******************** Vierundzwanzig Stunden (James und Lily Kurzgeschichte) von Roiben ******************** ++++++++++++++++++++ Kurzbeschreibung ++++++++++++++++++++ Als James Potter sich bei Lily Evans während den Weihnachtsferien ihres siebten Jahres anmeldet, um sie zu besuchen, ahnt die Hexe schon, dass dieser Besuch nicht gut enden wird. -------------------- 1. Kapitel: Grau, wie der Himmel -------------------- Als die graue Wolkendecke auch an diesem Tag keinen Schnee herausgeben wollte, wälzte ich mich einmal in meinen weichen Kissen umher und starrte missmutig an die Decke. Ich hatte gehofft... wenigstens zu Weihnachten zu Hause etwas Schnee zu bekommen, aber das sah sehr mau aus. Selbst meine Mutter, die sonst immer und zu jeder Zeit in Feierlaune sein konnte, war dieses Jahr nicht gerade in Weihnachtsstimmung. Sie hatte nur einen Baum gekauft, weil Dad sie dazu gedrängt hatte. Natürlich interessierte es Petunia eigentlich gar nicht. Sie war so oder so die meiste Zeit mit ihrem Verlobten Vernon unterwegs oder lief mit ihren dümmlich kichernden Freundinnen durch die Stadt. Nicht, dass es mich irgendwie stören würde. Wenn Petunia um mich war, dann strafte sie mich entweder mit Ignoranz oder mit unterschwelligem Hass. Einzig wenn unsere Eltern anwesend waren, da beherrschte sie sich einigermaßen. Es war... annehmbar. Annehmbar war der Brief, der zerknüllt auf meinem Nachttisch lag, allerdings nicht. Unterschrieben war er von James Potter, arrogant, nervtötend und unsagbar irritierend. Ich wusste nicht einmal, wieso er mir geschrieben hatte, aber – aus irgendwelches unerfindlichen Gründen – wollte er mich besuchen kommen. Es war ja sehr nett von ihm, dass er das wenigstens ankündigte, damit ich mich vielleicht vorher nach Grönland absetzen konnte, aber warum wollte er überhaupt ausgerechnet mich besuchen? So viele Dinge sprachen dagegen. Und der größte Gegenpunkt war wohl, dass ich ihn verabscheute. Und das wusste er. Warum bei Merlins links gedrehter Unterhose wollte er also mich besuchen? Seufzend hob ich meinen Kopf leicht an und blickte aus dem Fenster, in der Hoffnung es hätte in den wenigen Minuten, in denen ich in Gedanken war, angefangen zu schneien. Diese Hoffnung zerplatzte allerdings ziemlich schnell wie eine Schneekugel, die auf dem Boden zerschellte. Es war kurz nach zehn Uhr und wenn ich nicht langsam aufstehen würde, würde ich es gar nicht schaffen. Und wie würde das aussehen, wenn James Potter bei mir auftauchen würde und ich es nicht einmal aus meiner Decke geschafft hatte. Nein, nicht einmal diesen Erfolg würde ich ihm gönnen. Voller Elan stieg ich aus dem Bett und wäre beinahe über mein am Abend am Boden abgelegtes Buch gestolpert, welches mit einem leichten Klatschen auf die andere Seite kippte. Magisches Celtarras hieß es und war eine fantastische Geschichte über eine ferne Welt voller seltsamer Kreaturen und spannenden Abenteuern. Ich hob es auf und legte es neben den Brief auf dem Nachttisch. Für einen kurzen Moment huschten meine Augen über die engen, äußerst sauberen Zeilen und sie blieben dann an seinem Namen hängen. Potter. Ich machte ein schnalzendes Geräusch mit der Zunge, zog mir einen dicken Pullover aus meinem Schrank und betrat dann das Badezimmer, welches mit dichtem Dampf gefüllt war. Anscheinend hatte Petunia gerade erst ihre allmorgendliche Wasserverschwendung hinter sich gebracht und mal wieder vergessen, das Fenster danach aufzumachen. Wenn ich das jetzt jedoch tun würde, dann würde ich wohl oder übel in der Dusche festfrieren. Es waren eisige Minusgrade draußen und obwohl die meisten Häuser in weihnachtlicher Deko glitzerten, kam nicht wirklich die richtige Stimmung auf. Als ich schließlich mit feuchten Haaren und in einen dicken Pulli eingehüllt aus dem Bad trat, erklang aus der Küche ein hysterisches Lachen gefolgt von manischem Kichern. Petunia und ihre Hühner mussten sich zu ihrem allmorgendlichen Kaffeeklatsch getroffen haben. Auch wenn mein Magen grummelte, tat ich mir diese Hölle ganz sicher nicht an. Da würde ich lieber im Slytheringemeinschaftsraum schlafen. Oder schlimmer. In Sirius Blacks Bett. Alleine der Gedanke daran ließ mich schaudern. Meine Pläne, mich so lange nicht nach unten zu begeben, bis meine Schwester mit ihren Hühnern verschwunden war, wurden dadurch vereitelt, dass meine Mutter meinen Namen rief. „Lily, kommst du bitte mal?" Ihre Stimme verriet mir, dass sie nicht gerade gut auf mich zu sprechen war und ich überlegte, was ich angestellt hätte. Denn das hatte ich nicht. Zumindest nichts, was sie wissen würde. Dumbledore würde meiner Mutter bestimmt nicht schreiben, dass ich Sirius Blacks Unterhosen rosa gefärbt hatte. Außerdem hatte es ihm ebenfalls gefallen. „Lily!", rief meine Mutter erneut, ihre Stimme einen Ton schärfer als zuvor. Dramatisch seufzend wandte ich mich von meiner Zimmertür ab, die ich eben durchschreiten wollte, und ging die Treppe hinunter. Die letzte Stufe knarzte leise und ich ging verdrossen durch die Tür, die in die Küche führte. Sofort bereute ich es. Ich hätte mich verstecken sollen. Oder in der Dusche ertränken. Petunias schrilles Lachen ertönte in dem Moment, in dem ich eintrat, es verstummte allerdings sofort, als sie mich sah. Ihre schmalen Augen verengten sich zu Schlitzen und ihre pinkgeschminkten Lippen verzogen sich hämisch. Ihr Blick sagte ganz deutlich aus: „Du bist in Schwierigkeiten, Freak." „Lily, da bist du ja." Das war meine Mutter. Sie stand mit verschränkten Armen an der Spüle gelehnt und betrachtete mich mit einem skeptischen Blick. Stacy, Anette und Mandy sahen erst Petunia an, dann blickten auch sie mich hämisch an. Ich hasste diese blöden Hühner so sehr. „Ich habe diesen Brief gefunden", sagte meine Mutter leise und hielt mir ein Stück Pergament hin. „Wer ist James Potter und warum bittet er mich, dass er dich besuchen darf?" „Ähm." Ich wusste ehrlich gesagt nicht, was ich darauf antworten sollte. Was bei Merlins Unterhose hatte sich dieser Idiot dabei gedacht? Dachte er überhaupt mal nach? Er war so ein großer, blöder Idiot! „Keine Ahnung", gab ich kleinlaut zu. Meine Mutter verschränkte die Arme wieder und ihre Augen bohrten sich in meine. „Wirklich? Kennst du diesen Jungen also nicht?" „D-Doch, aber ich – Mum, können wir ins Wohnzimmer gehen?", fragte ich panisch. Ich konnte ihr nicht hier erzählen, wer Potter war. Petunias Freundinnen hatten keine Ahnung davon, dass ich eine Hexe war. Sie nickte steif und folgte mir dann. „James Potter ist aus meiner Schule. Er ist eigentlich ein großer Trottel, aber er hat sich wohl in den Kopf gesetzt, dass er mich in diesen Ferien besuchen will, obwohl ich ihn nicht ausstehen kann und er einfach nur so ein Trottel ist und - " „Lily!", unterbrach mich meine Mutter laut und ich verstummte. „Du willst also nicht, dass er vorbeikommt? Soll ich ihm dann antworten?" Ich wusste keine Antwort. Was sollte er schon von mir wollen, außer mich nach einem Date fragen oder mich mit seiner Anwesenheit nerven? „Nein, lass ihn ruhig herkommen. Ich bin irgendwie neugierig, was er will", sagte ich ehrlich. „Und wenn er mich nervt, dann ruf ich einfach Dad und der kann den Akkuschrauber holen." Meine Mutter lächelte schief. „Das würde sie aber zweckentfremden. Ich habe sie ihm nicht geschenkt, damit er deine Klassenkameraden damit aufspießen soll." Ich zuckte mit den Schultern. „Ich weiß, aber er kann ihn ja wenigstens verscheuchen. Potter ist ein blöder Trottel, bei ihm würde es mich nicht wirklich stören." „Was hat dieser Junge bloß getan, damit du so von ihm redest?", fragte meine Mum halb neugierig, halb missbilligend. „Ach, nichts Großartiges", sagte ich mit einer wegwerfenden Handbewegung. „Er ist nur ein blöder Arsch, der denkt, er wäre der größte Macker der Schule und alle würden ihn lieben." Ich verdrehte die Augen. „Er ist arrogant, blöd und ein blöder, blöder Trottel." „Das ist ziemlich viel blöd", stellte meine Mutter trocken fest. „Warum will er dich dann sehen? Weiß er denn nicht, dass du ein sturer kleiner Bock bist?" „Mum!", rief ich erschrocken aus. „Lass das!" Sie lachte leise und erhob sich dann von dem Sessel. „Ich gehe jetzt einkaufen und Petunia müsste auch gleich gehen. Sie und ihre Freundinnen - ", die Art, wie sie das aussprach, sagte mir, dass sie die drei Hühner ebenfalls nicht sonderlich leiden konnte. „ – gehen heute mit Vernon und seinem Bruder Eislaufen. Und du wirst dich mit einem idiotischen Trottel treffen?", fügte sie fragend hinzu und grinste. „Ich muss ja wohl oder übel", grummelte ich und stand ebenfalls auf. „Und jetzt will ich etwas essen." „Das habe ich mir gedacht", meinte sie und nahm sich ihre Handtasche vom Wohnzimmertisch. „Es sind noch Waffeln da." Mein Gesicht hellte sich auf. „Waffeln? Wunderbar. Besser kann ein Morgen nicht beginnen." „Du meinst den Mittag", grinste meine Mutter schelmisch und deutete auf die Uhr, die nun beinahe auf der Zwölf-Uhr-Marke stand. „Ist ja egal", sagte ich und ging mit grummelndem Magen in die Küche. Petunia würdigte mich keines Blickes, als sie bemerkte, dass es mir nicht miserabel ging und dass meine Mutter mich nicht ausgeschimpft hatte. „Bis später, Mädels", rief meine Mutter aus dem Flur und ich konnte ihren unglaublich lächerlichen Hut sehen, den sie sich auf die rostroten Haare gesetzt hatte. „Bis dann, Mum", antwortete ich und hörte, wie Anette und Stacy leise tuschelten. Augen verdrehend nahm ich mir die Waffeln, die im Ofen standen und setzte mich in das Wohnzimmer, wo ich den Fernseher anschaltete. Eine Viertelstunde später waren die Waffeln verputzt, mein Magen gefüllt und die Haustür war zugefallen. Petunia war gegangen und hatte ihre kleine Gang mitgenommen. Ich war also endlich alleine. Mein Glück sollte nicht lange halten. Kurz vor Ein Uhr klingelte es an der Tür und widerwillig stand ich auf. Ich ging an der großen Kommode vorbei, die mal meiner Großmutter gehört hatte, und öffnete die Haustür, durch die sofort fröstelnder Wind wehte. „Was zum - ", fing ich an, bis ich mich daran erinnerte, wer mich denn besuchen wollte. James Potter, gekleidet in einen langen Mantel unter dem er einen schwarzen Pullover trug, stand vor meiner Tür und seine Haare waren wie immer ein komplettes Desaster. Er grinste mich an. „Hey, Evans", begrüßte er mich charmant und ich verdrehte sofort die Augen. „Potter", sagte ich kühl. „Hast du mich vermisst?", fragte er mit einem Lächeln und ich verschränkte die Arme und lehnte mich gegen den Türrahmen. „Eigentlich nicht. Ich war froh, dass ich dich los war. Warum willst du mit mir reden?" Potter fuhr sich mit seiner Hand durch die Haare und blickte mich mit durchdringendem Blick an. „Darf ich reinkommen?", fragte er und seine Stimme klang auf einmal sehr viel ernster als sonst. „Ähm." Ich hatte nicht besonders große Lust, Potter in mein Haus zu lassen, aber – er hatte immerhin gefragt. Ich nickte steif und trat beiseite. Potter zog sich die Schuhe auf der Hausmatte aus und stellte sie auf den Boden. Dann streifte er seinen Mantel ab und ich nahm ihn wortlos in meine Hand. Ohne etwas zu sagen ließ ich ihn eintreten und schloss dann die Tür hinter ihm. Die Kälte blieb. „Also, was willst du?", fragte ich leise, als ich mich auf die Couch im Wohnzimmer gesetzt hatte. Potter stand etwas verloren in der Gegend. „Ich... naja, ich wollte mit dir reden", meinte er mit hohler Stimme. „Wirklich?", erwiderte ich ironisch und lehnte mich zurück. Er kratzte sich am Hinterkopf und trat von einem Fuß auf den anderen. „Ja, also - " „Setz dich", meinte ich zähneknirschend und deutete auf den Sessel. Seine Nervosität machte mich noch fertig. „Ja, ähm - " Er setzte sich vorsichtig, als wollte er jeden Moment wieder aufspringen. „Wir kommen nicht gut klar", stellte er fest und ich musste hohl lachen, aber Potter sprach weiter. „Und ich will nicht, dass das die ganze Zeit so ist. Wir sind fast erwachsen, also habe ich mir gedacht, dass wir uns vertragen sollten." Ich hob meine Augenbrauen. „Woher kommt dieser Einfall? Von Remus?" Potter grinste schief. „Nein, aber er hat mir gesagt, ich soll zu dir gehen." „Blöder Arsch", murmelte ich leise. „Und jetzt willst du, dass wir auf einmal Freunde sind? Ich hasse dich, weißt du." Er grinste noch ein Stück breiter und meine Lippen verzogen sich zu einer dünnen Linie. „Das weiß ich. Aber ich möchte das ändern." „Wieso?", fragte ich seufzend. Freundschaft mit James Potter stand nicht auf meiner Prioritätenliste auf einer hohen Stelle. Es stand nicht einmal auf einer mittleren Stelle. Es war weit unter der innigen Blutsbruderschaft mit Bellatrix Black, die ich noch weniger leiden konnte, als den Schleim, den man in den Abschwelltrank geben musste. „Weil ich... ", er atmete tief ein und sein Blick brannte sich in meine Augen. „Weil ich dich mag, Lily. Und ich will nicht, dass du mich einfach nur hasst." „Auf diese Idee hättest du früher kommen können", zischte ich. „Du warst sechs Jahre lang ein ziemlicher Idiot. Warum also sollte ich jetzt auf die Idee kommen, dass wir Freunde sein könnten?" Potter biss sich auf die Lippe. „Ich weiß, ich bin spät dran... aber ich dachte nur, jetzt, weil wir auch zusammen Schulsprecher sind, da..." „Aber es sind Ferien", meinte ich grummelnd. „Ich will meine freie Zeit nicht mit dir verbringen. Das muss ich doch schon in der Schule genug." Potter sah kurz zu Boden, als würde er sich selbst fragen, wieso er überhaupt hierhergekommen war, was ich mich im Übrigen ebenfalls fragte. Dann wanderte sein Blick wieder zu mir. „Bitte? Gib mir eine Chance", sagte er schwach und rutschte auf seinem Sitz herum. Ich seufzte und rieb mir den Nasenrücken. Eine Idee entflammte in meinem Gehirn und sie war so gut wie sie böse war. „Okay, gut. Du hast 24 Stunden mich davon zu überzeugen, dass du nicht der größte Idiot auf Erden bist. Dann gehe ich sogar im nächsten Jahr mit dir nach Hogsmeade." Sein Blick war wirklich unbezahlbar. Seine Augen schienen beinahe aus seinen Höhlen zu fallen, so groß waren sie geworden und er starrte mich mit einer Mischung aus Entsetzen und Unglaube an.   -------------------- 2. Kapitel: Braun, wie der Kaffee -------------------- „Ist das dein Ernst?", fragte er schwach und er musste sich räuspern, damit seine Stimme nicht brach. „Mein vollkommener", antwortete ich nicht ganz wahrheitsgemäß. Es stimmte schon, ich gab ihm diese Chance. Aber ich gab sie ihm nicht so, wie er sie wohl wollte. Manchmal war ich einfach zu gemein. „24 Stunden?", wiederholte er und jetzt war seine Stimme sogar etwas anzweifelnd. Vielleicht würde er, wenn ich Glück hatte, noch vorher einen Rückzieher machen. „Genau." Ich versuchte mich an einem Lächeln, welches freundlich aussehen sollte. Diesen Sieg hatte ich so gut wie in der Tasche. Potter hatte nur zwei Möglichkeiten: aufgeben oder sich 24 Stunden lang zum Affen machen. Mir gefielen beide relativ gleich gut. Einen Moment lang schien es so, als wüsste er nicht genau, was er antworten. Dann, zu meinem Entsetzen, breitete sich ein Grinsen auf seinen Lippen aus und er sprang auf. „Abgemacht. Ab jetzt, richtig?" Zu überrascht von seinem plötzlichen Tatendrang nickte ich nur stumm und ließ zu, dass er mich am Handgelenk hochzog. „Dann los, die Zeit ist knapp. Auch wenn ich wohl auch nur 15 Stunden brauchen würde", fügte er grinsend hinzu und zwinkerte mir zu, während ich verstört dreinblickte, weil er mein Handgelenk einfach nicht loslassen wollte. Mit einer flinken Bewegung hatte er sich seinen Mantel übergeworfen, mir meine eigene Jacke gereicht und zog sich nun die Schuhe an. „Was hast du vor?", fragte ich nun ehrlich interessiert und James, ich meine, Potter, drehte sich mit einem schelmischen Glänzen in den Augen zu mir um. „Na, ich muss dir doch etwas beweisen. Und nur im Haus hocken wird mir dabei nicht helfen!" Er hatte eindeutig zu viel überschüssige Energie übrig. So ungerne ich das auch zugab, er sollte mal mehr Quidditch spielen. Ich mochte das Spiel an sich zwar nicht, aber die Uniformen sahen ganz gut aus. Also, nur die Uniformen. Nicht etwa diejenigen, die sie trugen. Das wäre ja widerlich. „Dann los", sagte Potter vergnügt und öffnete die Tür, wodurch mir wieder ein Schwall an kalter Luft entgegenschleuderte. „Aber es ist kalt!", protestierte ich, doch in dem Moment, in dem ich wieder in mein Haus gehen wollte um mich auf die Couch zu legen und vielleicht noch eine Runde zu schlafen, umhüllte mich ein warmer Wind. Potter steckte grinsend seinen Zauberstab wieder weg und ich zischte: „Sei froh, dass dich keiner der Nachbarn gesehen hat." „Ich hab aufgepasst", meinte er mit einer wegwerfenden Handbewegung und steckte seine Hände nun in die Taschen seines Mantels, der ihm ungefähr bis zur Hälfte des Oberschenkels reichte. Er ließ ihn viel zu erwachsen wirken. „Schön, was willst du machen?", fragte ich genervt und vergrub meine Hände ebenfalls in den Taschen meiner Jacke. „Vielleicht etwas trinken gehen. Einen Kaffee. Ich lad dich ein." „Vergiss es, ich weiß, was du vorhast", erwiderte ich mit zusammengebissenen Zähnen. „Das hier ist kein Date, Potter." Er grinste unschuldig. „Das weiß ich sehr wohl. Aber irgendwie müssen wir ja anfangen, oder?", fragte er und blickte mich mit einem Hundeblick an. Ich schüttelte leicht den Kopf und funkelte ihn an. „Du hast schon wieder viel zu viel Spaß hierbei." James – Potter – blickte mich zufrieden an und wollte schon losgehen, hielt dann aber inne. „Wo ist denn hier das nächste Café?" Ich stöhnte genervt auf. Das würden sehr lange 24 Stunden werden. Ich hätte ihm eine halbe geben sollen. Dann wäre dieser Tag nicht ganz im Eimer. „Hier lang", grummelte ich und ging voran, Potter genau neben mir. „Wieso", fing ich an. „hast du eigentlich bis kurz vor Weihnachten gewartet, um das zu tun? Wolltest du meine Ferien versauen?" Potter lächelte schwach und trotzdem konnte ich seine weißen Zähne dabei sehen. „Ich habe mich ehrlich gesagt einfach nicht getraut", erwiderte er leise. „Ach? Der allmächtige James Potter hat sich nicht getraut mit der bösen Lily Evans zu reden?", fragte ich leicht giftig. „Scheint so. Ich bin nicht perfekt, weißt du." Ich lachte hohl. „Das weiß ich allerdings. Anscheinend bin ich da aber die einzige, denn alle anderen auf Hogwarts halten dich ja für so toll und super." Potters Lächeln verblasste etwas. „Weil sie mich nicht wirklich kennen", meinte er leise. „Sie sehen mich ja nur als Quidditchstar und guten Schülern. Keiner von denen hat je mehr als einen Satz mit mir geredet." Ich schnaubte unbeeindruckt. „Du machst dir aber nicht wirklich Mühe, den Leuten auch zu zeigen, dass sie sich irren." „Das stimmt wohl." Er schwieg und blickte einfach nur nach vorne, sein Atem kristallisierte sich vor ihm als weiße Wolke und da er nichts sagte, tat ich es auch nicht. Nach einigen stummen Minuten entdeckte ich schließlich das Café, welches mitten in der belebten Innenstadt lag. Da Weihnachten vor der Tür stand, waren die Leute unterwegs und besorgten noch ihre letzten Geschenke oder deckten sich mit Glühwein und Schokolade ein. Schweigend betrat ich den warmen Laden, doch noch bevor ich überhaupt daran denken konnte, an den Tresen zu gehen, hatte sich Potter an mir vorbeigedrängt und war vorangegangen. Die junge Frau, die die Kunden bediente, klimperte ordentlich mit den Wimpern, als sie ihn erblickte und schien sehr angetan von seinem Äußeren zu sein. Meinetwegen konnte sie sich ihn gerne schnappen und mit ihm nach Ostasien auswandern. Eine Minute später kam er mit einem recht genervten Gesichtsausdruck wieder und führte mich an einen Tisch. Etwas unsanft stellte er die beiden Tassen voll mit Kaffee auf den Tisch und begann dann sofort in sein Getränk zwei Beutel Zucker zu rühren. „Möchtest du Kaffee zu deinem Zucker?", fragte ich spöttisch und er schenkte mir ein Grinsen. „Nein, danke, ich bin zufrieden", erwiderte er recht bissig. „Was ist denn mit dir los?", fragte ich und zog die Augenbrauen hoch. Er seufzte leise und nahm dann einen Schluck Kaffee, dann zuckte er mit seinem Kopf in Richtung der Bedienung, die immer noch Blicke zu uns warf, dieses Mal eine Mischung aus Eifersucht, Schmachten und Wut. Ich verdrehte die Augen. „Ignorier solch dummen Hühner doch einfach", sagte ich und mischte etwas Sahne in meine Tasse, damit das heiße Getränk nicht ganz so bitter schmecken würde. Die erste Zeit sagten wir nichts. Stumm tranken wir den Kaffee und als ich überlegte, mir noch eine weitere Tasse zu holen, ergriff Potter das Wort. „Ich habe gehört, du hast eine Schwester." Meine Augen verengten sich sofort zu Schlitzen. „Wer hat dir das erzählt?", fragte ich sofort mit beißender Stimme. „Ähm – Ellie", gab er kleinlaut zu. „Ich wusste es", knirschte ich leise. Meiner besten Freundin konnte ich aber auch wirklich nicht vertrauen. „Ja, ich habe eine Schwester. Petunia. Ganz reizende Person", giftete ich ihn an, auch wenn es wohl eine Spur härter war, als gewollt. Immerhin konnte er ja nichts dafür, dass meine Schwester mich verabscheute – was mittlerweile auf Gegenseitigkeit beruhte. „Oh", gab Potter von sich. Ich verschränkte die Arme vor meiner Brust und lehnte mich auf meinem Stuhl nach hinten. „Meine Schwester hasst mich", sagte ich, auch wenn ich nicht genau wusste, warum. „Sie hat mich gehasst, seit ich herausgefunden habe, dass ich – dass ich so bin wie du. Seit diesem Tag hat sie mich als Freak bezeichnet und hat nur dann mit mir geredet, wenn meine Eltern sie dazu genötigt haben, oder wenn sie mich verhöhnen wollte. Mittlerweile nutzt sie jede Gelegenheit aus, um mich zu blamieren oder mich vor ihren dämlichen Freundinnen fertig zu machen." Ich schnaubte. „Ich hasse sie." Potter betrachtete mich nachdenklich. „Das glaube ich nicht", meinte er dann. „Du hast doch keine Ahnung", zischte ich ihn an. „Du hast ja keine Geschwister - " „Nein, ich habe keine blutsverwandten Geschwister", gab er zu und unterbrach mich damit. „Aber ich weiß sehr wohl wie es ist, wenn man sich mit ihnen streiten und ihnen den Hals umdrehen will. Nur weil ich ein Einzelkind bin, heißt es nicht, dass ich unwissend bin, Evans." Ich starrte ihn einen Moment lang an, dann lächelte ich schwach. „Stimmt. Du hast ja deine drei Anhängsel." Potter blickte mich entrüstet an, doch bevor er etwas erwidern konnte, kam die Bedienung vom Tresen zu uns. „Kann ich euch noch was bringen? Etwas Süßes vielleicht?", fragte sie und klimperte wieder mit den Wimpern. Ich verdrehte die Augen, als sie so offensichtlich mit ihm flirtete, dass es schon beinahe an Fremdschämen grenzte. Warum knöpfte sie sich nicht einfach die Bluse ganz auf, viel fehlen würde da eh nicht, dachte ich bitter und wandte den Blick ab. Potter jedoch erwiderte vollkommen gelassen: „Nein, danke, wir wollten eh gerade gehen, nicht wahr, Lily?" Überrascht sah ich ihn an. Er hatte meinen Namen gesagt. Normalerweise würde ich ihn nun auf der Stelle verhexen. Stattdessen nickte ich stumm und er legte etwas Muggelgeld auf den Tisch, bevor er sich erhob und mir die Hand reichte. Argwöhnisch betrachtete ich sie einen Augenblick, dann verstand ich allerdings, was er vorhatte, und ergriff sie. Seine Finger fühlten sich ziemlich warm auf meiner Haut an und seine Hand war leicht schwielig, bestimmt vom vielen Quidditch. „Auf Wiedersehen", sagte er galant und verließ mit mir im Schlepptau den Laden. Die Bedienung blickte uns blöd an. Erst als wir außer Sichtweite waren, ließ er meine Hand los und grinste mich an. „War das gut?", fragte er und ich verdrehte erneut die Augen. „Klar", gab ich zu. „Aber wieso hast du nicht einfach mit ihr geflirtet, sowie du es sonst immer mit den Mädchen machst?" Meine Stimme klang eine Spur zu vorwurfsvoll. Potters Augenbrauen hoben sich. „Wirklich?", erwiderte er knapp. „Denkst du wirklich, ich bin so einer?" „Das denke ich nicht", antwortete ich. „Ich weiß es. Ich habe es oft genug gesehen." Nun war er an der Reihe, mich spöttisch anzugucken. „Und das ist dein Fehler, Evans" sagte er mit einer Spur Arroganz in der Stimme. „Du kennst mich nicht. Du kennst nur den Schul-James. Nicht den echten. Was weißt du denn schon über mich? Weißt du, was meine Eltern arbeiten? Weißt du, was ich gerne esse? Welches mein Lieblingsfach ist?" Ich öffnete den Mund, schloss ihn aber wieder, da ich keine Antwort wusste, was bei mir äußerst selten war. „Das dachte ich mir", sprach er einfach weiter. „Ich verrate dir mal etwas über dich, Lily Evans. Dein Lieblingsfach ist Zaubertränke. Du isst gerne Schokoladenkuchen und schneidest dir immer einen Apfel, wenn du lernst. Deine Leibspeise ist Gebratene Entenkeule. Deine Lieblingsfarbe ist ein dunkles Violett. Du hast am 30. Januar Geburtstag. Könntest du auch nur eine dieser Dinge für mich nennen?", fragte er leise und blickte mich aus undurchdringbaren Augen an. Als ich nichts sagte, schnaubte er leise. „Du bist nicht ganz so allwissend wie du vielleicht dachtest, Lily." Er wandte sich um und ging die belebte Straße weiter. „Und weißt du was? Es ist mir egal, wie viel du über mich weißt. Weil ich diesen Tag dazu nutzen werde, dir zu zeigen, dass ich mehr als nur ein Rumtreiber bin. Das ich mehr bin, als der nervige Typ, den du ja so verabscheust und der dein Leben ja so schrecklich macht." Er wandte sich kurz um, um sich zu vergewissern, dass