Das Schicksal ist nicht fair

Kurzbeschreibung:

Am 29.1.2017 um 21:32 von Silberfeder auf StoryHub veröffentlicht

Ein sanfter Windhauch wehte über die Schlossgründe. Harry und Hermine saßen im Gras, am Seeufer, Ron lag zwischen den beiden und betrachtete den Himmel.

„Ich kann immer noch nicht glauben, dass es jetzt wirklich vorbei ist. Dass wir es geschafft haben“, sagte er.

„Ich auch noch nicht so ganz“, stimmte Hermine ihm zu.

Harry schwieg.

„Jetzt ein gigantisches Festessen. Und dann … und dann bauen wir Hogwarts, die Winkelgasse und alles andere, das zerstört wurde, wieder auf.“ Ron wurde gegen Ende seiner Ausführungen immer leiser.

„Aber die Toten kommen nicht wieder. Nie mehr.“ Harrys Stimme war bitter. Dann stand er auf, drehte seinen Freunden den Rücken zu und ging. Aber nicht zurück zum Schloss, er hielt auf den Verbotenen Wald zu.

„Hermine?“

„Ja?“

„Kannst du ihm nachgehen? Ich glaube, du kannst das besser als ich.“ Ron hatte sich aufgerichtet und klang verlegen. Er kratzte sich mit der Hand am Hinterkopf.

Sie seufzte kaum hörbar, nickte aber. „Ich werde mit ihm reden.“ Sie stand auf und folgte ihm.

 

~*~*~

 

„Ich hab’s geschafft, Hermine! Ich hab’s geschafft!“

Nach der Schlacht hatte sie Harry nicht mehr wirklich lachen sehen, doch jetzt tat er exakt das. Und auch wenn sie eigentlich genau wusste, wovon er redete, fragte sie, um ihn zu necken: „Was genau hast du geschafft?“

„Na die Aufnahmeprüfung für die Aurorenausbildung! Ich habe heute meine Ergebnisse bekommen und habe überall bestanden. In Zaubertränke war ich knapp über dem Durchschnitt und in Verteidigung hatte ich sogar das beste Ergebnis!“

„Glückwunsch, Harry!“ Sie lachte und umarmte ihn.

Er erwiderte es. Noch immer breit grinsend.

 

~*~*~

 

Sie reichte Harry die Teetasse, der diese stumm entgegennahm.

„Willst du mir nicht erzählen, was …“, begann sie, brach jedoch ab, als sie sah, dass er kaum merklich seinen Kopf schüttelte. „Gut. Erzähl es einfach, wenn du so weit bist. Und wenn du es gar nicht erzählen willst, ist es auch in Ordnung.“

Sie stand auf und trat auf den Kamin zu. Mit einem Schnippen ihres Zauberstabes entzündete sie ihn. Prompt schien es so, als würde schon seit Stunden ein gemütliches Feuer darin prasseln und auch wenn Hermine schon fast ein Jahrzehnt Teil der Zauberwelt war, wunderte sich doch immer wieder über solche Kleinigkeiten.

„Danke“, klang es plötzlich leise von Harry.

Sie drehte sich wieder zu ihm herum und lächelte. „Für dich immer.“

 

~*~*~

 

„Oh, Harry! Ich hätte nie gedacht, dass du fragst.“ Jubelnd fiel sie ihm um den Hals.

„Es war nicht nur mein, sondern auch Ginnys Wunsch, dass du eine Trauzeugin auf unserer Hochzeit warst.“

„Verstehe.“ Sie lächelte immer noch breit, denn sie hatte es nicht wirklich erwartet, diese Ehre zu haben. „Und wer soll den anderen Trauzeugen machen?“

„Ron. Ginny überbringt ihm gerade die Botschaft.“

Auch wenn es nicht mehr möglich zu sein schien, grinste Hermine noch breiter. „Dann kann ja nichts mehr schief gehen.“

„Genau. Das wird ein grandioser Tag.“

„Solange die Torte geliefert wird. Stell dir mal vor, die kommt zu spät. Molly wird ausflippen.“ Dabei spielte sie auf Georges Hochzeit mit Angelina an.

