******************** Mizu no Oto - Klang des Wassers von Elenyafinwe ******************** ++++++++++++++++++++ Kurzbeschreibung ++++++++++++++++++++ »Das ist wie ein Genjutsu, nicht wahr?«, sagte Tōka leise. »Oder eher wie ein umgekehrtes Genjutsu, wenn du verstehst. Wir müssen es den Leuten überdeutlich unter die Nase reiben, wer wir sind, bis sie es endlich einmal begreifen.« // Tobirama erfindet transition und beendet damit den Krieg. Transmasc und transfem solidary zwischen Tobirama und Toka. [TobiIzu gegen Ende] ++++++++++++++++++++ Autorennotiz ++++++++++++++++++++ Der Titel des Textes 水の音 (mizu no oto) stammt aus einem der berühmtesten haiku und wurde von Bashō Matsuo verfasst. CN Für den ganzen Text: Transfeindlichkeit, Misgendering, transfeindliche Rethorik und implizierte transfeindliche slurs, sowie canon typische Gewalt und der canon Tod von Kindern (sorry Kawarama und Itama :c) -------------------- 1. Kapitel: Kapitel 1 -------------------- CN Misgendern, KindersoldatenTobiramas Platz war im Schatten, abseits des Geschehens. Sein Platz war an der Seite seiner Mutter, die ihm alles beibringen sollte, was eine Frau wissen musste, um einen Haushalt zu führen. Er sollte ein Geist sein, unsichtbar, lautlos und keinen Platz einnehmend. Das war es jedenfalls, was alle ihm sagten. Das war jedoch nicht Tobiramas Platz. Er wusste, dass er an der Seite seiner Brüder stehen sollte, Seite an Seite mit ihnen kämpfen sollte. Die Senju konnten jede Klinge gebrauchen, die sie kriegen konnte. Tobirama hatte von Frauen gehört, die bei den Uchiha mitkämpften. Warum verweigerte sein Vater ihm es dann, wenn er doch noch nicht einmal ein Mädchen war? Ihm blieb allein, mit seiner Mutter am Rande des Trainingsfeldes zu sitzen und zuzusehen, wie Butsuma seine Brüder schindete. Itama, der jüngste, konnte kaum mithalten, er war beinahe noch zu jung. Doch er konnte eine Waffe halten, und das war alles, was in Butsumas Augen zählte. Er spürte, wie seine Mutter ihn musterte. Er presste die Lippen zusammen. »Hm, lass mich raten«, sinnierte Sakura. »Dieser Blick bedeutet, dass du nicht darüber reden willst, obwohl dir eine ganze Menge Gedanken durch den Kopf gehen. Aber vielleicht kann ich für dich reden.« Sie sah ihn fragend an. Er presste die Lippen nicht mehr ganz so fest zusammen. Sie nahm es als Zustimmung. »Du willst bei deinen Brüdern sein«, sagte sie, »und mit ihnen kämpfen. Das ist nicht allzu schwer zu erraten, du denkst dieser Tage an kaum etwas anderes. Ich sehe deine Blicke, wenn du an den Waffenlagern vorbei schleichst. Du überlegst, wie du dir eine Waffe stibitzen kannst. Nein, warte. Du hast es schon.« Ertappt blickte Tobirama zu Boden. Sakura lachte sanft. »Kein Grund, dich dafür zu schämen. So kenne ich doch meinen Jungen. Nichts anderes habe ich von dir erwartet. Sag mir, was hast du schon gelernt?« »Nicht viel«, sagte Tobirama leise. »Ich darf ja nicht trainieren.« »Dann schau gut hin«, wies Sakura ihn an. »Schon allein auf diese Weise kannst du einiges mitnehmen. Mach das beste aus dem, was dein Vater dir erlaubt.« Es war tatsächlich ein Zugeständnis, dass Tobirama und Sakura hier sein durften. Frauen, so sagte Butsuma, hatten hier nichts zu suchen. Andererseits erlaubte er auch Base Tōka, mit den Männern zu trainieren, obwohl sie eine Frau war. Butsuma sah das natürlich anders, er wusste immer alles besser, auch über andere Personen und wer sie waren. Tōka solle sich nicht mit weibischem Firlefanz abgeben und sich auf »sein« Training konzentrieren, so Butsumas Worte. Die Welt war ein sonderbarer Ort, wenn sie Menschen in so kleine Boxen quetschte und dann erwartete, dass diese Menschen darin blieben, obwohl es ihnen da nicht gefiel. Die Welt war ein sonderbarer Ort, wenn sie es Menschen erlaubte, andere Menschen gegen ihren Willen in Boxen zu packen, in die sie nicht passten. Butsuma hatte schlechte Laune. Nun, das hatte er eigentlich immer, aber heute hatte er es ganz besonders auf Hashirama abgesehen. Hashirama war so stark, stärker noch als manch ein Erwachsener, und doch konnte auch er kaum mit ihrem Vater mithalten, wenn er in dieser Stimmung war. Tobirama sah, wie er sich schützend vor Itama stellte, um das schlimmste abzufangen. War das väterliche Liebe? Als hätte sie seine Gedanken gehört, lehnte sich Sakura zu ihm herüber. »Euer Vater sorgt sich wirklich sehr um euch, glaub mir. Deswegen will er, dass ihr so stark werdet.« »Aber dann würde er mir erlauben, mit meinen Brüdern zu trainieren.« Es ging einfach nicht in Tobiramas Kopf. Das alles war so unlogisch. »Tōka lässt er doch auch.« »Mit Tōka ist es … nun ja, es ist eben anders.« Sakura suchte nach den passenden Worten, fand aber einfach keine. »Das ergibt keinen Sinn.« »Aber so ist das nun mal.« Er runzelte die Stirn. Sakura lächelte milde und strich ihm über die Wange. »Du bist noch jung, du darfst dir selbst erlauben, manchmal auch einfach nur ein Kind zu sein.« Junge. Mädchen. Kind. Kategorien, die ihn bestimmten, die vorschrieben, wer er zu sein hatte. Mensch. Frei. Einfach nur er. Tobirama. Butsuma schlug Hashirama das Holzschwert aus der Hand und verpasste ihm einen derben Stoß in die Flanke. Der blaue Fleck wäre schon am Abend abgeheilt und der Schmerz vergangen. Der Schmerz in der Seele würde bleiben.   »Psst. Nii-san.« Mehr brauchte Tobirama nicht, um munter zu werden. Er hatte sich einen leichten Schlaf angewöhnt. Shinobi durften nicht schlafen wie die Toten, oder sie würden bald bei den Toten liegen. Er schlug die Augen auf. Kawarama beugte sich über ihn. Sein hellbraunes Haar schien im Mondschein, das durch das Fenster herein fiel. Er nannte Tobirama nur deswegen seinen älteren Bruder, weil Tobirama wenige Minuten vor ihm geboren worden war. »Was gibt’s?«, wisperte Tobirama, aber das musste er eigentlich gar nicht. Auch Hashirama und Itama knieten an seinem futon und sahen ihn erwartungsvoll an. Was hatten sie ausgeheckt? »Wir wissen, wo du das geklaute Katana versteckt hast«, sagte Kawarama mit einem Grinsen. »Aber keine Angst, wir sagen’s nicht Butsuma«, piepste Itama sogleich. »Hol’s raus!», drängte Hashirama ihn enthusiastisch. Tobirama sah seine Brüder fragend an. »Was habt ihr vor?« Hashiramas Antwort bestand lediglich in einem breiter werdenden Grinsen. Immer noch etwas irritiert vom Verhalten seiner Brüder rollte Tobirama sein futon zurück und dann die tatami darunter. Er griff in die kleine Kuhle darunter und holte sein Diebesgut hervor. Eigentlich war es nicht einmal ein Katana, sondern ein Wakizashi, aber für seine Größe war es so gut wie ein Katana. »Und jetzt gehen wir trainieren!«, verkündete Hashirama stolz. Tobirama starrte ihn sprachlos an. »Aber …« »Butsuma?« Hashirama winkte ab. »Der merkt das schon nicht.« »Der kann uns den Buckel runterrutschen«, verkündete Itama stolz. Wo hatte er denn das aufgeschnappt? »Mach schon!«, drängte Kawarama. »Ich hab keine Lust mehr, dich sauertöpfisch am Rand sitzen zu sehen.« Tobirama ließ es sich nicht noch einmal sagen. Eilig warf er sich einen einfachen haori über die Schultern, nahm sein Katana und folgte seinen Brüdern nach draußen. Sie schlichen auf Zehenspitzen durch das Haus, um ja niemanden zu wecken. Ein paar Shinobi-Grundlagen hatte auch Tobirama gelernt und so war es für ihn nicht schwer, mit seinen Brüdern mitzuhalten. Sie schlichen sich aus der Siedlung heraus, sie konnten es nicht riskieren, mit dem Klirren der Klingen irgendwen aufzuwecken. Leise huschten sie von Hausecke zu Hausecke. Hashirama als der Größte von ihnen übernahm es, den Weg vor ihnen auszuspähen, und wenn die Luft rein war, eilten sie im Gänsemarsch hinter ihm her. Das war alles so aufregend. Tobirama spürte ein erwartungsvolles Kribbeln in seinem Bauch und seine Finger zuckten. Sie wollten sich unbedingt um den Griff seiner Waffe schließen, die er sich unter seinen obi geschoben hatte. Hashirama führte sie zu einer kleinen Lichtung etwas außerhalb der Siedlung. Hier waren sie weit genug weg, um kein Aufsehen zu erregen. Er wandte sich zu seinen kleinen Brüdern um. Ein breites Grinsen war auf sein Gesicht gepflastert. Er wirkte fast euphorischer noch als Tobirama. »Pass auf, otōto, die Grundlagen sind eigentlich ganz leicht.« Er zog sein Katana und präsentierte Tobirama seinen Griff um das Heft. »Schau her, du musst das so halten. Und dann stehst du so.« »Ich weiß«, unterbrach Tobirama ihn ungeduldig und demonstrierte ihn, dass er das schon längst wusste. »Ich hab euch so oft schon zugesehen, das hab ich gleich am Anfang aufgeschnappt.« Kawarama knuffte ihn. »Weil nii-san viel schlauer als wir ist, muss er das uns immer wieder sagen.« Tobirama verschränkte die Arme und wandte sich mit einem Schnauben ab. »Nii-san, das hab ich von Mama«, sagte Itama aufgeregt und reichte ihm etwas. Es war ein Haarband. »Für deine Haare, weißt du. Damit sie nicht im Weg sind.« Tobirama nahm das Haarband entgegen und band sich seine Haare zusammen. Wirklich pfleglich war er nie mit ihnen umgegangen und entsprechend kaputt sahen die Spitzen aus. Aber Butsuma sah nie so genau hin, so lange Tobirama die Haare auf eine Weise trug, die er als für ihn angemessen erachtete. Tobirama hasste seine Haare. Nicht etwa wegen der weißen Farbe, die ihn zusammen mit seiner fahlen Haut wie einen Geist aussehen lies. Sondern einfach, weil er mit diesen Haaren wie ein Mädchen aussah. Hashirama hibbelte ungeduldig und konnte es kaum abwarten, bis Tobirama endlich soweit war. Tobirama positionierte sich so, wie er es bei seinen Brüdern gesehen und dann heimlich geübt hatte. Er kannte das Gewicht seiner Waffe, auch wenn er sich noch nicht gänzlich daran gewöhnt hatte. Hashiramas Augen leuchteten auf, als er seinen Bruder so sah. »Vater ist echt blöd, wenn er dich nicht mitmachen lässt.« »Na, wart erst einmal ab, wie ich mich anstelle«, dämpfte Tobirama seinen Enthusiasmus. Er hatte schon versucht, einige der Bewegungen nachzuahmen, aber ganz auf sich allein gestellt und ohne jemanden, der es ihm erklärte, war es schwer, das alles richtig hinzubekommen. »Schau, du musst so stehen, mehr Gewicht auf dein vorderes Bein«, sagte Kawarama und machte es ihm vor. »Dann kannst du besser ausweichen.« Das! Genau das! Das hatte er immer gewollt. Einfach jemanden, der ihm ein paar Sachen erklärte, statt ihn nur zugucken zu lassen und das als gönnerhafte Geste bezeichnete. Tobirama konnte ein Lächeln nicht unterdrücken. Hier mit seinen Brüdern zu sein, fühlte sich so gut an. »Hey, schaut euch das an! Tobirama kann ja mal nett gucken!«, neckte Hashirama. Sofort kniff Tobirama die Augen wieder zusammen. »Können wir endlich anfangen?« Hashirama fing mit ein paar grundlegenden Dingen an, die Tobirama selbst schon versucht hatte. Aber mit jemandem, der gemeinsam mit ihm die Übungen durchging, war es viel einfacher. Tobirama begriff schnell und rasch hatte er einige grundlegende Figuren verinnerlicht. Es fühlte sich toll an, ein regelrechtes Hochgefühl ergriff von ihm Besitz. Endlich! Endlich durfte er das machen, was er sich schon so lange gewünscht hatte. Seine Brüder hätten ihm kaum ein besseres Geschenk machen können. Nur eines störte ihn noch. Er hatte zwar seine Haare zusammengebunden, aber noch immer schlugen sie ihm ins Gesicht. Es war nach wie vor störend. Aus einer Laune heraus ließ er sich von Kawarama ein Kunai geben, ergriff seinen Zopf und schnitt sich die Haare kurz hinter dem Band ab. In langen weißen Strähnen rieselten seine Haare zu Boden. Itama sah ihn erschrocken an, doch Kawarama grinste frech. »Jetzt siehst du noch viel mehr wie ich aus. So muss das!« Irgendwie ein seltsames Gefühl, keine Haare mehr im Nacken zu haben, aber auch kein schlechtes. Tobirama fuhr mit den Fingern durch die Stoppeln, die jetzt noch auf seinem Kopf waren. Er konnte sich vorstellen, wie ihm die Haare jetzt wild zu allen Seiten abstehen mussten. Es störte ihn nicht weiter. »Können wir jetzt weitermachen?«, wollte er von Hashirama wissen. Hashirama zögerte keinen Augenblick.   Heimlich rieb sich Tobirama die noch immer schmerzende Wange, während er hinter seiner Mutter hertrottete. Butsuma hatte dafür gesorgt, dass der Schlag, den er Tobirama verpasst hatte, ordentlich nachbrannte, als er gesehen hatte, was Tobirama mit seinen Haaren gemacht hatte. Auf die Frage, was das sollte, hatte Tobirama nur gesagt: »Sie haben eben gestört.« Jetzt sah er besser zu, dass er sich in nächster Zeit nicht bei Butsuma blicken ließ. Das war es trotzdem wert gewesen. Die freudige Erinnerung an den vergangenen Abend überwog den Schmerz in seinem Gesicht. Sakura hatte Tobirama an diesem Tag mit auf den Markt genommen. Ein paar Händler waren gekommen und hatten nicht nur Nahrungsmittel gebracht, sondern auch Waren des täglichen Gebrauchs. Sakura wollte für die Familie einige neue Kleider kaufen und hatte dafür Tobirama mitgenommen. Natürlich ihn, immer ihn, nie seine Brüder. Dabei konnten die das genauso gut wie er erledigen. Sie hatten mittlerweile den Stand des Stoffhändlers erreicht. Eine Auswahl verschiedener Stoffe und fertiger Kleidungsstücke lag auf dem Stand aus, bereit, von den Kunden begutachtet zu werden. Sie waren hübsch gefaltet, um die Muster bestmöglich zur Geltung zu bringen. Sakura nahm sich Zeit, um die Auslage zu betrachten. Tobirama stand gelangweilt daneben und beschäftigte sich lieber damit, die Menschen um sie herum zu beobachten. Worin unterschieden sich Menschen eigentlich voneinander? Es gab große Menschen, kleine Menschen, alte und junge, solche mit langen Haaren und solche mit kurzen in ganz unterschiedlichen Farben. Die einen liefen auf die eine Weise, die anderen auf eine andere. Aber warum sollten einige Männer sein und andere Frauen? Tobirama hatte diese Unterscheidung nie verstanden. Er wusste nur, dass es falsch war, wenn Leute ihn als ein Mädchen sahen, aber woran sie das festmachen wollten, hatte ihm nie jemand erklären können. Weil er lange Haare hatte, sagten einige. Jetzt hatte er sie sich kurz geschnitten. War er jetzt also ein Junge? Weil er sich auf eine bestimmte Weise kleidete, sagten andere. Aber Kleidung bestimmte doch nicht, wer er war. Jeder konnte alles anziehen und sie waren immer noch sie selbst. »Tobi-chan, schau einmal«, riss Sakura ihn aus seinen Gedanken. »Der Kimono hier mit den Pfirsichblüten sieht hübsch aus, findest du nicht?« »Hm. Für dich?«, fragte er abwesend. »Nein, für dich natürlich«, korrigierte Sakura ihn mit einem milden Lächeln. »Der blaue mit dem Wellenmuster gefällt mir besser«, sagte Tobirama reflexartig. »Das ist ein Schnitt für Jungen«, warf der Händler ein. »Du bist doch ein … Mädchen?« Um Hilfe bittend sah er zu Sakura. »N-ja. Sie ist meine Tochter.« Sakura blinzelte rasch, wie sie es immer tat, wenn sie unsicher war, und überspielte es mit einem Lächeln. Es schmerzte. Jedes Mal, wenn seine Mutter das tat, versetzte es ihm einen Stich. Tobirama biss die Zähne zusammen und schluckte den Schmerz hinunter. Am Ende nahmen sie beide Kimono. Tobirama hoffte, sich den blauen Kimono aus der Garderobe seiner Brüder stibitzen zu können. »Warum hast du das mit deinen Haaren gemacht?«, fragte Sakura auf dem Weg zum nächsten Ziel. Sie strich Tobirama durch seine wild abstehenden Haare und sah besorgt auf ihn herab. »Du konntest dir doch denken, wie er darauf reagieren wird.« Tobirama antwortete nicht. Es hatte keinen Zweck. »Ich weiß, dass ihr euch letzte Nacht davongeschlichen habt«, fuhr sie fort. »Aber keine Angst, ich sag’s nicht eurem Vater. Du hattest dir nur die Haare zusammenbinden sollen, damit sie dich nicht stören.« »Warum hast du gesagt, ich sei deine Tochter?«, unterbrach Tobirama sie scharf. »Du weißt es doch besser. Du weißt, dass das nicht stimmt.« Sie lächelte sanft, um ihn milde zu stimmen. »Ach, Tobi-chan. Das ist alles nicht so einfach. In ein paar Jahren, wenn du älter bist, wirst du es verstehen.« Tobirama presste die Lippen aufeinander. Sakura musterte ihn und wirkte besorgt. Warum war sie besorgt? Sie hatte keinen Grund zur Sorge. Für den Rest des Einkaufes sagte Tobirama keinen Ton mehr. Nächstes Kapitel: Transmasc und transfem Solidarität mit Tobirama und Toka. -------------------- 2. Kapitel: Kapitel 2 -------------------- CN Misgendern, KindersoldatenDie Position, die Tobirama in dieser Gesellschaft zugedacht worden war, war zu genau einer Sache gut: Er hatte sehr viel Zeit, nachzudenken und Menschen zu beobachten. Die wenigsten waren sich bewusst, wie viel Tobirama wirklich sah. Vielleicht ahnte Sakura ja etwas, manchmal machte sie den Eindruck, als würde sie dasselbe tun. Seine Mutter war nicht auf den Kopf gefallen, sie hatte einen genauso wachen Verstand wie er. Wie konnte sie da nur so guter Laune sein, während sie beide hier mit einigen anderen Frauen der Siedlung knieten und Löcher in Kleidern flickten? Tobirama hasste das. Nur Waschtag war schlimmer, hinterher brannten ihm immer die Hände. Löcher stopfen war zumindest nur totlangweilig. Sie knieten im Haus seiner Familie, die shoji-Türen waren zur Seite geschoben. Draußen balgten sich Itama und Kawarama und deklarierten es als Taijutsu, während Hashirama unter Butsumas strengen Augen sein einzigartiges kekkei genkai trainierte. Sehnsüchtig blickte Tobirama nach draußen. Er war nicht scharf darauf, von Butsuma gescholten zu werden, aber er wollte an der Seite seiner Brüder stehen, lernen, was sie lernen durften. Er wäre sicher genauso stark wie sie, dessen war er sich sicher. Tante Kimiko schnatterte wie immer von allen am lautesten. Zu jedem in der Siedlung hatte sie etwas zu sagen und wusste immer über alles Bescheid. Wenn man wissen wollte, was gerade im Dorf angesagt war, ging man als erstes zu Tante Kimiko. Eigentlich war sie gar nicht seine Tante, genauso wenig wie Tōka, ihre Tochter, seine Base war. Aber irgendwie waren hier trotzdem alle seine Tantchen. Sie waren nett, Tobirama mochte sie. Nur wenn sie anfingen, dafür zu schwärmen, wie süß er sei, wurden sie nervig. Sie bemerkte Tobiramas Blick. Ihr entging nie etwas. »Na, bist du nicht froh, auch mal nicht nur von deinen Brüdern umgeben zu sein?« Noch, bevor Tobirama antworten konnte, fuhr sie fort: »Ich stelle mir das anstrengend vor, so als einziges Mädchen zwischen drei Wildfängen wie deinen Brüdern. Ich hätte mich ja noch über ein, zwei Kinder mehr gefreut. Vielleicht noch ein Mädchen, damit Tōka nicht so allein ist. Aber es sollte eben nur ein Junge werden.« Und das kam auch noch hinzu bei diesen Runden. »Sie ist ein Mädchen«, knurrte Tobirama, wurde aber sogleich wieder von Kimiko unterbrochen. »Ach, papperlapap. Das ist nur eine Phase.« Sie winkte ab. »Tōka ist jetzt in dem Alter, in dem er langsam mehr Verantwortung übernehmen soll, da soll er stolz darauf sein. Er will nur kneifen.« »Dabei schwärmt Butsuma-san immer vom Können deines Sohnes«, warf Sakura ein. »Und das tut er selten. Nun, auf seine Art jedenfalls. Er hält einiges auf Tōka, er könnte es weit bringen.« Tantchen Sumi hob mit spitzen Fingern eine von Tobiramas Strähnen an. »Was hast du nur mit deinen Haaren angestellt? Du hattest doch so schöne lange Haare. Jetzt siehst du aus wie ein Junge.« »Haben genervt«, grummelte Tobirama kurz angebunden und duckte sich unter ihrer Hand weg, um einer weiteren Untersuchung zu entgehen. »Tobi-chan war nie sonderlich pfleglich mit ihren Haaren umgegangen, ihr wisst ja, wie sie ist«, warf Sakura hastig ein und lachte verlegen. »Das war die einzige Lösung, die ich sah.« Tobirama warf seiner Mutter einen bösen Blick zu. Sie sollte aufhören, so von ihm zu reden! »Ach, wirklich?«, riefen mehrere Tantchen schockiert aus. »So schlimm?« »Na, da gibt‘s doch andere Methoden«, fügte Tantchen Kimiko an. »Das beste, was du machen kannst, ist einmal die Woche zum Haarmacher zu gehen, dass er dir die Haare macht, und nachts immer auf einem takamakura schlafen.« »Ganz bestimmt nicht«, sagte Tobirama mit Nachdruck. Kimiko schien ihn nicht gehört zu haben. »Shimada würde an dir sicher wundervoll aussehen, Tobi-chan. Und dann auch noch mit deinen weißen Haaren, das hätte etwas ganz eigenes.« »Nein, nein, nein.« Tantchen Sumi gestikulierte wild und stach mit der Nadel Tobirama beinahe ein Auge aus. »Das kann sie vielleicht zu besonderen Anlässen machen, aber für den Alltag taugt das nichts. Ich habe auch mit trockenem Haar zu kämpfen und wisst ihr, was mir da hilft? Mit Kamillentee einreiben und ab und zu eine Ölkur.« Es entbrannte eine wilde Diskussion darüber, wie kaputtes Haar am besten zu pflegen sei, und jede hatte eine andere Meinung. Tobirama hörte nicht hin und stach frustriert auf das Stück Stoff ein. Er merkte erst, dass er sich mit der Nadel in den Finger gestochen hatte, als er Blut am Stoff bemerkte. Na toll. Er rieb, machte es damit aber nur schlimmer. Sakura bemerkte es und wand ihm sanft das Stück Stoff aus den Händen. »Du hast heute genug gemacht. Du kannst spielen gehen«, sagte sie mit einem Lächeln. Tobirama zwang sich, es zu erwidern, und stand dann eilig auf. Spielen! Als wäre er ein kleines Kind, pah! Das konnte sie vielleicht mit Baby Itama machen, aber nicht mit ihm! Und selbst Itama behandelte sie erwachsener, er war immerhin alt genug, um eine Waffe zu halten. Was Itama konnte, konnte er schon lange. Es hatte sich herausgestellt, dass Tobirama geschickt im Umgang mit der Waffe war. In den vergangenen Wochen hatte er sich immer wieder heimlich mit seinen Brüdern davon geschlichen, um zu trainieren, und unter der Anleitung seiner Brüder war er rasch besser geworden. Butsuma verschwendete einen Kämpfer, aber Tobirama würde ihm schon beweisen, dass er gut genug war. Er würde doppelt und dreifach so hart arbeiten müssen wie seine Brüder, damit Butsuma überhaupt in Erwägung zog, über diesen Gedanken weiter nachzudenken. Hinzu kam, dass seine Geschwister alle einen Vorsprung hatten, selbst Itama. Tobirama hatte so viel aufzuholen. Da hatte er keine Zeit zum Spielen. Tōka. Tōka hatte vielleicht Zeit, ihm etwas beizubringen. Zumindest war ihre Mutter ja gerade nicht zu Hause und mit etwas Glück war auch ihr Vater gerade im Dienst. Tobirama schlüpfte eilig in seine zori und eilte aus dem Haus. Tōka war in der Tag derzeit allein bei sich daheim. Tobirama brauchte nicht lang warten, nachdem er angeklopft hatte, und sie öffnete ihm die Tür. Er sah noch ein paar verräterische Spuren von Schminke in ihren Augenwinkeln, die sie hastig versucht hatte wegzuwischen. »Du hast da noch was«, wies er sie darauf hin. »Ach, verdammt«, fluchte sie und rieb sich über das Gesicht. »Los, komm schon rein, bevor das noch irgendwer sieht und meinem Vater erzählt.« Er schlüpfte durch die Tür und sie schloss sie wieder hinter ihm. Sie führte ihn in ihr Zimmer, wo sie am ungestörtesten sein konnten, sollte ihre Familie doch wieder zurückkommen. Tobirama machte das kleine Lackköfferchen aus, das Tōka hastig unter das Bett geschoben hatte. Nun holte sie es aber wieder hervor und klappte es auf. Kohle für die Augenbrauen und Farbe für die Lippen kam zum Vorschein. »Hey, ähm, soll ich dir damit helfen?«, bot Tobirama an. Tōka sah ihn fragend an. »Du scherst dich um sowas?« Er verzog das Gesicht. »Mutter besteht drauf. Weil Frauen sowas nun mal können müssen, bla bla bla.« Sie grinste. »So unterschiedlich kann‘s sein. Ich darf‘s nicht machen, weil es Weiberkram ist. So ein Blödsinn. Aber sag, warum kommst du vorbei?« »Ich wollte dich fragen, ob du mir was beibringen kannst. Ich will das Kämpfen lernen und Butsuma beweisen, dass ich genauso ein Krieger bin wie meine Brüder. Aber wenn ich‘s mir Recht überlege, will ich mir dir auch darüber reden. Du bist die einzige, die so ist wie ich, weißt du.« »Hm.« Tōka sah nachdenklich auf das Kästchen in ihren Händen. »Ich weiß … Die Leute verstehen das einfach nicht. Die wissen immer alles besser.« »Dann lass uns das Beste daraus machen und uns gegenseitig helfen«, schlug er vor. Tōka nickte eifrig und sie setzten sich gegenüber auf den Boden. Sie stellte das Kästchen zwischen sie, und Tobirama kramte ein wenig darin herum, um zu sehen, was sie alles vorrätig hatte. Dann kam ihm dieses unnütze Wissen wenigstens einmal zu Gute, das ihm seine Mutter aufgezwungen hatte. Während er die Farbe auf Tōkas Gesicht auftrug, gab er ihr den einen oder anderen Tipp, wie sie es am besten anstellte. »Hast du schon mal eine Waffe in der Hand gehabt?«, fragte Tōka. »Ich hab mit meinen Brüdern heimlich trainiert«, sagte er. »Halt still, sonst schmier ich dir die Kohle in die Augen.« »Das ist unangenehm!«, beschwerte sie sich. »Dann mach‘s selber. Vom Meckern wird‘s nicht besser.« »Hmpf.« Sie schnappte sich den Kohlestift und einen Handspiegel und versuchte es selbst. Der Lidstrich wurde nicht perfekt, sah aber schon besser aus als bei ihren ersten eigenen Versuchen. »Und welche Waffen?