ich ihm folgte – was ich widerwillig tat – dann redete er weiter. „Ich bin nicht mehr der Junge von damals, der dich in den See gestoßen hat, weil er deine Aufmerksamkeit wollte. Ich bin reifer geworden, Evans. Vielleicht solltest du einfach mal die Augen aufmachen." Hatte James Potter mich da gerade ernsthaft belehrt? Mich? Lily Evans, Klassenbeste, Schulsprecherin und Vorsitzende des 'Ich-hasse-die-Rumtreiber-Clubs'? Wow. „Ist das eigentlich dein Ernst? Du gibt's jetzt mir die Schuld dafür, dass du dich wie ein Idiot benommen hast? Was meinst du wohl, warum ich diese Meinung über dich habe? Wieso ich nichts über dich wissen wollte? Wieso ich bei Morgana noch eins nichts mit dir zu tun haben wollte?" Meine Stimme war lauter geworden, als ich es beabsichtigt hatte und einige der Passanten blickten uns bereits mit empörten Gesichtsausdrücken an. Ich atmete geräuschvoll aus und schnappte mir dann seinen Arm. „Komm mit." Stumm ließ er sich mitziehen. Irgendwann kamen wir an einer ruhigeren Stelle an, an der nur einige wenige Geschäfte waren, die kaum besucht waren. Ein einsamer Christbaum stand verloren am Wegesrand und versuchte sich mit seinen funkelnden Lichtern gegen den grauen Tag hervorzuheben. „Also, jetzt hör mal zu, Potter", sagte ich und versuchte meine Stimme nicht mehr ganz so streitsuchend klingen zu lassen. „Du warst ein Idiot und das kannst du einfach nicht leugnen. Ich habe dich die letzten sechs Jahre lang einfach nur verabscheut, weil du einfach nur so unglaublich arrogant und nervig warst. Du hast dich gebessert, dieses Jahr, das gebe ich zu, aber du bist immer noch derselbe. Wenn du mir also nicht wirklich zeigen kannst, dass du es auch ernst meinst, dann kann ich dich nicht so sehen, wie du vielleicht wirklich bist, sondern werde dich immer als den unreifen, pubertierenden Idioten sehen, der du so lange warst. Verstanden?" James Potter blickte mich einen Moment lang an und beinahe befürchtete ich, er hätte kein Wort von dem, was ich gesagt hatte, verstanden. Sicherlich, es wäre mir auch irgendwie egal, wenn er so bleiben würde, wie er war. Wir hatten nur noch dieses eine Jahr zusammen, dann würde ich ihn nie wiedersehen. Meiner Meinung nach könnte er sich auch unter einem Stein verkriechen, das wäre mir auch egal. Dann zogen sich seine Mundwinkel nach oben. „Sicher. Ich muss dich immer noch nur davon überzeugen, dann gehst du mir mit aus." Seine Augen hinter der Brille leuchteten schelmisch auf. „Und ich glaube, ich habe gerade die richtige Möglichkeit gefunden. Komm mit." Und ohne, dass ich die Möglichkeit dazu hatte, zu protestieren, griff er nach meiner Hand und zog mich mit sich. Als niemand mehr in der Nähe war, apparierte er. Es fühlte sich an, als würden wir durch einen engen Schlauch gezogen werden. Die Luft wurde knapp und meine Lungen pressten sich zusammen, während James' Hand an meiner wie durch magnetische Kraft festgehalten wurde. Auch wenn ich ihn mitten in einer Reise durch den Raum sicherlich nicht losgelassen hätte, wenn er mich doch führte – wohin auch immer.   -------------------- 3. Kapitel: Hellblau, wie das Eis -------------------- Als unsere Füße wieder auf festen Boden aufkamen, atmete ich erleichtert ein, riss meine Hand aus seiner und starrte ihn finster an. „Eine Vorwarnung, bevor du mich einfach so entführst, wäre nett gewesen!" Potter grinste schief. „Tut mir leid." Schnaubend wandte ich mich ab, um die Umgebung zu betrachten. Wir waren in einem Dorf, so schien es mir. Kleine, schmucke Häuser säumten die Kopfsteinpflasterstraße und ein riesiger Christbaum stand wohl auf den Hauptplatz, denn er ragte über die Schieferdächer und blinkte fröhlich vor sich hin. „Wo sind wir?", fragte ich und lockerte meine Haltung etwas. Von irgendwoher wehte der Duft vom Früchten und Gebackenem. „In Godric's Hollow", verkündete er stolz. „Meiner Heimat." Ich zog eine Augenbraue nach oben und drehte mich zu dem grinsenden Potter um. „Hier wohnst du?", fragte ich zweifelnd. „Jep", erwiderte er nickend. „Wieso so zweifelnd?" Er musste wohl meinen Unterton bemerkt haben. „Naja, der reiche James Potter, der immer alles hat, wohnt in einem einfachen Dorf und nicht etwa auf dem Land in einem riesigen Wohnsitz oder in der Stadt in einer pompösen Villa. Das überrascht mich." Er schüttelte schwach den Kopf. „Ich merke schon, du hast ein komplett falsches Bild von mir, Evans." Er führte mich weiter die Straße entlang. „Nur, weil meine Eltern relativ viel Geld haben, heißt das nicht, dass wir damit auch angeben müssen, wie es einige andere Reinblutfamilien tun. Meine Mutter hat mir immer gesagt, dass man einen schlechten Menschen daran erkennen kann, dass er mit dem, was er hat, prahlt." Ich hob überrascht den Blick. „Deine Mutter scheint sehr intelligent zu sein", sagte ich und er grinste. „Von irgendwem muss ich das doch haben, oder?" Ich stöhnte leise. „War ja klar..." „Also schön, und was wollen wir jetzt hier?", fragte ich ihn und warf einen Blick auf meine Armbanduhr. Zwei Stunden und neunundzwanzig Minuten der von mir gegeben 24 waren um. „Wir - ", fing er an und drehte sich zu mir um. „– gehen Eislaufen." Mit dem Wink seines Zauberstabes erschienen zwei paar Schlittschuhe in seinen Händen und er drückte mir eines entgegen, welches ich verdutzt annahm. „Eislaufen?", fragte ich mit panischer Stimme. „Ohne mich." Ich wollte ihm die Schlittschuhe wiedergeben, doch er wehrte sich vehement dagegen. „Komm schon, Evans. Das macht Spaß!", rief aus und ging voran. „Aber ich kann das nicht!", erwiderte ich und folgte ihm schnell, ehe er mich zurückließ. „Ich bringe es dir bei", sagte er einfach. „Es ist nicht sonderlich schwer. Viel einfacher als Fliegen." „Aber – es ist gar nicht kalt genug dafür!", protestierte ich schwach, doch er grinste mich nur an. „Das lass mal meine Sorge sein." Ich wusste, es würde nichts bringen, weiter dagegen an zu reden, also ergab ich mich meinem Schicksal. James führte mich die Hauptstraße weiter, vorbei an Wohnhäusern, in deren Fenstern Lichterketten leuchteten und Schneemänner glitzerten. Dann wandte er sich nach rechts und öffnete ein Gartentor. Er ließ mir den Vortritt – verdammter Gentleman – und schloss das leise quietschende Schloss dann wieder. Ein einfaches, zweistöckiges Haus erhob sich vor mir. Die Wände waren aus Holzbalken und Stein und es hatte einen wunderbar altmodischen Charme, mit dem schiefen Dach und den vielen Fenstern. Von irgendwoher plätscherte es leise und ich vermutete einen Bach. Potter ging um das Haus herum, welches wohl seinen Eltern gehören musste, und präsentierte mir dann einen kleinen See. Also, wirklich einen See. Er war auf keinen Fall so groß wie der Schwarze See in Hogwarts, aber war auch schon ordentlich. Auf jeden Fall bot er genug Fläche, damit mindestens zwei Personen darauf Eislaufen konnten. Allerdings war er nicht – „Jetzt pass mal auf", sagte er grinsend, zog seinen Zauberstab und richtete ihn auf die glatte Oberfläche des Sees, welche binnen weniger Sekunden komplett vereiste. Erstaunt hob ich meine Augenbrauen. Das war eindrucksvoll gewesen, das musste ich zugeben. Der Zauber, den er verwendet hatte, hatten wir im letzten Jahr gelernt, ihn allerdings an Wassergläsern und kleinen Pfützen getestet. Dass er es aber schaffte, diesen ganzen See zu gefrieren, sagte viel über sein magisches Talent aus. Während ich sein Werk noch bewundert hatte, hatte er seine Schuhe bereits gegen die dunklen Schlittschuhe ausgetauscht. „Komm schon, Evans", forderte er mich auf und etwas widerwillig zog ich meine Stiefel aus. Die Schuhe hatten die richtige Größe – er war zu gut informiert, fand ich – und fühlten sich ganz bequem an. Allerdings war ich extrem wackelig auf den Beinen, denn ich musste mit den Kufen bis zum See laufen, was mehr als schwer war. „Brauchst du Hilfe?", fragte Potter mich grinsend und bot mir seinen Arm an. „Tze." Ich schlug seine Hand weg und strauchelte alleine zum nun gefrorenen See. Als die Kufen auf das Eis aufkamen, rutschte ich sofort zur Seite. Und eigentlich hatte ich es nicht anders erwartet, aber Potter schlang seinen Arm um meine Hüfte und bewahrte mich davor, umzufallen und mich noch mehr zu blamieren, als ich eh schon hatte. „Und jetzt?", fragte er immer noch grinsend und ich seufzte ergeben. „Schön." Er zog mich in eine aufrechte Position, hielt aber eine Hand auf meiner Schulter, um mich zu stützen. „Versuch einfach erstmal ein bisschen zu laufen, damit du mehr Gefühl für den Untergrund und die Schuhe bekommst", sagte er und ließ mich dann los. Sofort wackelte ich bedrohlich, aber ich widerstand dem Drang, mich an ihm festzuhalten. Das war unter meiner Würde. Ich versuchte ein Stück zu gehen und es klappte auch einigermaßen. Ich strauchelte und wackelte, aber ich behielt eine aufrechte Position. „Sehr gut", sagte Potter, der die ganze Zeit zu mir gesehen hatte, während er in langsamen Kreisen über den See fuhr. „Jetzt versucht mal etwas schneller zu werden. So." Er drückte die Knie durch und lief dann vorwärts, Eissplitter flogen in die Luft, als seine Kufen über den Boden surrten. Ich betrachtete skeptisch, wie er sich leichtfüßig über das Eis bewegte, als wäre es normaler Grund. „Wieso bitte kannst du das so gut?", fragte ich ihn, während ich langsam aber sicher an etwas Tempo gewann, auch wenn ich mich noch nicht ganz traute, wirklich schnell zu werden. „Wenn man einen See hinter dem Haus hat, dann bringen einen die Eltern schon mal dazu", grinste er mich an. „Außerdem macht es irgendwie Spaß. Und ist ziemlich entspannend." Er schlitterte über das Eis, als würde er nie etwas anderes machen und ein bisschen war ich auch beeindruckt davon. Aber nur ein bisschen, was ich ihm natürlich nie sagen würde, sonst würde sein aufgeblasener Kopf nur noch größer werden, genau wie sein Ego. „Jetzt komm schon, Evans, oder hast du etwa Angst?", fragte er und obwohl ich geglaubt hatte, er würde spotten, klang seine Stimme sogar irgendwie besorgt. Als würde er wirklich denken, ich hätte Angst. „Klar", murrte ich und legte an Geschwindigkeit zu. Sobald ich den Dreh raushatte, machte es sogar wirklich Spaß. Aber es war auch anstrengend und nach einer halben Stunde, die ich über das Eis gelaufen war, war mein Pullover etwas klebrig und mein Gesicht war heiß. Potter erkannte dies und blieb neben mir stehen, wobei er etwas von dem Eis aufwirbelte. „Willst du was trinken?", fragte er mich charmant und reichte mit dann eine Wasserflasche, auch wenn ich nicht wusste, wo er die herhatte. Ich betrachtete sie skeptisch und er lachte. „Keine Sorge, ich will dich nicht vergiften." Er drehte den Deckel ab, nahm einen Schluck daraus und wischte dann die Öffnung mit dem Ärmel seines Mantels ab. „Hier." Ich nahm ihm die Flasche ab und kostete von dem Wasser, welches ich gerade wirklich gebrauchen konnte. „Danke." Er lächelte mich an. „Also, hast du auf irgendwas Lust?", fragte er mich und bewegte sich Richtung Ufer. „Wir haben jetzt etwas gemacht, was ich wollte, also bist du fairerweise jetzt dran." Ich hob überrascht eine Augenbraue und folgte ihm. „Ich weiß nicht. Gibt es hier einen Weihnachtsmarkt?" „Einen was?", fragte er mich ungläubig. „Einen Weihnachtsmarkt", wiederholte ich. „Sag bloß, du kennst das nicht." Er schüttelte stumm den Kopf, während er sein Paar Schlittschuhe gegen seine normalen Schuhe austauschte. „Merlin, hat man dich im Haus eingesperrt, oder warum zum Teufel kennst du sowas nicht?" „Naja", meinte er verlegen. „Meine Eltern waren immer viel unterwegs und hatten keine Zeit, irgendwelche Märkte mit mir zu besuchen." Ich wusste nicht, was ich dazu sagen sollte. „Was machen denn deine Eltern?", fragte ich, weil ich es ehrlich nicht wusste. „Sie sind Auroren", erwiderte James leise. „Sie jagen schwarze Magier. Die meiste Zeit war ich zu Hause mit der Haushälterin und den Hauselfen, während sie irgendwo in der Welt waren. Ich wusste manchmal wochenlang nicht, wo sie waren. Schreiben konnte ich ihnen nicht, ich hätte ihre Position verraten. Also war ich die meiste Zeit meiner Kindheit alleine zu Hause und hatte nicht einmal irgendwelche Kinder, mit denen ich spielen konnte. Kaum einer hier aus der Nachbarschaft ist magisch, weißt du." Irgendwie – und ich wusste nicht warum – hatte ich Mitleid mit ihm. Meine Kindheit war schön. Ich hatte Freunde aus der Schule und der Nachbarschaft, ich hatte meine Schwester und – damals noch – Severus als Freund. Aber James hatte niemanden. Und obwohl er wohl alles haben konnte, was er wollte, hatte er nie eine richtige Kindheit gehabt. Und das tat mir leid. „Aber genug davon", sagte er mit einem Lächeln, welches seine Augen