Harry lachte. „Ach, das war doch witzig.“

Sie fiel in sein Lachen ein. Als sie wieder halbwegs reden konnte, meinte sie jedoch: „Das sagst du nur, weil du erst gekommen bist, als ihr Anfall fast wieder vorbei war.“

Er zuckte nur mit den Schultern.

 

~*~*~

„Ganz ruhig.“

„Aber …“

Sie unterbrach Harry, indem sie ihn Sanft auf den Sessel drückte. „Du kannst jetzt nichts tun, außer abwarten. Und glaub mir, du hilfst ihr mehr, wenn du nicht panisch durch die Wohnung stürmst.“

Er seufzte. Nickte dann aber.

Hermine war sich nicht ganz sicher, ob er wirklich verstanden hatte. „Sie wird ihr Kind nicht verlieren, Harry. Die Heiler in Sankt Mungos wissen, was sie tun.“

 

~*~*~

 

„Harry, du …“

Er ließ sie nicht ausreden. „Ich weiß nicht, was ich tun soll. Ich habe keine Ahnung. Ich habe schon alles probiert, aber diese Erinnerungen kommen immer wieder. Immer und immer wieder.“

Sie zögerte einen Moment, dann legte sie die Arme um ihn und strich ihn über den Rücken.

„Vielleicht werden die Bilder des Krieges nie ganz verschwinden. Aber wir sind da, um dir zu helfen.

„Danke.“

„Gern geschehen.“

 

~*~*~

 

Nach Luft schnappend tauchte Harry wieder aus dem Denkarium auf.

Es war eine Sache bestimmte Situationen selbst zu erleben. Eine ganz andere war es, diese aus der Sicht einer anderen Person erneut zu erleben.

Erinnerungen wurden meistens von Emotionen beeinflusst, sodass man, wenn man die Erinnerungen zweier Personen an dasselbe Ereignis betrachtete, immer kleine Unterschiede feststellen konnte. Das hatte er schon vor einer ganzen Weile erfahren, aber dass es solche Unterschiede sein konnten, das hatte er nicht geahnt.

Er hatte wirklich gespürt, was Hermine in diesen Momenten gefühlt hatte.

Harry spürte ebenso, wie sich ein Kloß in seinem Hals gebildet hatte. Es fiel ihm schwer zu schlucken und er dachte, jeden Moment weinen zu müssen. Er schloss seine Augen und atmete tief durch. Tat alles und schaffte es letztendlich, sich wieder zu beruhigen.

Ihm war es unangenehm, einen solchen Gefühlsausbruch zu haben, auch wenn niemand hier war, der ihn beobachten hätte können.

Harry spürte ebenso, wie sich ein Kloß in seinem Hals gebildet hatte. Es fiel ihm schwer zu schlucken und er dachte, jeden Moment weinen zu müssen. Er schloss seine Augen und atmete tief durch. Tat alles und schaffte es letztendlich, sich wieder zu beruhigen.

Ihm war es unangenehm, einen solchen Gefühlsausbruch zu haben, auch wenn niemand hier war, der ihn beobachten konnte. Er schloss seine Augen und versuchte tief durchzuatmen, in der Hoffnung, sich so wieder beruhigen zu können. Es klappte, wenn auch nur mit mäßigem Erfolg.

Doch es reichte, um sich wieder auf die Gegenwart zu konzentrieren.

Langsam bückte sich Harry und zog die kleine Pappschachtel mit den unscheinbaren Fläschchen, die wiederum einen sehr wertvollen Inhalt – Erinnerungen – hatten, zu sich. Er hatte bisher gerade einen Bruchteil von ihnen betrachtet. Bei den Erinnerungen lag auch ein Brief, geschrieben in der engen, kleinen Handschrift Hermines, die allerdings etwas ungelenker war, als üblich.

