wegzustoßen? Immerhin war er einen ganzen Kopf größer als sie.
Da hörte man plötzlich das Auf- und Zuschlagen der Haustür, als keinen Moment später Elena gefolgt von Stefan den Raum betrat. Ich spannte mich beim Anblick von Letzterem unwillkürlich an und ging unauffällig auf Abstand.
Ich traute ihm noch immer nicht.
"'Was ist hier los?'", fragte Elena und blickte skeptisch in die Runde.
"'Sie ist völlig durchgeknallt.'", antwortete Matt nur und deutete auf Vicky, die sich nun leicht panisch umsah, als würde sie einen Fluchtweg suchen.
"'Elena, geh mal bitte zur Seite.'", sagte Stefan da und schob Angesprochene leicht weg, ehe er an Vicky herantrat und ihr tief in die Augen sah, "'Vicky, sieh mich an. Konzentrier dich. Du wirst wieder gesund. Es wird alles wieder gut.'" Ich erkannte den Klang seiner Stimme und spannte mich noch mehr an. Er manipulierte sie.
Vicky nickte etwas, während sie ihm wie hypnotisiert in die Augen starrte, während Stefan sich nun von ihr abwandte.
"'Hey Jungs, bringt sie ins Bett. Verdunkelt das Zimmer! Sie braucht Ruhe, macht schon!'", sagte er an Matt und Jeremy gewandt. Erster reagierte sofort und legte einen Arm um Vicky, um sie wegzuführen, während Jeremy noch zögerte und mich fragend ansah, fast so als würde er um Erlaubnis bitten, was mich kurz minimal lächeln ließ.
"Nun geh schon.", sagte ich und er nickte etwas, ehe er sich Matt anschloss.
Stefan folgte den beiden noch kurz, während Elena nun zu mir trat.
"Hey, alles okay?", fragte sie besorgt, was mich wie mechanisch nicken ließ.
"Geht schon.", antwortete ich nur, als Stefan wieder zu uns zurückkam und zu uns trat, was mich sofort einen Schritt Abstand nehmen ließ, was natürlich sowohl Elena als auch Stefan nicht entging.
"'Weißt du, was mit Vicky los ist?'", fragte Elena an Stefan gewandt, während sie mir noch kurz einen besorgten Blick zuwarf, den ich jedoch ignorierte.
"'Ja.'", antwortete Angesprochener nickend und eine dunkle Ahnung stieg in mir auf.
"Und was?", fragte ich zeitgleich mit Elena, was den Dunkelblonden hörbar ausatmen ließ.
"'Sie verwandelt sich.'", sagte er leise und ich sog scharf Luft ein.
"'Sie verwandelt sich in was?!'", fragte Elena nach, doch ich kannte die Antwort schon.
"'In einen Vampir.'", antwortete Stefan und ich schüttelte leicht den Kopf. Das konnte doch nicht wahr sein!
"'Was?!'", fragte Elena entsetzt und ihr Gesicht spiegelte haargenau meine eigenen Gefühle wieder.
"'Damon muss sich ihrer bemächtigt haben. Noch ganz frisch. Sie hat die Verwandlung noch nicht komplett vollzogen.'", erklärte Stefan und seine Worte trafen mich wie Faustschläge in den Bauch. Damon hatte ihr das angetan. Also hatte ich eben doch richtig gelegen. Mal wieder ging alles nur von ihm aus.
Ich wandte mich leicht von Elena und Stefan ab und schloss kurz die Augen, um tief durchzuatmen, als mir schon wieder übel wurde.
"'Und wie... wie macht sie das?'", fragte Elena zögerlich.
"'Sie muss jetzt Menschenblut trinken.'", erwiderte Stefan, was meine Übelkeit noch mehr steigerte, als in mir eine Frage aufstieg.
"Was, wenn sie es nicht macht?", fragte ich und drehte mich wieder zu den beiden, "Was, wenn wir einfach abwarten?" Konnte sie dann vielleicht wieder zum Menschen werden?
"Dann wird sie sterben.", sagte Stefan jedoch und erneut stieg Entsetzen in mir hoch.
"Also hat sie die Wahl zwischen Sterben und Monster werden?!", fragte ich ungläubig nach, was Stefan kurz innehalten ließ, ehe er etwas nickte.
Elena fuhr sich daraufhin aufgebracht durchs Haar und begann im Raum auf und ab zu laufen, während ich nur die Arme verschränkte und mich an die Wand lehnte, noch immer die Übelkeit in mir bekämpfend.
"'Ihr bleiben nur noch ein paar Stunden.'", sagte Stefan schließlich nach kurzem Schweigen.
"'Sie ist jetzt mit den beiden da oben!'", sagte Elena aufgebracht und reflexartig schnellte mein Blick zur Treppe. Sie hatte recht. Was, wenn sie Jeremy angriff?
"'Es ist okay. Sie weiß noch nicht, was in ihr vorgeht.'". versuchte Stefan uns zu beruhigen, doch wirklich helfen tat mir das nicht.
"'Und wann wird sie es wissen?'", fragte Elena unruhig.
"'Im Moment erinnert sie sich an gar nichts. Ein Teil von ihr ist immer noch Mensch. Doch mit dem Fortschreiten der Verwandlung kommen die Erinnerungen zurück und dann wird sie wissen, dass sie die Entscheidung treffen muss.'", erklärte Stefan und ich schnaubte leise.
"Sterben oder Monster werden.", murmelte ich und wechselte einen Blick mit Elena, die sich daraufhin direkt zu Stefan drehte.
"'Dieselbe Entscheidung, die du getroffen hast?'", fragte sie anklagend und auch ich blickte ihn feindselig an. Auch Damon hatte diese Wahl getroffen. Beide hatten sich bewusst für ihr Dasein entschieden. Sich dafür entschieden, solche Monster zu werden und Menschen zu quälen und zu töten.
Stefan antwortete nicht auf Elenas Frage, sondern sah nur zu Boden. Die Dunkelhaarige schien auch keine Antwort zu erwarten, denn sie wandte sich schnell von ihm ab und machte sich daran das Chaos zu beseitigen, das Vicky hinterlassen hatte.
Ich beschloss mich ihr anzuschließen und sei es auch nur, damit ich etwas zu tun hatte und Stefan nicht weiter ins Gesicht sehen musste.
Es wurde absolut still im Haus und man hörte nur noch das Rascheln und Klirren der Sachen, die Elena und ich wieder an ihren Platz räumten.
Doch kurz darauf ertönten plötzlich laute Schritte auf der Treppe, ehe man auch das Klicken der Haustür hörte.
"Vic?!", hörte ich Matt rufen und blickte auf. Ich sah gerade noch so, wie Vicky die Treppe zur Veranda hinunterrannte, als Matt und Jeremy ihr auch schon hinterherliefen.
"VIC!", rief Matt erneut, als auch Elena, Stefan und ich zur Haustür liefen und nach draußen sahen.
"'Sie war ganz ruhig und dann ist sie plötzlich ausgerastet!'", sagte Jeremy und hob leicht hilflos die Schultern.
"'Ich geh sie suchen! Ruft mich an, wenn ihr was hört!'", sagte Matt sofort und rannte los.
"'Ich kann sie aufspüren.'", hörte ich Stefan leise sagen und drehte mich zu ihm. Er blickte fragend zwischen Elena und mir hin und her. Dann sollte er doch gehen!
"'Geh!'", sagte Elena nickend, die das gleiche zu denken schien, und auch Stefan lief los, während Jeremy, Elena und ich allein zurückblieben.
Schweigend gingen wir wieder in die Küche zurück und räumten nun zu dritt weiter auf, während nun langsam auch die Sonne unterging.
Ich sortierte gerade das Besteck wieder ein, als mein Blick auf die Uhr fiel. Ich war jetzt schon über 24 Stunden nicht mehr daheim. Ich sollte vielleicht Tyler anrufen, damit er sich keine Sorgen machte. Sicher hatte er mich auch schon angerufen.
Ich griff an meine Hosentasche, wo ich normalerweise mein Handy hatte, jedoch war sie leer.
Kurz überlegte ich. Wo hatte ich zuletzt mein Handy?
Da fiel es mir ein. In Elenas Zimmer.
"Alie?", hörte ich Jeremys besorgte Stimme, "Alles in Ordnung?" Ich drehte mich zu ihm und lächelte beruhigend.
"Ja. Alles gut. Ich hab nur mein Handy oben vergessen. Ich bin gleich wieder da.", sagte ich und verließ die Küche schnellen Schrittes, bevor Jeremy weiter nachfragen konnte.
Ich betrat Elenas Zimmer und entdeckte sogleich mein Handy, was vor sich hin vibrierte.
Ich musste kurz lächeln, als ich auf das Display sah.
Tyler und ich waren offenbar telepathisch verbunden. Naja, das wurde Zwillingen ja auch nachgesagt.
Ich nahm den Anruf an und hielt das Handy an mein Ohr.
"Mir geht es gut, Ty.", sagte ich, bevor er etwas sagen konnte und ich konnte förmlich hören, wie er erleichtert ausatmete.
"Nathalie! Gott sei Dank, gehst du ran! Wo bist du denn, verdammt?", fragte er und ich ließ mich kurz auf Elenas Bett sinken.
"Bei Elena. Ich hatte bei ihr übernachtet und bin den ganzen Tag bei ihr geblieben. Eine spontane Pyjama-Party sozusagen.", sagte ich so gelassen wie möglich und bekam ein wenig ein schlechtes Gewissen. Die letzte Nacht war alles andere als eine Party gewesen.
"Himmel, weißt du, was ich mir für Sorgen gemacht habe?! Du bist seit gestern spurlos verschwunden und dann kam in den Nachrichten noch dieser Bericht von drei unidentifizierten Leichen! Weißt du, was Mom und Dad für einen Aufstand gemacht hätten, wenn sie mitgekriegt hätten, dass du die ganze Nacht nicht da warst?!", rief Tyler aufgebracht und mein schlechtes Gewissen machte sich noch mehr bemerkbar.
"Ich weiß. Ich hätte Bescheid sagen sollen, es tut mir leid. Ich habe es gestern einfach vergessen.", sagte ich entschuldigend und kurz war es ruhig auf der anderen Seite des Hörers. Ich konnte fast vor meinem geistigen Auge sehen wie er versuchte sich wieder zu beruhigen.
"Ruf das nächste Mal einfach an, ja?", sagte er schließlich und ich lächelte schmerzlich. Er war einfach der beste Bruder der Welt, trotz der Tatsache, dass er sich anderen gegenüber wie ein Arsch verhielt. Und ich log ihn zum Dank an.
"Mach ich. Versprochen. Ich komme heute sicher nach Hause.", sagte ich und nahm mir fest vor heute wieder in meinem eigenen Bett zu schlafen.
"Das will ich dir auch geraten haben!", sagte Tyler in einem gespielt strengem Ton, was mich tatsächlich zum Lachen brachte.
"Hör auf, du klingst schon fast wie Dad!", entgegnete ich und hörte wie er erschrocken Luft holte.
"Oh Gott, bloß nicht!", antwortete er und ich lachte erneut, ehe kurz Stille herrschte, "Ich hab dich lieb, kleine Schwester.", sagte er dann schließlich, was mich sofort die Augen verdrehen ließ. Ich war nicht seine kleine Schwester!
"Ich dich auch, 'großer' Bruder.", erwiderte ich und betonte das Wort 'großer' sarkastisch, was ihn lachen ließ, ehe wir beide auflegten.
Ich atmete hörbar aus. Es hatte echt gutgetan, mit Tyler zu reden und einfach mal kurz so zu tun, als wäre alles in Ordnung.
Auch wenn das schlechte Gewissen deutlich in meinem Inneren nagte, ging es mir etwas besser. Doch jetzt musste ich mich wieder der Realität stellen.
Seufzend erhob ich mich vom Bett und lief nach draußen in den Flur. Jedoch blieb ich dort direkt an der Treppe stehen, als ich Jeremy und Elena reden hörte.
