******************** Erwin in Czernowitz von Klatschkopie ******************** ++++++++++++++++++++ Kurzbeschreibung ++++++++++++++++++++ Im Jahre 1918 hatte Erwin Schrödinger seinen Ruf nach Czernowitz schon sicher, doch dann kam das Kriegsende - und mit ihm änderte sich alles. Für Schrödinger hätte es nicht besser kommen können, denn so konzentrierte er sich wieder mehr auf die Theoretische Physik, die ihm letztlich den Nobelpreis einbrachte. Ich indes habe mir die Frage gestellt, ob es mir nicht gelingen könnte, einen Schrödinger in Czernowitz zu skizzieren. Hier ein Ausschnitt aus meiner Story. ++++++++++++++++++++ Autorennotiz ++++++++++++++++++++ Nach langer Abstinenz habe ich mich wieder ans Schreiben gewagt. Die KI hat mit diesmal nur bei Recherchen geholfen, den Rest habe ich verzapft. Ich betrachte dieses Fragment als Fingerübung. Ich war 15, fast 16, als ich Erwin zum ersten Mal begegnete. Es war im Garten meiner Eltern. Mein Vater hatte ihn eingeladen. Er war frisch aus Wien zu uns gekommen und sollte ab dem kommenden Herbst neben meinem Vater Theoretische Physik an der Universität unterrichten. Er kenne doch hier noch niemanden und da sollten wir ihm doch helfen, hatte uns mein Vater gesagt. Meine Mutter – sehr verhalten, meist schüchtern wirkend und Neuem durchaus nicht zugetan –, hatte dieser Einladung nur widerwillig zugestimmt. „Aus Wien kommt er?“, hatte sie naserümpfend gefragt. „Na ja, da weiß man ja …“ Dazu hatte sie sich an den Rock gefasst und ihn leicht gelüftet. „Was weiß man?“, unterbrach sie Emil, mein kleiner Bruder. Meine Mutter erwiderte nichts, winkte nur ab. „Papa, was weiß man?“, wandte sich Emil hierauf an meinen Vater. Er war ein wissbegieriger Junge von 12 Jahren und wollte immer schon alles durchdringen. „Deine Mutter meint, dass …“, setzte mein Vater an, kratzte sich am Kopf und sah kurz zu ihr hinüber. „Sie meint, dass man in Wien das Leben liebt.“ „Und was ist daran verkehrt?“, wollte Emil wissen. „Nichts, das ist es ja“, erwiderte mein Vater, die Brauen hochziehend. „Pah“, brummte meine Mutter übellaunig. „Und wenn gerade keiner zuhört, dann liebt man auch den Nächsten.“ Ich musste lachen, weil ich zu verstehen meinte. Und gerade das steigerte meine Neugier auf den fremden Gast ins Unermessliche. Ich spürte mein Herz schneller schlagen, meine Hände wurden feucht. Wann verirrte sich schon einmal ein Wiener in unsere Stadt?   Erwin war Anfang 30, schlank, fast knöchern und für einen Mann nicht unbedingt groß. Groß war an ihm nur seine Nase. Sie stach gebogen aus seinem schmalen Gesicht hervor. Auf ihr saß eine runde Brille, die seine Augen betonte und den Anschein des westlichen Gelehrten unterstrich. Dem aber widersprachen seine wild vom Kopf abstehenden Haare. Er bemerkte meinen Blick, hob eine Augenbraue. Ich tat es ihm gleich und verstieg mich zu der Frage: „Trägt man das so in Wien?“ „Wie?“ Er legte den Kopf leichte schrägt. „Das Haar“, platzte es aus mir heraus. Ich blies die Wangen auf, begann zu schielen und griff mir an den Kopf. „Marie!“, schalt mich meine Mutter und auch mein Vater räusperte sich vernehmlich. „Sie müssen verzeihen. Sie ist …“ „Nein, nein“, unterbrach ihn Erwin in leisem, fast sachtem Tonfall, der den breiten Wiener Dialekt kaum verbergen konnte. „Das ist schon eine berechtigte Frage. Zumal sie mir von einer so reizenden jungen Dame gestellt wird, die auf ihrer Wange als Zierde einen kecken Flecken trägt.