Harry musste diesen Brief nicht öffnen, um zu wissen, was darin stand. Er hatte ihn in den letzten zwei Tagen viel zu oft gelesen. Trotzdem zog er ihn heraus und las die Zeilen.

 

Lieber Harry,

Ich weiß nicht, wie viel Zeit ich noch habe, deshalb möchte ich dir das hier zukommen lassen. Du bist neugierig und tust selten das, um was man dich bittet, aber schau dir den Inhalt trotzdem erst näher an, wenn ich nicht mehr alles vorbei ist.

Ich möchte, dass du weißt, dass du ein wichtiger Freund für mich warst und ich wirklich froh bin, dich gekannt zu haben. Bücher waren mir schon immer wichtig. In der Grundschule hatte ich nur meine Bücher. Auch anfangs in Hogwarts. Aber durch dich und Ron habe ich begriffen, was Freundschaft wirklich wert ist.

Die Zeit mit euch möchte ich wirklich nicht missen, auch wenn es nicht immer einfach war. Doch erinnere bitte nicht nur an die traurigen, anstrengenden Momente.

Denke auch etwas an den Spaß, den wir gemeinsam hatten. Daran, wie wir Ron zum ersten Mal in einen Vergnügungspark geschleppt haben, zum Beispiel. Ich muss immer noch lachen, wenn ich mich daran erinnere, welchen Gesichtsausdruck er hatte, nachdem er mit einer Achterbahn gefahren ist. Ihm war sogar noch unwohler, als es mir auf einem Besen ist.

Oder daran, wie du mich in unserem dritten Jahr, ich glaube, es war nach der Feier, als wir den Quidditschpokal gewonnen haben, überredet hast nachts nochmal raus zu gehen. Bis dahin hätte ich nicht gedacht, dass ein Nachtspaziergang unter Freunden, auch wenn er höchst illegal war, so angenehm sein könnte. Wir haben über so viel geredet in dieser Nacht. Daran denke ich noch immer gerne zurück. Es war einfach einer dieser Momente, die einem das Herz erwärmen. (Das klingt so übertrieben poetisch, wenn ich diesen Satz so lese. Ich hoffe, das nimmst du mir nicht krumm.)

Ich bin allerdings überaus froh, dass wir in der Nacht den Tarnumhang und die Karte von Fred und George hatten, da wir sonst Professor Snape in die Hände gelaufen wären. Und ich glaube nicht, dass der sich nach dieser Niederlage – ich habe gehört, er hat mit Professor McGonagall gewettet, wer den Pokal gewinnt – zu Gryffindors besonders freundlich gewesen wäre.

Ach, du weißt selbst, welche Momente die am Erinnerungswürdigsten sind. Und du hast ja auch noch meine Erinnerungen.

Danke, Harry, dass du immer für mich da warst, wenn ich dich gebraucht habe.

Danke, für das, was du für mich getan hast.

Danke, dass du bis zum Ende bei mir warst.

In tiefer Freundschaft,

Hermine

 

Heiße Tränen tropften auf das Papier, doch die Tinte verschwamm nicht. Wasserfest. Harry hatte sie ihr zu ihrem letzten Geburtstag geschenkt.

„Harry?“, wollte Ginny wissen. „Bist du soweit?“ Sie war offenbar noch im oberen Stockwerk, wohl in ihrem Schlafzimmer.

Es dauerte einen Moment, ehe er antworten konnte. „Noch nicht.“ Seine Stimme klang furchtbar kratzig. „Geh vor, wenn du willst, ich komme dann nach. Ich schaffe es schon rechtzeitig.“

Nun konnte er das Knarzen von Treppenstufen hören, als seine Frau langsam herunterkam.

„Sicher, dass ich dich alleine lassen soll?“

Harry zögerte einen Augenblick, nickte aber dann.

Ginny seufzte, trat dann aber auf ihn zu und gab ihn einen sanften Kuss auf die Wange. „Bis später.“

„Bis später“, antwortete er.