« »Hauptsächlich Katana, aber jüngst auch kunai. Hashirama sagt, ich lern schnell.« »Bei allem Respekt, aber dein Vater ist ein Vollidiot, wenn er auf einen willigen Kämpfer verzichtet.« »Macht dir das eigentlich Spaß?« Dieses Mal antwortete Tōka nicht gleich. Für einen Moment betrachtete sie sich im Spiegel und ließ dann die Hand sinken. »Ja. Ja, ich kämpfe gerne, obwohl das so unweiblich ist. Deswegen zweifle ich manchmal an mir, ob ich wirklich eine Frau bin.« »Warum sollten Frauen nicht kämpfen dürfen? Bei den Uchiha kämpfen doch auch Frauen.« Tōka zuckte mit den Schultern. »Bei denen ist das halt anders. Keine Ahnung. Aber weißt du was, ich kann dir noch was beibringen. Hast du schon Ninjutsu trainiert? Ich glaub, da hast du auch viel Freude dran.« Tobirama schüttelte den Kopf. »Nur allergrundlegendste Chakrakontrolle, aber das lernen alle.« Tōka stand auf und ging zu einem Kabinett. Sie kramte einen Moment in einer Schublade und kam dann mit mehreren Zetteln wieder zu Tobirama zurück. Sie reichte die Zettel an ihn weiter. »Wenigstens muss ich nicht beim Urschleim anfangen, das ist doch mal was«, kommentierte sie. Fragend sah er auf die Zettel. »Wofür sind die?« »Damit bestimmen wir den Typ deines Chakras. Was das ist, weißt du?« Er nickte. »Ja, und ich weiß auch, dass anija eine Ausnahme ist.« Erwartungsvoll grinsend setze sie sich ihm wieder gegenüber. »Ich bin so gespannt, was bei dir rauskommt! Vielleicht wächst hier gleich ein Baum, das wäre so aufregend!« »Was muss ich machen?« »Einfach ein bisschen Chakra in das Papier senden und dann schauen wir, was passiert.« Er formte das Tigerzeichen, wie er es gelernt hatte und konzentrierte sich, während er eines der Papiere zwischen seinen Fingern hielt. Das fühlte sich an, als würde er einen Muskel nutzen müssen, von dem er gar nicht wusste, dass er ihn hatte, weshalb es sich als recht mühsam herausstellte. Seine Sinne waren mit einem Mal geschärft und er nahm viel deutlicher die Menschen in der Siedlung war. Es war ein lästiger Nebeneffekt, der immer auftrat, wenn er sein Chakra konzentrierte. Das Papier wellte sich, als wäre es mit Wasser in Berührung gekommen, und dann tropfte tatsächlich Wasser daran herab. Zwar kein Baum, aber anscheinend doch beeindruckend genug, denn Tōka gab einen erstaunten Laut von sich. »Äh, ist das gut?«, fragte er sie verunsichert. »Nun ja, kommt drauf an«, sagte sie. »Die meisten Senju haben eine Wassernatur, so wie du. Aber nur wenige sind so stark, dass sie gleich beim ersten Mal Wasser produzieren. Weißt du, mit Suiton ist es so, dass es viel leichter ist, eine vorhandene Wasserquelle zu benutzen, statt aus deinem eigenen Chakra Wasser zu bilden. Das da«, sie deutete auf das nasse Papier, »ist für einen blutigen Anfänger echt krass. Warte kurz.« Sie sprang auf und ging aus dem Zimmer. Kurz darauf kam sie mit einer Schale voll Wasser wieder, die sie vor Tobirama hinstellte. Sie setzte sich wieder. »Damit üben wir jetzt«, verkündete sie. »Sag mal, wie kann ich es abstellen, dass meine Sinne so viel schärfer sind, wenn ich Chakra benutze?«, wollte er wissen. »Das lenkt ab. Jedenfalls dann, wenn ich es nicht bewusst einsetzen will.« Sie runzelte die Stirn. »Wie, schärfere Sinne?« »Na ja, ich nehme die Menschen um mich herum viel deutlicher war als normal, und wenn ich mich anstrenge, dann sogar alle Menschen im Dorf. Ich weiß zum Beispiel, dass gerade zwei Leute am Haus vorbei gehen.« »Oh!«, machte Tōka. »Du bist ein Sensor und dazu auch noch ein ziemlich starker. Dein Vater ist echt komplett verblödet, dass er dir keine Ausbildung gibt. Weißt du, was ein Sensor ist, hast du das schon mal gehört?« Er schüttelte den Kopf und sie fuhr fort: »Das heißt, dass du einen besondere Sinn hast, mit dem du das Chakra in anderen Menschen aufspüren kannst. Was für eine Reichweite du wirklich hast, müssen wir noch herausfinden, aber ich wette, die ist echt phänomenal, wenn du das auch nur ein bisschen trainierst.« »Bringst du es mir bei?«, fragte Tobirama sogleich wissbegierig. Tōka hob eine Hand. »Immer eins nach dem anderen. Erst einmal fangen wir mit den Grundlagen für Suiton an.« Sie fing mit einem der grundlegendsten Jutsu an und zeigte ihm die Fingerzeichen dafür. Dann erklärte sie ihm, wie er sein Chakra formen musste und demonstrierte es ihm. Das Wasser in der Schale schwappte hin und her und stieg dann als kleine Kugel auf. Als sie das Jutsu löste, klatschte das Wasser wieder in die Schale. »Jetzt du.« Tobirama bekam es gleich beim zweiten Versuch hin. Zwar noch nicht so formschön wie Tōka, aber er war gewillt, es so lange zu versuchen, bis er es perfekt beherrschte. Er musste so viel besser werden als seine Brüder, um die Anerkennung seines Vaters zu gewinnen. Diese Übung war klein genug, dass er sie heimlich zu Hause ausführen konnte. Er war zuversichtlich, dass sich Fortschritte schon bald zeigen würden. Tōka beobachtete ihn. »Du bist immer so … ich weiß nicht. Intensiv. Anders als deine Brüder. Gerade dein ältester Bruder ist ja manchmal ein echter Holzkopf.« Tobirama schnaubte. »Die haben nur Unsinn im Kopf. Ich hab dafür keine Zeit.« »Ich wette, du hast vor, das Jutsu bis morgen perfekt zu beherrschen. Du kannst echt auch mal ein bisschen langsamer machen«, riet sie ihm. »Nein«, brummte er. »Wenn ich nicht absolut perfekt bin, gibt mir Butsuma nie eine Chance. Du hast es leicht, dich lässt er trainieren. Aber ich darf nicht.« »Ich darf auch bloß nicht ich selbst sein«, entgegnete Tōka schnippisch. Der plötzliche Wechsel im Ton ließ Tobirama aufblicken. »Ich darf mir die Haare nicht lang wachsen lassen. Ich darf mich nicht schminken wie andere Frauen. Dabei würde ich mich echt gern einmal auch hübsch machen dürfen. Und du willst echt nicht wissen, was die anderen Soldaten hinter meinem Rücken über mich sagen. Das sind keine schönen Worte. Ich geb mir echt Mühe, aber es ist selten gut genug.« Tōkas Stimme hatte mit jedem Wort an Schärfe zugenommen. Ihr Ärger richtete sich nicht wirklich gegen Tobirama, er fühlte das. Aber er konnte ihn nur allzu gut nachvollziehen. »Du hast Recht«, sagte er leise. Und dann: »Wie ist das für dich, wenn du dich schminkst?« Tōka atmete tief durch, um sich wieder zu beruhigen. Sie fühlte ihre Wange und warf einen Blick in den Handspiegel, der noch immer neben ihr lag. »Das bin ich. Ganz ohne Verkleidung für die Idioten da draußen, die immer alles besser wissen wollen, aber einen Dreck wissen. Mit der Farbe in meinem Gesicht fühle ich mich wie ich selbst.« Unwillkürlich wanderte Tobiramas Hand zu seinen Haaren und fühlte die kurzen, ungleichmäßigen Stoppeln. Sakura hatte versucht, sie bestmöglich nachzuschneiden, aber alles nur schlimmer gemacht und es dann einfach gelassen. Es sah ziemlich wild aus, aber Tobirama mochte es. Tōka entging die Geste nicht. »Hast du dir deswegen die Haare geschnitten?« Tobirama zuckte mit den Schultern. »Eigentlich haben sie nur genervt. Aber vorhin hat eine der Tantchen gesagt, dass ich jetzt aussehe wie ein Junge. Ich seh nicht nur aus wie einer, ich bin einer. Aber das geht denen ja nicht in den Kopf. Und nun ja, irgendwie mag ich‘s auch so kurz.« »Das ist wie ein Genjutsu, nicht wahr?«, sagte Tōka leise. »Oder eher wie ein umgekehrtes Genjutsu, wenn du verstehst. Wir müssen es den Leuten überdeutlich unter die Nase reiben, wer wir sind, bis sie es endlich einmal begreifen.« Ein Genjutsu. Tobirama verfiel in nachdenkliches Schweigen. -------------------- 3. Kapitel: Kapitel 3 -------------------- Kapitel 3CN Kindestod, Gewalt gegen Kinder, TrauerIn den kommenden Wochen und Monaten machte es sich Tobirama schamlos zu Nutze, dass alle ihn für ein Mädchen hielten, denn Mädchen wurde allgemein nicht so viel Aufmerksamkeit zuteil. Butsuma beachtete ihn kaum, für ihn war sein zweiter Sohn in erster Linie ein Ärgernis, da er ihm eines Tages die Aussteuer würde zahlen müssen, weil Töchter vor allem dazu da waren, um verheiratet zu werden. Das war alles, was er in Tobirama sah. Tobirama würde ihn schon eines besseren belehren. Hashirama brachte er allerdings ebenfalls wenig Liebe entgegen – oder das, was man bei Butsuma vielleicht als solches bezeichnen könnte. Das war ungewöhnlich, denn Hashirama als sein Erstgeborener war immerhin sein Erbe und zudem auch noch mit einer außergewöhnlichen Fähigkeit und einem Chakra so stark wie sonst nirgends im Clan gesegnet. Butsuma, der sonst Kampfesstärke über alles setzte, machte aus seiner Abneigung Hashirama gegenüber jedoch keinen Hehl. Hashirama war aufmüpfig. Von den vier Brüdern war er derjenige, der es wagte, offen gegen Butsuma zu sprechen. Auch wenn er es immer und immer wieder war, der sich dafür die Schläge einfing. Kein Wunder also, dass Butsuma nicht bemerkte, dass Hashirama und Tobirama dieser Tage selten im Haus waren, während er sein Augenmerk lieber auf Kawarama legte. Vielleicht hoffte er ja, Kawarama zu dem Erben zu erziehen, den er haben wollte. Tobirama hatte keine Ahnung, wo sich Hashirama dieser Tage herumtrieb. Er verschwand oft für viele Stunden im Wald und tauchte manchmal erst abends wieder auf. Sollte er nur machen, er kam schon allein zurecht. Tobirama hatte seinen eigenen Kram zu erledigen. Genjutsu hatte es Tōka genannt. Die Kunst der Illusion. Also legte er die Illusion eines Mädchens auf sich und schlich sich an Orte, an denen er eigentlich nichts zu suchen hatte. Er musste mehr darüber lernen, und Tōka hatte nicht ständig Zeit, sich um ihn zu kümmern. Also musste er auf eigene Faust lernen, sonst würde er nie schnell genug besser werden. Tōka, wie es sich herausstellte, war eine Spezialistin auf dem Gebiet des Genjutsu. Wann immer sie konnte, zeigte sie Tobirama alles, was sie wusste, und half ihm gleichzeitig, sein Suiton zu verbessern. Anfangs wollte sie alles noch schrittweise angehen, aber das war Tobirama zu langsam und er drängte sie immer wieder, ihm etwas Neues zu zeigen. Tōka wirkte etwas überrascht von seiner Lerngeschwindigkeit, sah aber schließlich ein, dass er Recht hatte. Wenn sie keine Zeit für ihn hatte, schlich er sich in die Archive und durchforstete die Schriftrollen, die der Clan hier lagerte. Tobirama fand einen schier unerschöpflichen Quell an Wissen. Er sog alles in sich auf wie ein Schwamm. Suiton lag ihm im Blut wie ein Instinkt und auch seine Sensorfähigkeiten hatte er schon nach wenigen Monaten wie einen sechsten Sinn ausgebildet. Genjutsu war ein wenig kniffliger, aber auch da hatte Tobirama schon nach wenigen Wochen die Grundlagen durchschaut. »Ich bin echt neidisch«, gestand Tōka. »Ich lern nicht so schnell.« »Ich habe einiges nachzuholen«, war alles, was Tobirama dazu sagte. Er sah allerdings auch schnell die Grenzen dessen, was er hier lernte. Es mochte ja alles schön und gut sein, wenn er seine wahre Erscheinung hinter einer Illusion verbergen konnte, aber das alles hielt nur so lange, wie er Chakra in das Jutsu steckte, um es aufrecht zu erhalten. Erzeugte er mit einer Illusion eine erwachsene Version von sich selbst, so war es leicht durchschaubar, wenn seine Hände durch Gegenstände glitten, einfach weil die Illusion nicht physisch war. Das musste doch irgendwie zu verbessern sein. Wenigstens für das erste Problem fand er die Lösung in Form von Speichersiegeln. In einer der hinteren Ecken des Archivs fand er ein Regal, das mit dem Wirbel der Uzumaki markiert war. Er wusste, dass der Vetternclan der Senju Fūinjutsumeister waren. Aus reiner Neugierde zog er eine der Rollen aus dem Regal und warf einen Blick hinein. Hinterher vergaß er beinahe die Zeit darüber, so vertieft war er darin, und hörte gerade noch so den Archivar, wie er in den Raum schlurfte. Hastig stopfte Tobirama die Rolle in seinen Kimono und huschte davon. Mit einem gewagten Hechtsprung aus dem Fenster gelang ihm die Flucht aus dem Gebäude und er türmte mitsamt seines Diebesguts. Er rannte aus der Siedlung und zu der Lichtung, wo er immer mit seinen Brüdern trainierte. Allmählich bekam er Schwielen an den Händen, doch heute hatte er nicht vor, zu seiner Waffe zu greifen. Stattdessen setzte er sich im Schatten einer der Bäume hin, holte die Schriftrolle hervor und setzte seine Lektüre fort. Anfangs tat er sich noch schwer, die ganzen Formeln zu verstehen, aber ihm war bereits klar, dass hier beschrieben wurde, wie Chakra in Siegeln gespeichert werden konnte, um es zu einem späteren Zeitpunkt zu nutzen. Wenn das so funktionierte, wie er es sich vorstellte, brauchte er nur das Verwandlungsjutsu in ein solches Siegel zu speichern und konnte es jederzeit nutzen, wenn er es brauchte, ohne selbst das Jutsu aufrecht erhalten zu müssen. Dafür musste er aber erst einmal verstehen, wie dieses Siegel überhaupt funktionierte. Er starrte auf die verschlungenen Linien und da passierte etwas Merkwürdiges. Es war, als würde ein Schleier gelüftet und er sah plötzlich viel klarer. Tobirama wagte nicht zu blinzeln, aus Angst, der Effekt würde verschwinden. Mit einem Male ergab alles einen Sinn. So lernte Tobirama, dass er ein außergewöhnliches Verständnis für Siegel besaß. Begierig rollte er das Papier weiter ab und las weiter. Ja. Ja! Das war es! So konnte es funktionieren. Das war alles so logisch. Tobirama sah die Muster, die Zusammenhänge, die inhärente Symmetrie in den Siegeln. Was auf den ersten Blick wie ein wirres Kauderwelsch aussah, war doch eigentlich so einfach, wenn man nur richtig sehen konnte. Er grinste. Da hatte ihn seinem Ziel einen großen Schritt näher gebracht.   Es wurde bereits dunkel, als er sich auf den Heimweg machte. Seine Eltern würden ihn garantiert nicht vermissen, aber seinen Brüdern wollte er unbedingt zeigen, was er sich ersonnen hatte. Denn natürlich hatte er seine Idee gleich ausprobiert. Perfekt war seine Methode noch lange nicht, aber dafür, dass er erst heute überhaupt die Grundlagen dafür gelernt hatte, ließ es sich sehen, was er sich ersonnen hatte. In dem Moment, in dem er einen Fuß in den genkan des Familiensitzes setzte, spürte er, dass etwas vorgefallen sein musste. Was sonst nur die übliche freudlose Stille des Hauses war, hatte sich an diesem Abend zu etwas Erstickendem ausgeweitet. Es nahm Tobirama beinahe die Luft zum Atmen in dem Moment, in dem er das Haus betrat. Auf Zehenspitzen schlich er durch die Räume und suchte seine Brüder. Was auch immer vorgefallen war, er wollte Butsuma nicht über den Weg laufen. Er fand sie in ihrem geteilten Schlafraum, wie sie auf einem der futon kauerten und betrübt zu Boden schauten. Hashirama und Itama jedenfalls. Kawarama war nirgends zu sehen. Tobirama machte Gebrauch von seiner neu entdeckten Sensorfähigkeit und stellte fest, dass Kawarama nicht einmal in der Siedlung war. Wo war sein Zwilling abgeblieben? Tobirama war niemand, der immer über den Verbleib seiner Geschwister Bescheid wissen musste, aber irgendetwas an dieser Situation ließ die Frage dieses Mal aufkommen. Er setzte sich zu seinen Brüdern. »Was ist los?« »Kawarama ist weg«, schniefte Itama. Tobirama blinzelte. »Wie ›weg‹?« Selbst Hashirama hatte all seinen Frohsinn verloren, was sehr ungewöhnlich für ihn war. »Du weißt doch, dass er heute einen kleineren Auftrag außerhalb des Dorfes hatte. Eigentlich nichts Großes. Er hätte schon längst wiederkommen sollen. Außerdem haben wir aufgeschnappt, dass es einen Überfall der Hagoromo gegeben hat. Genau in der Region, wo Kawarama unterwegs war.« Die Situation mit den Hagoromo hatte sich zuletzt rapide zugespitzt. Die Überfälle hatten zugenommen und es hatte immer mehr Todesfälle gegeben. Kein Wunder also, dass Butsumas Launen zur Zeit immer unerträglicher geworden waren. »Kawarama kann auf sich selbst aufpassen«, sagte Tobirama bestimmt, um seine eigene Unruhe zu überspielen. Er wollte sich nicht anmerken lassen, wie sehr in diese Nachricht aufwühlte. »Ihr seid zwölf!«, betonte Hashirama mit Nachdruck. »Ihr seid Kinder, ihr solltet gar nicht auf euch selbst aufpassen müssen. Kawarama kann sonst was passiert sein und Butsuma schert sich nicht darum!« Tobirama überging die Implikation, Kawarama sei nicht im Stande, sich zu verteidigen, sollte es nötig werden. Gerade hatte er andere Sorgen. »Was ist mit Butsuma?« »Er sagt, dass ein Shinobi keinen Babysitter braucht.« Hashirama klang verärgert, wahrscheinlich hatten sie sich also wieder einmal gestritten. »A-aber«, stammelte Itama und wurde von einem Hicksen unterbrochen. Verstohlen wischte er sich die Tränen aus den Augen. »Aber hat er nicht Recht? Er sagt doch immer, dass, wer alt genug ist, um eine Waffe zu führen, ein Mann ist. Nii-san ist alt genug, oder nicht?« »Nur weil er eine Waffe halten kann, heißt das doch nicht, dass er stark genug ist, um sich gegen viel ältere und erfahrenere Shinobi zu verteidigen«, widersprach Hashirama. Er hatte die Augenbrauen zusammengezogen, ein seltsam ernster Ausdruck auf seinem sonst so fröhlichen Gesicht. »Und Mutter? Was sagt Mutter?«, fragte Tobirama. Hashirama zuckte mit den Schultern. »Was soll sie schon sagen? Butsuma hört ja doch nicht auf sie. Er hat es abgetan, als sie ihn bat, einen Suchtrupp loszuschicken.« »Dann machen wir es eben!«, drängte Tobirama. Doch Hashirama schüttelte den Kopf. »Nein, ich als euer ältester Bruder muss auf euch aufpassen. Itama, du bist noch viel zu jung, und Tobirama, du hast doch gerade erst angefangen zu trainieren. Ich wäre mehr damit beschäftigt, auf euch aufzupassen, und das schaff ich nicht allein.« »Aber wir können doch nicht hier sitzen und nichts machen!«, protestierte Tobirama. Dann senkte er seine Stimme. »Tōka sagt, dass ich ein starker Suiton-Nutzer bin und außerdem ein Sensor. Das muss doch zu irgendetwas nütze sein.« Hashirama sah ihn bedauernd an. »Nur weil du die Veranlagung hast, einmal zu den stärksten zu gehören, heißt das noch nicht, dass du jetzt schon so stark bist.« Itama schluchzte auf. Hashirama rutschte zu ihm hinüber und zog ihn in seine Arme. Tobirama saß verloren neben ihnen und wusste nicht, was er tun sollte. »Vielleicht machen wir uns ja um sonst Sorgen und alles geht gut aus.« Doch nicht einmal Hashirama klang, als würde er wirklich daran glauben.   Jedes winzige bisschen Hoffnung, das sie hatten, wurde nur drei Tage später zerschmettert, als sie an Kawaramas kläglichem Grab standen. Während sich Itama die Augen ausheulte und Hashiramas Trauer sich merklich mit seinem schwelenden Zorn mischte, stand Tobirama einfach nur eingefroren da und wusste einfach nicht, wie er mit der Leere in ihm umgehen sollte. Da war auf einmal ein Loch in ihm, wo vormals Kawarama gewesen war. Sein Bruder, sein Zwilling, seine andere Hälfte. Hashirama und Itama waren seine Brüder, doch Kawarama war sein zweites Ich. Nie, nicht einen Moment, hatte Tobirama allein verbringen müssen, schon vor ihrer Geburt hatte er immer jemanden an seiner Seite gehabt. Es konnte einfach nicht sein, dass das jetzt nicht mehr sein sollte. Es war unmöglich. Eine Tretmine der Hagoromo. Wenn er Glück gehabt hatte, war er auf der Stelle tot gewesen. Wenn nicht … Tobirama verfolgte den Gedanken nicht weiter. Butsuma stand regungslos und tot wie eine Statue neben ihnen und beobachtete die Shinobi, die gut ein halbes Dutzend Gräber aushoben. Die Verluste, die die Hagoromo ihnen beigebracht hatten. Leben, weggeworfen, als wären sie nichts wert, beendet in nur einem Atemzug. Mutter war nicht einmal hier. Sie war nicht mehr sie selbst, seit die Kunde zu ihr gebracht worden war. Hoffentlich waren die Tantchen jetzt bei ihr. Es gab ein dumpfes Geräusch, als die Erde auf den kleinen Sarg fiel, der beinhaltete, was von Kawarama noch übrig war. Tobirama würde dieses Geräusch nie wieder vergessen. Es brannte sich unauslöschlich in sein Hirn ein und würde ihn bis ans Ende seines Lebens in seinen Träumen verfolgen. »Hör auf zu weinen«, knurrte Butsuma, als ihm Itamas Schluchzen zu viel wurde. »Shinobi vergießen keine Tränen. Es ist unser Sinn im Leben, auf dem Schlachtfeld zu kämpfen und zu sterben. Seid dankbar, dass wir überhaupt etwas haben, dass wir begraben können. Diese Hagoromo sind herzlose Bastarde.« Zu was machte das dann Butsuma? »Er war doch noch so jung!«, begehrte Hashirama auf. »Wie lange muss das denn noch so weitergehen?« »Bis eine Seite vollkommen ausgelöscht ist«, sagte Butsuma mit fester Stimme. Kein Hauch von Mitgefühl klang darin mit. »Krieg und Tod ebnen den Weg zum Frieden.« »Selbst wenn der Pfad dahin mit dem Blut unschuldiger Kinder getränkt ist?« Der Schlag kam für sie alle zu schnell. Ein dumpfes Geräusch hallte über die Szene. Hashirama stolperte zurück. Tobirama konnte ihn gerade noch auffangen. »Wage es nicht, Kawaramas Vermächtnis zu beschmutzen!«, brüllte Butsuma. »Kawarama starb als Shinobi in Erfüllung seiner Pflicht seinem Clan gegenüber als ganzer Mann. An ihm war nichts unschuldig.« Hashirama sah trotzig zu ihm auf und wischte sich Blut aus dem Mundwinkel. Itamas Weinen hatte aufgehört. »Geht‘s dir gut, nii-san?«, fragte er leise aus Angst, Butsumas Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. »Du weißt doch, was passiert, wenn du ihm Wiederworte gibst«, zischte Tobirama. Hashirama musterte seine Brüder, die sich besorgt über ihn beugten. Etwas veränderte sich in seinem Blick. Eine ungekannte Härte schlich sich hinein. Er sprang wieder auf. »Dieses ganze schwachsinnige Gerede vom Senju Clan als Verkörperung von Liebe und Kameradschaft!«, rief er und schob seine Brüder zur Seite. »Das ist doch nur Propaganda! Ist man also nur dann ein Shinobi, wenn man stirbt? Ist es das, was du damit sagen willst? Du nennst unsere Feinde herzlose Bastarde, aber wir machen doch nichts anderes mit ihnen!« Butsuma wurde gefährlich ruhig. Tobirama merkte, wie sein Herz raste. »Wir sind lediglich respektvoll und ehrenhaft«, sagte Butsuma. »Betrittst du einmal ein Schlachtfeld, wirst du auch entsprechend behandelt, ganz ungeachtet deines Alters. Unsere Kinder zu fähigen Shinobi zu erziehen, ist wahre elterliche Liebe.« Hashirama konnte natürlich seinen Mund nicht halten. »Man kann also nur durch den Tod ein Shinobi werden? Das ist doch alles totaler Blödsinn! So geht das doch immer nur weiter und weiter und wir schlachten uns alle sinnlos ab! Ich darf ja noch nicht einmal sagen, wer ich eigentlich bin! Deine Vorstellung von Shinobi ist totaler Mist!« Butsuma holte erneut mit der Faust aus. »Ich muss mir so einen Unfug eines dummen Bengels nicht anhören!« Tobirama ertrug es nicht länger. Er konnte nicht länger schweigen. Er warf sich zwischen seinen Bruder und Butsuma und breitete die Arme aus. Wundersamerweise hielt Butsuma inne. Er wirkte überrascht. Hatte er etwa nicht damit gerechnet, dass ausgerechnet Tobirama Gegenwehr leisten würde? »Bitte vergeben Sie ihm, chichi-sama«, sagte Tobirama mit so viel Ruhe, wie er nur irgendwie aufbringen konnte. Er überraschte sich selbst damit. »Anija ist sehr aufgewühlt heute.« Butsuma starrte ihn an. Er richtete sich wieder auf und überspielte seinen Wutausbruch, indem er die Finger seiner Faust knacken ließ. »Du musst deine Worte mit mehr Bedacht wählen, Hashirama.« Und das war alles, was er noch dazu zu sagen hatte. Später schlichen sich die drei Brüder fort vom Begräbnis, sobald sich die Gelegenheit ergab. Sie ertrugen es keinen Augenblick länger hier. Hashiramas Wange war geschwollen, und Tobirama erwartete noch immer, ebenfalls ein blaues Auge oder gar schlimmeres zu kassieren. Doch es kam nicht dazu. Butsuma schien nicht einmal zu bemerken, dass sie fort waren. Für ihn zählte nur, dass der Sohn, in den er seine Hoffnungen gesetzt hatte, nun tot war. Die Brüder flüchteten sich zu ihrer Lichtung, ihrem geheimen Rückzugsort, den sie nur für sich hatten. Aber ohne Kawarama fühlte es sich irgendwie falsch an. Mit jedem Moment wurde Tobirama daran erinnert, dass etwas Gewaltiges fehlte. Es war falsch. Von Grund auf falsch. Hashirama schmorte stumm vor sich hin, er atmete förmlich Trotz, während er sich seine Wange rieb. Er heilte schneller als alle anderen, trotzdem würde das sicher noch eine Weile weh tun. Itama hatte schon wieder mit Tränen zu kämpfen, versuchte aber, sie zurückzuhalten. Und Tobirama … Er dachte lieber nicht mehr über all das nicht, was passiert war. Das dumpfe Geräusch von Erde, die auf Holz auftraf. »Erwachsene sind dämlich«, sagte er. »Wenn sie wirklich zu einer Einigung kommen wollen, müssen sie sich zusammensetzen, statt sich immer nur zu bekämpfen. So bringen sie das nie zu einem Ende.« Itama rieb sich über die Augen. Sie waren noch immer gerötet. »Aber was ist mit unseren Toten? Wir sind es ihnen schuldig, sie zu rächen, nicht wahr? Da können wir uns doch nicht mit denen zusammensetzen, die sie getötet haben.