"Ich weiß, dass mit ihr etwas nicht in Ordnung ist!", sagte Jeremy gerade und ich runzelte die Stirn. Sprach er von Vicky?
"Sie ist sicher nur etwas müde, das ist alles.", wehrte Elena ab und ich trat leise ein paar Stufen nach unten, um sie besser hören zu können.
"Ich weiß, dass sie sich von Damon getrennt hat!", sagte Jeremy da und ich horchte auf. Sie redeten von mir!
Elena schien kurz innezuhalten.
"Woher weißt du das?", fragte sie unsicher nach.
"Sie hat es mir erzählt, aber nicht warum. Zwischen ihnen muss irgendwas vorgefallen sein. Weißt du etwas darüber?" Ich spannte mich kurz an. Ich wollte nicht, dass Jeremy da mit hineingeriet. Weder in die Vampirsache noch in mein Beziehungsdrama mit Damon.
"Jeremy, wenn Alie wollte, dass du es weißt, hätte sie es dir gesagt, oder?", antwortete Elena jedoch nur und ich atmete erleichtert aus. Sie war nicht umsonst meine beste Freundin. Sie verstand mich.
Da klingelte es plötzlich an der Tür und reflexartig lief ich die wenigen Stufen wieder nach oben, ehe ich mich an die Wand neben dem Geländer presste, so dass man mich von unten aus nicht mehr sehen konnte. Wer klingelte denn um die Uhrzeit?
Vorsichtig blickte ich um die Ecke zur Haustür, wo Elena und Jeremy bereits standen.
Erstere öffnete die Tür, nur um sie sofort wieder zu zuschlagen, als sie erkannte, wer da vor ihrem Haus stand. Auch ich holte erschrocken Luft, als ich ihn erkannte.
Damon. Was zum Teufel wollte er hier?
Elena schaffte es fast die Tür wiederzuzuschlagen, doch griff Damon im letzten Moment dazwischen und stieß sie ohne viel Mühe wieder auf.
"Jeremy, geh nach oben, na los!", sagte Elena gefasst, doch ich hörte trotzdem das Zittern in ihrer Stimme, als sie Jeremy kurz einen bedeutenden Blick zuwarf. Sie wollte, dass Jeremy zu mir ging und mich davor bewahrte, Damons Anwesenheit zu bemerken. Nun, dafür war es zu spät.
Jeremy blickte Damon auf Elenas Aussage hin noch kurz an und auch wenn ich sein Gesicht nicht sehen konnte, wusste ich, dass sein Blick wohl mehr als tödlich war, ehe er sich abwandte und die Treppen nach oben lief, wo er mich natürlich sofort hinter der Wand entdeckte.
Ich sah wie er zum Sprechen ansetzte, als er mit mir hinter der Wand stand, doch ich legte schnell eine Hand auf seinen Mund.
"Ich weiß.", formte ich nur stumm mit den Lippen, "Ist okay." Jeremy blickte mich darauf nur zweifelnd an, doch als ich ihn bittend ansah, gab er schließlich nach und trat einen Schritt zurück, um mir den Weg frei zu machen. Ich trat etwas an ihm vorbei, warf ihm jedoch noch einen weiteren bittenden Blick zu und wieder verstand er, was ich von ihm wollte.
Mit sichtlich genervtem Blick, der genau zeigte, dass ihm das gar nicht recht war, öffnete er die Tür zu seinem Zimmer und verschwand darin.
Gut. Jeremy sollte das nicht mitkriegen.
Ich atmete kurz hörbar aus, ehe ich wieder an der Wand vorbei nach unten zur Haustür sah.
Damon lehnte noch immer im Türrahmen und schien Elena mit Blicken zu durchdringen. Er hatte mich noch nicht bemerkt.
"'Du hast ja Angst vor mir.'", stellte er schließlich fest, "'Ich werde mal etwas vorpreschen und raten: Stefan musste endlich ein Geständnis nach der Sache mit Zoey ablegen." Ich schluckte.
So nannte er das also? Eine Sache?
"'Hör auf und bleib weg von mir und vor allem weg von Alie!'", erwiderte Elena kalt und ich hoffte, dass Damon das erneute Zittern in ihrer Stimme überhörte.
"'Hey, hey, hey. Kein Grund grantig zu werden. Ich suche bloß Stefan.'", sagte Damon gelassen und gerade noch so sah ich, wie er begann den Flur mit den Augen abzusuchen, so dass ich schnell wieder hinter meiner schützenden Wand verschwand. Ich konnte ihm noch nicht in die Augen sehen.
"Obwohl es mich auch interessieren würde, wo sich deine beste Freundin aufhält. Zu Hause war sie nämlich nicht.", fügte er da hinzu und erneut schluckte ich. Er hatte bereits nach mir gesucht. Was hatte er vor? Wollte er zu Ende bringen, was er gestern begonnen hatte?
"Sie ist nicht hier.", antwortete Elena sofort, doch vielleicht etwas zu schnell, denn Damon schien ihr nicht wirklich zu glauben.
"Natürlich.", murmelte er ironisch, "Darf ich dann reinkommen?", es folgte eine kurze Pause und ich war mir sicher, dass Elena gerade dazu ansetzte zu widersprechen, als er auch schon weiterredete, "'Ach warte! Klar, darf ich! Ich wurde ja eingeladen.'" Damit hörte ich wie er das Haus betrat und mir lief es eiskalt den Rücken runter. Dieses Detail hatte ich vergessen. Vampire konnten Häuser von Menschen nur betreten, wenn sie hereingebeten worden waren.
Elena hatte Damon bereits hereingebeten... genauso wie ich. Er konnte einfach so jederzeit in mein Haus.
"'Wir können gleich auf den Punkt kommen, ich werde dich jetzt nicht töten.'", fuhr Damon da fort und ich spannte mich an, "'Es würde meine Pläne durcheinanderbringen. Zumal es für meine Beziehung mit Zoey nicht gerade förderlich wäre.'" Ich presste die Lippen zusammen als langsam Wut in mir hochstieg. Wenn er Elena auch nur ein Haar krümmte, konnte er etwas erleben! Ich schloss kurz die Augen und nahm all meinen Mut zusammen. Ich durfte sie nicht länger da unten allein lassen.
Mit diesem Gedanken stieß ich mich von der Wand ab und trat am Geländer vorbei zur Treppe. Damon, der inzwischen mitten im Raum direkt gegenüberstand, schien meine kaum hörbaren Schritte trotzdem wahrzunehmen und sein Blick schnellte zu mir.
Mir gefror das Blut in den Adern, als ich ihm direkt in die Augen sah, doch versuchte ich mir äußerlich nichts anmerken zu lassen.
"Hallo Schönheit.", sagte er und drehte sich ganz zu mir, als ich langsam die Treppe hinunterstieg, "Ich hab dich schon gesucht." Ich spürte wie meine Brust vor Schmerz zu verglühen schien, als er den Kosenamen benutzte, doch bewahrte ich eine kühle Miene.
"Du kannst mit den Spielchen aufhören, Damon.", sagte ich so kalt und feindselig wie möglich, "Stefan hat uns alles erzählt." Ich merkte, wie Damons Blick sich deutlich verdunkelte und bekam etwas Angst, als er Elena und mir leicht den Rücken zuwandte.
Ich war inzwischen unten angekommen und stellte mich sofort neben Elena, die sich daraufhin leicht vor mich stellte, als könnte sie mich so vor Damon schützen.
"Wo ist denn mein redseliger kleiner Bruder?", fragte Damon da und ich wechselte einen kurzen Blick mit Elena.
"'Er ist draußen und sucht nach Vicky!'", antwortete diese und man hörte den Unterton deutlich heraus. Damon drehte sich wieder zu uns um und legte den Kopf leicht schräg.
"Jetzt seht mich nicht so vorwurfsvoll an.", sagte er und trat einen Schritt auf uns zu, "'Die Kleine wird mir noch für alles dankbar sein.'" Jetzt trat ich an Elena vorbei einen Schritt vor, so dass ich ihm so nah war, dass ich seinen Atem auf meiner Haut spüren konnte. Diese Nähe ließ mein Herz zwar wieder vor Schmerz beben, doch ich ignorierte es. Ich würde ihm gegenüber keine Schwäche zeigen.
"So dankbar, wie ich dir war, als du mir die Kehle aufgerissen hast?", fragte ich leise, doch sein Gesicht ließ darauf keinerlei Emotionen erkennen, "Oder so dankbar wie du Katherine warst?" Es war schlichtweg nur geraten, dass Damon bei seiner Verwandlung wahrscheinlich ebenfalls wenig begeistert gewesen war, doch anscheinend hatte ich ins Schwarze getroffen, als er kurz die Kontrolle über seine gefühllose Maske zu verlieren schien und ich Emotionen wie Trauer und Reue über sein Gesicht huschen sah. Jedoch fasste er sich schnell wieder und wandte mir den Rücken zu, wahrscheinlich, um meinem Blick zu entgehen.
"Ihr habt wohl die ganze Lebensgeschichte gehört, hm?", fragte er, ohne uns anzusehen.
"'Genug jedenfalls.'", antwortete Elena und trat wieder neben mich.
"'Oh, das bezweifle ich.'", murmelte Damon leise, was mich kurz die Stirn runzeln ließ. Gab es da noch mehr?
Da drehte sich Damon wieder zu uns und sein Blick glitt zwischen uns beiden hin und her, ehe er etwas länger an mir hängen blieb. Ich hielt seinem Blick nur starr stand, ohne eine Regung zu zeigen. Für einen kurzen Moment hatte ich das Gefühl, dass er mir etwas sagen wollte, doch dann wandte sich Damon Richtung Tür und öffnete sie.
"'Sagt Stefan, dass ich ihn suche.'", sagte er so gelassen, als würde er übers Wetter reden, ehe er nach draußen trat und sich nochmal kurz zu uns drehte.
"'Ach noch etwas. Seid lieber vorsichtig, wen ihr in Zukunft in euer Haus einladet.'", sagte er noch, ehe er leicht grinste und die Tür schloss.
Ich hörte noch seine Schritte auf der Veranda, ehe es komplett still wurde und meine gesamte Selbstbeherrschung in sich zusammenbrach. Ich atmete hörbar aus und spürte, wie der Schmerz in meiner Brust mir sofort die Tränen in die Augen trieb, die ich mit meiner gefühlskalten Haltung so lange unterdrückt hatte.
"Alie!", hörte ich Elena besorgt sagen, doch ich konnte nicht darauf reagieren. Mit Mühe drängte ich den Schmerz wieder zurück und wischte mir schnell die Tränen aus den Augen, ehe zu Elena aufsah, die vor mich getreten war und mich mitleidig ansah.
"Schon gut.", murmelte ich und räusperte mich, als meine Stimme leicht brüchig wurde, "Es geht mir gut."
"Es geht dir nicht gut.", widersprach meine beste Freundin und legte tröstend ihre Arme um mich. Jedoch schob ich sie schnell wieder weg.
Ich ertrug ihr Mitleid jetzt gerade nicht. Nicht ihren Blick, der mich ansah, als wäre ich nur noch ein kaputtes Wrack und auch nicht ihre Umarmungen, die mir nur wenig Trost spendeten. Ich wollte einfach nur noch allein sein und mir daheim die Augen aus dem Kopf weinen.
"Tut mir leid. Ich... ich sollte wohl besser nach Hause gehen.", sagte ich kopfschüttelnd und wollte an ihr vorbei zur Tür, doch sie griff meinen Arm.
"Etwa zu Fuß? Nein! Nicht, wenn Damon noch da draußen rumläuft! Komm, ich fahr dich!", sagte sie bestimmend, als sie sich kurzerhand ihre Autoschlüssel schnappte und mit mir zur Tür ging.
Ich nickte einfach nur.
Ich sollte sie wohl nicht auf die Tatsache aufmerksam machen, dass Damon auch wenn ich zu Hause war, jederzeit ohne Probleme an mich herankam, wenn er es wollte. Dann würde Elena mich gar nicht mehr allein lassen.