Gleich darauf hörte er ein leises Ploppen von der Straße her. Sie war disapperiert. Auf den Weg zu Hermines Beerdigung.

Harry schluckte erneut. So wirklich fassen, dass Hermine, seine beste Freundin – klar, Ron war auch ein bester Freund, aber das war trotzdem etwas ganz anderes – nun nicht mehr da war. Weg, einfach weg.

Er trat auf die Anrichte zu, sah dort die noch halbvolle Flasche Feuerwhiskey stehen, die noch vom Vorabend übrig war. Ron und Er hatten zum Gedenken an Hermine angestoßen.

Für einen Augenblick überlegte er, ob er sie leeren sollte, verwarf den Gedanken schnell wieder. Das war doch genau das, was alle von ihm erwarteten. Und mit etwas Pech würde auch die Presse bei der Beerdigung auftauchen und dann hatte er einen absolut unnötigen Skandal am Hals und stand wieder einmal mehr im Rampenlicht, als notwendig gewesen wäre.

Er hob seinen Zauberstab und murmelte einen Haushaltszauber, den ihm Molly beigebracht hatte, ehe er mit Ginny zusammengezogen war, worauf hin sich der Feuerwhiskey selbst in den Schrank räumte, sich die beiden benutzten Gläser abspülten und sich ordentlich auf die Ablage stellten.

Aber selbst das erinnerte ihn an seine Freundin. Mit dieser Art von Zaubern war sie immer auf Kriegsfuß gestanden.

Er fragte sich, wie lange es wohl dauern würde, ehe er nicht bei jeder Tätigkeit an sie denken musste. Er hatte bereits viele Menschen verloren. Seine Eltern, Sirius, Remus, Tonks, Fred … eigentlich alle, die während des Krieges damals gestorben waren. Ihn verfolgten diese Tode noch immer. Manchmal war es besser, doch an Tagen wie dem heutigen.

Früher war immer Hermine dagewesen, um ihn aufzumuntern. Um ihn auf andere Gedanken zu bringen. Jetzt musste er es irgendwie alleine schaffen.

Mit Ginny oder Ron wollte er diese Gedanken nicht teilen. Ginny hatte genug um die Ohren und Ron hatte seine eigenen Geister, die fast genauso schlimm waren, wie seine eigenen. Er hatte immer noch das Gefühl, dass Hermine den Krieg am besten von ihnen allen weggesteckt hatte.

Dafür hatte sie dann diese Krankheit bekommen.

Harry verließ die Küche, um nach oben zu gehen. Langsam sollte er sich wirklich fertig machen. Er überlegte einen Moment, ob er einen schwarzen Umhang tragen sollte, oder einfach eine schwarze Hose und ein schwarzes Hemd, beschloss aber dann, dass es egal war. Sie war sowohl in der Zauberwelt als auch in der Muggelwelt zuhause gewesen. Beides hätte sie nicht gestört. Würde sie nicht stören. Außerdem würden ihre Eltern auch in Muggelkleidung erscheinen. So wären sie nicht die einzigen.

 

„Du solltest wirklich mal zu einem Heiler gehen, Hermine.“ Harry wusste, dass er nicht der einzige war, der ihr das geraten hatte.

„Nein, nein, das geht schon.“ Sie hustete erneut. Dieses Mal hörte es sich noch schlimmer an, als zuvor.

Er seufzte. Sie war stur wie eh und je. „Keine Wiederworte, ich bringe dich jetzt ins Mungos.“

„Aber …“ Sie setzte zum Protest an, was jedoch von Harry ignoriert wurde.

„Ich wette, Ron macht sich auch schon Sorgen um dich.“

„Hm …“

„Du musst dich nur kurz durchchecken lassen, bekommst einen Trank und bist schon wieder draußen. Mehr ist das nicht.“ Er sah ihr in die Augen.