“ Er lächelte mich liebenswürdig an, doch in seinem Blick erkannte ich etwas, das ich erst später zu deuten wusste. In dem Moment durchzuckte es mich nur und ich errötete. Beschämt senkte ich den Blick und griff mir an die Wange. Er war zum Kaffeetrinken gekommen. Es hatte Buchteln mit Powidl, Kipferl und Buttergebäck gegeben. Und Dobostorte, die ich so sehr mochte. Gottlob war ich bereits fertig, denn ich hätte keinen Bissen mehr hinuntergebracht. Meine Mutter versuchte die Situation zu retten, indem sie die feine Hausdame spielte. „Wie schön, dass Sie unserer Einladung gefolgt sind“, sagte sie und neigte sich zu Erwin hinüber. Sein Blick ruhte noch immer auf mir. Ich sah nicht auf, spürte es nur. „Herr Professor Schrödinger“, kam’s wieder von meiner Mutter. „Darf ich Ihnen noch etwas von der Torte anbieten?“ Dazu lachte sie freundlich. Nur, wer sie kannte, hörte das leise Keckern heraus. Es zeugte davon, dass sie sich verstellte. Obwohl ich ihre Art abstoßend fand, kam ich doch nicht umhin, sie gleichzeitig dafür zu bewundern. Späterhin zog sie sich zurück und die beiden Männer nahmen im Schatten unserer alten Linde Platz. Zwischen ihnen ein kleines, weißes Gartentischchen, das mein Vater selbst gedrechselt hatte. Auf ihm stand eine Karaffe mit einer alkoholisierten Limonade. Erwin, so sah ich, hatte die Beine übereinandergeschlagen, mein Vater streckte seine aus. Beide hielten ein Glas in der Hand, stießen an – ich hörte das leise Klirren. „Nochmals vielen Dank für die Einladung.“ Es war ein schwülarmer Tag, aber nicht so stechend heiß wie an den vorangegangenen. Dennoch war es klüger, sich im Schatten aufzuhalten. Ich holte tief Luft und atmete die süße Frische der Linde. Das gleichmäße Summen der Hummeln und Bienen umgab mich, ehe ich den Schläger hob, den Ball in die Luft warf und nach ihm schlug. Mein Bruder und ich spielten Federball. „Schon gut“, erwiderte mein Vater. „Sagen Sie mir lieber: Was gibt es Neues in Wien?“ Ich sprang nach dem Ball, den mir Emil zurückschoss. Sehr hoch, sehr weit. Ich spurtete ihm nach, direkt auf meinen Vater und Erwin zu, reckte mich, den Arm mit dem Schläger hochreißend. Ich verfehlte ihn, geriet ins Taumeln und wäre wohl gefallen, hätte mich Erwin nicht am Arm gepackt. „Hopple“, sagte er und für einen Moment lang sahen wir uns in die Augen. Er lächelnd, ich erschrocken, ein „Danke“ hervorbringend. Mein Herz erhöhte seinen Schlag, mehr noch, als ich sah und spürte, wie er mir mit dem Daumen kurz übers Handgelenk strich. Schon hörte ich wieder meinen Vater: „Man vernimmt ja aus Wien nichts Gutes.“ „Wenn Sie die Physik meinen, mein lieber Birnbaum …“ Erwin gab meinen Arm frei und fuhr, an meinen Vater gewandt fort: „In Wien scheinen die Theorien selbst schon in die Luft zu fliegen – nicht alle landen heil.“ „Ja, der Krieg“, räsonierte mein Vater. „Noch haben wir ein Kaiserreich, aber es spricht schon mit fremdem Akzent.“ Der Ball war hinter die Gartenstühle gefallen. Mit zitternden Knien hob ich ihn auf und verschwand rasch zu meinem Bruder. ******************** Am 14.7.2025 um 22:51 von Klatschkopie auf StoryHub veröffentlicht (https://storyhub.de/?s=6MRkF) ********************