« »Schlag dir sowas lieber schnell aus dem Kopf oder du liegst bald auch unter der Erde«, sagte Tobirama scharf. Hashirama schwieg und verriet nichts von seinen Gedanken. Keiner von ihnen ahnte, wie prophetisch Tobiramas Worte sein sollten. Nächstes Kapitel: Die Tragödien enden hier nicht. -------------------- 4. Kapitel: Kapitel 4 -------------------- Kapitel 4CN Misgendering, Gewalt gegen Kinder, Kindersoldaten, Verlust von Familienangehörigen, TrauerTobirama fand lange keinen Schlaf. In dem Moment, in dem er die Augen schloss, sah er die Erde, die das in das Holz eingeritzte Clansymbol bedeckte. Also lag er wach und dachte nach und versuchte irgendwie das wirre Chaos an Gedanken in seinem Kopf zu ordnen. Warum hatte das passieren können? Wer erlaubte so etwas? Und waren Tobirama wirklich die Hände gebunden? Hätte er etwas ändern können, wenn Butsuma es ihm nur erlaubt hätte? Stimmte es, dass man nur dann ein Shinobi war, wenn man auf dem Schlachtfeld starb? Als ganzer Mann hatte es Butsuma genannt. Hieß das dann nicht auch, dass Tobirama niemals ein Junge sein konnte? Wo blieben eigentlich Hashirama und Itama ab? Es war schon spät. Butsuma hatte mit ihnen reden wollen, aber was konnte da so lange dauern? Sonst gab er sich selten so lang mit seinen Kindern ab außer, um sie zu trainieren. Was natürlich Tobirama ausschloss, ihm würdigte Butsuma kaum einen zweiten Blick. Tobirama drehte sich auf die andere Seite und lauschte auf die Geräusche im Haus. Doch bis auf das leise Trippeln einer Maus im Gebälk über ihm war nichts zu vernehmen. Sakura schlief sicher auch schon längst. Oder lag sie ebenso wach wie Tobirama und versuchte, jeden Gedanken an das Geschehene zu verdrängen? Er meinte, Stimmen zu vernehmen. Sie klangen aufgebracht. Kurzentschlossen schlug er die Decke zurück und schlich sich aus dem Zimmer. Das Haus war dunkel, doch als Tobirama den Stimmen folgte, sah er, dass in Butsumas Arbeitszimmer noch Licht brannte. Leise schlich er sich näher und kniete sich neben die Tür, um zu lauschen. »Das kannst du nicht machen, Vater!«, begehrte in diesem Moment Hashirama auf. Wenn er Butsuma schon ständig widersprechen musste, sollte er ihn besser ein wenig respektvoller ansprechen. Nicht, dass Butsuma es verdient hätte, aber es würde ihn zumindest etwas milder stimmen. »Itama wird Kawaramas Platz einnehmen«, sagte Butsuma unnachgiebig. »Ich habe ja sonst keine Söhne, die zu irgendwas taugen würden.« »Das stimmt nicht!«, protestierte Hashirama. »Wenn du mich schon nicht ausstehen kannst, dann denk wenigstens an Tobirama. Er …« Butsuma unterbrach ihn mit einem unwirschen Schnauben. »Pah! Ein Mädchen taugst zu nichts weiter, als Kinder in die Welt zu setzen. Sie bekommt eine angemessene Mitgift und wird verheiratet, sobald sich ein vorteilhaftes Bündnis mit einem anderen Clan ergibt.« Tobiramas Kehle schnürte sich zu. Er sollte es gewohnt sein. Er sollte eigentlich wissen, wie sein Vater von ihm dachte. Und doch schmerzten diese Worte mehr als jede Wunde, die eine Waffe schlagen könnte. »Nii-san«, piepste Itama. »Nicht.« »Tobirama ist dein Sohn, genau wie Itama und ich!«, konterte Hashirama energisch und ignorierte Itamas Einwurf. »In deiner Ignoranz verschwendest du nur einen willigen und fähigen Kämpfer. Du weißt, dass wir jede Klinge gebrauchen können. Warum sonst bist du so versessen darauf, Kinder zum Sterben fortzuschicken?« »Schweig!«, fuhr Butsuma ihn an. »Oder muss ich dich erst windelweich prügeln, bis du endlich lernst, wo dein Platz steht? Itama wird Kawaramas Platz einnehmen. Das ist mein letztes Wort in der Sache. Geht.« Tobirama schlich sich eilig zurück, bevor Butsuma ihn beim Lauschen erwischen konnte. Kurz darauf kamen auch Hashirama und Itama ins Zimmer. Itama wirkte verängstigt, Hashirama machte vor allem einen verärgerten Eindruck. Er hatte einen Arm schützend um Itamas Schultern gelegt und führte Itama zu seinem Bett, wo er ihn auf das futon setzte und ihn dann in seine Decke wickelte. »Soll ich dir noch einen Tee mit Honig bringen, otōto?«, fragte Hashirama. Itama schniefte und schüttelte den Kopf. Schweigend kuschelte er sich an Hashirama. Tobirama setzte sich zu ihnen und umarmte Itama. »Ich hab gehört, was ihr mit Butsuma beredet habt«, gestand er. Seinen Brüdern konnte er es ja sagen. »Tut mir leid, dass du das mit anhören musstest«, sagte Hashirama. »Butsuma ist so gemein zu dir und Itama. Der soll euch in Ruhe lassen.« »Ich wünschte, Mutter würde sich mehr für uns einsetzen«, murmelte Tobirama. »Wir sind zwar zu vie… zu dritt, aber gegen Butsuma haben wir keine Chance, so lange wir nicht viel stärker geworden sind und er uns endlich anerkennen muss.« »Was kann sie schon machen? Sie ist eine Frau«, gab Itama zu bedenken. »Na und? Tōka doch auch uns sie darf sogar kämpfen«, konterte Tobirama. »Es ist dämlich, Menschen in Kategorien zu stopfen und ihr ganzes Leben davon bestimmen zu lassen«, sagte Hashirama bestimmt. Er umarmte seine Brüder fester. »Ich pass auf euch auf, versprochen.«   Sakuras schriller Schrei hallte durch das Haus. »Du Monster! Nicht mein Baby! Lass mein Baby in Frieden! Du bekommst Itama nicht!« Hashirama und Tobirama kauerten in einer Ecke und beobachteten den Streit ihrer Eltern, darauf bedacht, nicht ins Kreuzfeuer zu geraten. Hashirama machte dennoch den Eindruck, als sei er bereit, jeden Augenblick an die Seite ihrer Mutter zu springen. Butsuma war es sichtlich unangenehm, Sakura in Tränen aufgelöst zu sehen, und sich ihrer Versuche erwehren zu müssen, auf ihn einzuschlagen. Noch wurde er nicht grob, sie von sich zu schieben, aber das war nur eine Frage der Zeit. »Weib, nun sei endlich still«, knurrte er. »Itama ist alt genug dafür. Er ist jetzt ein ganzer Mann.« Sie schlug auf seinen Arm ein. »Du hast mir bereits Kawarama genommen! Noch eines meiner Kinder bekommst du nicht!« »Sie sind nicht deine Kinder«, sagte er. »Deine Aufgabe war es, sie zu gebären und zu nähren, nichts weiter. Jetzt sind sie Shinobi des Clans und erfüllen ihre Aufgabe.« Dann würdest du mich ebenfalls kämpfen lassen, dachte Tobirama verbittert. »Sie sind Kinder«, schrie Sakura. »Selbst Hashirama! Kein Kind sollte das Töten lernen müssen!« Sie riss an seinem haori. Er schlug ihr mit der flachen Hand ins Gesicht. Sakura taumelte zu Boden und hielt sich die Wange. Mit weit aufgerissenen Augen, in denen die Angst stand, starrte sie zu ihm auf. »Shinobi leben, um für ihren Clan zu kämpfen und zu sterben«, knurrte Butsuma. Seine Hände waren zu Fäusten geballt. »Das ist der Lauf der Dinge. Akzeptiere es oder nicht, aber ändern wirst du ohnehin nichts.« Mit diesen Worten stapfte er aus dem Raum. Als sie sicher war, dass er gegangen war, raffte Sakura ihren Kimono und eilte zu ihren Söhnen. Sie fiel neben ihnen auf die Knie und zog sie in ihre Arme. Tobirama bemerkte, dass seine Mutter zitterte, und erwiderte die Umarmung. Sakura weinte stumm. Tobirama schmiegte sich an sie, fühlte ihre Wärme, roch ihren Duft und wusste nicht, ob er ihr Trost spenden sollte oder selbst Trost brauchte. Vielleicht beides. Sie hielten sich gegenseitig. Für einen winzigen Moment fiel all die Spannung von ihm ab. »Itama kommt bestimmt zurück«, sagte Hashirama leise. »Seine Mission ist nicht allzu schwer, er schafft das schon.« »Hashi-chan, nicht«, unterbrach Sakura ihn. Sie drückte ihm tausend Küsse auf das Haar. »Sei bitte einmal nur mein Kind. Nichts weiter. Nur mein Kind. Nicht der kleine Erwachsene, den Butsuma euch einprügelt.« »Aber, Mama.« Hashiramas Stimme brach. »Es ist nicht deine Aufgabe, diese Familie zusammenzuhalten«, sagte sie ihm. »Ich bin eure Mutter. Ich bin doch eure Mutter.« Tobirama wusste nicht, was er sagen sollte, also schwieg er, umarmte seine Mutter und wurde von ihr umarmt.   Itama kehrte nicht von seiner Mission zurück, nicht am nächsten Tag und auch nicht auf den darauf folgenden. Tobirama belauschte die Shinobi in der Siedlung, um jedes bisschen Information aufschnappen zu können, das er fand. Es war viel los derzeit, ständig gingen Shinobi ein und aus. Es war eine Zeit intensiver Konflikte. Die Feinde der Senju setzten sich in Bewegung und Butsuma zog aus, um ihnen zu begegnen. Immer wieder kam es zu Scharmützeln, auch mit den Hagoromo, aber vor allem den Uchiha, ihren Erzfeinden. Sakura fiel mehr und mehr in sich zusammen. Ihre Haut wurde blass und tiefe Schatten zeichneten sich unter ihren Augen ab. Tobirama wusste, dass sie kaum noch schlief oder aß. Es hatte mit Kawaramas Tod angefangen und wurde nur schlimmer mit Itamas Verschwinden. Niemand wollte es aussprechen, doch sie gingen vom Schlimmsten aus. Es auszusprechen, würde es nur Realität werden lassen. Als drei Tage ohne ein Wort von Itama vergangen waren, hielt es Hashirama nicht mehr aus. »Ich werde Itama suchen gehen«, verkündete er. »Ich verbiete es dir«, sagte Butsuma natürlich sofort. »Ich brauche jeden Mann, den ich kriegen kann, und kann dich nicht an eine unnütze Mission verschwenden. Ich habe niemanden, den ich mit dir gehen lassen kann.« »Das ist nicht unnütz!«, begehrte Hashirama auf. »Dann lass mich anija begleiten«, platzte es aus Tobirama heraus. Noch im selben Moment wollte er die Worte zurück in seinen Mund stopfen. Butsumas strenger Blick richtete sich das erste Mal in diesem Gespräch auf ihn. »Ein Mädchen?« Er schnaubte. »Was hast du dir da wieder für Flausen in den Kopf gesetzt. Du bleibst hier, wo dein Platz ist.« Jetzt war es zu spät, um noch einen Rückzieher zu machen. Tobirama drückte die schmächtigen Schultern durch. »Ich kann kämpfen, ich beherrsche Ninjutsu und außerdem besitze ich Sensorfähigkeiten. Ich kann dir als Shinobi nützen, wenn du mich nur lässt.« Butsuma griff ihm grob in seine Haare. Tobirama musste einen Schmerzenslaut unterdrücken und wehrte sich vergebens gegen den Griff. »Schlimm genug, dass du deine Haare so verschandelt hast«, knurrte Butsuma. »Du nützt mir vor allem als Unterpfand für ein Bündnis mit einem anderen Clan, aber das scheint dir ja egal zu sein. Das ist dein Platz im Clan und kein anderer, aber das versuchst du ja immer wieder zu sabotieren. Wer will schon eine Ehefrau, die denkt, sie sei ein Shinobi.« »Bei den Uchiha kämpfen auch Frauen!« Das waren die falschen Worte. Butsuma riss kräftig an seinen Haaren und warf ihn damit zu Boden. Hashirama kniete sofort neben ihm, um seine Schmerzen zu lindern. Butsuma warf ihnen die Haarbüschel, die er Tobirama ausgerissen hatte, hinterher. »Denk nicht mal dran, deiner Schwester zu helfen«, befahl Butsuma. »Sie soll endlich lernen, wo ihr Platz im Leben ist.« »Tobirama ist mein Bruder!«, schleuderte Hashirama ihm entgegen. Er wollte noch mehr sagen, doch Butsuma unterbrach ihn. »Ich will von diesem Unfug nichts mehr hören, habt ihr verstanden? Und du, Hashirama, wirst hier bleiben. Entweder Itama kommt zurück oder nicht und dann ist jede Mühe an ihm ohnehin verschwendet.« Ohne ein weiteres Wort wandte er sich ab und ließ die beiden Kinder allein. Tobirama rieb sich die schmerzende Kopfhaut und biss fest die Zähne zusammen. Er hielt mit aller Macht die Tränen zurück. Butsumas Worte schmerzten mehr als seine Taten. Er musste es doch gewohnt sein von diesem Mann. Warum tat es dann so weh? Ungeachtet von Butsumas Worten hielt Hashirama trotzdem seine Hände über Tobiramas Kopf. Sie begannen grünlich zu leuchten und der Schmerz ließ schon bald wieder nach. »Ich werd Itama finden und sicher wieder nach Hause bringen«, versprach Hashirama. »Allein?«, fragte Tobirama. Hashirama nickte. Ein entschlossener Ausdruck trat in seinen Blick. »Notfalls auch allein. Aber ich kenn ein paar, die mich begleiten würden, wenn ich sie frage, da bin ich mir sicher.« »Lass mich dich begleiten«, bat Tobirama. Sein Bruder schüttelte den Kopf. »Bleib besser hier, dann ist mir wohler.« »Ich bin kein Mädchen, das nur zuhause rumsitzt und heult«, zischte Tobirama. »Nein, nein, natürlich nicht«, beeilte sich Hashirama zu sagen. »Aber wenn du sicher zu Hause bist, dann weiß ich, dass du in Sicherheit bist und ich mich nicht auch um dich sorgen muss. Verstehst du das?« Zögernd nickte Tobirama. Er schluckte die bittere Pille und akzeptierte es. Hashirama umarmte ihn. »Alles wird gut, ich versprech‘s dir.«   Doch nichts wurde gut und Hashirama brach sein Versprechen. Er kehrte mit Itama heim, doch in seinen Armen hielt er lediglich einen leblosen Körper. Von da an wurde es gespenstisch ruhig im Haus. Wenn Sakura einen Laut vernehmen ließ, dann weinte sie, und Tobirama verstummte gänzlich. Welchen Sinn hatten Worte jetzt noch? Er hatte so lang geredet und darum gebettelt, selbst aktiv zu werden. Immer und immer wieder war es ihm verwehrt worden. Warum also noch darum kämpfen? Zwei seiner vier Brüder waren tot und er hatte nichts dagegen unternehmen können. Er verlor seinen Appetit und wenn er überhaupt aß, dann bekam er lediglich ein paar Bissen hinunter. Er wurde zu einem Abbild seiner Mutter. Sakura schien jeglichen Lebenswillen verloren zu haben, und allmählich färbte sich ihre Stimmung auch auf die verbliebenen Bewohner des Hauses ab. Butsuma floh auf das Trainingsfeld und schleifte Hashirama mit sich, der das erste Mal in seinem Leben dem nicht gänzlich abgeneigt schien. Tobirama blieb zurück in einem Haus, das von Geistern bewohnt schien. Es verging ein Monat, bis sich plötzlich etwas daran änderte. Butsuma verlangte explizit nach Tobirama. Das an sich war schon ungewöhnlich genug, doch als Tobirama erfuhr, worum es dabei ging, wurde es immer seltsamer. Butsuma kniete hinter seinem Schreibtisch und musterte Tobirama von oben bis unten. »Du behauptest also, du würdest Ninjutsu beherrschen und ein Sensor sein. Zeig es mir.« Tobirama sah ihn irritiert an. »Äh, hier? Jetzt?« »Nein, natürlich nicht«, knurrte Butsuma. »Wir gehen nach draußen.« Tobirama beeilte sich, Butsuma zu folgen. Nicht weit vom Haus befand sich ein Übungsfeld, auf dem einige Trainingsposten und Zielscheiben standen, die vom reichlichen Gebrauch schon recht ramponiert aussahen. Butsuma baute sich mit verschränkten Armen vor Tobirama auf. »Los, zeig mir ein Jutsu.« Tobirama verstand zwar noch nicht so wirklich, warum Butsuma jetzt plötzlich gewillt war, sich darauf einzulassen, aber ihm war klar, dass das seine Chance war, endlich einmal zu beweisen, das er genauso in der Lage war, ein Shinobi zu sein, wie alle anderen auch. Die Gründe dafür konnten ihm erst einmal egal sein. Er sammelte sein Chakra und formte eine Reihe von Fingerzeichen, wie er es von Tōka gelernt hatte. Um das ganze noch etwas eindrucksvoller zu gestalten, nahm er lediglich sein eigenes Chakra für sein Suiton, immerhin musste er hier beweisen, wie fähig er war. Mit dem Wasser erzeugte er ein Suitongeschoss und feuerte es auf die am weitesten entfernte Zielscheibe ab. Das Geschoss schlug glatt hindurch, mitten durch das Zentrum. »Hmpf«, machte Butsuma. »Na ja, muss genügen.« »Genügen? Für was?«, fragte Tobirama sogleich. Das war doch ein exzellenter Schuss gewesen! »Ich erlaube dir zu trainieren.« Tobirama musste sehr an sich halten, nicht einen Jubelruf auszustoßen und seine Freude zu zügeln. Endlich! Endlich durfte er sein Potenzial nutzen! Kein heimliches Davonschleichen mehr, kein Klauen von Schriftrollen aus den Archiven, immer in der Furcht, erwischt zu werden. Jetzt konnte er endlich wirklichen Fortschritt erzielen. Hashirama nahm die Kunde mit Freude auf, doch Tobirama konnte spüren, dass noch etwas anderes Hashirama auf dem Herzen lag. Er war mit den Gedanken woanders. Tobirama war nicht entgangen, wie sein Bruder in letzter Zeit immer weniger zu Hause gewesen war. Nicht nur, weil Butsuma ihn trainierte. Oftmals war Hashirama nicht einmal in der Siedlung und manchmal kam er sogar erst lange nach Einbruch der Dunkelheit wieder. Er schien sich nicht bewusst zu sein, dass Tobirama das bemerkt hatte, und so schwieg Tobirama für den Moment und beobachtete weiter stumm. Wo trieb sich Hashirama nur herum? Er wusste doch, wie gefährlich es allein außerhalb der Siedlung war. Als Tobirama die Schrammen entdeckte, die Hashirama unter seiner Kleidung zu verbergen versuchte, meinte er, eine Idee zu haben, was los war. Hashirama trainierte heimlich mit irgendwem. Aber wer war diese Person? Und warum sagte Hashirama seinem Bruder nichts davon? Vorläufig blieben diese Fragen unbeantwortet, und Tobirama konzentrierte sich auf sein eigenes Training. Unter richtiger Anleitung machte er rasch große Fortschritte. Er besaß den Ehrgeiz und Willen, allen zu beweisen, dass er zu den Besten gehörte. Der junge Shinobi, der ihm zugeteilt worden war, um sein Training zu übernehmen, war anfangs nicht wirklich begeistert davon und nannte es Verschwendung seiner Zeit. Tobirama brauchte genau eine Woche, um ihn in Grund und Boden zu prügeln, weil er ihn unterschätzte. Danach nahm der Kerl ihn ernst. Je öfter andere Shinobi des Clans ihn trainieren sahen, umso mehr gewöhnten sie sich an seinen Anblick. Es gab eine Menge Getuschel und Tobirama schnappte das eine oder andere unschöne Wort auf, versuchte aber, es so gut es ging zu überhören. Zumindest verstand er jetzt Tōka wesentlich besser. Tōka selbst wirkte hellauf begeistert, als sie Tobirama das erste Mal auf den Trainingsfeld sah. Wenn schon niemand sonst hier an ihn glaubte, so stand sie von Anfang an hinter ihm und unterstützte ihn lautstark. Wenn irgendwer aus der Reihe tanzte, war sie meist sofort zur Stelle, um ihn wieder an seinen Platz zu verweisen. Butsuma hatte sie jüngst zum Kommandeur befördert und das brachte ihr einigen Respekt ein. Tobirama entging nicht, wie auch endlich mehr und mehr Leute anfingen, Tōka als Frau zu respektieren. Sie hätte darum nicht so hart kämpfen müssen, ihr hatte das von Anfang an zugestanden, aber vielleicht änderten sich jetzt endlich ein paar Dinge zum Besseren. Mit der Klinge in der Hand fühlte sich Tobirama endlich wie er selbst. Jetzt durfte er endlich machen, zu was er sich berufen fühlte. Jetzt endlich durfte er dazu beitragen, dass die Dinge sich zum Besseren für den Clan wandten. Butsuma hatte Unrecht, wenn er behauptete, Tobiramas Daseinszweck im Leben bestand einzig und allein darin, Kinder in die Welt zu setzen. Tobirama verstand aber auch, warum Butsuma ihm all das überhaupt erlaubt hatte. Der Clan blutete aus. Immer mehr Shinobi starben oder wurden verkrüppelt und allmählich fielen die Senju hinter ihren Feinden zurück. Tōka äußerte sich immer wieder besorgt darüber und wie dringend notwendig es sei, neue Bündnisse und Taktiken zu suchen. Kurzum: Butsuma benötigte jeden Kämpfer, den er kriegen konnte. Er wurde allmählich verzweifelt. Nächstes Kapitel: Tobirama macht eine folgenschwere Entdeckung. -------------------- 5. Kapitel: Kapitel 5 -------------------- Kapitel 5  »Ich habe eine Mission für dich.« Tobirama blinzelte überrascht und sah Butsuma an. Ihm das Training erlauben, war eine Sache. Aber ihn so bald schon auf eine Mission zu schicken, war etwas völlig anderes. Vertraute er Tobirama etwas schon so weit, dass er ihm diese Verantwortung übertragen wollte? Nein, ihm blieb wohl vielmehr keine andere Wahl. »Worum geht es, chichi-sama?«, fragte Tobirama gehorsam. »Du hast sicher bemerkt, dass dein Bruder immer öfters abwesend ist«, sagte Butsuma. »Ich will wissen, wo er sich herumtreibt.« »Ich dachte, er sei auf deinem Befehl hin weg«, log Tobirama glatt, während sein Hirn raste. Butsuma wollte, dass er seinen eigenen Bruder ausspionierte? »Nein, das ist er nicht«, sagte Butsuma bestimmt. »Du weißt, wie aufmüpfig dein Bruder ist. Wenn er unsere Geheimnisse an den Feind weitergibt, muss ich das wissen.« Tobirama erstarrte. Das würde Hashirama niemals machen! »Wenn du diese Mission zu meiner Zufriedenheit erfüllst, dann akzeptiere ich dich als Shinobi. Du hast eine Woche Zeit.« Für einen Moment hörte die Welt auf, sich zu drehen. Tobirama verneigte ich. »Ich werde mein Bestes geben.« Butsuma nahm es mit einem Brummen hin. Tobirama schlich sich davon. Was sollte er nur tun? Butsuma verlangte von ihm, seinen eigenen Bruder auszuspionieren, der einzige in seiner Familie, der wirklich zu ihm hielt. Aber wenn er Butsuma nicht gab, was er wollte, würde Tobirama niemals ein Shinobi sein können. Dann würde er bis ans Ende seines Lebens mit Schwertern spielen dürfen, aber auch nicht mehr. Hashirama kam an diesem Tag mit ungewöhnlich guter Laune heim. Während der Rest von ihnen sich noch immer von Tag zu Tag schleppte, von Alptraum zu Alptraum, schaffte er es irgendwie, sich sein Lachen zu bewahren. Oder war es nur sein Weg, um mit den Schrecken ihres Lebens zurecht zu kommen? Tobirama war bereits im Bett, lag aber noch wach, als Hashirama in ihr Zimmer schlüpfte. Jetzt, wo sie es nur noch zu zweit teilen mussten, wirkte es so schrecklich leer und nichts hatte diese Leere füllen können. Es war die physische Manifestation dessen, was Tobirama in sich drinnen fühlte. Was sollte er nur tun? Er beobachtete seinen Bruder. Hashirama hatte bemerkt, dass Tobirama noch wach war. Statt also seine Kleidung zu wechseln und seinen yukata für die Nacht überzuziehen, setzte er sich zu Tobirama an das futon. Tobirama setzte sich auf. Im Zimmer brannte kein Licht, doch ihnen reichte das Licht des hereinfallenden Mondlichts. »Wo bist du gewesen?«, wisperte Tobirama, um niemanden im Haus zu wecken. Hashirama ging nicht darauf ein. »Otōto, ich brauch deine Meinung, du bist doch so schlau. Was braucht es, um wirklichen Frieden zu schaffen?« Tobirama runzelte die Stirn und dachte einen Moment lang darüber nach. »Es braucht Regeln, an die sich alle halten und die unbedingt befolgt werden müssen. Die Regeln dienen dazu, eine Gemeinschaft zu schützen.« »Eine Gemeinschaft aus verschiedenen Clans, die alle zusammenarbeiten, meinst du das?«, hakte Hashirama nach. Tobirama nickte. »Ja. Sie ziehen alle an einem Strang und weil sie alle dasselbe Ziel haben, haben sie keinen Grund, Feindschaft untereinander aufkommen zu lassen.« »Meinst du, das ist möglich? Wie kriegen wir zwei derzeit befeindete Clans dazu, zusammenzuarbeiten?« Hashirama sah ihn mit großen braunen Augen an. Tobirama zuckte mit den Schultern. »Ich weiß es nicht. Die Erwachsenen müssten sich wohl zusammensetzen und ernsthaft miteinander reden.« »Aber wir kriegen sie nicht dazu, solange wir nicht stark genug sind, damit sie uns Gehör schenken. Also müssen wir mehr trainieren, kleiner Bruder!«, verkündete Hashirama und war anscheinend der Meinung, etwas großartiges gesagt zu haben. Tobirama schwieg und ließ ihm seine Freude. Butsumas Worte gingen ihm wieder durch den Kopf. Hashirama lag nicht falsch, sie mussten stärker werden, damit sie Gehör im Clan erhielten. Aber damit Tobirama stärker wurde, musste er seinen Bruder verraten. Wie konnte er das nur lösen? Vielleicht sollte er erst einmal selbst herausfinden, wo sich Hashirama dieser Tage herumtrieb, und anhand dessen entscheiden, wie er weiter verfuhr. Mit dieser Erkenntnis fand er endlich Ruhe in dieser Nacht.   