Diesmal war sie es, die seufzte. „Nein, Harry.“

„Wie meinst du das?“ Er war verwundert.

„Kannst du ein Geheimnis bewahren?“

„Natürlich.“

Sie setzte sich auf die Treppenstufen in ihrer Wohnung. „Ich war bereits im Mungos. Dort haben sie nichts gefunden. Danach bin ich noch zu einem Muggelarzt, weil mir das suspekt vorkam. Dort haben sie dann tatsächlich etwas gefunden. Einen Tumor. Nicht operabel. Kaum Chancen auf Heilung. Und nein, auch nicht mit Magie. Ich habe bereits nachgeforscht.“

„Was?“ Entsetzt starrte Harry sie an.

„Krebs. Um es knapper zu sagen. Ich habe sicher ein paar Monate. Vielleicht sogar ein Jahr.“

Er war noch immer geschockt. „Hermine … du …“

„Bisher wissen es neben dir nur ein paar Heiler und der Muggelarzt, bei dem ich war. Es wäre nett, wenn du es noch eine Weile für dich behalten würdest. Ich will es erst sagen, wenn es nicht mehr anders geht.“

„Du …  Bist … Bist du sicher, dass es nicht geheilt werden kann?“

Sie lächelte schwach. „Ja. Harry, versprich mir bitte, dass du schweigst.“

„Ich … ich verspreche es.“

„Danke!“

„Wann hast du vor, Ron einzuweihen?“

Sie schwieg. Dann nach einer Weile, die ihm wie eine Ewigkeit vorkam, reagierte sie endlich. „Ich weiß es nicht. Ich will ihm keine unnötigen Sorgen machen. Er hat so schon viel um die Ohren. Er ist ja als Auror tätig. Außerdem hilft er noch bei …“

„Hermine.“ Harry trat auf sie zu. „Sag es ihm. Du wirst dich besser fühlen. Und er wird dich unterstützen. Er liebt dich.“

„Das ist es ja. Vielleicht hast du Recht … aber … ich weiß einfach nicht, was ich tun soll.“

Er umarmte sie. „Ich stehe auch immer hinter dir, egal, wie du dich entscheidest. Und ich bin mir sicher, Ginny tut das ebenfalls.“

 

Er trug eine einfache, schwarze Jeans, ein schwarzes Hemd und einen schwarzen Mantel, der als neuster Schrei in der Zauberwelt galt. Eine gute Kombination aus beiden Welten, wie er fand.

Auf dem Friedhof war noch nicht so viel los, wie er erwartet hatte. Die Grangers waren bereits da. Ginny stand bei ihrem Bruder. Dieser schien ihren Trost gerade dringend nötig zu haben, weshalb Harry nicht zu den beiden ging. Er wollte derzeit ohnehin am liebsten alleine sein.

Es ploppte leise und Molly und Arthur tauchten aus dem nichts auf. Sie hatten ihn anscheinend nicht gesehen, denn sie gingen direkt zu den Grangers.

Das war der Moment, in dem Harry beschloss, im Schatten auf das Ende der Beerdigung zu warten. Am Rand des Friedhofs stand eine alte Linde, deren Schatten genug Platz bot, um einen Menschen zu verbergen und nah genug am Grab war, um alles zu beobachten. Mit etwas Glück würde er es schaffen, unbeobachtet dorthin zu kommen.

Tatsächlich wurde er von niemandem angesprochen, als er an den Gräbern vorbei kam. Währenddessen erschienen weitere Personen. Ehemalige Klassenkameraden – Hannah Abbot und Neville Longbottom, Luna Lovegood, die Partil Zwillinge –, aber auch ein paar unerwartete Gäste. Harry war sich nicht sicher, aber er meinte Viktor Krum erkannt zu haben. Außerdem waren noch ein paar ehemalige Ordensmitglieder aufgetaucht.

Jedoch niemand von Rang und Namen, der Hermine nicht persönlich gekannt hatte. Und auch keine Presse. Beides Dinge, worüber Harry äußerst froh war.