***



-Damons Sicht-


Bestimmt seit einer halben Stunde stand der Schwarzhaarige in dem vollkommen dunklen Zimmer und wartete.
Nachdem er Stefan schlussendlich aufgespürt, ihn notgedrungen vor einem Vampirjäger gerettet hatte und Vicky ihnen entwischt war, hatte er seinen Tageslichtring, den Stefan ihm abgenommen hatte, zurückgeholt und war zur Lockwoodvilla gegangen, so wie er es vor ein paar Stunden bereits schonmal getan hatte. Jedoch hatte er Nathalie dort beim ersten Mal nicht angetroffen.
Damon schloss kurz die Augen, als er an die Begegnung mit Nathalie in Elenas Haus zurückdachte. Wie sie ihn angesehen hatte. Absolut kalt und gefühllos.
Natürlich wusste Damon, dass das lediglich eine Maske gewesen war, die ihre wahren Gefühle verstecken sollte. Jedoch sorgte er sich genau um diese versteckten Gefühle.
Der Schwarzhaarige spürte wie Reue in ihm hochstieg und atmete hörbar aus.
Der gestrige Vorfall im Keller beschäftigte ihn noch immer. Er hatte sie nicht angreifen wollen, sie nicht so sehr verschrecken und verletzen wollen. Es war sein Hunger gewesen, der ihn in diesem Moment gelenkt hatte. So hatte er ihr ungewollt die Bestie in sich gezeigt, die er so lange sorgfältig vor ihr verborgen hatte.
Nochmals atmete Damon hörbar aus und fuhr sich durchs Haar.
Nathalie hätte es so nicht erfahren dürfen. Sie hätte es gar nicht erfahren dürfen.
Wieder wunderte er sich über sich selbst. Wieso machte es ihm so viel aus?
Sonst hatte er all seine Gefühle doch auch unter Kontrolle. Er hatte den gesamten Tag mit Vicky Donovan verbracht und sie getötet. Und es war ihm egal gewesen.
Er hatte Zach, seinen einzigen noch menschlichen Verwandten, mit einer einfachen Handbewegung das Genick gebrochen, ohne dass es ihn gekümmert hatte.
Er hatte Caroline Forbes regelmäßig gebissen, sie manipuliert und sie für seine Zwecke missbraucht. Und er hatte nichts dabei gefühlt.
Elena wusste nun alles über ihn. Katherines Ebenbild verachtete ihn nun und doch spürte er auch hier keinerlei Gefühlsregung. Als wäre seine Menschlichkeit nach wie vor abgeschaltet.
Doch wenn es um Nathalie ging... Wenn er an sie dachte...
Dann fühlte er plötzlich. Und zwar so viel auf einmal, dass er es kaum auseinanderhalten konnte.
Wieder erinnerte er sich an ihren Blick, mit dem sie ihn angesehen hatte. Die Worte, die sie ihm an den Kopf geworfen hatte. Nach außen hin hatte er natürlich so getan, als würde es ihn völlig kalt lassen, doch in seinem Inneren hatte es ganz anders ausgesehen.
Damon hätte es wohl nie zugegeben, doch in Wirklichkeit hatte Nathalies abweisende Haltung ihm in der Seele wehgetan. Vor allem, da sie ihn nun für jemanden hielt, der er nicht war: Für einen manipulativen Lügner, der nur mit ihr gespielt hatte.
Der Schwarzhaarige schnaubte leise.
Er konnte sich genau vorstellen, was Stefan alles über ihn erzählt hatte. Wie gefühlskalt und rücksichtslos er Damon aus seiner Sicht dargestellt hatte.
Natürlich war Damon bewusst gewesen, dass Stefan so über ihn dachte. Doch hatte es ihn nie gekümmert. Genauso wenig wie es ihn kümmerte, dass Elena nun auch so über ihn dachte.
Aber Nathalie sollte nicht so denken. Stefan hatte kein Recht gehabt, ihr dieses Bild von ihm zu übermitteln, bevor Damon selbst die Chance gehabt hatte, sich vor ihr zu rechtfertigen.
Das war der Grund gewesen, warum er nach ihr gesucht hatte. Da er seinen Tageslichtring nicht gehabt hatte und zuvor zuerst seinen Durst hatte stillen müssen, bevor er sie erneut ungewollt angriff, war Damon erst heute Abend dazu gekommen. Und natürlich war sie nicht allein zu Hause gewesen, sondern bei Elena.
Dort im Flur unter dem stetigen anklagenden Blick von der Dunkelhaarigen, war es Damon unmöglich gewesen, vernünftig mit Nathalie zu reden. Vor allem, da sie von Stefan bereits ein völlig falsches Bild von ihm vor Augen hatte.
Also war er gegangen. Nur um jetzt allein in ihrem Zimmer zu stehen und auf sie zu warten.
Er musste mit ihr reden. Und zwar ohne, dass jemand wie Elena dazwischenfunkte.
Er wollte sich erklären. Das war er ihr schuldig.
Und tief in seinem Inneren hoffte er sogar, dass sie ihn verstand. Dass sie ihm verzeihen würde. Jedoch war das reines Wunschdenken.
Damon wurde aus seinen Gedanken gerissen, als er Nathalies Stimme im unteren Stockwerk hörte.
"Ich gehe jetzt nach oben. Gute Nacht!" Er spannte sich unwillkürlich an. Sie hatte bis jetzt mit ihrer Familie zu Abend gegessen. Doch nun würde sie nach oben kommen.
Zu ihm kommen...


-Nathalies Sicht-

Zügig stieg ich die Treppen in meinem Haus nach oben und lief den Flur entlang bis ich schließlich endlich an meiner Zimmertür ankam.
Schnell betrat ich den Raum, ehe ich die Tür schloss und mich seufzend dagegen lehnte, als ich spürte wie meine Maske von mir fiel und mir sofort Tränen in die Augen traten.
Ich hatte keine Ahnung, wie ich das Abendessen eben überlebt hatte ohne, dass jemand aus meiner Familie gemerkt hatte, was in mir vorging. Doch irgendwie hatte ich es geschafft mir ein paar qualvolle Bissen rein zu zwängen, ehe ich mich mit einem Lächeln auf den Lippen zurückgezogen hatte.
Und nun war ich endlich allein. Jetzt konnte ich endlich meine Mauern fallen lassen und meine Gefühle freien Lauf lassen.
Zeitgleich mit diesem Gedanken entwich ein Schluchzen meiner Kehle.
Langsam löste ich mich von der Tür und trat etwas in den Raum, während ich meine Jacke und meine Tasche aufs Bett warf. Ich hatte noch nicht einmal das Bedürfnis das Licht einzuschalten. Ich wollte mir nur in der Dunkelheit zwischen meinen Kissen mir die Augen aus dem Kopf heulen.
"Zoey.", hörte ich da plötzlich eine tiefe Stimme und mir lief es eiskalt den Rücken herunter, als mein Blick zur Seite schnellte. Die einzige Lichtquelle im Zimmer war das Mondlicht, was durch die Fenster hereinschien, und so fiel es direkt auf Damon, der in der Ecke meines Zimmers stand und mich mit unergründlicher Miene musterte.
Ich keuchte angsterfüllt auf, ehe ich auch schon zur Tür herumfuhr, um nach draußen zu flüchten. Jedoch machte mir Damon da einen Strich durch die Rechnung, als sich seine Hand direkt gegen die Tür presste, in dem Moment, als ich sie öffnen wollte.
Ich spürte seinen Atem an meinem Nacken direkt hinter mir und musste unweigerlich an die Nacht des Gründerfestes denken. Dort hatten wir uns in einer ähnlichen Situation befunden. Und doch kam es mir vor, als wäre ich hier nun mit einem komplett anderen Mann.
Ich wimmerte und lehnte meine Stirn gegen das Holz, nicht fähig mich zu ihm herumzudrehen. Zu sehr fürchtete ich mich davor, was ich sehen würde.
Seine gespenstischen roten Augen und seine großen Reißzähne, die mich jeden Augenblick töten würden.
"Zoey. Bitte.", hörte ich ihn sagen und seine Stimme war so ruhig, dass ich kurz stutzig wurde, "Ich möchte nur reden." Nur reden?
Zitternd vor Angst drehte ich mich da doch langsam zu ihm herum, auch wenn ich mich mit aller Kraft gegen das Holz der Tür presste, um so viel Abstand zwischen uns zu haben wie möglich.
Damon schien dies zu bemerken, denn er ging sofort ein paar Schritte zurück, was mich innerlich etwas aufatmen ließ.
Abwartend blickte ich ihn nun an, während noch immer Tränen über meine Wangen liefen. Ich hatte keine Kraft mehr, meine Gefühle zu verbergen. Weder vor ihm noch vor irgendjemand anderem.
"Ich wollte mich bei dir entschuldigen.", begann er leise, "Für gestern. Ich... ich wollte dich nicht verletzen. Ich war nicht ich selbst." Er blickte mir ehrlich in die Augen, während er das sagte und kurz sah ich in ihm den alten Damon, denjenigen von dem ich dachte, er wäre nur eine Illusion.
Schnell schüttelte ich den Kopf. Er war nur eine Illusion! Der Damon, den ich liebte, existierte nicht! Ich durfte mich nicht schon wieder von ihm manipulieren lassen.
"Wieso tust du das?", fragte ich kaum hörbar und er blickte mich verwirrt an.
"Was meinst du?", fragte er nach.
"Wieso spielst du dieses Spiel weiter? Deine Maskerade ist aufgeflogen! Ich weiß, dass das alles nur eine Lüge war! Also warum versuchst du weiter mit mir zu spielen? Wieso tust du mir weh?" Ich schloss kurz die Augen, um wieder etwas Fassung zu kriegen, ehe ich sie wieder öffnete und ihn ansah. Damon hatte die Stirn bei meinen Worten leicht gerunzelt und schüttelte kaum merklich den Kopf.
"Das ist kein Spiel!", sagte er und die Ehrlichkeit in seiner Stimme brachte mich fast um.
"Ach nein?", fragte ich etwas lauter und trat einen Schritt auf ihn zu, die Tränen, die nun leicht meinen Blick verschleierten, ignorierend, "Du bist ein Mörder, Damon! Ein Vampir! Du hast unzählige Menschen umgebracht, Caroline missbraucht, Vicky verwandelt und mich hast du auch angegriffen! Und dieses Getue von dem charmanten Kerl war kein Spiel?!"
"So einfach ist das nicht!", widersprach Damon, der nun auch etwas aufgebracht war.
"Doch ist es.", sagte ich leise, "Du hast mich belogen, Damon. Es war alles eine Lüge. Alles, was zwischen uns war."
"Das ist nicht wahr!", entgegnete der Schwarzhaarige nun energisch und nun trat er einen Schritt auf mich zu, worauf ich jedoch wieder zurückwich, so dass ich mal wieder die Tür im Rücken spürte, "Es mag sein, dass ich dir viele Dinge verschwiegen habe, aber alles, was ich dir von mir erzählt habe, war die Wahrheit! Auch, was meine Gefühle für dich betrifft."
Ich sah ihn nur ungläubig an, als ein leises Schluchzen meiner Kehle entwich.
Seine Worte taten so weh. Fast hätte ich mir gewünscht, dass er immer noch genauso kalt wäre, wie es in Elenas Haus der Fall gewesen war. Dann hätte ich genau gewusst, woran ich war und hätte mich nicht in diesem Gefühlschaos befunden.
"Ich würde dir so gerne glauben.", hauchte ich und sein Blick wurde hoffnungsvoll, als er noch einen Schritt auf mich zukam.
"Zoey, ich-", begann er, doch ich hob meine Hand, um ihn zum Schweigen zu bringen.
"Ich kann nicht, Damon. Ich kann dir nicht mehr vertrauen und...", ich schluckte hart, "Ich kann dich nicht ansehen, ohne dass mein Herz vor Schmerz zerspringt. Allein deine Nähe tut so unfassbar weh, dass ich es kaum ertrage.", ich sah, wie er erneut zum Sprechen ansetzte, doch ich ließ es nicht zu, "Ich will, dass du gehst und auch nicht wieder herkommst. Lass mich einfach in Ruhe." Ich sprach die letzten Worte härter aus, als eigentlich beabsichtigt, jedoch verfehlten sie dennoch ihre Wirkung nicht. Ich sah wie jegliches Gefühl aus Damons Augen wich und sein Blick sich verhärtete.
"Wie du willst.", sagte er und die Kälte in seiner Stimme ließ mich kurz erzittern, ehe er einfach aus meinem Blickfeld verschwand.
Mein Blick glitt zu einem weit offenen Fenster, aus dem er wahrscheinlich gesprungen war.
Schnell lief ich hinüber und schloss es sorgfältig, ehe ich mich einfach in mein Bett fallenließ und das tat, was ich ohnehin vorgehabt hatte: Mich in den Schlaf weinen.