Zum ersten Mal in seinem Leben setzte Tobirama seine Sensorfähigkeiten bewusst ein, um jemanden aufzuspüren. Das Chakra seines Bruders war ihm bereits so vertraut, dass es ihm nicht schwer fiel, es auch auf große Entfernung auszumachen. Mit Tōka hatte er viel daran gearbeitet, seine Sinne zu schärfen und laut ihr bereits eine beachtliche Reichweite erreicht, die sogar noch ausbaufähig war. Hätte er seine Brüder retten können, wenn Butsuma ihm nur erlaubt hätte, gemeinsam mit Kawarama zu trainieren? Er folgte Hashirama tief in den Wald hinein, fast bis an den Rand ihres Clangebiets. Seine Fähigkeit warnte ihn vor, sollten Feinde in der Nähe sein und zusätzlich achtete er darauf, dass sein Bruder ihn nicht bemerkte. Es fühlte sich falsch an, aber er hatte ja nicht zwingend vor, Butsuma zu berichten, sagte er sich. Er wollte nur sehen, was hier eigentlich vor sich ging. Und herausfinden, warum sein eigener Bruder Geheimnisse vor ihm hatte. Es war schon ein wenig verletzend, wenn er so darüber nachdachte. Sie verheimlichten doch sonst nie einander etwas. Hashirama verweilte am Ufer des Flusses, der hier durch die Gegend floss, und schien zu warten. Tobirama blieb in sicherer Entfernung und harrte der Dinge, die da kommen mochten. Er musste nicht lange warten, bald schon gesellte sich ein zweites Chakra zu dem seines Bruders. Tobirama runzelte die Stirn. Es war fremd. Mittlerweile hatte er ein gutes Gespür für all die Chakren der Clanmitglieder. Auch wenn Hashiramas erdiges Chakra aus der Masse herausstach, hatten die Senju doch im großen und ganzen ein recht ähnliches Charka. Dieses hier aber war völlig fremd, nichts, das Tobirama bei irgendwem des Clans bemerkt hätte. Es war stark, fast auf demselben Level wie Hashiramas, und brannte wie Feuer. Nein, wie ein ganzes Inferno, ein Flammenmeer, das den gesamten Wald niederbrennen könnte, wenn es entfesselt werden würde. Tobirama war schon drauf und dran, seine Deckung zu verlassen und seinem Bruder zur Hilfe zu eilen, als er bemerkte, dass die fremde Person und Hashirama gar nicht daran dachten, miteinander zu kämpfen, jedenfalls nicht in einem echten Kampf. Vorsichtig schlich Tobirama näher und konnte nun durch das Laub erkennen, was da wirklich vor sich ging. Hashirama spielte mit einem fremden Jungen im seichten Ufer des Flusses. Sie planschten umher und bespritzten sich gegenseitig mit Wasser. Das Spiel schien keinen spezifischen Regeln zu folgern anders als den anderen möglichst nass zu machen. Sie lachten viel dabei. Tobirama wusste nicht, was er davon halten sollte. Der fremde Junge war definitiv kein Senju. Er kannte jeden im Clan und niemand sah diesem Jungen auch nur ähnlich. Er musste also aus einem anderen Clan stammen. Und doch machte es den Eindruck, als würde Hashirama ihn gut kennen. Wie konnte das nur sein? Hatte Hashirama sie wirklich verraten? Tobirama verblieb noch eine ganze Weile auf seinem Beobachtungsposten und verfolgte, wie Hashirama und der Junge sich erst ausgiebig durchnässten und dann am Ufer ein Bad in der Sonne nahmen. Auf die Entfernung konnte er nicht verstehen, was sie beredeten, und es war auch zu weit weg zum Lippenlesen. Nachdem sie wieder trocken waren, gingen sie zu einem Übungsduell über, und Tobirama erkannte schnell, dass dieser fremde Junge Hashirama quasi ebenbürtig war. Wer war er nur? Kaum jemand war so stark wie Hashirama, schon gar nicht in diesem Alter. Er hatte genug gesehen. Das war Beweis genug, dass Hashirama sich wirklich heimlich mit jemandem traf und vielleicht sogar Geheimnisse mit ihm ausgetauscht hatte. Tobirama blieb keine andere Wahl mehr, er musste es Butsuma berichten. Er begab sich eilig auf den Rückweg. Wenn er richtig vermutete, würde Hashirama ohnehin noch eine ganze Weile hier bleiben. Das ließ ihm genug Zeit für seinen Report bei Butsuma. Butsuma zeigte sich erstaunt, dass Tobirama so schnell schon Ergebnisse lieferte. »Na schau an, du scheinst ja doch ein klein wenig Talent zu haben. Beschreibe mir diesen Jungen.« Ein klein wenig Talent nur? Tobirama knirschte mit den Zähnen und antwortete dann doch. »Er war recht bleich mit mit wildem schwarzen Haar. Seine Augen waren ganz dunkel, fast schwarz, und er trug einen schlichten schwarzen yukata. Er hat mit anija trainiert und beide waren sie quasi gleichstark. Sie haben kein Ninjutsu angewendet, nur Taijutsu, aber sein Chakra fühlte sich ähnlich stark an wie das Hashiramas.« Butsuma wurde hellhörig. »Wie genau hat es sich angefühlt?« »Wie Feuer.« Tobirama musterte Butsuma. »Kennen Sie diesen Jungen?« Zu seiner Verblüffung nickte Butsuma. »Ja. Wen du da beschreibst, ist Uchiha Madara, der älteste Sohn des Anführers der Uchiha, Tajima. Er hat einen jüngeren Bruder, Izuna, und beide haben sie sich schon einen Namen gemacht. Sie haben mehrere unserer Leute getötet, allesamt talentierte Shinobi. Wer das in so jungen Jahren schafft, kann nicht unbegabt sein.« Tobirama starrte Butsuma an. Hashirama konspirierte mit einem Uchiha? Wie konnte das nur sein? Das würde er doch nie tun! Wie konnte Hashirama sie alle nur so verraten? »Das hast du sehr gut gemacht, Tobirama. Du hast mich nicht enttäuscht.« Butsuma klang so schrecklich stolz, dass es in Tobirama beinahe die Galle hochkommen ließ. »Aber keine Sorge, wir können das zu unserem Vorteil nutzen. Wir werden dem Clan vorerst nichts davon sagen und Hashirama damit konfrontieren. Kein Grund, ihn gleich als Verräter zu brandmarken. Erst einmal soll er für uns Informationen über die Uchiha beschaffen. Das wird uns endlich den Vorteil verschaffen, den wir in diesem Krieg benötigen. Du und ich, wir werden seine Nachhut sein. Freu dich, Tobirama, du bist jetzt wirklich ein Shinobi, das wird deine Feuertaufe werden.« Doch die Freude fühlte sich schal an.   Hashirama hatte keinen Ton mehr gesagt, seit Butsuma und Tobirama ihn zur Rede gestellt hatten. Zumindest nicht zu Tobirama. Für den ganzen restlichen Tag und auch den darauffolgenden hatte er seinen kleinen Bruder angeschwiegen, und es war eine eisige Kälte. Am Abend hielt es Tobirama nicht mehr aus. »Warum?«, fragte er in die Stille ihres Stimmers hinein. »Warum hast du das getan?« Unter der Decke, die sich Hashirama bis zu den Ohren hochgezogen hatte, rührte sich nichts. Er drehte Tobirama weiterhin den Rücken zu. »Anija?«, versuchte es Tobirama weiter. »Eigentlich müsste ich dich das fragen«, brummte Hashirama missmutig. »Ich will doch nur verstehen«, sagte Tobirama. »Er ist ein Uchiha. Es waren seine Leute, die unsere Brüder getötet haben.« »Ich weiß!«, fauchte Hashirama. »Warum also?« »Was interessiert dich das? Du hast doch nur an dich gedacht!« »Das stimmt überhaupt nicht!« »Wer ist es denn, der dafür endlich Butsumas Anerkennung bekommen hat, hm?« Tobirama öffnete den Mund und schloss ihn dann wieder. Hashirama zog die Decke noch weiter hoch. »Ich will mit dir nicht streiten. Ich will schlafen. Morgen wird schlimm genug.« Morgen, wo sie den Uchiha-Jungen konfrontieren würden. Tobirama legte sich ebenfalls hin, zog die Decke über die Ohren und versuchte, wenigstens etwas Schlaf zu finden. Sonderlich erfolgreich war er damit jedoch nicht und dämmerte erst in den Morgenstunden für einige wenige Stunden weg. Er fühlte sich wie gerädert, als er aufstand, und überhaupt nicht bereit für das, was ihnen bevorstand. Er quälte sich trotzdem aus dem Bett und nahm die Standardrüstung und das Schwert entgegen, die Butsuma für ihn bereit gelegt hatte. Das Schwert war groß genug, um für Tobirama beinahe schon als ōdachi durchgehen zu können, und auch die Rüstung war etwas zu groß. So war das eben, wenn man nur abgelegte Ware bekam. Anscheinend hatte er noch nicht genügend Wert, dass Butsuma es für nötig erachten würde, ihm maßgeschneiderte Rüstungen und Waffen zu überlassen. So etwas war immerhin kostspielig. Tobirama fühlte sich noch immer elend, als er an der Seite Butsumas durch den Wald huschte. Sie beschatteten Hashirama, der so tat, als wäre alles wie immer. Er wusste natürlich um die Anwesenheit seiner beiden Begleiter, sie hatten den Ablauf im Vorfeld gründlich durchgesprochen. Tobirama versuchte sich mit dem Gedanken zu trösten, dass sie, wenn alles nach Plan verlief, mit einer Menge wertvoller Informationen heimkehren würden. Das wäre doch etwas Gutes. Oder? Tobirama und Butsuma legten sich im Schatten der Bäume am Flussufer auf die Lauer. Wie zu erwarten gewesen war, tauchte bald darauf auch Madara am anderen Ufer auf und ließ gemeinsam mit Hashirama als ein Begrüßungsritual Steine über den Fluss springen. Dann jedoch wichen sie vom Plan ab. »Oh, mir fiel grad ein, dass ich noch was vergessen hab«, rief Madara über den Fluss. »Tut mir leid, ich muss gehen.« Hashirama hob die Hand zum Abschied. »Oh ja. Geht mir genauso.« Beide sprangen sie mit verräterischer Geschwindigkeit davon. »Diese Geschwindigkeit!«, rief Butsuma aus. »Hashirama muss ihn gewarnt haben. Tobirama, los!« Tobiramas Herz schlug ihm bis zum Hals und doch folgte er mit gezogener Klinge seinem Vater. Gemeinsam stürmten sie an Hashirama vorbei und Madara hinterher. Vielleicht konnten sie ihn ja doch noch gefangen nehmen. Sie waren nicht die einzigen mit diesem Gedanken. Zwei Shinobi versperrten ihnen mitten auf dem Fluss den Weg, beide das jüngere beziehungsweise ältere Ebenbild Madaras. Tobirama wusste sofort, wen er hier vor sich hatte. »So sieht man sich wieder, Uchiha Tajima«, sagte Butsuma. »Die Freude ist ganz meinerseits, Senju Butsuma«, erwiderte Tajima. »Yo, Tobirama, endlich treff ich dich mal«, sagte der Junge an Tajimas Seite. »Du bist Izuna, ich hab von dir gehört«, verkündete Tobirama. Izuna grinste frech. »Ich weiß, ich bin eine Berühmtheit.« Tobirama konnte ihn vom ersten Moment an nicht ausstehen, und das nicht nur, weil er ein Uchiha war. »Halt dein vorlautes Mundwerk, Izuna. Wir sind hier nicht zum Spaß«, wies Tajima ihn zurecht. Ihre Klingen blitzten im Sonnenlicht. Unter ihnen strömte der Fluss entlang, wie er es schon seit Urzeiten getan hatte und auch noch in vielen Äonen tun wurde. Senju und Uchiha standen sich gegenüber und belauerten einander. »Warum unnötige Worte verschwenden, ich will heute noch nach Hause kommen«, kommentierte Butsuma. Tajima lachte leise. »Ganz meine Worte. Ich hab heute noch was vor.« Tobirama griff als erstes an. Er schwang seine Klinge in einem weiten Bogen. Klirrend traf sie auf Izunas Wakizashi. Hatte er schon ein Sharingan? Tobirama wusste es nicht. Er vermied trotzdem besser Augenkontakt, wie er es gelernt hatte. Verbissen stemmte er sich gegen ihre gekreuzten Klingen. Er würde nicht nachgeben! Auch ihre Väter prallten aufeinander. Beide waren sie einander nicht fremd, in der Vergangenheit hatten sie sich immer mal wieder gemessen und wussten, dass sie annähernd gleich stark waren. Um die Oberhand zu gewinnen, mussten sie also den anderen ablenken. Dasselbe galt jedoch auch für Tobirama und Izuna. Tobiramas Hirn arbeitete auf Hochtouren. Welche Taktiken hatte er bereits gelernt? Welche konnte er hier anwenden? Mit seinem Schwert hatte er die größere Reichweite, er würde sie nutzen müssen. Also brachte er Abstand zwischen sich und Izuna, um ihn dann erneut anzugreifen. Aus dem Augenwinkel sah er etwas aufblitzen. Etwas Silbernes flog auf ihn zu, zu schnell, um noch auszuweichen. Ein helles Klirren, sogleich noch eines. Kunai, tantō und zwei Steine fielen ins Wasser und verschwanden in den Wellen. »Aufhören!« »Hört sofort auf damit!« Hashirama und Madara sprangen aus ihren Verstecken und stellten sich schützend vor ihre Brüder. Die Szene erstarrte. Das Wasser unter ihnen rauschte, der Wind raschelte in den Blättern der Baumkronen. »Ich kenne kein Erbarmen mit demjenigen, der meinen kleinen Bruder anrührt«, knurrte Madara. »Dasselbe gilt für mich«, erwiderte Hashirama fest entschlossen. Tajima schien das ganze erheiternd zu finden. »Drei gegen drei also, wie spannend. Worauf wartest du, Madara?« Zu Tobiramas Erstaunen jedoch wandte sich Madara seiner Familie zu. »Nein. Hashirama ist stärker als ich. Wenn wir jetzt kämpfen, verlieren wir.« Izuna gab einen erstaunten Laut von sich. »Ein Kind ist niemals stärker als du, Big Bro!« »Madara.« Hashiramas Stimme klang bittend, beinahe flehend. »Wir hatten doch all diese Ideen. Das kannst du doch nicht alles einfach so abtun.« »Es war schön, so lange es währte. Glaub mir, Hashirama.« Aus irgendeinem Grund klang Madara nicht verärgert. »Es war wirklich schön gewesen. Aber du bist ein Senju. Es waren Senju, die meine Brüder töteten, genauso wie es Uchiha gewesen waren, die deine töteten. Ich wünschte wirklich, du wärst kein Senju, aber du bist es. Ich bin Uchiha Madara, dass du es nur weißt.« Tobirama sah das erste Mal in seinem Leben ein echtes Sharingan. Keine schematische Zeichnung in den Archiven der Senju, die den Rekruten erklärte, was sie über ein Sharingan wussten und wie man es bekämpfte. Nein, das hier war echt. Zwei schwarze tomoe in einer blutroten Iris. »Ein Sharingan gerade erst erwacht?« Butsuma runzelte die Stirn. Tobirama wusste, was man sich darüber sagte. Wie die Emotionen der Uchiha direkt mit ihrem kekkei genkai verbunden waren und wie ihr Sharingan darauf reagierte. Es hieß, das Sharingan erhielt seine Stärke durch den Verlust geliebter Personen. Konnte das wirklich stimmen? Izuna fuchtelte aufgeregt in Madaras Richtung. »Schau, chichi! Big Bros Augen!« Tajima wirkte ausgesprochen zufrieden mit sich und der Welt. »Na immerhin. Dann war das hier ja nicht völlig um sonst.« Madara ignorierte sie. »Leb wohl, Hashirama.« Er hob zum Abschied die Hand. Die Geste hatte etwas Endgültiges. »Ich mein‘s wirklich so. Leb wohl.« Dann verschwanden sie in den Bäumen und ließen die drei Senju auf dem Fluss zurück. Hashirama sagte kein Wort und stand verloren da. So nah und doch so unerreichbar fern. Nächstes Kapitel: Wenn die Pubertät zuschlägt und Pubertätsblocker noch nicht erfunden wurden. -------------------- 6. Kapitel: Kapitel 6 -------------------- Kapitel 6CN Dysphorie, Menstruation, Erwähnen der Möglichkeit einer SchwangerschaftTobirama war gerade dreizehn geworden, als er eines Wintermorgens aufwachte und Blut in seinem Bett fand. Erschrocken sprang er auf und tastete seinen ganzen Körper ab, fand aber keine Wunden und bis auf ein leichtes Kneifen in seinem Unterleib fühlte er auch kein Unbehagen. Hashirama war von seinen hektischen Bewegungen sofort munter geworden und rieb sich den Schlaf aus den Augen. »Was ist los, otōto?« »Keine Ahnung!«, erwiderte Tobirama aufgebracht. »Da ist Blut an mir. Warum ist da Blut an mir? Ich hätte doch gemerkt, wenn jemand mich im Schlaf angegriffen hätte!« Das Blut war nicht nur im Bett, es rann auch seine Beine hinab. Wo kam es bloß her? Das war doch unmöglich, das konnte nicht aus dem Nichts kommen! Sofort war Hashirama hellwach und an Tobiramas Seite. Er tastete seinen Bruder ab, fand aber auch keine Wunde. Das war alles höchst sonderbar. »Ich hätte mit Sicherheit auch gemerkt, wenn jemand hier herein geschlichen wäre«, sagte Hashirama. »Das taucht doch nicht einfach so auf! Vielleicht ist es ein Genjutsu? Lösen! Hm, nein, auch nicht. Vielleicht hat sich doch irgendwer ganz Geschicktes hier herein geschlichen und dich mit Blut eingeschmiert. Oder vielleicht ist es auch einfach nur Farbe.« »Was soll das denn für ein bescheuerter Streich sein!«, begehrte Tobirama auf. Allmählich konnte er seine Unruhe nicht mehr verbergen. Etwas war hier ganz und gar falsch. »Außerdem ist das ganz sicher keine Farbe, das ist echtes Blut.« Sakura klopfte an ihre Tür. »Was ist denn los, Jungs? Ihr klingt ganz aufgeregt.« »Mama, schau!«, rief Hashirama sie herein. Als Sakura eingetreten war und die Tür wieder hinter sich schloss, fuhr er fort. »Tobirama blutet und wir wissen nicht warum. Was sollen wir nur machen?« Sakura trat zu Tobirama und musterte ihn. Er hob seinen yukata etwas an, um ihr den Schlamassel zu zeigen. Seltsamerweise lächelte Sakura daraufhin. »Hast du Unterleibsbeschwerden?«, fragte sie. Tobirama blinzelte irritiert. Wie hatte sie das denn erraten? »Äh, ja.« Sie tätschelte ihm den Kopf. »Na, das ist doch kein Grund für solch eine Panik. Tobi-chan, du hast deine erste Monatsblutung bekommen. Das ist was ganz normales, das passiert allen Mädchen in deinem Alter. Du kannst jetzt Kinder bekommen.« Falls das Tobirama beruhigen sollte, sorgte es eher für das genaue Gegenteil. »Aber ich bin kein Mädchen! Warum passiert mir das trotzdem? Wie kann ich machen, dass das wieder aufhört?« Selbst in seinen Ohren klang seine Stimme plötzlich ganz unangenehm hoch. Sakura kniete sich vor ihn hin und sah ihm fest in die Augen. »Du magst kein Mädchen sein, aber du hast trotzdem die Teile. Dein Körper ist dafür gemacht, eines Tages Kinder zu bekommen. Aber bitte las dir noch etwas Zeit, mich zur Oma zu machen, das ist wirklich zu früh. Du brauchst keine Angst zu haben, das ist was ganz normales. Du wirst jetzt ein paar Tage lang bluten, vielleicht eine Woche und dann ist es bis zum nächsten Monat wieder vorbei.« Tobirama hatte ernsthaft gegen Tränen zu kämpfen. Das klang alles so furchtbar und überhaupt nicht normal! »Jeden Monat?«, krächzte er. Sakura nickte und tätschelte ihm die Wange. »Das ist wirklich nicht schlimm. Wenn die Krämpfe zu stark werden, kenn ich ein Mittel dagegen.« Tobirama schluckte schwer, wollte etwas sagen und brach dann in Tränen aus. Er warf sich seiner Mutter in die Arme, die ihm sofort sanft den Rücken tätschelte. Er spürte, wie auch Hashirama ihm eine Hand auf die Schulter legte. Frauen bekamen Kinder. Niemals Männer. Warum verriet ihn sein Körper nur so sehr? »Ich weiß, das ist alles beim ersten Mal sehr aufwühlend und vielleicht auch ein bisschen beängstigend, aber das haben wir alle überstanden«, versuchte es Sakura weiter. »Komm, ich zeig dir ein paar Tricks und dann mach ich dir einen Tee.« Tobirama wischte sich die Tränen aus den Augen und warf einen unsicheren Blick zu seinem Bruder. Hashirama wirkte recht befangen und wusste anscheinend nicht wirklich, wie er mit der Situation umgehen sollte. Sakura streckte ihm die Hand entgegen. »Du kannst auch mitkommen. Das kann nicht schaden, dass du so etwas weißt.« Sie folgten Sakura in ihr Zimmer, wo sie Tobirama einige Stoffbinden überreichte und ihm dann zeigte, wie er diese benutzte. Sie erklärte ihm, wie er sie zu tragen hatte und wie oft er sie wechseln und waschen musste. Tobirama fühlte sich ganz elend und wollte sich am liebsten in irgendeiner Ecke verkriechen. Er hatte sich noch nie so schrecklich gefühlt, so völlig fremd im eigenen Körper. Das alles wirkte wie ein schlechter Traum, ein furchtbarer Scherz, der sich irgendwer mit ihm erlaubt hatte. »Am besten gehst du es die nächsten Tage etwas ruhiger an, um deinen Körper zu schonen«, riet Sakura ihm. »Der braucht jetzt Ruhe. Bei manchen Frauen treten auch mehr oder minder starke Stimmungsschwankungen auf, also lass dich davon nicht allzu sehr herunterziehen. Das geht vorbei.« Und dann hatte er dieselbe Schererei einen Monat später schon wieder. »Das hab ich jetzt wirklich für immer?«, fragte er. »Nicht ganz für immer, aber zumindest für eine lange Zeit«, sagte Sakura. »Während einer Schwangerschaft hört es auf, und irgendwann im Leben einer Frau kommt der Punkt, wo sich einiges in ihrem Körper ändert und sie keine Kinder mehr bekommen kann. Dann hören auch die Monatsblutungen auf.« Sofort wurde Tobirama hellhörig. »Warum ist das so?« Sakura zuckte mit den Schultern. »Keine Ahnung. Das ist eben so.« »Und wann passiert das?« Sie verstand ihn anscheinend falsch und tätschelte ihm beruhigend den Kopf. »Keine Sorge, du hast noch lange Zeit. Die meisten sind etwa fünfzig Jahre alt, mitunter auch älter.« Er konnte nie und nimmer so lang warten und das jetzt fast vierzig Jahre lang jeden Monat durchmachen! Nie und nimmer! »Otōto, du bist so blass. Geht‘s dir nicht gut?«, fragte Hashirama besorgt. Beinahe hätte Tobirama sarkastisch geschnaubt. Hashirama hatte gut reden! »Oh, das sind bestimmt die Krämpfe. Da hab ich was dagegen«, versicherte Sakura ihnen. Tobirama ging sich waschen. Das Gefühl, endlich wieder sauber zu sein, hellte seine Stimmung zumindest minimal auf. Sakura wartete am irori auf ihn, wo sie bereits eine Kanne mit heißem Wasser vorbereitet hatte. Sie gab frisch geschnittenen Ingwer und getrockneten Baldrian hinein. »Der Ingwer gegen die Schmerzen und der Baldrian, um deine Nerven zu beruhigen«, erklärte sie ihm. Tobirama nahm eine Schale entgegen und trank, als hinge sein Leben davon ab. Er wollte mit keinem Bisschen mehr daran erinnert werden, was sein Körper ihn hier erleiden ließ, und wenn das die Symptome milderte, umso besser. »Das ist wirklich nicht schlimm«, versicherte Sakura ihm noch einmal. »Das ist was ganz natürliches.« Tobirama dachte kurz darüber nach, ihr zu sagen, wie er sich dabei fühlte, ließ es dann aber. Sakura schien so sehr davon überzeugt zu sein, dass das hier keine Katastrophe war, dass er nicht wusste, ob es sich lohnte zu versuchen, sie vom Gegenteil zu überzeugen. »Hilft‘s?« Um Sakuras Willen nickte er. Sie lächelte. »Na prima. Siehst du. Alles ganz normal also. Ruh dich heute aus, und wenn irgendwer was von dir will, sag ihnen, dass ich höchstselbst dir Ruhe verordnet hab.« »Und wenn irgendwer was dagegen hat, werd ich denen meine Meinung sagen!«, verkündete Hashirama. Sakura versicherte sich noch einmal, ob wirklich auch alles in Ordnung war mit Tobirama, und als er nickte, machte sie sich daran, wieder ihrem Tagwerk nachzugehen. Auch Hashirama ging, da seine allmorgentliche Übungsstunde mit Butsuma anstand. In letzter Zeit hatte Tobirama hin und wieder daran teilnehmen dürfen, aber das würde wohl vorerst ausfallen müssen. Hoffentlich erklärte das irgendwer anderes Butsuma, und hoffentlich würde Butsuma das nicht als Anlass nehmen zu sagen, Tobirama würde doch nicht als Shinobi taugen, wenn ihn so eine Kleinigkeit schon unpässlich werden ließ. Was war schon ein bisschen Blut im Vergleich zu Kampfwunden? »So ein Mist«, grummelte er und stocherte mit dem Schürhaken frustriert in den Kohlen herum. Er sollte sich davon nicht so aus der Bahn werfen lassen, sagte er sich. Gleichzeitig fühlte er sich ganz furchtbar und überhaupt nicht wie er selbst. Er verstand noch immer nicht wirklich, warum ihm das passieren musste. Weil es keinen Sinn machte, hier noch weiter sinnlos zu sitzen und vor sich hin zu brüten, beschloss Tobirama, wenigstens sinnlos durch das Dorf zu laufen und dabei vor sich hin zu brüten. Vielleicht kamen dann neue Gedanken auf. Der Frühling ließ noch immer auf sich warten, und so kleidete er sich warm an. Es war gerade kalt genug, dass die dünne Schneeschicht liegen blieb. Auf den viel belaufenen Wegen war der Schnee dennoch bereits zu Matsch zertrampelt worden, also mied Tobirama sie. Er hatte keine Lust, seine zori hinterher wieder reinigen zu müssen. Eine Weile stapfte er so ziellos durch das Dorf, zertrat den einen oder anderen Schneeklumpen und stierte vor sich hin. Er wollte einfach nicht akzeptieren, dass er mit dieser Misere wirklich für mehrere Jahrzehnte geplagt sein sollte. Wenn es von allein anfing und auch wieder aufhörte, musste es doch irgendeinen Grund dafür geben. Wenn er den herausfand, würde er vielleicht auch lernen, wie er das viel früher wieder loswerden würde. Tōka. Tōka würde ihn verstehen. Vielleicht hatte sie ja eine Idee. Sie war ein paar Jahre älter als er, sicher war sie damit ebenfalls schon konfrontiert worden. Er bog in die nächste Seitengasse ein und eilte zu ihrem Haus. Es war tatsächlich Tōka, die ihm auf sein energisches Klopfen hin öffnete. Fragend sah sie ihn an. »Was gibt‘s?« »Wir müssen reden«, verkündete Tobirama. Sie hob die Hände. »Entspann dich und komm erst mal rein.« Tobirama klopfte sich den Schnee ab und folgte Tōka in das Haus. Sie gab ihm einen Tee zu Aufwärmen, und nachdem er eine Schale getrunken und sie nachgefüllt hatte, begann er. »Ich habe meine erste Monatsblutung bekommen und meine Mutter drohte mir an, dass das jetzt mehrere Jahrzehnte so gehen wird. Ich muss einen Weg finden, dass das für immer aufhört.« »Hmpf«, machte Tōka. »So unterschiedlich ist das. Du willst nicht bluten und ich kann nicht bluten.« Er sah sie irritiert an. »Warum will das irgendwer wollen?« »Weil ich nicht schwanger werden kann, deswegen«, grummelte sie. »Wir können gern tauschen«, grummelte er zurück. »Ich wünschte, das wäre wirklich möglich.« »Ich auch.« Für einen Moment verfielen sie in Schweigen. »Was, wenn das wirklich ginge?«, platze Tobirama heraus. »Hä?« Tōka sah ihn fragend an. »Wie soll das gehen?« »Keine Ahnung, aber ich werd‘s herausfinden.« »Du bist ein dreizehnjähriger kleiner Knirps, mach mal halblang.« Tobirama unterdrückte den Impuls, eine Grimasse zu schneiden. Das wäre etwas, das Hashirama tun würde, nicht er. »Ich bin alt genug zum Kämpfen, also werde ich wohl auch alt genug für ein paar kleine Forschungen sein.« »Halt mich auf dem Laufenden. Aber warum bist du so versessen darauf? Unsere Körper sind halt so, wie sie sind.« »Weil Frauen schwanger werden, aber ich bin keine Frau!«, erwiderte Tobirama trotzig. Tōka zuckte mit den Schultern, um über den Schmerz hinwegzutäuschen, der für einen winzigen Moment in ihren Augen aufblitzte. »Ich hab nicht mal die Teile, bin aber trotzdem eine Frau. Macht mich das weniger zur Frau? Ich denke nicht.« Tobirama wollte schon etwas erwidern, hielt aber dann inne, als er sein Argument noch einmal überdachte. »Nicht alle Frauen können schwanger werden. Vielleicht verlieren sie die Möglichkeit nach einer Fehlgeburt oder es hatte von Anfang an nie geklappt.« Tōka beugte sich vor. »Ich verrat dir was. In den vergangenen Jahren habe ich einige Beobachtungen gemacht. Wer du bist, bestimmt nicht dein Körper. Man wird nicht als Frau geboren, sondern zur Frau gemacht. Ich gehe sogar so weit zu sagen, dass Frausein ein Handlungsakt ist.« »Das heißt also, dass es eine gesellschaftliche Kategorie ist«, schloss er. Sie nickte eifrig. »Genau das meine ich damit. Unsere Körper sind so verschieden und lassen sich nicht in zwei Kategorien einteilen. Ich bin sogar davon überzeugt, dass es nicht nur zwei Kategorien gibt. Jede Person empfindet ihr eigenes Geschlecht anders, und es ist unmöglich, das auf eine stereotype Definition herunterzubrechen. Frauen sollen kochen? Ich kenne genug Männer, die das ebenfalls gern tun. Frauen sollen nicht kämpfen? Ich habe durchaus Freude daran, während es Personen wie deinen Bruder gibt, die dem überhaupt nichts abgewinnen können. Menschen in Kategorien einzuteilen, geht nie gut aus. Irgendwer wird dadurch immer eingeschränkt und in der freien Entfaltung behindert. Wir beide sind ein gutes Beispiel dafür.