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Shash

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12.05.20 10:59
6 Ab 6 Jahren
Fertiggestellt

Charaktere

Kaladin

Kaladin, einer der Hauptprotagonisten der Sturmlicht Chroniken, ist ein Alethi Dunkelauge. Er hat ein natürliches Talent zum Führen und für den Speerkampf, weshalb man ihn Kaladin Sturmgesegnet nennt. Wie sich herausstellt, ist er ein Wogenbinder. Sein Sprenksel is Sylph.

Der Sklavenwagen rumpelte über den Fels. Tvlakv, der Menschenhändler, saß irgendwo weiter vorn auf seinem Chull und beachtete seine Ware wahrscheinlich nicht weiter. Langsam schlich die Karawane voran, die Sklaven wussten nicht, wohin. Und es war ihnen auch egal.

Zusammengepfercht in engen, schmutzigen Karren starrten sie apathisch vor sich hin. Ihre Blicke gingen ins Leere, auf den Boden, nach draußen. Nur nicht einander ansehen und den Spiegel des eigenen Elends vorgehalten bekommen.

Die Shash-Glyphe brannte auf Kaladins Stirn. Gefährlich. Das bedeutete sie. Er war gefährlich. Ein Fahnenflüchtiger. Jeder, der ihn ansah, würde dies sogleich erkennen. Schlimmer jedoch als der körperliche Schmerz, dem ihm die Wunde bereitete, war der seelische, der dahinter stand.

Amaram.

Er hätte es wissen müssen! Kein Hellauge besaß auch nur einen Funken Ehre im Leib. Er selbst war aus dem zweiten Nahn und schon er war als Sohn eines Chirurgen von den anderen Dunkelaugen seines Heimatortes Herdstein mit Argwohn betrachtet worden. Zu Recht? Vielleicht. Wenn er an den Verrat dachte, war er beinahe geneigt, dies zu glauben.

Der Splitterträger tobte durch ihre Einheit wie eine Urgewalt. Als wäre nichts dabei, schwang er seine Splitterklinge und mähte seine Männer nieder. Einen nach dem anderen. Kaladin schrie auf. Nein, er schrie nicht, er brüllte. Brüllte all seinen Zorn und seine Verzweiflung in die Welt hinaus. In diese sturmverdammte Welt, die solche Grausamkeiten zuließ.

Nichts konnte er tun, nichts! Ein Splitterträger war kein Gegner für ihn. Nicht einmal ein Hellauge konnte gegen einen Mann in Splitterpanzer und Splitterrüstung bestehen, insofern es nicht selbst die Waffen und Rüstungen der Strahlenden von einst besaß.

Er hatte wirklich geglaubt, etwas Gutes zu tun, indem er gemeinsam mit Tien in Hellherr Amarams Armee eintrat. Hellherr Roshone hatte sie verraten. Ungerechterweise hatte er Tien einziehen lassen, obgleich er gewusst hatte, dass Kaladins Bruder noch viel zu jung dafür war. Kaladin selbst stand eine herausragende Ausbildung zum Chirurgen in Khabranth in Aussicht. Doch stattdessen hatte er sich gegen den Willen seines Vaters dafür entschieden, ebenso in die Armee des Großprinzen einzutreten, um Tien zu beschützen.

Um Tien zu beschützen …

Er hatte versagt, wie er auch bei den Männern unter seinem Kommando versagt hatte. Wie er immer versagte, wenn er andere zu schützen versuchte.

Der Splitterträger war tot. Kaladin hatte ihn getötet. Nach dem Recht der Alethi war er nun selbst ein Splitterträger, und ein voller noch dazu! Wenn die Geschichten stimmten, würden sogar seine Augen eine andere Farbe annehmen. Er würde wahrlich ein Hellauge werden.

Er jedoch hatte all diesen sagenumwobenen Reichtum, für den andere Männer ganze Königreiche hergeben würden, einfach so verschenkt. An seine Männer, die wenigen, die überlebt hatten, an Coreb, einem der talentiertesten Speermänner seiner Einheit.

Dafür hatten sie sterben müssen, einer nach dem anderen.

Ohne Gnade fielen die Klingen herab und töteten die verbliebenen Männer, die wenigen Zeugen der Ereignisse auf dem Schlachtfeld. Ihr Blut tränkte den Boden. Kaladin wehrte sich gegen den Griff, der ihn gefangen hielt, doch er war zu schwach. Seine Schreie verhallten wirkungslos und retteten seine Männer nicht.

Der letzte, der starb, war Coreb. Kaladin starb mit ihm.

Aus Gnade aber sollte Kaladin leben. Als Dank für den sagenumwobenen Reichtum, den er Hellherr Amaram verschafft hatte. Welchen Amaram sich einfach mit dem Leben von Kaladins Männern geraubt hatte. Er spuckte auf diese Gnade, die keine war!

Die Shash-Glyphe brannte stärker, und Kaladin musste dem Drang widerstehen, sich an der Stirn zu kratzen.

Oh! Wie er einst Hellherr Amaram vergöttert hatte! Doch es war eine hoffnungslose Liebe, wie er nun wusste. Weit über das Land hinaus hatte man nur Gutes von Hellherr Amaram gehört. Der Großprinz, der sich so hervorragend für seine Soldaten einsetzte und für ein vereintes und starkes Alethkar kämpfte. Kaladin hatte schon immer für solch einen Mann kämpfen wollen. Eine Zeit lang war er sogar bereit gewesen, seine vielversprechende Kariere als Chirurg auch gegen den Willen seiner Eltern an den Nagel zu hängen, nur um wieder dieses berauschende Gefühl eines Speeres in seinen Händen spüren zu können.