11. Kapitel: Halloween

Gedankenverloren starrte ich aus dem Fenster und sah zu, wie die Landschaft draußen vorbeizog. Wie es eigentlich schon die ganze Woche zuvor gewesen war, saß ich mit Tyler zusammen in unserem Auto und fuhr mit ihm von der Schule nach Hause. Auch wenn ich keine Ahnung hatte, wie ich die letzten Schultage überhaupt hinter mich gebracht hatte.
Denn auch wenn ich im Unterricht zwar körperlich anwesend gewesen war, waren meine Gedanken immer ganz woanders.
Ich seufzte etwas.
Fünf Tage war es jetzt her, seit ich Damon an jenem Abend fortgeschickt hatte und obwohl er sich tatsächlich an meine Bitte hielt, sich von mir fernzuhalten, ging er mir dennoch nicht aus dem Kopf. Immer wieder dachte ich über ihn und diese ganze Vampirsache nach. Ob es richtig gewesen war, ihn einfach wegzuschicken. Ob er nicht eventuell doch die Wahrheit gesagt hatte.
Aber das war absurd. Es passte nicht mit seinen restlichen Taten zusammen. Ein Mensch... oder Vampir, was auch immer, konnte doch nicht zwei so unterschiedliche Seiten an sich haben, oder?
"Nathalie?", riss mich da Tyler aus den Gedanken und ich blickte zu ihm.
"Hm?" Mein Bruder sah kurz zu mir herüber, ehe er sich wieder auf die Straße konzentrierte.
"Alles okay bei dir?", fragte er besorgt und ich runzelte die Stirn.
"Klar. Wieso nicht?", antwortete ich wie automatisch und erschrak kurz über mich selbst, wie sehr ich es inzwischen schon gewohnt war mich zu verstellen. Ich hatte die letzten Tage wahrscheinlich mehr gelogen, als in meinem gesamten Leben zuvor.
"Ach komm schon. Ich kenne dich, kleine Schwester.", sagte Tyler jedoch kopfschüttelnd und blickte wieder kurz zu mir herüber, "Ich sehe doch, dass etwas nicht stimmt."
Ich lächelte etwas. War ja klar, dass ich ihm nichts vormachen konnte. Aber dennoch würde ich ihm nichts von meinen Sorgen erzählen können. Zumindest nicht viel.
"Es ist nichts.", erwiderte ich schulterzuckend, "Nur Mädchenkram." Ich sah Tyler direkt an und merkte, wie er skeptisch eine Augenbraue hob.
"Der da wäre?", fragte er nach und ich verdrehte kurz die Augen.
"Ich mache mir Gedanken wegen einem Kerl, okay?", gab ich auf und er spannte sich an.
"Wie heißt er?", fragte er nach und ich verkniff mir ein Augenverdrehen.
"Das sage ich dir bestimmt nicht.", sagte ich und schmunzelte ein wenig über seinen Beschützerinstinkt, "Es ist alles okay, Ty. Belassen wir es dabei."
Tyler schien kurz zu überlegen, ob er mir glauben sollte, ehe er etwas seufzte und nickte.
"Na gut. Wenn du es sagst.", sagte er und ich nickte leicht. Daraufhin schwiegen wir und ich war kurz davor meinen Gedanken wieder nachzuhängen, als Tyler noch etwas sagte: "Gehst du eigentlich zu der Halloween-Party heute?"
Etwas überrascht sah ich ihn an. Wir waren eigentlich beide keine Fans von Kostümpartys und dennoch fragte er mich? Na gut, letztes Jahr hatten wir die Feier auch besucht, aber nur weil unsere Freunde uns gedrängt hatten.
"Hatte ich nicht vor. Willst du etwa dahin?", fragte ich nach.
"Naja...", begann er etwas zögerlich, "Ja, schätze schon. Etwas Ablenkung von dem ganzen Wirbel." Nun sah ich ihn besorgt an.
"Wirbel?"
"Ja. Vicky ist jetzt schon seit Tagen verschwunden und obwohl der Suchtrupp schon die ganze Stadt durch hat, finden sie sie nicht. Das macht mir langsam echt Sorgen.", sagte Tyler kopfschüttelnd, als ich spürte wie sich mein schlechtes Gewissen meldete.
Elena hatte mir erzählt, dass Stefan Vicky an jenem Abend gefunden hatte, jedoch war es zu spät gewesen. Sie hatte bereits Blut getrunken und war nun vollständig zum Vampir geworden. Deswegen hatte Stefan sie auch bei sich eingesperrt, um ihr beizubringen sich zu kontrollieren. Darum war sie die ganzen Tage auch verschwunden.
"Sie finden sie bestimmt.", sagte ich beruhigend zu Tyler, der mir jedoch nicht so recht zu glauben schien.
"Ich habe nur Angst, dass ihr etwas passiert ist.", sagte er leise und mein Herz wurde schwer. Auch wenn er sich Vicky gegenüber nicht gerade angemessen verhalten hatte, schien sie ihm etwas zu bedeuten. Und jetzt, wenn er sich Sorgen um sie machte, konnte ich ihm nicht sagen, wo sie war, obwohl ich es genau wusste.
Ich hasste diese Heimlichtuerei!
Vielleicht sollte ich einmal zum Salvatore-Anwesen rüberfahren und schauen wie weit Stefan mit ihr war.
Mich durchfuhr kurz ein Schauer, bei dem Gedanken, Damon dort zu begegnen, doch ich musste doch irgendwie helfen. Möglicherweise konnte ich irgendetwas beitragen, damit Vicky sich schneller eingewöhnte.
Ich musste es versuchen. Tyler zuliebe.