Wie ihm auffiel, waren abgesehen von ihren Eltern auch keine Muggel erschienen. Bisher hatte er nicht daran gedacht, aber offenbar hatte bei der Planung niemand berücksichtigt, dass sie auch Muggelfreunde gehabt hatte, die nichts von ihrer Magie, damit auch von der Beerdigung wussten.

Gedanklich machte er eine Notiz diese noch aufzusuchen. Bald. Sobald er dafür bereit war.

Leise begann Musik zu spielen. Harry hatte keine Ahnung, wie das Lied hieß, wusste aber, dass es zu ihren Lieblingsliedern gezählt hatte. Er lächelte ganz leicht.

Dann tauchte der Zauberer auf, der die Beerdigungsrede hielt. Auf den ersten Blick sah er wie derjenige aus, der damals zu Dumbledores Beerdigung geredet hatte. Und er hielt auch eine ähnlich unpersönliche Rede.

Von ihren großartigen Leistungen im Krieg. Von ihrer Mithilfe beim Wiederaufbau. Von ihren Erfolgen beim Erfinden neuer Zaubertränke. Von ihrem Eintreten für die Rechte von magischen Wesen.

Die wichtigen Dinge fehlten. Dass sie eine großartige Freundin gewesen war. Dass man immer auf sie zählen hatte können. Dass sie es geschafft hatte, dass sich Ron und Harry in den Wirrungen der Nachkriegszeit nicht selbst verloren hatten. Dass …

Es gab so vieles zu sagen, aber so wenige Worte, um all das auszudrücken.

„Ihr Feuer mag erloschen sein, aber solange die unseren brennen, wird sie nie vergessen werden“, endete die Rede schließlich.

Und wie auf das Kommando begann ihr Sarg – Kirsche, er war aus Kirschholz – im Boden zu versinken. Auf Wunsch ihrer Eltern blieb das Loch noch eine Weile offen, sodass jeder Blumen direkt auf den Sarg legen konnte.

Ein Muggelbrauch, wie sie erklärt hatten.

Nach und nach traten die Trauergäste zum Grab und warfen ihre Blumen auf den Sarg. Weiße Lilien, weiße Chrysanthemen, weiße Rosen. Währenddessen endete das eine Lied und ein anderes begann. Nicht weniger traurig, aber dennoch hoffnungsvoller.

Als schon fast alle ihr die letzte Ehre erwiesen hatten, näherte sich Harry der Zeremonie wieder.

Er reihte sich vor den Grangers, vor Molly und Arthur, vor Ron ein, die den Abschluss bilden würden, wie sie zuvor abgemacht haben.

Dann, als er schließlich vor ihrem Grab stand, zog er seinen Zauberstab aus der Tasche und beschrieb einen Kreis in der Luft. Dabei konzentrierte er sich auf etwas ganz bestimmtes.

Langsam nahm ein Kranz aus Christrosen in der Luft vor ihm Gestalt an.

Hermine wusste, was ihm diese Blumen bedeuteten. Er hoffte, sie würde irgendwie verstehen, was er damit ausdrücken wollte. Er hoffte, dass diese Botschaft irgendwie ihren Weg zu ihr finden würde.

„Lebe wohl“, murmelte er. „Lebe wohl, Hermine.“

Er trat zur Seite.

Nun würde alles anders sein wie zuvor. Ganz anders.

Erneut fühlte er die Tränen auf seinen Wangen. Er machte sich nicht die Mühe diese wegzuwischen. Wünschte sich nur noch, dass alles vorbei war, dass er nichts mehr fühlen würde, nie mehr, nur um diese Trauer nicht spüren zu müssen.

Dann, für einen Moment nur, schien er sie vor sich zu sehen. „Lebe wohl, Harry“, flüsterte eine Stimme und eine Hand griff nach seiner.

Im nächsten Augenblick fand er sich an Ginny gelehnt wieder und schluchzte hemmungslos.