« »Ich bin kein Junge aufgrund meines Körpers, sondern aufgrund dessen, was ich mache. Wer aber bestimmt, was sich für einen Jungen gehört und was nicht? Butsuma wurde fürchterlich wütend, als ich mir die Haare kurz schnitt. Aber warum sollen Mädchen die Haare lang tragen? Anija beklagt sich ständig über seinen Haarschnitt und will lieber lange Haare haben, aber das macht ihn nicht zum Mädchen.« »Deswegen sage ich, dass Geschlecht ein Handlungsakt ist. Und was dein Geschlecht ausdrückt, bestimmst ganz allein du.« Was aber bestimmte das für Tobirama? Er verfiel in Schweigen und sann über die Frage nach. Wollte er sich wirklich Stereotypen beugen? Oder wollte er lieber er selbst sein? Tobirama streckte die Schultern durch. »Du willst schwanger werden und ich will nicht mehr bluten müssen, und ich werde herausfinden, wie das möglich werden kann.«   Auch wenn sich Hashirama unterstützend bei Tobiramas Mühen zeigte, sich selbst zu finden, war die Beziehung zwischen den Brüdern doch angespannt. Zu Anfang verstand Tobirama nicht wirklich, was Hashiramas Problem war. Er hatte sich mit einem Uchiha eingelassen, wie konnte er das nur rechtfertigen? Und wie sie miteinander umgegangen waren, so vertraut und regelrecht freundschaftlich. Aber das konnte doch nicht sein, Uchiha und Senju konnten nicht miteinander befreundet sein. Was war es also, das die beide miteinander verbunden hatte? Und warum war Madaras Sharingan in jenem Moment auf dem Fluss erwacht? Hashirama hatte Geheimnisse vor Tobirama gehabt, und diese Erkenntnis schmerzte auch Monate später noch. Plötzlich hatte da etwas existiert, das er nicht einmal mit seinem kleinen Bruder hatte teilen wollen. Aber er wusste doch, dass er Tobirama hatte vertrauen können! Warum hatte er dann dieses Vertrauen zuerst missbraucht? Es schmerzte Tobirama, dass das Verhältnis zwischen ihnen jetzt so angeschlagen war und er einfach nicht wusste, was er anders hätte machen sollen. Und dann auch noch Hashiramas Vorwurf, dass Tobirama dadurch bekommen hätte, was er wollte. Es nagte an Tobirama, tief in sich drinnen wusste er, dass es stimmte. Denn jetzt erhielt Tobirama endlich eine ordentliche Ausbildung an der Waffe und im Ninjutsu. Er musste sich zwar doppelt und dreifach so viel anstrengen wie alle anderen, um dieselbe Anerkennung für seine Leistungen zu bekommen. Aber immerhin ließ sich Butsuma dazu herab, ihm das überhaupt zuzugestehen. Tobirama kämpfte verbissen, wie er Tōka gesagt hatte, hatte er viel nachzuholen. Anfangs gab Butsuma ihm nur kleinere Missionen von geringer Bedeutung, doch selbst die erfüllte Tobirama mit äußerster Genauigkeit. Er war so penibel, dass seine Kameraden manchmal schon ob seiner Überkorrektheit maulten, doch er ließ nicht mit sich reden. Jeder noch so kleine Fehltritt würde gegen ihn ausgelegt werden. Es passte Butsuma bereits nicht, dass Tobirama einmal im Monat in seiner Leistung nachließ, wenn auch nur minimal. Jeder andere Shinobi schwankte in seiner Leistung, doch allein bei Tobirama war es ein diskussionswürdiges Thema. Irgendwie musste er das ja ausgleichen. Er dachte lange über das nach, was Tōka ihm gesagt hatte, wie man nicht als Frau geboren wurde und wie Geschlecht ein performativer Akt sein konnte. Tobirama hatte schon immer seine Mitmenschen genau beobachtet, um zu entschlüsseln, was sie zu dem machte, was sie waren. Zu einer allgemeinen Antwort war er nie gekommen, aber er meinte, so langsam eine Antwort für sich selbst herausarbeiten zu können, jedenfalls teilweise. Aus genau diesem Grund präferierte er die Aufträge, die ihn unter Menschen führten. Informationsbeschaffungen durch Befragung oder Spionage in Siedlungen waren lukrative Quellen, um mehr und mehr über seine Mitmenschen zu lernen. Irgendwann musste selbst Butsuma zugeben, dass Tobirama eine ungewöhnliche Menschenkenntnis entwickelte, die ihn besonders wertvoll für derlei Missionen machte. Doch noch nach etwas anderem hielt Tobirama auf solchen Missionen Ausschau: Informationen über seinen eigenen Körper. Er hatte Tōka etwas versprochen und er würde es wahr machen. Die Archive waren ein reicher Quell an Wissen über die Künste der Shinobi, aber darüber hinaus ließen sie mitunter zu wünschen übrig. Tobirama hatte hier schnell alles herausgefunden, was es zu wissen gab und für seinen Fall relevant war. Hier kam er also nicht weiter. Er musste sich andernorts umhören. Über Monate und irgendwann auch Jahre hinweg trug er jeden Informationsfetzen zusammen, den er finden konnte. Das wenigste davon erwies sich als hilfreich und oftmals verfolgte er falsche Spuren. Wenn das Thema der Monatsblutung überhaupt angesprochen wurde, fand er meist nur obskures Zeug. Es diene der Reinigung des Körpers. Wie sollte das reinigen, wenn er sich jedes Mal so dreckig fühlte? Und warum sollte er sich ausgerechnet mit Blut von innen heraus reinigen? Nein, das konnte nicht stimmen. Aber warum hörte das auf, wenn die Person schwanger war? Bestand da ein Zusammenhang? Wie funktionierte das überhaupt mit der Schwangerschaft? Dieser Gedankengang erwies sich schließlich als erster Erfolg. Vielleicht wäre es die Aufgabe seiner Mutter gewesen, ihn darüber aufzuklären, aber wie es nun einmal Tobiramas Art war, nahm er die Dinge lieber selbst in die Hand. Er war fünfzehn, als er den Teil mit den Bienchen und Blümchen einfach übersprang und sich den tatsächlichen wissenschaftlichen Fakten zuwandte und von der Verschmelzung von Eizelle und Spermium lernte. Diese Erkenntnis erwies sich als Goldtopf. Je tiefer Tobirama grub, umso mehr lernte er. Endlich eine richtige Fährte! Die Enttäuschung folgte jedoch recht bald darauf. Der derzeitige Stand der Wissenschaft war zwar die Erkenntnis, wie Fortpflanzung funktionierte und was dabei in den Zellen passierte, aber wie genau das gesteuert wurde, wusste noch niemand so genau. Tobirama fand immer wieder Vermutungen, dass bestimmte Hormone den weiblichen Zyklus steuerten, Details darüber fehlten jedoch. Hin und wieder wurden auch männliche Sexualhormone erwähnt, und das war es, das Tobirama endgültig hellhörig werden ließ. Das war etwas, worauf er aufbauen konnte. Also tat er genau das. Nächstes Kapitel: Tobirama trifft jemanden und es verändert die Situation grundlegend. -------------------- 7. Kapitel: Kapitel 7 -------------------- Kapitel 7Der Krieg zwischen Senju und Uchiha ging derweil unbeirrt weiter, er wurde gar regelrecht angeheizt, als Hashirama und Madara immer häufiger auf den Schlachtfeldern aufeinander trafen. Jedes Mal wurden sie stärker und es dauerte nur wenige Jahre, da dominierten sie die Kämpfe vollkommen. Mit Hashiramas Stärke wuchs auch seine Aufmüpfigkeit Butsuma gegenüber. Als Butsuma das erste Mal Hashiramas Mokuton zu spüren bekam, wagte er es nicht mehr, die Hand gegen seine Söhne zu erheben. Verbal versuchte er dennoch noch immer, Hashirama an seinen Platz zu verweisen, doch selbst damit hatte er immer weniger Erfolg. Er spürte, dass ihm immer mehr die Kontrolle über seine Kinder entglitt. Dabei war es doch eigentlich nur eine kleine Sache, dass sich Tobirama beharrlich weigerte, seine Haare wieder wachsen zu lassen und sie kurz hielt, und Hashirama aus Solidarität zu seinem Bruder seine lang wachsen ließ. »Du hast zwei Söhne, Butsuma, und so lange du Tobirama nicht als deinen Sohn akzeptierst, hast du meinen Respekt nicht verdient«, sagte Hashirama trotzig. Anfangs tat Butsuma das noch als Unfug ab, doch Tobirama und Hashirama blieben stur dabei, und irgendwann einmal schaffte es auch Sakura, ihren Söhnen beizustehen. Als sie das erste Mal Tobirama vor anderen als Hashirama als ihren Sohn bezeichnete, blieben Tobirama die Worte im Halse stecken. Er wusste einfach nicht, was er dazu sagen sollte, welche Worte ausdrücken konnten, wie sich das anfühlte. Er wusste nur: Er war ausgesprochen glücklich. Natürlich sollte sein Glück nur von kurzer Dauer sein, natürlich sollte ihm sein Körper wieder einen Strich durch die Rechnung machen, als er merkte, dass er allmählich einen Brustansatz entwickelte. Nicht selten stand er dieser Tage vor dem kleinen Handspiegel, den er auf der Kommode in Hashiramas und seinem Zimmer aufgestellt hatte, und betrachtete sein Profil. Anfangs konnte er die Wölbung unter seiner Kleidung noch verbergen, doch allmählich wurden aus den kleinen Erhebungen deutlich weiblichere Rundungen. Tobirama behalf sich zunächst mit mehr Kleidungsschichten, aber das war gerade im Sommer unerträglich. Schnell überhitzte er, und einmal übertrieb er es so sehr, dass er einen Hitzschlag erlitt. Das war der Moment, in dem ihm Tōka zur Seite nahm und ihm ein langes Stück Stoff in die Hand drückte. »Nimm das«, sagte sie nur. Er sah sie fragend an. »Was ist das?« »Ein sarashi. Du trägst ihm ähnlich eines obi, nur um den Oberkörper«, erklärte sie ihm. »Du musst nur aufpassen, dass du das ordentlich bindest, sonst verformst du dir auf Dauer die Rippen. Ich zeig‘s dir. Und trag‘s um Himmels willen nicht den ganzen Tag.« Sie zogen sich an einen ruhigen Ort zurück, wo niemand sie so schnell sehen würde, und Tōka zeigte ihm, wie er den sarashi anlegte und worauf er achten musste. »Aber was ist der eigentliche Zweck davon?«, fragte Tobirama. »Das wurde doch bestimmt nicht dafür erfunden.« »Nun ja, eigentlich schon«, sagte sie. »Manche Shinobi tragen es als zusätzlichen Schutz im Kampf und manche Frauen finden es unangenehm, wenn ihre Brüste auf und ab wippen. Damit kann man sie festbinden. Bindet man einfach noch ein bisschen fester, sind die Brüste gleich ganz weg.« Tobirama sah skeptisch auf seinen bandagierten Oberkörper hinab. »Na komm, du hast auch so kaum mehr Oberweite als ich und so sogar weniger als ich«, erinnerte Tōka ihn. »Du bist ein Hänfling.« »Bin ich überhaupt nicht!«, knurrte Tobirama. Sich aber mit Tōka zu vergleichen, half jedoch irgendwie. Diese zwei Fettsäcke da an seinem Oberkörper waren schrecklich. Er wollte die nicht, er hatte nie darum gebeten! Sie zu kaschieren, half zumindest etwas. »Ich würd sie dir geben, wenn ich könnte, weißt du«, sagte er. Tōka überspielte es mit einem Schulterzucken. »Ich weiß.« Der Krieg scherte sich nicht um seine Sorgen und Probleme. Noch immer drohte der Konflikt der Clans fast täglich zu einem offenen Kampf zu eskalieren und beinahe schon periodisch kam es auch so weit. Dann waren es nicht mehr nur einzelne Scharmützel kleiner Banden. Dann marschierten Uchiha und Senju all ihre Truppen auf und schlugen ausgewachsene Schlachten oftmals mit Dutzenden Toten auf beiden Seiten. Absolut niemand hatte nicht irgendwann einmal einen Freund und Familienangehörigen in solchen Schlachten verloren. Die Clans bluteten aus. Tobirama sah es in den Gesichtern seiner Gefährten. Der Krieg zehrte an ihnen, ihre Gesichter waren eingefallen, ihre Augen lagen in tiefen Schatten und sie alle reagierten empfindlich auf jedes noch so kleine Zeichen von Gefahr. Tobirama erwischte sich immer öfters dabei, dass er beim Krächzen von Raben zusammenzuckte. Zu oft hatte er gesehen, wie sie die toten Augen seiner Gefährten auspikten und die Gedärme der Uchiha fraßen. Und doch hielt nichts Tobirama von diesen Schlachtfeldern fern. Nicht nur musste er sich immer und immer wieder als Shinobi beweisen, er sah es auch als seine Pflicht an, seinen Teil zur Sicherheit des Clans beizutragen. Nicht selten war es Izuna, gegen den er sich messen musste. Wie ihre Brüder erwiesen auch sie sich als gleich stark. Immer und immer wieder kreuzten sie die Klingen und maßen sich im Ninjutsu und doch konnte nie einer von ihnen obsiegen. Kam Izuna mit einem neuen Trick, ersann sich Tobirama bald schon eine neue Taktik, und dann war es wieder an Izuna, mit ihm gleichzuziehen. So war es ein ewiger Kreislauf, in dem sie mehr und mehr an einander wuchsen. Tobirama kam nicht umhin, sich einzugestehen, dass er seine Duelle mit Izuna zu genießen begann. Es war eine wirkliche Herausforderung und Izuna war jemand, der mit ihm mithalten konnte. Und auch wenn Izuna allerhand kreative Beleidigungen für ihn übrig hatte, nannte er ihn doch nie ein Mädchen. Wie konnte Tobirama ihn nicht dafür respektieren? Abgesehen davon hätte er ohne Izuna sicher niemals die Jutsu erfunden, die er sich ersann, um sich Izuna vom Hals zu halten. Das musste er einfach anerkennen. Die Duelle mit Izuna waren nicht nur ein Kräftemessen, sondern auch eine intellektuelle Herausforderung, und dafür brannte Tobirama. Hashirama sah das aus irgendeinem Grund anders. »Otōto, du machst mir Angst«, sagte er eines Tages nach einem besonders hitzigen Gefecht, aus dem niemand siegreich hervorgegangen war. Tobirama nahm sein happuri ab, um sich über das Gesicht zu wischen, verschmierte aber nur Ruß und Blut noch mehr. Sein linkes Auge begann bereits zuzuschwellen. Den Schmerz in seinem ganzen Körper spürte er schon gar nicht mehr. »Otōto«, wiederholte Hashirama. »Ich hab dich schon beim ersten Mal gehört, anija.« Aus dem Nichts heraus umarmte Hashirama ihn. Die Geste kam so plötzlich, dass Tobirama erstarrte. »Du bist ganz grün und blau«, schniefte Hashirama. »Bitte, bitte schinde dich doch nicht so.« »Anders werd ich der kleinen Uchiha-Kröte nicht Herr, ich hab den genauso verprügelt.« Tobirama wehrte sich gegen Hashiramas Umarmung, doch sein Bruder ließ nicht los. Ganz im Gegenteil begann Hashirama sogar, ihn zu heilen. Tobiramas Glieder fühlten sich nicht mehr ganz so bleischwer an. »Aber aber aber achte doch wenigstens ein bisschen auf dich«, stammelte Hashirama unter Tränen. »Bitte. Für mich.« Tobirama schwieg und starrte ihn an. Und doch sollte es trotz aller ihrer Rivalität Izuna sein, der den Weg zum Frieden ebnen sollte.   »Jo, Tobirama.« Er hatte das Kunai in der Hand, noch bevor er sich dessen selbst bewusst war. Tobirama war drauf und dran, aufzuspringen und Izuna an die Kehle zu gehen, gleich hier an Ort und Stelle. Und doch tat er es nicht. Warum nicht? Irgendwie hatte Izuna ihn hier gefunden, in einer der großen Bibliotheken des Landes. Wie so oft schon hatte Tobirama seine Mission auch für Forschungszwecke genutzt. Er hatte eigentlich gedacht, anonym zu sein, nur einer von vielen jungen Wissenssuchenden, die hier täglich ein und aus gingen. Immerhin gab es in der Stadt sogar eine Universität. Er fiel in der Menge der Studierenden kaum weiter auf. Und doch stand Izuna jetzt hier vor ihm an seinem Lesepult in der Bibliothek, als wäre es das normalste der Welt. »Uchiha«, zischte Tobirama. »Ich hab dich ganz normal gegrüßt«, zischte Izuna zurück, »und nicht mal ein nettes Hallo bekomme ich zurück, Senju.« »Ich bring dich um, sobald wir das Gebäude verlassen haben.« Tobirama versuchte, seinen Ton gedämpft zu halten. »Das ist mal wieder typisch!«, fauchte Izuna, ebenfalls mit gedämpften Ton. »Du hast ja noch nicht mal gefragt, was ich hier will, und sonst lässt du die Situation wieder eskalieren.« »Was heißt hier wieder?«, knurrte Tobirama. »Du bist hier aufgetaucht, und ich hab keinen Grund zur Annahme, dass deine Absichten friedlicher Natur sind. Warum sollten sie auch? Du bist ein Uchiha.« Er sagte es mit so viel Abscheu, wie er fähig war. »Hab ich dich angegriffen? Nein. Hab ich eine Waffe bei mir? Auch nein«, zählte Izuna auf. »Wenn ich auf Konflikt aus wäre, hätte ich dir einfach ein Messer in den Rücken gerammt und dann zugesehen, wie du über deinen Notizen ausblutest und alles vollsaust.« »Du bist ein Uchiha, ihr braucht keine Waffen, um jemandem zu schaden«, konterte Tobirama. Mittlerweile bekamen sie böse Blicke von den anderen Studierenden. Tobirama ignorierte sie. »Das nehme ich als Kompliment.« Nach kurzer Pause fügte Izuna an: »Fragst du jetzt endlich?« »Was?« »Warum ich hier bin, du Hohlbirne.« Tobirama verdrehte die Augen. Lästige kleine Kröte, er hätte Izuna schon vor Jahren töten sollen. Hätte ihm jetzt eine Menge Ärger erspart. »Warum also?«, fragte er genervt. »Weil du genauso wenig eine Frau bist wie ich ein Kerl.« Das verschlug Tobirama die Sprache, und das war nun wirklich etwas, das ausgesprochen selten vorkam. »Ich muss dir lassen, dass du deine Spuren wirklich sehr gut verwischst«, fuhr Izuna fort. »Aber irgendwann hab ich doch herausgefunden, an was du da sitzt.« »Also willst du mit weiblichen Attributen angesprochen werden?«, erkundigte sich Tobirama. Sie konnten sich so viel hassen, wie sie nur wollten, aber so viel Respekt brachten sie einander doch noch entgegen. »Weißt du«, begann Izuna, »genau das ist der Punkt. Das ist es eben auch nicht. Nichts von beidem passt. Nun ja, vielleicht ein bisschen mehr vom männlichen Spektrum, aber auch nicht ganz. Wenn du verstehst.« Tobirama runzelte die Stirn. Dann schüttelte er den Kopf und kam wieder zu Sinnen. »Warum rede ich überhaupt mit dir?« »Was muss ich tun, damit du mir zuhörst?«, stellte Izuna die Gegenfrage. »Ugh, ich hatte gehofft, du tust nicht nur so intellektuell, sondern hast auch wirklich was zwischen deinen Ohren. Muss ich das also wirklich sagen? Na gut, was soll‘s. Wenn du willst, kannst du mir ja die Hände fesseln und die Augen verbinden. Und wenn du ganz sicher gehen willst, nutz doch gleich noch eines von deinen Siegeln zur Chakraunterdrückung.« Er gab einen angewiderten Laut von sich. »Bah. Diese Worte schmecken wie Asche im Mund. Widerlich.« Tobirama blinzelte und glaubte, sich verhört zu haben. Niemals, unter keinen Umständen, würde ein Uchiha es zulassen, seiner mächtigsten Waffe, seiner Augen, beraubt zu werden. Das musste ein Trick sein. Jetzt war es an Izuna, die Augen zu verdrehen. »Ich seh‘s dir an, du glaubst mir nicht. Du elender Sturkopf.« Und dann drehte er einfach so Tobirama den Rücken zu. Niemals würde Tobirama seinem Feind seinen Rücken zuwenden. Es war das sichere Todesurteil. Obwohl Izuna sich Tobiramas Anwesenheit bewusst war, würde es Tobirama so viel leichter fallen, ihn zu überraschen und ihn vielleicht sogar tödlich zu verwunden. Wenn er es denn wollte. Zu seiner eigenen Verblüffung fand Tobirama, dass er das gar nicht vorhatte. Vorerst nicht, sagte er sich jedenfalls. »Dreh dich wieder um, das ist lächerlich«, brummte er. »Aha!«, kommentierte Izuna triumphierend, während er sich wieder Tobirama zuwandte. »Siehst du. Hast doch was in deinem schlauen Köpfchen.« Tobirama kniff die Augen zusammen. »Wie soll ich dich jetzt anreden?« »Vorerst mit männlicher Konnotation«, sagte Izuna, nun wieder ernst. »Vielleicht fällt mir irgendwann noch einmal was anderes ein, das nicht so binär ist. Aber weißt du, eigentlich ist mir das auch ziemlich egal. Ich bin ich. Und du?« »Wenn du mich für eine Frau hältst, mach ich dich einen Kopf kürzer«, stellte Tobirama klar. Izuna faltete die Hände … und ließ sie dann wieder sinken, als er sah, wie Tobirama sich schon wieder anspannte. »In Ordnung. Wir sind hier alle ganz locker, ja? Gut. Eigentlich wollte ich nur sagen, dass ich froh sind, dass wir endlich mal solch grundlegende Dinge geklärt haben. Kann ja nicht sein, dass wir uns jahrelang an die Gurgel gehen und nicht mal wissen, wer der andere ist.« »Hör auf zu labern und komm auf den Punkt«, unterbrach Tobirama ihn genervt. Er hatte besseres zu tun, als die Kröte zu bespaßen. Izuna deutete auf die Notizen, die vor Tobirama auf dem Pult ausgebreitet lagen. »Ich will dir damit helfen.« »Danke, ich brauche deine Hilfe nicht.« »Du hast dir doch noch nicht einmal angehört, was ich zu sagen habe!«, maulte Izuna beleidigt. »Ich wüsste nicht, wie ausgerechnet du mir helfen kannst.« »Hormone aus Stutenurin sind nicht bioident und enthalten zudem unter anderem Steroide. Sie sind zu unrein und das Ergebnis daher unklar. Du musst einen Weg finden, bioidente Hormone zu synthetisieren, dann könnte es klappen. Außerdem willst du für dich keine Östrogene, sondern Testosteron.« Schweigend starrte Tobirama sein Gegenüber an. Sein Hirn arbeitete auf Hochtouren. Izuna grinste selbstgefällig. »Du überlegst gerade mit absoluter Sicherheit, wie ich darauf gekommen bin, dass das dein derzeitiges Forschungsgebiet ist. Aber ein paar Geheimnisse muss ich für mich behalten, macht mich interessanter.« Widerwillig musste Tobirama ihm zugestehen, dass er Recht hatte. »Erleuchte mich, hast du eine Idee, wie bioidente Hormone zu synthetisieren sind?« »Nö. Das heißt, noch nicht. Deswegen biete ich dir ja meine Hilfe an. Wenn wir uns zusammentun, können wir schneller zu Ergebnissen kommen, was, wie ich annehme, in deinem Sinne wäre.« Izuna gestikulierte wage in Richtung Tobiramas. »Ich …« Und dann überraschte Tobirama sich selbst, als er sagte: »Ich muss darüber nachdenken.« Er sollte das Angebot nicht annehmen. Er sollte Izuna davonscheuchen, besser noch ihn auf der Stelle töten. Er war sein Todfeind. Eigentlich. »Ich hab nicht angenommen, dass du mir gleich freudestrahlend um den Hals fallen würdest«, sagte Izuna nonchalant. Arroganter Mistkerl. »Denk drüber nach. Spätestens in ein paar Wochen werden wir uns ohnehin wieder gegenseitig die Köpfe einschlagen, dann kannst du mir ja deine Entscheidung mitteilen.« Mit diesen Worten verschwand Izuna. Tobirama blieb ratlos zurück.   Während des gesamten Heimwegs grübelte Tobirama über das Geschehene nach und wusste einfach nicht, wie er damit umgehen sollte. Einst war er entsetzt darüber gewesen, dass sich Hashirama heimlich mit einem Uchiha angefreundet hatte. Und jetzt erwischte sich Tobirama bei dem Gedanken, Izunas Angebot wirklich anzunehmen. Denn Izuna hatte Recht. Genau das Problem, das er geschildert hatte, war auch Tobirama bereits aufgefallen und er hatte noch immer keine Lösung dafür gefunden. Seit über einem Jahr saß er nun schon daran. Aber er war nur eine Person, die all diese Versuche heimlich in einer kleinen Hütte im Wald durchführte. Nun ja, Hashirama wusste um Tobiramas kleines Geheimversteck, er war auch des öfteren dort, wenn sie beide Abstand zu all den Geschehnissen im Clan brauchten. Wie sollte Tobirama damit jetzt nur umgehen? Er konnte sich nicht einfach so mit dem Feind zusammentun. Aber Izuna war in einer ähnlichen Situation wie er, und zudem hatte er Tōka etwas versprochen. Aber dafür Verrat am Clan begehen? Als er wieder daheim angekommen war und seinen Bericht abgeliefert hatte, war er immer noch nicht zu einer Lösung gekommen. Er berichtete sachlich, wie seine Mission verlaufen war, und ließ wie immer seinen privaten Forschungsausflug aus. Izuna erwähnte er natürlich nicht. Butsuma nahm den Bericht mit einem Nicken hin. Tobirama beobachtete ihn, während er sprach. Butsuma machte sich nicht die Mühe, von seinem Dokument aufzublicken, an dem er schrieb. Unermüdlich huschte der Pinsel in energischen Schwüngen über das Papier. Stille senkte sich über sie, als Tobirama endete. Der Pinsel hielt inne. »Willst du noch etwas?« »Nein«, sagte Tobirama. »Das war alles.« »Dann geh. Du bist entlassen.« Tobirama knirschte mit den Zähnen und wandte sich ab. Er hob die Hand, um die Tür aufzuschieben, und ließ sie dann wieder sinken. Er wandte sich Butsuma zu. »Eigentlich will ich doch noch etwas«, sagte er wider besseren Wissens. »Wenigstens ein winzig kleines Zeichen von Ihnen, Sir, dass Sie mit meiner Arbeit zufrieden sind.« Erst jetzt sah Butsuma auf und würdigte ihn eines Blickes. »Dass ich dich das überhaupt machen lasse, ist Würdigung genug. Du weißt selbst, dass das nicht nur einfache Botenaufträge sind, sondern richtige Arbeit für richtige Shinobi.« »Bin ich denn kein richtiger Shinobi?« »Du hast deinen Wert auf dem Heiratsmarkt ruiniert. Irgendwie musst du das ja wieder wett machen.« Ich bin mehr als nur ein Uterus mit Beinen. Ich habe weitaus mehr Qualitäten als nur ein Kind nach dem anderen herauszupressen. Aber Tobiramas Selbsterhaltungstrieb war stark genug, das nicht laut auszusprechen. »Wenigstens dein Bruder tut mehr für den Clan und weiß, wie wichtig Bündnisse durch Heirat sind. Du kannst jetzt gehen.« Butsuma wedelte mit der Hand in einer unmissverständlichen Geste. Was sollte das denn heißen? Was war Tobirama entgangen? Bevor Butsumas Laune noch umschlagen konnte, verschwand er aus dem Raum und machte sich auf die Suche nach Sakura und Hashirama. Er fand seine Mutter in der Küche. Tobirama stellte sein Kleiderbündel an der Tür ab, aber da hatte sie ihn schon längst bemerkt. Sie ließ wie immer alles stehen und liegen und kam sogleich auf ihn zu, um ihn in eine Umarmung zu ziehen. Er ließ sogar zu, dass sie ihm einen Kuss auf die Wange drückte. »Da ist mein Großer ja wieder!«, begrüßte sie ihn enthusiastisch. »Verlief alles gut? Warst du erfolgreich?« »Ja.« Und weiter kam er nicht, als sie ihn sogleich unterbrach: »Sehr gut. Sag nichts weiter. Komm erst einmal an, zieh dir etwas Bequemes an und dann kannst du mir alles erzählen, während ich dir eine Lotuswurzelsuppe mache. Wie klingt das?