***


Tief ausatmend parkte ich den Wagen in der Einfahrt der Salvatore-Villa, ehe ich langsam ausstieg.
Ich hatte Tyler, als wir daheim angekommen waren die Schlüssel abgenommen mit der Ausrede, dass ich nochmal zu Elena wollte. Naja, so sehr gelogen war das gar nicht, da besagte Dunkelhaarige sich nach einer SMS, die ich ihr geschickt hatte, mir kurzerhand angeschlossen hatte, so dass sie bereits an ihrem Auto, dass ebenfalls in der Einfahrt stand, auf mich wartete.
"Hey.", grüßte sie mich und sah mich wie die letzten Tage schon besorgt an.
"Hey.", erwiderte ich und versuchte mich an einem Lächeln, auch genau wie die letzten Tage davor schon. Jedoch glaubte ich, dass es mir so langsam wieder halbwegs gelang.
"Bereit?", fragte sie mich, als wir zusammen an die Haustür traten und ich nickte, ehe Elena die Klingel betätigte.
'Bitte lass Damon nicht zu Hause sein.', sandte ich ein kurzes Stoßgebet an Gott, als die Tür auch schon aufging und besagter schwarzhaariger Vampir direkt vor uns stand. Na super.
Ohne eine Emotion zu zeigen, lehnte sich Damon an den Türrahmen, während er Elena nur kurz ansah, ehe sein Blick zu mir glitt.
Ich schluckte, als sich unsere Blicke kreuzten und ich spürte, wie sowohl Schmerz als auch leichte Sehnsucht in mir aufstiegen. Noch immer sah ich in ihm den Kerl, in den ich mich verliebt hatte, bei welchem ich mir vor ein paar Tagen noch so sicher gewesen war, dass er nicht existierte. Doch inzwischen waren Zweifel und Hoffnung in mir aufgekeimt.
"'Ist Stefan da?'", riss mich da Elena aus meinem Gedankengang und Damon brach daraufhin unseren Blickkontakt, als er wieder zu ihr sah.
"'Jep.'", antwortete er kühl.
"'Wo ist er?'", fragte Elena weiter.
"'Ich wünsche euch auch einen guten Morgen, werte Damen 'Wir sind auf einer Mission unterwegs'.'", erwiderte Damon da sarkastisch, als sein Blick erneut zu mir glitt, "Weißt du, Zoey, es ist nicht einfach sich von dir fernzuhalten, wenn du vor meiner Haustür stehst."
Ich blickte kurz schuldbewusst zu Boden. Er hatte recht. Das war absolut nicht fair von mir,
ihn erst wegzuschicken mit den Worten, dass ich ihn nicht mehr sehen will, aber dann vor seiner Tür zu stehen.
"Ich weiß. Es tut mir leid.", sagte ich leise und blickte wieder zu ihm auf, während Elena fragend zwischen uns hin und her sah, "Ich wollte nur nach Vicky sehen..."
Ich zwang mich Damon direkt anzusehen und hielt seinem blauen Blick stand, der nach wie vor keine Gefühle zeigte, ehe er wohl nachgab, da er hörbar ausatmete.
"Vicky ist oben. Zusammen mit Stefan.", sagte er schließlich, "Sie singen das 'Grün zu Grün'.", fügte er noch sarkastisch hinzu, ehe er an uns vorbei nach draußen trat.
Dabei spürte ich wie seine Hand für einen kurzen Moment meine streifte, was mir eine Gänsehaut verpasste.
Schnell folgte ich Elena nach drinnen und versuchte mir nichts anmerken zu lassen.
Verdammt nochmal, ich musste meine Gefühle langsam in den Griff kriegen!
Elena schloss die Tür hinter mir und so standen wir nun allein in dem großen Flur.
"'Stefan?'", rief Elena und trat an die Treppe.
Sie sprach es nicht an. Sie wusste genau, dass ich nicht darüber reden wollte.
Fast gruselig wie genau meine beste Freundin mich kannte.
Ich trat neben sie an die Treppe und verdrängte schnell die Erinnerungen, die beim Anblick der Stufen in mir hochstiegen.
Elena erhielt keine Antwort auf ihren Ruf.
"Stefan?", rief ich nun etwas lauter.
"Ja?", ertönte da eine Stimme hinter uns und fast zeitgleich fuhren wir herum.
Stefan stand ein paar Meter von uns entfernt im Raum und blickte uns fragend an.
Konnte er nicht einfach mal normal die Treppe hinterlaufen wie ein gewöhnlicher Mensch, anstatt uns so zu erschrecken?
"'Wo ist Vicky?'", fragte Elena nach und Stefan legte einen Finger auf den Mund.
"'Scht. Sie ist oben.'", antwortete er leise und trat zu uns. Sie war noch so instabil, dass sie unser Gespräch nicht hören durfte?
"Die Stadt sucht inzwischen seit Tagen nach ihr, ist dir das klar?", fragte ich nach und Stefan nickte.
"'Ich weiß. Ich arbeite mit ihr daran, aber es dauert ein bisschen.'", erklärte er, "'Sie ist ziemlich flatterhaft und impulsiv. Sie nimmt viele Drogen. Das spielt alles eine Rolle dabei, wie ihr Körper reagiert.'"
Also war sie ein Vampirjunkie? Klasse.
"'Dann ist sie ein Vampir mit Problemen?'", fragte Elena, die auch nicht begeistert zu sein schien, "'Was sollen wir tun? Wir beide sind gezwungen sämtliche Menschen anzulügen, die uns etwas bedeuten, also was ist mit ihr?'"
"Tyler macht sich total verrückt wegen ihr.", unterstützte ich, "Wie lange muss ich ihm noch sagen, dass man sie bestimmt bald findet?"
"Ich weiß es nicht. Ich muss sie hierbehalten, bis sie keine Gefahr mehr ist.", antwortete Stefan.
"'Und wie lange dauert das?'", ertönte da eine Stimme von der Treppe her und wir alle blickten auf zu Vicky, die dort stand und Stefan fragend ansah. Dieser atmete genervt aus.
"'Wir besprechen das später, ja?'", antwortete er, was Vicky nur seufzen ließ.
"'Hey, Vicky...'", begann Elena da zögerlich, "'Wie geht es dir?'"
"'Wie es mir geht?'", wiederholte Angesprochene spöttisch, "'Ihr wollt mich verarschen, stimmts?'"
Wow. Die Verwandlung hatte sie nicht gerade sympathischer gemacht.


***


"Alles okay?", fragte ich Elena leise, was die Braunhaarige etwas nicken ließ. Bestimmt schon über eine Stunde saß ich jetzt mit ihr, Stefan und Vicky im Esszimmer und sah dabei zu, wie Stefan Vicky Dinge über das Leben als Vampir beibrachte.
Jedoch hatte ich das Gefühl, dass Vicky ihm nicht einmal richtig zuhörte, sondern das ganze einfach als unwichtig abtat. Ich presste etwas verärgert die Lippen zusammen. So war sie auch schon als Mensch gewesen, jedoch hatte sie da nur ihr eigenes Leben mit ihrer Verantwortungslosigkeit gefährdet. Nun brachte sie damit auch alle anderen in Gefahr.
"'Ach, geht dieses miese Gefühl irgendwann mal weg?'", fragte Vicky da und ich blickte zu ihr auf, "'Ich fühl mich übel verkatert. Und die Tageslichtsache ist Mist!'" Damit stand sie auf, während ich kurz einen Blick auf Stefans Ring warf. Wie viele Vampire wohl so etwas hatten, um bei Tag draußen herumzulaufen?
"'Ich brauch mehr Blut!'", verlangte Vicky, während sowohl Stefan als auch Elena sie mehr als genervt ansahen. Mir ging es ähnlich. Mein Bruder hatte wirklich einen schrecklichen Frauengeschmack.
"'Wo ist dein Bad? Ich muss pinkeln!'", fragte sie nun, "'Wieso muss ich denn pinkeln? Ich dachte, ich wäre tot?'" Stefan deutete nur hinter sich auf eine Tür, durch die Vicky sogleich verschwand, was mich erleichtert seufzen ließ.
Dass Stefan das so lange ausgehalten hatte.
"'Ich werde ihr jetzt noch etwas holen.'", sagte der Dunkelblonde schließlich und stand auf, "'Also, ich beeil mich.'" Damit verließ er den Raum und ich tauschte mit Elena einen resignierten Blick.
"Langsam glaube ich, dass Pfählen einfacher wäre.", sagte ich leise, woraufhin ich einen bösen Blick von meiner besten Freundin erntete.
"Alie!", sagte sie erschrocken, doch trotzdem sah ich wie sie etwas lächelte.
"Ist doch nur ein Scherz.", murmelte ich kopfschüttelnd, ehe ich aufstand und mich streckte.
Auch Elena erhob sich langsam, als die Tür aufging und Vicky wieder hereinkam.
"'Falscher Alarm. Mein Körper fühlt sich schräg an. Irgendwie abgefahren.'", plapperte sie, "'Schon gut, aber trotzdem merkwürdig.'" Ich wechselte einen weiteren Blick mit Elena, nur dass er diesmal genervter war. Da griff Vicky plötzlich nach ihrem Handy und tippte darauf herum.
"'Wen rufst du an?'", fragte Elena nach und auch ich trat skeptisch einen Schritt näher.
"'Jeremy.'", antwortete Vicky wie selbstverständlich und ich spannte mich an.
"'Vicky, jetzt kannst du Jeremy nicht mehr treffen.'", sagte Elena ernst, doch wie schon so oft zuvor bei Stefan tat Vicky auch ihre Worte einfach ab.
"'Oh komm schon, fang nicht damit an. Ich kann treffen, wen ich will.'", sagte sie gelassen, was bei mir das Fass zum Überlaufen brachte.
"Nein, kannst du nicht!", sagte ich etwas harsch und Vicky blickte zu mir, "Du bist jetzt ein Vampir, Vicky! Da kannst du nicht einfach raus gehen und dich volllaufen lassen, oder sonst was! Es gibt nämlich keine Garantie dafür, dass du jemanden verletzt oder sogar umbringst! Also halt dich von Jeremy und auch von allen anderen Menschen fern!"
"Ach.", erwiderte die Braunhaarige da und trat bedrohlich ein paar Schritte auf mich zu, "Also darfst du bestimmen, mit wem sich Jeremy trifft und mit wem nicht? Denkst du, nachdem du ihn abgewiesen hast, darf ihn niemand anderes haben?"
Ich schüttelte nur verständnislos den Kopf. Hörte sie mir überhaupt zu?
"Davon rede ich doch gar nicht! Ich-" Ich wurde unterbrochen, als Vicky plötzlich mit übermenschlicher Geschwindigkeit auf mich zu schnellte, mich am Hals packte und gegen die nächste Wand drückte, so dass meine Füße ein paar Zentimeter über dem Boden hingen.
"Alie!", rief Elena erschrocken aus, wagte es jedoch nicht dazwischen zu gehen, was wahrscheinlich auch schlauer war. Ich gab nur einen erstickten Laut von mir, als ich verzweifelt versuchte zu atmen.
"Jetzt hör mal zu, du kleine Schlampe!", zischte Vicky nun dicht an meinem Ohr, während sie mir die Luft abschnürte, "Ich habe jetzt lange genug die zweite Wahl gespielt! Fast zehn Jahre lang hat sich Jeremy nur für dich interessiert und dann hast du ihn abblitzen lassen! Also hör jetzt endlich auf uns im Weg zu stehen, denn sonst werde ich nicht zögern, dir deinen hübschen kleinen Kopf abzureißen, kapiert?!" Ich war nicht fähig auf ihre Worte zu reagieren, da mir langsam aber sicher die Luft ausging, als Vicky mit einem Mal verschwand und ich hustend zu Boden fiel.
"Alles okay?!", fragte Elena erschrocken und eilte zu mir, während ich röchelnd nach Atem rang, nicht in der Lage ihr zu antworten.
In dem Moment betrat Stefan den Raum und sah uns besorgt an.
"Was ist passiert?", fragte er, als Elena mir hoch half und ihm kurz erzählte, was geschehen war. Dabei kam ich endlich wieder etwas zu Atem und konnte mich beruhigen.
Vicky hatte es eindeutig auf Jeremy abgesehen. Wir mussten ihn unbedingt beschützen.
"Sie hat Alie bedroht, Stefan!", sagte Elena schließlich aufgebracht und ich legte eine Hand auf ihre Schulter.
"Geht schon wieder.", sagte ich auch wenn meine Stimme etwas heiser klang.
"'Sie ist gereizt. Stellt euch vor, alle Sinne eures Körpers arbeiten super schnell.'", erklärte Stefan, "'Ich meine, sie fühlt sich nicht wohl in ihrer eigenen Haut und die Probleme, die sie sonst noch hat-'"
"Gewöhnt man sich irgendwann daran?", fragte ich nach und blickte ihn zweifelnd an.
"Ja. Aber es dauert seine Zeit. Das ist bei jedem unterschiedlich.", sagte er und ich seufzte, "'Die Sache ist die, es ist hart bestimmten Menschen zu widerstehen, besonders wenn man frisch verwandelt ist. Du kannst deine Gefühle nicht auseinanderhalten. Liebe, Lust, Ärger, Verlangen verschmelzen zu einem einzigen Drang: Hunger.'" Bei diesen Worten musste ich unweigerlich an die Nacht des Gründerfestes denken, als ich mit Damon in meinem Zimmer gewesen war. Und mit einem Mal konnte ich verstehen, was dort geschehen war. Ich hatte mich geschnitten und als Damon das Blut bemerkt hatte, war das geschehen, was Stefan gerade beschrieben hatte: Sein Verlangen war zu Hunger geworden ohne dass er es gewollt hatte.
Vielleicht hatte er mich unten im Kerker tatsächlich nicht absichtlich angegriffen...
Aber sein Angriff im Wald ließ sich dadurch noch immer nicht erklären!
"'Und was bedeutet das?'", fragte Elena und holte mich damit wieder in die Realität zurück.
"'Sie darf Jeremy nicht treffen.'", sagte Stefan und ich sog scharf Luft ein.
"Aber wie sollen wir das verhindern?", fragte ich und rieb leicht über meinen Hals. Elena und ich würden wohl kaum in der Lage sein, Vicky zu stoppen, wenn sie etwas unbedingt wollte.
"Bleibt bei ihm. Sorgt dafür, dass er nicht auf Vickys Nachrichten antwortet. Geht am Besten mit ihm irgendwohin, damit sie ihn zu Hause nicht vorfindet.", erklärte Stefan, "Ich versuche in der Zeit Vicky verständlich zu machen, dass sie sich nicht mit ihm treffen kann."
Na super. Dann konnten wir nur hoffen, dass Stefan Vicky noch heute Abend überzeugt bekam, sonst konnten die nächsten Tage lustig werden.
"Okay. Dann sollten wir jetzt besser gehen.", meinte ich schließlich und sah kurz zu Elena, die leicht nachdenklich wirkte, ehe sie zu mir aufsah und leicht nickte.
Zusammen gingen wir Richtung Ausgang, während Stefan uns einfach nur hinterher sah, doch darauf achtete ich nicht wirklich.
"Ist heute nicht diese Halloween-Party an unserer Schule?", fragte Elena da plötzlich, als wir das Haus verlassen hatten und ich blickte sie verwirrt an.
"Ja. Wieso?"
"Wir könnten doch dort mit Jeremy hingehen!", schlug sie vor, "Dann wäre er nicht daheim und wir hätten auch mal etwas Ablenkung von all dem-"
"Wirbel. Klar.", unterbrach ich sie und musste an Tylers Worte von heute Nachmittag denken. Vielleicht würde es mir tatsächlich einmal ganz gut tun etwas zu feiern und die Welt zu vergessen.