nicht komplett erreichte. „Was ist denn nun ein Weihnachtsmarkt?" Seine Hand fuhr mit einer unruhigen Geste zu seinen Haaren und er verwuschelte sie noch ein Stück mehr. „Ein Weihnachtsmarkt ist eigentlich wie ein Jahrmarkt, aber im Winter", erklärte ich ihm. Potter blickte mich verwirrt an. „Und was ist ein Jahrmarkt?" Ich stöhnte. „Ein Jahrmarkt ist – weißt du was, ich zeig es dir einfach." Ich griff einfach nach seinem Handgelenk und apparierte mit ihm. Nach dem kurzen Schlauch, der mir die Luft aus den Lungen gepresst hatte, kamen meine Füße auf festem Boden auf, aber ich strauchelte kurz, sodass ich gegen James stieß. Ohne darauf zu achten, ließ ich ihn los und ging die Straße meiner Heimat entlang. „Hey, warte auf mich!" „Dann geh schneller", rief ich über meine Schulter, ohne zurückzublicken. Sein atemloses Lachen drang an meine Ohren, als er neben mir ankam. Irgendwie wusste ich nicht, was ich hier tat. Ich war auf dem Weg zu einem Weihnachtsmarkt, mit James Potter. Das ich alleine mit ihm unterwegs war, war schon schlimm genug. Ich warf ihm einen hastigen Seitenblick zu. Seine Augen huschten prüfend durch die Gegend und der Wind fuhr durch seine Haare, die in alle Richtungen abstanden. „Also... was macht man auf einem Weihnachtsmarkt?", fragte er leise und traute sich, einen kurzen Blick zu mir zu werfen. „Naja, man hat Spaß", meinte ich stumpf und zuckte mit den Schultern. Potter rollte mit den Augen – eine Geste, die mir wesentlich besser stand. „Wirklich?", erwiderte er mit dumpfer Stimme. „Ich meine – es gibt verschiedene Stände mit Essen oder Spielen und man kann in Fahrgeschäften mitmachen. Es gibt überall bunte Lichter und es riecht nach Weihnachten und Keksen. Kinder lachen und man hat einen Überblick über die ganze Stadt, wenn man mit dem Riesenrad fährt." Ich blickte ihn an, als er mir zu grinste. „Was ist?" „Oh, nichts", antwortete er schlicht und blickte wieder nach vorne. „Ich fand nur, dass deine Augen so schön geleuchtet haben, als du eben geredet hast." Meine Wangen wurden heiß und ich wandte schnaubend den Blick ab. „Halt die Klappe, Potter." „Entschuldige, Evans", grinste er mich an. Blöder Arsch. Ich wusste genau, dass er wieder versuchte, mich mit seinem Flirten rumzubekommen. Aber ich ließ mich nicht von ihm um den Finger wickeln. „Ich bin schon ganz gespannt darauf, den Markt zu sehen", fügte er hinzu. „Das solltest du lieber auch", antwortete ich und konnte mir ein Grinsen nicht verkneifen. „Es ist so ziemlich das einzige, was diese Stadt irgendwie sehenswert macht." Er murmelte etwas, was ich nicht verstand und schwieg dann.   -------------------- 4. Kapitel: Rosa, wie die Zuckerwatte -------------------- Der Weihnachtsmarkt begrüßte uns mit lauter Musik, den Stimmen von Menschen und Kinderlachen. Darüber hinaus konnte ich schon die brutzelnden Bratwürste, die warmen Crêpes und die klebrige Zuckerwatte riechen (auch wenn ich Zuckerwatte eigentlich nicht riechen konnte – zumindest nicht auf diese Entfernung). „Das ist ein Weihnachtsmarkt?", fragte Potter mit leuchtenden Augen und versuchte in alle Richtungen gleichzeitig zu gucken. Wie ein Kind, welches das erste Mal alleine die Rutsche benutzen durfte, blickte er mich an und fragte freudig: „Und sowas gibt es überall?" Ich konnte mir ein Lachen nicht verkneifen, zu gut, war der Anblick von James Potter, dem Quidditchstar, der sich wegen eines einfachen Weihnachtsmarktes beinahe in die Hose machte. „Ja, in so gut wie jeder Stadt. Unglaublich, dass du noch nicht einmal davon gehört hast!" Er wandte den Blick ab und sah auf das Riesenrad am Ende des Marktes, welches jedes Jahr dort aufgestellt wurde und mit bunten Lichtern für sich Werbung machte. „Wow!", rief er aus und zog mich am Handgelenk. „Da müssen wir hin, Lily! Da sieht aus wie ein riesiger Quaffel!" „Du bist so ein Freak", lachte ich, ging aber mit ihm mit. „Das ist ein Riesenrad. Man steigt in eine Gondel und wird dann nach oben getragen. Dann hält man für drei Minuten, kann den Ausblick genießen, während einem die Finger einfrieren und dann fährt man wieder runter." Potters Blick war einfach unbezahlbar. „Wahnsinn!" Er manövrierte uns durch die Menschenmassen, blieb hier und da mal stehen, um sich einen der Stände anzusehen („Nein, du kannst später Dosenwerfen spielen!") und schließlich kamen wir vor dem Schalter zum Riesenrad zum Stehen. „Zwei Karten bitte", sagte ich, bevor er auch nur den Mund öffnen konnte. Ich reichte etwas Geld durch den Schalter und der junge Teenager, der sich wohl etwas dazu verdienen wollte, nahm es mir ab und riss dann zwei knallrote Karten von einer Rolle ab. „Danke", erwiderte ich schnell und zog meine unfreiwillige Begleitung mit. „Und was passiert jetzt?", fragte er aufgeregt und nahm die Karte entgegen, die ich ihm hinhielt. „Jetzt warten wir, bis wir dran sind", sagte ich seufzend. Wir reihten uns in die Schlange der bereits Wartenden ein und erschreckend musste ich feststellen, dass diese außerordentlich lang war. Das würde bestimmt eine Viertelstunde dauern. Stumm fluchte ich, dann stopfte ich meine Hände wieder in die warmen Taschen meiner Jacke, wobei sie gegen meine kalten Schlüssel stießen. „Warst du schon mal auf einem Weihnachtsmarkt?", fragte mich Potter, als wir einen Schritt vorangehen konnten und gerade ein älteres Ehepaar kichernd in eine Gondel stieg. „Merlin, machst du Witze, Potter?", entgegnete ich ihm entgeistert und starrte ihn an, als hätte er mir gesagt, Slytherins seien seine besten Freunde. „Ich war jedes Jahr auf diesem Markt! Als meine Schwester und ich noch Kinder waren, sind wir immer zusammen zu den Zuckerwatteständen gelaufen und mein Dad hat uns dann jeweils eine gekauft. Tuni wollte immer eine in Rosa haben, während ich mir eine in Grün gewünscht hatte, die es nicht gab. Am Ende bekamen wir beide Rosa." Ich erinnerte mich gerne an diese Zeit zurück, als noch alles in Ordnung mit mir und Petunia war, als sie mich nicht dafür verabscheute, eine Hexe zu sein. Damals waren wir beiden die besten Freundinnen und heute bekam sie Krämpfe, wenn sie mir etwas Gutes tun sollte. Meine Eltern sagten immer, es mache ihnen nichts, so seien Schwestern eben, wenn sie in der Pubertät waren, aber ich wusste, es ging ihnen auch an die Seele. „Seit ein paar Jahren gehe ich nur noch alleine hier her", schloss ich langsam und wir konnten noch einen Schritt vorangehen. „Wieso das?", fragte James argwöhnisch. Ich seufzte leise. „Weil ich mit niemanden mehr herkommen will. Wenn ich nur mit meinen Eltern gehen würde, wäre meine Schwester beleidigt, aber ich kann mit meiner Schwester nicht mehr hierherkommen, weil sie mich und meine magischen Kräfte verabscheut." Einen kurzen Moment erlaubte ich mir, bedrückt zu gucken, dann sah ich wieder zu James. „Aber es macht alleine auch genug Spaß, nicht das du denkst, ich würde hier einfach nur trostlos herumlaufen. Manchmal kommt Ellie auch mit, wenn sie mich besuchen kommt." „Das wusste ich nicht", sagte er leise und seine Stimme klang traurig. „Das tut mir leid." Ich blickte ihn überrascht an und vergaß dabei sogar, dass ich ihn eigentlich nicht leiden konnte. Eigentlich. „Warum? Es ist ja nicht so, als hättest du meine Schwester dazu gebracht. Ich habe mich inzwischen damit abgefunden, dass sie mich nicht leiden konnte." „Trotzdem", meinte er und blickte mich an. „Sie ist doch deine Schwester. Ihr solltet euch vertragen." „Streitest du dich mit deinen Freunden nie?", fragte ich halb belustigt und James grinste schief. „Klar, Sirius und ich streiten uns fast jeden Tag. Aber wir vertragen uns trotzdem immer wieder, weil wir so wie Brüder sind." „Bei euch ist das auch einfacher", murmelte ich. „Petunia und ich sehen uns kaum und wenn wir es tun, dann streiten wir uns eigentlich fast nur." Ich blickte zur Seite und besah mir einen Stand mit warmen Getränken und Speisen. „Außerdem ist das jetzt auch egal. Ich habe keine Lust darüber nachzudenken." „Tut mir leid", sagte er erneut und ich wusste, dass er sich am Kopf kratzte. „Ich wollte nicht, dass du daran denken musst." Ich seufzte und warf ihm einen kurzen, zaghaften Blick zu. „Schon okay. Lass uns einfach mit dem Riesenrad fahren. Wir dürften gleich dran sein." Nur noch zwei weitere Pärchen waren vor uns und gerade hielt die riesige Attraktion wieder. Einige stiegen aus, ein älterer Herr wies uns dann an, in welche Gondel wir steigen durften und dann ging es auch schon los. Langsam schaukelnd stieg die Gondel in die Höhe. Trotz des Nebels, der sich gerade über die Stadt legte, war es ein schöner Anblick, wie die Häuserspitzen aus dem Dunst ragten und wie die Sonne durch die Wolken brach. „Ist es nicht hübsch?", fragte ich leise und stützte mein Kinn auf eine Hand. „Das mag ich am Weihnachtsmarkt am liebsten", fuhr ich fort, denn Potter antwortete nicht. „Die Stille, die trotz der Menschenmassen herrscht, der weite Ausblick, das Szenario. Alles daran mag ich am liebsten." „Es ist wie fliegen, nur entspannter", meinte James und lehnte sich neben mich. Sein Blick glitt ebenfalls auf die Stadt. „Stimmt", erwiderte ich und fühlte mich langsam etwas unwohl, weil er mir so nah war. Ohne, dass es zu auffällig war, streckte ich mich und brachte etwas Abstand zwischen uns. „Es ist wie fliegen." „Weißt du", sagte James. „als ich das erste Mal geflogen bin, war ich fünf. Ich habe den Besen meines Vaters aus seinem Arbeitszimmer geklaut und bin dann im Garten auf und ab gesprungen, bis ich in die Höhe gestiegen bin, gegen einen Baum gekracht bin und dann fünf Meter gefallen bin. Ich hab mir damals den Arm gebrochen und meine Mutter hat mich ausgeschimpft, weil ich so dumm gewesen war. Ich glaube, ich bin irgendwie immer noch der Fünfjährige von damals." Sein Blick lag auf mir und ich konnte nicht anders, als es zu erwidern. „Für mich ist das Leben immer noch ein einziges, großes Spiel. Wir sind auf der Schule und alles ist noch in Ordnung, obwohl hier draußen ein verdammter Krieg herrscht. Es sind noch ein paar Monate und dann müssen wir auch kämpfen." James seufzte und wandte sein Gesicht ab. „Und irgendwann wird dieser Krieg entweder vorbei sein, oder wir werden dabei sterben. Wir werden verlieren." „Wo kommen die melancholischen Gedanken her?", fragte ich ihn, aber er sah mich nicht an. „Ich bin nur realistisch", erwiderte er tief. „Ich weiß, wie so viele Leute auf Hogwarts nicht einen Gedanken daran verschwenden, aber ich tue es. Ich habe Angst davor, dass wir uns in diesem Krieg verlieren werden." „Um uns zu verlieren, müssen wir uns erstmal finden", sagte ich und lachte. „Ja", murmelte er abwesend. „Ja, das stimmt wohl." Ich wusste nicht ganz, was ich sagen sollte. Warum bitte sagte er mir sowas? Warum zum Teufel kann er nicht einfach nur den Ausblick genießen und seine verdammte Klappe halten? Ich stöhnte genervt auf. „Lily, was denkst du... habe ich je eine Chance bei dir?", fragte er, als die Gondel sich langsam wieder Richtung Boden bewegte. Mein Kopf zuckte zu ihm. „Was?" „Habe ich eigentlich eine Chance bei dir?", wiederholte er leise. „Du verabscheust mich doch." „D-Das tue ich nicht", presste ich wahrheitsgemäß zwischen den Zähnen hervor. „Du bist... ich weiß auch nicht." Potter lachte brummend auf und schüttelte den Kopf. „Was bin ich?" „Ein Idiot?", fragte ich humorlos und hielt mich an den Griffen der Gondel fest, als ein Ruck durch meinen Körper ging, weil das Riesenrad anhielt. Trocken lachte er erneut. „Vielleicht noch ein anderes Wort?", erwiderte er. „Ich weiß es doch nicht", meinte ich. „Ich kenne dich ja nicht." Er blickte mich mit überraschtem Ausdruck an, doch konnte nichts mehr erwidern, denn der Mann, der uns eingelassen hatte, öffnete die Tür zu unserer Gondel. Kühler Wind durchfuhr meine Haare. „Und was soll das heißen?", fragte er dann, als wir uns durch die Menschenmasse gekämpft hatten. „Das du mich kennenlernen willst, bevor du dir ein Urteil über mich fällst?" Seine Stimme klang schon beinahe ein bisschen zu hoffnungsvoll und ich verdrehte die Augen, ehe ich mit spöttischem Unterton antwortete: „Merlin bewahre mich!" Ein Grinsen erschien auf seinen Lippen. „Ich werte das jetzt als ja, das ist dir bewusst, oder?" Ich konnte mir ein Lächeln nicht verkneifen. „Wohl oder übel, ja", antwortete ich lachend, auch wenn ich mich irgendwie davor fürchtete, den wahren James Potter kennen zu lernen. „Dann lass uns jetzt diese Zuckerwatte essen, von der du erzählt hast!", rief er erfreut aus und blickte mich mit leuchtenden Augen an. Ich konnte mir nicht verkneifen, zu lachen. „Sicher doch, du Idiot." Der Nebel senkte sich immer weiter auf die Erde, während wir uns durch die