Was er nicht alles für Amaram getan hätte! Er hatte diesen Mann zutiefst verehrt. Und er war ebenso wie alle anderen den süßen Einflüsterungen dieser Schlange erlegen. Gekämpft hatte er für Hellherr Amaram, sogar gefallen wäre er für ihn, Kaladin der Sturmgesegnete. Die Wunden, die Amaram ihm zugefügt hatte, waren nicht körperlicher sondern seelischer Natur. Sie würden für immer bluten.

Die Sirene hatte ihn verführt und nun in sein Verderben gestürzt. Wie wunderbar die Welt in seiner Kindheit ausgesehen hatte! Sie war erfüllt gewesen von der Liebe seiner Eltern und dem unverwüstlichen Lachen seines jüngeren Bruders Tien. Doch so war nun einmal der Lauf der Dinge. Die sturmumtoste Welt von Roschar war grausam und unerbittlich und kannte keine Gnade.

Kaladin hatte seine Unschuld schon lange verloren.

Nun saß er hier irgendwo in der Wildnis in einem Sklavenwagen und wartete auf das Ende. Vielleicht würde der nächste Großsturm es ihm bringen, vielleicht aber auch nur eine einfache Infektion der Brandwunde auf seiner Stirn.

Shash. Gefährlich.

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ViennaVampires Profilbild
ViennaVampire Am 01.05.2017 um 22:22 Uhr
Hallo, AuctrixMundi.

So, jetzt habe ich endlich mal diese Geschichte gelesen. Ich hatte mir schon vorgenommen, deine Stormlight-FFs zu lesen, seit du die erste hochgeladen hattest, da ich großer Brandon Sanderson-Fan bin. Leider hatte ich bisher nicht die Zeit dazu gefunden. Dafür bekommst du natürlich auch ein Review zur Rückmeldung.

Ich fand diesen OS sehr schön geschrieben. Er ist nicht besonders lang, aber das stört mich soweit nicht. Ich fand die Atmosphäre schön eingefangen, Kaladin wirkte IC auf mich und auch seine Zerbrochenheit hast du, meines Empfindens, sehr glaubhaft dargestellt. Teilweise fand ich sogar, dass du Sandersons Schreibstil sehr nahe gekommen bist (was zum Teil auch daran lag, dass du einiger seiner für Kaladin fast schon ikonischen Sätze - z.B. "Ich habe versagt." u.Ä. - mit eingebaut hast. Dadurch las sich alles sehr stimmig und fast originalgetreu).
Auch Rechtschreibung und Grammatik sind absolut in Ordnung, da habe ich wirklich nichts zu meckern.
Warum es aber trotzdem "nur" 3 1/2 Sterne gab und keine 5:

Mir hat ein bisschen die... Pointe wäre das falsche Wort, aber das Fazit der Geschichte gefehlt. Vom literarischen Standpunkt aus, ist der OS voll in Ordnung, nur gibt es "innere Monologe" wie diesen in den originalen Büchern schon zur Genüge (eine der wenigen Sachen, die ich an Sanderson nicht so mag - er wiederholt sich extrem oft). Mir kam der OS vor, wie eine Zusammenfassung verschiedenster Szenen aus den Büchern, in welchen Kaladin sein Schicksal reflektiert. In gewisser Weise hat mir das "eigene", eine Ergänzung, die es so in den Büchern nicht gibt, gefehlt.

Dementsprechend: literarisch sehr schön gemachter OS, inhaltlich hätte ich mir etwas mehr gewünscht, wenngleich das, was da ist, nicht schlecht ist.

Liebe Grüße
Vienna
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Elenyafinwes Profilbild
Elenyafinwe
M
(Autor)
Am 02.05.2017 um 13:47 Uhr
Hallo,

danke für Kommentar und Bewertung! Als ich die Mail für die Bewertung bekommen hatte, dachte ich mir auch schon, dass genau das der Grund war. Ich mein, 3,5 ist gut, ich hätte dem wahrscheinlich weniger gegeben :'D Aber du hast schon Recht mit den Punkten. Ich hatte so eine Phase, wo ich rellativ viel solcher OneShots geschrieben hatte. Nett als Charakterstudie, retrospektiv machen die sich aber vielleicht besser als Drabbles. Meine Stormlight Drabbles wollte ich eh mal fortsetzen, wenn ich den Reread gemacht habe, der für Oathbringer ansteht.

Btw. wo du es schon ansprachst: Ich kann dir sehr meinen anderen OS empfehlen. Wobei "mein", der ist eigentlich eine Übersetzung (meine einzige), weil der Originaltext so, so gut ist! *-* Der ist wirklich einen Blick wert. Schade, dass es generell zu Brandon im Deutschen so gut wie keine FFs gibt :/

lg Auctrix
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Autor

Elenyafinwes Profilbild Elenyafinwe
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Bewertung

Eine Bewertung

Statistik

Sätze: 61
Wörter: 905
Zeichen: 5.347

Kurzbeschreibung

Shash. Gefährlich. Das bedeutet die Rune, die Kaladin auf die Stirn gebrannt wurde. Für ihn bedeutet sie jedoch so viel mehr: Sklaverei, Verrat, Schmach und Schande. Shash ist das Zeichen seines Versagens, das ihn in die Sklaverei und in sein Ende trieb.

Kategorisierung

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