***


"Also wirklich, Tyler, bei dem Kostüm hättest du auch gleich in Unterhose kommen können.", sagte ich kopfschüttelnd, als ich mit ihm aus dem Auto stieg und bereits vom Parkplatz die laute Musik hören konnte, die aus der Turnhalle der Schule drang.
Tyler grinste nur bei meinen Worten. Er hatte sich als "Krieger von Sparta" verkleidet, wie er es genannt hatte. Jedoch bestand sein Kostüm zu diesem Zweck lediglich aus einem roten Cape, offenen Sandalen und einer sehr kurzen Lederhose. Sonst trug er nichts. Ich hatte ihm bereits versprochen, dass er sich draußen den Hintern abfrieren würde, aber wer nicht hören wollte...
"Wenigstens trag ich etwas Neues.", sagte Tyler da und ich blickte ihn genervt an, "Nicht so wie du, Miss Old Fashion Vampir." Ich schüttelte leicht den Kopf.
"Ich wusste ja auch bis vor ein paar Stunden nicht, ob ich komme.", verteidigte ich mich, als wir zusammen Richtung Turnhalle liefen. Ich hatte, als ich Elenas Vorschlag mit Jeremy hierher zu gehen zugestimmt hatte, mein altes Kostüm vom letzten Jahr anziehen müssen, da sonst kein anderes vorhanden gewesen war. Und ironischerweise, war ich letztes Jahr als Vampir gegangen. Das Schicksal hasste mich anscheinend.
Jedoch war das Dracula-mäßige Kleid gar nicht mal so hässlich und diese albernen Plastik- Reißzähne hatte ich dieses Jahr auch weggelassen. Dunkles Make-Up hatte es an deren Stelle auch getan.
"Also dann, ich hole mir etwas zu trinken. Wir sehen uns später.", meinte Tyler schließlich, als wir direkt vor der Halle standen und lief geradewegs zu einem Stand, am Wegesrand.
Ich sah ihm kurz hinterher, ehe ich wieder Richtung Eingang der Halle sah und leise seufzte.
Jetzt, als ich hier stand, bekam ich doch ein schlechtes Gefühl. War das wirklich eine gute Idee gewesen?
Ich zuckte etwas zusammen, als ich spürte, wie mein Handy in meiner kleinen Handtasche vibrierte, die an meiner Schulter baumelte.
Schnell holte ich das besagte Gerät hervor, um die eingegangene SMS von Elena zu lesen.

- Wo bist du? Wir warten drinnen beim Eingang.