Massen an Besuchern kämpften, die sich eine Auszeit vom stressigen Alltag gönnten. Mein Magen machte sich bemerkbar, als wir an dem zweiten Stand mit gebratenen Würsten vorbeikamen, die nur darauf warteten, von mir mit einer schönen Portion Ketchup verschlungen zu werden. Ich leckte mir über die Lippen, wandte aber den Blick ab, als eine Hand sich auf meine Schulter legte und mich zurückhielt. Ohne auf meinen Weg zu achten, wäre ich beinahe in einen Kinderwagen gerannt. „Oh, danke", sagte ich erleichtert und lächelte James schwach an, was er auch sofort erwiderte. Ich ignorierte mein erhitztes Gesicht und schob meine roten Wangen auf die Kälte. „Diese Zuckerwatte", fing er an. „ist die aus echtem Zucker oder wird sie nur so genannt?" „Sie besteht schon aus echtem Zucker", antwortete ich lachend, während wir uns dem Verkaufsstand der beliebten Süßigkeit näherten. „Aber es ist nicht so viel, dass man davon sofort Karies bekommen würde. Man nimmt einfach ein bisschen Zucker und - " „Okay, okay!", rief James aus und hob seine Hände in einer abwehrenden Geste. „So genau musst du es mir nicht erklären." Ich zuckte mit den Schultern und reihte mich mit ihm in die Schlange ein. Hauptsächlich warteten junge Mütter mit ihren Kindern, welche schon mit glänzenden Augen in die Trommel mit der hellen oder bunten Zuckerwatte starrten, während ein alter Mann, der einen so flauschigen Bart hatte, das man meinen könnte, er hätte ihn ebenfalls gerade erst gesponnen, Stäbe in den noch flüssigen Zucker steckte und somit die Zuckerwatte herstellte. James neben mir wirkte auf einmal genauso wie eines der Kinder. Die haselnussbraunen Augen hinter seiner Brille blitzten interessiert auf, als er ebenfalls in die Trommel sah. Er war natürlich um einiges größer und einige Stoppeln zierten sein Kinn, aber ansonsten hätte er in diesem Moment ebenfalls als Fünfjähriger durchgehen können. Als wir endlich an der Reihe waren, war meine Vorfreude auf die klebrige Süßigkeit ebenfalls auf dem Höhepunkt. Der Verkäufer reichte uns je einen Stab voll mit fluffiger, pinker Zuckerwatte und wir entfernten uns schnell, um den anderen Kunden den Weg frei zu machen. James hatte bezahlt. Wir suchten uns ein etwas ruhigeres Plätzchen, fernab von den lauten Stimmen und den lachenden Kindern. In meiner Heimat gab es ein paar Plätze, die wirklich schön waren. Einer war dieser Park. Es gab einen winzigen See, der extra hierfür angelegt wurde und besonders zur Weihnachtszeit wurde er immer mit glänzenden Lichtern geschmückt, die sich in der spiegelglatten Oberfläche des Wassers widerspiegelten. Einige wenige Enten quakten leise vor sich hin und am Himmel kreisten ein paar Tauben. James sah mich an, ich nickte und gemeinsam nahmen wir einen Biss von der zuckrigen, klebrigen Süßigkeit. Als die weichen Fäden in meinem Mund begannen, zu schmelzen, konnte ich nicht anders, als vor Genuss meine Augen zu schließen. „Und die Muggel essen sowas jedes Jahr?", fragte James begeistert, der ein weiteres Mal in die Zuckerwatte biss. Mit den Zähnen zog er einige der klebrigen Fäden weg und leckte sich über die Lippen. „Jap", erwiderte ich. „Kinder sind besonders angetan davon." „Das kann ich mir vorstellen", grinste er und ich musste lachen, weil etwas von der rosafarbenen Süßigkeit an seinem Mundwinkel klebte. Er sah mich fragend an. „Du hast da was - ", sagte ich und zeigte mit meinem Finger auf seinem Mund. Seine Wangen und die Spitzen seiner Ohren wurden rot und er wischte sich mit dem Handrücken über die Mundwinkel. Irgendwie war diese Geste extrem süß.   -------------------- 5. Kapitel: Rot, wie der Wein -------------------- „Und was machen wir jetzt?", fragte James, als wir beide die Zuckerwatte aufgegessen hatten. „Wir können ein bisschen über den Markt schlendern", meinte ich schlicht und erhob mich von der Bank. Es wurde später Nachmittag und der Himmel wurde langsam aber dunkel. Ein blutrotes Licht erfüllte die Gegend und der Nebel, der immer noch über der Stadt schwebte, wirkte beängstigend. „Sehr wohl, die Dame", sagte er galant und zog einen unsichtbaren Hut von seinen unordentlichen Haaren. Ich verdrehte die Augen, musste aber trotzdem lächeln. „Idiot bleibt bisher immer noch bestehen", teilte ich ihm mit und zwinkerte. „Aber du hast ja noch ein paar Stunden." Mein ursprünglicher Plan, James Potter abzuschrecken, war bereits vergangen. Ich hatte sogar Spaß. Und das war etwas, was mir irgendwie Angst bereitete. Den ersten Stand, den ich entdeckte, war eine Dosenwerfbude. James war sofort Feuer und Flamme dafür. „Lily, das ist ja wie Quidditch! Man muss nur treffen, oder?", sagte er begeistert und seine Augen leuchteten auf. „Genau, du musst alle Dosen umwerfen", erklärte ich lachend und James zog mich sofort zu dem gelangweilt aussehenden Verkäufer, der aufblickte. „Ich will die Dosen umwerfen!", sagte er und ich musste mir ein Prusten verkneifen, als der Mann ihn irritiert anblickte. James bekam einen Korb zugeschoben, in dem drei lederne, knallrote Bälle lagen. „Die sehen ja genauso aus wie Quaffel!", sagte er erstaunt und drehte einen der Bälle in der Hand. Der Mann warf ihm wieder einen merkwürdigen Blick zu und ich versuchte ihm via Gedanken mitzuteilen, dass James ein Idiot aus dem Ausland war. Mit einem Wurf räumte James alle Dosen ab. Er jubelte laut und sowohl ich als auch der Verkäufer hoben unsere Augenbrauen an. „Muss ich noch mehr abwerfen?", fragte er und blickte mich fragend an. „Äh..." „Du hast schon gewonnen", meinte der Mann grummelnd und irgendwie konnte ich es ihm nicht verübeln. Normalerweise spielten hier Kinder, die gerade einmal die motorischen Fähigkeiten hatten, einen Ball halbwegs geradeaus zu werfen und keine Quidditchstars, die seit Jahren auf der Position des Jägers spielten und darin geübt waren, Bälle zu werfen und Ziele zu treffen. „Du kannst dir jetzt irgendeinen der Preise aussuchen." Meine und auch James' Augen wanderten über die Auslage; da gab es billiges Plastikspielzeug, welches nach wenigem Benutzen schon zerbrechen würde, Kugelschreiber in allen möglichen Farben, Plüschtiere in Form von Hunden, Bären und Elefanten und - „Ich nehme die Lilie." Irritiert sah der Mann James an. „Was? Ich habe hier keine - " Er wandte sich um, als James den Finger hob und blickte erstaunt auf die Blume, die in einer kleinen Vase stand. „Aber... seit wann steht die denn hier?", meinte er perplex und nahm die Blume in beide Hände, um sie James zu überreichen. Er lächelte verschmitzt, als er sich bedankte und dem Dosenwerfenstand den Rücken zudrehte. „Warst du das?", fragte ich ihn tadelnd und er grinste mich galant an, ehe er die Blume aus der Vase zog und sie mir überreichte. „Ich weiß nicht, was du meinst", meinte er lässig. „Aber hast du seinen Gesichtsausdruck gesehen? Zu gut." Ich lächelte und hielt mir die Blume an die Nase, um einen süßlichen Geruch einzuatmen, dann wollte ich sie ihm wiedergeben. „Nein", sagte James schlicht. „Behalt sie." Er reichte mir nun auch die Vase und als gerade niemand hinsah, zauberte er sie so, dass das Wasser nicht auslaufen konnte. Mit einem leichten Lächeln auf meinen Lippen und erhitzten Wangen – was sicherlich nur an der Hitze dieses Würstchenstandes dort lag – steckte ich die Blume in die Tasche meiner Jacke. „Wow, was ist das?", fragte James nun und zog mich mit kindlicher Freude zu einem Stand, an dem mit Schokolade überzogenes Obst, Lebkuchen und gebrannte Nüsse verkauft wurden. „Bei Merlins Bart!", rief er aus, als wir vor der Auslage stehen blieben – ich war etwas außer Atem – und er sich die Leckereien alle betrachtete. „Hätte ich gewusst, dass es auf Weihnachtsmärkten so viel leckeres Zeug gibt..." Eine Spur Bitterkeit lag in seiner Stimme. Dann wandte er sich an mich. „Was möchtest du?" „Wie bitte?", fragte ich ihn perplex. „Was du essen möchtest?", wiederholte er langsam. „Oh, ich – ich weiß nicht genau. Ich glaube, ein paar Trauben könnten ganz lecker sein." Mein Blick huschte zu den mit weißer Schokolade überzogenen kleinen Früchten. Die Verkäuferin, die uns schon mit abwartendem Blick ansah, horchte auf, als James die Stimme erhob. „Gut, dann einmal die Weintrauben und eine Packung mit gebrannten Mandeln, bitte." Er holte erneut seinen Geldbeutel hervor – ich fragte mich immer noch, wo er denn dieses ganze Muggelgeld herhatte – und wollte die Frau bezahlen, doch dieses Mal kam ich ihm dazwischen. „Ich übernehme das", sagte ich schnell, ehe er seinen männlichen und chauvinistischen Stolz heraushängen lassen konnte. Glücklich aß ich die Schokoladentrauben und James gab mir ein paar seiner gebrannten Mandeln ab, während wir weiter über den Markt schlenderten und uns hier und da ein paar der Stände ansahen. Ich musste ihn von den Glücksspielautomaten wegziehen („Nein, du wirst sie nicht verhexen!") und auch von den Greifautomaten, in denen sich kitschige Plüschtiere befanden („Was willst du denn damit?"), aber bei dem Stand mit den Edelsteinketten und – ohrringen musste er mich wegziehen. Lachend sagte er zu mir: „Sowas unechtes steht dir sowieso nicht." Ich besah ihn mit einem säuerlichen Blick. „Woher willst du das denn bitte wissen, Potter?" Er grinste. „Weil ich dich schon mit unechtem Schmuck gesehen habe." „Wann das denn?", fragte ich ehrlich überrascht, denn ich konnte mich nicht erinnern, dass ich je Schmuck auf Hogwarts getragen hatte. „Am ersten Schultag dieses Jahres, erwiderte er lachend. „Hast du das etwa schon vergessen?" „Oh", gab ich von mir, als ich mich wieder daran erinnerte, dass meine Mutter mich an diesem Tag dazu gebracht hatte, dass Armband zu tragen, welches Petunia mir zum zwölften Geburtstag geschenkt hatte. Sie hatte gesagt, es sei ein so besonderer Tag gewesen, weil ich doch endlich Schulsprecherin war. „Das ist unecht? Es sieht aber so edel aus." James grinste noch ein Stück breite und warf die leere Tüte in einen Mülleimer. „Jep. Wenn man mehrere von Kobolden gefertigte Rüstungen, Waffen und Schmuck in seinem Haus hat, dann entwickelt man irgendwann ein Auge dafür." „Und Tuni hat gesagt, sie hätte ein Vermögen dafür ausgegeben", grummelte ich säuerlich. James legte eine Hand auf meine Schulter. „Nimm es nicht so schwer. Du bist auch ohne Schmuck hübsch genug." Eine Hitze durchströmte meinen Körper und an der Stelle, wo seine Hand mich eben berührt hatte, brannte es wie Feuer. Und das, obwohl ich die Berührung durch meine Jacke eigentlich kaum gespürt hatte. Was war denn nur los mit mir? „D-Danke." Ich wandte das Gesicht ab, um mein Lächeln zu verbergen, welches sich auf meine Lippen geschlichen hatte. „Willst du noch was Anderes sehen?", fragte ich dann, als ich wieder die Kontrolle über meine Stimme hatte. „Es wird nämlich langsam spät." Tatsächlich war die Sonne schon lange verschwunden und auch der Nebel, der den Tag über geherrscht hatte, verflüchtigte sich allmählich. Der nun wolkenlose Himmel spiegelte sich ganz wunderbar in dem künstlichen See wider. „Gibt es denn noch irgendwas, was man sehen müsste?", antwortete er mit einer Gegenfrage und mein Blick viel zu dem Plakat, welches an einen Laternenpfahl geheftet war. Feuerwerk um 21 Uhr! „Naja. Nur noch das", sagte ich und deutete auf den grellen Schriftzug. „Ein Feuerwerk?", fragte James erfreut. „Das müssen wir uns ansehen, Lily!" Ich wusste nicht, seit wann ich es nicht mehr schlimm fand, dass er mich beim Vornamen ansprach, aber auch dieser Umstand machte mir irgendwie Angst, genau wie die Hitze, die mein Körper durchströmte, als er mich mit diesen leuchtenden Augen ansah. „Klar", erwiderte ich schwach. Er lächelte mich breit an und zog mich wieder am Handgelenk mit, wobei seine Haut auf meine traf und mein Magen sich wie eine schnurrende Katze einrollte. Er führte mich wieder zu dem Platz, an dem wir zuvor die Zuckerwatte gegessen hatten und wir setzten uns auf die Parkbank. Es war kurz vor neun Uhr, gleich würde also das Feuerwerk starten. Und ich war unglaublich nervös deswegen. „Sag mal, Lily", murmelte James neben mir und ich blickte ihn an. Er hatte etwas Abstand zwischen uns gebracht. „Wie stehen meine Chancen jetzt?" Er wollte mir dabei nicht in die Augen blicken und obwohl ich keine Antwort wusste, öffnete ich den Mund. „Also - " Das Glück war dieses eine Mal auf meiner Seite, denn in diesem Moment explodierte der erste Feuerstern am Himmel und tauchte die Nacht in ein farbenfrohes Lichtermeer. Er lächelte schwach und richtete seinen Blick auf das Feuerwerk vor uns. Kalter Wind kam auf und zerrte an meinen Haaren und meiner Kleidung. Es schien, als würde er sich mühelos durch die dicke Füllung meiner Jacke fressen und bis an meine Knochen