« Tobirama lächelte warm. »Danke, Mutter.« Keine halbe Stunde später knieten sie beide am kotatsu und Tobirama hatte eine dampfende, kräftig gewürzte Suppe vor sich, die er dankend schlürfte. Während er aß, erzählte er Sakura von seiner Mission. Er sagte ihr dasselbe wie Butsuma, bemühte sich aber nicht um einen so formellen Ton wie bei ihm. Izuna ließ er immer noch aus. »Aber Mutter, sag, wo ist anija?«, wollte er schließlich wissen. »Ich habe ihn immer noch nicht gesehen.« »Dein Bruder ist derzeit mit Tōkas Team unterwegs, um die Grenzen zu überprüfen. Vielleicht ist er ja schon zum Abend wieder da.« Nichts Außergewöhnliches also, eine Routinemission, die sie alle regelmäßig machten. »Als ich gerade mit Vater sprach, deutete er ein Bündnis durch Heirat an. Was meint er damit?« Sakuras Gesicht erstrahlte. »Dein Bruder wird heiraten, sind das nicht tolle Neuigkeiten? Schon seit einiger Zeit stand dein Vater mit Uzumaki Ashina im Kontakt und während du weg warst, kamen sie zu einer Einigung. Hashirama wird Ashinas Tochter Mito heiraten.« Tobirama sah sie irritiert an. Er kannte diese Personen, allerdings waren sie für ihn nur Namen. Ashina war der Clanälteste der Uzumaki, ein Clan, mit dem die Senju schon seit Generationen enge Bande hielt, und Mito seine einzige Tochter. Auch wenn die Uzumaki der Vetternclan der Senju waren, hatte Tobirama sie noch nicht persönlich kennengelernt. »Seit wann ist das geplant?«, fragte er verwundert. Wie hatte das an ihm vorbei gehen können? Sakura winkte ab. »Oh, das ist eine alte Sache, mach dir keinen Kopf. Jetzt ist Mito endlich alt genug dafür. Euer Vater und Ashina wollen die Sache bald schon zum Abschluss bringen. Das wird ein großartiges Fest! Ich weiß, dass Mito eine ganze Reihe von Brüdern hat, und ein paar von ihnen sind noch unverheiratet. Vielleicht fällst du einem von ihnen ins Auge, wäre das nicht aufregend?« Tobirama verzog das Gesicht und sagte nichts dazu. Heirat war ein Thema, das er bisher erfolgreich vermieden hatte, es hatte immer einen faden Beigeschmack. Beziehungen zwischen Personen gleichen Geschlechts waren im Clan nicht gern gesehen und allerhöchstens geduldet, heiraten durften sie aber nicht. Sobald es aber um Tobirama ging, sah die Sache wiederum anders aus, plötzlich war es etwas Schlechtes, wenn er, wie Butsuma es zu sagen pflegte, seinen Wert minderte. Und das nur, weil er noch immer von den allerwenigsten als der anerkannt wurde, der er war. Izuna hatte es getan, ohne Fragen zu stellen. »Du machst schon wieder so ein finsteres Gesicht«, stellte Sakura schmunzelnd fest. »Was liegt dir auf der Seele?« Tobirama wich der Frage aus. »Es war eine lange Mission, ich bin nur müde.« »Dann will ich dich nicht länger aufhalten.« Schweigend löffelte er seine Schüssel aus. Es gab so viel, über das er nachdenken musste. »Ich bin stolz auf dich«, sagte Sakura in die Stille hinein. »Ich will, dass du das weißt. Du bist so stark, und ich wünschte, die Welt wäre sanfter zu dir, dass du dir nicht solch eine harte Schale hättest zulegen müssen. Aber du weißt, was auch immer kommt, ich stehe hinter dir, mein Sohn.« »Mutter …«, begann Tobirama und wusste dann doch nicht, was er eigentlich sagen wollte. Er setzte sich einfach nur schweigend neben sie und zog sie in seine Arme. Irgendwie war es jetzt das, was er brauchte. Das Wissen, dass sie da war. Das Gefühl, bei ihr er selbst sein zu dürfen. Die Wärme mütterlicher Liebe.   Hashirama kam in der Tat bereits am späten Abend wieder. Tobirama hatte sich bereits zur Ruhe gebettet, schlief aber noch nicht. Da sie noch immer ein und dasselbe Zimmer teilten, entging es ihm daher nicht, als sich Hashirama herein schlich. »Anija«, begrüßte Tobirama ihn. »Ich hoffe, ich hab dich nicht geweckt!«, entschuldigte sich Hashirama natürlich sogleich. »Nein, alles gut, ich war noch munter«, versicherte Tobirama ihm. »Wie ist es dir ergangen?« Hashirama musste seine Ausrüstung bereits im Vorfeld abgelegt haben, denn er trug nur noch die schlichte schwarze Kleidung, die sie üblicherweise unter ihren Rüstungen trugen. Er wirkte müde, aber ansonsten wohlauf. Was bei Hashirama nicht viel heißen musste, sein Mokuton heilte nahezu alle Wunden beinahe sofort, ohne dass er sich aktiv darum bemühen musste. Tobirama rückte zur Seite, sodass sich Hashirama zu ihm auf das futon setzen konnte. Auch nach all den Jahren hatte sich Tobirama nicht daran gewöhnt, dass sie nur noch zu zweit waren und sie sich nicht mehr gemeinsam mit ihren Brüdern mit kindlichen Gruselgeschichten die Nächte um die Ohren schlagen konnten. Früher hatte er das immer für albern befunden (und dann doch mitgemacht) und jetzt vermisste er es schrecklich. Es war leer geworden in ihrem Leben ohne Kawarama und Itama. »War alles ruhig und das ist mir immer das liebste«, sagte Hashirama. Ruhe bedeutete keine Vorfälle. Ruhe bedeutete keine Gefahr. Das war gut. »Tōka hatte ein paar interessante Ideen zur Grenzsicherung, die solltest du dir bei Gelegenheit einmal anhören«, fuhr Hashirama fort. »Ist das so?« »Ja, ja!« Hashirama klang begeistert, aber er war immer leicht zu begeistern. »Illusionen nur ohne Genjutsu. Sie hat da ein paar sehr clevere Ideen, die wir unbedingt weiter verfolgen sollen. Das ist mit Sicherheit gerade für Genjutsu-Anwender besonders verwirrend.« Solche wie die Uchiha. Was Tobirama zu seinem eigentlichen Problem zurückbrachte. »Anija …«, begann er zögernd. Er musste es Hashirama sagen, er wusste nur nicht wie. Er wusste doch sonst immer alles, aber Worte waren nie seine Stärke gewesen. Hashirama war derjenige, der mit Leichtigkeit Zugang zu anderen fand, der mit einfach jedem befreundet war, weil er schlicht ein so gutherziger Mensch war. »Ich glaube, ich war dir in den vergangenen Jahren nicht immer ein guter Bruder, anija«, sagte Tobirama leise. »Und das tut mir leid.« Hashirama merkte auf. Für einen Augenblick sah er Tobirama verwundert an, weil er damit wohl nicht gerechnet hatte. Doch dann breitete sich sein typisch breites Grinsen auf seinem Gesicht aus. »Du bist der beste Bruder, den ich mir nur wünschen kann«, versicherte er Tobirama. »Mit Itama und Kawarama natürlich. Ich würde niemals andere Brüder als euch haben wollen.« »Aber ich war in den letzten Jahren mehr mit mir selbst beschäftigt«, gestand Tobirama. »Ich dachte damals, ich würde das richtige tun, Butsuma zu berichten, was ich gesehen habe, ohne zu bedenken, wie es dich verletzen könnte. Wie es dich verletzt hat. Ich habe an deinem Leben nicht teilgenommen und nur meine eigenen Ziele verfolgt. Ich habe ja nicht einmal mitbekommen, dass du jetzt heiraten sollst.« Aus irgendeinem Grund musste Hashirama lachen. »Das habe ich auch nicht mitbekommen, falls es dich tröstet. Butsuma hat es mir gesagt, während du weg gewesen warst. Ich hatte mitbekommen, dass etwas Dergleichen geplant gewesen war, aber immer hieß es, das stünde alles noch nicht fest, also hab ich‘s ignoriert. Und vor ein paar Tagen ruft er mich auf einmal zu sich: ›Ach, übrigens, Hashirama, du wirst das Mädchen heiraten, von dem ich dir vor sieben Jahren mal erzählt habe. Keine Beschwerden, das ist alles schon mit ihrem Vater geklärt. Zeige dich dankbar.‹« Er äffte Butsumas Ton fast schon unangenehm treffend nach. Tobirama sah ihn verwirrt an. »Aber du hast sie doch noch nie getroffen, oder?« »Nein, aber sie kommt in ein paar Wochen mit ihrer Familie zu Besuch, damit wir uns kennenlernen können. Sehr großzügig von Butsuma, findest du nicht auch?« Hashiramas Stimme triefe vor Sarkasmus. Dann seufzte er. »Ich bin nur froh, dass er dich damit in Ruhe lässt. Du hast es nicht verdient, einfach so verschachert zu werden, du hast genug eigene Probleme.« »Du etwa?«, begehrte Tobirama auf. »Oder diese Mito?« »Im schlimmsten Fall wärst du an ein Arschloch geraten, das dich in eine Rolle zwingt, die du nicht bist«, hielt Hashirama energisch dagegen. »Irgendein Mistkerl, der dich nicht als der akzeptiert, der du bist. Ich will nicht, dass du das erdulden musst. Du musst schon genug um Anerkennung kämpfen.« »Anija, ich will nicht, dass du das für mich tust.« »Ist schon in Ordnung, otōto«, unterbrach Hashirama ihn mit einem milden Lächeln. »Ich hab Bilder von ihr gesehen, sie sieht ganz nett aus. Ich hab gehört, dass sie sehr klug sein soll und viel von Siegeln versteht. Das klingt doch danach, als könntet ihr euch gut vertragen, oder?« Tobirama kannte seinen Bruder zu gut. Er wusste, dass dessen Fröhlichkeit in diesem Moment in Teilen aufgesetzt war. Da war noch etwas anderes. »Was willst du mir noch sagen, anija?« Für einen winzigen Moment wirkte Hashirama ertappt. »Ah, ich kann doch nichts vor dir verbergen. Du bist zu clever. Ja, Tobirama, da ist noch was.« Er zögerte. »Ich weiß echt nicht, wie ich es dir sagen soll. Ich will keine Geheimnisse vor dir haben, nicht mehr und nicht so wie damals. Aber … und jetzt flipp bitte nicht aus. Was wäre, wenn ich dir sagen würde, dass ich mich wieder mit Madara treffe?« Er verbarg sein Gesicht in seinen Händen. »Und ich glaub, ich hab mich in ihn verliebt.« Tobirama starrte ihn an. Und dann lachte er. Er konnte einfach nicht anders, er lachte aus vollem Herzen, wie er es schon lange nicht mehr getan hatte. Hashirama betrachtete ihn besorgt. »Äh, Tobirama?« Dachte er, sein kleiner Bruder hatte jetzt den Verstand verloren? Tobirama schnaufte und versuchte, wieder zu Atem zu kommen. Er wischte sich die Lachtränen aus den Augen. »Das ist absurd, einfach nur absurd! Denn weißt du, wer mir über den Weg gelaufen ist und mir ein Angebot zur Zusammenarbeit unterbreitet hat? Uchiha Izuna.« Einen Moment lang schwiegen sie sich an. Dann brauch auch Hashirama in Gelächter aus. »Ich fass es nicht!« »Nicht so laut«, dämpfte Tobirama seine Stimmung. »Wir wollen doch nicht, dass uns irgendwer hört.« Hashirama schlug sich die Hand vor den Mund. »Du hast Recht«, wisperte er. »Und was war das für ein Angebot?« »Mir bei meinen Forschungen zu helfen. Du weißt ja, woran ich arbeite.« »Das ist toll!«, kommentierte Hashirama. »Das wirst du doch hoffentlich annehmen.« »Ich weiß nicht«, gestand Tobirama. »Ich bin mir nicht sicher, wie ich mit der Situation umgehen soll. Er ist immer noch ein Uchiha und die habe ich immer nur als unsere Feinde betrachtet. Aber würde ein Feind mit so etwas freiwillig auf mich zukommen?« »Eben!«, betonte Hashirama. »Weißt du denn nicht, was das bedeuten kann? Das ist ein erster Schritt beider Clans aufeinander zu. Wenn wir diese Chance jetzt nicht ergreifen, werden wir vielleicht niemals Frieden erreichen können.« Hashiramas großer Traum. Eine Welt, in der Shinobi sich nicht mehr gegenseitig bekriegten und wo Kinder einfach nur Kinder sein durften. »Als wir noch Kinder gewesen waren, da hatten Madara und ich davon geträumt, ein Dorf zu gründen, in dem alle Clans friedlich nebeneinander leben können«, fuhr Hashirama fort. »Stell dir einmal vor, das kann jetzt Wirklichkeit werden!« Tobirama war noch nicht gänzlich überzeugt, dass es so einfach werden würde. »Na gut, sagen wir, dass ich gewillt bin, es auf einen Versuch ankommen zu lassen.« »Wunderbar!«, sagte Hashirama sofort. »Dann arrangiere ich ein Treffen und sage Madara, dass er seinen Bruder mitbringen soll. Das ist alles so aufregend, findest du nicht auch? Aber wir sagen vorerst besser niemandem davon.« Tobirama teilte den Enthusiasmus seines Bruders noch nicht wirklich. Erst einmal wollte er abwarten, was dabei herauskommen würde. Wahrscheinlich eine Katastrophe, aber er ließ sich überraschen. Nächstes Kapitel: Vier kleine murder beans treffen sich und machen große Pläne. -------------------- 8. Kapitel: Kapitel 8 -------------------- Kapitel 8Patrizid, misgendering, GewaltBeide Seiten sahen sich mit Skeptisch an. Nun, mit Ausnahme von Hashirama, der alle deutlich wissen ließ, wie wunderbar er das fand, dass sie sich hier und heute zu viert zusammengefunden hatten, zwei Senju und zwei Uchiha, die sich Tage zuvor noch auf dem Schlachtfeld bekämpft hatten. Was zugegebenermaßen nur eine Farce gewesen war, um den Schein zu wahren. Tobirama stand an der Seite seines Bruders und musterte die beiden Uchiha ihnen gegenüber. Madara präsentierte sein übliches finsteres Gesicht und auch Izuna schien noch nicht gänzlich überzeugt von der ganzen Sache zu sein. Dabei war er es doch gewesen, der Tobirama den Vorschlag dazu unterbreitet hatte. »Hey, ähm, wollen wir uns jetzt weiterhin über zehn Meter hinweg anschweigen?«, fragte Hashirama in die Stille hinein. »Ich find das ein bisschen komisch.« »Das ist eine beschissene Idee«, kommentierte Madara. Arschloch. »Das ist vor allem albern.« Kurzerhand ergriff Hashirama Tobiramas Hand und zerrte ihn mit sich, als er die letzten Meter zwischen ihnen überwand. Tobirama stemmte die Fersen in die Erde, kam aber gegen seinen Bruder nicht an. Sie befanden sich tief im Wald, weit abseits beider Clangebiete. Hier war es unwahrscheinlich, dass irgendwer sie aufspüren würde, solange niemand Verdacht schöpfte. Sie planten, es dabei zu belassen. Nicht weit von ihnen entfernt floss der Fluss entlang und über den Baumkronen ragte eine Felsklippe auf. Tobirama sah sich Izuna gegenüber und wusste mit einem Male nicht mehr, wie er sich verhalten sollte. Ihm an die Gurgel zu gehen, war ja ausgeschlossen. »Also, Madara, das ist Tobirama, mein Bruder«, stellte Hashirama sie unnötigerweise einander vor. »Tobirama, Madara. Er beißt nicht, wirklich.« Madara verschränkte die Arme vor der Brust und machte den Eindruck, das Gegenteil demonstrieren zu wollen. Dass ihm Tobirama als Hashiramas Bruder vorgestellt wurde, schien ihn allerdings nicht zu irritieren. Das war neu. Die allermeisten fingen dann immer erst einmal eine Diskussion mit Hashirama an. »Also sollen wir jetzt so tun, als wären wir alle beste Freunde?«, fragte Madara sarkastisch. »Lernen wir uns doch erst einmal kennen«, schlug Hashirama vor. »Izuna, erzähl doch mal von dir. Dein Bruder hat sich da immer sehr bedeckt gehalten.« Izuna warf Madara einen giftigen Blick zu, wahrscheinlich wegen der Implikation, dass Madara überhaupt etwas erzählt hatte. »Du warst nicht in dem Deal inbegriffen, den ich mit deinem Bruder geschlossen hab.« »Was für ein Deal?«, knurrte Tobirama. »Du hast mich belästigt.« »Und du hast nicht abgelehnt«, konterte Izuna. »Das werte ich als Zustimmung.« »Du hast immer noch nicht bewiesen, dass du wirklich von Nutzen bist.« »Du hast mir ja auch noch gar keine Chance gegeben. Ansonsten ist mein Schwert in deinen Eingeweiden sicher auch nützlich.« »Izuna!«, unterbrach Madara ihn scharf. »Benimm dich.« Izuna zog eine Grimasse. »Komm schon, Big Bro! Der hat angefangen!« »Wie alt bist du? Fünf?« Beleidigt schwieg Izuna. Hashirama hatte wohl gedacht, das lief alles ein bisschen besser. »Was haltet ihr davon, wenn wir uns einfach gemütlich zusammensetzen und erst einmal reden?« Madara sah ihn skeptisch an. »Wie? Willst du, dass wir jetzt erst einmal Steine hüpfen lassen?« »Nun. Ja. Das wäre eine Möglichkeit.« Madara seufzte betont. Am Ende beließen sie es doch beim Zusammensetzen und Reden. Hashirama hatte ein paar Bento-Boxen mitgebracht, die er nun verteilte, sodass sie alle etwas zu knabbern hatten. Tobirama nagte mit wenig Appetit an seinem onigiri und beäugte Izuna skeptisch. Dieser bemerkte den Blick, grinste frech und zückte triumphierend eine Schriftrolle. Er streckte sie Tobirama entgegen. Dieser sah skeptisch auf die Rolle. »Was ist das?« »Mach‘s auf, dann siehst du es.« Als Tobirama immer noch zögerte, fügte Izuna an: »So gern ich das auch sehen würde, das explodiert dir schon nicht ins Gesicht.« Tobirama kniff die Augen zusammen und öffnete dann doch die Rolle. Seine Augen huschten über die Schrift. »Oh. Oh!« Izunas Grinsen wurde noch breiter. »Siehst du. Ich taug zu was.« Izuna hatte ihm hier seine eigenen Nachforschungen zum Thema Hormonbehandlung gegeben. In Anbetracht der Größe der Schriftrolle, war es wohl nur eine Zusammenfassung, aber was Tobirama hier las, lies bereits ein fundiertes Wissen erkennen. Izuna verstand wirklich etwas davon. Seine Aufzeichnungen waren wissenschaftlich exakt, seine Terminologie präzise und seine Schlüsse logisch. Er bemerkte, dass Hashirama ihn beobachtete. »Was ist, anija?« »Ach, ich freue mich nur, dass du anscheinend zu einer wichtigen Erkenntnis gekommen bist.« »Wie sollen wir jetzt weiter verfahren?«, fragte Madara. »Jetzt sind wir zu viert, aber vier Leute allein machen keinen Unterschied bei zwei so großen Clans.« »Aber wir sind jetzt stärker geworden, viel stärker«, sagte Hashirama mit Entschlossenheit in der Stimme. »Man wird uns anhören.« »Glaubst du das wirklich?«, fragte Izuna skeptisch. »Ich kenne euren Vater nicht, aber was ich von ihm gesehen habe, machte einen sehr ähnlichen Eindruck zu unserem. Die beiden werden nie auf uns hören.« »Bei uns Uchiha zählt allein die Stärke. Wer der stärkste ist, führt den Clan«, sagte Madara. »Und das ist derzeit noch unser Vater. Meine Augen mögen stärker sein als seine, aber er ist älter und erfahrener. Gerade was Genjutsu angeht, ist er mir überlegen.« »Schlägst du gerade wirklich vor, einen Putsch gegen unsere Väter zu planen?«, hakte Tobirama nach, weil er es nicht so recht glauben konnte, was er da hörte. Es war Hashirama, der antwortete: »Ja, das tut er. Madara und ich haben diese Möglichkeit bereits in Betracht gezogen. Nicht einmal ich glaube noch daran, dass wir die beiden irgendwie an einen Tisch bekommen. Aber mit dem Rest unserer Clans könnte es funktionieren.« »Beide Seiten sind kampfesmüde und das Töten leid«, fügte Madara an. »Sag nichts, Izuna, ich weiß, dass du jetzt schon wieder meckern willst. Aber du siehst es doch auch genauso deutlich wie ich. Wir bluten aus, zu viele sterben. Wenn wir so weitermachen, wird es in totaler Vernichtung beider Seiten enden. Wir müssen das Rad der Gewalt zerbrechen.« »Indem wir was tun? Unsere Väter töten?«, begehrte Izuna auf. »Komm schon, du kannst das Arschloch genauso wenig leiden wie ich.« Wenigstens darin stimmten sie überein, Tobirama konnte seinem Vater ebenso wenig abgewinnen. Aber so weit zu gehen und ihn zu töten? Je länger er darüber nachsann, desto mehr konnte er dem Gedanken abgewinnen. Ein wenig erschreckte ihn das selbst. »Für den Clan, Izuna«, versuchte es Madara weiter. »Oder am Ende wird es keinen Clan mehr geben, den du beschützen kannst.« Izuna verfiel in Schweigen und sann wohl darüber nach. »Und wie sollen wir das anstellen? Habt ihr da auch schon darüber geredet?«, fragte er schließlich. »Nun, leicht wird es nicht, auch Butsuma ist ein starker Kämpfer«, sagte Hashirama. »Aber zu viert können wir es schaffen, wenn wir sie nur irgendwie überlisten.« »Das wird mit Butsuma einfacher«, sagte Tobirama zu seiner eigenen Überraschung. »Er setzt weniger auf Hinterlistigkeit und mehr auf offenen Angriff und reine Stärke. Ich habe schon oft beobachtet, wie er seinen Rücken ungeschützt lässt, weil er den Feind vor sich wähnt.« »Das hast du beobachtet? Dann habe ich dich nicht genug beschäftigt«, kommentierte Izuna frech. »Lass mich mein ohnehin schwaches Vertrauen nicht bereuen«, knurrte Tobirama. »Madara, du kannst doch meine Holzdoppelgänger nicht von mir unterscheiden, nicht wahr?«, warf Hashirama ein. Madara schnaubte beleidigt. »Posaun‘s noch extra laut herum.« »Aber das ist doch was Gutes! In diesem Fall jedenfalls«, sagte Hashirama. »Passt auf, ich habe eine Idee. In einer Schlacht geht doch eh immer alles drunter und drüber und keiner achtet so wirklich darauf, was abgeht.« »Na, wenn ihr beide aufeinander trefft, fällt das schon auf«, warf Izuna ein. »Ich kenn sonst niemanden, der so abgedrehtes Zeug mit Holz kann.« »Ja, ja, ich weiß«, sagte Hashirama ungeduldig. »Also erzeuge ich einfach beim nächsten Mal vier Holzdoppelgänger und lasse sie mit einem einfachen Verwandlungsjutsu wie uns aussehen. Dann können die ein kleines Schauspiel abhalten, und wir verkleiden uns und nehmen uns unserer Väter an. Wie klingt das?« »Du klingst viel zu begeistert davon in Anbetracht dessen, was wir hier planen«, bemerkte Tobirama. Hashiramas Stimmung schlug schlagartig um. »Ja«, jammerte er. »Ich weiß. Ich denk lieber nicht darüber nach, was am Ende steht. Aber ich weiß sonst einfach nicht weiter.« »Vielleicht können wir Butsuma überraschen. Ich weiß es nicht, ihr kennt ihn besser«, sagte Madara. »Aber bei Tajima bezweifle ich es.« »Dann erledige ich zuerst Butsuma und ihr kümmert euch um Tajima«, schlug Tobirama vor. Izuna sah ihn skeptisch an. »Du allein?« »Von mir erwartet er es am wenigsten«, erklärte Tobirama. »Er weiß, dass Hashirama bei jeder sich bietenden Gelegenheit gegen ihn aufbegehrt und notfalls auch Jutsu gegen ihn einsetzt. Aber mich hält er doch ohnehin für eine Frau, die eigentlich nichts kann.« »Was totaler Blödsinn ist«, warf Hashirama ein. »Du bist besser als die meisten anderen im Clan.« »Ich muss also nur vorgeben, die Person zu sein, für die er mich hält«, fuhr Tobirama fort. »Dafür braucht es nicht einmal einer Verkleidung. Er wird es nie kommen sehen.« »Und wenn er erledigt ist, mischen wir uns unter eure Leute und erledigen Tajima«, schloss Izuna. »Genau!«, bestätigte Hashirama. »Das wird funktionieren, davon bin ich überzeugt. Es muss funktionieren.« Oder sie hatten zwei wütende Clans gegen sich.   In den kommenden Wochen trafen sie sich immer wieder, und Tobirama war erstaunt, wie schnell er akzeptieren konnte, was sie hier planten. Oder vielleicht hatte ein unbewusster Teil in ihm schon sehr lange diesen Gedanken gehegt und erst jetzt erlaubte er ihm Raum. Izuna stellte sich als Landplage heraus, jedoch als erträgliche. Er hatte ein freches Mundwerk, aber er wusste auch, wann es genug war. Meistens musste Tobirama ihm nicht allzu deutlich seine Grenzen aufzeigen, was er alles zu tolerieren bereit war. Viel bemerkenswerter war jedoch Izunas Intellekt. Er mochte zwar immer recht frech daherreden, aber darunter verbarg er einen beachtlichen Wissensschatz. Er mochte in seiner Arbeitsweise hin und wieder etwas salopper sein als Tobirama, machte das jedoch mit Kreativität wieder wett, und schon in den wenigen Wochen, in denen sie beide die Köpfe zusammensteckten, kamen sie zu einigen neuen Erkenntnissen. Tobirama hätte nie im Traum daran gedacht, dass das einmal wirklich passieren würde. Aber wer war er, dass er sich eine solche Gelegenheit in seiner Forschungsarbeit entgehen ließ, das wäre töricht. Hashirama und Madara erwiesen sich als weniger produktiv, da sie die meiste Zeit herumalberten wie kleine Kinder. Tobirama ließ es unkommentiert stehen und begnügte sich lediglich mit einem Augenrollen hier und da, wenn Hashirama es übertrieb. Eine Sache war nicht zu übersehen: Hashirama hatte Gefühle für Madara. Madara schien sie zu erwidern, auch wenn er das offensichtlich für sich behalten wollte oder sich der Gefühle vielleicht nicht einmal bewusst war. Das wäre alles kein Problem, wenn Hashirama nicht schon jemand anderes heiraten sollte. Tobirama wusste nicht, wie sie das irgendwie ins Lot bringen sollten. In den Wochen, in denen sie sich immer wieder heimlich trafen und allmählich einander besser kennen lernten, kamen sie immer wieder auf ihren Plan zu sprechen. Meistens traten sie dabei jedoch auf der Stelle, denn auch wenn sie sich alle einig waren, dass es das war, was getan werden musste, zögerten sie doch noch. Nicht nur planten sie hier einen zweifachen Vatermord, sondern auch noch Verrat an ihren Clans. Auch wenn es ihr Ziel war, beide Clans zum Frieden zu führen, so würden doch nicht alle zustimmen, wenn sie auf diese Weise die Führung über die Clans erlangten. Tobirama überraschte sich selbst, als er jede sich bietende Gelegenheit nutzte, um mit Izuna zusammen zu theoretisieren und zu überlegen, wie sie ihre Theorien in der Praxis testen konnten. Vielleicht vermied er damit auch einfach nur, über die viel dringendere Problematik nachzudenken. Aber irgendwann einmal mussten sie ihren mittlerweile minutiös ausgearbeiteten Plan in die Tat umsetzen. Mit jedem weiteren Treffen wuchs die Gefahr, dass sie aufflogen. Butsuma war es schon einmal aufgefallen. Also schritten sie schließlich zur Tat. Die Nacht, die jenem Tag vorausging, war eine sonderbare. Alles war still, geradezu unnatürlich still. Kein Lüftchen ging außerhalb des Hauses und nichts regte sich. Nicht einmal die Mäuse raschelten im Strohdach. Hashirama und Tobirama schwiegen sich an. Alles war vorbereitet, alles mehrfach geprüft, dass ihr Plan auch wirklich wasserdicht war. Sie waren sich sicher, dass nichts schief gehen würde. Und doch war die Stimmung zwischen den Brüdern gedrückt. Gemeinsam saßen sie auf Hashiramas futon und schwiegen sich an. Lediglich eine kleine Kerze spendete ihnen Licht. »Ich gehe zu Mutter«, sagte Hashirama in die Stille hinein. »Kommst du mit?