Erneut blickte ich zum Eingang und atmete tief durch, als ich das Handy wieder wegsteckte.
Wird schon schief gehen.
Damit lief ich durch die große Tür nach drinnen, wo ich kurz einen Moment brauchte, um mich an das bunt flackernde Licht zu gewöhnen, welches es schwer machte hier etwas zu sehen.
Ich blinzelte ein paar Mal, ehe ich Elena entdeckte, die zusammen mit Matt zwischen ein paar anderen Schülergruppen stand. Jedoch fehlte von Jeremy jede Spur. Seltsam.
"Hi.", sagte ich, als ich zu den beiden trat.
"Hey.", erwiderten sie im Chor.
"Auch gleiches Kostüm wie letztes Jahr?", fragte Matt belustigt und ich nickte, als mir auffiel, dass sowohl er als auch Elena ihre alten Horrordoktor-Outfits trugen.
"Wo hast du Jeremy gelassen?", fragte ich an Elena gewandt. Wegen ihm waren wir ja überhaupt hier.
"Er wollte nach dir suchen, glaub ich.", erwiderte die Dunkelhaarige und ich hob die Augenbrauen, "Ich hab ihm gesagt, dass du kommst und ich glaube, seit deiner Trennung mit Damon macht er sich wieder Hoffnung.", fügte sie hinzu und ich seufzte laut.
"Klasse.", fluchte ich. Als ob es beim ersten Mal nicht schon schwer genug gewesen war, Jeremy zu sagen, dass das mit uns nichts werden würde.
Auch wenn ich mich von Damon getrennt hatte und ich mir mit meinen Gefühlen für diesen Vampir unsicher war, so hatten sich meine Gefühle Jeremy gegenüber nicht verändert. Ich mochte ihn sehr, aber nicht genug, dass ich durch ihn Damon einfach vergessen könnte.
"Du und Stefans Bruder habt euch getrennt?", fragte Matt überrascht nach und ich nickte etwas, "Hat ja nicht lange gehalten." Autsch. Danke.
"Ich will nicht drüber reden.", sagte ich nur, was den Blonden verstehend nicken ließ.
"Wie geht es dir eigentlich?", wechselte Elena da das Thema und sah Matt fragend an, "Wegen der Sache mit Vicky und so weiter?"
"'Naja, wir hatten Zoff, als sie nach Hause gekommen ist.'", begann er zu erzählen und ich sah erschrocken auf, "'Ich will sie nicht bevormunden oder so, aber irgendwie will ich sie heute im Auge behalten.'" Ich fühlte mich, als hätte mir jemand in den Magen geschlagen. Sollte Vicky nicht noch bei Stefan sein?!
"'Vicky ist hier?!'", fragte Elena entsetzt und sprach damit meine Gedanken aus. Sie war hier! Wie hatte sie Stefan entwischen können?! Und wieso verdammt nochmal, hatte er uns nicht Bescheid gesagt?!
"'Ja. Kaum zu übersehen. Sie ist ein Vampir.'", antwortete Matt gelassen und mir wurde noch übler. Makabrer ging es wohl nicht mehr.
Ich tauschte einen mehr als nur beunruhigten Blick mit Elena, ehe ich kurz durchatmete.
"Wie dem auch sei. Ich geh mal schauen, wo Jeremy steckt.", sagte ich möglichst gelassen, was Matt nichtsahnend nicken ließ, während Elena sich bereits suchend umsah, ehe ich mich zügig von den beiden entfernte und suchend durch die Halle lief, was alles andere als einfach war. Man hatte sie in mehrere Bereiche eingeteilt und mit unzähligen Gängen ausgestattet, so dass es fast wie ein Labyrinth wirkte. Dies und die Tatsache, dass hier unzählige Schüler durcheinanderliefen, machte es so gut wie unmöglich den Überblick zu behalten.
Wie um Gottes Willen sollte ich Jeremy oder Vicky hier finden?
Ich wählte den erstbesten Gang, den ich sah und folgte ihm. Dabei bekam ich mehrmals Probleme weiterzukommen, weil es entweder zu voll war, jemand versuchte mir den Weg zu versperren, weil er "gruselig" sein wollte, oder ich mich von irgendwelchen Deko-Spinnweben befreien musste, die klebten wie sonst was. Schließlich kam ich nach mehreren Minuten (oder Stunden?) wieder am Eingang raus, was mich laut seufzen ließ. Das konnte doch nicht wahr sein!
"Alie!", hörte ich da einen Ruf zu meiner rechten und ich drehte mich leicht, als ich Jeremy entdeckte, der lächelnd auf mich zulief. Ich spürte wie mir ein Stein vom Herzen fiel.
"Gott sei Dank, da bist du ja.", sagte ich erleichtert und ließ sogar zu, dass er mich umarmte.
"Ich freue mich auch dich zu sehen.", erwiderte er, als er sich wieder von mir löste, als mein Blick hinter ihn fiel.
Dort entdeckte ich Stefan, der Vicky am Arm gegriffen hatte, welche alles andere als begeistert wirkte.
Er hatte sie gefunden. Gut.
"Hey, gehen wir doch die anderen suchen.", sagte ich zu Jeremy, welcher etwas irritiert nickte, als ich zurück zu der Stelle gehen wollte, wo ich Matt und Elena zuletzt gesehen hatte.
Dabei warf ich einen weiteren Blick Richtung Stefan und Vicky und mir gefror das Blut in den Adern, als ich dem Blick Letzterer begegnete, welcher uns entdeckt hatte. Etwas dunkles Bedrohliches lag in ihren Augen und ich erinnerte mich an ihre Drohung, dass sie mich umbringen würde, sollte ich mich zwischen sie und Jeremy stellen.
Ihr Blick ließ mich wie angewurzelt stehen bleiben und meine Angst wuchs, als ich sah wie Elena, gefolgt von Matt zu den beiden trat.
"Alie?", hörte ich Jeremy besorgt fragen, "Alles okay?" Ich konnte ihm nicht antworten, sondern einfach nur starr die Szene beobachten.
"'Du sollst aufhören mich zu belästigen, kapiert?!'", rief Vicky da plötzlich laut und stieß Stefan von sich, ehe sie sich neben Matt stellte, welcher natürlich sofort reagierte und sich zwischen sie und Stefan postierte.
Oh nein. Wenn Matt dabei war, konnte Stefan nicht reagieren, vor allem wenn Vicky ihn als Bedrohung darstellte.
"Komm!", sagte ich zu Jeremy und griff seine Hand, ehe ich ihn zügig durch die Schülermengen zog zu irgendeinem der unzähligen Gänge. Ich musste mit Jeremy hier weg, bevor Vicky uns folgen konnte!
"Warte doch mal! Wo willst du denn hin? Was ist los?", hörte ich ihn fragen und spürte wie er etwas langsamer wurde, doch trotzdem versuchte ich ihn weiterzuziehen, was natürlich nicht so einfach war, da er doch etwas stärker war.
"Wir müssen hier weg. Und zwar schnell, bevor-", ich hielt kurz inne, ehe ich weitersprach, "Vertrau mir einfach, okay?" Ich blickte ihn über die Schulter bittend an, was ihn nach kurzem Zögern nicken ließ, ehe er mir ohne Widerstand folgte. Ich konnte ihm nicht die Wahrheit sagen. Dafür war keine Zeit, mal abgesehen davon, dass er mich für komplett durchgeknallt halten würde.
Eine Ewigkeit, so kam es mir vor, irrten wir nun durch die Gänge, ohne einen Ausgang zu finden, was mich immer panischer werden ließ.
Vicky suchte bestimmt schon längst nach uns und Stefan konnte uns kaum helfen, da er zum einen nicht wusste, wo wir waren und zum anderen mit Matt zu tun hatte und zu schwach war, um ihn oder andere mögliche Zeugen zu manipulieren. Und ohne seine Handynummer konnte ich ihn sowieso nicht herholen, falls Vicky uns finden würde.
Ich konnte maximal Elena anrufen, doch sie war auch nur ein normales Mädchen wie ich. Wir hatten nicht ansatzweise die Kraft Vicky aufzuhalten.
Nein, Jeremy und ich waren auf uns allein gestellt.
In diesem Moment entdeckte ich plötzlich eine kleine Seitentür an der äußeren Wand der Halle und Hoffnung keimte in mir auf. Vielleicht ging es dort raus!
Schnell zog ich Jeremy zu jener Tür und zu meiner unendlichen Erleichterung führte sie tatsächlich nach draußen. Zu zweit traten wir an die kühle Luft, ehe ich die Tür mit einem Knall wieder zuschlug und hörbar ausatmete. Hier sollten wir sicher sein fürs Erste.
"Erzählst du mir jetzt endlich, was los ist?", fragte Jeremy und ich drehte mich zu ihm.
"Das ist... kompliziert.", sagte ich zögerlich und fuhr mir unruhig durchs Haar. Was sollte ich ihm denn jetzt sagen?
Ich sah wie Jeremy den Mund öffnete, um zu antworten, als plötzlich die Tür hinter mir erneut knallte, was mich erschrocken herumfahren ließ.
Jedoch konnte ich niemanden sehen und auch die Tür sah unverändert aus.
"Was war das?", fragte Jeremy nun angespannt und ich trat etwas näher zu ihm.
"Ich weiß es nicht.", sagte ich leise, was aber teilweise gelogen war. Ich hatte eine ziemlich genaue Ahnung, was das war.
Suchend ließ ich meinen Blick von der Tür über die vielen gelben Schulbusse gleiten, die auf dem riesigen Parkplatz standen und gespenstische dunkle Schatten warfen, und dann über die Holzbalken, die säuberlich gestapelt an der Mauer der Turnhalle lagen.
Vicky war hier.
Sie hatte uns gefunden, da war ich mir relativ sicher.
Doch wie sollte ich mich gegen sie wehren ohne Hilfe?
Da kam mir mit einem Schlag jemand in den Sinn. Jemand der stark genug war, Vicky aufzuhalten und jeden möglichen Zeugen alles Gesehene vergessen zu lassen.
Schnell griff ich in meine Handtasche, um mein Handy hervorzukramen, ehe ich es entsperrte und schnell die Nummer eintippte, die ich Gott sei Dank auswendig konnte. Doch ehe ich auf den grünen bestätigenden Hörer tippen konnte, sah ich plötzlich eine Bewegung im Seitenblick und ehe ich aufschauen konnte, wurde ich grob an der Kehle gepackt und wie schon einmal heute leicht hochgehoben.
"Alie!", hörte ich Jeremy erschrocken rufen, während ich entsetzt in Vickys blutrote Augen starrte.
"Ich habe dich gewarnt, Miststück!", zischte sie leise, als ich verzweifelt versuchte mich aus ihrem Griff zu befreien. Doch ich hätte sie genauso gut streicheln können, so wirkungslos waren meine Versuche.
"Vicky! Was soll das?! Lass sie los!", rief Jeremy aus und versuchte dazwischenzugehen, doch Vicky hielt ihn ohne Mühe mit einer Hand fest, so dass es ihm unmöglich war. Ihr Griff um meinen Hals wurde fester und ich rang erstickt nach Luft, was sie aber nur grinsen ließ.
Da schmiss sie mich mit unmenschlicher Kraft quer über den Platz direkt in einen Stapel Holzbalken hinein. Ich hätte wahrscheinlich geschrien, wenn sie mir zuvor nicht die Luft abgedrückt hätte, doch so entwich mir nur ein erstickter Laut, als ich auf dem Holz aufkam und unendliche Schmerzen durch meinen Körper schossen. Das Holz gab unter der enormen Wucht nach und zerbrach in tausende Splitter, ehe es zur Ruhe kam und ich einfach nur still da lag.
Ich lebte noch...
"ALIE!", hörte ich Jeremys leicht echohaften Schrei und mein Blickfeld begann zu verschwimmen, als ich versuchte mich zu bewegen. Jedoch schossen bei dem Versuch erneut Schmerzen durch meinen Körper und ich merkte, dass sie im Bauch am schlimmsten waren.
Ich atmete zitternd tief ein und aus, als ich drohte ohnmächtig zu werden und tastete, ohne richtig etwas zu sehen, meinen Bauch ab, als meine Hände auf etwas spitzes Hölzernes stießen, das aus meinem Unterbauch ragte.
Schreckliche Angst stieg in mir hoch und schnell blinzelte ich ein paar Mal, worauf sich mein Blick wieder etwas klärte. Panisch sah ich mich nun um.
Ich konnte Jeremy und Vicky nirgends mehr entdecken, was darauf schließen ließ, dass sie ihn wohl weggezerrt haben musste. Ich musste ihnen folgen! Doch wie?
Mit wachsender Angst sah ich nun langsam an meinem Körper herunter, der zerkratzt mit unzähligen offenen Wunden in den Holzsplittern lag. Mein Blick blieb an dem blutigen Holzstück hängen, welches in meinem Bauch steckte und ich wimmerte.
War es das? Würde ich hier und jetzt sterben?
Ich spürte wie die Bewusstlosigkeit erneut nach mir griff, doch ich wehrte mich dagegen.
Ich wollte nicht sterben!
Verzweifelt blickte ich mich um. Wo war mein Handy? Vielleicht konnte ich Hilfe holen!
Da entdeckte ich meine Handtasche, die ein paar Meter von mir entfernt auf dem Asphalt lag.
Wenn ich zu ihr gelangen könnte...
Vorsichtig versuchte ich mich aufzusetzen, was mich erneut wimmern ließ, als glühende Schmerzen durch meinen Bauch schossen und ich spürte, wie mir Tränen in die Augen stiegen.
Nein, mit diesem Splitter konnte ich mich nicht bewegen. Ich saß hier fest.
Da fiel mir etwas ein. Ich hatte das Handy doch in der Hand gehabt, als Vicky mich angegriffen hatte, oder? Und ich hatte es auch nicht losgelassen, bis sie mich weggeschleudert hatte...
Dann musste es hier in meiner Nähe sein. Wo war es?
Mit wachsender Schwäche suchte ich erneut meine Umgebung ab, als ich es schließlich entdeckte.
Das Handy lag ein Stück weiter neben mir auf einem der Holzbalken mit einem großen Riss im Display. Doch abgesehen davon, schien es noch in Takt, da es noch immer entsperrt war und die von mir eben gewählte Nummer anzeigte.
Ich biss die Zähne zusammen und streckte trotz der aufkommenden Schmerzen die Hand danach aus, die vor Anstrengung und Schwäche mehr als nur zitterte. Ich erwischte es schließlich mit den Fingerspitzen, ehe ich es komplett gegriffen bekam und mit letzter Kraft auf den grünen Hörer drückte und es mir ans Ohr hielt, während nun schwarze Punkte in mein Blickfeld traten, die rasch größer wurden.
Ich spürte wie ich unendlich müde wurde und schaffte es nur noch mit äußerster Willenskraft wach zu bleiben, während ich entfernt das regelmäßige Tuten hörte, obwohl das Handy direkt an meinem Ohr war.
Bitte, nimm ab. Bitte, nimm ab.
"Du scheinst deine eigenen Worte wohl nicht besonders ernst zu nehmen, Zoey.", ging er da schließlich ran und hätte ich genug Luft gehabt, hätte ich wohl erleichtert ausgeatmet.
"Damon, bitte...", murmelte ich und meine Stimme war kaum mehr als ein Flüstern, "Bitte, hilf mir." Ich war mir nicht sicher, ob er mich überhaupt hören konnte, so leise wie ich sprach, doch hatte ich keine Kraft mehr irgendwie lauter zu werden.
"Wo bist du?", fragte er da und mit einem Mal war jede Kälte und jede Unnahbarkeit aus seiner Stimme verschwunden. Er hatte mich gehört!
"Turnhalle.", antwortete ich kaum hörbar und schloss leicht die Augen, "Bus... parkplatz."
"Ich bin sofort da. Bleib wach, hörst du?", erwiderte er, was mich trotz der Schmerzen ein wenig lächeln ließ, ehe das Handy aus meiner Hand glitt und ich fast endgültig das Bewusstsein verlor. Doch noch kämpfte ich dagegen.
Ich glitt in eine Art Dämmerzustand und hatte keine Ahnung wie viel Zeit verging, ehe ich plötzlich entfernt Schritte hörte, die langsam lauter wurden.
Mit aller Kraft versuchte ich meine Augen wieder zu öffnen und konnte durch einen kleinen Schlitz verschwommen eine Gestalt sehen, die sich rasch auf mich zu bewegte.
Da hörte ich eine Stimme und auch wenn ich nicht verstehen konnte, was sie sagte, erkannte ich sie.
"Damon.", wollte ich sagen, doch da kein Ton meiner Kehle entweichen wollte, formte ich seinen Namen nur stumm mit den Lippen.
Ich spürte, wie er vorsichtig unter meinen Körper griff und mich sanft hochhob, was meinen Körper vor Schmerz erbeben, aber auch ein paar Lebensgeister in mir wieder erwachen ließ und die Dunkelheit etwas zurückdrängte.
Ich stöhnte schmerzerfüllt und schaffte es nun doch die Augen etwas zu öffnen. Ich erkannte Damon direkt über mir, der mich fest im Arm hielt und besorgt meinen Bauch beäugte.
"Damon...", hauchte ich erneut und diesmal gehorchten mir meine Stimmenbänder, wenn auch nur sehr schwach und zittrig.
Da blickte mich der Schwarzhaarige direkt an, ehe er mir beruhigend das Haar aus dem Gesicht strich.
"Scht. Keine Sorge.", murmelte er leise, ehe er mich auf dem kalten Asphalt ablegte und mit einer Hand um den Holzsplitter griff, "Das wird jetzt weh tun." Fragend blickte er mich an und ich nickte unsicher auf seine stumme Frage hin, als er mit einem Ruck das Holz herauszog, was mich heiser aufschreien ließ.
Der Schmerz glühte nun unerträglich in meinem Bauch und mir traten erneut Tränen in die Augen, als Damon sich über mich beugte und mir sein Handgelenk hinhielt, an dem eine rote Flüssigkeit klebte.
"Trink das. Dann wird es besser.", sagte er ruhig und ich blickte ihn ängstlich an. Was war das?
"Vertrau mir.", fügte er sanft hinzu, was mich etwas beruhigte, ehe ich zuließ, dass er sein Handgelenk auf meinen Mund presste. Ich spürte wie die metallisch schmeckende Flüssigkeit in meinem Mund lief und schluckte sie mit Mühe herunter, als keinen Moment später der schreckliche Schmerz endlich nachließ und ich erschöpft in eine angenehme Ohnmacht fiel.