dringen. Gänsehaut begann meine Arme hinab zu kriechen und die feinen Härchen an meinem Nacken stellten sich auf. „Ist dir kalt?", fragte James die überflüssige Frage und verdrehte die Augen. „Ein bisschen. Aber es geht." James wollte bereits – männlich, heldenhaft und Gryffindor, wie er war – seine Jacke ausziehen, um sie mir zu geben, aber ich schüttelte heftig den Kopf. „Lass das", war mein Protest. „Ich kann mir einen einfachen Wärmezauber geben." Ich zog meinen Zauberstab aus meiner Hosentasche hervor und hüllte uns beide wieder in eine wärmende Blase ein, denn die, die James über uns gelegt hatte, als wir das Haus verlassen hatten, war schon lange verflogen. „Es wäre aber meine Pflicht gewesen", sagte er mit einem schiefen Grinsen, welches in diesem Licht unglaublich attraktiv wirkte – also, rein platonisch gesehen. „Lass das mal mit diesen schnulzigen Klischees", erwiderte ich mit einer wegwerfenden Handbewegung. „Ach ja, der Feminismus", seufzte er gespielt und blickte mich dann mit glänzenden Augen an. „Weiß du, ich könnte dieses doch recht langweilige Feuerwerk etwas aufpeppen." Seine rechte Hand fuhr zu seinen Haaren und er zupfte etwas an ihnen herum, während er mit den Fingern der linken Hand seinen Zauberstab umfasste. „Nein, James!", sagte ich schnell und schloss meinen Mund sofort wieder, während er große Augen machte. „Was?" Ein dickes Grinsen breitete sich auf seinem Gesicht aus. „Du hast mich James genannt." Seine Stimme überschlug sich beinahe vor Euphorie und sein Lächeln schien noch heller zu strahlen, als die Lichter des Feuerwerks. Er zog nun doch seinen Zauberstab hervor und schwang ihn. Eine Flasche mit einer blutroten Flüssigkeit erschien in seiner Hand, sowie zwei Gläser. „Elfenwein", erklärte er. „Ich wollte ihn immer für etwas Besonderes aufheben. Und ich finde, jetzt passt er ganz gut." Sein Kopf zuckte in Richtung der bunten Lichter und er lächelte mich wieder an. Ich konnte nichts sagen, denn mein Hirn hatte sich gerade auf Autopilot gestellt. Dieser Junge neben mir... er sah es als so besonders Ereignis an, dass ich seinen Vornamen benutzt hatte, dass er das feiern wollte. Entweder, das war das bekloppteste oder das süßeste, was ich je gehört hatte. Und mittlerweile wusste ich bei ihm wirklich nicht mehr, was ich all die Jahre so schrecklich an ihm gefunden hatte. Der wahre James Potter gefiel mir sogar außerordentlich gut. James reichte mir ein gefülltes Glas und prostete mir zu. „Auf dich, Lily." Er nahm einen Schluck und auch ich führte das Glas an meine Lippen. Der Wein schmeckte bitter und herb, aber irgendwie fruchtig. Ich hatte Sirius Black einmal darüber reden hören; Elfenwein sei ein sehr exquisiter Tropfen, den die reichen Reinblutfamilien wie Wasser tranken, damit sie sich noch besser fühlen konnten. Dass James so eine Flasche besaß und dass er sie für so eine Banalität öffnete, fand ich... beunruhigend und irgendwie auch berührend. Noch lange, nachdem ich das Glas geleert hatte, konnte ich den fruchtigen Geschmack auf meinen Lippen spüren. Ich hatte keine Ahnung, wie viel Alkohol in Elfenwein war, oder ob ein Glas überhaupt ausreichen würde, um mich beschwipst zu machen, aber ich verkleinerte den Abstand zwischen uns etwas, während die letzten Feuerwerkskörper am Himmel in bunte Sterne und Strahlen zerplatzten. Aus einem mir noch unerfindlichen Grund, wollte ich nicht mehr, dass der Abstand zwischen uns so groß, so greifbar war.   -------------------- 6. Kapitel: Schwarz, wie die Worte -------------------- James blickte mich überrascht an, doch ich richtete meinen Blick einfach nur stur in den Himmel, der nun wieder lichterlos war. „Lily, ich - ", fing er an, doch ich schüttelte schwach den Kopf und er verstummte. Ich wusste nicht, wie lange es dauerte, aber irgendwann spürte ich eine warme Hand an meiner. Langsam wandte ich meine Augen zu dieser Hand, die zu James gehörte. Seine Finger übten einen leichten Druck auf meinen aus und ich musste schwer schlucken. Wieder hatte ich diese Hitze im Gesicht. „Lily, gehst du mit mir nach Hogsmeade?", fragte er heiser und ich konnte die Hoffnung in seiner Stimme hören, die Aufregung. Ohne ihn zu sehen, wusste ich, dass sein Adamsapfel zitterte und er mich direkt anblickte, während ich immer noch auf unsere Hände sah. Als ich nicht antwortete, entfernte er seine Finger wieder. „Verstehe." „Warte", sagte ich und meine Stimme klang in meinen Ohren wie die einer Fremden. „Es ist nicht... es ist... also..." Ich brach ab, denn ich wusste nicht, was ich sagen wollte. „Schon okay, Lily. Ich hab verstanden. Meine Chance ist vertan, ich hatte lange genug Zeit dafür, nicht wahr? Du hast das hier durchgehalten, obwohl du schon von Anfang an wusstest, dass du Nein sagen würdest." Ich konnte hören, wie seine Stimme immer verletzter klang und ich wollte erwidern, dass das nicht stimmte – aber mittlerweile wusste ich ja nicht einmal mehr selber, was wahr und was falsch war. „Ich bring dich noch nach Hause." Er erhob sich und reichte mir dieses Mal nicht die Hand, um mich hochzuziehen. Ich wollte ihm sagen, dass er noch Zeit hatte und dass ich noch mitten in der Überlegungsphase steckte, doch er hatte sich abgewandt und die Worte steckten mir im Hals fest. „Gut", gab ich stattdessen von mir und irgendwas in mir zerbrach bei diesen Worten. James seufzte kaum hörbar und es hätte auch der Wind sein können, hätte ich nicht gesehen, wie sein Körper sich bei dieser Geste bewegt hätte. Der Weg zu mir nach Hause kam mir plötzlich viel zu kurz vor. Was war an diesem Tag – in diesen wenigen Stunden – nur geschehen, dass ich mir meiner Gefühle über ihm nicht mehr hundertprozentig sicher war? Was hatte er gesagt oder getan, dass mich jetzt zweifeln ließ? Keine Antwort wollte mir in den Sinn kommen. Die Veranda war erleuchtet und die bunten Lichterketten, die mein Dad um die Pfeiler gewickelt hatte, begrüßten uns mit einer blinkenden Standing Ovation. Unschlüssig blieb ich vor der Haustür stehen und drehte mich um. James blickte mich mit einem undurchdringlichen Ausdruck in den Augen an und seine Hand bewegte sich schon wieder zu seinen Haaren. „Wie lange noch, bis du mir eine Chance gibt's?" „Bitte warte noch ein bisschen." Wir hatten gleichzeitig gesprochen und unsere Wangen wurden rot. Auf James' Gesicht breitete sich ein schwaches Lächeln aus. „Also noch nicht." „Bitte, ich kann das nicht an einem Tag entscheiden!", meinte ich mit gequälter Stimme. „Du hast mir heute gezeigt, dass du auch eine andere Seite hast, aber - " „Es reicht dir nicht", unterbrach er mich. „Ich bin dir einfach nicht gut genug und das wusstest du von Anfang an, oder?" Er schien auf einmal wütend zu sein. „Nein!", entgegnete ich. „Aber du darfst mich nicht zu etwas drängen, dass ich nicht will." „Habe ich mir gedacht", erwiderte er starr. „Du willst gar nicht erst." Seine Augen verengten sich, als er mich anblickte. „Ich hatte dich wirklich anders eingeschätzt, Lily Evans." „Was?" Ich konnte nun selber nur mit Mühe meine Wut zurückhalten. Was bei Merlins Gehänge bildete er sich überhaupt ein? „Ich kann mich nicht erinnern, dir etwas schuldig zu sein, Potter. Wenn dann, solltest du mir etwas schuldig sein, nach diesen ganzen Jahren." Er schnaubte verächtlich. „Ich bin dir gar nichts schuldig, Evans. Ich habe so lange auf dich gewartet, habe alles Mögliche versucht und noch immer bin ich dir nicht gut genug. Aber ich hätte es wohl als Zeichen ansehen sollen, dass du überhaupt mit Leuten wie Schniefelus befreundet warst." Er spuckte diesen Namen aus, wie ein grässliches Schimpfwort und mein Gesicht heizte sich vor Wut auf. „Ich weiß sehr wohl, dass Severus nicht das Unschuldslamm ist, für das ich ihn gehalten hatte. Er hat seinen Weg gewählt und ich meinen, aber trotzdem bereue ich nicht, dass ich seine Freundin war. Er hat mir viel gezeigt und beigebracht und ohne ihn wäre ich vollkommen unwissend nach Hogwarts gekommen. Er war mein Freund und - " „Ja, genau", schnaubte James und wandte den Blick ab. Hinter den Gläsern seiner Brille blitzte Verärgerung auf. „Ihn hast du jahrelang toleriert, während er mit schwarzer Magie experimentiert hat und deine Klassenkameraden verhext hat – wenn er Muggelstämmige beleidigt hat – aber natürlich bin ich der Böse." Ich biss mir heftig auf die Wange, um ihm nicht eine zu klatschen. „Das habe ich nie gesagt, James. Ich habe dich nie für den Bösen gehalten. Ich habe dich lediglich für einen Idioten gehalten", warf ich zurück. Wir atmeten mittlerweile beide schwer. „Und ich weiß überhaupt nicht, was du dir von diesem Tag erwartet hast", spottete ich grausam. „Dass ich dir um den Hals falle und dich abknutschen will? Wach auf, Potter. Das ist kein verdammtes Märchen. Hier fällt dir nicht alles in den Schoß. Du bist hier nur in der normalen Muggelgeld." „Dessen bin ich mir wohl bewusst, Evans", giftete er mich an. „Ich bin mir auch bewusst, dass das kein Märchen ist." Er schüttelte den Kopf und schnaubte dann erneut. „Man sieht sich, Evans." Er vergrub die Hände in den Hosentaschen und wandte sich um. „Ja, lauf nach Hause, damit dir Mami wieder einen neuen Besen schenken kann!", schrie ich ihm aufgebracht hinter und auch wenn es grausam war, blieb ich dabei. Er musste lernen, dass ihm nicht alles in den Schoß fallen würde. James' Gesicht raste zu mir herum und in seinen Augen stand nun die blanke Wut. „Wag es nicht, Evans", sagte er und ich wich einen Schritt zurück. Seine Stimme war leise und bedrohlich. „Was denn?", fragte ich spöttisch und fragte mich, wann dieses Gespräch so eskaliert war. Gerade hatte ich aber kein Interesse daran, mich zu vertragen. Ich war viel zu aufgebracht über seine Sturheit. „Du willst die bittere Wahrheit wohl nicht hören, hm?" Seine Augen verengten sich zu Schlitzen. „Das du so tief sinken könntest, Evans", murmelte er mit einer Spur Enttäuschung in der Stimme. „Du greifst doch meine Familie jetzt nur an, weil du damit deine eigene Unsicherheit kompensieren willst. Du machst mich krank", spuckte er mir entgegen und wandte sich nun endgültig um. Ohne mir noch einmal in die Augen zu blicken, apparierte er und verschwand wie der Nebel in der Nacht. Meine Augenwinkel fingen an zu brennen und wütend riss ich die Haustür auf und ohne mit der Wimper zu zucken, knallte ich sie hinter mir wieder zu. „Lily?", rief meine Mutter erschrocken und empört und eilte aus dem Wohnzimmer herbei, aus der die Geräusche des Fernsehers zu vernehmen waren, in dem wohl gerade ein Drama lief. „Was ist denn los?" „Gar nichts", sagte ich giftig, schmiss die Jacke auf die Kommode und zog mir die Schuhe aus, die unsanft in einer Ecke landeten. „Entschuldige mich." Ich stapfte die Treppe hinauf und riss meine Zimmertür auf. Meine Mutter freilich gab nicht so schnell auf. „Lily! Lily, komm sofort zurück!" Ich hörte, wie sie mir hinter lief, doch bevor ich mit meinem Zauberstab die Zimmertür abschließen konnte, trat sie herein und stemmte die Hände in die Hüften. Sie hatte meine Jacke dabei und warf sie mir vor die Füße. „Was fällt dir bitte ein, junge Dame?", rief sie aufgebracht. „Du kommst hier lautstark nach Hause und machst dann auch noch Unordnung? Was ist passiert?", verlangte sie zu wissen. Wütend schnaubend warf ich mich auf mein Bett, doch meine Mutter kam einfach hinterher. „Sofort", sagte sie und ihre Stimme schnitt durch die Luft, wie ein Schwert. „Es war nur ein Streit", grummelte ich und drehte den Kopf weg, denn meine Augenwinkel fingen an zu brennen. „Mit wem? Petunia?", fragte meine Mutter, die Stimme etwas sanfter. „Nein. Potter." „Dem Jungen, der dich besuchen wollte?", erwiderte sie mit verwirrter Stimme. „Genau", antwortete ich gedämpft, denn ich hatte mein Gesicht in mein Kissen gedrückt. „Dieser Idiot hat einfach... keine Ahnung." „Worum ging es denn?" „Das weiß ich ja nicht mal!", sagte ich. „Wir haben uns erstaunlicherweise gut verstanden und ich habe ihn ein bisschen besser kennengelernt. Und dann haben wir uns gestritten, als er mich wieder nach Hause gebracht hat." Meine Mutter setzte sich neben mich aufs Bett du strich mir über den Kopf. „Das tut mir leid, Lily. Willst du dich mit ihm nicht versöhnen?" „Nein", brummte ich, auch wenn das gelogen war. „Ach, Lily, Schatz", seufzte sie und erhob sich wieder. Sie hob meine Jacke vom Boden auf und legte sie neben mich. „Häng sie bitte ordentlich auf." Dann verließ sie mein Zimmer und ich hörte, wie sie die Treppen hinunterging. Mit dem Wink meines Zauberstabes flog die Tür zu und das Licht in meinem Zimmer erlosch. Ich schloss langsam meine brennenden Augen und versuchte zu schlafen, um mich von diesem idiotischen Streit mit