« Stumm nickte Tobirama. Früher, als sie noch kleine Kinder gewesen waren, hatten sie das manchmal gemacht, da hatten sie sich im Dunkel der Nacht mit ihren Brüdern zu ihrer Mutter geschlichen, wenn sie nicht schlafen konnten und Alpträume sie plagten. Aus dem Alter waren sie schon lange herausgewachsen. Und doch. Und doch war es jetzt das, was sie beide brauchten. Tobirama wusste nicht, ob ihre Eltern jemals ein Schlafzimmer geteilt hatten, außer für das, was allgemeinhin als eheliche Pflicht angesehen wurde (und darüber wollte er nicht weiter nachdenken). Butsuma scherte sich also herzlich wenig darum, als seine beiden erwachsenen Söhne wie kleine Kinder ins Schlafzimmer ihrer Mutter schlüpften. Sakura schlief bereits, aber als wäre es ein mütterlicher Instinkt wurde sie beinahe sofort munter, als Hashirama und Tobirama das Zimmer betraten. Sie sah sie einen Moment lang an und wusste anscheinend sofort, was los war. Sie setzte sich auf und breitete ihre Arme aus, wie sie es früher immer getan hatte. »Kommt her, ihr beiden.« Hashirama und Tobirama setzten sich neben sie und kuschelten sich in ihre Arme. Sakura strich über ihre Köpfe. Tobirama wünschte sich, für einen Moment wieder ein kleiner Junge zu sein. So vieles war damals einfacher gewesen. Für einen Moment tat er nichts weiter, als die Wärme seiner Mutter zu spüren und auf ihren Herzschlag zu lauschen. Er wünschte, die Zeit würde einfrieren. »Mutter«, begann Hashirama mit leiser Stimme. »Wir werden morgen etwas sehr Weitreichendes tun.« Sakura hörte nicht auf, ihnen über die Köpfe zu streichen, und gab jedem von ihnen einen Kuss auf die Stirn. »Ihr plant, gegen euren Vater vorzugehen, ich weiß. Wie weit werdet ihr gehen?« Natürlich wusste Sakura das. Sie wusste solche Dinge immer. »Wir …« Hashirama zögerte. Tobirama spürte, wie er sich noch ein wenig mehr an Sakura kuschelte. »Wir werden ihn töten, und wenn ich den Clan führe, dann werde ich mit den Uchiha Frieden schließen.« »Das macht ihr richtig so.« Tobirama konnte das Lächeln in Sakuras Stimme hören. »Ich bedauere so sehr, dass ihr nie einen richtigen Vater haben durftet, ihr hättet es verdient. Ich kann euch nicht der Vater sein, den ihr gebraucht hättet. Aber ich bin eure Mutter, und als solche bin ich immer an eurer Seite.« Tobirama kniff die Augen zusammen, Tränen quollen zwischen seinen Lidern hervor. Er wünschte so sehr, dass alles anders gekommen wäre. Dass Itama und Kawarama noch lebten und dass sie nie als Shinobi geboren wären. Wenn sie einfach nur irgendwelche Bauern wären, dann wären sie nie in diesem Krieg hineingezogen worden. Dann hätten sie vielleicht sogar einen Vater haben dürfen. »Ich bin stolz auf euch, meine Kinder, und das werde ich immer sein.«   Am kommenden Tag sollte Butsuma sterben. Es war der Tag einer weiteren Schlacht mit den Uchiha. Sowohl Hashirama als auch Madara waren von Butsuma und Tajima in die Pläne eingeweiht worden, die beide Clanführer für den kommenden Konflikt hatten, und so wussten auch Tobirama und Izuna darüber Bescheid, was die jeweils andere Seite plante. Wie sie es besprochen hatten, hatten sich die beiden Uchiha sowie Hashirama verkleidet und hielten sich abseits des Geschehens, während Hashirama drei seiner Doppelgänger an ihrer Stelle ausschickte, um den Schein zu wahren. Es würde schon keiner so genau hinsehen inmitten des Getümmels eines solchen Kampfes. Vielleicht hatte Tobirama von allen vier den einfachsten Teil. Er musste sich nicht verstellen, er musste sich nicht einmal verkleiden. Er achtete einfach darauf, sich nicht allzu weit von Butsuma zu entfernen, während er ein paar Schaukämpfe mit dem falschen Izuna austrug, um den Schein zu wahren. Es musste nur echt aussehen, mehr war nicht nötig, und so konnte er sich darauf konzentrieren, nahe bei Butsuma zu bleiben und auf einen günstigen Augenblick zu warten. Sein Herz war eiskalt. Er hätte erwartet, dass er mehr empfinden würde. Aber da war nichts weiter als frostige Verbitterung und tiefe Verachtung. Butsuma hatte so viel Leid über seine Familie gebracht, er hatte das Blut zu vieler Unschuldiger an den Händen. Er musste aus dem Weg geräumt werden, nur das ebnete den Weg zum Frieden. Nur das würde dieses sinnlose Schlachten beenden. Tobirama achtete nicht wirklich darauf, wie die Schlacht verlief. Das würde ohnehin in dem Moment auf den Kopf gestellt werden, in dem sowohl Butsuma als auch Tajima tot waren. Alles war wie immer. Kleine Details würden entscheiden, wer an diesem Tag als Sieger aus diesem Konflikt herausging. Entgegen dem, was sowohl Butsuma als auch Tajima behaupteten, war das nicht immer vorhersehbar und hing von zu vielen kleinen Faktoren ab. Heute jedoch würde sich etwas Großes ereignen, etwas, das die Zukunft beider Clans fundamental verändern würde. Butsuma war so fixiert auf sein Duell mit Tajima, dass es wie immer an Tōka hängen blieb, die eigentlichen Befehle zur Koordinierung der Truppen zu geben, aber Tajima schien es da kaum anders zu geben. Tōkas Gegenstück bei den Uchiha hieß Hikaku, hatte Madara ihnen gesagt. Für einen kurzen Augenblick hatten sie darüber nachgedacht, die beiden einzuweihen, den Gedanken dann aber wieder verworfen. Es war besser, wenn so wenige wie möglich wussten, was sie planten, und auch wenn sie sowohl Tōka als auch Hikaku als vertrauenswürdig einstuften, wollten sie nichts riskieren. Tobirama wich einem Katon des falschen Izuna mit einem Hiraishin aus, einer seiner bisher ambitioniertesten Erfindungen; er konnte ja nicht tagein tagaus über Hormone nachdenken. Das brachte ihn auch näher an Butsuma heran. Er war abgelenkt. Was für ein Narr. Seinen Söhnen hatte er eingeprügelt, dass sie niemals unachtsam sein durften, und dann war er es selbst. Es sollte sein letzter Fehler werden. Tobirama musterte den Mann, der für so viel Leid in seinem Leben verantwortlich war, und konnte sich mit einem Male das Kunai zwischen Butsumas Schulterblättern nur allzu gut vorstellen. Es war ein Leichtes für Tobirama gewesen, Butsumas Rüstung am Vorabend noch mit einer kleinen Hiraishin-Markierung zu versehen. Er hatte längst überprüft, dass sie noch intakt war, was hieß, dass Butsuma sie nicht gefunden hatte. Es wäre eine Sache von Augenblicken. Butsuma würde nicht einmal begreifen, was mit ihm geschah. Fast schon bedauerlich. Tobirama überprüfte Hashiramas, Madaras und Izunas Positionen. Sie waren da, wo sie sein sollten. Gut. Tobirama erzeugte einen Schattendoppelgänger und schickte ihn gegen den falschen Izuna, sodass die beiden die vereinbarte Jutsu-Reihenfolge durchführten, ein ganz bestimmter Schlagabtausch, der das Zeichen für ihr Vorhaben war, dass es jetzt losging. Tobirama überlegte für einen Moment, ob er sein Katana nutzen sollte. Die Klinge war lang und scharf und konnte selbst ein Haar spalten. Aber nein, dann würde er nicht nahe genug herankommen. Er wollte das Licht in Butsumas Augen verlöschen sehen. Er wollte sehen, wenn Butsuma mit seinem letzten Atemzug begriff, was mit ihm geschah. Er festigte seinen Griff um sein Kunai. Dann sprang er zu seiner Markierung auf Butsumas Rüstung, rammte ihm seine Füße ins Kreuz, was sie beide zu Boden warf, und trieb dem Bastard das Kunai zwischen die Schulterblätter. Butsuma war nicht sofort tot. Er schaffte es sogar, Tobirama von sich zu werfen und sich auf Hände und Knie zu kämpfen. Tajima war nicht weit entfernt und beobachtete das Geschehen. Tobirama hatte es anscheinend geschafft, sogar ihn zu überraschen. Tajima bekam jedoch keine Chance, sich lange darüber zu wundern, als nun Hashirama, Madara und Izuna in den Konflikt eingriffen und Tajima in einen Kampf verwickelten. Butsuma war schwer verwundet, doch noch war sein Kampfeswille ungebrochen. Tobirama bleckte die Zähne, zückte sein tantō, das er an der Hüfte bei sich führte, und griff erneut nach der Hiraishin-Markierung auf der Rüstung. Die Klinge drang tief in Butsumas Fleisch ein, sein Blut lief warm über Tobiramas Hand und besudelte sein Gesicht und seinen schneeweißen Pelzkragen. Noch nie hatte er dieses Gefühl so sehr genossen. »Du!«, röchelte Butsuma. Seine Augen waren weit aufgerissen, das Weiße in ihnen deutlich zu sehen. »Ja, ich«, zischte Tobirama. »Ich bin es, der dir endlich gibt, was du verdient hast, Mistkerl. Du bist nicht mein Vater, das warst du nie gewesen. Du bist einfach nur ein Stück totes Fleisch.« Butsuma öffnete den Mund. Seine Finger zuckten. Tobirama riss das tantō aus seinem Fleisch und rammte es ihm mit aller Macht durch sein rechtes Auge in seinen Schädel. Butsuma schnaufte. Blut lief ihm aus dem Mund. »Ein … Mädchen«, röchelte er. Dann sackte er in sich zusammen. Es war viel zu schnell gegangen. Stille senkte sich über das Schlachtfeld. Letztes Kapitel: Ende gut, alles gut -------------------- 9. Kapitel: Epilog -------------------- EpilogCN: In diesem Kapitel wird am Ende eine transmasc Schwangerschaft thematisiert. Ich habe diesen Teil visuell vom Rest abgegrenzt. Wer das aus welchen Gründen auch immer überspringen will, kann ganz zum Schluss zur Spoilernote springen.Vier Jahre später Tobirama wusste wirklich nicht, warum Izuna eine so berührungsbedürftige Person war. Jedes Mal, wenn sie in ihrem Labor zusammenarbeiteten, hing Izuna an seinem Arm oder lugte ihm über die Schulter, während er hinter ihm saß. An manchen Tagen kroch er förmlich in Tobiramas Schoß und rollte sich dort wie eine Katze zusammen. Tobirama hatte es anfangs etwas irritierend gefunden, sich aber recht schnell daran gewöhnt und ließ Izuna jetzt einfach gewähren. Es war einfacher, als ihn jedes Mal davonzuscheuchen. Izuna würde dann nur wieder schmollen und so lange mosern, bis Tobirama es ihm doch erlaubte. Heute war einer jener Tage, an denen Izuna sich dazu entschieden hatte, sich an Tobiramas Rücken zu schmiegen und ihm den Kopf zu kraulen, während sie gemeinsam ihre Notizen der letzten Wochen durchgingen. Es war ein überraschend angenehmes Gefühl und half Tobirama, sich bei der Arbeit zu entspannen. »Ich habe neulich mit Hashirama gesprochen«, eröffnete Izuna. »Hm, das kommt hin und wieder vor, wenn man unter einem Dach lebt«, kommentierte Tobirama abwesend, während er über das nachsann, was sie zuletzt erarbeitet hatten. Die letzten Versuche hatten wieder einmal nicht die gewünschten Ergebnisse gebracht. Irgendetwas am Versuchsaufbau? Oder sollten sie vielleicht doch einen völlig anderen Weg wählen? »Ich würde das nicht erwähnen, hätte er mal wieder nur davon geschwärmt, wie hervorragend Konohas Aufbau vorangeht«, sagte Izuna spitz. »Meist heult er mir die Ohren voll, weil du ihm verboten hast, selbst mit Hand anzulegen. Weißt du, wie das nervt?« »Dann sag ihm, dass er sich wen anders dafür suchen soll«, bemerkte Tobirama. »Anija hat wichtigeres zu tun, als den lieben langen Tag Häuser wachsen zu lassen.« »Madara und Mito haben es ihm bereits verboten, dass er sie als seine Opfer wählt. Die Launen deines Bruders sind anstrengend.« »Nicht mein Problem.« »Ich mach‘s aber zu deinem Problem.« »Sehe ich, weil du eigentlich meintest, er hätte über etwas anderes mit dir gesprochen.« Es war erstaunlich, nahezu wundersam, wie gut Senju und Uchiha zusammenlebten. Natürlich hatte es anfangs einige Stolperstellen gegeben und die Spannung war beinahe greifbar gewesen. Aber Hashirama und Madara hatten beide Clans behutsam einander annähern lassen, und jetzt war Konohagakure nicht mehr nur ein Traum. Sie hatten Pläne, und diese Pläne wurden in die Tat umgesetzt. Noch immer wurde an allen Ecken und Enden gebaut, doch längst bestand das Dorf nicht mehr nur aus ein paar einzelnen Häusern irgendwo im Wald. Sie konnten mittlerweile von einer richtigen Siedlung sprechen. Irgendwie hatte es nie zur Diskussion gestanden, dass die vier Brüder sich ein großes Haus teilten. Hashirama und Madara konnten ja doch nicht die Finger voneinander lassen, und Tobirama und Izuna hielten es beide für besser, ihre Brüder im Auge zu behalten. Letztes Jahr war Mito zu ihnen gestoßen, und bis zu diesem Tag wunderte sich Tobirama, dass bei Madaras schrecklichem Temperament nichts explodiert war. Vielleicht lag es ja auch an Mito selbst. Nicht nur Hashirama war ihr beinahe sofort verfallen. Tobirama erinnerte sich noch gut des Tages, als Mito das erste Mal das Dorf besuchen kam, das damals kaum mehr als ein paar Hütten im Wald mit vereinzelten Pfaden dazwischen war. Madaras Laune war so unerträglich wie selten zuvor und Hashirama war ebenfalls sehr angespannt gewesen. Ganz offensichtlich war Madara kein Freund der ganzen Angelegenheit gewesen. Aber dann hatte er Mito gesehen und war ungewöhnlich still geworden. Keine drei Monate später hatten Hashirama und Mito geheiratet. Wie beiläufig hatten Mito und Madara an jenem Tag ebenfalls Sakeschalen ausgetauscht. Unaufmerksame Besucher hätten das vielleicht nur als freundschaftliche Geste abgetan, mit der er ihr gratulierte. »Mito ist immer noch mit Feuereifer dabei, das Mokuton deines Bruders zu verbessern«, kam Izuna auf sein ursprüngliches Thema zurück. »Bisher hatten sich die meisten ihrer Theorien ja als richtig erwiesen. Hashirama erzählte mir, wie sie mit ihm derzeit daran arbeitet, seine Heilfähigkeiten präziser bei anderen einzusetzen, nicht mehr nur bei sich selbst. Und nun ja. Du hast doch so ein paar Dinge, die du loswerden willst.« Erst jetzt sah Tobirama von der Schriftrolle auf und wandte sich Izuna zu. »Das heißt?« »Zum Beispiel, dass so ein sarashi gerade im Sommer echt unangenehm werden kann, habe ich mir sagen lassen. Und dass Hashirama da vielleicht Abhilfe schaffen kann.« Unwillkürlich sah Tobirama an sich herab und dann wieder zu Izuna. Ihm ging auf, dass er über die Möglichkeit bisher nicht wirklich nachgedacht hatte. Wenn er es nur geschickt anstellte, konnte er schon mit einem yukata gut verbergen, was sein sarashi nicht völlig ausgleichen konnte. Üblicherweise reichte ihm das, obwohl Izuna natürlich Recht hatte. Gerade in den heißen Sommermonaten war das zusätzliche Stück Stoff, das sich fest um seinen Oberkörper wand, sehr unangenehm. »Du könntest Tōka fragen, ob sie die Dinger will«, meinte Izuna schulterzuckend. Dann musste er grinsen. »Wäre amüsant, wenn das wirklich ginge. Ich glaube, das würde eine Menge Leute glücklich machen.« »Ich glaube nicht, dass das so funktioniert«, erwiderte Tobirama ernster. »Nach allem, was wir bisher wissen, wird das Brustwachstum von körpereigenen Östrogenen und Progesteron gesteuert.« Izuna winkte ab. »Ja, ich weiß doch, das haben wir zusammen herausgefunden. Aber stell dir das doch einmal vor. Du nimmst einfach deine Titten und gibst sie an Tōka weiter. Das wäre total praktisch! Dann könnte ich an manchen Tagen Titten haben und an anderen nicht. Manchmal hätte ich schon gern welche, aber das hängt davon ab, wie ich mich an dem Tag fühle.« Tobirama verdrehte die Augen. »Du bist albern.« Izuna schlang die Arme um ihn und klimperte mit den Augen. »Und doch arbeitest du bevorzugt mit mir zusammen. Lieber noch als mit Mito.« »Lange Zeit hatte ich schlicht keine Wahl. Dein Bruder ist ein Pyromane und meiner ein Träumer.« Izuna schmiegte seine Wange an Tobiramas Schulter. »Du solltest trotzdem Mal mit Mito und Hashirama sprechen. Vielleicht ist das etwas für dich.« Er streckte die Hand nach der Schriftrolle aus, die Tobirama gehalten hatte, um sie besser lesen zu können. Tobirama reichte sie ihm und sann über seine Worte nach.   Tobirama sann in der Tat lange und intensiv darüber nach. In den vergangenen Jahren hatte sein Körper einige Veränderungen durchgemacht und nicht alle davon hatten ihm wirklich zugesagt. Um genau zu sein, waren die meisten davon ziemlich lästig. Während er zusehen konnte, wie Hashiramas Stimme immer tiefer geworden war und seine Züge schärfer, hatte er seinen Babyspeck behalten und sogar noch an einigen Körperstellen an Rundungen zugelegt. Er versuchte es so gut es ging zu kaschieren, aber einfach so einen onsen aufzusuchen, war für ihn schlicht nicht möglich. Und bei seiner Stimme fing er gar nicht erst an. Es war Mito, die ihm ein wenig aus der Misere half und zusammen mit ihm auch gleich Tōka, die dasselbe Problem mit ihrer Stimme hatte. Mito zeigte ihnen beiden, wie sie ihre Art und Weise zu sprechen anpassen konnten, sodass sie sich mehr wie sie selbst fühlen konnten. Besonders Tōka hatte unter ihrer recht tiefen Stimme zu leiden und auch Tobirama konnte sich selbst einfach nicht sprechen hören. Seine Stimme war niemals so tief gefallen wie die seines Bruders, obwohl er sich das sehr gewünscht hätte. Mito aber wusste, was sie tun konnten, um ihre Stimmen in einem gewissen Rahmen anzupassen. Es war anstrengend und auch, nachdem Tobirama verstanden hatte, wie es funktionierte, schmerze ihm oft abends die Kehle. Er konnte sich die Brust abbinden, seine Hüften unter mehreren Lagen Stoff verbergen und seine Stimmbänder überstrapazieren, aber es war einfach nicht genug und erst recht nicht praktikabel über viele Jahre hinweg. Tōka hatte ihn immerhin von Anfang an gewarnt, was passieren konnte, wenn er falsch band. Dauerhafte Schäden an seinem Körper konnten nun wirklich nicht die Lösung sein. Aus irgendeinem Grund zögerte er dennoch, damit sogleich zu Hashirama zu gehen und mit ihm den Eingriff zu besprechen. Vielmehr saß er dieser Tage oft mit Tōka und auch Izuna zusammen am Fluss. So unterschiedlich ihre Situationen auch waren, irgendwie waren sie sich auch ähnlich und über die Jahre hatte sich dadurch ein festes Band zwischen ihnen gebildet. Tobiramas liebster Zeitvertreib war das Fischen, wenn er wirklich einmal vollkommen abschalten wollte. Dann saß er stundenlang am Flussufer und sah dem Wasser dabei zu, wie es vorbei strömte. Welch Ironie, dass es ebenjenes Ufer war, an dem sich vor so vielen Jahren Hashirama und Madara zufällig begegnet waren. Sie kamen immer noch hierher, für sie alle war es ein Zufluchtsort geworden, an dem sie sie selbst sein konnten. Tobirama behielt den Schwimmer seiner Angel im Auge, während Izuna den Kopf in seinen Schoß gebettet hatte und den Wolken zusah. Gelegentlich zeigte er auf eine und behauptete, er würde irgendein Tier oder eine andere Form darin sehen. Tōka saß nahebei und las in einigen Schriftrollen mit taktischen Berichten. Ihr und Hikaku oblag die Sicherheit im Dorf und sie beide waren ausgesprochen gut darin, Senju und Uchiha zu einer effektiven Zusammenarbeit zu bringen. Gedankenverloren ließ Tobirama Izunas Zopf durch seine Finger gleiten. Izunas Haar hatte eine interessante Textur, fast wie schwarzer Samt. Er beschäftigte gern einmal seine Finger auf diese Weise, wenn er seine Gedanken schweifen ließ, und Izuna mochte es. Tobirama sann dieser Tage manchmal darüber nach, seine Haare doch wieder lang wachsen zu lassen, vielleicht in einer ähnlichen Frisur wie Izuna. Das eine oder andere Mal hatte er das Izuna gegenüber sogar angesprochen, den Gedanken dann aber wieder verworfen. Izuna hatte gemeint, dass er machen sollte, womit er sich wohl fühlen würde, und ob er nun lange Haare hatte oder weiter seine wilden, kurzen Stoppeln, würde rein gar nichts ändern. »Sagt mal, wie lange datet ihr jetzt eigentlich schon?«, fragte Tōka in die Stille hinein. Sowohl Izuna als auch Tobirama zuckten zusammen und riefen dann wie aus einem Mund: »Was? Niemals!« Beide starrten sie Tōka entsetzt an. Wie kam sie nur auf diesen Gedanken? »Was schaut ihr mich so an?«, konterte sie. »Ihr benehmt euch wie ein altes Ehepaar.« Izuna sprang sofort auf und fuhr von Tobirama zurück, als hätte er sich an ihm verbrannt. »Das tun wir überhaupt nicht!« »Wir forschen zusammen, das ist alles!«, betonte Tobirama mit Nachdruck. Tōka zuckte mit den Schultern. »Na, wenn ihr meint. Wie geht es da bei euch eigentlich voran?« »Wir schaffen es immer noch nicht, bioidente Hormone mit sinnvoller Wirkung zu synthetisieren.« Izuna sank mit einem theatralischen Seufzen auf Tobirama. »Aber immerhin haben wir eine Menge anderer Grundlagen entdeckt. Was immerhin etwas ist.« »Und hast du schon eine Entscheidung bezüglich unliebsamer Fettansammlungen getroffen, Tobirama?«, fragte Tōka. Tobirama sagte für eine Weile nichts und sah schweigend auf das Wasser hinaus. »Haare wachsen wieder nach, und den sarashi lege ich jeden Abend wieder ab. Aber das ist etwas sehr … endgültiges.« »Ah. Hast du Sorgen, du könntest es bereuen?«, fragte sie nach. »Vielleicht.« Tobirama war sich da selbst nicht so sicher. »Vielleicht ist es auch einfach die Endgültigkeit des ganzen. Was, wenn ich mich irre und die Recht haben, die meinen, ich sei nur eine verwirrte Frau?« »Hmpf«, machte Tōka. »Solche Stimmen kenne ich. Die gehen einem viel zu sehr in den Kopf, nicht wahr? Dieses lästige, kleine Stimmchen, das verdächtig nach denen klingt, die dich nicht leiden können. Ich sei nicht Frau genug. Ich sei zu sehr Frau. Ich könne ja gar keine Frau sein, wenn ich maskuline Dinge mag.« »Wie ist das eigentlich, Geschlecht so klar zu empfinden?«, fragte Izuna dazwischen. Er hatte sich nun doch wieder an Tobirama gelehnt und sah zu Tōka. Diese wirkte jedoch ein wenig ratlos. »Ich weiß nicht. Es ist halt da. Ich bin eine Frau und alles andere fühlt sich falsch an. Wie ist es bei dir?« Izuna machte eine theatralische Geste und sank ein kleines Stück an Tobirama hinab. »Ich find das alles so anstrengend. Jeden Tag ein Geschlecht anlegen müssen, als wäre es ein Kleidungsstück, und dann danach handeln. Nein, nichts für mich. Ich bin ich, nicht mehr und nicht weniger.« »Du würdest dich also als geschlechtslos bezeichnen?«, fragte Tobirama nach. »Nun, nicht ganz«, korrigierte Izuna. »Manchmal, da ist mir schon danach, eine Rolle zu spielen, und die ist, wenn überhaupt, irgendwie männlich, aber auch nicht ganz. Wenn du verstehst.« Nicht wirklich, aber das musste Tobirama ja auch gar nicht. Das war eine Sache, die nur Izuna etwas anging.   Später, am Abend dieses Tages, sah Izuna tief in Tobiramas karmesinrote Augen und fragte ihn todernst: »Warum daten wir eigentlich nicht?«   Hashirama war zurückhaltend, was eine solche Operation an seinem Bruder anging. Nicht etwa, weil er es nicht auch für Tobirama wollte, sondern eher, weil er derjenige sein sollte, der den Eingriff vornehmen sollte. »Du zierst dich doch sonst nie, deine Hände tief in die Eingeweide anderer zu stecken, um sie wieder zusammenzuflicken«, stellte Tobirama heraus. »Ja, schon. Aber du bist mein Bruder«, hielt Hashirama dagegen. »Was, wenn ich‘s versaue? Das könnte ich mir nie verzeihen.« »Was kannst du schon falsch machen? Nimm die Dinger ab und gut ist. Ich hab dafür keine Verwendung.« »Sag das doch nicht einfach so, als wäre nichts dabei!« Tobirama seufzte. Mito sah dies als ihr Moment, einzuschreiten. »Bonsai, wir sprachen doch darüber. Du weißt ganz genau, wie das abläuft und du hast die Fähigkeiten dazu. Wenn nicht du, wer dann?« »Ich bin immer noch viel besser darin, mich selbst zu heilen, statt andere«, gab Hashirama zu bedenken. »Anija, du bist anstrengend«, kommentierte Tobirama. »Deine Fähigkeiten übersteigen in fast jedem Aspekt die aller anderen. Schau, das ist eine wichtige Sache für mich, das weißt du, und ich frage deswegen dich, und nur dich allein. Sonst niemanden. Weil ich weiß, dass du das besser machen wirst als alle anderen.« Er deutete auf sich. »Du musst mir die nur abnehmen, mehr nicht. Ich will nicht einmal, dass du sie danach an Tōka heftest, das wäre in der Tat sehr komplex.« »Bitte sag mir, dass ihr darüber gescherzt habt«, warf Mito ein. Tobirama sah sie irritiert an und wusste nicht so recht, was sie damit ausdrücken wollte. »Nun, vielleicht nicht wirklich scherzhaft, aber …« »Ah, gut. Dann ist doch nicht jeder Humor an dir verloren gegangen.« Tobirama machte ein pikiertes Gesicht. »Hmm.« Hashirama war anscheinend noch immer nicht gänzlich überzeugt, aber auch nicht mehr komplett abgeneigt. Am Ende tat er es dann aber doch und machte natürlich ein riesiges Theater daraus. Wahrscheinlich war er weitaus nervöser als Tobirama selbst und Mito musste ihm lange ins Gewissen reden, dass er keinerlei Anlass dazu hatte, so nervös zu sein. Kurioserweise war Izuna fast ebenso aufgeregt wie Hashirama, aber ob vor Vorfreude oder Nervosität wie Hashirama konnte Tobirama nicht sagen. Was hatten die beiden nur? Hashirama musste lediglich ein paar präzise Schnitte ansetzen und Gewebe entfernen, und Izuna tat nichts weiter, als die ganze Zeit Tobiramas Hand zu tätscheln und ihm zu sagen, dass alles gut werden würde. Natürlich wurde alles gut! Endlich wurde er diese lästigen Dinger los! Und das sogar sprichwörtlich im Schlaf. Tobirama bekam von dem eigentlichen Eingriff nichts mit, das Anästhetikum wirkte binnen Minuten. Unter jedem anderen Umstand hätte er es verabscheut, sich die Sinne zu benebeln, aber das hier war nicht wie jede andere Situation. Es war sein erster großer Schritt hin zu einem besseren Lebensgefühl. Eine kleine Sache mit einem großen Effekt. Einige Stunden später wachte er aus einer traumlosen Ohnmacht auf und war ein Stückchen mehr er selbst. Die Nachwirkungen der Betäubung ließen seinen Kopf noch schwimmen und so ganz gelang es ihm noch nicht, sich wieder zu fokussieren. Aber das alles wurde von dem Wissen wettgemacht, dass sich etwas Fundamentales in seinem Leben geändert hatte. Hashirama saß an seinem Bett und beobachtete ihn. Izuna saß an der anderen Seite und tätschelte schon wieder (oder immer noch?) seine Hand. Anhängliches kleines Wiesel. Als Hashirama bemerkte, dass Tobirama wach wurde, breitete sich ein strahlendes Lächeln auf seinem Gesicht aus. »Otōto, du bist wieder munter!