***


Ich erwachte, als ich ein leises Knarren neben mir hörte. Es war angenehm warm um mich herum und ich lag auf einer weichen Unterlage. Wo war ich?
"Alie?", fragte jemand und blinzelnd schlug ich die Augen auf. Ich musste einige Male blinzeln, doch schließlich klärte sich mein Blick und ich konnte meine Umgebung erkennen.
Ich war in Elenas Schlafzimmer. Wie kam ich denn hier her?
"Alie! Gott sei Dank, du bist wach!" Mein Blick schnellte zur Seite zu Elena, die neben mir am Bett saß und mich besorgt musterte.
"Elena... Was ist passiert?", fragte ich leise und richtete mich etwas auf.
"Vicky ist komplett durchgedreht.", sagte die Dunkelhaarige kopfschüttelnd, "Sie wollte mit Jeremy verschwinden, doch wir haben sie noch rechtzeitig gefunden."
"Wo ist sie jetzt?", fragte ich angespannt und spürte wie Angst in mir hochstieg, als ich die Erinnerungen vom Parkplatz in mir hochstiegen.
"Sie ist...", Elena hielt kurz inne, "Ich wollte sie aufhalten, als sie Jeremy in ihrer Gewalt hatte und dann hat sie mich angegriffen.", sie fuhr sich kurz am Hals entlang und ich konnte die große Bisswunde dort erkennen, "Stefan hat sie getötet, bevor sie mit ernsthaft etwas tun konnte." Ich atmete unendlich erleichtert auf. Sie war tot! Sie konnte uns nichts mehr tun.
"Aber wie geht es dir?", fragte Elena nun besorgt, "Damon hat gesagt, sie hätte auch dich angegriffen." Ich horchte auf.
"Du hast mit Damon gesprochen?", fragte ich nach und sie nickte.
"Er hat dich hergebracht, kurz nachdem ich mit Jeremy hier angekommen war. Glücklicherweise schienst du keine ernsthaften Verletzungen zu haben." Erleichtert lächelte sie mich an, während ich etwas verwirrt über meinen Unterbauch strich. Doch konnte ich nur weiche glatte Haut ertasten. Keine Spur einer Wunde. Was zum Teufel hatte mir Damon gegeben? Ein Wunderheilmittel?
"Alie?", fragte Elena besorgt nach, was mich schnell nicken ließ.
"Ja, mir geht’s gut. Gott sei Dank.", sagte ich nur, als mir noch etwas anderes einfiel, "Was ist eigentlich mit Jeremy?" Wenn ich bedachte, was er heute Abend alles gesehen hatte, musste er doch bestimmt mehr als nur fertig sein.
Elena blickte bei meinen Worten etwas schuldbewusst zu Boden. Ich kannte diesen Blick genau und setzte mich noch mehr auf.
"Was hast du gemacht?", fragte ich ernst und sie blickte wieder zu mir auf.
"Ich... Ich hab Damon gebeten ihn den Abend komplett vergessen zu lassen.", gestand sie und ich setzte erschrocken zum Widerspruch an, doch sie redete schon weiter, "Du hättest ihn vorhin sehen sollen, Alie! Er war komplett außer sich. Er dachte du wärst tot und Vicky hat er auch sterben sehen. Ich wollte einfach nicht, dass er in all das mit hineingerät und womöglich noch öfter in Gefahr kommen würde!", erklärte sie und ich blickte sie nachdenklich an.
Irgendwie hatte sie ja recht. Auch ich wollte nicht, dass Jeremy zwischen die Fronten geriet und von dieser ganzen Vampirsache wusste. Vielleicht war es tatsächlich besser, wenn er vergaß, was geschehen war.
"Und Damon hat ihn einfach so für dich manipuliert?", fragte ich schließlich und Elena zuckte leicht mit den Schultern.
"Ich hatte erst Stefan darum gebeten, doch er meinte, dass er dafür nicht stark genug wäre, also hat es Damon angeboten." Ich nickte langsam, auch wenn ich es nicht verstand.
Ich wurde aus Damon einfach nicht schlau. Ich war mir so sicher gewesen, dass er mir etwas vorgespielt hatte und in Wirklichkeit nur ein gefühlskalter Mörder war. Doch dann war er mir einfach so, ohne zu zögern zu Hilfe gekommen. Er hatte mir das Leben gerettet!
Und dann erfüllt er auch noch Elenas Wunsch, Jeremy zu manipulieren? Worauf war er aus? War das wieder ein Spiel oder war doch etwas Menschliches in ihm?
"Wie auch immer. Ich werde nochmal nach Jeremy sehen. Kommst du klar?", fragend sah Elena mich an.
"Ja, ist okay. Geh ruhig.", antwortete ich abwesend, was sie aufstehen und zur Tür gehen ließ.
"Wir müssen uns etwas einfallen lassen, was wir den anderen sagen können.", sagte sie noch, bevor sie hinausging und sah mich über die Schulter an, "Einen Grund, wieso Vicky niemals gefunden werden wird." Ich nickte leicht, als sich mein Gewissen meldete.
Tyler würde Vicky nie wiedersehen können und nie erfahren, was mit ihr geschehen war.
Das war jedoch immer noch besser, als wenn sie ihn, Jeremy oder sonst wen verletzt oder gar umgebracht hätte. Nein, da war mir diese Variante tausend Mal lieber.
Elena erwiderte mein Nicken, ehe sie den Raum endgültig verließ und die Tür schloss.
Leicht seufzend ließ ich mich in mein Kissen zurückfallen, ehe ich nochmals meinen Körper abtastete. Nicht eine Verletzung war zu sehen oder zu spüren.
Ich zuckte etwas zusammen, als es plötzlich an der Tür klopfte. Wer konnte das denn sein?
Jeremy? Oder Jenna?
"Ja?", fragte ich unsicher, als sich die Tür darauf öffnete und jemand ins Zimmer trat, "Damon!", murmelte ich überrascht, als ich ihn erkannte und konnte einen erfreuten Unterton in meiner Stimme nicht unterdrücken.
"Hey.", sagte der Schwarzhaarige und blickte mich teils besorgt teils prüfend an, "Ich wollte nur mal nach dir sehen. Ob alles in Ordnung ist." Etwas unsicher stand er in der Tür und ich musste etwas lächeln.
"Klar. Komm rein.", sagte ich, was ihn die Tür hinter sich schließen ließ, ehe er etwas ans Bett herantrat.
Kurz herrschte bedrückendes Schweigen zwischen uns, ehe Damon sich etwas räusperte und mich direkt ansah.
"Also, wie geht es dir?", fragte er.
"Gut.", antwortete ich und blickte etwas skeptisch an mir herunter, "Zu gut, um ehrlich zu sein. All meine Wunden sind verschwunden. Was hast du mir gegeben?"
Damon schien kurz zu zögern, ehe er mir antwortete.
"Mein Blut.", sagte er schließlich und ich blickte ihn erschrocken an, "Vampirblut heilt selbst de schlimmsten Verletzungen bei Menschen.", erklärte er daraufhin, was mich immer noch etwas erschrocken nicken ließ. Diese Information war neu.
"Und... macht mich das jetzt auch zum Vampir?", fragte ich nun etwas ängstlich, was Damon kurz schmunzeln ließ.
"Nein.", erwiderte er beruhigend und ich atmete erleichtert aus, "Nur wenn du mit meinem Blut im Organismus stirbst. Also solltest du es in den nächsten Tagen vermeiden dich mit durchgedrehten Vampiren anzulegen." Das brachte mich tatsächlich etwas zum Lachen und auch Damon lächelte minimal, ehe wir beide wieder ernst wurden.
"Ich wollte dir danken.", sagte ich schließlich nach kurzer Stille, "Für das, was du heute getan hast."
"Nein.", erwiderte Damon sofort und schüttelte den Kopf, während er sich neben mir am Bettrand sinken ließ.
"Doch. Du hast mich heute da draußen gerettet, obwohl ich dich so von mir gestoßen habe. Ich danke dir wir-"
"Nein!", unterbrach mich Damon da und legte eine Hand auf meine, ehe er mir direkt in die Augen sah, "Du bist mir weder Dankbarkeit noch irgendetwas anderes schuldig! Denn nur wegen mir warst du heute in Gefahr. Ich habe Vicky zum Vampir gemacht. Ich habe zugelassen, dass sie frei herumläuft und dich somit verletzen konnte. Also bitte bedanke dich nicht bei mir." Ich runzelte bei seinen Worten die Stirn und sah ihn nachdenklich an. Man sah ihm die Reue deutlich an und noch mehr als je zuvor sah ich in ihm den guten Kerl und nicht mehr das Monster, für das ich ihn gehalten hatte und als das Stefan ihn dargestellt hatte. Wie konnte das sein? War meine Menschenkenntnis wirklich so schlecht?
"Ich habe dir trotzdem Unrecht getan.", sagte ich schließlich, "Ich habe Stefan einfach geglaubt und dir nie die Chance gegeben dich zu erklären.", Damon blickte mich bei meinen Worten nur schweigend an, "Ich will die Geschichte auch aus deiner Sicht hören. Und ich will alles wissen. Keine Geheimnisse mehr. Keine Lügen." Ich sah wie daraufhin ein überraschter Ausdruck auf sein Gesicht trat, ehe er etwas lächelte und nickte.
"Ich werde dir alles sagen, was du wissen willst.", stimmte er zu und ich nickte leicht, ehe ich sein Lächeln vorsichtig erwiderte.
Wir wurden aufgeschreckt, als plötzlich die Tür aufging und Elena ins Zimmer trat, die sogleich die Augen verengte als sie Damon sah.
"Was tust du denn hier? Du solltest dich doch nur um Jeremy kümmern-", fing sie verärgert an, doch ich unterbrach sie.
"Ist schon gut, Elena. Es ist alles okay.", sagte ich ruhig, während Damon sich langsam vom Bett erhob.
"Das ist mir egal. Ich will ihn nicht in meinem Zimmer haben.", erwiderte die Dunkelhaarige noch immer verärgert, während Damon sie nur kurz provokant angrinste. Da war es wieder.
Elena gegenüber zeigte Damon sich noch immer als Monster, was ihre Reaktion durchaus verständlich machte, doch wieso war er dann mir gegenüber so menschlich?
Elena trat einen Schritt zur Seite und wies mit einer Hand durch die offene Tür in den Flur, während sie Damon auffordernd ansah. Dieser sah jedoch nur mit ausdrucksloser Miene zu mir, dennoch erkannte ich die Frage in seinen Augen, was mich innerlich seufzen ließ. Ich hätte gerne das Gespräch mit ihm weitergeführt, doch das hier war nun mal Elenas Haus und damit auch ihre Regeln.
"Du solltest jetzt gehen. Wir reden morgen weiter.", sagte ich und blickte ihn bittend an. Er nickte kaum merklich, ehe er, ohne Elena eines Blickes zu würdigen, an ihr vorbei nach draußen ging.
Meine beste Freundin ließ die Tür hörbar ins Schloss fallen und blickte mich prüfend an, was mich hörbar ausatmen ließ.
Wie zum Teufel sollte ich ihr jetzt diese Situation erklären?