dem noch idiotischeren Potter abzulenken. Doch auch nach einer weiteren Stunde wollte der Schlaf nicht eintreten. Immer wieder huschten meine Gedanken zurück zu den Worten, die er und ich gesagt hatten und wie seine Stimme sich verändert hatte. Wie seine Augen vor Wut gezittert hatten und wie ich einen kurzen Moment wirklich Angst vor ihm hatte. Seufzend stand ich auf und rieb mir die Augen. Der Wecker auf meinem Nachttisch zeigte kurz nach dreiundzwanzig Uhr an und trotzdem war ich nicht müde. Dieser blöde Potter – erst tauchte er hier einfach auf und dann machte er so unglaublich süße Sachen, wie mir diese Blume schenken und - Ich erstarrte und mein Blick wanderte zu der Jacke, die von meinem Bett gerutscht war. Mit langsamen Bewegungen ging ich auf sie zu, bückte mich und holte aus der Jackentasche die Lilie hervor. „So klischeehaft", murmelte ich leise, während ich mit sanften Bewegungen die Blütenblätter nachfuhr. Wieder fingen meine Augen an zu brennen und ich legte das Geschenk beiseite. „Blöder Idiot." Langsam hob ich die Jacke vom Boden auf. Wenigstens wollte ich sie noch ordentlich hinhängen und vielleicht etwas essen. Hoffentlich konnte ich dann schlafen gehen, ohne dass mir ein gewisser blöder, schwarzhaariger Quidditchspieler im Kopf herum geistern würde. Ich verzog die Augen zu Schlitzen, als ich aus der Tür trat, um in der Dunkelheit etwas besser sehen zu können – es klappte nicht ganz so gut, aber ich lief immerhin nur gegen das Geländer der Treppe und nicht etwa gegen Petunias Zimmertür. Sie hätte mich bei lebendigem Leib gehäutet, hätte ich ihren Schönheitsschlaf gestört. Unten angekommen, hing ich meine Jacke an den Haken und ging dann in die Küche, in der Absicht, mir vielleicht ein Erdnussbuttersandwich zu machen – nur saß schon jemand dort. „Tuni?", fragte ich erstaunt und meine Schwester hob ihren hübschen Kopf an. „Lily", krächzte sie mit gebrochener Stimme und wischte sich schnell über die Augen. „Warum bist du denn wach?" „Das könnte ich dich auch fragen. Tuni, warum weinst du denn?", erwiderte ich, als ich die Tränenspuren auf ihren Wangen bemerkte, die in dem schwachen Licht der Weihnachtsbeleuchtung noch zu erkennen waren. „I-ich weine nicht", sagte Petunia und versuchte ihre sonst hochnäsige Art aufrechtzuerhalten. Ich ließ mich ihr gegenüber auf dem Küchenstuhl nieder. Mein Plan eines Sandwiches war verflogen. „Du bist eine schlechte Lügnerin", lächelte ich sie an und sie lachte hysterisch. „Und du bist ein Freak", meinte sie und wischte sich wieder über die Augen.   -------------------- 7. Kapitel: Blond, wie ihre Haare -------------------- „Also. Warum hast du geweint?", wiederholte ich. Petunia seufzte leise und sie blickte mich direkt an, was sie seit vielen Jahren nicht mehr getan hatte. „Ich war bei Vernon zum Abendessen eingeladen", fing sie an und strich sich über ihr Kleid, welches ich vorher nicht bemerkt hatte. Es war cremefarben und wirklich hübsch, allerdings ließ es sie wirklich blass aussehen. „Und er wurde befördert, weswegen es ein besonderer Abend war. Ich habe extra einen der guten Weine gekauft, den seine Eltern so mögen und..." Sie brach ab und seufzte leise. „Was?", hakte ich nach. „Sie hassen mich", platzte Petunia schließlich heraus. „Die Eltern meines Verlobten hassen mich und sind nicht damit einverstanden, dass ich ihn heiraten werde. Sie hassen mich und alles, wofür ich stehe." Sie schluchzte leise und ich blickte sie verwirrt an. „A-Aber warum gibt's du denn überhaupt etwas, was sie sagen? Wenn du Vernon wirklich so liebst - " Bei diesen Worten musste ich beinahe würgen – es war ein offenes Geheimnis, dass ich das Walross nicht ausstehen konnte. „– dann sollte es dir egal sein, was seine Eltern denken. Wenn ich einen Jungen mitbringen würde", meine Brust zog sich kurz schmerzhaft zusammen, als ich wieder an den Streit mit James dachte. „dann würde es mir auch egal sein, ob meine Eltern ihn nicht mögen würde, wenn ich ihn nur lieben würde." Petunia blickte mich an, als wäre ich ein Geist. „Was denn?", fragte ich und meine Wangen wurden heiß. Sie schüttelte träge den Kopf und öffnete beeindruckt den Mund. „Ich hätte nicht gedacht, dass ein Freak wie du so gute Antworten parat hat." „Ich bin nicht umsonst Jahrgangsbeste, Tuni", antwortete ich stolz und grinste sie an. Petunia verzog das Gesicht, gab mir aber ausnahmsweise keinen Seitenhieb auf mein Dasein als Hexe. „Danke", sagte sie stattdessen, auch wenn es eher ein Flüstern war, als wollte sie nicht, dass ich merkte, dass sie es gesagt hatte. Ich lächelte sie an. „Gern geschehen." „Und wieso bist du noch wach?", fragte Petunia nun mich und ich erstarrte in meiner Bewegung, denn ich wollte aufstehen, um mir endlich mein Essen zu machen. „Oh, ich – ich wollte nur was essen." Sie sah mich mit ihren hellen, blauen Augen an, die mich zu durchdringen schienen und dieser Blick erinnerte mich so sehr an James, dass ich den Blick abwenden musste. „Du isst sonst nie nachts", sagte Petunia leise. „Was ist los?" „Gar nichts, ich hatte nur Hunger", sagte ich mit zu hoher Stimme und setzte ein hohles Lachen hinterher. Petunia zog ihre Augenbrauen in die Höhe und blickte mich wieder mit diesem spöttischen Ausdruck in den Augen an. „Lily", mahnte sie. „Schön", gab ich resigniert nach. Ich wusste gar nicht, dass Petunia so eine gute Kenntnis von mir hatte. Ich setzte mich wieder auf den Stuhl, von dem ich mich halb erhoben hatte und legte meine Hände auf den Tisch, die dort nun sehr deplatziert wirkten. „Es war nur ein Streit." „Mit Mum?", hakte Tuni nach und ich schüttelte den Kopf. „Dad?" Ihre Stimme klang dieses Mal ungläubig, was ich nur zu gut verstehen konnte. Ich hatte mich noch nie mit meinem Vater gestritten und würde es wohl auch nie. Ich war sein kleines Mädchen, seine Blume. Er liebte mich zu sehr, um mit mir zu streiten. „Nein, mit... einem Jungen." Petunia zog die Augenbrauen die Höhe. „Einem Jungen?", wiederholte sie. „Du kennst Jungs?" Ich lachte humorlos. „Sehr witzig, Tuni. Ja, ich kenne Jungs, stell dir vor. Ich lebe ja nicht hinterm Mond." Petunias dünne Lippen verzogen sich zu einem schmalen Lächeln. „Schon gut. Worum ging es?" „Ich weiß es ehrlich gesagt nicht", sagte ich wahrheitsgemäß und seufzte leise. „Wir haben uns gut verstanden – was schon eine Überraschung für sich war – und dann von einem Moment auf den anderen fing es an." Ich stützte mein Kinn auf meine Hände. „Und jetzt sind wir beide sauer aufeinander und ich bin verwirrt, was ich denken soll." „Wieso das?", fragte Petunia, die ebenso sichtlich verwirrt schien. Ich verzog das Gesicht, ehe ich antwortete: „Naja, da sind irgendwie Gefühle, die nicht da sein sollten und alles fühlt sich so falsch an." „Erklär es mir", forderte Petunia mich auf, die wohl nicht ganz mitkam. „Okay", seufzte ich, während die Digitaluhr an der Wand auf null Uhr sprang. „Auf meiner Schule ist dieser eine Junge, James Potter. Er ist ein echt arroganter Typ, der in allem der Beste ist und gut im Sport und bei allen beliebt ist. Er und seine Freunde spielen regelmäßig Streiche und seit diesem Jahr ist er mit mir zusammen Schulsprecher. Ich kann ihn eigentlich kein Stück leiden. Dann ist er heute aufgetaucht, nachdem er sich per Brief angekündigt hat, weil er mich besuchen wollte." Ich verzog das Gesicht. „Er wollte, dass ich ihm eine Chance gebe, dass ich den richtigen James kennen lernen und ich habe ihm gesagt, ich gebe ihm 24 Stunden, damit er mir beweisen kann, dass er nicht der größte Idiot auf Erden ist. Also sind wir losgegangen. Wir waren Kaffee trinken und dann Eislaufen und auf dem Riesenrad, haben Zuckerwatte und Schokofrüchte gegessen, er hat mir beim Dosenwerfen eine Lilie gewonnen und dann haben wir uns das Feuerwerk angeguckt. Und er hat mich gefragt, ob ich ihm denn je eine Chance geben würde und ich wusste einfach keine Antwort, weil ich an diesem Tag den echten James Potter kennen gelernt hatte, der auch Ängste und Sorgen hatte und ich nicht wusste, was ich damit anfangen sollte, also habe ich nichts gesagt und dann wurde er sauer, als er mich zu Hause abgesetzt hat und wir haben uns gestritten und – oh Gott, ich habe so schreckliche Dinge zu ihm gesagt, Tuni", schloss ich lahm. Meine Schwester allerdings starrte mich an, als hätte ich ihr gerade erzählt, ich würde die erste Präsidentin der Vereinigten Staaten von Amerika werden. „Was ist?", fragte ich vorsichtig und befürchtete schon, sie hätte ihre Zunge verschluckt. „Du hast 'Gott' gesagt", sagte sie atemlos. „Das hast du seit ein paar Jahren nicht mehr getan. Immer sagst du nur Merlin." Ich sah sie mit großen Augen an. „Tuni, ich habe hier ein wirkliches Problem", erinnerte ich sie und sie schüttelte kurz den Kopf. „Okay, tut mir leid. Was genau ist denn nun das Problem?" „Ich habe ihm so schreckliche Dinge an den Kopf geworfen und er wird bestimmt nie wieder mit mir reden wollen!" Petunia verschränkte die Arme und lehnte sich in ihrem Stuhl zurück. „Du hast doch gesagt, du kannst diesen Jungen sowieso nicht leiden. Warum also kümmert es dich." „Weil ich mir da nicht mehr so sicher bin", stöhnte ich und ließ meinen Kopf auf die Tischplatte sinken. „Ich hätte es einfach nicht für möglich gehalten, aber alleine diese wenigen Stunden außerhalb mit ihm – ohne die Schule, ohne die ganzen Schulkameraden und Lehrer und den Leistungsstress – haben mir eine Seite an ihm offenbart, die ich vorher nicht wahrgenommen hatte. Und jetzt weiß ich einfach was ich fühlen soll. Der Junge, den ich sechs Jahre lang nicht ausstehen konnte, hat mir gezeigt, dass er diese Dinge mit mir machen kann und dass ich mich nicht dagegen wehren kann... Petunia, hilf mir." „Hast du ein warmes Gefühl, wenn er mit dir redet?", fragte sie. „Ja." „Wirst du nervös, wenn er dich berührt?" „Ja", antwortete ich. „Fühlt dein Bauch sich komisch an, wenn du ihm in die Augen blickst? Oder wenn er etwas zu dir sagt? Wirst du bei Komplimenten rot?" „Ja, ja und ja." Petunia seufzte leise. „Du verliebst dich", sagte sie dann nach ein paar Sekunden Schweigen. Sofort lachte ich auf. „Du bist ja verrückt", sagte ich und meine Stimme rutschte ein paar Oktaven höher. „Das ist unmöglich." Meine Schwester zuckte nur leicht mit den Schultern. „Das ist meine Einschätzung der Dinge. So war es bei mir und Vernon zumindest. Die Schmetterlinge im Bauch, die heißen Wangen", schwärmte sie. „Hach, es ist so schön, wenn man sich gerade verliebt." Ich lachte noch einmal auf und mein Lachen klang sehr hysterisch. „Das ist doch nicht möglich!", versuchte ich sie mit Logik zu überzeugen. „Man kann sich nicht in weniger als 24 Stunden in jemanden verlieben, den man zuvor nicht gemocht hatte. Das ist physikalisch nicht möglich, Tuni." „Das weiß ich", antwortete sie schlicht und erhob sich von ihrem Stuhl, wobei sie ihr Kleid wieder glattstrich. „Ich sage auch nicht, dass es jetzt passiert sein muss. Manchmal hat man diese Gefühle schon in sich und es braucht erst einen kleinen Schubser, um sie zu erwecken. Wer weiß... vielleicht hattest du schon immer etwas für diesen James Potter übrig und erst jetzt bist du dir darüber im Klaren geworden. Den wahren Kern einer Person zu kennen, kann manchmal wirklich Wunder bewirken." Petunia ging an mir vorbei und ihre Hand zuckte kurz, als wolle sie sie mir auf die Schulter legen, doch sie besann sich wohl eines Besseren. „Gute Nacht, Lily. Ich brauche noch etwas Schönheitsschlaf." „Warte!", sagte ich leise und folgte ihr. „Was soll ich denn jetzt machen?" Meine Schwester blickte mich nun leicht genervt an. „Mensch, Lily, ich bin doch kein Pärchenberater. Geh zu ihm oder lass es bleiben", sagte sie schlicht, ging die Treppen hinauf und ließ mich in der Dunkelheit des Flures zurück. Eine geschlagene Minute lang stand ich einfach nur da – lauschte, wie die Badezimmertür im oberen Stock zu ging und dann wieder geöffnet wurde, wie Petunia in ihrem Zimmer verschwand – dann bewegte ich mich. Erst zaghaft lief ich auf die Kommode zu, über der meine Jacke hing. Einen Augenblick lang klammerte ich meine Hand einfach nur in den Stoff und spürte die raue, kühle Oberfläche auf meinen Fingern, dann riss ich sie vom Haken und zog sie mir über. Ich eilte in mein Zimmer, schnappte mir meinen Zauberstab, wobei mein Blick auf die Lilie von James fiel, die jetzt auf meinem Nachttisch stand und vom Mondlicht beschienen wurde. Ich schluckte schwer und wandte mich um. Was tat ich da nur... Resigniert ließ ich meine Jacke von den Schultern gleiten und achtlos auf den Boden fallen und setzte mich auf mein Bett. Ein Gedanken schien den nächsten zu jagen. Mein Kopf wurde schwer und meine Augenlider fielen zu und vor meinem inneren Auge konnte ich diesen Tag noch einmal sehen. Ich sah, wie James genervt mit der flirtenden Bedienung redete, wie er mir half, auf dem Eis stehen zu bleiben. Ich sah, wie wir gemeinsam mit dem Riesenrad fuhren, wie die Lichter sich in seinen Augen gespiegelt hatten, als er darüber geredet hatte, was uns dort draußen erwartete. Und ich sah das Feuerwerk und spürte, wie mein Gesicht wieder warm wurde und meine Hände schwitzig wurden und wie ein Kribbeln meinen Magen beeinträchtigte. James Potters strahlendes Gesicht mit dem breiten Grinsen erschien vor mir und ich konnte ihn sehen, wie er mich mit leuchtenden Augen anblickte. Und dann wusste ich es.   -------------------- 8. Kapitel: Haselnussbraun, wie seine Augen -------------------- Ich sprang auf und mit dem Schwung meines Zauberstabes hatte ich meine Jacke und auch die Schuhe an. Ich apparierte auf der Stelle und konzentrierte mich genau auf den kleinen See, auf dem wie Eislaufen waren. Ich versuchte mir genau vorzustellen, wie kühl die Umgebung war, wie charmant das Haus gewirkt hatte und wie unglaublich schön es gewesen war, als die Sonne durch die Wolken gebrochen war und sich in dem von James' erschaffenen Eis gespiegelt hatte. Ich presste die Augen und Lippen zusammen und drehte mich auf der Stelle, den See genau vor Augen. Als meine Füße auf festem Boden aufkamen, rutschte ich aus und fiel hin. Ich war mitten auf dem noch immer gefrorenen See gelandet. Mein Blick huschte sofort zu dem zweistöckigen, einfachen Haus, welches dort stand und den Mond blockierte und ich erhob mich vorsichtig. Mit langsames Schritten, damit mein Hintern nicht noch einmal Bekanntschaft mit dem Eis machen würde, ging ich auf das Ufer zu, während meine Auge die Fenster absuchten, in der Hoffnung, vielleicht einen Hinweis darauf zu gelangen, dass James dort in einem der Zimmer sein würde. Aber das Haus war dunkel und still. Endlich war ich am Ufer angekommen und mit pochendem Herzen, welches sicher so laut war, dass jeder es im Umkreis hören musste, ging ich um die Fassade herum, bis ich an der Haustür angekommen war. Eine Türklingel gab es nicht. Ich hob eine zitternde Hand und klopfte vorsichtig gegen die hölzerne, sehr edel aussehende Tür und wartete. Vielleicht hatte er mich nicht gehört, dachte ich nach ein paar Sekunden, in denen sich nichts im Haus getan hatte. Oder er ist nicht da. Vielleicht – nur vielleicht – wollte er mich auch nicht hören. Meine Lippen bebten und mein Herz schlug wie wild, als ich die Hand erneut anhob, um etwas fester zu klopfen. Ein Licht glomm im Flur auf und ich sprang erschrocken zurück. Ich hatte nicht weit genug vorgedacht. Was sollte ich sagen? Oder besser: Was sollte ich tun, wenn nicht er, sondern seine Eltern aufmachen würden? Immerhin war es nach Mitternacht und normale Menschen schliefen um diese Uhrzeit. Das Licht, welches ich durch ein senkrechtes Seitenfenster sehen konnte, kam näher und ich erkannte, dass es sich um eine durch Lumos entzündete Zauberstabspitze handelte. Und mein Herz sprang freudig in die Höhe, als ich erkannte, dass es James war, der diesen Zauberstab trug. Ich ging noch einen Schritt zurück und knetete mit meinen Händen. Sie mussten sicherlich total dämlich aussehen. Warum hatte ich daran nicht gedacht? Die Tür wurde geöffnet und mit ausdrucksloser Miene betrachtete James mich, wie ich mit nervösen Bewegungen vor seinem Haus stand. „Was willst du?", fragte er, noch bevor ich den Mund öffnen konnte. „I-Ich wollte mich bei dir entschuldigen und - " „Aha." Er machte Anstalten, die Tür wieder zu schließen, aber geistesgegenwärtig, sprang ich vor und stellte einen Fuß dazwischen. „Warte, James, bitte." Ich hoffte, dass er mir eher gewillt war, zuzuhören, wenn ich ihn bei seinem Vornamen nennen würde. Seine Miene allerdings veränderte sich nicht. Wenn dann, sah er genervt aus. Ein paar Sekunden lang blickte ich ihn flehend an, dann seufzte er schließlich und zog die Tür wieder auf. „Komm rein", meinte er knapp und trat beiseite. Wenn er sich auch nur im Geringsten freute, mich zu sehen, dann verbarg er dies äußerst gut. „Danke, James." Erleichtert, aber auch neugierig, trat ich ins Haus und James schloss die Tür hinter mir. Alles, was ich im schwachen Licht seines Zauberstabes erkennen konnte, machte auf mich den Eindruck, als wäre es äußerst wertvoll. Glänzende Rüstungen standen an den Wänden und ein großes Portrait mit einem dunkelhaarigen Mann mit einem vollen Bart bedeckte die Nordseite des Flurs. Der Boden schien entweder aus echtem Marmor zu sein, oder er sah nur danach aus, aber eines stand fest: James' Familie hatte definitiv sehr viel Geld. Ich schluckte, angesichts der Tatsache, dass James reich war. Also, wirklich reich. Ich hatte immer gewusst, dass seine Eltern einiges an Geld haben mussten, doch selbst dies übertraf meine Vorstellungen bei Weitem. James stammte aus einer reichen, sehr alten Reinblutfamilie und ich war nur ein muggelstämmiges Mädchen, ohne irgendwelche reichen Verwandten oder Besonderheiten. Was hatte er an mir gefunden? Er könnte sich jedes andere Mädchen nehmen, dass er wollte. James hatte alles: Er war sportlich, beliebt, sah gut aus und hatte viel Geld. Mit all diesen Dingen war er der perfekte Erbe einer Reinblutfamilie. Er würde diese Dynastie irgendwann weiterführen. Ich war nicht gut genug dafür. Ich war nicht rein genug dafür. Mit zittrigen Händen und weitaufgerissenen Augen starrte ich James an, der neben mir stand und eine Augenbraue in die Höhe gezogen hatte. Meine Augenwinkel fingen an zu brennen, als ich mir bewusstwurde, dass, egal, wie sich das zwischen uns auch immer entwickeln würde, ich war es nicht wert. Die erste Träne, die ich zuvor immer so gut zurückgehalten hatte, stahl sich ihren Weg auf meine Wange und ich beeilte mich, sie wegzuwischen. James' Miene wurde etwas weicher, als er diese kurze Geste sah, aber er sagte nichts dazu. Stattdessen drehte er sich stumm um und bedeutete mir, ihm zu folgen. Mit vorsichtigen Schritten tat ich dies auch. Das Zimmer, in welches er mich brachte – war enttäuschend klein. Ein Bett stand darin, sowie ein ziemlich unordentlicher Schrank, ein zugemüllter Schreibtisch und ein halb geleerter Koffer. James' Besen stand unter einem Fenster, welches zum See zeigte und mein Gesicht erhitzte sich. Hatte er vielleicht gesehen, wie ich auf dem Eis gelandet und direkt hingefallen war? Er deutete mit der Hand auf das Bett und ich ließ mich nervös darauf nieder. James setzte sich in einigem Abstand neben mich und mit einem Wink seines Zauberstabes erhellte sich die Lampe an der Decke. Er steckte den Stab wieder in seine Hosentasche und legte die Hände dann in seinen Schoß. Er sah mich nicht an. „James, hör zu - ", fing ich an, doch er schüttelte träge den Kopf. „Bitte - " „Potter." „Was?", fragte ich perplex. „Ich bin Potter. Nicht James. Das war ich immer für dich, oder?" Seine Stimme klang freudlos. Ich spürte, wie mein Magen aufgrund seiner Worte rebellierte. „Nein, James, bitte, so ist das nicht. Hör mir einfach zu", bat ich und als er dieses Mal nichts tat, sprach ich erleichtert weiter. „Es war ein Fehler von mir, diese Dinge zu sagen und das weiß ich. Es tut mir wirklich leid." Ich bewegte meine Hände unruhig hin und her und meine Lippen wurde merkwürdig trocken. „Ich habe mit meiner Schwester geredet und sie – sie hat mir diese Dinge gesagt, die ich nicht verstehen kann und vor denen ich Angst habe und jetzt weiß ich nicht mehr, warum ich eigentlich hier bin." Meine Stimme wurde zu einem Flüstern und ich brach ab. James' Kopf hob sich leicht und seine haselnussbraunen Augen wandten sich mir für einen kurzen Moment zu. „Was meinst du damit?", fragte er schließlich. „Wovor hast du Angst." Ich biss mir auf die Lippen und schloss schmerzerfüllt die Augen. „D-Dass da mehr ist, als nur Abscheu. Das ich Gefühle habe, die ich mir nicht zugestehen will. Das diese Gefühle nicht richtig sind und dass... dass ich einfach nicht richtig bin." James sah mich einfach an. Und dann sagte er es. „Was meinst du damit?" Ich schluckte und bewegte meine Hand auf seine zu. „Ich habe Angst, dass ich mich in dich verliebe", gab ich zu und seine Augen weiteten sich, während ich meine schloss. Ich ekelte mich vor mir selber, weil ich das gesagt hatte. Es war ja nicht so, als wäre James ein Parasit. Er war einfach nur ein Junge. Ein ganz normaler Junge. „Ist das - ", er räusperte sich vernehmlich. „- meinst du das ernst?" „Merlin, ja", sagte ich mit erstickter Stimme. „Ich weiß, das ist dämlich." James atmete laut aus und ich spürte seinen warmen Atem an meiner Wange. „Das ist nicht dämlich", meinte er dann und ich blickte auf. „Du bist – du bist so mutig." „Das bin ich nicht", widersprach ich, doch James schüttelte den Kopf. „Doch. Du bist das mutigste Mädchen, welches ich je getroffen habe, Lily." Und vielleicht war es die Art, wie er meinen Namen aussprach, oder auch die Uhrzeit, oder vielleicht lag es auch daran, dass ich meine Tage hatte und nicht ganz auf der Höhe meiner geistigen Zurechnungsfähigkeit war – aber ich küsste ihn. Sofort wanderte seine Hand zu meiner Hüfte und er zog mich an sich und ich vergrub meine Finger in seinen Haaren, die so weich und wunderbar waren. Wie ich mich nach diesem Moment gesehnt hatte. Ich stöhnte in den Kuss und schloss die Augen, während wir unsere Lippen hungrig aufeinander bewegten. Und Merlin, fühlte es sich gut an. Und richtig. „Was soll das", murmelte er gegen meine Lippen. „Ich küsse dich", antwortete ich und drückte meine Lippen erneut gegen seine. James brach den Kuss nicht ab, oder erwiderte ihn nicht, aber ich fühlte, dass er nicht ganz dabei war. Also ließ ich von ihm ab und sah ihn mit geöffnetem Mund an und atmete schwer. „Was ist los? Ist das nicht alles, was du je wolltest?", fragte ich ihn, Enttäuschung schwang in meiner Stimme mit. Vielleicht war ich letztendlich wirklich nicht gut genug für ihn. „Doch. Natürlich. Es ist nur so... so surreal", gab er zu. „Du hast mich verabscheut und auf einmal küsst du mich. Was soll ich denn jetzt denken?" „Denk einfach nicht", hauchte ich. „Und küss mich einfach. Du hast es geschafft. Du hast mich überzeugt. In weniger als 24 Stunden. Glückwünsch, Potter." Ich legte eine Hand in seinen Nacken und wollte ihn wieder zu mir ziehen, doch er wehrte sich. „Lily, ich kann das nicht einfach so", sagte er und drückte mich von sich. Meine Augenwinkel brannten wieder und ich verfluchte mich selbst dafür, dass er mich so fühlen lies. Dass ich so schwach wurde. „Ich weiß, ich bin keine reinblütige Hexe, die deine Familie braucht und ich bin auch nicht reich oder - " James unterbrach mich. „Was redest du denn da?", forderte er aufgebracht zu wissen. „Das ist mir doch vollkommen egal. Und meinen Eltern auch. Und selbst wenn es sie kümmern würde, dann wäre es mir immer noch egal." „Aber – du bist doch der Erbe - " „Na und?", erwiderte James höhnisch. „Es interessiert mich nicht, in welcher Art diese Familie weitergeführt wird. Aber ich gehe keine Ehe mit einer Reinbluthexe ein, nur wegen der Familienlinie. Glaub mir, Lily, ich wäre der Letzte, der das wollen würde." Seine warmen Finger strichen über meine Wange und wieder spürte ich, wie mir ganz wohlig wurde. „Du weißt nicht, wie lange ich auf diesen Augenblick gewartet habe", fuhr er fort. „Sieben Jahre lang habe ich darauf gewartet, dass wir uns gut verstehen und jetzt küsst du mich. Lily, ich bin verwirrt. Was passiert jetzt? Was ist das mit uns jetzt?" Ich schüttelte traurig den Kopf. „Ich weiß es nicht, James. Ich weiß es wirklich nicht. Aber ist das wichtig?" Ich biss mir auf die Lippe, als ich wieder an das viele Geld dachte, dass James und seine Familie besaßen. „Aber... " „Hast du noch Angst?", fragte er sanft. Meine Augen wandten sich ihm zu und das Licht der Lampe spiegelte sich in seinen Brillengläsern. „Nein", hauchte ich leise und meine Hand wanderte zu seiner und unsere Finger verschlungen sich einander. „Dann lass uns einfach abwarten", erwiderte er. „Lass uns abwarten und die Dinge geschehen lassen und dann sehen wir, was sich entwickelt. Ich weiß nur... Lily Evans, du machst mich verrückt." „Und ich weiß, du bist der größte Idiot, der mir je untergekommen ist." James grinste in den Kuss hinein, zu dem ich ihm gezogen hatte. Vor dem Fenster fielen die ersten Schneeflocken des Jahres. 14 Stunden und 32 Minuten. Und dieser blöde Idiot hatte Recht behalten. Er hatte wirklich nur 15 Stunden benötigt.   ******************** Am 14.1.2017 um 16:30 von Roiben auf StoryHub veröffentlicht (http://sthu.de/s=%24Yc%C3%A4%40) ********************