« Tobirama verzog ob Hashiramas Lautstärke das Gesicht. »Natürlich bin ich das, was dachtest du denn?«, nuschelte er. »Wie fühlst du dich?«, fragte Hashirama sogleich. Tobirama bemerkte, dass auch Mito und Tōka im Raum waren und ihn erwartungsvoll musterten. Beide Frauen konnten es anscheinend gar nicht erwarten, einen Statusbericht zu erhalten. »Ein wenig desorientiert«, sagte Tobirama langsam. »Und durstig.« Sofort hatte er ein Glas Wasser in der Hand, das auch ebenso schnell nachgefüllt war, sobald er es geleert hatte. Dabei bemerkte er auch, dass er eine Kompressionsweste um die Brust trug. Fragend sah er an sich herab. »Nur eine Vorsichtsmaßnahme in den ersten Tagen«, sagte Hashirama sogleich. »Ich habe die Wunde noch nicht komplett geheilt für den Fall, dass du noch ein paar Änderungen willst. Willst du es sehen?« Natürlich wollte Tobirama es sehen. Hashirama half ihm aus dem Bett, da er noch ein wenig wackelig auf den Beinen war, aber das gab sich innerhalb weniger Minuten. Mit Hashiramas Hilfe legte er die Weste ab und entblößte seinen Oberkörper. Ein wenig seltsam, es vor anderen Menschen zu tun, aber auch aufregend. Sie befanden sich in dem Krankenhaus, das Hashirama hatte errichten lassen, und im Bad des Zimmers, das Tobirama gegeben worden war, befand sich ein Spiegel. Das erste Mal in seinem Leben sah er in seinem Spiegelbild sich selbst beinahe so, wie er wirklich war. Er betrachtete seine flache Brust, fühlte die Narben und bestaunte sein Seitenprofil. »Wenn ich es komplett abheile, kann ich die Narben auch kleiner erscheinen lassen«, warf Hashirama ein. »Wie gesagt, wenn du noch irgendwelche Änderungen willst.« »Nein, das … das ist in Ordnung so.« Tobirama schluckte und kämpfte gegen die Tränen an und ließ ihnen dann doch freien Lauf. »Das ist einfach wunderbar! Einfach perfekt. Tausend Dank, anija. Ich weiß nicht, wie ich dir jemals angemessen dafür danken kann.« Lachend und weinend zugleich fiel er Hashirama um den Hals. Hashirama war im ersten Moment sichtlich irritiert, klopfte ihm dann aber beruhigend auf den Rücken und fing einfach mit an zu weinen vor lauter Freude. »Uhm, ich glaube, du hast Tobirama kaputt gemacht«, warf Izuna nicht wirklich besorgt ein. »Pff, sei still«, fuhr Tōka ihm über den Mund. »Ich kann‘s nicht wirklich nachvollziehen, wie das für dich ist, otōto«, schniefte Hashirama. »Aber ich bin so froh, dass du glücklich bist! Nur, Mito sagte, dass deine Nippel am Anfang noch abfallen können.« Mito schlug eine Hand vor das Gesicht. »Du Ochse, das habe ich nicht ernst gemeint! Das wird nicht passieren!« »Was? Wirklich nicht? Ich bin ja so erleichtert!«, rief Hashirama aus. »Ich hatte solche Sorgen deswegen!« Izuna kicherte schelmisch. Ein wenig verlegen wischte sich Tobirama die Tränen aus den Augen. »Können wir jetzt wieder so tun, als wäre alles normal? Weil alles ist normal.«   Tobirama bekam noch ein paar Tage Bettruhe verordnet, und um seines Bruders willen leistete er dem Folge. Er fühlte sich mit einem Male so leicht, und das nicht nur wegen des fehlenden Gewichts an seinem Oberkörper. Damit war auch eine große Last von ihm genommen worden, dank der er sich nun so viel besser fühlte. »Du strahlst förmlich«, bemerkte Mito und war damit bei weitem nicht die einzige. »Das ist so wunderbar. Ich freue mich so sehr für dich.« Es brachte Tobirama ein wenig in Verlegenheit, dass manche da so eine große Sache daraus machten, aber gleichzeitig konnte und wollte er selbst nicht aufhören, sich darüber zu freuen. Hashirama sorgte höchstselbst dafür, dass es seinem Bruder an nichts mangelte. Die Operationswunden waren dank seiner Fähigkeiten schnell verheilt, und Tobirama bat sogar darum, die Narben beizubehalten. Sie zu sehen, machte ihn glücklich. Sonderlich eingeschränkt war er durch die Nachwirkungen der Operation ebenfalls nicht, was er erwartet hatte. Hashirama hatte sich natürlich wie immer um sonst Sorgen gemacht. Gleich am ersten Abend, nachdem Tobirama wieder nach Hause durfte, schlüpfte Izuna natürlich prompt unter seine Decke und kuschelte sich an ihn. Gewohnheitsgemäß legte Tobirama einen Arm um ihn. Izuna fühlte den Verlauf der Narbe nach. So ganz war das Gefühl in die Region noch nicht zurückgekehrt, und Tobirama hoffte, dass sich das in den kommenden Wochen geben würde. Hashirama aber meinte, die Aussichten darauf standen gut. Alles andere wäre ein wenig bedauerlich, aber zu verkraften. »Wie fühlt sich das an?«, fragte Izuna in die Stille ihres Zimmers hinein. »War es das Richtige für dich?« »Ganz ohne Zweifel«, betonte Tobirama. »Jetzt frage ich mich sogar, warum ich überhaupt gezögert habe.« »Das ist schon irgendwie verständlich«, meinte Izuna. »Ich bin so froh für dich. Du wirkst wie neugeboren.« »Nun übertreib nicht. Das ist Hashiramas Aufgabe.« Nach einer kurzen Pause fügte Tobirama an: »Es gab so viele Momente, wo ich mir gewünscht hatte, einfach mit meinem Bruder oder dir in einen onsen gehen zu können. Einfach zu entspannen. Natürlich hätte ich ein Verwandlungsjutsu anwenden können, als Kind hatte ich mir sogar etwas Entsprechendes ausgedacht. Aber das Wissen, was darunter ist, wäre da gewesen. Ich habe dir gelegentlich beim Training zugesehen, und ich muss zugeben, ich war neidisch auf deinen flachen Oberkörper.« »Ohhh, gefalle ich dir also?«, neckte Izuna und bohrte ihm einen Finger in die Seite. Tobirama schnaubte und entschied, nicht darauf einzugehen. »Ich hatte mit des Tricks erinnert, den ich mir als Kind ersonnen hatte, und es an mir ausprobiert. Das war es, das mir schlussendlich die Gewissheit gab, dass es wirklich das Richtige für mich wäre.« Izuna schlang die Arme um ihn. »Du sollst du selbst sein dürfen, du hast es genauso verdient wie alle anderen auch.« »Wie sieht es mit dir aus?«, erkundigte sich Tobirama. »Ich bin zufrieden mit allem, wie es ist«, sagte Izuna. »Mito hat sich als unerschöpflicher Quell an Wissen über Kimonomode herausgestellt und weiß so viel über Schminke und das beste daran ist, dass sie ihr Wissen mit mir teilt. Mein Körper ist, wie er ist, und das hat keinen Einfluss darauf, wer ich bin. Neulich hat Mito mir einige ihrer hōmongi geliehen, und das hatte einen enormen Effekt darauf gehabt, wie ich mich fühlte. Es war … ich weiß nicht, wie ich es sagen sollte. Das war ich, der mir da im Spiegel entgegen sah.« Tobirama lächelte. »Das freut mich zu hören.« »Wenn wir jetzt nur Tōka zu mehr Oberweite und dir zu einer tieferen Stimme verhelfen könnten«, sinnierte Izuna. »Aber ich habe das Gefühl, dass wir nahe dran sind. Die letzten Versuche sahen vielversprechend aus.« »Hm.« Sie verfielen in Schweigen. Tobirama schmiegte seine Wange an Izunas Scheitel und lauschte auf dessen Atemzüge, die warm und sanft über seine Brust strichen. »Wie sieht es bei dir eigentlich mit Kindern aus?«, fragte Izuna völlig zusammenhangslos in die Stille hinein. Tobirama fiel im ersten Moment nichts besseres ein als ein verwirrter Laut. Was war denn das für eine Frage? »Weil ich schon gern Kinder hätte«, fügte Izuna hinzu. »Bevorzugt mit dir.« Tobirama blinzelte. »Bitte was?« Izuna richtete sich auf seinen Ellbogen auf und stützte das Kinn auf die Hand. »Wir leben zusammen und wir arbeiten zusammen.« Tobirama runzelte die Stirn. »Und was hat das eine mit dem anderen zu tun?« »Ich dachte, Paare machen das so. Manche jedenfalls. Deswegen frage ich dich ja. Noch hast du die Teile dafür. Wir könnten natürlich auch adoptieren, wenn dir das lieber wäre. Oder du willst gar nicht. Dein Körper, deine Entscheidung.« »Äh.« Irgendwie schaffte es Izuna immer wieder, ihn sprachlos werden zu lassen. Da war sie hin, seine Eloquenz. »Habe ich irgendetwas verpasst?« Izuna schmollte. »Du weichst meiner Frage aus.« Tobirama brauchte einen Moment, um sich zu sammeln. »Das Thema war bisher … schwierig für mich. Butsuma sah das als meinen einzigen Daseinszweck im Leben an und daher hatte ich mich mit aller Macht dagegen gewehrt. Jetzt aber, aus meiner eigenen Entscheidung heraus … Ich weiß nicht, ich müsste darüber nachdenken, wie ich dazu stehe.« »Oh. Gut.« Izuna lächelte und schien sich damit zufrieden zu geben. Er kuschelte sich wieder an Tobirama. »Warum daten wir eigentlich nicht?«, sinnierte er. Ja, warum eigentlich nicht?   Aus irgendeinem Grund reagierte ihr Umfeld mit Irritation, als Tobirama und Izuna ihnen verkündeten, dass sie diese Sache mit einer festen Beziehung ausprobieren wollten. »Ich dachte«, Hashirama sah verwirrt zwischen ihnen hin und her, »ich dachte, ihr seid schon längst zusammen?« Jetzt war es an Tobirama, ihn verwirrt anzusehen. »Keine Ahnung, wie du da drauf kommst.« »Ist ja auch egal!« Hashirama winkte ab und zog sie kurzerhand beide in eine knochenbrechende Umarmung. »Das muss gefeiert werden!« »Nein, muss es nicht«, nuschelte Tobirama und kämpfte gemeinsam mit Izuna gegen Hashiramas Stärke an. Sie verloren beide. Erwartungsgemäß kam von Madara lediglich eine Todesdrohung, sollte Tobirama es wagen, seinem kostbaren kleinen Bruder auch nur ein Haar zu krümmen. Damit war dann auch diese Sache geklärt und die Dinge gingen weiter ihrem üblichen Lauf nach. Viel änderte sich dadurch nicht. Um genau zu sein, eigentlich gar nichts. Bis zu Tobiramas Geburtstag, als Izuna meinte, er hätte eine Überraschung für ihn. »Du weißt, wie ich zu diesem Tag stehe«, grummelte Tobirama. Ignorieren und einfach nicht daran denken, was ihm fehlte. Das war seine Taktik, um damit umzugehen. Izuna piesackte ihn so lange, bis er schließlich doch aufstand und sich nicht mehr die Decke über den Kopf zog. »Das ist ja auch kein Geburtstagsgeschenk, sondern eine Überraschung.« Tobirama kniff die Augen zusammen. So wirklich verstand er nicht, wo da ein Unterschied bestehen sollte. Izuna hielt ihm eine Spritze unter die Nase. Etwas irritiert nahm Tobirama sie entgegen und betrachtete sie. Eine klare Flüssigkeit war darin zu sehen. »Was ist das?« Izuna grinste triumphierend. »Ninjasaft.« Tobirama verdrehte die Augen. »Sei nicht albern.« Izuna knuffte ihn. »Du bist ein Spielverderber. Das ist bioidentes Testosteron. Ich dachte, ich mach dir eine kleine Freude und hab selbst an ein paar Faktoren unserer letzten Versuche geschraubt. Hat funktioniert. Tadaa!« Im ersten Moment konnte Tobirama gar nicht so wirklich realisieren, was er da hörte. »Wirklich?« Enthusiastisch nickte Izuna. »Wirklich! Ich habe sämtliche Tests durchgeführt und alle verliefen sie positiv. Über die Langzeitfolgen kann ich dir natürlich nichts sagen, aber du hattest sicher vor, das an dir selbst zu testen. Es hätte dich ohnehin nichts aufgehalten, nicht wahr?« Die Erkenntnis war noch immer nicht wirklich in Tobiramas Hirn eingesickert. »In den Muskel spritzen«, fügte Izuna unnötigerweise an. »Könnte etwas piksen.« Es pikste nicht nur etwas, da Tobirama völlig ungeübt bei so etwas war, aber das war ihm in diesem Moment egal. Er wusste natürlich, dass das unmöglich war, aber sobald er den Inhalt der Spritze komplett in seinen Oberschenkelmuskel injiziert hatte, hatte er das Gefühl, dass sich auf einmal alles in seinem Körper geändert hatte. Sie wussten, welche Veränderungen Hormone in einem Körper hervorriefen, und sie wussten auch, dass das Monate, sogar Jahre dauerte, bis der Prozess abgeschlossen war. Und doch war es Tobirama in dem Moment, als könne er vor Freude tanzen. Izuna beobachtete ihn hibbelig. »Und? Schon Bartstoppeln am Kinn?« Tobirama warf ihm einen langen Blick zu. Izuna grinste. »Gratulation zu den erfolgreichen Forschungsergebnissen«, sagte Tobirama betont ruhig. »Komm schon«, maulte Izuna. »Ein bisschen mehr Enthusiasmus. Das ist auch deine Arbeit.« Dieses Mal lächelte Tobirama milde. »Das hier«, er hielt die nun leere Spritze hoch, »ist wirklich phänomenal. Es ist genauso dein Werk wie auch meines.« »Dieser Gedanke, dass unsere Arbeit nicht nur unsere beiden Clans näher zusammengebracht hat, sondern auch so vielen anderen Menschen in ähnlichen Situationen wie wir oder Tōka helfen wird, ist irgendwie surreal«, sagte Izuna. »Ich meine, hauptsächlich haben wir beide uns einfach im Labor eingeschlossen und wochenlang nichts anderes gemacht, als durch Mikroskope gestiert. Und jetzt das hier!« »Ich will erst einmal sehen, wie es wirkt, danach können wir darüber nachdenken, was wir mit den Erkenntnissen anstellen.« »Wir sollten sie veröffentlichen! Solches Wissen sollte Allgemeingut werden.« »Und wir müssen schauen, wie es für Menschen funktioniert, die man bei der Geburt für männlich hielt. Da ist der Fall ja ein wenig komplexer.« »Aber wir haben eine funktionierende Grundlage und das ist unheimlich viel wert!« Tōka war natürlich völlig aus dem Häuschen, als sie davon erfuhr, und Tobirama kam nicht umhin, sich von ihrer Begeisterung anstecken zu lassen. Sie erläuterten Tōka ihren derzeitigen Forschungsstand und wo sie noch Probleme sahen in der Entwicklung eines Mittels für sie. Aber sie waren positiv, dass auch das nicht mehr lange auf sich warten lassen würde. In den kommenden Wochen und Monaten beobachtete Tobirama genau, welche Effekte das Testosteron auf seinen Körper hatte. Hashirama warf ein, dass er besser seine Blutwerte ebenfalls überwachte und bot an, das für ihn zu übernehmen. In den ersten ein, zwei Monaten passierte noch nicht viel, aber als es auf den dritten zuging, bemerkte Tobirama allmählich Veränderungen in seiner Stimme. Von da an dauerte es nicht mehr lange, bis auch anderen das auffiel. Eines Morgens machte seine Stimme nämlich plötzlich ein paar seltsame Dinge. Irritiert verstummte er mitten im Satz, als er merkte, wie seine Stimme kippte. Er blinzelte. Mito sah ihn für einen Moment irritiert an. Dann grinste sie füchsisch. »Aww, Tobi-nii-san kommt in den Stimmbruch!« »Oh! Wirklich? Ist es schon so deutlich?« Großartige Neuigkeiten! Sie nickte enthusiastisch. »Ja! Jetzt, wo ich darauf achte, kann ich es hören. Das ist phantastisch!« Sie ergriff seine Hände und tanzte um ihn herum. Er ließ sich davon anstecken und machte mit. »Das ist unglaublich, ihr habt es wirklich geschafft!« Zuletzt war auch seine Monatsblutung ausgeblieben, nachdem sie zuvor immer schwächer geworden war. Endlich war auch das Thema durch. Jetzt konnte er endlich er selbst sein.   Von da an dauerte es nicht mehr lang, bis Tobirama und Izuna auch eine Lösung für Tōka gefunden hatten. Ihr Fall erwies sich als komplexer und die Einwirkungen von Hormonen auf ihren Körper als nicht so weitreichend wie bei Tobirama, aber Tōka war für jedes bisschen dankbar, das sie ihr ermöglichen konnten. Während Tobirama froh gewesen war, seine Brüste endlich losgeworden zu sein, brach Tōka beinahe in Tränen aus, als sie einen ersten Brustansatz bei sich bemerkte. Sowohl Tōka als auch Tobirama dokumentierten detailliert jede noch so kleine Veränderung in ihren Körpern. Das war immerhin ein enormer wissenschaftlicher Fortschritt, den sie hier erzielt hatten, und auch wenn sie ihre Theorien hatten, so war es doch noch einmal etwas gänzlich anderes, die Wirklichkeit zu beobachten. Es gab allerdings noch eine Sache, die Tobirama Anlass zum Nachdenken gab. Sie beide waren gezwungen gewesen, in ihrer Jugend eine Pubertät zu durchlaufen, die inhärent falsch gewesen war. Er wusste mittlerweile, was im Körper passierte, damit dieser Prozess begann. Sicher waren sie nicht die einzigen Menschen auf der Welt, die diese Probleme zu bewältigen hatten. Wenn es nur irgendeine Möglichkeit gäbe, die Pubertät noch ein wenig zu verschieben, um Jugendlichen etwas mehr Zeit in der Selbstfindungsphase zu geben, würde es ihnen sicherlich enorm viel Druck nehmen. Also setzten er und Izuna sich daran. Das, was sie hier in Konoha geleistet hatten, sprach sich alsbald auch in anderen Ländern herum. Nicht nur begannen diese, das Dorfsystem, das sie etabliert hatten, zu imitieren. Es dauerte etwa ein Jahr, als Hashirama plötzlich meinte, es gäbe da jemanden, der Tobirama sprechen wollte. Etwas verwundert darüber, worum es wohl ginge, ging er in das Büro. Dort sah er sich einer jungen Person gegenüber, die ihm erwartungsvoll entgegenblickte und dann große Augen machte, als sie ihn sah. Er wurde einmal gründlich von oben bis unten gemustert, was er geduldig über sich ergehen ließ. Irgendetwas sagte ihm, dass er in der Tat derjenige war, der der Person vor ihm helfen konnte. Er deutete auf sich. »Ich bin Senju Tobirama und bevorzuge es, in einer maskulinen Weise adressiert zu werden. Mit wem habe ich es zu tun?« »Ich bin Harue, ein Junge aus dem Land der Wellen. Ich habe gehört, dass Sie machen können, dass ich auch wie ein Junge aussehe.« Tobirama bemerkte, wie Hashirama hinter seinem Schreibtisch schmunzelte. Er beschloss, ihn zu ignorieren und widmete seine ganze Aufmerksamkeit stattdessen Harue. »Nun, Harue-kun, ich kenne in der Tat ein paar Möglichkeiten, die dir offenstehen. Wie klingt es, wenn wir uns in Ruhe zusammensetzen und besprechen, was du dir für dich vorstellst?« Harue nickte begeistert. Es sollte bei weitem nicht nur bei Harue bleiben. Nach und nach fanden immer mehr Menschen ihren Weg nach Konoha, die Tobiramas und Izunas Hilfe ersuchten, und irgendwann einmal wurde ihnen klar, dass sie das nicht mehr nur im Privaten betreiben konnten. Dies war der Moment, in dem Izuna vorschlug, das Krankenhaus zu erweitern und neues Fachpersonal auszubilden. An irgendeinem Punkt war das alles viel größer geworden, als Tobirama jemals intendiert hatte. Aber irgendwie war es auch schön, all diese glücklichen Gesichter zu sehen von Menschen, die endlich zu sich fanden und sie selbst sein durften. Sie erlebten so viele Schicksale, Menschen mit allen möglichen Hintergründen, manche tragisch, manche herzerwärmend. Selbst aus Ländern, die sie einstmals als ihre Feinde betrachtet hatten, kamen Personen, um ihre Hilfe zu erbeten. Tobirama und Izuna konnten das schon lange nicht mehr allein stemmen und überhaupt sahen sie beide sich eher in der Forschung, im Hintergrund des ganzen. Es gab andere, die mit den Erkenntnissen, die sie gewonnen hatten, den Menschen viel besser helfen konnten. Also überließen sie es ihnen und widmeten sich wieder ihrer eigentlichen Arbeit. Das ließ jedoch auch wieder Raum für persönliche Dinge, und damit viel Zeit für Tobirama, darüber weiter nachzudenken. Es gab schließlich noch eine Sache, in der er eine Entscheidung treffen wollte. Also setzte er sich eines Abends mit Izuna zusammen. Ab hier geht es um die erwähnte Schwangerschaft.»Wenn ich Kinder will, dann nur mit dir«, sagte Tobirama geradeheraus. »Du bist der einzige, dem ich weit genug vertraue, mich mit Respekt zu behandeln und den ich auf diese intime Weise an mich heranlassen will.« Für einen Moment starrte Izuna ihn schweigend an. Er blinzelte. Dann fiel er Tobirama um den Hals. »Aww, das ist so süß von dir! Ich bin so dankbar, dass du mir so sehr vertraust.« Etwas verlegen erwiderte Tobirama die Umarmung. Izuna rückte nur minimal von ihm ab und setzte sich auf seinen Schoß. »Aber du weißt, was das bedeutet, ja?« Tobirama nickte. »Ich werde für eine Weile keine Hormone mehr nehmen können, und mein Körper wird in der Zeit die reversiblen Effekte wieder dem Hormonlevel anpassen, mit dem ich geboren wurde. Angenehm wird es nicht, aber dafür würde ich es in Kauf nehmen. Es ist ja nicht für immer.« Izuna lächelte und lehnte ihre Stirnen aneinander. »Ich bin wirklich sehr froh, dass wir uns damals nicht gegenseitig getötet haben. Lass uns ein Kind machen.« Es war eine sonderbare Erfahrung für Tobirama, das musste er sich einfach eingestehen. Weder er noch Izuna waren für Intimitäten dieser Art sonderlich zu haben. Ja, Izuna war ein anhängliches kleines Wiesel, aber bereits die Male, in denen sie sich geküsst hatten, konnte Tobirama beinahe an einer Hand abzählen. Hinzu kam, dass Tobirama das ganze Thema rund um Schwangerschaft immer mit einer inhärenten Weiblichkeit verknüpft hatte. Es fiel ihm schwer, das für sich zu akzeptieren und auch im Herzen zu fühlen, dass nicht alle Körper, die schwanger werden konnten, immer weiblich sein mussten. Daher dauerte es eine Weile, bis sie einen Weg gefunden hatten, der für sie beide funktionierte. Seine Monatsblutung setzte recht bald wieder ein, als wäre sie nie fort gewesen. Im ersten Moment war es eine niederschmetternde Erfahrung für Tobirama, doch dann erinnerte er sich daran, dass es nicht von Dauer war und was am Ende dieses Lebensabschnitts stand. Allzu oft musste er das allmonatliche Leiden nicht ertragen. Ein dreiviertel Jahr später blieb seine Blutung erneut aus. Es war eine sonderbare Erfahrung, in den kommenden Monaten die Veränderungen zu beobachten, die sein Körper durchging. Anfangs stand er noch fast täglich vor dem Spiegel und strich sich über den noch flachen Bauch. Eine ganze Weile war quasi nichts zu sehen, aber er wusste, dass da etwas Neues da war, etwas von dem er eigentlich angenommen hatte, dass er es nie erleben würde, und wenn doch, nur unter Zwang. Nie und nimmer aber freiwillig. Nie und nimmer gar mit einer gewissen Vorfreude darauf blickte. Er fühlte sich nicht schlecht dabei, auf jeden Fall keinesfalls so miserabel, wie er es erwartet hatte. Sicher, es gab Tage, an denen er sich am liebsten in seinen Decken verkroch und nicht daraus hervorkommen wollte. Aber Mito meinte, das sei normal. Jede schwangere Person würde unter dem Einfluss von wild durcheinandergewürfelten Hormonen im Körper eine ganze Menge Stimmungsschwankungen durchlaufen. Das beruhigte Tobirama wieder und dämpfte seine Dysphorie tatsächlich aus irgendeinem Grund heraus. Mito musste es immerhin wissen, sie hatte ihn bereits vor ein paar Jahren zum Onkel gemacht. Als Hashirama erfuhr, dass er jetzt ebenfalls Onkel werden würde, fiel er aus allen Wolken, und auch Sakura war zu Tränen gerührt, als sie von ihrem zweiten Enkel erfuhr. Sie stand Tobirama mit Rat und Tat zur Seite. Seine Mutter an seiner Seite zu wissen, gab Tobirama schließlich die Ruhe und Gewissheit, dass wirklich alles gut werden würde. Madaras Attitüde Tobirama gegenüber veränderte sich bemerkenswert. Wenn er zuvor an vorderster Front dabei gewesen war, Spitzen gegen Tobirama zu schießen, sobald er der Meinung war, Tobirama hätte Izuna auch nur falsch angeblickt, machte Madara nun auf einmal den Eindruck, Tobirama am liebsten in Watte zu packen. Zugegebenermaßen wurde das ziemlich schnell ziemlich lästig, weil Madara ihm auf Schritt und Tritt folgte und darauf achtete, dass Tobirama sich auch ja nicht überanstrengte, nicht einmal ansatzweise. »Du übertreibst!«, fauchte Tobirama eines Tages, als es zum zu bunt wurde. »Das ist das Kind meines Bruders, du hast ja überhaupt keine Ahnung, was für eine Verantwortung du jetzt hast!«, fauchte Madara zurück. Tobirama stemmte die Hände in die Hüften und funkelte Madara finster an. Sein Umfang hatte mittlerweile beträchtlich zugenommen, was ihn etwas schwerfällig werden ließ und den Effekt damit wohl auch zunichte machte. Diese neun Monate waren ein Wechselbad der Gefühle für Tobirama, doch am Ende verlief alles ohne Komplikationen. Zu Beginn hatten sie noch leichte Sorgen, dass die mehreren Jahre auf Hormonen einen Einfluss auf die Entwicklung des Kindes haben konnten, aber die Sorge erwies sich als unbegründet. Tobirama durfte schließlich einen gesunden und kräftigen Jungen in seinen Armen halten. Er war müde und erschöpft und doch so glücklich wie selten zuvor in seinem Leben. Es war einfach wunderbar. Izuna schmiegte sich an ihn und strich ihrem Sohn über den Kopf. Flauschige, schwarze Löckchen kringelten sich bereits auf dem Köpfchen. »Hast du schon eine Idee, wie wir ihn nennen wollen?«, fragte Tobirama. Izuna lächelte. »Wie wäre es mit Kagami?« Spoiler note: Und am Ende nennen Izuna und Tobirama ihren Sohn Kagami ******************** Am 19.7.2022 um 22:48 von Elenyafinwe auf StoryHub veröffentlicht (http://sthu.de/s=2%C3%9C%C3%96p%25) ********************